Bichmann, Hartog und Schulz: „Westliche Medizin“

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Bichmann, Hartog und Schulz: „Westliche Medizin“
Wolfgang Bichmann, Robert Hartog und Ulrich Schulz
170
17 Sourcebook of Health Insurance Data 1973 - 74, New York: Health Insurance
Institute.
18 R. Hurley: The Health Crisis of the Poor, In: H. P. Dreltzel (ed.), The Social Organization of Health. Recent Sociology No. 3. New York 1970, S. 89 f.
19 A. Strauss: Where Medicine Falls, San Francisko 1974, S. 10.
20 Health P. A. c. The American Health Empire, New York 1970, S. 153.
21 R. Andersen et al., op. clt., S.42.
22 H. M. Somers, und A. R. Somers: Medicare and the Hospitals. Issues and Prospects. Washington D. C. 1968; T. Marmor: The Politics of Medicare. London 1973.
23 H. S. Berliner: The Origins of Health Insurance for the Aged. International Journal of Health Services, Vol. 3, Summer 1973, S. 486.
24 B. Cooper und N. Worthlngton, op. elt., S. 15.
Wolfgang Btchrnann, Robby Hartog, Ulrich Schultz
"Westliche"
Welt
Medizin in Ländern der Dritten
Am Beispiel Tansania: Ein Trojanisches Pferd des Neo-Kolonialismus
.Aspro ni dawa ya kwell
Inaondoa maumlvu
mara moja, mara rnoja
Aspro ni dawa ya kwell!!"
Aspirin Ist das wahre Mittel
Es nimmt die Schmerzen weg
Auf einmal, auf einmal
Aspirin Ist das wahre Mittel'
Das wahre Mittel? Dieses Klswahill-Lled ertönt in Tansania mehrmals
täglich im Radio und selbst in den entlegensten Dörfern finden sich bunte
Blechschilder, die für Aspro werben'. Ein anderes Beispiel: Erst durch die
bemerkenswerte Aufklärungsarbeit der Arbeitsgruppe Dritte Welt Bern mit
ihrer Veröffentlichung "Nestlê tötet Babys'? und dem sich anschließenden
Prozeß des Konzerns gegen Mitglieder dieser Arbeitsgruppe ist weltweit bekannt geworden, daß Trockenmilch unter den ungünsttgen hygienischen
Bedingungen der unterentwickelten Länder' samt der dazu notwendigen
Flasche ein Mordinstrument für Babys darstellt, das ohnegleichen ist. JUngste Untersuchungen in Chile haben ergeben, daß Kinder, die während der
ersten 3 Monate ihres Lebens mit der Flasche ernährt werden, im Verhältnis
zu brusternährten Geschwistern eine dreimal so hohe Sterblichkeit zeigen'.
Um "Lactogen" bei den afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Frauen abzusetzen ist jeder Betrug recht: Verkäuferinnen werden als
Krankenschwestern verkleidet'. Die an die Stelle der BrustmIlch tretende
süße, schmackhafte Flaschennahrung hat zur Folge, daß die weniger entsaugte Mutterbrust immer weniger Muttermilch produziert und sie dann
endgültig versiegt. Ein tödlicher und profttträchtlger Circulus vltlosus ist geschlossen, da nun die Mutter tatsächlich auf die teuren und gefährlichen
ARGUMENT -SONDERBAND AS 17
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Produkte angewiesen ist. Nach einer Schätzung wurde 1969 in Tansania die
gleiche Summe für künstliche Säuglingsmilch ausgegeben, die dem staatlichen Gesundheitswesen als Budget zur Verfügung stand". Aber nicht nur
volkswirtschaftlich, auch in der einzelnen Familie fordert künstliche Säuglingsnahrung ihren Preis, wie Tabelle 1 veranschaulichen sol\.
Tab. 1: Kosten der künstlichen Ernährung in Prozenten der niedrigsten Ein-
kommen"
Minimaleinkommen
pro Woche
in US-$
Land
Großbritannien
Tansania
Nigeria
39.20
7.62
5.18
Ausgaben für Säuglingsnahrung
(In % des Einkommens)
3 Monate
6 Monate
alter Säugling
alter Säugling
2.1
20.6
30.3
Quelle: PAG (UNO): Handbuch Ober Kinderernährung.
zember 1971
PAG-Dokument
3.3
32.0
47.1
1,4/26, De-
Das Verhalten der multinationalen Konzerne ist vergleichbar dem von
Herotnhändlern, die dem Kunden die ersten Spritzen in der Gewißheit gratis
geben, daß er dann abhängig von ihnen wird (wie z. B. bei Trockenmilch).
Seine Parallele findet dies - worauf wir später noch genauer eingehen werden - im Verhältnis der industrialisierten Staaten zu den sogenannten unterentwickelten Staaten z. B. in der großzügigen Vergabe von medizinischtechnischer "Hilfe", wie Laboren, Elektronenmikroskopen oder gar ganzen
Krankenhäusern.
Diese Beispiele sind Ausdruck für die rücksichtslose Durchsetzung der
ökonomischen, aber auch ideologischen Interessen auf dem Rücken der Bevölkerung der unterentwickelten Länder. Die Reihe der Beispiele ließe sich
um ein Vielfaches verlängern'. Indem zusätzlich weithin angenommen wird,
daß Aspirin, Trockenmilch und Medikamente gerade dort "Fortschritt" bedeuten, wo angeblich "nichts" ist, wird einer neokolonialen Mystifikation
aufgesessen, die - neben ihrem ökonomischen Ursprung - zweifelsohne
auch im Fortschrittsdenken der naturwissenschaftlichen Medizin begründet
liegt.
Im folgenden wollen wir historisch und aktuell am Beispiel Tansania zu
zeigen versuchen, daß es noch ganz andere Praktiken gibt, mit sogenanntem
technischen Fortschritt Medizin-Imperialismus zu betreiben. Daraus resultiert, daß Armut, Unwissenheit und Krankheit - die drei Hauptfeinde Tansanias (Nyerere), aber auch aller anderen Entwicklungsländer - nicht abgeschafft, sondern zusätzlich unterstützt, zumindest aber an ihrem fatalen
Fortwirken nicht wesentlich gehindert werden. Da die ökonomische Situation Tansanias grundlegend für die Gesundheitspolitik ist, wollen wir deren
wesentliche Charakteristika kurz umreißen.
General Motors
=
17,5 mal Tansania
Tansania zählt zu den 28 ärmsten Ländern der Welt. Die Umsätze der
größten transnationalen Konzerne liegen zuweilen weit höher als die BruttoARGUMENT -SONDERBAND AS 17
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sozlalprodukte dieser Länder. Einige Konzerne verkaufen also allein mehr
Waren als "das Gesamtergebnis der volkswirtschaftlichen Tätigkeit einer
Periode (eines Jahres)"'· dieser Länder beträgt. So war z. B. der Jahresumsatz 1971 von General Motors mit 28 Mrd. US $ 17,5 mal größer als Tansanias Bruttosozialprodukt 1972 (1,6 Mrd. US $)". Selbst der Umsatz "klelnerer" Unternehmen, wie z. B. von Nestlé oder Siemens betrug noch mehr als
zweimal soviel wie Tansanias Bruttosozialprodukt In den obengenannten
Jahren.
Das Verhältnis der Pro-Kopf-Einkommen der Enrwtcklungsländer und
speziell Tansanias zu den Industrieländern verschlechterte sich allein In den
letzten 25 Jahren zunehmend, wobei die Vergrößerung des absoluten Abstands des Pro-Kopf-Etnkommens der Industrieländer zum Pro-Kopf-Einkommen der unterentwickelten Länder besonders kraß Ins Auge springt,
wie Abbildung I veranschaulicht.
Abb. 1: Entwicklung der Pro-Kopf-Elnkornmen
(In US $ zu laufenden Preisen)
us $
3500
IndJ striefonde-
, 500
1500
500
EntWICkIU"9Slcnde-r
>So
Ton zonic
'960
1953
1965
1970
1972
Quelle: s. Anm. 12 und 13.
Die Geschichte der Unterentwicklung der Dritten Welt Ist mit der Entwicklung der Metropolen und der Zentren über das Internationale ökonomische System untrennbar verknüpft. Die Entwicklung der Unterentwicklung
führte dazu, daß "nlcht nur ... die Kluft zwischen IndustrIenatIonen und
Dritter Welt größer geworden (Ist), sondern auch jene zwischen den ärmsten
und ,relativ fortgeschrittenen' Gesellschaften der Dritten Welt selbsr'>. In
den sogenannten 28 "least developed countries" (LLDC-Länder15), zu denen
auch Tansania neben 17 weiteren afrikanischen Staaten zählt, folgt der ökonomischen Unterentwicklung die Unterentwicklung der übrigen GesellARGUMENT
-SONDERBAND
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JAHI
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schaftsbereiche, In besonderer Schärfe auch die medizinische Unterentwlcklung. Diese grundlegende Determlnlerthett des Gesundheitswesens und der
Gesundheit einer Bevölkerung In .Entwtcklungsländern"
durch den gesamtgesellschaftlichen
Entwicklungsstand
und die Weltmarkt-Situation
wurde von V. Navarro exemplarisch an den lateinamerikanischen Verhältnissen In seinem Artikel: "The Underdevelopment of Health or the Health
of Underdevelopment""
analysiert. Zusätzlich zur Unterentwicklung aller
gesellschaftlichen Bereiche läßt sich oft eine Ressourcenfehlverteilung für
das Gesundheitswesen feststellen, die von den Ungleichheiten In Vermögens- und EInkommensverhältnissen und der Verteilung politischer Macht
auf die sozialen Klassen nicht getrennt gesehen werden darf. Ebenso entspricht det Ressourcenfehlverteilung für das Gesundheitswesen In der Regel
eine Fehlverteilung fast aller anderen Ressourcen In Entwicklungsländern.
Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, eine sozloökonomlsche
Analyse der tansanlschen Klassenverhältnisse zu leisten, um diese Fehlverteilungen erklären zu können.
Ein Ergebnis der kolonlal-ökonomlschen Strukturen besteht In der besonderen Exportabhänglgkett von Sisal, Baumwolle, Kaffee, Tee und Erdnüssen. 87,2 % des Exporterlöses stammt aus tansanlschen Rohstoffen", wobei
der Gesamtexport etwa 'I. des Nationaleinkommens ausmacht". Durch die
steigenden Preise für Industriegüter und die je nach Weltmarktbedingungen
mehr oder weniger fallenden Rohstoffpreise verschlechtern sich für die Entwtcklungsländer kontinuierlich die sogenannten Terms of Trade". Bel seinem Besuch In der BRD Im Sommer 1976 verdeutlichte Präsident Nyerere
dies an einem Beispiel: Im Jahre 1972 habe der Bau einer FleischfabrIk dem
Preis von 7000 Tonnen Sisal entsprochen. Bis 1976 seien die Kosten für die
gleiche Fabrik auf 24000 Tonnen Sisal gesttegen".
Trotz des Wissens um diese ständige Verschlechterung der Terms of Trade, wurde dennoch lange Jahre In die Exportwirtschaft Investiert, In der
Hoffnung, den Weltmarkt zu erobern. Der ehemalige tansanlsche Minister
A. M. Babu kritisierte dies ganz folgerichtig: " ... desto weiter entfernen wir
uns von der Investition In die Entwicklung unseres Landes, und unsere Entwicklungsbestrebungen werden damit wirkungslos ... Da solche Investition
kaum zur Entwicklung unserer eigenen materiellen und technischen Basis
beiträgt, wird unsere Wirtschaft Immer nur auf das eingehen, was die westliche Welt zu kaufen und zu verkaufen gewillt Ist, nicht aber auf unsere eigenen, entwlcklungsmäßlg bedingten Bedürfnlsse.""'
Im Augenblick gibt Tansania 3,4 % des Staatshaushalts für das Gesundheitswesen aus". Doch gilt für Tansania wie für alle anderen Entwicklungsländer, daß sie nur ganz bescheidene Pro-Kopf-Ausgaben erreichen, selbst
wenn sie prozentual ebenso große Anteile vom BSPIKopf oder vom Staatshaushalt l'Urdas Gesundheitswesen aufwenden wie die entwickelten Länder.
So präsentierte Morley" eine vereinfachte Vergleichstabelle mit Angaben
über die projtzlerte Entwicklung des Bruttosoztalproduktes und der GesundheItsausgaben pro Kopf für die Zelt von 1970 bis 2000".
Hiernach wird sich das BSPIKopf In den "entwlckelten Ländern von 2200
auf 5800$ steigern. In den Entwicklungsländern wird es nur von 160 $ auf
325 $ Im Durchschnitt zunehmen. FUr die GesundheItsausgaben pro ElnARGUMENT·SONDERBAND
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wohner bedeutet dies, daß die entwickelten Länder ihre Ausgaben von 100 $
auf 200 $ steigern werden, während in den unterentwickelten Ländern zwar
eine 300 %ige Steigerung stattfinden wird, die jedoch absolut nur eine Zunahme von 1 $ auf 3 $ darstellt. Da es sich um so gewaltige Unterschiede in
den möglichen Ausgaben handelt, dürfte auch belanglos sein, ob die Schätzungen exakt zutreffen oder größere Fehier enthalten mögen.
Tansanias BSP/Kopf beträgt z. Z. 325,- DM (BRD: 9325,- DM) und ist
seit der Unabhängigkeit 1961/62 fast um ein Dreifaches gestiegen". Heute
kann Tansania für das Gesundheitswesen nur 22,50 Tsh (etwa 7,- bis 8,DM) pro Kopf und Jahr ausgeben. Die geringste Fehlverteilung einer solchen Geldmenge hat katastrophale Folgen.
Tansania hat seit seiner Unabhängigkeit 1961 und insbesondere seit seiner
Arusha-Deklaration 19672• immer wieder den festen politischen Willen zum
sozialistischen Aufbau und zur Überwindung bestehender gesellschaftlicher
Ungleichheiten zum Ausdruck gebracht. Es zählt momentan zu den sogenannten fünf Frontstaaten, die die Befreiungsbewegungen Zimbabwes besonders unterstützen und ist dabei, mit Angola und Mocambique den ersten
Baustein für ein sozialistisches Panafrika zu legen. Malcolm Segall konnte
jedoch aufzeigen, daß im tansanlschen Gesundheitswesen die Spuren des
Kolonialismus noch nicht verwischt sind, und daß Immer noch Ungleichheiten bestehen, die fatale Folgen haben. So stellte er fest, daß 1970/1971
für die kurative Medizin 17mal mehr Geld ausgegeben wurde als für die Präventivmedizin, obwohl gerade auch im ersten wie im zweiten Fünfjahresplan betont worden war, daß die Präventivmedizin auf dem Lande den zukünftigen Schwerpunkt ausmachen müsse". Wir selbst konnten diesen Widerspruch während einer relativ kurzen, aber sehr lehrreichen Famulatur sehen und kennenlernen und haben uns nach den Gründen gefragt" •.
"Westliche"
Medizin versus "Afrikanische"
Medizin
Auch wenn der Begriff "westliche" Medizin reichlich unpräzise ist, wollen
wir ihn in Ermangelung eines besseren vorerst verwenden. Wir verstehen
darunter die Gesamtheit der klinischen, sozialen und strukturellen Merkmale der Medizin, wie sie sich mit der Entfaltung des Kapitalismus als wesentlich kurative Medizin vor allem in Europa und den USA entwickelte, um
die Reproduktion der Ware Arbeitskraft auf möglichst billige Weise zu gewährleisten. Daß sich die "westliche" Medizin unter kapitalistischen Bedingungen als ein profitabler Kuchen erwies, von dem so mancher inzwischen
eine Scheibe abhaben will und kann, Ist eine Besonderheit, die einen Aspekt
der heutigen Krise der Medizin ausmacht, und die zur Folge hat, daß sich
die Ware Arbeitskraft gar nicht mehr so billig wiederherstellen läßt.
••Westliche" Medizin ist:
1. naturwissenschaftlich orientiert. Dieser Ansatz geht davon aus, daß es bei
einer Krankheit Symptome und Anzeichen gebe, die an einer objektivierbaren, von ihrer menschlichen Umgebung zum Zwecke der Beobachtung abstrahierten Person wahrgenommen werden können. Menschliche Reaktionen werden für quanuflzterbar und wiederholbar gehalten, womit das Individuum seiner Geschichte beraubt wird.
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2. individuumzentriert und versucht die Behandlung des Erkrankten zu gewährleisten, ohne die psychosozialen und geseIlschaftUchen Bedingungen
der Verursachung von Erkrankungen genügend In Betracht zu ziehen.
3. Arzt-zentriert: Nur Ärzte seien In der Lage zu diagnostizieren und zu
behandeln.
4. Krankenhaus-zentriert: mit den Folgen der psychosozialen Entwurzelung, der relativen Entpersönllchung und relevanten Infant!l!slerung des Pa-
nenten".
5. kurativ orientiert. d. h. Zielgruppe Ihrer Bemühungen sind die bereits erkrankten GesellschaftsmltgUeder. Sie Ist somit auch krankhettsflxlert,
Die Qualität einer solch verstandenen Medizin wird folgUch In der Regel
am naturwlssenschaftUch-medlzlnlsch-technlschen
Standard, an der ArztPatienten-Dichte, an der Betten-pro-Kopf-Statlstlk, an der Zahl der Krankenhäuser und an der Individuellen Symptom frethett gemessen. Da jedoch
In unterentwickelten Ländern eine ganz andere Medizin erforderUch Ist wie wir noch zeigen wollen -, sind alle fünf Kriterien höchst problematisch
für QuaUtätsbeurtellungen von Gesundheitswesen und praktizierter Medizin
In .Entwtcklungsländern".
Die traditionelle afrikanische Medizin Ist Im Unterschied zur .westnchen"
Medizin nicht so leicht zu definieren, gerade auch wenn man nicht In den
Fehler der exotischen Kontemplation verfallen will.
Im folgenden wollen wir versuchen, stückwerkartig die Gegensätzlichkeit
afrikanischer medlco-kultureller
Erscheinungsformen
anzudeuten.
Im
Herbst 1976 berichteten führende afrikanische Medizinprofessoren und Ärzte auf der WHO-Konferenz In Kampala (Uganda), daß die Landbevölkerung
noch zu 75 % ausschlleßUch auf die Fürsorge des Medizinmannes angewiesen Ist". Noch heute kommt In Tansania auf etwa IS-30 nachbarschaftUche
Hausgemeinschaften ein traditioneller Arzt" (mganga) und In bestimmten
Regionen, wie z. B. In Sukumaland (am Viktoria-See), organisieren sie sich
In geheimen Gesellschaften". Afrikaner suchen trotz "westllcher" MedlzlnInstttutlonen In der Regel einen traditionellen Arzt auf". Ein Hospital oder
ein Dispensary" wird erst als ultlma ratlo In Betracht gezogen". Etwa 20
Prozent der Stadtbevölkerung Dar es Salaams zieht einmal Im Jahr urn";
weil aus Irgendwelchen Gründen Nachbarn als verhext diagnostiziert wurden, was manchmal sogar ein Todesurteil oder den Voodoo-Tod" (SelbstverstrIckungstod) bedeuten kann. Insgesamt soll es etwa 700 voll arbeitende
traditionelle Ärzte In Dar es Salaam geben (schätzungsweise 35 000 bis
40 000 In Tansania), wobei eine Behandlung zwischen 0,60 DM und 1,20
DM bet leichteren und 3,- DM bis 50,- DM bet schwereren, besonders Geisteskrankheiten, kostet", Es Ist erstaunlich, daß traditionelle Ärzte über
ebenso umfangreiche therapeutische Möglichkeiten verfügen wie "westllehe" Ärzte (ausgenommen große chirurgische Eingriffe) Impfungen, Beschneldungen von Männern und Frauen, Abszeßeröffnungen, Uvulektomie", Zahnextraktionen, Tonslllektomle, Entbindungen oder Abtreibungen
gehören zu Ihrem Handwerk".
Auch epidemiologische Praktiken waren der traditionellen Medizin nicht
unbekannt. So bekämpfte Mkwawa, Häuptling der kriegerischen Hehe die
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Pestepidemie von 1886 folgendermaßen:
- Bewohner einer Gegend, in der die Pest ausgebrochen war, durften an anderen Orten nicht empfangen werden
- der Tod von Ratten sollte unverzüglich gemeldet werden (denn man hatte
gelernt, daß bei Funden von toten Ratten, die Hütten verlassen werden
mußten)
- erkrankte Menschen wurden in entlegene Gebiete isoliert".
Gerade für Europäer scheinen die traditionellen Vorstellungen von Therapie und Prävention von Krankheiten besonders schwer verständlich zu sein,
was sich auch in Begriffen wie "schwarze Magie" oder "Okkultismus" ausdrückt. Ebenso werden traditionelle Ärzte (mganga's) als "witch-doctors"
(witch, die Hexe, der Zauberer) oder "diviner" (Wahrsager) diffamiert. Es
gehörte zu den ersten Amtshandlungen deutscher Kolonialherren, bestimmte Praktiken der "traditionellen Ärzte" zu verbieten"; noch heute dürfen
traditionelle Ärzte z. B. in Rhodesien ihren Beruf nicht ausüben. Tatsächlich
gibt es einige traditionelle Therapien oder Tabus, die nach westlicher Krankheitslehre eher krankheitsverursachend
als therapeutisch nützlich" sind.
Etwa wenn in der Mwanza-Region Kindern unter 3 Jahren kein Fisch, oder
in einigen Gebieten der Kilimandjaro-Region wegen der Furcht vor Wurrnbefall Kindern kein Fleisch gegeben wird. Aber es ist durchaus noch zu klären, ob ntcht bestimmte Tabus durch den Kolonialismus erst tatsächlich
krankheitsverursachend wurden, weil sich die Lebensbedingungen so rapide
verschlechterten.
Es ist afrikanische Krankheitslehre, daß der Bruch bestimmter Stammesregeln, bzw. Tabus zu Krankheit führt, was übrigens gerade innerhalb der
westlichen Medizin als eine mögliche Krankheitsursache fast vergessen wurde. Andererseits soll die vom Individuum erlittene Krankheit selbst auf die
Art und Welse der Übertretung bestimmter Tabus hinweisen •.•. Wesentlich
ist, daß Krankheit nur beiläufig als eine Krankheit oder Krise des Individuums, sondern vor allem als Krise der Sozietät aufzufassen ist; ebenso erfolgt
die Lösung einer solchen Krise nur scheinbar durch einen einzelnen, der
dann als "Medizinmann" (der geheimes = umfassendes Wissen besitzt),
"Schamane" (wenn die Heilung einen ekstatischen Zustand erfordert) oder
"Zauberer" (der über magische Praktiken verfügt), bekannt ist, denn die
Wirksamkeit bedingt sich allein aus dem kollektiven Konsensus", d. h. der
kollektiven Anerkennung der Fähigkeiten dieses Arztes. Ist dieser kollektive
Konsensus nicht mehr vorhanden, so kann dies - wie zuweilen dann sensationell von der Presse aufgebauscht - bis zur Ermordung des Medizinmannes führen,
Abgesehen von ihrem eigentlichen Zweck, bedeutete "westliche" Medizin
einen völlig fremden Einbruch in das medico-kulturelle System der Afrikaner und mußte, um ihren Zweck (auf den wir noch kommen) erfüllen zu
können, In Konkurrenz zur afrikanischen Medizin treten und sie als "Scharlatanerie" bekämpfen. Der Einbruch der westlichen Zivilisation ging einher
mit einer ungeheuren Negierung der traditionellen Kultur, auch der traditionellen Medizin. Rücksichtslos wurden alte Rechte außer Kraft gesetzt, die
kapitalistische Ökonomie aufgestülpt, und bei Widerstand z. B. 75000 Afrikaner sowie die gesamte Führungsschicht eines Stammes ermordet (wie in
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Massakern am Ende des Majl-Majl-Aufstandes 1905/1906)-46.Man überging
die soziale Funktion der traditionellen Medizin, kümmerte sich wenig um
das grundsätzlich andere KrankheItsverhalten und -verständnls der afrikanischen Ackerbau- oder Nomadengesellschaften. Nur dort, wo Konflikte anstanden, wie etwa beim Umsiedeln der Bevölkerung Im Zuge einer Schlafkrankheitskampagne, wurde das Verständnis der afrikanischen Gemeinschaft wichtig".
Seit 1975 wird dagegen der Aufbau eines Forschungsinstituts für traditionelle Medizin an der Universität von Dar es Salaam geplant, um zu einer
Kooperation zwischen "westlicher" Medizin und traditionell-afrikanischer
Medizin zu gelangen". Es Ist das Verdienst der WHO und der Entwicklung
des Gesundheitswesens In der VR China, der afrikanischen Medizin In der
Auseinandersetzung mit der "westlichen" Medizin und Ihrer Effektivität,
zur Anerkennung verholfen zu haben.
Missionsmedizin und Kolonialmedizin:
"Westliche" Medizin im Dienste des Evangeliums und zur Erhaltung der
Arbeitskraft
"Westliche" Medizin wurde In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts
durch britische, amerikanische und deutsche Missionare und die deutschen
KolonialIsten kurz hintereinander nach Ostafrika Importiert. Bis 1890 wurden die ersten fünf Krankenhäuser gebaut". Allerdings unterschieden sich
die Interessen der Kirche erheblich von denen der Kolontalregterung, auch
wenn sie letztlich gleiche Auswirkungen hatten.
1884 wurde auf der Konferenz der medizinischen Missionen In London
der medizinische Dienst als ein wesentlicher Teil der MIssionsarbeit besummt". Auf dieser Konferenz wurde ein ärztlicher Missionar definiert als
ein "gesetzlich qualifizierter Mediziner, von Gott berufen und mit der doppelten Arbeit beauftragt, zu predigen und Kranke zu hellen"!'. Der Kirche
ging es In erster Linie nicht ums Heilen - dies war mehr oder weniger nur
ein Nebenprodukt -, sondern um den medizinischen Dienst als Mittel, mit
der Bevölkerung In Kontakt zu kommen". Dies drückte sich 1926 auf der
Konferenz ausländischer Missionen von Nordamerika auch darin aus, daß
protestantische Missionare stolz verkündeten, 30-7596 aller gewonnenen
"Seelen" seten aufgrund der kirchlichen medizinischen Aktivitäten beigetreten". Präventiv-Medizin war für die Kirche nicht von Interesse, weil sie keine unmittelbaren Ergebnisse zeigte. Die Verhinderung von Krankheiten Ist
nur Indirekt sichtbar, hingegen eine geheilte Krankheit ein offensichtlicher
Erfolg. Und so begünstigte das Hauptzlel, nämlich mit der Bevölkerung In
Kontakt zu kommen, die kurativen Dienste und die Betreuung chronisch
Kranker. So waren anfänglich Lepra-Asyle und später Mutter-und-Klnd-Kllnlken (Maternal and Child Health Clinics - MCHC), sowie psychiatrische
Einrichtungen" (z. B. Luttndl) die Gelegenheiten, aufopferungsvolle Versorgung der Kranken und Verkündigung des Evangeliums erfolgreich miteinander zu verbinden". Aus einem ähnlichen Grund bevorzugte die Kirche
ländliche Gebiete, da sich dort die Fluktuation der Menschen In Grenzen
hielt und dadurch zwischen Missionaren und Bevölkerung ein kontlnulerllARGUMENT .sONDERBAND
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cher Kontakt ermöglicht wurde. Hierbei trafen sich auch die Interessen von
Kirche und Staat, da für letzteren die Städte als ökonomische und administrative Zentren wesentlich wichtiger waren als die ländlichen Gebiete. Für
die Kolonlaladmlnlstratlon stellte die Kirche sozusagen einen Vorreiter der
"Zlvilisatlon" In Gebieten dar, die bislang noch keinen Kontakt mit der Kolonialmacht hatten. Daß es der Kirche In erster Linie um Christen und Christentum ging, zeigte sich auch daran, daß vor allem die katholische Kirche
In einigen Gebieten, wo sie es sich offensichtlich leisten konnte, NIcht-Christen den Zugang zu Krankenhäusern und Schulen verwehrte".
Die medizinische Qualifikation, die auf der Londoner Konferenz zumindest gefordert worden war, wurde entsprechend der kirchlichen Ideologie
dem Primat der Religion untergeordnet. So wurde die Mehrzahl der Patienten von Priestern und Schwestern versorgt, von denen keiner (!) eine pflegerische oder medizinische Ausbildung hatte". 1911 wurden 168835 Patienten
von 77 Priestern und 22 Ordensschwestern behandelt, die von keinem einzigen Arzt oder etwa einer Krankenschwester kontrolliert werden konnten".
Die "weiße Magie" bestand in der Wucht des Evangeliums und in den damals bereits existierenden schmerzstillenden Medikamenten. Natürlich hatte
die schlecht und recht praktizierte "westliche" Missionsmedizin auch stolze
Erfolge aufzuweisen: 1927 wurden '/2 Million Patienten durch Wlsmuttherapte von Frambösie und Syphllls gehetlt". Solche Erfolge trugen zur wachsenden Reputation der "westlichen" Medizin beI:
"Dle glücklichen Einzelnen, die an Ihren Leistenbrüchen, an Malaria oder an
Tbc gestorben wären, kommen von einem Krankenhaus gesund und froh zurück
Ins Dorf. Ihr Mund Ist voller Lob, Dank und Ergebung, den Ärzten und Schwestern der Medtzln des weißen Mannes gegenüber. Die wenigen Kranken, die die
Hilfe der neuen Medizin noch erreichen kann, sind die lebendigen Zeugen und
Dorfpropagandisten für diese Medizin. Jene unzähligen Kranken aber, die nicht
zum Krankenhaus gehen können, sei es weil sie zu krank sind, kein Geld für den
Bus, oder keine Verwandten haben, die sie dorthin tragen könnten, oder was Immer; diese Kranken, die man auch nicht statistisch erfassen kann, können weder
für noch gegen die neue Medizin sprechen. Irgendwo hinter dem nächsten Baum
liegen sie knapp einen Meter unter der Erde."""
Trotz der Erfolge der kurativen "westlichen" Medizin nahm der medizinische Dienst der Missionen in Form Intensivierten Krankenhausbaus erst
nach dem Zweiten Weltkrieg einen großen Aufschwung (Siehe Abb. 2). Dies
erklärt sich Im wesentlichen mit der sich jetzt herausbildenden Besonderheit
der Entwicklungshilfe der kapitalistischen Staaten, die hinsichtlich des Gesundheitswesens bevorzugt über kirchliche Organisationen abgewickelt wurde. Heute stellen die Missionen, die nach der Unabhängigkeit volunteer
agencies (freiwillige, bzw. gemeinnützige HilfsorganisatIonen) genannt wurden, fast 50 % der Betten und einen ebenso großen Anteil an der Gesamtheit
der tansanlschen Krankenhäuser' ' .
Im Unterschied zu den MIssionsärzten waren die ersten Ärzte der deutschen Kolonialregierung Militärärzten. Ihre Hauptaufgabe lag In erster Linie
In der mediztnlschen Versorgung der Europäer, In zweiter darin, die afrikanischen Arbeitskräfte In einem arbeitsfähigen Zustand zu erhalten, und zuletzt erst darin, die Ausbreitung "troplscher" Epidemien zu verhtnderrr".
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Die Kolontal-Krankenhäuser standen In den wenigen Städten, Im Unterschied zu den Missionen, denen die ländlichen Gebiete vorbehalten blieben.
Erst die britischen Kolonlaltsten richteten zur medizinischen Versorgung der
ländlichen Bevölkerung (ea, 94 % der Gesamtbevölkerung) auch staatliche
Dispensaries - Grundeinheiten der Präventivmedizin - ein, die einerseits
zwar als Ausdruck der .Fursorgepûtcht'' der Kolonialreglerungen Ideologischen RechtfertIgungscharakter hatten, andererseits aber ganz offensichtlich
vor allem ökonomisch und militärisch notwendig wurden: Aufgrund der gewaltigen Verluste durch Todesfälle Im Corps der Eingeborenen-Träger während der britischen Ost-Afrika-Kampagne Im Ersten Weltkrieg wurden 1917
die Truppen, die hauptsächlich aus Afrikanern bestanden, erstmalig vollständig durchuntersucht - die erste Reihenuntersuchung In der ostafrikanischen Bevölkerung überhaupt!"
Abb. 2: Entwicklung der Zahl der Krankenhäuser
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Quelle: T. W. J. Schulpen, a.a.O., S. 45.
Bel späteren Rekrutlerungen waren nur 50 % der Bewerber physisch so gesund, daß sie eingezogen werden konnten", Die Auswirkungen dieses mangelhaften Gesundheitszustands auf die Produktivität sind leicht vorstellbar.
Malaria wurde In diesem Zusammenhang zu Ende der 20er Jahre von englischen Kolonial-Ärzten zunehmend als .soztale Krankheit" betrachtet" und
durch GesundheItserziehungskampagnen
und umwelthygienische Maßnahmen angegangen. Ihre Entstehung verdanken die Dispensaries - wie auch
die ökologisch orientierten präventtvmedtzlntschen Programme - v. a. den
ökonomischen Interessen der britischen Kolonialpolitik: der zunehmenden
Ausbeutung landwirtschaftlicher Exportkulturen wie Kaffee, Baumwolle, SIsal, die die Aufbesserung der gesundheitlichen Lage der Produzenten erforderlich machte.
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Unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe praktizierten Mtsslons- und
Kolonlalmedlztn, mit Ihren unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten Land,
bzw. Stadt - so gut sie eben konnten - kurative .westltche" Medizin zur
Wiederherstellung der Ware Arbeitskraft, bzw. zur Gewinnung von Seelen
für die Kirche. Ideologisch verschleiert wurden diese Ziele durch die Rechtfertigung, den "Kulturlosen", .Prtmlttven" und "Unzlvillslerten" Erziehung, Bildung und Gesundheit zu bringen, wobei traditionelle Erziehung,
Bildung, Produkuonsmethoden,
sowie die Kenntnisse der traditionellen
Heilkunde nach und nach Im Rahmen der .Entwtcklung" zerstört wurden.
Die Gesundheit der Afrikaner - Spiegelbild der wirtschaftlichen Ausbeutung
Auch wenn es für die folgenden Ausführungen noch relativ wenige Quellen gibt, so läßt sich mit einiger Sicherheit vermuten, daß sich das Krankheitsspektrum Im Verlauf der Kolonlaltsterung zu verändern begann. Die
Vorstellung, die afrikanischen Existenzbedingungen selen von jeher so
schlecht gewesen wie In den letzten 100 Jahren, resultiert aus der langwährenden Mystifikation der realen Zustände: Die erzwungene monokulturelle
Ausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion, die Einführung der sogenannten "Kopfsteuer", durch die die Menschen zur Vermarktung Ihrer Arbeitskraft gezwungen wurden, und die aus der so entstehenden Wanderarbelt resultierende soziale Desorganisation, verschlechterten die Extstenzbedingungen In der Epoche des Kolonialismus. Hierdurch wurde "das Welterbestehen der alten endemischen Krankheiten wenigstens (begünstigt),
wenn ... nicht gar deren Verbreitung und Auswirkungen (vergrößert);
... so kann man doch nicht leugnen, daß die direkten Auswirkungen des
Kolonialismus (Unterernährung, Fehldtät, körperliche Erschöpfung) und seine Indirekten Folgen (Verbreitung und Verschlimmerung gewisser Endemien, Elnschleppung neuer Krankheiten) einen negativen Einfluß auf den
allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung hatten':". Da durch die
Wanderarbeit gerade die kräftigsten Männer die Dorfgemeinschaften und
die Familien verließen (1943 Im Songea Distrikt: 23 %, 1953: 33 % der Männer)", blieben vor allem Alte, Kinder und Frauen zur Feldbestellung In den
ländlichen Gebieten. Neben der resultierenden sozialen Desorganisation hatte dieser Umstand auch ökonomische Folgen, Indem die landwirtschaftlichen Erträge absanken, was wiederum die Entstehung und Ausbreitung von
Fehl- und Mangelernährungskrankhetten
begünstigte. Die negativen AusWirkungen auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung wurden In den Gebieten beobachtet, die das Reservoir der Wanderarbeiter darstellten. So Ist
der einzige Grund für die fortschreitende Verelendung, "daß die schöne koloniale Landwirtschaft sich wie ein Krebsgeschwür mitten Im Land eingerichtet hat und alles zerfrtßt":".
Die tansanlsche Bevölkerung leidet unter den gleichen Krankheiten wie
die Bevölkerung der anderen afrikanischen Länder. Infektionskrankheiten,
Fehl- bzw. Mangelernährung und SchwangerschaftskomplIkatIonen stellen
die häufigsten Erkrankungen und auch Todesursachen dar". Allein die InARGUMENT-SONDERBAND
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fektlonskrankhelten wie Amöblasts, Malaria, Rückfallfieber, Syphilis, Gonorrhoe, Schistosomiasis, Ankylostomiasis und Skabies machen ein Drittel
der gesamten Hospital-Morbidität wie Mortalität aus". Sie alle wurden bezeichnenderweise unter dem Begriff "Tropenkrankhelten" zusammengefaßt,
so als ob die Ursache der Erkrankungen am Klima läge. Nur bei ganz wenigen ließe sich behaupten, der bestimmende Auslöser seien die Tropen - Im
wesentlichen sind Armut und deren Folgen: Fehl- und Unterernährung die
Ursachen der häufigsten Erkrankungen! Krankheiten des respiratorischen
Systems (Pneumonie, Bronchitis, Asthma, Mandelentzündung und Katarrh)
machen ca. 2096 der Mortalität und 10 96der Morbidität aus, während Mangel-, bzw. Fehlernährung und Anämten schätzungsweise 10 96aller Todesursachen und einen hohen Prozentsatz aller Krankenhauseinweisungen darstellen". An vierter Stelle der Todesursachen sowie der Erkrankungen stehen die Krankheiten des Verdauungstrakts mit ea. 10 9673•
Meist treffen diese Krankheiten auf einen durch Mangelernährung. Anämten, u. a. m. schwachen oder vorgeschädigten Organismus. Insgesamt
verursachen die o. g. vier ArmenkrankheIten 75 96 aller Tode Im Krankenhaus". Herz-Krelslauferkrankungen, wie sie In Industrieländern dominieren,
spielen In Tansania nur eine sehr unbedeutende Rolle (ea, 496)15.
Besonders hoch Ist die Kindersterblichkeit: Von drei Neugeborenen stirbt
Im Durchschnitt eines vor Erreichen des Alters von 5 Jahren", 5000 Kinder
sterben pro Jahr allein an Masern" (während hierzulande kaum ein Kind
daran stirbt), wobei fehlernährte Kinder eine 400fach höhere Mortalität an
Masern haben als wohlernährte". Zusätzlich existiert eine hohe Prävalenz
an Lepra und Tuberkulose (die WHO schätzte die totale Prävalenz auf
100000 bis 120000 Fälle"), wobei von den ca. 30000 jedes Jahr neu auftretenden Tbc-Fällen nur ein Drittel diagnostiziert und '/. adäquat behandelt
werden kann". Gerade die Tbc zählt übrigens zu jenen Krankheiten, die In
der vorkolonialen Epoche Tansanias völlig unbekannt waren, und wurde
wahrscheinlich aus dem Nahen Osten eingeschleppt". Noch heute kommt
es In manchen Regtenal-Krankenhäusern vor, daß Tbc aus Geldgründen mit
nur einem Medikament - Streptomycin In der Regel - behandelt wird, wodurch günstige Voraussetzungen für Resistenzentwicklungen geradezu geschaffen werden.
Es Ist In der vorgegebenen Kürze nicht möglich, die Komplexität des
Krankheitsspektrums der tansanlschen Bevölkerung darzustellen. Es sei
auch nicht vergessen, daß nur die Krankheiten erfaßt werden, die dem
"westllch" geschulten Medizinerauge überhaupt auffallen. Trotzdem wollen
wir anhand dieser Beispiele verdeutlichen, daß Tansanias Krankheiten andere Vorgehenswelsen erfordern, als es die lndlvtduumzentrterte, kurative und
symptom-behandlungsorlentterte
.westltche'' Medizin ermöglicht. Die am
häufigsten vorkommenden Krankheiten In Tansania zeigen sehr deutlich,
daß ihre Bewältigung In erster LInie kein medizinisches, sondern ein politisches Problem darstellt, da an Ihrer Entstehung neben der Tatsache einer Infektion die EInkommensverhältnisse, Wohnverhältnisse, Trtnkwasserversorgung, Bildungsgrad und die Möglichkeit überhaupt Zugang zu medizinischen und sozialen Dienstleistungen zu haben, maßgeblich beteiligt stnd".
Da diese Krankheiten durch entsprechende Maßnahmen leicht vermeidbar
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wären, kommt der Präventivmedizin für die Gesundheit der Masse der Bevölkerung In den unterentwickelten Ländern eine besonders große Bedeutung zu.
In den Industrieländern wird heutzutage allerdings etwas ganz anderes
unter dem Begriff Prävention und Präventivmedizin verstanden als "Verhinderung" von Krankheiten; es geht vor allem um kostenaufwendige Früherkennung - Pränotatlon an Stelle von Prävennorr" - wobei bekannt wurde,
daß diese Früherkennung nicht unbedingt zur Lebensverlängerung beiträgt.
In Tansania sind beispielsweise zur Bekämpfung von Hakenwürmern die jeweilig notwendigen Chemikalien nur zweitrangig. Viel wichtiger Ist der ausreichende Bau von Latrinen, die Gesundheitsaufklärung und -erziehung zu
deren Benutzung und das Tragen von Schuhwerk, das ein Eindringen von
Hakenwürmern durch die Fußsohlen verhindern soll.
Da die gesundheitliche Lage der tansanlschen Bevölkerung vor allem
durch einen sehr niedrigen allgemeinen Ernährungsstandard und durch die
Tatsache gekennzeichnet Ist, daß weniger als 10 % der Bevölkerung einen
adäquaten Zugang zu sauberem Wasser haben", spielen nicht-medizinische
Präventivmaßnahmen eine viel größere Rolle bet der Verbesserung des Gesundheltsstandes als rein kurativ-medizinische. Dies konnte auch von
Scrlmshaw et al. nachgewiesen werden, die zwischen 1959 und 1964 In drei
Dörfern Guatemalas folgende Studie durchführten: Im ersten Dorf wurden
allen Kindern im Vorschul alter Lebensmittel zugeteilt. Im zweiten wurde
eine Gesundheitsversorgung mit einer Klinik, verbesserter Wasserversorgung, Impfungen, Überwachung menschlicher Kot-Beseitigung und Gesundheltserziehung aufgebaut": Ein drittes Dorf diente der Kontrolle und
blieb ohne Maßnahme. Auch wenn die Ergebnisse dieser Studie wegen der
relativ kleinen Population und mehrerer unvermeidlicher Fehler nur mit
Vorsicht Interpretiert werden dürfen, so bestätigen sie, daß der LebensmIttelversorgung der Kinder im Vorschulalter die wesentliche gesundheItssIchernde Wirkung zukommt. Obwohl nur Vorschulkinder versorgt worden
waren, war das Ernährungsprogramm hinsichtlich der Senkung der Mortalität ebenso erfolgreich wie die aufwendige und sehr teure medizinische Versorgung. Gleichzeitig erkrankten mit der verbesserten Ernährung weniger
Kinder, wohingegen das medizinische Programm bet der Reduzierung des
Neuauftretens von Krankheiten versagte.
Tansania's Gesundheitswesen
medizinischer Versorgung
- Perspektiven
eines alternativen
Ansatzes
Bis zur Unabhänglgkett Tansanias 1961 hatten die Kolonlallsten ein Gesundheltssystem aufgebaut, das zwar über 7000 Betten verfügte, von denen
aber mehr als Hälfte ohne ärztliche Betreuung blieben". Von 47 Hospitälern
der Kolonialregierung existieren allein zwei In der Hauptstadt, während es In
einigen Distrikten überhaupt keine Krankenhäuser gab; mehr als ein Viertel
des medizinischen Personals, ein Fünftel des gesamten Gesundheitsbudgets
und ein Sechstel aller Betten (der Regterungshospttäler) wurden von Dar es
Salaam aufgesogen - und das bei einer Landesgröße, die das Vier- bis Fünffache der BRD beträgt.
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Im Unterschied zu den portugiesischen Kolonien, in denen in der 500jährtgen Kolonialzeit wie z. B. in Mocambique kein einziger Arzt ausgebildet
wurde", besaßen sowohl Zentral-Regierung als auch Regional-Verwaltung
nicht nur ihr eigenes Gesundheltssystem, sondern auch ihre eigenen Ausbildungstnstttutlonen. Während in den Regierungshospitälern "medical assistants" und Ärzte ausgebildet werden, engagierten sich die Missionsschulen
in der Ausbildung der "rural medical aides", dies sind ländliche Gesundheitsarbeiter mit kurzer, pragmatisch orientierter Anlernzeit; die medical assistants haben dagegen eine theoretisch und praktisch umfassendere Ausbildung von 3 Jahren.
Die Zahl der Einwohner pro Arzt ist bekanntlich ein Qualitätskriterium
für den Stand der "westlichen" Medizin. Tansania verfügte 1961 nur über 17
einheimische Ärzte" (von insgesamt 549)·9. Die Vermutung liegt nahe, daß
die Ausbildung eher Alibifunktion für einen "guten" Kolonialismus besaß,
als medizinische Übel wirksam zu bekämpfen half. Folgendes Zahlenbeispiel
möge jedoch verdeutlichen, wie wenig der "Import" von Ärzten aus dem
Ausland oder die Ausbildung an der Makerere-Untversität in Kampala
(Uganda), die übrigens bis Anfang der 60er Jahre für die Ausbildung von
Kenia, Uganda und Tansania allein zuständig war, das Einwohner-pro-ArztVerhältnis in irgendeiner Form beeinflußte.
Tab. 2: Einwohner pro Arzt
1957
19000
1962
1966
1971
1972
1975
(1980)
20000
17300
27940
21450
22000
20000
Quelle: Bichmann, a.a.O.90
Es ist bekannt, daß die Ausbildung eines Arztes im Vergleich mit der
Ausbildung eines Rural Medical Aide bzw. eines Medical Assistant 25- bzw.
16 mal teurer ist. Dies war auch eine der Hauptursachen, warum diese Berufsgruppen während der Kolonialzeit zur Deckung des Personalmangels
eingeführt wurden. Doch der "Makel", nur "second-class-doctor" zu sein,
führte nach der Unabhängigkeit dazu, daß die entsprechenden Ausbildungsgänge wenig Beachtung fanden, wenngleich man sie in Tansania auch nicht
abschaffte. Es wurde zunächst die Ausbildung voll qualifizierter Ärzte als
vordringlich angesehen. Bald jedoch wurde deutlich, daß diese Tendenz bei
der Beschränktheit der zur Verfügung stehenden Budgets ökonomischen
Überlegungen nicht standzuhalten vermochte. Zur Sicherstellung einer akzeptablen Basisversorgung aller Einwohner trat die Notwendigkeit in den
Vordergrund, viele hinreichend ausgebildete Gesundheitsarbeiter anstelle
weniger hochqualtftzferter Ärzte, deren Tätigkeit sich in der Hebung des Gesundheitszustandes der gesamten Bevölkerung nicht niederschlägt, zur Verfügung zu haben. Hinzu kam, daß die Anforderungen der Basisgesundheitsversorgung in ländlichen Gebieten ganz andere Ausbildungsinhalteund
Kenntnisse voraussetzen, als sie im medizinischen Universitätsstudium vermittelt werden.
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Um diesen Erfordernissen unter dem Aspekt egalitärer - nicht etwa
schlechterer - Versorgung gerecht werden zu können, gefreite sich Tansania
seit 1971 von der die Ärzteherrschaft sichernden Borniertheit, gute GesundheItsversorgung sei nur durch voll qualifizierte Ärzte letstbar, und legte verstärktes Gewicht auf die Ausbildung anderer Kategorien von Gesundheitsarbeitern: Rural Medical Aides (RMA), Medical Assistants (MA) und Assistant Medical Officers (AMO), die spezielle medizinische und organisatorische Kenntnisse für die Anforderungen der Arbeit In den Dispensaries und
Rural Health Centers vermittelt bekamen. Hierdurch wurde eine qualitative
Breitenwirkung der medizinischen Versorgung ländlicher Gebiete erzielt, die
mit dem kolonialen Modell der GesundheItsversorgung durch Ärzte nicht
möglich gewesen wäre. Die Ausbildungsgänge sollen hier nicht weiter erläutert werden"; besondere Hervorhebung verdient jedoch die Tatsache, daß es
In Tansania jedem Gesundhettsarbetter, gleich welcher bisherigen Qualifikation, möglich Ist, sich über ein Stufenprogramm bestimmter Prüfungen bis
zum Arzt ausbilden lassen zu können. Ein Abitur Ist jedenfalls nicht erforderlich, sondern ausschließlich die medizinische Qualifizierung. Für 1980
wurde ein Verhältnis von Arzt: MAI AMO : RMA wie 1: 2: 4 anvisiert
(1961 betrug dieses Verhältnis noch 1 : 0,5: 1).
Neben dieser Neueinführung anderer Kategorien von Gesundheitsarbeitern, die auf jeden Fall nicht zweitklassige Hllfsärzte sind, beteiligte sich
Tansania auch In anderen Bereichen des Gesundheitswesens an richtungsweisenden Experimenten. Voraussetzung hierfür war eine konsequente Zielplanung Im Gesundheitswesen. Zwar konnten - wie wir noch zeigen werden
- aufgrund struktureller Zwänge und Abhängigkeiten nicht alle PIanziele erreicht werden. Durch die konsequente Anwendung der Planung wurde jedoch eine wichtige Voraussetzung für eine langfristige Änderung Im Bereich
der Gesundheitsversorgung geschaffen. Ein Resultat dieser Bemühungen Ist
die koordinierte EInbeziehung der MIssionsmedizin In die nationale Gesundheitsplanung. Mit Unterstützung fortschrittlicher Kräfte Innerhalb der Kirchen wird angestrebt, daß nicht mehr - wie In der Vergangenheit - Bekehrung, sondern Gesundheitsversorgung der Bevölkerung Hauptaufgabe der
MIssionsmedIzIn Ist und die Planungs- und Überwachungsfunktionen In
den Händen des Staates bleiben".
Die verstärkte Aufmerksamkeit, die heute mit Förderung der tansanlsehen Regierung und der WHO gerade der traditionellen afrikanischen Medizin zuteil wird, um sie langfristig In die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung offiziell zu Integrieren, gehört zu den richtungsweisenden Experimenten der tansanlschen GesundheItspolitIk.
Man muß auch anerkennen, daß die Basisversorgung der Bevölkerung In
Tansania wesentlich besser Ist als In dem relativ reichen Nachbarland Kenya, und auch besser als In vielen anderen afrikanischen Staaten.
Das trojanische Pferd "westliche"
Medizin heute
Das Erbe der Kolonlalisten bestand In einem völlig fehlentwickelten und
falsch orientierten Gesundbettssystem. mit vier Arten der Gesundheitsversorgung:
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"I. das staatliche GesundheItssystem, hierarchisch ... (auf allen Ebenen, d. V.)
organisiert, wobei die Hauptmasse der Gelder als auch des personellen und materiellen Möglichkeiten In die kurative Krankenhausmedizin Investiert wurden, lokalisiert In der Hauptstadt, bzw. den größeren Produktions- und Handelsstädten.
2. das GesundheItssystem der freiwilligen HilfsorganisatIonen (volunteer agencies), die meisten von Ihnen MIssionen, die eine medizinische Versorgung In Dispensaries und Hospitälern anboten, wieder mit einer größeren Betonung der kurativen Medizin oft In abgelegenen ländlichen Distrikten, ohne Koordination mit jedem anderen oder mit der Regierung, obwohl sie z. T. von Regierungsgeldern unterstützt wurden.
3. ein arbettsmedtzlntsches System. Von einigen Sisal-Farmern, Minen-Besitzern oder Fabrikanten wurden Ärzte und Dispensaries für Erste-Hilfe-Notfälle
eingestellt, die auch frische Rekruten medizinisch auf Ihre Eignung überprüfen
sollten, und
4. der privat medizinische Sektor, besonders konzentriert In den Städten und
nur einer bestimmten afrikanischen Bevölkerungsfraktlon (der Klein-Bourgeoisie)
zugänglich. ".3
Diese Strukturen blieben nach der Unabhängigkeit völlig unverändert. So
kam es, daß selbst Anfang der 70er Jahre die Hauptstadt (350000 E.) noch
ca. 90 Tsh (= 30,- DM), Tanga Distrikt mit der zweitgrößten Stadt (70000
E.) 35 Tsh (ca. 12,- DM), Arusha- und Mwanza-Dlstrlkt (mit Städten kleiner aes 35000 E.) nur mehr 26 Tsh. (ea. 9,- DM) und 22 Tsh. (ea. 7,- DM)
pro Kopf und Gesundheit ausgeben konnten" und In einigen Gebieten die
Ausgaben bis auf nur 2 Tsh. (ca. 0,60 DM) sanken", womit aller Voraussicht nach gerade noch die Kosten für ein Trostpflaster beglichen werden
konnten.
Ein wahres Danaer-Geschenk stellen die zwei großen Krankenhäuser
(Consultant-Hospitals) im Norden Tansania's dar, die zu allem Überfluß
auch noch recht nahe beisammen liegen: Bugando Hili in Mwanza und das
Kilimandjaro Chrtstlan Medical Center (KCMC) in Mosht, Sie wurden von
der evangelischen bzw. katholischen Kirche in bekanntem Konkurrenzstil
mit Unterstützung durch die westdeutsche bzw. niederländische Regierung
finanziert und entsprechen in Ausstattung und Organisation einem westeuropäischen Klinikum. Insgesamt versorgen das Muhlrnbllt-Hospltal, das seit
1971 selbständige Universität ist, Bugando Hill und KCMC (sogar mit einem fliegenden Arzt-Service ausgestattet) nicht mehr als H % der Bevölkerung, noch dazu ausschließlich die städtische. Nachdem beide Krankenhäuser mit ea. 35-40 Millionen DM von der BRD und Holland finanziert wurden, hat Tansania jetzt für die laufenden Kosten dieser Hospitäler aufzukommen, die mehr als 50 %•• - manche schätzen sogar 70 %97 - des gesamten Haushalts für Gesundheit verschlingen.
Dies und die medizinische Überentwicklung der Städte hatte zur Folge,
daß die Planzlele, z. B. der Aufbau von ländlichen Gesundheitszentren (rural health centers, RHC) - zwar als wichtigstes Ziel in jedem Fünfjahresplan
proklamiert - aus Geldmangel nicht verwirklicht werden konnten. Von den
geplanten 80 RHCs des 1. Fünfjahresplanes wurden nach 5 Jahren nur fünf
vollendet, während sich 20 noch im Bau befanden". Nach 2 Jahren des
2. Fünfjahresplanes (69/70-74/75) waren von 20 geplanten RHCs nur sieben
fertiggestellt worden".
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Wolfgang Bichmann, Robert Hartog und Ulrich Schulz
Wie an Tabelle 3 Uber die laufenden Ausgaben für Gesundheit (in MUI.
Tsh.) ersichtlich ist, kommt es zusätzlich zur Ressourcenfehlverteilung zugunsten der kurativen Medizin auch noch zu Verschiebungen während der
laufenden Haushalte auf Kosten der finanziellen Mittel für Präventtv-Medizln. Positiv ist der besondere Anstieg für Ausbildungskosten, der dem nichtärztlichen medizinischen Personal zugute kommt. Dennoch ist trotz der einschneidenden Veränderungen im Gesundheitsministerium
1971 und 1972
der Anteil des kurativen Sektors im Haushaltsplan 75/76 überproportional
groß, wobei anzunehmen ist, daß hier der folgenschwere Circulus vtttosus
der Kurativmedizin mit der steten technischen Wartung und Erneuerung errichteter Krankenhäuser seinen Preis fordert'".
Tab. 3: Laufende Ausgaben für Gesundheit (in Mill. Tsh.)
Ausgaben für
1975/76
1970/71
verabschiedet
Administr./ Allgemein
Kurative Versorgung
Präventive Med.
RHCs
Med. Training
4,0
93,4
9,9
7,4
4,8
tatsächl,
5,0
111,8
6,8
5,9
3,2
verabschiedet
tatsächl.
2,4 (2967
91,5 (72 967
6,0 (5 96)
......
1
22,3 (1796)
Quellen: Segall,a.a.O., S. 1611Rededes Gesundheltsmlnlsters,Juni 1975,S.6.
Staaten mit einer radikaieren Gesundheltspolitlk wie Vietnam, Kuba oder
die VR China bewirkten innerhalb weniger Jahre eine Veränderung der medizinischen Versorgung im Sinne besserer Versorgung der Landbevölkerung.
Beispielsweise bildete die Demokratische Republik Vietnam bis 1964 innerhalb von 10 Jahren 35000 Gesundheitsarbeiter aus (Bevölkerungszahl: 18-19
Millionen). Tansania besaß nach der gleichen Zeitspanne nach seiner Unabhängigkeit nur 323 Gesundheitsarbeiter (Bevölkerungszahl: 12-13 Mllllorien)'?'. Über Massenkampagnen wurde in der VR China z: B. erreicht, daß
1974 etwa '/3 des bisherigen Verbreitungsgebiets frei von Neuerkrankungen
an Bilharziose (Schistosomiasis) war, der Rest unter fester Kontrolle ist'·2. In
Tansania ist dies noch nicht gelungen. Zum Teil läßt sich dies damit erklären, daß die Orientierung und Erziehung an "westlichen" medizinischen
Standards, die es einzuholen gelte, noch nicht aufgehoben ist. Der tansantsehe Gesundheitsminister sah sich daher 1975 veraniaßt, folgende, unter
den Gesundheitsarbeitern verbreitete Ansicht öffentlich als falsch anzuprangern und zu kritisieren:
"WIr stimmen mit der GesundheltspollUkdes Ministeriumsüberetn, besonderes Gewicht auf die medizinischeBasisversorgungzu legen, aber wir benötigen
alle technischen Möglichkeiten,einschließlichderjenigen,womit OrgantranspiantaUonendurchführbar werden."'.3
Die Ausbildung wurde bisher im wesentlichen von Ausländern getragen,
die ihre "westlichen" Curricula durchsetzten. Die BRD trägt augenblicklich
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In besonders schwerwiegender Welse dazu bet, der "westlichen" Medizin
zum Durchbruch zu verhelfen. Tansania zählt zu einem Schwerpunktland
bundesdeutscher Entwtcklungshtlfe'?' und Im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern arbeiten In Tansania ausgesprochen viele deutsche Entwicklungshelfer (lOO). Das Land Hessen schenkte 1973 dem MuhlmblllHospital eine Intenslv-Pflege-Statton '.5, die nach Auskunft eines dort tätigen deutschen Arztes Im Sommer 1976 glücklicherweise noch unausgepackt
In den Kellern ruhte. Die BRD hat gegenüber Tansania Zusagen gemacht,
alle Regional-Krankenhäuser mit Labors und dazugehörigen Werkstätten
auszustatteu'". Mit schweizer und deutscher Entwicklungshilfe wurde für
11 Mill. Tsh. (ea, 3,6 Mill. DM) das Pathologische Zentrallabor verwirklicht
und ausgerüstet'". Von den Japanern wurden wiederum Elektronenmikroskope verschenkt. Mit dem Blick "westlicher" und klinischer Medizin mögen
solche Geschenke In Ihrer Tragweite gar nicht auffallen. Aus Tansanias Perspektive sind dies alles Geschenke, die auf raffinierte Welse die Abhängigkeit von der technischen und sündteuren "westlichen" Medtzln verstärken
und verewigen.
Die Bedürfnisse der Bevölkerung liegen In der Aufhebung von Fehl- und
Mangelernährung. in der Senkung der Kindersterblichkeit, in der Möglichkeit, genügend Arbeit zu finden und arbeltsfählg genug zu sein, sich selbst,
die Familie und den Staat "self-reliant" unterstützen zu können. Sie liegen
auch In einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, die allen tansanlschen
Bauern und Arbeitern gleiche ZugangsmöglichkeIten zu Gesundheitseinrichtungen erlaubt.
Eine Orientierung an westlichen technischen Errungenschaften und medizinischen Standards entspricht dem fatalen Fortwirken evolutionistischer
Konzeptionen des 19. Jahrhunderts, wonach den unterentwickelten Ländern
"technisch" nur "geholfen" werden müsse, um sie auf die Stufe der "entwickelten" Länder zu heben. Alle ökonomischen Daten sprechen gegen diese Entwtcklungsrnögllchkett und dies Ist auch eine politische Chance. Technische Hilfe und "westliche" Medizin In Tablettenform wie als Krankenhauspalast verhindern In solchen Ländern eine Entwicklung aus eigener
Kraft und laufen den erklärten Zielen des sozialistischen Aufbaus zuwider.
"Westliche" Medizin dient zusätzlich den Europäern als Ideologische Verschleierung der ökonomischen Ausbeutung; man macht hierzulande glauben, man würde helfen, und bekommt dafür ein Lächeln auf den neuesten
Plakaten von "Brot für die Weit".
Es Ist eine Aufgabe der europäischen Linken, In Solidarität mit den Befrelungsbestrebungen dieser Länder gegenüber dem Neo- und Kolonialismus, Zusammenhänge zu analysieren und die vergleichsweise guten Möglichkeiten für wissenschaftliche Arbeit zu nutzen, um vor der Gefährltchkelt
trojanischer Pferde - und seien sie noch so harmlos aussehend wie zum Beispiel die "westliche" Medizin - zu warnen. Das Knacken trojanischer Pferde
bleibt Aufgabe der Länder der Dritten Welt. Bekanntlich diente das trojanische Pferd den Danaern zur Eroberung Trojas. Segall fragt zu Recht: "Weiche Interessen hat die westdeutsche und schweizerische Regierung? Warum
erhöht das britische Ministerium für überseeische Entwicklung die Gehälter
für britische Ärzte, ebenso der V.S. Mllbank Fund für amerikanische und
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Wolfgang Bichmann, Robert Hartog und Ulrich Schulz
andere? Warum hat die Rockefeller Foundation so ein starkes Interesse am
Gesundheitswesen In Entwicklungsländern?"!"
Anmerkungen
I Matomora, Matomora: Die tansanlsche GesundheItspolItik und die politische
Grundlage der medizinischen Versorgung, In: "Medizinische Versorgung In der Dritten
Welt und Ausländerstudium in der Bundesrepubltk". ew-Entwlcklungsländer, Vol. 15,
Nr. 1-2, 1976 (Hrsg. World Unlverstty Service, Bonn) S. 31.
2 Selbst so altbewährte Mittel wie Aspirin sind nicht ungefährlich. "So wurde vor
kurzem der Verdacht geäußert, daß Aspirin in seinem Metabolismus das hochtoxische
und krebserzeugende NItrosamin bilden kann." Friedrtch, Volker - Hehn, Adam - Rosenbrock, Rolf: Neunmal teurer als Gold, Die Arzneimittelversorgung In der Bundesrepublik, Hamburg, 1977, S. 240.
3 Übersetzung der Studie von M. Muller: "The Baby Killer" (War on Want, 467
Caledonian Road, London N7 9BE). Die Arbeitsgruppe Dritte Welt Bern ist eine Untergruppe der .Schwetzer ArbeItsgruppen für Entwicklungspolitik" (Safep) und veröffentlichte die Dokumentation: Exportinteressen gegen Muttermilch, Der tödliche Fortschritt durch Babynahrung. Hamburg, November 1976.
4 ,,66 % aller Haushalte In der Hauptstadt Malawls haben Uberhaupt keine WaschgelegenheIt, 60 % haben keine gedeckte Küche", aus Exportinteressen ... , a.a.O.,
S.22 ..
5 Plank and Mllanesl, "Infant Feeding and Infant Mortality In rural Chile"
Bull. Wld. Hlth. arg. 48 (1973) 203.
6 Exportinteressen, a.a.O., S. lOI.
7 Nach einer persönlichen MItteilung von G. J. Ebrahlm im Juli 1976. Der tansantsehe GesundheItshaushalt betrug 196997 Mill. Tsh. (entspricht ea. 32 Mill. DM).
8 Exportinteressen ... , a.a.O,; S. 23 "Es Ist schwierig, genaue Angaben Ober Gehälter und Kosten der Nahrung zu erhalten. Hier sind sie zum Vergleich In US-Dollars angeführt. Dabei wird vorausgesetzt, daß die künstlich verarbeitete Vollmilch den täglichen Nahrungsbedarf eines Kleinkindes deckt."
9 SUddeutsche Zeitung, 20.10.76, Entwicklungsländer als .Versuchskantnchen".
Vgl. a. The Haslemere Group (ed.): Who Needs the Drug Companies, (467 Caledonian
Road, London N7), 1976, p. 16.
10 Paulsen, A.: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Band I: Grundlegung, Wirtschaftskreislauf, Berlin 1968, S. 49 f. Wenn wir Im folgenden die Steigerung des Bruttosozialprodukts als ersten Indikator für Wachstum oder gar Fortschritt benutzen, sind
wir uns bewußt darüber, daß dabei völlig aus der Betrachtung herausfällt, was da
wächst und wohin fortgeschrttten wird. leider ist zur Zelt kein besserer Indikator zur
Hand.
Il Information Dritte Welt, Wirtschaftswunder durch Multis? Prlvattnvestltlonen
In der Dritten Welt 35/Dezember 1976, Informationszentrum Dritte Welt Weißenburgerstr. 23, 4600 Dortmund I, S. 5.
12 Blchmann, W.: Die Problematik der GesundheItsplanung In Entwicklungsländern. Ein Beitrag zur Geschichte, der Situation und den Perspektiven der Planung des
nationalen Gesundheitswesens In den "Least developed Countries" Afrikas. Med.
Dlss., Heidelberg 1977, S. 92.
13 Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung (Zweiter Bericht), Entwicklungspolitische Konzeption der BundesrepublIk Deutschland (Neufassung 1975),
Bonn, November 1975, S. 7.
14 Senghaas, D.: Strukturelle Abhängigkeit und Unterentwicklung. Einige etnführende Überlegungen, In Ttbt, B. und Brandes, V. (eds): Handbuch 2, Unterentwtcklung,
Frankfurt/Main 1975, S. 121.
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15 Die UN-Vollversammlung stellte 1971 die Liste der 25 LLDC auf, die am
12. 12. 75 auf 28 Länder erweitert wurde. Kriterien für die Zuordnung zu dieser Gruppe
sind: I) ein Brutto-Inland-Produkt (BIP) von weniger als 100 US $ pro Kopf, 2) ein
BIP-Anteil der industriellen Produktion unter 10 % und 3) eine Alphabettslerungsquote
von weniger als 20 % der Bevölkerung über 15 Jahren.
16 Navarro, V.: The Underdevelopment of Health or the Health of Underdevelopment: An Analysis of the Distribution of Human Health Resources in Latin America,
Intern. Journal of Health Services, Vol. 4, Number I, 1974,5-27. Für diesen Artikel bekam Navarro 1974 den John Kosa Memorial Prize.
17 Entwicklungspolitik, Materialien Nr. 53, Bonn Juni 1976, S. 130.
18 Seidman, A.: The inherited dual economies of East Africa, in: Socialism in Tanzania, Vol. I Pollttcs, ed. by Cliffe, L. und Saul, S. J., Oar es Salaam 1972, S. 41.
19 Begriff der Ökonomie für die internationalen Austauschverhältnisse für Waren
und Dienstleistungen.
20 Nyerere bei seinem Besuch in Bonn am 4. 5. 1976, zlt. nach Entwlcklungspclltlk,
Materialien Nr. 55, Bonn July 1976, S. 118.
21 Babu, A. M. (ehemaliger Minister in Tansania) in: Rodney, W., Afrika: Die Geschichte einer Unterentwlcklùng, Berlin 1975, S. 233.
22 Wlzara ya Afya, Hotuba ya Ndugu Ali Mwlnyl, Waziri wa Afya Katika Bunge,Juni, 1975 Speech by the Minister for Health Ndugu A. H. Mwinyi, MP for the Financial Year 1975/76, S. 6.
23 Morley, D.: Paediatric Priorities in the Developing World, 2. Aufl. 1975, london, S. 3.
24 Bryant, J. H.: Health and the Developing World, Ithaca-London 1969, S. 44 ff.
25 Partnerschaftsprojekt Tansania, Deutsche WelthungerhIlfe 2. Aufl., Bonn 1974,
S.15.
26 The Arusha Declaration, 5. Februar 1967, in: Julius K. Nyerere, Ujarnaa: Essays
on Socialism, Dar es Salaam 1968, S. 13 ff. Die Arusha-Deklaratlon bedeutete eine sozialistische Willenserklärung: Abschaffung der Ausbeutung, die größeren Produktionsund Tauschmittel unter die Kontrolle der Arbeiter und Bauern, die Existenz der Demokratie, und der Glaube an den Sozialismus. "Ein Staat ist nicht einfach deswegen sozialistisch, weil die Produktions- und Tauschmlttel entweder gänzlich oder zum größten
Teil im Besitz oder unter der Kontrolle der Regierung sind. Damit ein Land sozialistisch sein kann, ist es notwendig, daß seine Regierung von den Bauern und Arbeitern
selbst gewählt und geführt wird." S. 16, 17 a.a.O.
27 Segall, Malcolm, The Politics of Health in Tanzania in: Towards Socialist Planning, Tanzanian Studies No. I, Oar es Salaam 1972, p. 149 ff.
28 An dieser Stelle möchten wir allen Tansaniern, die uns in ihrem Land so freundschaftlich aufnahmen und behilflich waren, herzlichst danken. Besonderer Dank auch
Dr. Mose und Dr. Mtey.
29 Vgl. Johann Jürgen Rohde, Der Patient im sozialen System des Krankenhauses,
in: Der Arzt, sein Patient und die Gesellschaft, hrsg. v. Dorothea Ritter-Röhr, Frankfurt am Main, 1975, S. 167 ff.
30 Tagesspiegel 9.9.1976 "WHO-Konferenz über Heilkunst". (WHO-Regional
Committee for Africa, Technical Discussions at its 26th Session: "Traditional medicine
and its role in the development of health servtces in Africa.") Eine Untersuchung in 40
Entwicklungsländern ergab, daß durch das bestehende öffentliche Gesundheitswesen
nicht mehr als 20 % der Gesamtbevölkerung erreicht werden. s. J. A. McGilvray: Motivation for Community Participation in Health Care Delivery, in: H. J. Diesfeld und
E. Kröger (Hg.) Community Health and Health Motivation in South East Asia, Wiesbaden 1974, S. 6.
31 Varkevtsser, C.: lets over moeUljkheden blj het introduceren van modeme gezondhetdszorg; Sukuma concepten betreffende ztetke en dood. Mlmeographed, ArnsterARGUMENT -SONDERBAND
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190
Wolfgang Bichmann, Robert Hartog und Ulrich Schutz
dam 1973, nach Schulpen, T. W. J., Integration of Church and Government Medical
Services In Tanzansla, Effects at District Level, Natrobl 1976, p. 38.
32 Schulpen, T. W. J.: Integration of Church and Government Medical Services In
Tanzania, Effects at District Level, Nalrobt 1976, S. 38.
33 Abrahams, R. G.: African Concepts of Health and Disease In: One Day Symposion on Attitudes To Health and Disease Amongst Some East African Tribes, Makerere
Institut of Social Research, Kampala 1959, p. 4.
34 Ein DIspensary Ist eine ambulante Versorgungseinrichtung auf unterster Ebene,
wobei hauptsächlich kurative Basismedizin betrieben wird, die In Impfungen und Medlkamentenverteilung besteht. Im Augenblick existieren 1200 staatliche und 300 kirchliche Dispensaries.
35 Abrahams, R. G .... , a.a.O., p. 4.
36 Persönliche Mitteilung von Dr. U. Senftleben, Dar es Salaam, Im April 1976.
37 Dem amerikanischen Physiologen W. B. Cannon Ist zu verdanken, daß der Vagus-Tod und der sog. Voodoo-Tod als Identisches selbst-regulatorlsches Phänomen zu
bezeichnen sind. Von Antilopen, die sich In den Netzen der Tlerfänger verstrickten,
weIß man, daß sie den Vagus-Tod erleiden können, woher auch der Name "Verstrlkkungs"-Tod stammt. Dabei wird die reale Seil-Verstrickung der metaphorischen
Schuld-Verstrickung analog gesetzt. Bilz, R., Studien über Angst und Schmerz, Frankfurt/Maln 1974, S. 194.
38 Glsh, O.: Planning The Health Sector, The Tanzanian Experience, London,
1975, p. 187.
39 Uvulektomle: Beschneidung des oralen Zäpfchens, wobei man sich nicht über
die. Bedeutung Im Klaren Ist. Ein Zusammenhang zwischen Uvulektornte und fehlender Infektionsbereitschaft lm Rachenraum wird vermutet.
40 Vg\. Welsz, J. R.: East African Medical Attitudes, In: Soc. Scl. & Med. 1972,
Vol. 6, pp. 323-333.
41 Clyde, D. F.: History of the Medical Services of Tanganyika, Oar es Salaam
1962, p. 13.
42 Turshen, M.: The Impact Of Colontaltsm On Health And Health Services In
Tanzania, Institute for Policy Studies, Washington 1976, unveröff. Manuskript, S. 10,
zlt. nach Majl Majl Research Project. Collected Papers Research Project No. 6/68/3/1,
Untverstty College, Dar es Salaam, 1968.
43 Nützlich Im Sinne des "westlichen" Hellens mit dem Ziel der Wiederherstellung
der alten Gesundheit.
44 Viktor von Weizsäcker zählt zu den wenigen Europäern, der diesen Ansatz In
der Psychosomatik als Antipode zu Freud verfolgt hat (Siehe z. B. Studien zur Pathogenese, Wiesbaden, 1946).
45 Unter der Annahme, daß der kollektive Konsensus hinsichtlich des jeweiligen
Hellsystems und seiner Repräsentanten gesellschaftsspezlflsch Ist, wäre ein Vergleich
der verschiedenen Hellsysteme und der Verursachungskonzepte In Abhängigkeit von
der vorherrschenden Produktionsweise besonders wichtig.
46 Turshen, M.: a.a.O., S. 106; s. a. Seidlitz, Peter: Die Spuren deutscher Herrschaft
In OstafrIka, Noch Ist Kaiser Wilhelm gegenwärtig, In: Süddeutsche Zeitung,
3. I. 1977.
47 Beck, A.: History of the British Medical Administration of East Africa
1900-1950, Cambridge (Mass.) 1970, S. 182.
48 Speech by the Minister ... , 1975/76, S. 23. Vgl. Health Care In Rural Areas (African Region), In: WHO-Chronicle 30 (1976), 11-17.
49 Schulpen, a.a.O.; S. 40 und S. 45.
50 Schulpen, a.a.O., S. 96.
51 Schulpen, a.a.O., S. 96.
52 Schulpen, a.a.O., S.94.
53 Braun, K.: Modem Medical Mission. Stuttgart 1932, S. 161.
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"Westliche" Medizin in den Ländern der Dritten Welt
191
'54 Ende 1977 wird ein Artikel In diesem Zusammenhang über Psychiatrie und
Neokolonlallsmus an ausgewählten Beispielen Afrikas von Ludger Hermanns In der
Zeitschrift Ethnomedlzin, Bd. IV, erscheinen.
55 Schulpen, a.a.O., S. 42.
56 Mblllnyl, S. M., Mabele, R. and Kyorno, M. L.: Economic Struggle of TANU
Government, In: Towards Ujamaa ... , a.a.O., S. 66.
57 Schulpen, a.a.O., S. 43.
58 Schulpen, a.a.O., S. 43.
59 Kllama, W. L., Nhonoll, A. M. and Makene, W. J.: Health Care Delivery In
Tanzania, In: Towards Ujamaa ... , S. 192.
60 Matomora, Matomora: a.a.O., S. 32.
61 Schulpen, a.a.O., S. 45.
62 Schulpen, a.a.O., S. 41.
63 Beck, A.: History of the British ... , a.a.O., S. 200.
64 Beck, A.: a.a.O., S. 71.
65 Beck, A.: a.a.O., S. 77.
66 Beck, A.: a.a.O., S. 107.
67 Suret-Canale, J.: Schwarzafrtka, Geographie, Bevölkerung, Geschichte Westund Zentralafrtkas, Vol. Il, Berlln/DDR 1966, S. 501. Vgl. a. Leeson, J.: Social Science
and Health Policy In Prelndustrlal Society, In: Int. J. Hlth. Servo 4 (1974), S. 431.
68 Turshen, M.: a.a.O., S. 17.
69 Sartre J. P.: Kolonialismus und Neokolonlaltsmus, Hamburg 1968, S. 12.
70 Speech by the MInister for Health Ndugu A. H. Mwtnyt, MP for the Financial
Year 1975/76, S. 27.
71 Glsh, O.: Ressource Allocation, Equality of Access, and Health, In: Intern. J.
Hlth. Serv., Vol. 3, NT. 3, 1973, S. 401.
72 Glsh, O.: Res. All
, a.a.O., S. 401.
73 Glsh, O.: Res. All
, a.a.O., S. 401.
74 Gtsh, O.: Res. All
, a.a.O., S. 401.
75 Glsh, O.: Res. All
, a.a.O., S. 401.
76 Dtetzfeeblnger, H.: Medizinische Probleme In einem Entwicklungsland am Beispiel von Tansania, In: Med. Kiln. 70 (1975), S. 1932.
77 Speech by the Minister
1975/76, S. 28.
78 Morley, D.: Paediatric
, a.a.O., S. 207.
79 World Health Organization. Technical Report Series No. 537, p. 62, 1974.
80 Gtsh, O.: Planning ... a.a.O., S. Il.
81 KHama, W. L., Nhonoll, A. M. and Makene, W. J., Health Care Delivery In
Tanzania, In: Towards Ujamaa - twenty years of tanu leadership, (ed.) Ruhumblka, G.,
Dar es Salaam 1974, S. 191.
82 So soll sich die Zahl von zur Zelt etwa 20 Millionen Leprakranken In der ganzen
Welt nach Schätzungen von Experten bis zum Jahr 2000 "trotz verbesserter Hetlungsund Vorbeugungsmöglichketten auf 40 Millionen verdoppeln. Diese Entwicklung werde begünstigt durch die andauernde und sich verschärfende Armut der Dritten Welt".
FAZ, 27.4.77, Nr. 97, S. 27.
83 Schlemmer, J.: Haben wir die richtige MediZin?, In: Der praktische Arzt, 2-77,
S. 197; vgl. auch: Keil, U: Zur Problematik der Krankheitsfrüherkennung In der BundesrepublIk Deutschland, In: Med. KIln. 70 (1975), 1529-1534.
84 Gtsh, O.: Planning ... a.a.O., S. Il.
85 Scrlmshaw, N. S.: Myths and Realities In International Health Planning, In: Am.
J. Publ. Hlth. 64, Il (1974) 792-798. Scrtrnshaw, N. S. et al.: Nutrition and Infection
Field Study In Guatemalan Villages 1959-1964, I.-IX. In: Arch. Environ. Hlth. 14
(1967) 657-662, 14 (1967) 787-804, 15 (1967) 6-12, 15 (1967) 439-449, 16 (1968)
223-234,16 (1968) 424-437,17 (1968) 107-118, 17 (1968) 814-827, 18 (1969) 51-62.
86 KHama, W. L., Nhonoll, A. M., Makene, W. J.: a.a.O., S. 194.
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Hannes G. Pauli
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87 Rodney, W.: a.a.O., S. 178.
88 Turshen, M.: a.a.O., S. 7.
89 Statistical Abstract 1966, Dar es Salaam 1968, S. 166.
90 Btchrnann, W.: a.a.O., S. 71, und Speech by the Minister ... 1975176, a.a.O., S.
52.
91 Siehe dazu: Gish, O.: Doctor Auxiliaries In Tanzania, In: The Lancet, December
l, 1973, pp. 1251-1254.
92 Vgl, z, B. O. Akerele, I. Tabtbzadeh und J. McGilvray: A new role for medical
mtsstonartes In Africa, In: WHO-Chronicle 30 (1976) 175-180.
93 Turshen, M.: a.a.O., S. 5/6.
94 Gtsh, O.: Res. All....
, a.a.O., S. 404.
95 Chagula, W. K. & Tarimo, E.: Meeting Baste Health Needs In Tanzania, In: Health by the People, ed. by Kenneth W. Newell, World Helth Organization, Geneva
1975, S. 150. In einem Fünftel der 60 tansanlschen Distrikte wurden Immerhin weniger
als 5 Tsh. (weniger als 2,- DM) pro Kopf für Gesundheit Im Jahr ausgegeben.
96 Gish, O.: Res. All., a.a.O., S. 410.
97 Dtetzfelblnger, H., ... a.a.O., S. 1935.
98 Segall, M.:
a.a.O,; S. 155.
99 Segall, M.:
a.a.O., S. 155.
100 Die Ausmaße dieses Circulus vlttosus lassen sich auch daran ersehen, daß' /.
des Budgets für Gesundheit aus ausländischen Quellen stammt (1973174), vgl. auch
Gtsh, O.: Planning
, a.a.O., S. 193.
101 Segall, M.:
a.a.O., S. 165.
102 Meler-Brook, Tropenmed. Inst. Tübingen, ref. PID 12/1976, Nr. 5, ln: Med.
Kiln. 72 (1977), N r. Il.
103 Speech by the Minister ... , a.a.O,; S. 59.
104 Entwicklungspolitik, Materialien Nr. 55, Bonn Juli 1976, S. 98.
105 Budget Speech by the Minister for Health Hon. A. H. Mwlnyl for the year
1973174, S. 28.
106 Speech by the Minister ... , a.a.O., 1975, S. 56.
107 Segall, M.: a.a.O., S. 165 und Glsh, O.: Planning ... , a.a.O., S. 197.
108 Segall, M.: a.a.O., S. 158.
Hannes
G. Pauli
Primärmedizin und Medizinstudium
Ein Kongreßbericht
1. Ein Kongreß über die Rolle der Primärmedizin in der medizinischen
Ausbildung
Das Institut für Ausbildungsund Examensforschung
der. Medizinischen
Fakultät der Universität
Bern veranstaltete
vom 1.-3. September
1976 als
Jahresversammlung
der Europäischen
Gesellschaft
fOr Medizinische
Ausbildung* einen Kongreß zum Thema "Der Beitrag der medizinischen
Ausbildung zur Prtrnärmedlzln"
. Diese Thematik
ergab sich aus den Antworten
auf eine Umfrage bet rund 70 praktizierenden
Ärzten und Experten aus den
• Association for Medical Education In Europe (AMEE), Department of Psychlatry,
Royal Edinburgh Hospital Mornlngstde Park, Edinburgh EM 105 HF, Scotland.
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