Das Agenais - Michael Müller Verlag

Transcrição

Das Agenais - Michael Müller Verlag
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Das Agenais
Château de Duras
Das Agenais
Die „Pruneaux d’Agen“ sind auf den Pariser Märkten ein Begriff, die Pflaumen
aus Agen genießen nationalen Ruf. Wo aber Agen liegt, wissen die Pflaumenkäufer meist nicht so genau: irgendwo im Süden oder im Südwesten,
Provinz halt, Hinterland.
Im weitesten Sinne ist mit dem Agenais nicht nur die Region Agen, sondern das
ganze Departement Lot-et-Garonne gemeint. Es ist der Obst- und Gemüsegarten
von Bordeaux und Toulouse – ein Land, in dem es sich gut leben lässt. Die
Obstbäume blühen im April, im Juli sind die Pf irsiche reif, im August die Pflaumen.
Letztere sind das Markenzeichen des Agenais. Sie heißen Pruneaux d’Agen und
wachsen auf einem veredelten Pflaumenbaum, dem Prunier d’Ente. Zunächst an
der Sonne getrocknet, dann im Ofen gedörrt, erreichen sie als Trockenobst den
Markt. Im Agenais wachsen 80 % des französischen Pflaumenbestands.
In der beschaulichen Welt des Agenais sind die Menschen keine Hinterwäldler, sie Das
leben an der Verkehrsachse Bordeaux–Toulouse. Sie produzieren Früchte, die man Agenais
sich in halb Europa in die Obstschale legt, und sie sind offen für den Fremdenverkehr, bauen Hotels, Golf- und Tennisplätze. Mit dem Slogan „Fabriqué chez nous –
vacances et saveurs“ versucht das Departement sich als touristische Destination
neu zu positionieren. Trotzdem, es wird vermutlich weiterhin beim „Hinterland“
bleiben, und das macht das Agenais sympathisch. Am wenigsten interessant ist die
Gegend da, wo sie das Provinzielle abzustreifen versucht, ohne dass ihr dies
gelänge: in der Hauptstadt Agen.
Das Agenais
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Das Agenais
Es gibt Frankreichs schönste Stadt, die älteste Stadt, die größte Stadt, die
kleinste Stadt. Auch Agen darf sich eines Superlativs rühmen: Agen ist die
glücklichste Stadt in Frankreich. Jedenfalls zeichnete die Jury, die diesen eigenartigen Titel vergibt, vor Jahren die Provinzhauptstadt an der Garonne
damit aus, und Agen macht bis heute Reklame damit.
Warum die Juroren bei ihrer Wahl ausgerechnet auf Agen f ielen, bleibt uns verborgen. Studierten sie die Statistik der Pflaumenernte und entdeckten in ihr die Quelle
des Glücks? Spazierten sie über die Esplanade de Gravier am Garonne-Ufer und sahen die glücklichen Gesichter der Boule-Spieler? Wie auch immer: Der Besucher
will in dieser Stadt nicht recht glücklich werden. Auf Dauer, fürchtet er, muss Agen
doch eher langweilig sein.
Der Stadtspaziergang zeigt einige hübsche Ziegelbauten und maisons à colombages, jene mit flachen Ziegeln aufgefüllten Fachwerkhäuser, die für Bergerac so
charakteristisch sind, dazwischen aber auch jede Menge heruntergekommener
Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Moderne Glas- und Betonbauten der
Provinzverwaltung vervollkommnen den Eindruck, dass die Stadtoberen sich wenig Gedanken über ein städtebauliches Konzept machen. Trotzdem: Ganz vergebens ist man nicht nach Agen gekommen. Das Musée des Beaux-Arts lohnt einen
Besuch unbedingt. Und ein Spaziergang an der Garonne führt zu einer großartigen Brückenkonstruktion: zum Pont-Canal (→ Sehenswertes), einem Kanal, der
den Fluss überquert.
Das Agenais
Agen
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Das Agenais
Noch im 18. Jahrhundert werkelten Segeltuchweber, Gerber, Handschuhmacher in
Agen. Doch schon im 19. Jahrhundert waren diese Handwerke am Aussterben. Eine
Zeitlang spielte die Stadt noch eine Rolle für die Garonne-Schifffahrt, der PontCanal ist ein schönes Zeugnis dafür. Seit dem Ersten Weltkrieg ist die Bedeutung
Agens weitgehend an die landwirtschaftliche Produktion der Umgebung geknüpft.
Sehenswertes
Musée des Beaux-Arts (Kunstmuseum): Französische Provinzhauptstädte haben in
der Regel ein Kunstmuseum, und dieses ist in der Regel sehr provinziell. Für Agen
gilt die Regel nicht – überzeugen Sie sich selbst. Eine Würdigung vorab verdient
die Place du Dr Esquirol, an der das Museum steht: Die Häuser des Museums (16.
und 17. Jh.), das Rathaus (17. Jh.) und das Theater (Anfang 20. Jh.) fügen sich zu einem harmonischen Bild.
Im Keller weist das Museum für die schönen Künste auf ein düsteres Kapitel der
Geschichte des Hauses hin: An den steinernen Wänden hängen noch immer die
Ketten, in denen einst die Gefangenen der Stadt schmachteten. Sonst werden nur
einige prähistorische Funde zur Schau gestellt. Im Saal für gallo-römische Archäologie ist die Venus von Mas zu sehen, kopf- und armlos. Der elegante Torso im
fallenden Gewand aus weißem Marmor wurde 1870 im Dörfchen Le Mas d’Agenais
in der Nähe von Marmande gefunden.
In der 1. Etage steht der Goya-Saal im Zentrum des Interesses. Fünf Werke des
Meisters sind im Besitz des Museums, darunter ein Selbstbildnis sowie Caprices,
eine amüsante Komposition, in der eine Kuh, ein Elefant, ein Reh und ein Rabe
durch die Lüfte fliegen. Weitere Höhepunkte sind Tête de jeune fille von Greuze sowie Musiciens à la campagne, ein kleinformatiges Gemälde von Raoul Dufy.
An der Place du
Dr Esquirol
In der 2. Etage ist Roger Bissière ein
ganzer Saal gewidmet. Der Einfluss
Picassos ist unverkennbar. Bissière seinerseits beeinflusste in der Zwischenkriegszeit eine ganze Generation französischer Künstler. Die Sonderposition,
die er im Museum bekommen hat,
verdankt er seiner Herkunft: Er stammt
aus dem Agenais.
Mai–Sept. 10–18 Uhr. Okt.–April 10–12.30/
13,30–18 Uhr. Di geschlossen. Eintritt 4,50 €
Eglise Notre-Dame-du-Bourg: Der Ziegelsteinbau im Herzen der Altstadt
stammt aus dem 13. Jahrhundert und
ist nicht höher als die umliegenden Gebäude. Auffällig ist vor allem die Fassade
mit dem hübschen Glockengiebel.
Eglise des Jacobins: Jacobins heißen in
Frankreich die Dominikaner, und diese
gründeten im 13. Jahrhundert die Kirche, ebenfalls ein Ziegelsteinbau. In den
Religionskriegen des 16. Jahrhunderts
Agen
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Agen-Zentrum
200 m
diente die Dominikanerkirche den Hugenotten als Hauptquartier. Im 18. Jahrhundert, während der Schreckensherrschaft der Jakobiner (diesmal sind nicht die Dominikaner, sondern die Hardliner der Französischen Revolution gemeint), fand sie
als Gefängnis Verwendung. In den heutigen friedlicheren Zeiten wird sie gelegentlich für Kunstausstellungen genutzt.
Cathédrale Saint-Caprais: Der Bau aus dem 12. Jahrhundert wirkt etwas gedrungen, dank seiner Apsiden stellt sich dann aber doch noch der Eindruck von Harmonie ein. Im Innern ist nichts Nennenswertes auszumachen.
Esplanade du Gravier: Die große, platanenbestandene Esplanade an der Garonne
ist der Treff der Boule-Spieler, Skateboarder und Müßiggänger. Am Samstagvormittag wird hier Markt abgehalten. Von der Esplanade aus führt für Fußgänger eine
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Das Agenais
Kettenbrücke (La Passerelle) über die Garonne. Kaum war diese 1840 eröffnet, als
schon die Ketten rissen; zwanzig Passanten sollen damals unfreiwillig in der Garonne baden gegangen sein. Damit das Ereignis einmalig bleibt, wurde die Brücke in
den 1990er Jahren überholt.
Le Pont-Canal: Ein architektonisches Meisterstück aus den Jahren 1839 bis 1843:
Die Brücke ist auf 23 Bögen abgestützt, 539 m lang, 12,7 m breit, und das Kanalwasser ist über 2 m tief. Der Kanal (Le Latéral), der auf einer Länge von über
100 km mehr oder weniger parallel zur Garonne verläuft, wechselt hier die Flussseite. Die Besichtigung ist mit einem angenehmen, kurzen Spaziergang am Kanal
entlang verbunden. Wenn Sie die Garonne in luftiger Höhe zu Schiff überqueren
wollen, fragen Sie am Quai de Dunkerque nach (→ Bootsverleih).
ĒBasis-Infos
Postleitzahl 47000
Information Office de Tourisme, brauchbarer Stadtplan, Broschüren für Touren im
Agenais, spezielle für Radfahrer und Wanderer. Juli/Aug. Mo–Sa 10–19, So 9.30–12.30
Uhr. Sept.–Juni Mo–Sa 9–12.30/14–18 Uhr.
38, rue Garonne, ¢ 05.53.47.36.09, § 05.53.
47.29.98, www.ot-agen.org.
Hin und weg Bahn: Von Mo bis Fr fährt
morgens und abends ein flotter TGV von
Bordeaux nach Toulouse und umgekehrt,
Agen ist der einzige Zwischenhalt des Superschnellen. Aber auch mit Normaltempo
auf dem Schienenstrang gute Verbindungen in diese beiden Städte. Weitere Züge
über Les Eyzies nach Périgueux.
Bus: Gute Verbindung nach Villeneuve-surLot. Abfahrt neben dem Bahnhof.
ēÜbernachten/Essen & Trinken
Hotels **** Château des Jacobins 5 In
der Altstadt, bei der Eglise des Jacobins.
Ein efeuumranktes, verwunschenes Haus
aus dem 19. Jh., in dem Sie zwischen Stilmöbeln in einen samtenen Dornröschenschlaf sinken. Das Märchen hat seinen
Preis. DZ 130–160 €. 1ter, place des Jacobins, ¢ 05.53.47.03.31, § 05.53.47.02.80, www.
chateau-des-jacobins.com.
*** Stim’Otel 4 Komfortable, schalldichte
Zimmer im Geschäftszentrum. Professionell gemanagt. DZ 74 €, an Wochenenden
billiger. 105, bd Carnot, ¢ 05.5347.31.23,
§ 05.53.47.48.70, www.stimotel.com.
Des Ambans 2 Ruhige Lage in einer Seitengasse. Das Haus ist etwas herunterge-
Parken Statt lange durch die Innenstadt
zu kurven und dann recht hohe Gebühren
zu zahlen, ist es ratsam, das Gefährt am
Gratisparkplatz am Garonne-Ufer (Esplanade du Gravier) abzustellen. Von da aus ist
es ein Katzensprung in die Altstadt.
Bootsausflüge Das Office de Tourisme
organisiert Fahrten auf der Garonne (und
auf dem Kanal über die Garonne), auch
bei Mondschein. Ebenso Bootsausflüge
nach Nérac.
Bootsverleih Locaboat Holidays, quai de
Dunkerque (am Kanal), eine gute Alternative zur oben genannten Möglichkeit. Vermietet werden Hausboote verschiedener
Größe mit Sonnendach. Kaution. ¢ 05.53.66.
00.74, www.locaboat.com.
Markt Samstagvormittag auf der Esplanade du Gravier.
→ Karte S. 263
kommen, aber einige Zimmer sind renoviert. DZ 36–45 €, die billigeren mit Dusche
im Zimmer/WC auf Etage. 59, rue des
Ambans, ¢ 05.53.66.28.60, § 05.53.87.94.01.
**** Château de Lassalle 7 Außerhalb,
südlich von Agen an der D 268, 5 km nach
Moirax. Ein stattlicher Herrensitz aus dem
18. Jh. im Familienbetrieb. Die völlig abgeschiedene Lage, der große Park und ein
Swimmingpool garantieren ruhige Ferientage. Billard-Salon mit Bar und Schachzimmer. Sehr geräumige, renovierte Zimmer
mit alten Holzböden. Einen Kontrast zur
alten Einrichtung bietet der Frühstückssaal
mit seinen transparenten Stühlen. Zum Hotel gehört das Restaurant „L’Orangerie“ mit
Umgebung
von Agen
Umgebung von Agen
exquisiter Küche und exquisiten Preisen.
DZ 99–159 €. Brimont, 47310 Laplume, ¢ 05.
53.95.10.58, § 05.53.95.13.01, www.chateau
delassalle.com.
Restaurants Chez Ripailles 3 Alle paar
Jahre finden wir ein neues Restaurant an
dieser Stelle. Die Lage ist hervorragend,
daran kann es wohl nicht liegen. Vielleicht
sind einfach die Mieten zu hoch. „Chez Ripailles“, der neueste Versuch, heißt so viel
wie „zum Gelage“. Französisch geerdete
Küche: Kutteln, Tartar, Andouillette. Auch
ein vegetarisches Menu ist im Angebot.
Wir wünschen dem Lokal, dass es mehr Erfolg hat als seine Vorgänger. So/Mo geschlossen. 33, rue Voltaire. ¢ 05.53.99.52.35.
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Viva la Plancha 1 Freundliches, unprätentiöses, preiswertes, 2010 eröffnetes spanisches Restaurant, das innen fast wie ein
Fastfood aussieht, aber davon soll man
sich nicht schrecken lassen. Gute Tapas als
Entrée, dann geht’s mit Boeuf oder
Gambas weiter. Im Sommer Betischung
auf dem Platz. Abends nur Mi–Sa geöffnet.
3, rue Emile Sentini. ¢ 05.53.48.32.61.
L’Aubade 6 In eleganter Atmosphäre kann
man hier den kleinen Appetit stillen. Im
Sommer wird auch der kleine Vorplatz der
Notre-Dame betischt. Neben Crêpes und
Galettes Fisch und Fleisch. Preiswerte
Menus. 3, place Notre-Dame-du-Bourg.
¢ 05.53.66.63.83.
Umgebung von Agen
Villascopia – gallorömische Villa in Castelculier: Mit der 2007 eröffneten Villascopia verfügt das Agenais über eine einzigartige Attraktion: eine archäologische
Ausgrabungsstätte, die mit raff inierter Dramaturgie kommentiert wird.
Mit den Bildern des Films über die aristokratische Villa, ihre Bäder und ihre Besucher im Kopf, begibt man sich schließlich auf das Ausgrabungsgelände und sieht
nun die Ruinen der Thermalanlage (Kaltbad, Dampfbad, Warmbad, kleine Bäder
und großes Schwimmbecken) mit anderen Augen. Das Gelände ist mit bewachsenen Gitterzäunen unterteilt, so dass die Ruinen sich als archäologisches Gärtchen
präsentieren. Gute Erklärungstafeln sowie ein Lageplan, der dem Besucher mit auf
den Weg gegeben wird, sind eine nützliche Interpretationshilfe. Die Villa selbst ist
nicht ausgegraben, zugänglich ist nur der einstige Thermalkomplex. Französischkenntnisse sind bei dieser klug durchdachten Präsentation von großem Vorteil.
Mitte Feb.–Mai Di–So 14–17 Uhr. Juni und Sept. Di–So 10–18 Uhr. Juli/Aug. tägl. 11–19 Uhr.
Okt.–Dez. Mi und Sa/So 14–17 Uhr. Eintritt 6 €. Von Agen Richtung Toulouse, nach 7 km
beim Ort Grandfonds Castelculier gut ausgeschildert.
Vergnügungspark Walibi: Wer die ruhige Landschaft des Agenais nicht erträgt,
kann sich in den künstlichen Kitzel des „Walibi“-Parks flüchten: Achterbahnen mit
kühnen Looping-Schlifen, Riesenrutschbahnen, Floßfahrten auf dem Radja River,
Seelöwen-Shows und dergleichen. Gigantische Vergnügungslandschaften haben in
Frankreich Hochkonjunktur – und sind an Wochenenden proppenvoll.
Das Agenais
Als Erstes wird der Besucher in einem 30-minütigen 3-D-Film ins Jahr 456 zurückversetzt. Der 80-jährige Paulinus von Pella, ein Enkel des römischen Dichters (und
Weinbauern) Ausonius, erinnert sich, wie er als 14-Jähriger mit dem Großvater zusammen in eine prunkvolle Landvilla eingeladen war. Er freundet sich mit dem
Sohn des Gastgebers an, der ihm die Einzelheiten der Villa erklärt, ihn durch das
Haus und vor allem durch die Bäder führt. Auch gefällt ihm die holde Tochter des
Hauses ganz gut; aber noch bevor sich eine Liebesgeschichte entspinnt, bricht der
Film ab. Nach der Vorführung folgt im Nachbarraum der Besuch eines kleinen Museums, in dem die Ausgrabungsfunde der gallorömischen Villa und ihrer Thermen
ausgestellt sind. Die Marmorbüste (hat man die nicht eben im Film gesehen?) und
der erst 1990 im Frigidarium gefundene Fingerring dort – um den dreht sich doch
die ganze Geschichte!
266
Das Agenais
Anfahrt Von Agen in Richtung Nérac; kurz
bevor die Straße die Autobahn überquert,
liegt rechts nicht zu übersehen Walibi.
Die Öffnungszeiten sind so kompliziert,
dass wir sie nicht im Detail wiedergeben;
nicht vor geschlossenen Toren stehen Sie
Mitte Juni–Aug. (tägl. mind. 10–18 Uhr). Eintritt: Die ersten 4 € lassen Sie für den Parkplatz liegen, dann 22 €/Tag. Kind 4–11 J. 20 €.
Pech-de-Berre: Wer bei schönem Wetter auf dem Weg nach Marmande ist, kann
diesem freundlichen Panoramahügel einen Besuch abstatten: Aussicht über das
ganze Umland, unten zieht die Garonne vorbei. Auch fürs Picknick ist der Pechde-Berre ein hervorragendes Plätzchen. Die im Halbkreis angeordneten Steinblöcke vor der auf Holz abgestützten Halle lassen an ein uraltes heidnisches Heiligtum denken, das mit dem großen eisernen Kreuz und seiner steinernen Christusf igur konkurriert.
Anfahrt: Von Agen knapp 30 km in Richtung Marmande. Beim Örtchen Nicole führt
rechts ein Sträßchen (Schild: „Site panoramique“) zum Pech-de-Berre hoch. Das große
Christuskreuz auf dem Hügel ist schon von weitem zu sehen.
Das Pays d’Albret
Seinen Namen erhielt der Landstrich südwestlich von Agen vom alten
Adelsgeschlecht der Albrets. Deren berühmtester Spross wuchs hier auf
und bestieg als Heinrich IV. den französischen Thron.
Insbesondere in Nérac, der Hauptstadt des Pays d’Albret, weht der Atem der
royalistischen Geschichte. Margarete von Angoulême (1492–1549), die Königin von
Navarra, verlegte ihren Hof hierher, und ihr Enkel, eben jener spätere Heinrich IV.,
verbrachte als Jugendlicher in dieser abgeschiedenen Gegend vielleicht die schönsten und sorgenfreisten Jahre seines Lebens.
Das Pays d’Albret kennt – mit Ausnahme der Wochenenden in Nérac – keinen nennenswerten Tourismus. Keine großen Sehenswürdigkeiten erwarten den Besucher,
dafür ruhige Dörfer, ein freundlicher Menschenschlag und in der Regel eine hervorragende Küche.
Bergerac,
Bergerac,
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5 km
Toulouse
Toulouse
(Autobahn)
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Mont-de-Marsan
Mont-de-Marsan
Le Passage
Nérac
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Romanze in Moll
... à peine ils s’étaient vus
qu’ils s’aimèrent d’amour.
Elle comptait seize ans
lui, trois de plus.
Ravie, Fleurette à cet amour
donna toute sa vie.
Henri, Prince d’Albret
ne lui donna qu’un jour …
... kaum hatten sie sich gesehen, / liebten sie sich schon. / Sie zählte sechzehn Jahre, / er drei mehr. / Entzückt gab Fleurette dieser Liebe / ihr ganzes
Leben. / Heinrich, Prinz d’Albret / gab ihr nur einen Tag …
Heinrich Mann hat in seinem großartigen Roman „Die Jugend des Henri
Quatre“ der Romanze zwischen der Gärtnerstochter Fleurette und dem jungen Prinzen ein kleines Kapitel („Dieselbe Morgenstunde“) gewidmet; ihm
zufolge lebte sie noch zwanzig Jahre, „dann starb sie: da war ihr Geliebter ein
großer König.“ Die unglückliche Fleurette liegt heute als Skulptur in einer
Grotte im Parc de la Garenne, daneben plätschert, aus drei Mündern gespeist, fröhlich die Fontaine Saint-Jean. Der kontemplative Zeitgenosse setzt
sich auf die Ruhebank davor.
Der Hauptort des Pays d’Albret ist ein Wirtschaftszentrum mit über 7000 Einwohnern, mehreren Schulen, Gymnasium, Krankenhaus und einer Unterpräfektur. Das
ist das moderne Nérac, das kleinstädtische Lebensqualität verspricht, in einem Reiseführer aber keine weitere Erwähnung verdient. Daneben gibt es das mittelalterliche Nérac mit seiner königlichen Aura auf der einen Flussseite und dem Petit Nérac
mit seinen wunderschönen Fachwerkhäusern auf der anderen.
Das Agenais
Nérac
Wer von Agen her kommt, stellt sein Gefährt am besten bei der Baïse-Brücke ab
und nimmt von hier aus einen ersten Augenschein. Flussabwärts hat man einen
Postkartenblick auf das Petit Nérac mit seinen Quais und auf den Vieux Pont; flussaufwärts ergehen sich Spaziergänger im Lustpark, den einst die Könige von Navarra
anlegen ließen; geradeaus über der Brücke zeigt sich das Schloss, das unter Jeanne
d’Albret, der Mutter Heinrichs IV., fertiggestellt wurde.
Sehenswertes
Schloss: Eines der ersten Schlösser Frankreichs, in deren Architektur sich die
Renaissance ankündigt. Beachtenswert ist vor allem die Südseite mit der von „gedrechselten“ Pfeilern gestützten Arkadengalerie.
In den Religionswirren war das Schloss ein Stützpunkt der Hugenotten. Jeanne
d’Albret verbrachte hier den größten Teil ihres Lebens. Ihr Sohn Heinrich von Navarra war einer der bedeutendsten Hugenottenführer. Seine Hochzeit 1572 mit Margarete von Valois machte als „Bluthochzeit“ Geschichte: Sie leitete ein beispielloses
Nérac
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Das Agenais
Morden an den Hugenotten („Bartholomäusnacht“) ein, angezettelt von der
Schwiegermutter des Bräutigams, Katharina von Medici. Heinrich von Navarra
fand 1576 auf Schloss Nérac Zuflucht und blieb hier bis 1588. Ein Jahr später – zwischenzeitlich hatte Heinrich III. seinen Widersacher Heinrich von Guise ermorden
lassen, ehe er selbst ermordet wurde – f iel die französische Krone an Heinrich von
Navarra, der sich fortan Heinrich IV. nannte.
Die Historiengemälde im Schlossinneren sind teils Kopien, teils Originale. Zu letzteren zählt ein hübsches Kleinformat „Abschied Henris von Gabrielle d’Estrée“ –
die Geliebte im Schiff, der König an Land, Handkuss. Die informative Dokumentation zu den illustren Bewohnern von Marguerite d’Angoulême bis Heinrich IV. ist
so mit Zitaten gespickt, dass man ohne Französischkenntnisse verloren ist. Unter
anderem erfährt man, was bei bei einem Empfang im Schloss verzehrt wurde: 260
Pfund Rind, 84 Pfund Kalb, 235 Pfund Schaf, 36 Kapaunen, 86 Pulets, zwei Kaninchen – das Ganze mit zwei Fässern Rotwein und einem Fass Weißwein hinuntergespült. Im Untergeschoss ist ein kleines archäologisches Museum eingerichtet, in
dem u. a. Mosaike (das Hakenkreuz ist keine Erf indung der Nazis) und andere
gallo-römische Grabungsfunde aus Nérac ausgestellt sind.
April–Sept. tägl. 10–18 Uhr. Okt.–März Di–Do und Sa/So 14–18 Uhr. Eintritt 4 €.
Parc de la Garenne: Nehmen Sie sich Zeit für einen romantischen Spaziergang auf
den Spuren der Könige und Königinnen von Navarra. Der im 16. Jahrhundert angelegte Waldpark entlang der Baïse, in
dem der junge Prinz Heinrich seine
Erstwohnsitz des jungen
amourösen Touren unternahm (→ KasHeinrichs IV.: Schloss Nérac
tentext Romanze in Moll), hat nichts von
seinem Reiz verloren.
Eglise Saint-Nicolas: Die doppeltürmige Nikolauskirche neben dem Schloss
stammt aus dem 18. Jahrhundert und
hat im Inneren überraschend gewaltige
Ausmaße. Eine Betrachtung verdienen
die Glasfenster aus dem 19. Jahrhundert. Das aufliegende Informationsblatt
hilft allerdings nicht viel weiter, die Namen der Heiligen kann der Besucher
am Fenster lesen. Die Szenen rund um
die Porträtierten verlangen eine sattelfeste Bibelkenntnis.
Postleitzahl 47600
Information Office du Tourisme, von
Agen kommend nach der Brücke links
hoch. Mai/Juni und Sept. Di–Sa 9–12/14–18,
So 10–12/15–17 Uhr. Juli/Aug. Mo–Sa 9–
13/14–18, So 10–12.30/15–17.30 Uhr. Okt.–
April Di–Sa 9–12 und 14–18 Uhr. av. Mondenard, ¢ 05.53.65.27.75, § 05.53.65.97.48,
www.albret-tourisme.com.
Barbaste
Hin und weg Tägl. einer, gelegentlich
zwei Busse nach Agen und Mont-de-Marsan. Abfahrt am Platz vor dem Rathaus.
Bootsfahrt Der aus Holz gearbeitete Touristendampfer „Prince Henry“ mit seinen 75
Sitzplätzen fährt auf der Baïse durchs alte
Nérac und zum königlichen Park. Fahrzeit
inkl. Schleuse von Nazareth 60 Min. Abfahrt: Mai/Juni und Sept. tägl. 15 und 16.30
Uhr. Juli/Aug. tägl. 15, 16.30 und 17.30 Uhr.
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269
der Post. Eine freundliche Wirtin mit einer
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im Zimmer, ein Frühstück in einem sehr gepflegten Raum – der Gast ist gut aufgehoben. DZ 47–75 €. 4, place du Général
Leclerc, ¢ 05.53.65.00.63, § 05.53.97.59.88,
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Man ahnt es schon von außen: Viel Platz ist
da nicht: zwei Doppelzimmer und eine
Suite. WiFi. Das Restaurant betischt im
Sommer die Terrasse über dem Fluss. DZ
mit Bad 68 €. 19, rue de Séderie, ¢/§ 05.93.
97.51.04, www.vieux-pont.com.
Restaurant Les Terrasses du Petit Nérac, im Petit Nérac, direkt über dem Fluss.
Leicht überteuerte Küche in romantischer
Lage ... wären da nur nicht die Mücken.
7, rue Sèderie. ¢ 05.53.97.02.91.
Barbaste
Hauptsehenswürdigkeit von Barbaste ist Le Moulin des Tours. Das gewaltige Bauwerk mit seinen vier markanten Türmen scheint wie aus riesigen Legosteinen zusammengesetzt – so streng und rechtwinklig wirkt die Festung. Sie datiert aus dem
13. Jahrhundert und war ursprünglich zur Kontrolle der heute noch beeindruckenden römischen Brücke (12. Jh.) gedacht, die in zehn Bogen die Gélise überspannt. Vermutlich kurz nach der Fertigstellung wurde die Festung mit einer Mühle versehen,
deren einziger Zugang durch den größten der Türme führte. Im 19. Jahrhundert kaufte ein reicher Müller namens Bransoulié das Anwesen und ließ eine private Kettenbrücke direkt von der Mühle aus über den Fluss schlagen (heute nicht mehr vorhanden), um nicht mit dem gemeinen Volk über die römische Brücke gehen zu müssen.
Was mit der Festung künftig geschehen soll, ist seit Jahren unklar. Sie steht unter
Denkmalschutz, im Gegensatz zum direkt angebauten einstigen Wohntrakt Bransouliés aus dem 19. Jahrhundert. Einige plädieren für ein Niederreißen des Anbaus, andere träumen von einem Kulturzentrum, wieder andere wollen das gesamte Anwesen in
ein Museum umwandeln. Derzeit hat sich hier die Verwaltung des Zusammenschlusses der umliegenden Gemeinden (communauté de communes) sesshaft gemacht.
Die Geschichte der Festung inklusive der baulichen Veränderungen unter Müller
Bransoulié ist in einer sachkundigen kleinen Dokumentation im Off ice de
Tourisme gegenüber dem Anbau der Festung fotograf isch festgehalten. Nebenbei
erfährt man auch, dass das Gebäude des Info-Büros seine eigene Geschichte hat:
einst Kapelle, dann Stall.
Das Agenais
Das Dorf, 6 km nordwestlich von Nérac am Rande des Pinienwalds der Landes
gelegen, streitet mit Mézin (siehe unten) um den Titel der Kork-Hauptstadt. Zumindest was die Verarbeitung zu Flaschenkorken betrifft, steht dieser jedoch Mézin
zu. Von der Wirtschaftskrise allerdings sind beide Städtchen gleichermaßen
betroffen, seit mit Kork keine großen Geschäfte mehr zu machen sind.
Barbaste
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Das Agenais
Wie aus Legosteinen gebaut: Le Moulin des Tours in Barbaste
Information Office de Tourisme, Dokumentationsausstellung: Mi und Fr 9–12.30,
Do und Sa 15–19, So 15–17.30 Uhr, ohne Gewähr. Rue du Moulin des Tours, 47230 Barbaste, ¢ 05.53.65.09.37.
Führungen Juli/Aug. Mi und Fr 11, Do und
Sa/So 16 Uhr. Eintritt 4 €.
Restaurant Le Moulin des Saveurs, beim
Moulin des Tours, an der Ostseite der
Baïse. Gute traditionelle, regionale Küche,
preislich leicht über dem Durchschnitt. Mo
Ruhetag, Di und Sa mittags geschlossen.
4, rue du Moulin de Tours, ¢ 05.53.97.06.60.
Mézin
Bis in die Nachkriegszeit war das Städtchen am Rande des Pinienwalds der Landes
das Zentrum der Flaschenkorkenmanufaktur. Mit der Entwicklung moderner Produktionsmethoden, der Kronkorken- und Plastikverschlüsse begann die wirtschaftliche Talfahrt. Waren es einst bis 3000 Männer und Frauen, die in über 30 Fabriken
(und nach Feierabend in Heimarbeit) die Rinde der Korkeichen zu Zapfen verarbeiteten, so üben in Mézin heute nur noch vier Personen – im Auftrag einiger Bordeaux-Produzenten – das traditionelle Metier aus. Die Bevölkerung ist auf weniger
als 1500 Einwohner geschrumpft. Übrig geblieben ist aus der goldenen Zeit des
Korkens ein kleines, aber feines Museum.
Eglise Saint-Jean-Baptiste: Sie steht im Zentrum des Städtchens und fügt sich mit
der Place Armand Fallières und deren Arkadenhäusern zu einem eindrucksvollen
Bild. Die Kirche – sie wurde auf den Grundmauern einer im Jahr 1000 zerstörten
Benediktinerabtei errichtet – ist stilistisch nicht gerade einheitlich, vermittelt aber
einen imposanten Gesamteindruck. Die Fassade aus dem 14. Jahrhundert mit ihren
zwei Rundtürmen ist fast so hoch wie der vierschrötige Glockenturm, so dass der
ganze Bau wie eine Festung wirkt.

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