Das Agenais - Michael Müller Verlag
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Das Agenais - Michael Müller Verlag
260 Das Agenais Château de Duras Das Agenais Die „Pruneaux d’Agen“ sind auf den Pariser Märkten ein Begriff, die Pflaumen aus Agen genießen nationalen Ruf. Wo aber Agen liegt, wissen die Pflaumenkäufer meist nicht so genau: irgendwo im Süden oder im Südwesten, Provinz halt, Hinterland. Im weitesten Sinne ist mit dem Agenais nicht nur die Region Agen, sondern das ganze Departement Lot-et-Garonne gemeint. Es ist der Obst- und Gemüsegarten von Bordeaux und Toulouse – ein Land, in dem es sich gut leben lässt. Die Obstbäume blühen im April, im Juli sind die Pf irsiche reif, im August die Pflaumen. Letztere sind das Markenzeichen des Agenais. Sie heißen Pruneaux d’Agen und wachsen auf einem veredelten Pflaumenbaum, dem Prunier d’Ente. Zunächst an der Sonne getrocknet, dann im Ofen gedörrt, erreichen sie als Trockenobst den Markt. Im Agenais wachsen 80 % des französischen Pflaumenbestands. In der beschaulichen Welt des Agenais sind die Menschen keine Hinterwäldler, sie Das leben an der Verkehrsachse Bordeaux–Toulouse. Sie produzieren Früchte, die man Agenais sich in halb Europa in die Obstschale legt, und sie sind offen für den Fremdenverkehr, bauen Hotels, Golf- und Tennisplätze. Mit dem Slogan „Fabriqué chez nous – vacances et saveurs“ versucht das Departement sich als touristische Destination neu zu positionieren. Trotzdem, es wird vermutlich weiterhin beim „Hinterland“ bleiben, und das macht das Agenais sympathisch. Am wenigsten interessant ist die Gegend da, wo sie das Provinzielle abzustreifen versucht, ohne dass ihr dies gelänge: in der Hauptstadt Agen. Das Agenais Ile de Ré Agen La Rochelle Ile d’Oléron Rochefort Rochefor hefort hefor Limoges Angoulême ou Royan yan Soulac G ne on ar Atlantischer Lacanau-Océan Brantôme Périgueux Blaye aye Lascaux aux II St. Emilion Emi Ozean Arcachon hon Bergerac Langon Ga Marmande ro Villeneuvenn e Mimizan-Plage Labastide d’Armagnac ’A s-Lot Nérac Montauban a Auch Bayonne nn Toulouse ouse Pau St. S Jean- Tarbes al a Ta T -Tal -Ta Aspe-T Pied-de-Port Pie ed-de-Port ed d Donostia / S. Sebastián SPANIEN Pamplona Agen Mont-dee Mars Marsan D Dax Biarritz Sar arlat Sarlat Bordeaux de Biscarrosse-Plage Vieux-Boucau 261 Lourde Lourdes Foix Das Agenais Es gibt Frankreichs schönste Stadt, die älteste Stadt, die größte Stadt, die kleinste Stadt. Auch Agen darf sich eines Superlativs rühmen: Agen ist die glücklichste Stadt in Frankreich. Jedenfalls zeichnete die Jury, die diesen eigenartigen Titel vergibt, vor Jahren die Provinzhauptstadt an der Garonne damit aus, und Agen macht bis heute Reklame damit. Warum die Juroren bei ihrer Wahl ausgerechnet auf Agen f ielen, bleibt uns verborgen. Studierten sie die Statistik der Pflaumenernte und entdeckten in ihr die Quelle des Glücks? Spazierten sie über die Esplanade de Gravier am Garonne-Ufer und sahen die glücklichen Gesichter der Boule-Spieler? Wie auch immer: Der Besucher will in dieser Stadt nicht recht glücklich werden. Auf Dauer, fürchtet er, muss Agen doch eher langweilig sein. Der Stadtspaziergang zeigt einige hübsche Ziegelbauten und maisons à colombages, jene mit flachen Ziegeln aufgefüllten Fachwerkhäuser, die für Bergerac so charakteristisch sind, dazwischen aber auch jede Menge heruntergekommener Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Moderne Glas- und Betonbauten der Provinzverwaltung vervollkommnen den Eindruck, dass die Stadtoberen sich wenig Gedanken über ein städtebauliches Konzept machen. Trotzdem: Ganz vergebens ist man nicht nach Agen gekommen. Das Musée des Beaux-Arts lohnt einen Besuch unbedingt. Und ein Spaziergang an der Garonne führt zu einer großartigen Brückenkonstruktion: zum Pont-Canal (→ Sehenswertes), einem Kanal, der den Fluss überquert. Das Agenais Agen 262 Das Agenais Noch im 18. Jahrhundert werkelten Segeltuchweber, Gerber, Handschuhmacher in Agen. Doch schon im 19. Jahrhundert waren diese Handwerke am Aussterben. Eine Zeitlang spielte die Stadt noch eine Rolle für die Garonne-Schifffahrt, der PontCanal ist ein schönes Zeugnis dafür. Seit dem Ersten Weltkrieg ist die Bedeutung Agens weitgehend an die landwirtschaftliche Produktion der Umgebung geknüpft. Sehenswertes Musée des Beaux-Arts (Kunstmuseum): Französische Provinzhauptstädte haben in der Regel ein Kunstmuseum, und dieses ist in der Regel sehr provinziell. Für Agen gilt die Regel nicht – überzeugen Sie sich selbst. Eine Würdigung vorab verdient die Place du Dr Esquirol, an der das Museum steht: Die Häuser des Museums (16. und 17. Jh.), das Rathaus (17. Jh.) und das Theater (Anfang 20. Jh.) fügen sich zu einem harmonischen Bild. Im Keller weist das Museum für die schönen Künste auf ein düsteres Kapitel der Geschichte des Hauses hin: An den steinernen Wänden hängen noch immer die Ketten, in denen einst die Gefangenen der Stadt schmachteten. Sonst werden nur einige prähistorische Funde zur Schau gestellt. Im Saal für gallo-römische Archäologie ist die Venus von Mas zu sehen, kopf- und armlos. Der elegante Torso im fallenden Gewand aus weißem Marmor wurde 1870 im Dörfchen Le Mas d’Agenais in der Nähe von Marmande gefunden. In der 1. Etage steht der Goya-Saal im Zentrum des Interesses. Fünf Werke des Meisters sind im Besitz des Museums, darunter ein Selbstbildnis sowie Caprices, eine amüsante Komposition, in der eine Kuh, ein Elefant, ein Reh und ein Rabe durch die Lüfte fliegen. Weitere Höhepunkte sind Tête de jeune fille von Greuze sowie Musiciens à la campagne, ein kleinformatiges Gemälde von Raoul Dufy. An der Place du Dr Esquirol In der 2. Etage ist Roger Bissière ein ganzer Saal gewidmet. Der Einfluss Picassos ist unverkennbar. Bissière seinerseits beeinflusste in der Zwischenkriegszeit eine ganze Generation französischer Künstler. Die Sonderposition, die er im Museum bekommen hat, verdankt er seiner Herkunft: Er stammt aus dem Agenais. Mai–Sept. 10–18 Uhr. Okt.–April 10–12.30/ 13,30–18 Uhr. Di geschlossen. Eintritt 4,50 € Eglise Notre-Dame-du-Bourg: Der Ziegelsteinbau im Herzen der Altstadt stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist nicht höher als die umliegenden Gebäude. Auffällig ist vor allem die Fassade mit dem hübschen Glockengiebel. Eglise des Jacobins: Jacobins heißen in Frankreich die Dominikaner, und diese gründeten im 13. Jahrhundert die Kirche, ebenfalls ein Ziegelsteinbau. In den Religionskriegen des 16. Jahrhunderts Agen 263 Marmande, Marmande, Bordeaux Bordeaux Cala bet Sca Pl. du Poids de La Ville 1 sA mb i R é p ub li q u e de Pl. du 14 Juillet A r Mon ta igne P e ll etan de Das Agenais Rue ène la Eug Jardin de Jayan Fallières Av. de Latare H é s to Pl. E. Pelletan rd Pa lis sy Vic ert ur n Lib e Carn ot R. Co Co to Bo ule var d Mon e ing o ug le v a Ru sh PTT Bou r o n n e G a s Gam betta Cour s du 9e de Ligne Cour tesquieu e Wa urs d in Ru e 4 6 Toulouse Toulouse Bau J. ve Ja nu ur e es Camping Camping tin on R . E. S en um i Dr Esquirol B ou le v a r d Po nt de Pie rre Autobahn Autobahn Bordeaux-Toulouse Bordeaux-Toulouse Agen D Pl. Maréchal Foch 2 d e Pl. Wilson a rd B o u leRvu 3 ne Notreon eV olt Ga Dameai 5 r Pl. du du-Bourg Des Ambans Stim'Otel Château des Jacobins Château de Lassalle D u n k e rqu e de in Qua Nérac Nérac r la u 2 4 5 7 Quai Bahnhof Cathédrale Saint-Caprais Eglise R des Jacobins Musée des Beaux Arts La Passerelle Esplanade du Gravier bernachten lige Canal va rd eva du i yl ul Qua S Bo K a n a l s i D . an Qu a r Gau lle l Ave nue du Gén . de ana VilleneuveVilleneuvesur-Lot sur-Lot t-C Pon 7 ssen & Trinken 1 Viva la Plancha 3 Chez Ripailles 6 L'Aubade Agen-Zentrum 200 m diente die Dominikanerkirche den Hugenotten als Hauptquartier. Im 18. Jahrhundert, während der Schreckensherrschaft der Jakobiner (diesmal sind nicht die Dominikaner, sondern die Hardliner der Französischen Revolution gemeint), fand sie als Gefängnis Verwendung. In den heutigen friedlicheren Zeiten wird sie gelegentlich für Kunstausstellungen genutzt. Cathédrale Saint-Caprais: Der Bau aus dem 12. Jahrhundert wirkt etwas gedrungen, dank seiner Apsiden stellt sich dann aber doch noch der Eindruck von Harmonie ein. Im Innern ist nichts Nennenswertes auszumachen. Esplanade du Gravier: Die große, platanenbestandene Esplanade an der Garonne ist der Treff der Boule-Spieler, Skateboarder und Müßiggänger. Am Samstagvormittag wird hier Markt abgehalten. Von der Esplanade aus führt für Fußgänger eine 264 Das Agenais Kettenbrücke (La Passerelle) über die Garonne. Kaum war diese 1840 eröffnet, als schon die Ketten rissen; zwanzig Passanten sollen damals unfreiwillig in der Garonne baden gegangen sein. Damit das Ereignis einmalig bleibt, wurde die Brücke in den 1990er Jahren überholt. Le Pont-Canal: Ein architektonisches Meisterstück aus den Jahren 1839 bis 1843: Die Brücke ist auf 23 Bögen abgestützt, 539 m lang, 12,7 m breit, und das Kanalwasser ist über 2 m tief. Der Kanal (Le Latéral), der auf einer Länge von über 100 km mehr oder weniger parallel zur Garonne verläuft, wechselt hier die Flussseite. Die Besichtigung ist mit einem angenehmen, kurzen Spaziergang am Kanal entlang verbunden. Wenn Sie die Garonne in luftiger Höhe zu Schiff überqueren wollen, fragen Sie am Quai de Dunkerque nach (→ Bootsverleih). ĒBasis-Infos Postleitzahl 47000 Information Office de Tourisme, brauchbarer Stadtplan, Broschüren für Touren im Agenais, spezielle für Radfahrer und Wanderer. Juli/Aug. Mo–Sa 10–19, So 9.30–12.30 Uhr. Sept.–Juni Mo–Sa 9–12.30/14–18 Uhr. 38, rue Garonne, ¢ 05.53.47.36.09, § 05.53. 47.29.98, www.ot-agen.org. Hin und weg Bahn: Von Mo bis Fr fährt morgens und abends ein flotter TGV von Bordeaux nach Toulouse und umgekehrt, Agen ist der einzige Zwischenhalt des Superschnellen. Aber auch mit Normaltempo auf dem Schienenstrang gute Verbindungen in diese beiden Städte. Weitere Züge über Les Eyzies nach Périgueux. Bus: Gute Verbindung nach Villeneuve-surLot. Abfahrt neben dem Bahnhof. ēÜbernachten/Essen & Trinken Hotels **** Château des Jacobins 5 In der Altstadt, bei der Eglise des Jacobins. Ein efeuumranktes, verwunschenes Haus aus dem 19. Jh., in dem Sie zwischen Stilmöbeln in einen samtenen Dornröschenschlaf sinken. Das Märchen hat seinen Preis. DZ 130–160 €. 1ter, place des Jacobins, ¢ 05.53.47.03.31, § 05.53.47.02.80, www. chateau-des-jacobins.com. *** Stim’Otel 4 Komfortable, schalldichte Zimmer im Geschäftszentrum. Professionell gemanagt. DZ 74 €, an Wochenenden billiger. 105, bd Carnot, ¢ 05.5347.31.23, § 05.53.47.48.70, www.stimotel.com. Des Ambans 2 Ruhige Lage in einer Seitengasse. Das Haus ist etwas herunterge- Parken Statt lange durch die Innenstadt zu kurven und dann recht hohe Gebühren zu zahlen, ist es ratsam, das Gefährt am Gratisparkplatz am Garonne-Ufer (Esplanade du Gravier) abzustellen. Von da aus ist es ein Katzensprung in die Altstadt. Bootsausflüge Das Office de Tourisme organisiert Fahrten auf der Garonne (und auf dem Kanal über die Garonne), auch bei Mondschein. Ebenso Bootsausflüge nach Nérac. Bootsverleih Locaboat Holidays, quai de Dunkerque (am Kanal), eine gute Alternative zur oben genannten Möglichkeit. Vermietet werden Hausboote verschiedener Größe mit Sonnendach. Kaution. ¢ 05.53.66. 00.74, www.locaboat.com. Markt Samstagvormittag auf der Esplanade du Gravier. → Karte S. 263 kommen, aber einige Zimmer sind renoviert. DZ 36–45 €, die billigeren mit Dusche im Zimmer/WC auf Etage. 59, rue des Ambans, ¢ 05.53.66.28.60, § 05.53.87.94.01. **** Château de Lassalle 7 Außerhalb, südlich von Agen an der D 268, 5 km nach Moirax. Ein stattlicher Herrensitz aus dem 18. Jh. im Familienbetrieb. Die völlig abgeschiedene Lage, der große Park und ein Swimmingpool garantieren ruhige Ferientage. Billard-Salon mit Bar und Schachzimmer. Sehr geräumige, renovierte Zimmer mit alten Holzböden. Einen Kontrast zur alten Einrichtung bietet der Frühstückssaal mit seinen transparenten Stühlen. Zum Hotel gehört das Restaurant „L’Orangerie“ mit Umgebung von Agen Umgebung von Agen exquisiter Küche und exquisiten Preisen. DZ 99–159 €. Brimont, 47310 Laplume, ¢ 05. 53.95.10.58, § 05.53.95.13.01, www.chateau delassalle.com. Restaurants Chez Ripailles 3 Alle paar Jahre finden wir ein neues Restaurant an dieser Stelle. Die Lage ist hervorragend, daran kann es wohl nicht liegen. Vielleicht sind einfach die Mieten zu hoch. „Chez Ripailles“, der neueste Versuch, heißt so viel wie „zum Gelage“. Französisch geerdete Küche: Kutteln, Tartar, Andouillette. Auch ein vegetarisches Menu ist im Angebot. Wir wünschen dem Lokal, dass es mehr Erfolg hat als seine Vorgänger. So/Mo geschlossen. 33, rue Voltaire. ¢ 05.53.99.52.35. 265 Viva la Plancha 1 Freundliches, unprätentiöses, preiswertes, 2010 eröffnetes spanisches Restaurant, das innen fast wie ein Fastfood aussieht, aber davon soll man sich nicht schrecken lassen. Gute Tapas als Entrée, dann geht’s mit Boeuf oder Gambas weiter. Im Sommer Betischung auf dem Platz. Abends nur Mi–Sa geöffnet. 3, rue Emile Sentini. ¢ 05.53.48.32.61. L’Aubade 6 In eleganter Atmosphäre kann man hier den kleinen Appetit stillen. Im Sommer wird auch der kleine Vorplatz der Notre-Dame betischt. Neben Crêpes und Galettes Fisch und Fleisch. Preiswerte Menus. 3, place Notre-Dame-du-Bourg. ¢ 05.53.66.63.83. Umgebung von Agen Villascopia – gallorömische Villa in Castelculier: Mit der 2007 eröffneten Villascopia verfügt das Agenais über eine einzigartige Attraktion: eine archäologische Ausgrabungsstätte, die mit raff inierter Dramaturgie kommentiert wird. Mit den Bildern des Films über die aristokratische Villa, ihre Bäder und ihre Besucher im Kopf, begibt man sich schließlich auf das Ausgrabungsgelände und sieht nun die Ruinen der Thermalanlage (Kaltbad, Dampfbad, Warmbad, kleine Bäder und großes Schwimmbecken) mit anderen Augen. Das Gelände ist mit bewachsenen Gitterzäunen unterteilt, so dass die Ruinen sich als archäologisches Gärtchen präsentieren. Gute Erklärungstafeln sowie ein Lageplan, der dem Besucher mit auf den Weg gegeben wird, sind eine nützliche Interpretationshilfe. Die Villa selbst ist nicht ausgegraben, zugänglich ist nur der einstige Thermalkomplex. Französischkenntnisse sind bei dieser klug durchdachten Präsentation von großem Vorteil. Mitte Feb.–Mai Di–So 14–17 Uhr. Juni und Sept. Di–So 10–18 Uhr. Juli/Aug. tägl. 11–19 Uhr. Okt.–Dez. Mi und Sa/So 14–17 Uhr. Eintritt 6 €. Von Agen Richtung Toulouse, nach 7 km beim Ort Grandfonds Castelculier gut ausgeschildert. Vergnügungspark Walibi: Wer die ruhige Landschaft des Agenais nicht erträgt, kann sich in den künstlichen Kitzel des „Walibi“-Parks flüchten: Achterbahnen mit kühnen Looping-Schlifen, Riesenrutschbahnen, Floßfahrten auf dem Radja River, Seelöwen-Shows und dergleichen. Gigantische Vergnügungslandschaften haben in Frankreich Hochkonjunktur – und sind an Wochenenden proppenvoll. Das Agenais Als Erstes wird der Besucher in einem 30-minütigen 3-D-Film ins Jahr 456 zurückversetzt. Der 80-jährige Paulinus von Pella, ein Enkel des römischen Dichters (und Weinbauern) Ausonius, erinnert sich, wie er als 14-Jähriger mit dem Großvater zusammen in eine prunkvolle Landvilla eingeladen war. Er freundet sich mit dem Sohn des Gastgebers an, der ihm die Einzelheiten der Villa erklärt, ihn durch das Haus und vor allem durch die Bäder führt. Auch gefällt ihm die holde Tochter des Hauses ganz gut; aber noch bevor sich eine Liebesgeschichte entspinnt, bricht der Film ab. Nach der Vorführung folgt im Nachbarraum der Besuch eines kleinen Museums, in dem die Ausgrabungsfunde der gallorömischen Villa und ihrer Thermen ausgestellt sind. Die Marmorbüste (hat man die nicht eben im Film gesehen?) und der erst 1990 im Frigidarium gefundene Fingerring dort – um den dreht sich doch die ganze Geschichte! 266 Das Agenais Anfahrt Von Agen in Richtung Nérac; kurz bevor die Straße die Autobahn überquert, liegt rechts nicht zu übersehen Walibi. Die Öffnungszeiten sind so kompliziert, dass wir sie nicht im Detail wiedergeben; nicht vor geschlossenen Toren stehen Sie Mitte Juni–Aug. (tägl. mind. 10–18 Uhr). Eintritt: Die ersten 4 € lassen Sie für den Parkplatz liegen, dann 22 €/Tag. Kind 4–11 J. 20 €. Pech-de-Berre: Wer bei schönem Wetter auf dem Weg nach Marmande ist, kann diesem freundlichen Panoramahügel einen Besuch abstatten: Aussicht über das ganze Umland, unten zieht die Garonne vorbei. Auch fürs Picknick ist der Pechde-Berre ein hervorragendes Plätzchen. Die im Halbkreis angeordneten Steinblöcke vor der auf Holz abgestützten Halle lassen an ein uraltes heidnisches Heiligtum denken, das mit dem großen eisernen Kreuz und seiner steinernen Christusf igur konkurriert. Anfahrt: Von Agen knapp 30 km in Richtung Marmande. Beim Örtchen Nicole führt rechts ein Sträßchen (Schild: „Site panoramique“) zum Pech-de-Berre hoch. Das große Christuskreuz auf dem Hügel ist schon von weitem zu sehen. Das Pays d’Albret Seinen Namen erhielt der Landstrich südwestlich von Agen vom alten Adelsgeschlecht der Albrets. Deren berühmtester Spross wuchs hier auf und bestieg als Heinrich IV. den französischen Thron. Insbesondere in Nérac, der Hauptstadt des Pays d’Albret, weht der Atem der royalistischen Geschichte. Margarete von Angoulême (1492–1549), die Königin von Navarra, verlegte ihren Hof hierher, und ihr Enkel, eben jener spätere Heinrich IV., verbrachte als Jugendlicher in dieser abgeschiedenen Gegend vielleicht die schönsten und sorgenfreisten Jahre seines Lebens. Das Pays d’Albret kennt – mit Ausnahme der Wochenenden in Nérac – keinen nennenswerten Tourismus. Keine großen Sehenswürdigkeiten erwarten den Besucher, dafür ruhige Dörfer, ein freundlicher Menschenschlag und in der Regel eine hervorragende Küche. Bergerac, Bergerac, Villeneuve-sur-Lot Villeneuve-sur-Lot Ga ro nne Agen Montauban Montauban Lavardac Barbaste Nérac Moirax Laplume Ba Ïs Condom Condom Auch Auch e Mézin Poudenas Pays d'Albret Condom Condom 5 km Toulouse Toulouse (Autobahn) (Autobahn) Mont-de-Marsan Mont-de-Marsan Le Passage Nérac 267 Romanze in Moll ... à peine ils s’étaient vus qu’ils s’aimèrent d’amour. Elle comptait seize ans lui, trois de plus. Ravie, Fleurette à cet amour donna toute sa vie. Henri, Prince d’Albret ne lui donna qu’un jour … ... kaum hatten sie sich gesehen, / liebten sie sich schon. / Sie zählte sechzehn Jahre, / er drei mehr. / Entzückt gab Fleurette dieser Liebe / ihr ganzes Leben. / Heinrich, Prinz d’Albret / gab ihr nur einen Tag … Heinrich Mann hat in seinem großartigen Roman „Die Jugend des Henri Quatre“ der Romanze zwischen der Gärtnerstochter Fleurette und dem jungen Prinzen ein kleines Kapitel („Dieselbe Morgenstunde“) gewidmet; ihm zufolge lebte sie noch zwanzig Jahre, „dann starb sie: da war ihr Geliebter ein großer König.“ Die unglückliche Fleurette liegt heute als Skulptur in einer Grotte im Parc de la Garenne, daneben plätschert, aus drei Mündern gespeist, fröhlich die Fontaine Saint-Jean. Der kontemplative Zeitgenosse setzt sich auf die Ruhebank davor. Der Hauptort des Pays d’Albret ist ein Wirtschaftszentrum mit über 7000 Einwohnern, mehreren Schulen, Gymnasium, Krankenhaus und einer Unterpräfektur. Das ist das moderne Nérac, das kleinstädtische Lebensqualität verspricht, in einem Reiseführer aber keine weitere Erwähnung verdient. Daneben gibt es das mittelalterliche Nérac mit seiner königlichen Aura auf der einen Flussseite und dem Petit Nérac mit seinen wunderschönen Fachwerkhäusern auf der anderen. Das Agenais Nérac Wer von Agen her kommt, stellt sein Gefährt am besten bei der Baïse-Brücke ab und nimmt von hier aus einen ersten Augenschein. Flussabwärts hat man einen Postkartenblick auf das Petit Nérac mit seinen Quais und auf den Vieux Pont; flussaufwärts ergehen sich Spaziergänger im Lustpark, den einst die Könige von Navarra anlegen ließen; geradeaus über der Brücke zeigt sich das Schloss, das unter Jeanne d’Albret, der Mutter Heinrichs IV., fertiggestellt wurde. Sehenswertes Schloss: Eines der ersten Schlösser Frankreichs, in deren Architektur sich die Renaissance ankündigt. Beachtenswert ist vor allem die Südseite mit der von „gedrechselten“ Pfeilern gestützten Arkadengalerie. In den Religionswirren war das Schloss ein Stützpunkt der Hugenotten. Jeanne d’Albret verbrachte hier den größten Teil ihres Lebens. Ihr Sohn Heinrich von Navarra war einer der bedeutendsten Hugenottenführer. Seine Hochzeit 1572 mit Margarete von Valois machte als „Bluthochzeit“ Geschichte: Sie leitete ein beispielloses Nérac 268 Das Agenais Morden an den Hugenotten („Bartholomäusnacht“) ein, angezettelt von der Schwiegermutter des Bräutigams, Katharina von Medici. Heinrich von Navarra fand 1576 auf Schloss Nérac Zuflucht und blieb hier bis 1588. Ein Jahr später – zwischenzeitlich hatte Heinrich III. seinen Widersacher Heinrich von Guise ermorden lassen, ehe er selbst ermordet wurde – f iel die französische Krone an Heinrich von Navarra, der sich fortan Heinrich IV. nannte. Die Historiengemälde im Schlossinneren sind teils Kopien, teils Originale. Zu letzteren zählt ein hübsches Kleinformat „Abschied Henris von Gabrielle d’Estrée“ – die Geliebte im Schiff, der König an Land, Handkuss. Die informative Dokumentation zu den illustren Bewohnern von Marguerite d’Angoulême bis Heinrich IV. ist so mit Zitaten gespickt, dass man ohne Französischkenntnisse verloren ist. Unter anderem erfährt man, was bei bei einem Empfang im Schloss verzehrt wurde: 260 Pfund Rind, 84 Pfund Kalb, 235 Pfund Schaf, 36 Kapaunen, 86 Pulets, zwei Kaninchen – das Ganze mit zwei Fässern Rotwein und einem Fass Weißwein hinuntergespült. Im Untergeschoss ist ein kleines archäologisches Museum eingerichtet, in dem u. a. Mosaike (das Hakenkreuz ist keine Erf indung der Nazis) und andere gallo-römische Grabungsfunde aus Nérac ausgestellt sind. April–Sept. tägl. 10–18 Uhr. Okt.–März Di–Do und Sa/So 14–18 Uhr. Eintritt 4 €. Parc de la Garenne: Nehmen Sie sich Zeit für einen romantischen Spaziergang auf den Spuren der Könige und Königinnen von Navarra. Der im 16. Jahrhundert angelegte Waldpark entlang der Baïse, in dem der junge Prinz Heinrich seine Erstwohnsitz des jungen amourösen Touren unternahm (→ KasHeinrichs IV.: Schloss Nérac tentext Romanze in Moll), hat nichts von seinem Reiz verloren. Eglise Saint-Nicolas: Die doppeltürmige Nikolauskirche neben dem Schloss stammt aus dem 18. Jahrhundert und hat im Inneren überraschend gewaltige Ausmaße. Eine Betrachtung verdienen die Glasfenster aus dem 19. Jahrhundert. Das aufliegende Informationsblatt hilft allerdings nicht viel weiter, die Namen der Heiligen kann der Besucher am Fenster lesen. Die Szenen rund um die Porträtierten verlangen eine sattelfeste Bibelkenntnis. Postleitzahl 47600 Information Office du Tourisme, von Agen kommend nach der Brücke links hoch. Mai/Juni und Sept. Di–Sa 9–12/14–18, So 10–12/15–17 Uhr. Juli/Aug. Mo–Sa 9– 13/14–18, So 10–12.30/15–17.30 Uhr. Okt.– April Di–Sa 9–12 und 14–18 Uhr. av. Mondenard, ¢ 05.53.65.27.75, § 05.53.65.97.48, www.albret-tourisme.com. Barbaste Hin und weg Tägl. einer, gelegentlich zwei Busse nach Agen und Mont-de-Marsan. Abfahrt am Platz vor dem Rathaus. Bootsfahrt Der aus Holz gearbeitete Touristendampfer „Prince Henry“ mit seinen 75 Sitzplätzen fährt auf der Baïse durchs alte Nérac und zum königlichen Park. Fahrzeit inkl. Schleuse von Nazareth 60 Min. Abfahrt: Mai/Juni und Sept. tägl. 15 und 16.30 Uhr. Juli/Aug. tägl. 15, 16.30 und 17.30 Uhr. Preis 8,50 €, Kind bis 4–12 J. 5,50 €, bis 4 J. gratis. ¢ 05.53.65.66.66, www.croisieresdu princehenry.com. Hotels * Du Pont, direkt an der Brücke. Die Snackbar des kleinen Hotels ist der lebendigste Ort des Städtchens. Im Angebot 3 DZ mit Dusche; nur Halbpension ca. 50 €/ Pers. So geschlossen. 2, av. Mondenard, ¢ 05.53.65.09.76. Mein Tipp: ** Henri IV., am Platz bei 269 der Post. Eine freundliche Wirtin mit einer besonderen Aufmerksamkeit für Utensilien im Bad, ein Lektüreangebot im Flur und im Zimmer, ein Frühstück in einem sehr gepflegten Raum – der Gast ist gut aufgehoben. DZ 47–75 €. 4, place du Général Leclerc, ¢ 05.53.65.00.63, § 05.53.97.59.88, www.hotelhenriiv.fr. Auberge du Pont Vieux, im Petit-Nérac. Man ahnt es schon von außen: Viel Platz ist da nicht: zwei Doppelzimmer und eine Suite. WiFi. Das Restaurant betischt im Sommer die Terrasse über dem Fluss. DZ mit Bad 68 €. 19, rue de Séderie, ¢/§ 05.93. 97.51.04, www.vieux-pont.com. Restaurant Les Terrasses du Petit Nérac, im Petit Nérac, direkt über dem Fluss. Leicht überteuerte Küche in romantischer Lage ... wären da nur nicht die Mücken. 7, rue Sèderie. ¢ 05.53.97.02.91. Barbaste Hauptsehenswürdigkeit von Barbaste ist Le Moulin des Tours. Das gewaltige Bauwerk mit seinen vier markanten Türmen scheint wie aus riesigen Legosteinen zusammengesetzt – so streng und rechtwinklig wirkt die Festung. Sie datiert aus dem 13. Jahrhundert und war ursprünglich zur Kontrolle der heute noch beeindruckenden römischen Brücke (12. Jh.) gedacht, die in zehn Bogen die Gélise überspannt. Vermutlich kurz nach der Fertigstellung wurde die Festung mit einer Mühle versehen, deren einziger Zugang durch den größten der Türme führte. Im 19. Jahrhundert kaufte ein reicher Müller namens Bransoulié das Anwesen und ließ eine private Kettenbrücke direkt von der Mühle aus über den Fluss schlagen (heute nicht mehr vorhanden), um nicht mit dem gemeinen Volk über die römische Brücke gehen zu müssen. Was mit der Festung künftig geschehen soll, ist seit Jahren unklar. Sie steht unter Denkmalschutz, im Gegensatz zum direkt angebauten einstigen Wohntrakt Bransouliés aus dem 19. Jahrhundert. Einige plädieren für ein Niederreißen des Anbaus, andere träumen von einem Kulturzentrum, wieder andere wollen das gesamte Anwesen in ein Museum umwandeln. Derzeit hat sich hier die Verwaltung des Zusammenschlusses der umliegenden Gemeinden (communauté de communes) sesshaft gemacht. Die Geschichte der Festung inklusive der baulichen Veränderungen unter Müller Bransoulié ist in einer sachkundigen kleinen Dokumentation im Off ice de Tourisme gegenüber dem Anbau der Festung fotograf isch festgehalten. Nebenbei erfährt man auch, dass das Gebäude des Info-Büros seine eigene Geschichte hat: einst Kapelle, dann Stall. Das Agenais Das Dorf, 6 km nordwestlich von Nérac am Rande des Pinienwalds der Landes gelegen, streitet mit Mézin (siehe unten) um den Titel der Kork-Hauptstadt. Zumindest was die Verarbeitung zu Flaschenkorken betrifft, steht dieser jedoch Mézin zu. Von der Wirtschaftskrise allerdings sind beide Städtchen gleichermaßen betroffen, seit mit Kork keine großen Geschäfte mehr zu machen sind. Barbaste 270 Das Agenais Wie aus Legosteinen gebaut: Le Moulin des Tours in Barbaste Information Office de Tourisme, Dokumentationsausstellung: Mi und Fr 9–12.30, Do und Sa 15–19, So 15–17.30 Uhr, ohne Gewähr. Rue du Moulin des Tours, 47230 Barbaste, ¢ 05.53.65.09.37. Führungen Juli/Aug. Mi und Fr 11, Do und Sa/So 16 Uhr. Eintritt 4 €. Restaurant Le Moulin des Saveurs, beim Moulin des Tours, an der Ostseite der Baïse. Gute traditionelle, regionale Küche, preislich leicht über dem Durchschnitt. Mo Ruhetag, Di und Sa mittags geschlossen. 4, rue du Moulin de Tours, ¢ 05.53.97.06.60. Mézin Bis in die Nachkriegszeit war das Städtchen am Rande des Pinienwalds der Landes das Zentrum der Flaschenkorkenmanufaktur. Mit der Entwicklung moderner Produktionsmethoden, der Kronkorken- und Plastikverschlüsse begann die wirtschaftliche Talfahrt. Waren es einst bis 3000 Männer und Frauen, die in über 30 Fabriken (und nach Feierabend in Heimarbeit) die Rinde der Korkeichen zu Zapfen verarbeiteten, so üben in Mézin heute nur noch vier Personen – im Auftrag einiger Bordeaux-Produzenten – das traditionelle Metier aus. Die Bevölkerung ist auf weniger als 1500 Einwohner geschrumpft. Übrig geblieben ist aus der goldenen Zeit des Korkens ein kleines, aber feines Museum. Eglise Saint-Jean-Baptiste: Sie steht im Zentrum des Städtchens und fügt sich mit der Place Armand Fallières und deren Arkadenhäusern zu einem eindrucksvollen Bild. Die Kirche – sie wurde auf den Grundmauern einer im Jahr 1000 zerstörten Benediktinerabtei errichtet – ist stilistisch nicht gerade einheitlich, vermittelt aber einen imposanten Gesamteindruck. Die Fassade aus dem 14. Jahrhundert mit ihren zwei Rundtürmen ist fast so hoch wie der vierschrötige Glockenturm, so dass der ganze Bau wie eine Festung wirkt.