Explosionsschutzdokument - praktische Umsetzung

Transcrição

Explosionsschutzdokument - praktische Umsetzung
Explosionsschutzdokument – praktische
Umsetzung
Dresden, 26.05.2011
Dipl.-Ing. Dirk Langer
Abteilung Arbeitsschutz, Referat Betriebs- und
Arbeitsmittelsicherheit, Techn. Verbraucherschutz
1
Staatlicher Arbeitsschutz in Sachsen
Organisation
Präsident der
Landesdirektion
Vizepräsidentin der
Landesdirektion
Abteilung 1
Zentrale
Aufgaben
Abteilung 2
Inneres,
Soziales und
Gesundheit
Abteilung 3
Infrastruktur
und Verkehr
Abteilung 4
Umweltschutz
Abteilung 5
Arbeitsschutz
Abteilung 6
Landesamt zur
Regelung offener
Vermögensfragen
2
Staatlicher Arbeitsschutz in Sachsen
Die Abteilung
Abteilungsleiter
Arbeitsschutz
Außenstelle
Chemnitz
Referat 51.2
Sozialer Arbeitsschutz,
Schutz
besonderer
Personengruppen
Referat 52.2
Gefahr- und
Biostoffe,
Transportsicherheit
Referat 53.2
Medizinproduktesicherheit,
Strahlenschutz,
Ergonomie
Referat 54.2
Betriebs- und
Arbeitsmittelsicherheit,
Technischer
Verbraucherschutz,
GAUS
Referat 50.1
Gemeinsame
deutsche Arbeitsschutzstrategie,
Grundsatzfragen
Außenstelle
Leipzig
Referat 55.2
Arbeitsstätten,
Bauarbeiterschutz
Referat 51.1
Sozialer Arbeitsschutz,
Schutz
besonderer
Personengruppen
Referat 56.2
Arbeitsmedizin
Referat 52.1
Gefahr- und
Biostoffe,
Transportsicherheit
Referat 51.3
Sozialer Arbeitsschutz,
Schutz
besonderer
Personengruppen
Referat 53.3
Medizinproduktesicherheit,
Strahlenschutz,
Ergonomie
Referat 52.3
Gefahr- und
Biostoffe,
Transportsicherheit
Referat 54.1
Betriebs- und
Arbeitsmittelsicherheit,
Technischer
Verbraucherschutz
Referat 53.3
Medizinproduktesicherheit,
Strahlenschutz,
Ergonomie
Referat 54.3
Betriebs- und
Arbeitsmittelsicherheit,
Technischer
Verbraucherschutz
Referat 55.3
Arbeitsstätten,
Bauarbeiterschutz
Referat 55.1
Arbeitsstätten,
Bauarbeiterschutz
3
Staatlicher Arbeitsschutz in Sachsen
Standorte der Abteilung
4
Gliederung
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Rechtsgrundlagen des Explosionsschutzdokuments
Gefährdungsbeurteilung, Zoneneinteilung
Explosionsschutzdokument – Anforderungen und möglicher Aufbau
Schwerpunktaktion Explosionsschutzdokument (2005) - Umsetzung in Sachsen
Betriebliche Praxis – Aktuelle Einschätzung der Abt. Arbeitsschutz
Explosionsereignisse in Verbindung mit dem Ex-Dokument
Zusammenfassung
5
1. Rechtsgrundlagen für das Ex-Dokument
(Auszug)
1. EG-Recht: Richtlinie 1999/92/EG (umgangssprachlich ATEX 137) vom 16.12.1999 über
Mindestvorschriften zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und Sicherheit der AN, die
durch Ex-Atmosphäre gefährdet werden können; Anmerkung: hat unverbindlichen Leitfaden
2. National: Umsetzung durch Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) vom 27.09.2002,
(seit 03.10.2002 in Kraft), letzte Änderung am 26.11.2010
• § 3 „Gefährdungsbeurteilung“ (Präzisierung von § 5 Arbeitsschutzgesetz für Ex-Bereiche)
• § 5 „Explosionsgefährdete Bereiche“: Pflicht zur Einteilung in Zonen nach Anhang 3 unter
Berücksichtigung der Gefährdungsbeurt.; Erfüllung der Mindestvorschriften nach Anhang 4
• § 6 „Explosionsschutzdokument“: Pflicht zur Erstellung vor Arbeitsaufnahme und
Aktualisierung, unabhängig von Beschäftigtenanzahl
• Anhang 3: Zoneneinteilung
• Anhang 4 A: Mindestvorschriften zur Verbesserung der Sicherheit der Arbeitnehmer im
Bereich gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre (nachfolgend mit g.e.A. abgekürzt,
siehe BetrSichV § 2 Abs. 9)
• Anhang 4 B: Auswahlkriterien für Geräte und Schutzsysteme nach RL 94/9/EG (ATEX 95)
6
1. Rechtsgrundlagen für das Ex-Dokument
(Fortsetzung)
3. Neugefasste Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vom 26.11.2010
•
•
§ 6 „Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung“: z.B. in Abs. 4 die Pflicht zur
Feststellung, ob stoffbedingte Brand- und Ex-Gefährdungen entstehen können
§ 11 „Bes. Schutzmaßnahmen gegen phys.-chem. Einwirkungen, insbes. Brand- und ExGefährdungen“: Verweis in Abs. 3 auf Anhang I Nr. 1 „Brand- und Ex-Gefährdungen“
4. DGUV Vorschrift A 1 „Grundsätze der Prävention“ § 3: Gefährdungsbeurteilung,
Dokumentation
5. Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) vom 07.08.1996 (letzte Änd. 05.02.2009)
•
•
•
§ 5 „Beurteilung der Arbeitsbedingungen“
§ 6 „Dokumentation“, (Anm. bei g.e.A. abweichend schon bei 1 Arbeitnehmer (AN) statt
über 10 AN)
§ 3 „Grundpflichten des Arbeitgebers“, u.a. Wirksamkeit der AS-Maßnahmen überprüfen
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2. Gefährdungsbeurteilung, Zoneneinteilung
2.1 Grundsätze der Gefährdungsbeurteilung
1. Untersuchung des stofflichen Gefährdungspotentials; ,insbes. Ermittlung der
Explosionsfähigkeit anhand sicherheitstechnischer Kenngrößen (aus SicherheitsDatenblättern oder Stoffdatenbanken wie „Gestis“ der DGUV)
2. Zoneneinteilung (z.B. unter Nutzung der Beispielsammlung der BGR 104)
3. Vorrang der stofflichen und verfahrens- bzw. anlagentechnischen Gefährdungsbegrenzung
vor konstruktivem Explosionsschutz
4. Ermittlung wirksamer Zündquellen im Anlageninneren und der Anlagenumgebung
5. Beurteilung möglicher Explosionsauswirkungen
6. Überlegungen zur Begrenzung einer möglichen Explosion auf ein unbedenkliches Maß
(konstruktiver Explosionsschutz)
7. Zu betrachtende Betriebszustände: Normaler Anlagenbetrieb unter Einschluss des An- und
Abfahrens, Reinigung und Instandhaltung, vorhersehbare Störungen und Fehlgebrauch
8
2. Gefährdungsbeurteilung, Zoneneinteilung
(Fortsetzung 1)
2.2 Grundsätze der Zoneneinteilung (siehe auch „Praxishandbuch Zoneneinteilung“,
Dr. Dyrba)
1. Ex-Bereiche werden nach Häufigkeit und Dauer des Auftretens von g.e.A. in Zonen
unterteilt; Staubablagerungen sind dabei zu berücksichtigen (siehe Anhang 3 BetrSichV)
2. Unterscheidung bei abnehmender Wahrscheinlichkeit der Zonen: 0, 1, 2 bei Gasen,
Dämpfen und Nebeln bzw. 20, 21, 22 bei Wolken aus brennbaren Stäuben
3. Für Zone 0 bzw. 20 (g.e.A. ständig, häufig oder über lange Zeiträume) ist nicht nur
Normalbetrieb (Anlagenzustand innerhalb der Auslegungsparameter) zu betrachten
4. Zone 0 bzw. 20 liegen im Regelfall nur im Inneren von Anlagen vor
5. Bei Zone 1 bzw. 21 kann sich g.e.A. im Normalbetrieb gelegentlich bilden
6. Zone 2 bzw. 22 liegen vor, wenn g.e.A. im Normalbetrieb normalerweise nicht oder aber
nur kurzzeitig (nach Fachmeinung: wenige mal pro Jahr und dann längstens ca. 30 min)
vorliegt
6. Zoneneinteilung ist Grundlage zur Festlegung der Schutzmaßnahmen
7. Zoneneinteilung nach Art und Ausdehnung festlegen; Zündquellen haben keinen Einfluss !
9
2. Gefährdungsbeurteilung, Zoneneinteilung
(Fortsetzung 2)
8. Sicherheitstechnische Kenngrößen sind keine phys. Konstanten (Laborwerte, abhängig von
Umgebungsbedingungen)
9. Alle Dämpfe brennbarer Flüssigkeiten sind schwerer als Luft
10. Fast alle Gase (Ausnahme z.B. Acetylen, Wasserstoff, CO, Methan) sind schwerer als Luft
11. Bei offenem Umgang mit brennbaren Flüssigkeiten bildet sich keine g.e.A., wenn max.
Verarbeitungstemperatur 5 K bei reinen Flüssigkeiten u. 15 K bei Gemischen unter dem
Flammpunkt liegen
12. Beim Versprühen oder Verspritzen brennbarer Flüssigkeiten gilt o. g. Regel nicht – Bildung
g.e.A. auch bei sicherer Unterschreitung des Flammpunktes möglich
13. Je niedriger die untere Explosionsgrenze (UEG), desto größer die Zonenausdehnung;
bei < 50 % UEG = keine Zone
14. Abgelagerter brennbarer Staub führt bereits zur Zone 22
15. EX-Verhalten der Stäube maßgeblich von Korngröße abhängig; < 0,5 mm im Regelfall
staubexplosionsfähig
10
3. Ex-Dokument; Anforderungen und Aufbau
3.1 Anforderungen (siehe auch § 6 BetrSichV)
1. Erstellung vor Arbeitsaufnahme (Ablauf der Übergangsvorschrift für „Altanlagen“ zum
31.12.2005); Aktualisierungspflicht u.a. bei Änderungen od. Erweiterungen
2. Ermittlung und Bewertung der Explosionsgefährdungen (siehe Gefährdungsbeurteilung)
3. Aussagen zu angemessenen Vorkehrungen zur Erreichung der Ex-Schutzziele
4. Einteilung der Bereiche in Zonen
5. Festlegung der Bereiche, wo Mindestvorschriften des Anhang 4 BetrSichV gelten
6. Aussagen zur sicheren Benutzung von Arbeitsmitteln (wie Auswahl nach Anhang 4 B)
7. Angaben zu organisatorischen Maßnahmen wie Betriebsanweisungen, Unterweisungen,
„Freigabescheine“, Koordination von Arbeiten
8. Festlegungen zu: Prüffristen für Arbeitsmittel mit Schwerpunkt „Ü-Anlagen“ (ATEX 95),
Reinigungs- und Instandhaltungsmaßnahmen
9. Angaben zu weiteren Dokumenten, Verantwortlichkeit, Ausfertigungsdatum (für Aktualis.)
11
3. Ex-Dokument; Anforderungen und Aufbau
(Fortsetzung 1)
3.2 Möglicher Aufbau des Ex-Dokumentes
Vorbemerkungen:
- keine festen Vorgaben für Aufbau und Gestaltung
- Verweis auf andere Dokumente (wie Gefahrstoffverzeichnis, Betriebshandbücher) zulässig
- Nutzung Muster (wie aus BGR 104) möglich; „fertige“ Dokumente bspw. aus den BGQuellen sind betrieblich anzupassen
1.
2.
3.
4.
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•
•
•
Angaben zum Betrieb bzw. Arbeitsbereich
Verantwortlicher für den Bereich; Erstellungsdatum, Nennung der Anhänge
Kurzbeschreibung der anlagentechnischen und baulichen Verhältnisse
Verfahrensbeschreibung in Bezug auf den Explosionsschutz:
Übersicht Verfahrenstechnik (eventuell mit Fließbildern)
Tätigkeiten (z.B. Probennahme, Handbeschickung)
Verarbeitungszustand der Stoffe, Einsatz- und Stoffmengen
Verfahrensparameter wie Temperatur- und Druckbereich
12
3. Ex-Dokument; Anforderungen und Aufbau
(Fortsetzung 2)
5. Stoffdaten
Für Flüssigkeiten und Gase, Nebel insbesondere:
• Flammpunkt (Flüssigkeiten auch Dampfdruck)
• untere Explosionsgrenze (UEG) und obere Explosionsgrenze (OEG); ggf. noch
Sauerstoffgrenzkonzentration
• Zündtemperatur (für Temperaturklasseneinteilung T1 bis T6)
• Explosionsgruppe (I = Bergbau Untertage; sonst II A bis II C)
Für brennbare Stäube insbesondere:
• Korngrößenverteilung, ggf. Feuchte
• UEG und OEG
• Zündtemperatur und Glimmtemperatur
• Mindestzündenergie
• ggf. Sauerstoffgrenzkonzentration
• Staubexplosionsklasse (St 1 bis St 3 für Beschreibung des max. zeitlichen Druckanstiegs)
13
3. Ex-Dokument; Anforderungen und Aufbau
(Fortsetzung 3)
6. Gefährdungsbeurteilung
• Kann explosionsfähige Atmosphäre auftreten und ist diese gefahrdrohend ?
• Gibt es potentielle Zündquellen ?
•
Zoneneinteilung (3-dimensional mit Ausdehnung), ist Kernstück von Gef.-beurteilung
7.
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•
•
•
Schutzkonzept (technisch und organisatorisch)
Maßnahmen zur Vermeidung oder Reduzierung g.e.A.
Vermeidung von elektrischen und nichtelektrischen Zündquellen
Begrenzung der Auswirkungen möglicher Explosionen (konstruktiver Ex-Schutz)
Unterweisungen der Beschäftigten
Schriftliche Anweisungen, Arbeitsfreigabescheine, Festlegungen zur Koordination
Reinigungs- und Instandhaltungsregime mit Festlegung der Verantwortlichen
Bescheinigung erforderlicher Prüfungen vor Inbetriebnahme; Festlegungen zu
wiederkehrenden Prüfungen
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4. Schwerpunktaktion Ex-Dokument (2005)
Umsetzung in Sachsen
4.1 Anlass und Durchführung
•
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•
•
•
2003 und 2004 häufig Unsicherheiten bei Erstellung der Ex-Dokumente festgestellt
Aktion sollte der Beratung und Kontrolle mit Schwerpunkt „Altanlagen“ (Übergangsfrist bis
31.12.05) dienen
Durchführung in den Abt.en Arbeitsschutz der Regierungspräsidien durch angeleitete
Kollegen im Jahr 2005
Vorbereitung einer Checkliste und PC-gestützte Auswertungsmatrix
Auswahl vorwiegend kleinerer und mittelständische Unternehmen aus: Nahrungsgüter- und
Futtermittelindustrie, Chemie, Holz, Lackier- und Beschichtungsbetriebe, Biogasanlagen
Berücksichtigung von Bestandschutzregeln für nach ElexV errichteten Anlagen
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4. Schwerpunktaktion Ex-Dokument (2005)
– Fortsetzung
4.2 Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Überprüfung von 174 Ex-Dokumenten in 165 Unternehmen
• Feststellung von 340 Mängeln und Verstößen; Mängelschwerpunkte waren davon:
• 87 x Gefährdungen nicht ausreichend ermittelt (z.B. fehlende Stoffdaten, mangelnde
Ermittlung nichtelektrischer Zündquellen)
• 37 x primärer Ex-Schutz (wie Mängel bei der Bewertung von Lüftungsmaßnahmen)
• 55 x Zoneneinteilung (z.B. unzureichend beschrieben, teilweise auch falsch vorgenommen)
• 89 x sekundärer Explosionsschutz (z.B. keine Schutzmaßnahmen gegen Zündung, keine
Eignungsüberprüfung der Ex-Geräte für entsprechende Zone, Prüfversäumnisse)
• 13 x bei tertiären Schutzmaßnahmen (wie Versäumnisse wiederkehrender Prüfungen)
Mit 103 Revisionsschreiben wurde erfolgreich Einfluss genommen – teilweise Nachkontrollen
Bestätigung der erwarteten Probleme bei Kleinbetrieben trotz vorhandener BG-Checklisten;
störfallrelevante Betriebe oder Anlagen nach BImSchG hatten oft gute Ex-Dokumente
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Mängelverteilung aus der Schwerpunktaktion von 2005 „Überprüfung der Ex-Dokumente“
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Gefährdungsermittlung
primärer
Exschutz
Zoneneinteilung
sekundärer
Exschutz
tertiärer Exschutz
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5. Betriebliche Praxis
– Aktuelle Einschätzung der Abt. Arbeitsschutz
Bewertung:
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Insgesamt Verbesserung gegenüber 2005 in Anzahl und Qualität, jedoch mit größerer
Streuung entsprechend Betriebsgröße und sicherheitstechnischer Betreuung
Grundsätzliche Aussagen weiter zutreffend, wonach Kleinbetriebe häufiger Probleme mit
Ex-Dokument haben
Bei Kleinstbetrieben bspw. aus dem Kfz-Reparaturbereich fehlte vielfach das Dokument,
meist wurde auch keine belegbare Gefährdungsbeurteilung durchgeführt;
Anmerkung: Kleinbetriebe sind der AS-Behörde meist erst durch Unfallmeldungen bekannt
geworden; Erreichbarkeit der Arbeitgeber ist ein Problem; Versuch in 2006, diese über
Handwerkskammern zu erreichen (Erstellung eines Faltblattes zum Ex-Dokument mit
Verteilung über Dresdner Kammer)
Mängelschwerpunktverteilung ähnlich wie 2005:
unzureichender Gefährdungsbeurteilung und Zoneneinteilung im Dokument (z.B. bei
Tankstellen häufig nur Muster der Gesellschaften ohne örtliche Anpassung)
Defizite bei den Zündquellen; z.B. Versäumnisse wiederkehrender Prüfungen
teilweise fehlende Festlegung der Verantwortlichkeiten und Aktualisierung im Dokument
„Probebetrieb“ mit Vorliegen g.e.A, aber noch ohne Dokument (z.B. Biogasanlagen)
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6. Ex-Ereignisse in Verbindung mit ExDokument (1)
6.1 Beispiele ohne Vorliegen eines Ex-Dokumentes (Schwerpunkt Kfz-Werkstatt)
Bemerkung: Umgang mit Benzin (hochentzündlich) oder leichtentzündlichem Bremsenreiniger weder Ex-Dokumente noch Gefährdungsbeurteilungen vorhanden
Fall 1: Explosion eines Benzin-Luftgemisches mit Werkstattbrand in 2009 (eine tödlich verletzte
Büro-Beschäftigte)
• Hergang: Demontage eines PKW-Tanks zwecks Tankgebertausch durch Inhaber mit einem
Helfer, Tank fiel herab, Benzin lief großflächig aus; während Monteure Auffangmaterial
(Lappen o.ä.) in Nebenräumen suchten, betrat Angestellte aus dem Büro den Raum, es
kam zur Zündung der g.e.A.
• Ursache: (Verfahren nicht abgeschlossen); Annahme der unsachgemäßen TankDemontage, keine Gefährdungsbeurteilung; Zündquellen bisher nicht feststehend:
Varianten sind z. B. elektrostatische Aufladung beim Auslaufen des Benzins oder Zündung
durch den offenen Kamin des Büros, als Verbindungstür geöffnet wurde
• Auswertung: vermeidbar mit Gefährdungsbeurteilung und (erst recht) mit Ex-Dokument;
Maßnahmen bspw. Verringerung der g.e.A. durch vorherige Tankentleerung mit dafür
zugelassenem Gerät, Werkstattlüftung, vorherige Bereitstellung von Bindemitteln für
Leckagen, Zündquellenvermeidung, Bereithalten von Feuerlöschern
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6. Ex-Ereignisse in Verbindung mit ExDokument (2)
Zu 6.1 Beispiele ohne Vorliegen eines Ex-Dokumentes (Schwerpunkt Kfz-Werkstatt)
Fall 2 und 3: „Verpuffungen“ beim Entleeren von Benzintanks; einmal mit leichterem
Personenschaden, in beiden Fällen mit Sachschäden am PKW durch Zündung des BenzinLuftgemisches;
• Ursachen/Auswertung: vermutliche Zündung durch elektrostatische Aufladung, jeweils
Kraftstoff nicht mit dafür zugelassenem Gerät abgelassen, fehlende Erdung; keine
Gefährdungsbeurteilung und kein Ex-Dokument vorhanden
(siehe auch Abbildungen der Flüssigkeitsabsauger, Folie 21)
Fall 4: Explosion in einer Arbeitsgrube, Verletzung des Auszubildenden
• Hergang: Beim Anschalten eines (in die Grube verlegten) Flüssigkeitsstrahlers zur feuchten
Nachreinigung kam es zur Explosion in der Arbeitsgrube
• Ursachen/Auswertung: Grube wurde vom Azubi mit „Bremsenreiniger“ vorgereinigt,
Lösemitteldämpfe sammelten sich darin; Flüssigkeitsstrahler war nicht ex-geschützt,
Zündung der g.e.A. durch elektrischen Funken am Gerät; Bremsenreiniger wurde
zweckentfremdet verwendet, Azubi war nicht unterwiesen, fehlende Gefährdungsbeurteilung; Maßnahmen: Verhinderung Fehlgebrauch des Bremsenreinigers,
ausreichende Grubenlüftung und Zündquellenvermeidung
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Zu 6. Kfz-Werkstatt: Flüssigkeitsabsauger,
2 Beispiele (gut/schlecht)
Kfz-Flüssigkeitsabsauger, sicherheitsgerecht
Flüssigkeitsabsauger, gefährlicher Eigenbau
21
6. Ex-Ereignisse in Verbindung mit ExDokument (3)
6.2 Beispiel Staubexplosion 2010 in Dresden (Ex-Dokument vorhanden)
Anlagen- und Verfahrensbeschreibung:
• Beschichtungsanlage für Pharmazie- und Lebensmittelbranche; Produktion im Reinraum,
Technikraum abgetrennt mit Standort für Kompaktentstaubungsanlage, teilweise
Luftrückführung zur Klimaanlage für Reinraum
• Wirbelschichtgranulator (Abbildung Folie 23) zum Befeuchten und Granulieren ist
Hauptaggregat neben Sieb- und Trockenanlagen; Material wird über einen Vorlagebehälter
zugeführt, welcher extern durch Ausschütten von Kleingebinden auf einer Arbeitsbühne
befüllt wird (Abbildung Folie 23)
• Verwendung brennbarer Stäube wie Methylcellulose : Korngröße < 100 µm, UEG 30 g/m³,
Staubexplosionsklasse St 2, Brennzahl 5, MZE > 10 mJ, Zündtemperatur 400 °C
Hergang:
• Beim manuellem Befüllvorgang auf der Arbeitsbühne kam es zu 2 etwa zeitgleichen
Explosionen am Einfülltrichter des Vorlagebehälters sowie an der
(explosionsschutztechnisch nicht entkoppelten) Entstaubungsanlage im Technikraum;
• Beschäftigter erlitt Verbrennungen 1 und 2. Grades der rechten Körperseite;
Entstaubungsanlage explodierte und brannte vollständig aus
22
Zu 6. Beschichtungsanlage mit
Einfüllbereich des Vorlagebehälters
Wirbelschichtgranulator
Einfüllbühne des Vorlagebehälters
23
6. Ex-Ereignisse in Verbindung mit
Ex-Dokument (4)
Zu 6.2 Beispiel Staubexplosion 2010 (Fortsetzung 1)
Ursachen:
• erste Annahme war Zündung durch elektrostat. Aufladung beim Produkteinfüllen durch
fehlende Erdung
• in 3 Gutachten wurde jedoch Filteranlage als Ausgang benannt, da hier Hauptzerstörung
am Filter sowie keine Produktverbrennung am Einfülltrichter; Explosion sei laut Gutachter
auf Reingasseite der Filteranlage entstanden; Ausbreitung über das nicht entkoppelte
Leitungssystem bis zur abgesaugten Trichteröffnung
• Gutachter benannten unterschiedliche Zündquellen: g.e.A. durch elektrostat. Aufladung im
Filter gezündet; alternativ Zündfunke durch Motor-Lüftereinheit (kein ATEX 95-Gerät) in der
Reingasseite nach unbemerktem Staubübergang (defekte Dichtungen?)
• nicht ex-geschützte Filteranlage wurde im kurz zuvor erstellten Dokument nicht
beanstandet !
24
6. Ex-Ereignisse in Verbindung mit
Ex-Dokument (5)
Zu 6.2 Beispiel Staubexplosion 2010 (Fortsetzung 2)
Maßnahmen:
•
•
neue Filteranlage mit ex-geschützten Geräten und Sicherheitseinrichtungen bestellt
explosionstechnische Entkoppelung der Filteranlage roh- und reingasseitig (Klimaanlage),
(Schnellschlussschieber im Gutachten bevorzugt)
• umfassender Potentialausgleich aller relevanten Anlagen
• regelmäßige Reinigungs und Wartungsarbeiten sowie Prüfungen durch bP (wie bisher)
• organisatorische Maßnahmen wie Überarbeitung der Gefährdungsbeurteilung und ExDokument
Anmerkung: Ereignis hätte (vielleicht) noch verhindert werden können durch eine Benennung
der Schwachstellen „Kompaktfilteranlage“ und „fehlende Ex-Entkoppelung“ im Dokument
25
7. Zusammenfassung
1. Das Ex-Dokument ist wichtiges betriebliches Hilfsmittel und zeigt, ob der möglichen
Explosionsgefahr angemessen begegnet wurde
2. Ebenso Mittel zur Vermeidung unnötiger und kostenintensiver Ex-Schutzmaßnahmen
3. Dokument ist der Abschluss einer Gefährdungsbeurteilung und sollte verschiedene
Betriebsunterlagen einschließen: z.B. Prüflisten der Arbeitsmittel, Betriebsanweisungen
4. Zoneneinteilung ist Kern des Ex-Dokuments - in Abhängigkeit der Zoneneinteilung sind die
weiteren Explosionsschutzmaßnahmen festzulegen
5. Es stellt die getroffenen Vorkehrungen im Ex-Schutz dar; Beachtung der Reihenfolge:
primäre - sekundäre - tertiäre Schutzmaßnahmen
6. Das Dokument ist bei betrieblichen Veränderungen zu aktualisieren und muss dem Stand
der Technik entsprechen
7. Es zeigt die Bereiche auf, in denen die Mindestvorschriften von Anhang 4 gelten
8. Erstellung des Ex-Dokuments ist nicht allein Aufgabe des Sicherheitsingenieurs, sondern
Gemeinschaftswerk der betrieblichen Akteure unter Verantwortung des Arbeitgebers
9. Das Dokument ist nicht für die AS-Behörden gedacht, auch wenn diese es kontrollieren
26
So hoffentlich nicht !
… und die letzte Stimme, die man hört,
bevor die Welt explodiert,
wird die Stimme eines Experten sein, der sagt:
„Das ist technisch unmö
unmöglich!“
glich!“
Peter Ustinov
Danke für Ihr Interesse
27

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