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Sozialversicherungsrechtliche Fragen bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses (insbesondere Sperrzeit)
von Michael Eckert, Heidelberg
Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist schon unter menschlichen Aspekten immer schwierig.
Die zu beachtenden Gesetze und Urteile im Arbeitsrecht machen Kündigungen darüber hinaus sehr
schwierig und das Ergebnis von Kündigungsschutzprozessen ist oft nicht kalkulierbar.
Hinzu kommen Probleme aus dem Bereich des Sozialversicherungsrechts, die gerade bei einvernehmlichen Vertragsbeendigungen oft übersehen werden, die aber erhebliche finanzielle Risiken sowohl für die Arbeitgeberseite als auch für Arbeitnehmer bieten. Der vorliegende Beitrag spricht die
wichtigsten sozialversicherungsrechtlichen Fragen bei der Beendigung des Arbeitsvertrages, insbesondere bei einvernehmlicher Beendigung an.
1. Formalien
Bei Beendigung des Arbeitsvertrages rechnet der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum letzten Arbeitstag ordnungsgemäß ab und händigt dem Arbeitnehmer dann seine Arbeitspapiere aus. Neben
dem Zeugnis, das jeder Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen kann (aber
auch muss, es wird nicht automatisch ausgestellt), gehört dazu auch der Sozialversicherungsausweis.
Bei der Einzugsstelle erfolgt eine Abmeldung.
Wichtig ist, dass hier auf das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses und nicht auf die Einstellung
der Tätigkeit abzustellen ist.
Bei Ende des Arbeitsvertrages noch offene Vergütungsansprüche sind als solche in der letzten Abrechnung auszuweisen und der Sozialversicherung zu unterwerfen. Dies gilt beispielsweise für Guthaben aus Gleitzeitvereinbarungen, Überstunden, Urlaubsabgeltung, anteilige Gratifikationen und
Sonderzahlungen, Tantiemen etc. All diese Ansprüche unterliegen der Sozialversicherung, da es sich
um reguläres Arbeitsentgelt handelt.
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Nicht zulässig ist es, solche Ansprüche als „Abfindung“ auszuzahlen. Solche Versuche finden sich oft
mit dem Ziel, die Sozialversicherungspflicht zu umgehen, da für Abfindungen keine Sozialversicherungspflicht besteht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen auch bei Prüfung durch die Sozialversicherung damit rechnen, dass beendete Arbeitsverhältnisse hierauf sorgfältig überprüft werden.
2. Freistellung
Besondere Vorsicht ist dann geboten, wenn Arbeitnehmer gegen Ende des Arbeitsverhältnisses von
der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt werden. Teilweise erfolgen solche Freistellungen allein
auf Veranlassung des Arbeitgebers. Dieser will in manchen Fällen verhindern, dass der Arbeitnehmer
noch weiter am Arbeitsplatz erscheint, beispielsweise weil er befürchtet, dass der gekündigte Arbeitnehmer eine schlechte Stimmung verbreitet. Teilweise besteht auch die Gefahr, dass der Arbeitnehmer noch Schaden anrichtet, indem er sich vertrauliche Unternehmensdaten beschafft, Kundenlisten
kopiert etc. Gerade bei Mitarbeitern die im Verkauf und speziell im Außendienst tätig sind, lässt sich
natürlich die Gefahr nicht ganz ausschließen, dass diese Mitarbeiter zu einem Wettbewerber wechseln und sich ihren Arbeitsplatz und eventuell eine höhere Vergütung dort mit dem Versprechen erkauft haben, möglichst viele Kunden des bisherigen Arbeitgebers „mit zu bringen“.
Teilweise werden Freistellungen auch einvernehmlich in einer Aufhebungs- oder Abwicklungsvereinbarung festgehalten und decken sich oft mit dem Wunsch des Mitarbeiters, für den bisherigen Arbeitgeber nicht mehr tätig sein zu müssen.
Sozialversicherungsrechtlich ergeben sich folgende Probleme:
Freistellungen sollten niemals einvernehmlich, beispielsweise in einem Vertrag, vereinbart werden.
Die Rechtsprechung geht inzwischen davon aus, dass mit einvernehmlicher Freistellung das Beschäftigungsverhältnis endet.
Für die Sozialversicherung kommt es nicht darauf an, wann der Arbeitsvertrag endet, sondern ab
wann die tatsächliche Beschäftigung endet. Zu diesem Zeitpunkt enden auch die Versicherungspflicht
und die Leistungen der Versicherung.
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Beispiel:
Der Arbeitgeber kündigt das Arbeitsverhältnis eines Buchhalters zum 30.06.2007. Im Rahmen eines
Abwicklungsvertrages wird festgehalten, dass der Arbeitnehmer ab 01.04.2007 freigestellt wird. Dann
endet ab 01.04.2007 der Sozialversicherungsschutz für den Arbeitnehmer.
Tipp:
Zur Erhaltung des Sozialversicherungsschutzes ist es am sichersten, formal keine Freistellung zu
vereinbaren. Ferner kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch vorläufig jederzeit widerruflich von
der Arbeit freistellen, was auch kein Ende der Beschäftigung bedeutet. Noch nicht endgültig entschieden ist der Fall, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer endgültig und unwiderruflich einseitig freistellt
und der Arbeitnehmer hiergegen nichts unternimmt, sondern die Freistellung akzeptiert.
Sollte trotzdem eine einvernehmliche unwiderrufliche Freistellung gewünscht sein, würde der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen unterrichten.
Bei widerruflicher Freistellung muss der Arbeitgeber darauf achten, dass sich der Urlaubsanspruch
wirksam mit abgegolten wird. Die übliche Formulierung, wonach mit der Freistellung sämtliche Urlaubs- und sonstigen Freizeitansprüche abgegolten sind, ist nicht wirksam, wenn es sich nur um eine
widerrufliche Freistellung handelt.
Der Arbeitgeber könnte, um sicherzugehen, beispielsweise folgenden Brief an den Arbeitnehmer richten:
„Wir gewähren Ihnen hiermit Ihren noch bestehenden Resturlaub von 5 Arbeitstagen in der Zeit
vom 02. bis 06. April. Bei einer Erkrankung während des Urlaubs wird der dann noch verbleibende Resturlaubsanspruch im unmittelbaren Anschluss an die Zeit der Arbeitsunfähigkeit gewährt. Im Anschluss hieran werden Sie hiermit widerruflich bis zum Ende der Kündigungsfrist
werden Sie hiermit widerruflich bis zum Ende der Kündigungsfrist zum 30.06.2007 von der Arbeit freigestellt. Für den Widerruf genügt die Zuweisung einer Tätigkeit durch den Arbeitgeber.“
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3. Sperrzeit
a) Definition Sperrzeit
Sperrzeiten werden in § 144 SGB III geregelt. Mit einer Sperrzeit will die Arbeitsagentur erreichen,
dass Arbeitnehmer möglichst keine eigenen Beiträge zu einer Arbeitslosigkeit leisten. Eine Sperrzeit
tritt daher dann ein, wenn der Arbeitnehmer den Eintritt der Arbeitslosigkeit selbst zu vertreten hat
oder an deren Behebung unbegründet nicht mithilft. Die Sperrzeit kann bis zu 12 Wochen betragen
aber auch für einen kürzeren Zeitraum angeordnet werden. Endet das Arbeitsverhältnis, kann in besonderen Fällen die Arbeitsagentur eine Sperrzeit verhängen. Dies ist keine Strafe und keine
Zwangsmaßnahme.
Während der Dauer der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Erkrankt der Arbeitslose
während der Sperrzeit, ruht auch sein Anspruch auf Krankengeld. Beträgt die Sperrzeit 12 Wochen,
vermindert sich die Dauer des Arbeitslosengeldanspruches sogar um ein Viertel der Anspruchsdauer.
Oft übersehen wird ein weiterer wichtiger Umstand im Zusammenhang mit der Sperrzeit: Nach § 147
Abs. 1 Nr. 2 SGB III erlischt der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitslose Anlass für den
Eintritt von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt mindestens 21 Wochen gegeben hat. Wird
somit zwei Mal eine Sperrfrist von 12 Wochen verhängt, erlischt der Anspruch auf Arbeitslosengeld
insgesamt und vermindert sich nicht nur für einen bestimmten Zeitraum.
b) Kranken- und Pflegeversicherung während der Sperrzeit
Im ersten Monat der Sperrzeit besteht ein nachgehender Versicherungsschutz aus dem Arbeitsverhältnis für gesetzlich versicherte. Privatversicherte müssen sich für diesen Zeitraum selbst um Versicherungsschutz kümmern.
Ab dem zweiten Monat besteht Krankenversicherung während der Sperrzeit bis zum Ende der Sperrzeit.
Setzt nach Ende der Sperrzeit die Zahlung von Arbeitslosengeld ein, besteht Krankenversicherungsschutz ab der Zahlung von Arbeitslosengeld.
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Vorsicht: Kommt zu einer Sperrzeit noch eine Ruhenszeit hinzu, besteht für die Zeit nach Ablauf der
Sperrzeit während des restlichen Ruhenszeitraumes keine Krankenversicherung!
Während der Dauer einer Ruhenszeit wird kein Arbeitslosengeld gezahlt. Eine Ruhenszeit tritt etwa
dann ein, wenn das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag zu einem Zeitpunkt gekündigt wurde,
der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung hätte beendet
werden können.
c) Sperrzeit durch einvernehmliche Vertragsbeendigung
In der Praxis stellt sich sehr häufig das Problem, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Interesse an einer einvernehmlichen Regelung zur Vertragsbeendigung haben. Der Arbeitnehmer möchte
das Risiko vermeiden, über längere Zeit hinweg eventuell Verzugslohn nachzahlen zu müssen, wenn
sich eine von ihm ausgesprochene Kündigung – ggf. nach langem Gerichtsverfahren – als unwirksam
herausstellt. Der Arbeitnehmer andererseits möchte ebenfalls das Risiko langjähriger und kostenspieliger gerichtlicher Verfahren vermeiden und sich seiner beruflichen Zukunft zuwenden können.
Es besteht daher von beiden Seiten das Bedürfnis, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden,
wofür das Arbeitsrecht verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Wichtigstes Kriterium ist dabei sehr oft die Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber. In Betracht kommen ein Aufhebungsvertrag, ein Abwicklungsvertrag, eine Kündigung nach § 1 a KSchG oder ein gerichtlicher Vergleich.
Neben den arbeitsrechtlichen Fragen, die hier zu beachten sind, birgt aber insbesondere das Sozialversicherungsrecht und hier insbesondere die Sperrfrist ein erhebliches Risiko.
Grundsätzlich sieht das Gesetz vor, dass eine Sperrfrist immer dann zu verhängen ist, wenn der Arbeitnehmer entweder die Vertragsbeendigung verschuldet hat oder hieran zumindest mitgewirkt hat.
Eine Sperrfrist wird daher beispielsweise verhängt, wenn ein Arbeitnehmer durch schuldhafte Vertragsverstöße eine verhaltensbedingte Kündigung heraufbeschworen hat.
Eine Sperrfrist wird regelmäßig auch dann verhängt, wenn die Parteien einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Bei einem Aufhebungsvertrag einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ohne die Unterschrift des Ar-
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beitnehmers (Schriftform erforderlich!) wäre ein solcher Aufhebungsvertrag unwirksam und es würde
keine Arbeitslosigkeit entstehen. Dies rechtfertigt es in der Regel, eine Sperrfrist zu verhängen.
Die Praxis hatte hier zunächst einen Ausweg in sogenannten Abwicklungsverträgen gesucht: Danach
kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis personen- oder betriebsbedingt, so dass für die Vertragsbeendigung keine Mitwirkung des Arbeitnehmers erforderlich ist. Die weitren Aspekte, insbesondere Abfindungen, werden dann in einem Abwicklungsvertrag geregelt.
Inzwischen hat das Bundessozialgericht in einem Urteil vom 18.12.2003 aber entschieden, dass für
Abwicklungsverträge letztlich Ähnliches gilt wie für Aufhebungsverträge: Wenn darin ein Mitwirken an
der Arbeitslosigkeit zu sehen sei, werde eine Sperrfrist ausgelöst.
In der Praxis stellt sich daher die Frage, welche Möglichkeiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer derzeit
noch haben, um ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden, eine Abfindung zahlen und eine
Sperrfrist vermeiden zu können. Hier gibt es folgende Möglichkeiten:
Ø
Vertragsbeendigung nach § 1 a KSchG
Nach § 1 a KSchG verspricht der Arbeitgeber dann eine Abfindung, wenn der Arbeitnehmer
keine Kündigungsschutzklage erhebt. Die Abfindung ist gesetzlich geregelt auf 0,5 Monatsgehälter je Beschäftigungsjahr. Die Bundesagentur für Arbeit hat bislang verbindlich, u.a. auch
auf ihrer Homepage erklärt, dass eine Kündigung nach § 1 a KSchG, also letztlich mit einer
bedingten Abfindungszusage, keine Sperrfrist auslöst.
Der Vorteil einer solchen Kündigung ist eine hohe Rechtssicherheit, der Nachteil eine geringe
Flexibilität hinsichtlich der Abfindungshöhe. Abweichungen vom gesetzlich vorgesehenen Abfindungsbetrag (0,5 Gehälter je Beschäftigungsjahr) lassen die Rechtssicherheit entfallen und
bringen die Gefahr mit, dass doch eine Sperrfrist verhängt wird. Dies ist nach den bisherigen
Erfahrungen mit den Arbeitsagenturen wohl immer dann der Fall, wenn die Abfindung geringer
ausfällt als 0,5 Monatsgehälter je Beschäftigungsjahr. Bei darüber hinausgehenden Abfindungen liegen noch keine endgültigen Erfahrungen vor, ein Risiko verbleibt jedoch, dass dann eine Sperrfrist verhängt wird.
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Ø
Vertragsbeendigung durch arbeitsgerichtlichen Vergleich
Auch wenn es sich bei einem arbeitsgerichtlichen Vergleich letztlich um nichts anderes handelt als einen Abwicklungsvertrag, sieht das Bundessozialgericht hier doch Unterschiede. In
dem Urteil vom 18.12.2003 (B 11 AL 35/03 R) wird festgehalten, dass arbeitsgerichtliche Vergleiche in der Regel auch dann nicht zu einer Sperrfrist führen, wenn eine Abfindung vereinbart wird. Die Auswertung des Urteils führt für die Praxis zu folgenden wichtigen Hinweisen:
Wird ein Vergleich im schriftlichen Verfahren vor dem Gütetermin beim Arbeitsgericht geschlossen, sollte in jedem Fall darauf geachtet werden, dass der Vergleich auf Vorschlag des
oder der Vorsitzenden zustande kommt. Ein solcher Vorschlag kann auch von jeder Partei
durch Einreichung eines Vergleichsentwurfes angeregt werden, den der/die Vorsitzende sich
dann zu eigen machen und den Parteien vorschlagen kann.
Auch wenn der Vergleich im Gütetermin oder im Kammertermin, also in mündlicher Verhandlung, abgeschlossen und zu Protokoll genommen wird, sollte darauf geachtet werden, dass
das Protokoll den Hinweis enthält, der Vergleich sei auf Vorschlag des Vorsitzenden zustande
gekommen.
Kommt ein Vergleich im schriftlichen Verfahren nach einem Gütetermin zustande, besteht in
der Regel keine Bedenken, den Vergleich auch ohne ausdrücklichen Vorschlag des Gerichts
abzuschließen.
Ø
Teilweise wird in der Praxis auch folgende Lösung vorgeschlagen:
Der Arbeitgeber soll, ähnlich wie bei einer Kündigung nach § 1 a KSchG, das Arbeitsverhältnis
einseitig personen- oder betriebsbedingt kündigen und dem Arbeitnehmer ein einseitiges Angebot dahingehend machen, dass eine Abfindung gezahlt wird, wenn er die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage verstreichen lässt. An dieses Angebot soll der Arbeitgeber
sich länger als die Klagefrist (3 Wochen) binden, so dass der Arbeitnehmer dann die Möglichkeit hat, nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist das Angebot noch anzunehmen. Teilweise
wird auch vorgeschlagen, dass das Angebot des Arbeitgebers auf Zahlung einer Abfindung
durch ausdrückliche Erklärung im Kündigungsschreiben so lange aufrecht erhalten bleiben
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soll, bis auch die Kündigungsfrist (und nicht nur die Klagefrist) abgelaufen ist, so dass der Arbeitnehmer dieses Angebot nach Ablauf der Kündigungsfrist noch annehmen kann.
Von solchen Regelungsversuchen rate ich ab. Zwar handelt dann der Arbeitnehmer nicht aktiv
während der Klagefrist. Es besteht auch keine Pflicht für den Arbeitnehmer zu klagen, um sich
sein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erhalten. Andererseits kann das einseitige Angebot
aber als Absprache im Vorfeld der Kündigung oder bei Ausspruch der Kündigung, jedenfalls
aber vor Ablauf der 3-Wochen-Frist angesehen werden, was das Risiko einer Sperrfristverhängung erhöht.
Ø
Möglich ist die einseitige Zusage des Arbeitgebers bei Ausspruch der Kündigung, bei Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage die Abfindung zu bezahlen. Anders als bei einem Angebot, das der Arbeitnehmer annehmen muss, entfällt bei einer einseitigen Zusage des Arbeitgebers eine vertragliche Mitwirkungsverpflichtung des Arbeitnehmers. Diese Regelung
knüpft besonders eng an § 1 a des Kündigungsschutzgesetzes an. Hier gibt es keine Vorfeldabsprachen, kein aktives Zutun des Arbeitnehmers zur Arbeitslosigkeit. Sein rein passives
Abwarten und die in Empfangnahme der Abfindung führt nicht zu einer Sperrfrist. Die bloße
Hinnahme einer Kündigung führt nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom
25.04.2002 auch dann nicht zu einer Sperrfrist, wenn die Hinnahme aufgrund zugesagter Vergünstigungen erfolgt. Das BAG hat darüber hinaus entschieden, dass eine solche Regelung
keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot oder Maßregelungsverbot enthält, weil
nur diejenigen Arbeitnehmer eine Zusage erhalten, die keine Klage erheben.
Ø
In jüngster Zeit zeichnet sich folgende Handhabung bei den Arbeitsagenturen ab: Zahlt der
Arbeitgeber für die Hinnahme der Kündigung eine Abfindung, kommt es ausnahmsweise dann
nicht zu einer Sperrfrist, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
§
Den Arbeitnehmer trifft an der Kündigung keinerlei Verschulden, es darf sich insbesondere nicht um eine verhaltensbedingte Kündigung handeln.
§
Die Kündigung ist gerechtfertigt, zumindest nicht offensichtlich unwirksam (eine offensichtliche Unwirksamkeit würde beispielsweise vorliegen, wenn einem Betriebsratsmitglied einer Schwangeren, einer Mitarbeiterin in Elternzeit etc. während der jeweili-
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gen Schutzzeiten ohne Vorliegen der formalen Kündigungsvoraussetzungen gekündigt würde).
§
Die Kündigungsfrist wird eingehalten.
§
Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit beim Arbeitgeber ist nicht ersichtlich.
§
Das Abwarten einer vom Arbeitgeber auszusprechenden Kündigung muss für den Arbeitnehmer unzumutbar sein, beispielsweise weil er in Zukunft in seinem beruflichen
Fortkommen durch eine Kündigung (im Lebenslauf) eher Nachteile und Probleme hätte, eine neue Stelle zu finden als bei einer Beendigung durch Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag.
Die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer bei Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen, insbesondere bei einer drohenden rechtmäßigen Arbeitgeberkündigung auch an der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag mitwirken darf, ohne eine Sperrfrist auszulösen, hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 17.11.2005 (B 11 A/11
AL 69/04 R) betont.
Ein Aufhebungsvertrag ist allgemein auch dann zulässig, wenn dem Arbeitnehmer eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen nicht mehr zugemutet werden kann.
Dies gilt beispielsweise dann, wenn der Arbeitnehmer geheiratet hat und zu einem anderswo
wohnenden Ehepartner zieht und dadurch seinen Arbeitsplatz aufgeben muss oder wenn der
Arbeitnehmer bereits eine neue Stelle gefunden hat. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um
eine befristete oder unbefristete Stelle handelt, soweit der Arbeitnehmer nur davon ausgehen
konnte, dass ein möglicherweise zunächst befristeter Vertrag später verlängert wird.
4. Vorabentscheidung durch die Arbeitsagentur
Insbesondere bei geplanten Massenentlassungen aber auch bei betriebsbedingten Kündigungen, die
mehrere Arbeitnehmer betreffen oder sogar im Einzelfall, können Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer
vor Abschluss eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrages eine verbindliche Vorabentscheidung
der Arbeitsagentur zu der Frage beantragen, ob eine Sperrfrist verhängt wird. Arbeitgeber, die Massenentlassungen planen, sind in besonderem Maße gut beraten, wenn sie die Verhängung einer
Sperrfrist durch entsprechende Verhandlungen mit der Arbeitsagentur von vornherein ausschließen,
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weil dann erfahrungsgemäß sehr schnell Aufhebungsvereinbarungen mit den Arbeitnehmern abgeschlossen werden können.
5. Belehrungspflichten für Arbeitgeber, Schadensersatz
Gerade bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen ist es also, wie gezeigt, nicht mit einer Prüfung arbeitsrechtlicher Vorgaben getan. Auch die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte müssen sorgfältig
geprüft werden.
Dies gilt für Arbeitgeber insbesondere deshalb, da die Rechtsprechung die Arbeitgeber für verpflichtet
hält, Arbeitnehmer über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung zu belehren. Dies ist zwar etwas widersinnig, da der Arbeitnehmer dem Anspruch auf
Arbeitslosengeld natürlich wesentlich näher steht als der Arbeitgeber. Trotzdem wird eine entsprechende Belehrungspflicht aus Gründen der gegenseitigen Treueverpflichtung und Fürsorgepflicht des
Arbeitgebers abgeleitet.
Daher muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über das Drohen einer Sperrfrist und/oder einer Ruhensfrist sowie über deren Folgen belehren. Unterbleibt eine solche Belehrung und wird später von
der Arbeitsagentur beispielsweise eine Sperrfrist verhängt, hat der Arbeitnehmer ggf. Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber: Dieser muss ihn dann unter Umständen so stellen als hätte er
Arbeitslosengeld auch während der Sperrfrist bezogen.
Die Belehrung kann beispielsweise durch folgende Formulierung erfolgen:
„Der Arbeitgeber weist den Arbeitnehmer darauf hin, dass die vorliegende Vereinbarung negative Auswirkungen auf den Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld haben könnte. Insbesondere kann die Gefahr bestehen, dass die Arbeitsagentur eine Sperrfrist und/oder Ruhensfrist
verhängt. Damit sind erhebliche Einschränkungen des Arbeitslosengeldanspruches nach Dauer
und/oder Höhe verbunden. Der Arbeitnehmer erklärt, dass er auf weitere Informationen durch
den Arbeitgeber in Kenntnis dieser negativen Auswirkungen verzichtet und sich weitere Informationen direkt bei der Arbeitsagentur beschaffen wird.“
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Im Ergebnis müssen sozialversicherungsrechtliche Fragen mindestens ebenso sorgfältig geprüft werden, wie beispielsweise die arbeitsrechtlichen Fragen, ob eine Kündigung berechtigt ist, ob die Kündigungsfrist richtig berechnet wurde etc.
Anlage 1
Eintritt einer Sperrzeit – gesetzliche Grundlagen
Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei
§ 144 Drittes Buch
Sperrzeit
Sozialgesetzbuch (SGB III)
Arbeitslosigkeit
§ 119 SGB III
Dauer des Anspruchs auf Alg
§ 127 SGB III
Minderung der Anspruchsdauer
§ 128 Abs. 1, insbesondere Ziffer 4 SGB III
Erlöschen des Anspruchs auf Alg
§ 147 Abs. 1 Nr. 2 SGB III
Ruhen des Anspruchs auf Alg bei Zahlung einer
§ 143a SGB III
Entlassungsentschädigung
Krankenversicherung während der Sperrzeit
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V
Anlage 2
Voraussetzungen für die Verhängung einer Sperrzeit wegen „Arbeitsaufgabe“
·
Allgemein: Versicherungswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das den Eintritt einer Sperrzeit bewirken kann
·
Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer
·
Mitwirkung des Arbeitnehmers bei der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere
durch Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages
·
Ursächlichkeit des Verhaltens des Arbeitnehmers für den Eintritt der Arbeitslosigkeit
·
Grob fahrlässige oder vorsätzliche Herbeiführung der Arbeitslosigkeit
·
Es liegt kein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (o.ä.) vor
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Anlage 3
Wann ist eine Kündigung offensichtlich rechtswidrig?
·
Wenn der Arbeitnehmer ohne weiteres erkennen musste, dass die Kündigung gegen arbeitsoder tarifvertragliche- oder gesetzliche Bestimmungen verstößt, z.B. weil
o
die Kündigungsfrist nicht eingehalten wurde;
o
der Arbeitslose ordentlich gekündigt wurde, obwohl er aufgrund gesetzlicher oder tarifvertraglicher Vorschriften nur außerordentlich kündbar war;
o
der Arbeitslose Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz genießt;
o
der Arbeitslose Kündigungsschutz nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz genießt;
o
der Arbeitslose als Schwerbehinderter Kündigungsschutz nach SGB XI genießt;
o
der Arbeitslose Mitglied des Betriebsrates der Jugendvertretung oder einer anderen
durch § 15 KSchG geschützten Organisation der betrieblichen Mitbestimmung war
oder ist.
Anlage 4
Wichtige Gründe, die den Abschluss eines Aufhebungsvertrages ohne Sperrzeit erlauben:
Grundsätzlich alle objektiven Gründe, die es dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalles und auch unter Abwägung der eigenen mit den Interessen der Gesamtheit der Beitragszahler unzumutbar erscheinen lassen, das Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten. Die Umstände
sind von Amts wegen zu prüfen, können vom Arbeitnehmer aber auch selbst vorgetragen werden. Der
Arbeitnehmer ist für diese Gründe beweispflichtig. Die Gründe müssen objektiv vorliegen, ein dahingehender Irrtum reicht nicht aus. Zuvor muss ein zumutbarer erfolgversprechender Versuch zur Beseitigung des wichtigen Grundes unternommen worden sein.
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