Tracktest Manthey-Porsche 911 GT3 RSR

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Tracktest Manthey-Porsche 911 GT3 RSR
Power-Auftrag
Tracktest Manthey-Porsche 911 GT3 RSR Der letztjährige Gesamtsieger
des 24-Stunden-Rennens hat seine erneute Favoritenrolle längst
bestätigt – weniger durch erhöhte Leistung, als vielmehr durch Feinarbeit
Fotos: HERZOG
D
ie Augen wurden sichtbar größer, die Gesichtszüge schärfer, die nach oben gebogenen Bartspitzen fingen beredt
an zu zittern – Vibrationsstufe drei sozusagen: „Wenn ich
lese, was die für Leistungsangaben veröffentlichen, dann geht
mir der Hut hoch.“ Der sonst so beherrscht wirkende und eher
wortkarge Eifelaner Olaf Manthey geriet für seine Verhältnisse
fast in Rage, als die Frage nach der Konkurrenzfähigkeit seines
Porsche beim anstehenden 24-Stunden-Rennen aufgeworfen
wurde: „Die 50 Kilo Gewichtsreduzierung hat die SP8-Konkurrenz
doch nur deshalb geschenkt bekommen, weil sie dem Veranstalter viel zu niedrige Leistungsangaben für ihre Motoren untergejubelt haben. Ein fünf Liter großer Lamborghini-Rennmotor mit
nur 550 PS, lediglich 50 PS mehr als die Serienvariante – da kann
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ich doch nur laut lachen. Diese Leistung haben die doch schon
im Teillastbereich zur Verfügung.“
Des Meisters Frust rührt aber noch von anderer Seite her:
„Nach unseren Siegen in den beiden letzten Jahren schon von
einer Porsche- oder gar Manthey-Dominanz zu reden, ist völlig
ungerechtfertigt. Die Porsche sind in den großen Klassen schließlich nicht umsonst in der Überzahl – sie sind von Haus aus renntauglich, extrem zuverlässig, und wir haben als Team einen guten
Job gemacht. Jetzt will man uns dafür bestrafen. Die haben wohl
vergessen, wie viele Anläufe wir gebraucht haben.“
In diesen Kontext passt laut Manthey auch, dass die neue Aerodynamik-Regelung den mit vergleichsweise bescheidenen 520 PS
und 1250 Kilogramm in der SP7 (Motoren bis vier Liter Hubraum)
sport auto 5/2008
Der im Porsche-Werk
Weissach gebaute
GT3 RSR wird bei
Manthey Racing zwecks
Steigerung der Langstrecken-Tauglichkeit
noch einmal einer
intensiven Kur unterzogen
Die Siegfähigkeit
beim 24-StundenRennen ist laut ChefDenker Olaf Manthey
das Ergebnis penibler
Kleinarbeit
antretenden Porsche mehr benachteiligt als manch PS-stärkere
Konkurrenz. Kurzum: Sowohl im taktischen als auch im rennpolitischen Umfeld witterte der Nürburgring-Experte Manthey
anlässlich des in Hockenheim durchgeführten Tracktests eindeutig Ungemach. Dass der Heckflügel des aktuellen, auf dem bewährten Siegerauto von 2007 aufgebauten Manthey-Porsche
GT3 RSR heuer nicht mehr balkonartig über das Fahrzeugheck
hinausragen darf und daher deutlich weniger Abtrieb an der
Hinterachse produziert als die Vorjahresvariante, ist dem Autor
– zugegeben – überhaupt nicht aufgefallen.
Entweder lag es daran, dass die für den vollen Abtrieb relevanten Geschwindigkeitsbereiche auf Grund partieller GasfußBlockaden in den schnellen Ecken nicht erreicht wurden, oder
im günstigsten Fall auch daran, dass ungeachtet der aerodynamisch schlechteren Bedingungen eine sehr ausgewogene Balance
gefunden wurde.
Für letzte Annahme spricht die Tatsache, dass der MantheyPorsche ein extrem gutmütiges Fahrverhalten an den Tag legt.
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Was einerseits für die Stimmigkeit des Fahrwerk-Setups spricht,
und andererseits die ausgewogene aerodynamisch Balance
bestätigt.
Die andeutungsweise vorhandene, sachte Tendenz zum Untersteuern ist einem im Porsche-Umfeld schließlich deutlich lieber
als ein ständig nach außen drängendes Heck, welches das Vertrauen in den schnellen Passagen signifikant minimieren kann –
von diesen gibt es auf der Nordschleife bekanntlich mehr als
genug. Die Bemessungsgrößen für den Vertrauenskredit werden
allerdings im Vorfeld der Highspeed-Erprobungen an erheblich
banaleren Kriterien festgemacht. Etwa an der Ergonomie des
Fahrerplatzes. Oder an der Logik des Instrumentenpanels.
Durch den schmalen Sehschlitz des Rennhelms betrachtet,
noch dazu vom HANS-System in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt, fällt es nicht selten schwer, den klaren Überblick zu
behalten. Nicht so im Manthey-Porsche: Die natürliche Ordnung
der Schalter und Instrumente sowie die Lage der Bedienelemente
folgt sozusagen einer inneren, höchst überzeugenden Logik.
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Von einem kapriziösen Fahrverhalten keine Spur, im Gegenteil:
Der 520 PS starke und 1250 Kilogramm schwere Manthey-Porsche
GT3 RSR zeigt sich als äußerst umgänglich – sowohl in Sachen Leistungsentfaltung als auch in bremstechnischer Hinsicht
TECHNISCHE DATEN
Manthey-Porsche 911 GT3 RSR
Motor Wassergekühlter Sechszylinder-Boxermotor, Trockensumpfschmierung, je zwei obenliegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Bohrung
mal Hub (mm) 102,7 x 76,4, Hubraum 3795 cm3, Leistung 520 PS (342 kW)
bei 8800/min, maximales Drehmoment 470 Nm bei 7250/min, Literleistung 137,0 PS/L
Kraftübertragung Hinterradantrieb, sequenzielles Sechsganggetriebe,
Sperrdifferenzial 45/65 %, einstellbare Traktionskontrolle
Fahrwerk Einzelradaufhängung mit Unibal-Gelenken rundum, vorn Querlenker, McPherson-Federbeine, Stabilisator; hinten Mehrlenkerachse, Federbeine, Stabilisator; Bremsen: innenbelüftete und geschlitzte Scheiben rundum, Durchmesser vorn/hinten 380/355 mm, vorn Sechskolben-, hinten Vierkolben-Aluminium-Festsättel, Bosch-ABS; Bereifung: Michelin 27/65 - 18 vorn
und 31/71- 18 hinten auf 11,0- und 13,0-Zoll-Felgen
Karosserie Einsitziges Coupé, Tankvolumen 120 Liter, Gewicht 1250 kg,
Leistungsgewicht 2,4 kg/PS
Fahrleistungen * Höchstgeschwindigkeit zirka 287 km/h (Döttinger
Höhe)
Grundpreis 460 000 Euro
* Herstellerangaben
Die Siegfähigkeit des Manthey-Porsche drückt sich deshalb
weniger in den imposanten Eckwerten – 520 PS und eine Vmax
auf der Döttinger Höhe von rund 290 km/h – aus, als vielmehr in
der Summe der vielen kleinen Detaillösungen, die vermutlich nur
Vorteile im Hundertstel- oder gar Tausendstelsekundenbereich
bringen können oder auch dem Piloten den Job erleichtern.
Ein prägnantes Beispiel hierfür ist jene vom Schalthebel ausgehende, keineswegs elektronisch gemanagte, sondern mechanische Vorrichtung, die beim Herunterschalten automatisch für
einen gesunden Zwischengasstoß sorgt. Das schont nicht nur das
sequenziell geschaltete Renngetriebe, das im Eifer des Gefechts
ja ohne Kupplungseingriff geschaltet wird, sondern vor allem den
Motor.
Ohne dieses drehzahlmäßig exakt definierte Intermezzo kam
es bisher öfter vor, dass der Boxermotor durch den vom Fahrer
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zuweilen unsensibel initiierten Zwischengasstoß in den Begrenzer
getrieben wurde. Das geht eindeutig aufs Material und kostet
auf lange Distanzen hochgerechnet auch eine nicht unwesentliche
Extraportion Sprit.
Abgesehen von der erforderlichen Grundschnelligkeit ist die
Energieeffizienz schließlich einer der entscheidendsten Stell-hebel, der über Sieg oder Niederlage beim 24-Stunden-Rennen entscheidet.
Insofern stehen die Zeichen für den Hattrick beim 24-StundenRennen keineswegs so schlecht, wie es vom Teamchef eingangs
angedeutet wurde. Wie es aussieht, muss der Manthey-Porsche
GT3 RSR erneut zum engsten Favoritenkreis gezählt werden –
der Gesamtsieg beim ersten Lauf zur BF Goodrich-Langstreckenmeisterschaft 2008 lässt keinen anderen Schluss mehr zu.
Horst von Saurma
sport auto 5/2008