Studentische Zeitschrift: Das Vorletzte - UK-Online

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Studentische Zeitschrift: Das Vorletzte - UK-Online
DAS
VOR
LET
ZTE
Das Erste...
Viele Fragen plagen Studenten auch neben dem Studieren an sich. Wie kriege ich mein Studium finanziert,
wie lange muss ich nun wirklich noch Studiengebühren
zahlen? Welchen Zweck haben die Baustellen mitten
auf dem Campus, die hier täglich Studentenstaus verursachen? Was? Heute ist Fakultätstag? Und natürlich
auch nicht zuletzt: Was mache ich am Wochenende?
Jetzt erscheint im Zuge des Seminars Universitätsberichterstattung von Ulrich Tschierske unsere Studentenzeitung auf der Homepage des Philosophikums. Es wird
dabei zwei Ausgaben geben: Das Vorletzte und Das
Letzte. Der Dozent kümmerte sich dabei lediglich um
die Organisation und das nötige Handwerkzeug. Was
mit diesem Werkzeug angefertigt werden sollte, entschieden allein wir – die Studentinnen und Studenten.
Aus diesem Grund traf das Werkzeug mit dem Untertitel
„Von Studenten für Studenten“ den Nagel auf den Kopf!
EDITORIAL ▪ INHALT
Hier wollen wir aus studentischer Perspektive darstellen, was Studierende der Uni Köln interessiert, was sie
wissen wollen und auch nicht zuletzt was sie womöglich
noch nicht gewusst haben und sehen sollten. Das darf
nun niemanden der Uni Köln abschrecken, der nicht
studiert. Die Zielgruppe ist größer. Denn Studenten machen diesen Ort aus und verlangen stetigen Austausch
– was wir wollen, sollte im Interesse aller liegen.
Wir wollen erst einmal ehrliche Antworten auf unsere
Fragen. Zu viele dieser Antworten werden aber von offizieller Seite der Universität im Interesse der werblichen
Öffentlichkeitsarbeit gegeben. Die Unangenehmen fallen, wenn überhaupt, ins Kleingedruckte. Wer könnte
also bessere Antworten geben als Studenten selbst, die
im eigenen Interesse recherchieren und eine öffentliche
Plattform nutzen können, ohne dabei einem kommerziellen Druck ausgesetzt zu sein?
Also nehmen sich Studenten an dieser Stelle jetzt dreist
das vorletzte Wort. Hier sollen die Antworten stehen:
Was in der Bildungspolitik passiert, wofür die Ausgrabungsstätten da sind, über die man täglich an der Uni
stolpert, welche Menschen man auf dem Campus (über)
sieht und wie man in Köln am besten mit 5 Euro einen
Tag lang überleben kann. Dabei kommen auch Literatur,
Musik, Kino und Partys Kölns nicht zu kurz. Was uns
interessiert, interessiert auch andere Studenten und
hoffentlich auch Nicht-Studenten. Das ist das einfache
Prinzip, nach dem diese Ausgabe entstand. Ob uns das
gelungen ist, kann man im Folgenden lesen. Wem das
nicht genügt und wer noch mehr Antworten will, darf beruhigt sein. Das hier ist erst Das Vorletzte.
Julian Krüger
INHALT
KULTUR
UMBAU
Stein auf Stein
Glosse über Neubau neben Hauptgebäude.................3
Should I stay or should I go
Pro/Contra zum neuen Seminargebäude......................4
MENSCHEN RUND UM DEN CAMPUS
Auslandsaufenthalt
Eine Erfahrung wert? Interview......................................6
Kleider machen Studenten?..........................................7
Zum Spar-Paradies bitte hier entlang............................8
Musikwissenschaft
Nicht nur eine Lehre der Musiktheorie.......................... 9
BILDUNGSPOLITIK
Ich will es nicht erzählen - Ihr wollt es nicht hören
Wenn das Bachelorstudium
zum Dauerreferat verkommt........................................12
NRW - Deine Studiengebühren - Kommentar..............13
Ich hielt sie wie die Bibel in der Hand
Erfahrungsbericht über Magisterabschluss..................14
Uni Köln „Gefällt mir“
Unsere Uni und facebook - Kommentar........................16
Unifilm und der Mann dahinter
Filmreif nicht nur in der Uni..........................................17
Neukölln Unlimited - eine Filmrezension......................19
Der große „Literator“
Daniel Kehlmanns Gastvorlesung................................20
Unikum, Kölsch und schlechte Musik
Studentenparties imAsta-Café.....................................22
Kino aus aller Welt
Portrait des Allerweltskino............................................26
PRAKTISCHE TIPPS
Einen Tag von Luft und Liebe leben............................27
Fremdschlafen.............................................................28
WUSSTEST DU SCHON?
Nightline.........................................................................9
Internationaler Studentenausweis...............................11
Studentenrabatte.........................................................13
Museumstag................................................................16
Kinosäle.......................................................................25
Rabatt-Infos im Web...................................................29
Impressum...................................................................29
UMBAU ▪ Glosse über den geplanten Neubau neben dem Hauptgebäude
STEIN AUF STEIN
DAS HÄUSCHEN WIRD
BALD FERTIG SEIN
Montag morgen, 10.04 Uhr. Wie jeden Montag hetze ich
von der Bahnhaltestelle zum Hauptgebäude der Kölner
Uni, um mein Deutsch-Seminar zu besuchen, diesmal
nur minimale vier Minuten verspätet. Wie immer passiere ich die riesige Baugrube neben dem Hauptgebäude.
Ihr Anblick ruft mir schmerzlich in Erinnerung, dass ich
für besagtes Deutsch-Seminar noch einen Text über
das geplante Bauvorhaben abliefern muss, die Zeit
drängt. Doch ähnlich wie die tiefe Baugrube verhält es
sich mit meinem Ideenreichtum: gähnende Leere. Worüber soll ich bloß schreiben, ich weiß nicht mal, was dort
eigentlich entstehen soll. Irgendwo hatte ich das vage
Gerücht aufgeschnappt, dass ein Begrüßungs- und Informationscenter geplant ist. Doch wer soll auf diesem
riesigen Areal so überschwenglich begrüßt werden und
vorallem von wem?
Inspiration ist gefragt! Ich laufe um die Baugrube herum auf der Suche nach einer Informationstafel, die auf
einen Blick die wichtigsten Fakten liefert. Doch leider
ohne Erfolg, keine Infotafel, nirgends. Frustriert beginne ich meine Recherche im Computer-Pool des Philosophikums. Das world wide web weiß mal wieder die
Antwort: Neben dem Hauptgebäude wird ein „Studierenden Service Center“ - kurz „SSC“- errichtet, nix mit
Begrüßungscocktail! Alle Verwaltungs- und Beratungsdienstleistungen für Studenten sollen hier gebündelt untergebracht werden: die zentrale Studienberatung, das
Campusradio, Versammlungsräume und vieles mehr.
Ziel ist einerseits, die derzeitigen Fremdanmietungen
zu reduzieren, andererseits soll sich in der Architektur
des neuen Gebäudes die Uni als „traditionsreiches, bürgernahes und zugleich innovatives geistiges Zentrum
von internationalem Rang“ präsentieren, wie es einer
„führenden Großuniversität“ angemessen ist. Ach so.
Der Neubau soll im Oktober 2012 eröffnet werden und
kostet 39 Mio Euro. Bei einer geplanten Neubaufläche
von 22.000m² sind das schlappe 1772,72 Euro pro Quadratmeter. Also ein richtiges Schnäppchen in Anbetracht
der Tatsache, dass der Kölner Quadratmeterpreis für
Neubauten zwischen 1700 und 2400 Euro liegt.
Bei meiner Recherche stoße ich bald auf Visualisierungen. Ah ja, schön! ...das ist Städtebau wie aus dem
Lehrbuch: die Achsen entlang der Universitäts- und
Meister-Ekkhart-Straße sind aufgenommen, zum Grüngürtel öffnet sich das siebengeschossige Gebäude terrassenförmig und integriert durch Höfe und Einschnitte
das Grün in das Gebäude. Wirklich wunderbar!
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Das einzige, was irritiert, ist die Farbe: GRÜN! Grün wie
die Hoffnung auf die Vergabe von Studienplätzen? Oder
grün vor Neid? Oder grün, weil sich das neue Gebäude im Baumgrün des Grüngürtels verbergen will? Das
hätte dieser gelungene Entwurf des Architekturbüros
Schuster in Düsseldorf gar nicht nötig. Warum dieses
muffige, schlammige Grün, verdammt? Warum kein
selbstbewusstes, strahlendes Weiß oder zumindest in
Anlehnung an das Hauptgebäude eine Natursteinfassade?
Ein Blick auf die Uhr. Mist. Das Deutsch-Seminar ist
jetzt fast vorbei, wieder verpasst. Doch zumindest bin
ich jetzt um die Erkenntnis reicher, dass dieses tolle Gebäude nicht in der Farbe Grün versumpfen darf!
Montag morgen, eine Woche später. Wieder hetze ich
an der Großbaustelle des SSC vorbei und siehe da,
welch Wunder! Plötzlich präsentiert eine riesige Infotafel all meine mühsam recherchierten Fakten. Ein großes Bild zeigt den geplanten Neubau. Er ist weiß! Mein
Tag ist gerettet.
UMBAU ▪ Should I Stay or Should I Go? ▪ Pro / Contra über das neue Seminargebäude
Should I stay should I go?
OR
Dass die Uni neue Räumlichkeiten benötigt, ist klar.
Es herrscht Platzmangel und oftmals kostet es sogar
Überwindung, die bestehenden Gebäude zu betreten:
fensterlose Seminarräume mit grauer Auslegware und
verrottenten Sichtbetonwänden sind die karge Realität
unserer Uni.Helle, ansprechende Räume müssen her,
in denen das Lernen und Lehren wieder Spaß macht.
Genau dies ist mit dem Neubau des Seminargebäudes
dem Kölner Architektürbüro Paul Böhm gelungen:
Lichtdurchflutete Räume mit hochwertigen Holzfußböden und -wandverkleidungen schaffen eine zugleich
warme und offene Atmosphäre.
Im schlicht gehaltenen Foyer empfängt den Besucher
eine schicke Kaffee- und Snackbar, im offenen Treppenhaus wird er mit großzügigen Ausblicken auf den
Campus belohnt. Ist der Besucher über die elegante
Sichtbetontreppe bis ins oberste Stockwerk emporgestiegen, inspirieren ihn hier originelle Installationen mit
Texten von Laotse und Albertus Magnus. Der Kontrast
zwischen dem kühlen Sichtbeton der Verkehrsflächen
und der Wärme der Seminarräume schafft einen spannungsreichen und zugleich einladenden Raumeindruck.
Übergroße, schwere Holztüren sind in Vollverglasungen
integriert, Aussparungen in den massiven Betonwänden
schaffen interessante Durchblicke, das Gebäude ist bis
ins Detail anspruchsvoll ausgearbeitet.
Auch von außen ist der Neubau rundum geglückt. Einfache klare Linien bilden einen Vorhof aus und treten
in Korrespondenz mit den Gebäudekanten des Hörsaal
Im Oktober 2010 wurde das neue Seminargebäude der
Universität zu Köln eingeweiht. Im Nachhinein ist es
leicht, Kritik zu üben. Trotzdem sprechen ein paar Gründe gegen das Seminargebäude. Denn die Universität
hat die Chance verpasst, aus dem Albertus-MagnusPlatz mehr zu machen. Das Seminargebäude hätte ein
attraktiver „Hingucker“ werden können, ein Haus des
Lernens, in dem man „schön“ studiert. Stattdessen: wieder gedeckte Farben. Es passt sich gut ein in das Einheitsgrau der Gebäude drum herum – dort stehen die
Universitätsbibliothek, das Philosophikum und das Hörsaalgebäude. Die Uni hat nun noch ein Gebäude mehr,
das an einen Klotz erinnert – kantig, massiv, sachlich.
Bildung soll – nein sie muss – grau sein, scheint die
Devise der Uni zu lauten. Und im Inneren fühlt man sich
zwar nicht mehr an einen Kerker erinnert, wie im Philosophikum, trotzdem wirkt die Holzverkleidung erdrückend.
Studenten, insbesondere die weiblichen, beklagen sich
darüber, dass die Toiletten im Untergeschoß sind. Jedes Mal, wenn man ein menschliches Bedürfnis verspürt, muss man aus den oberen Stockwerken bis in
den Keller laufen und wieder zurück. Eine weitere Toilette im obersten Stock wäre ein echter Kompromiss
gewesen. Aber das war den Verantwortlichen vielleicht
zu teuer. Schließlich musste das Seminargebäude
hauptsächlich aus Studiengebühren finanziert werden.
Auch das kritisieren Studenten zu Recht. Eigentlich ist
es Ländersache, sich um Neubauten und Sanierungen
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UMBAU ▪ Should I Stay or Should I Go? ▪ Pro / Contra über das neue Seminargebäude
gebäudes. Die symmetrisch gestaltete Fassade lässt
das Auge ruhen und schafft durch das Spiel von Beton
und Glas - Geschlossenheit und Offenheit - harmonische Proportionen. Das Seminargebäude integriert sich
zurückhaltend in das bestehende Ensemble und setzt
trotzdem mit seiner schlichten Eleganz einen neuen Akzent.
Insgesamt finden in dem Neubau 900 Studenten Platz.
Zehn Seminarräumen, ein PC- und ein Lesebereich
laden zum Lernen in einem ansprechenden Ambiente
ein. In Anbetracht der Größe und Qualität des Gebäudes sind die Kosten von 9,2 Million Euro gering und
lohnen sich allemal. Denn wie zahlreiche architekturpsychologische Studien belegen, wirkt sich eine angenehme Arbeitsumgebung positiv auf die Motivation und
Leistungsfähigkeit aus, so dass neben dem optischen
Gewinn auch eine inhaltliche Verbesserung der Lehre
und des Lernens erreicht wird.
der Universitäten zu kümmern. Nun müssen Studiengebühren herhalten für die folgenden Bachelor- und
Mastergenerationen, die an die Uni strömen. Momentan
würden die Studenten viel mehr profitieren, wären die
zusätzlichen Einnahmen durch die Studiengebühren in
eine das Lehrangebot investiert worden. Dazu gehören
neue Dozentenstellen, die Investition in Forschung und
ein größeres Angebot an Seminaren und Vorlesungen.
Stattdessen gibt es nun ein bisschen mehr Platz. Die
Qualität, mit der sich eine Universität normalerweise
gerne schmückt, bleibt auf der Strecke. In NordrheinWestfalen gab es noch nie so viele Studienanfänger wie
zum Wintersemester 2010/11. Bemerkenswert ist dabei,
dass an der Uni Köln die Zahl der neu eingeschriebenen
Studenten in diesem Semester sogar im Vergleich zu
Vorjahr um etwa sechs Prozent sank. Die haben sich für
andere Studienorte entschieden. Ob da ein neues, aber
graues und unscheinbares Seminargebäude hilft, den
Ruf der Uni zu verbessern und gute Studenten anzulocken, bleibt fraglich.
Alle Fotos von Heiko Heinemann
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Menschen rund um den Campus ▪ Auslandsaufenthalt ▪ Interview
Auslandsaufenthalt
Eine Erfahrung wert?
Viele Studenten sind sich am Anfang ihres Studiums
noch im Unklaren darüber, was sie genau studieren
wollen und eventuell auch, ob sie überhaupt studieren
sollen. Sie fragen sich, ob ein Auslandsaufenthalt nicht
geeigneter wäre als direkt das Studium zu beginnen.
Um diesen Fragen eine Antwort geben zu können, bevorzugen viele Studenten ein Auslandssemester, um zu
erfahren, was am Besten zu ihnen passt. Jedoch tun
dies nicht alle Studenten, da diese Angst haben, dass
sie eventuell das Falsche tun und ihr Aufenthalt im Ausland eine Zeit- und Geldverschwendung ist. Um diesen
Ängsten auf den Grund zu gehen, wurden zwei Studenten interviewt, welche jeweils vor Beginn des Studiums
im Ausland waren. Sie berichten über ihre Erfahrungen
und vermitteln, ob sie es sinnvoll finden, dass man sich
einen Aufenthalt einplanen sollte.
Frage: In welches Land sind Sie gegangen?
Jessica: Ich war für ein Jahr in den USA, im Staate New
York auf Long Island in Dix Hills.
Lisa: Ich war in Spanien, genau gesagt in Valencia, da
ich die Sprache so toll fand und nie Spanisch – Unterricht in der Schule hatte, es aber richtig lernen wollte.
Frage: Warum sind Sie zuerst ins Ausland gefahren
und nicht direkt studieren gegangen?
Jessica: Ich wusste noch nicht genau, was ich studieren
wollte bzw. meinen Berufswunsch. Ich brauchte etwas
Zeit und Überlegungsfreiheit.
Interview
Lisa: Nach dem Abitur war ich mir noch nicht sicher, was
ich studieren wollte. Natürlich habe ich auch überlegt,
Spanisch zu studieren, dafür wäre der Auslandsaufenthalt eine gute Vorbereitung gewesen. Allerdings ist mir
dann dort noch eine bessere Idee gekommen. Ich hatte
also in diesem Jahr nach dem Abi noch genügend Zeit,
mich für einen Studiengang zu entscheiden und diese
Zeit brauchte ich auch. Eine solche Entscheidung sollte
keine Kurzschlusshandlung sein und nicht überstürzt
werden. Ich bin jetzt auch im Nachhinein sehr zufrieden
mit meiner Wahl.
Frage: Was genau haben Sie im Ausland getan?
Waren Sie dort auch auf einer Schule oder einer Universität?
Jessica: Ich habe als Au – Pair bei meiner Gastfamilie
in Dix Hills gearbeitet und habe dort auf drei Kinder aufgepasst. Ich habe dort gelebt und fühlte mich wie ein
richtiges Familienmitglied. Ich hatte leider nur zwei Mal
einen Wochenendkurs, den ich belegen musste, der
dementsprechend nicht all zu anstrengend war. Mit normalem Unterricht ist dies nicht zu vergleichen.
Lisa: Ich habe als Au - Pair bei einer spanischen Familie
gearbeitet und gewohnt und zum Spanisch Lernen eine
Sprachschule besucht. Die Arbeit mit den Kindern konnte ziemlich anstrengend werden, aber ich hatte ziemlich
viel Freizeit. Die Sprachschule war super, ich habe die
Sprache gut gelernt und sehr viele Leute aus den verschiedensten Ländern getroffen. Dabei habe ich auch
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einige neue Freunde gefunden. In der Sprachschule
hatte ich definitiv am meisten Spaß.
Frage: Finden Sie es wichtig, dass man solche Erfahrungen macht?
Jessica: Ja, ich finde es sehr wichtig, da man so seine
Sprachkenntnisse erheblich steigert sowie persönliche
Stärken und Schwächen erkennt. Außerdem lernt man
dort selbstständig zu leben. Jedoch fiel es mir schwer,
wieder in ein geregeltes Studienleben zu gelangen, da
ich dort nicht jeden Tag mit der Schule oder einer Universität konfrontiert wurde.
Lisa: Für mich persönlich war diese Erfahrung sehr
wichtig, da ich schon immer den Drang hatte, mal von
zu Hause wegzukommen. Außerdem wollte ich natürlich
wissen, wie es sich in Spanien lebt, da mich das Land
schon lange sehr fasziniert. Die Erinnerungen an diese
Zeit sind wunderschön und ich möchte sie nicht missen.
Allerdings glaube ich, dass ein solcher Auslandsaufenthalt nichts für jeden ist. Man muss bereit sein, seine
Familie und Freunde für eine Zeit lang hinter sich zu
lassen und ins kalte Wasser zu springen. Alles ist neu
und fremd und natürlich kann man auch auf größere
Probleme stoßen, zum Beispiel, wenn man die Sprache
des Landes noch nicht so gut beherrscht.
Frage: Gibt es einen Unterschied zwischen Deutschland und dem Ausland?
Jessica: Besonders aufgefallen ist mir, dass in den USA
die Menschen sehr offen und sehr neugierig waren. Sie
kamen ohne zu zögern auf mich zu und nahmen mich
herzlich auf. Was aber leider ein Problem ist, dass die
Studienbeiträge unglaublich hoch sind und meist nicht
zu finanzieren, wie bei uns in Deutschland.
Menschen rund um den Campus ▪ Kleider machen Studenten?
Lisa: Natürlich, jedes Land hat seinen ganz eigenen
Charakter. Vor allem Spanien ist da anders. Alles wird
etwas lockerer gesehen als hier. Allerdings ist es als
Ausländer schwer, an die Spanier heranzukommen und
sich mit ihnen anzufreunden. Das habe ich auch von
vielen anderen Au - Pairs und Erasmus-Studenten gehört. Ein Problem dabei ist, dass viele Spanier ungern
Englisch sprechen oder es auch nicht können. Ohne
Spanisch kann es dort schon mal schwer werden.
Frage: Was hat Ihnen dort am meisten gefallen?
Jessica: Das Essen, die Mentalität der Menschen, meine Familie und Freunde.
Lisa: Die Stadt Valencia an sich ist einfach wunderschön und war auf Anhieb meine zweite Heimat. Tolle
Atmosphäre, Meer, was will man noch? Außerdem liebe
ich die Sprache.
Frage: Nun zum Schluss: Würden Sie anderen Menschen raten, im Ausland zu studieren oder einen
Auslandsaufenthalt in ihr Studium einzuplanen?
Jessica: Ja, ich persönlich würde auch gerne ein Auslandssemester machen, da man sich als Person einfach
besser kennenlernt und weiterentwickelt. Man lernt neue
Leute kennen, die Sprachkenntnisse werden erweitert
und hat bessere Chancen auf einen zukünftigen Job.
Lisa: Ich habe ja nicht in Spanien studiert, aber eine meiner besten Freundinnen in Valencia war eine ErasmusStudentin aus Heidelberg. Sie hat ihr Auslandssemester
dort sehr genossen und hat mir sehr empfohlen, während meines Studiums auch noch einmal ins Ausland zu
gehen. Ich finde es auch sehr empfehlenswert, da man
dort die Sprachkenntnisse weitaus besser erlernt als in
Deutschland.
Kleider
m achen
Studenten?
Wer kennt sie nicht,
die vielen Klischees
über Kleidungsstil und
andere Eigenheiten,
die jedem Studiengang so nachgesagt
werden. Egal ob Juristen, BWLer oder Geisteswissenschaftler,
jeder
Studi-Gattung
haften festgefahrene
Stereotypen an, die
vielschichtiger sind als
Kafkas Prozess. A propos Kafkas Prozess; ist es nicht so, dass ein Germanistikstudent niemals das Haus ohne ein Buch unter dem
Arm verlassen würde? Und stimmt es, dass es zu jedem
Biologen den passenden Birkenstock gibt oder dass
sich jede Informatikernase von einer großen Nerdbrille
schmücken lässt? Was sind sie denn nun, die hartnäckigsten Klischees über das Studentenvolk?
Wir haben uns für euch mal durch den Klischee-Jungle
gehangelt und dabei so manches ans Licht gebracht.
Der Konservativste unter der Studentenschaft ist der
Jurastudent. Als Poloshirt tragender Saubermann, natürlich nur von Ralph Lauren, versteht er es sich schick
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und elegant zu präsentieren. Er legt größten Wert auf
sein Äußeres. Selbstverständlich also, dass der lässig
um die Schultern gelegte und an der Brust vorne gekonnt verknotete Pullover, wahlweise in Rautenoptik,
farblich immer auf das Hochstellkragenpastellpolo abgestimmt ist. Als Must Have kombiniert er dazu sogenannte Segelschuhe an den Füßen.
Was für ihn das Schuhwerk, ist für die Juristin die für
die Uniunterlagen viel zu kleine Longchamp-Minihandtasche, die stilsicher in der Armbeuge herum chauffiert
wird. Auch in Sachen Pastellpoloshirt steht die Juristin
ihrem männlichen Pendant in nichts nach. Abgerundet
wird dieser „Look très chic“ mit obligatorischen Perlenohrringen und ebenfalls mit Timberlands.
Ganz anders erscheint da der Typ Geisteswissenschaftler. Was bei ihm auf keinen Fall fehlen darf, ist das Erbstück von Drahtesel, das als tägliches Fortbewegungsmittel schon lange Jahre treue Dienste leistet und ein
Coffee to go in jeder Lebenslage. Optisch gesehen
konnten wir folgende Unterschiede ausmachen:
Während sie ihr naturbraunes, mittellanges Haar aufgrund des herausgewachsenen Schnitts meist im Pferdeschwanz trägt, dazu eine pyjamaartige, etwas zu
kurze Schlaghose mit einem Pullover in Ringeloptik und
den Klassikern unter den Turnschuhen kombiniert, ist
der männliche Geisteswissenschaftler im allgemeinen
Metal-Anhänger, der sich gerne auch mal im Matrixmantel auf dem Campus zeigt und seine lange Haarpracht auf dem Kopf wie auch seinen experimentellen
Bartwuchs mit Stolz hegt und pflegt.
Die Lehramtlerin, oder auch Lehramtsmäuschen genannt, mag es verspielt, rüschig und ist meistens
hübsch anzusehen mit ihrer dezenten Schminke und
dem blonden Haar, das sie beinahe täglich mit einer
Menschen rund um den Campus ▪ Zum Spar-Paradies bitte hier entlang
anderen Frisur hervorzuheben weiß. Sie gilt als diszipliniert; hat schon als Kind Ballett gemacht. Heute geht sie
in ihrer rosa-weißen Esprit-Welt joggen und liebt Pferde
über alles. Auf die Frage warum sie denn auf Lehramt
studiere, fällt ihr Gerüchten zufolge die Antwort nicht
schwer: „weil Kinder ja so süß sind“.
Aber unter den vielen Klischees hält sich eines besonders beständig: „BWLer haben keine Ahnung, was sie
machen möchten. Da liegt das BWL Studium nahe, damit kann man doch irgendwie alles machen!“
Ja, der BWL-Student glänzt durch pseudo-bonzige Markenkleidung und Gelfrisur, durch makellose Bräune egal
zu welcher Jahreszeit dank regelmäßiger Sonnenbankgänge und durch einen gut trainierten Körper dank der
jahrelangen und treuen McFit-Mitgliedschaft. Aber nicht
nur was die Körperkunst angeht, ist der BWLer sehr
ausdauernd, auch der jährliche Pauschalmallorcasommerurlaub mit den „Jungs“ wird vorsorglich bereits ein
Jahr im Voraus gebucht.
Das weibliche Gegenstück kann es mit dem BWLer in
Sachen optischem Glanz aufnehmen, modisch ist sie
immer ganz vorne. Zur Standardausstattung gehört die
übergroße Gucci-Tasche, ein Muss sind die dazu farblich passenden Ballerinas oder wahlweise Pumps.
Ein anderes Exemplar unter der Studentenschaft wollte schon von Kindesbeinen an immer Feuerwehrmann
oder Weltverbesserer oder Arzt werden. Wie gelegen
da die Praxis von Papi doch kommt. Sein Hauptdasein
fristet er als Sohn, sein Haupterkennungsmerkmal ist
das schicke Auto und der adrette Hemdenstil.
Zum krönenden Klischeeabschluss wollen wir euch die
Vorstellung des Sportstudenten hier nun nicht vorenthalten. Könnt ihr ihn sehen, den braun gebrannten Adonis
mit seinem goldblonden Haar, das im Wind leicht weht.
Seht ihr ihn, wie er seinen gestählten, nur durch eine
Adidas-Shorts bekleideten Körper Kaugummi kauend
im Sonnenlicht präsentiert, indem er seinen rechten Fuß
gekonnt auf einem Ball abstützt und euch zuzwinkert?
Ein Bild für Götter oder welche die es werden wollen!
Doch jetzt bloß nicht die Hoffnung verlieren, ihr lieben
Geisteswissenschaftler, Jurastudenten und wie ihr alle
heißt. Ihr müsst ja nicht gleich Sport studieren, um in
den Götterolymp aufzusteigen. Aber mal ehrlich, der
verbleichte Streifenpulli aus Papis Abizeiten oder die
„Germany‘s next Topmodel“-High Heels à la Heidi Klum
müssen es ja nun wirklich nicht sein.
Ach was soll das ganze Moralapostel-Getue, am Ende
zählt doch eh nur: erlaubt ist was gefällt! Und nicht vergessen, Kleider machen Klischees!
Zum Spar-Paradies
bitte hier entlang
57, 58, 59 – zack. Endlich! Der Zeiger schlägt halb 2 und
ich kann ein weiteres Mal mit Fug und Recht behaupten,
das gute alte, etwas eingestaubte ÄDL-Proseminar über
Gottfried von Straßburgs Tristan ohne größere Schäden und vor allem ohne allzu hohe Denkanstrengung
überlebt zu haben. Denn die grauen Zellchen müssen
ja auch jetzt erst ihre absolute Höchstleistung abrufen.
Es stellt sich nun nämlich die allmittägliche, ultimative,
universalglobale Frage: wohin gehts zum Essen?
Mangels Alternativen entscheidet man sich dann oft für
die bequemste aller Möglichkeiten, man besucht die
Mensa. MOMENT, was heißt hier mangels Alternativen? Es ist doch wohl jedem frei gestellt, in die City zu
fahren und beim „Italiener seines Vertrauens“ (komisch,
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die sehen da alle irgendwie so indisch aus) eine vor
Fett triefende, viel zu teuere und ganz nebenbei auch
recht spärlich belegte Pizza zu genießen. Die kommt
dann meistens auch noch aus der mindestens schon
3-mal vom Gesundheitsamt dicht gemachten und jetzt
trotzdem mit irgendeinem höchstoffiziellen Zertifikat
ausnahmsweise wieder geöffneten Küche. Wer das
möchte, bitte.
Zurück zur Mensa. Meine Devise lautet immer, warum
in die Ferne schweifen, wenn das Gute ist so nah. Allen
Unkenrufen zum Trotz entscheide ich mich also doch
für die unieigene Kantine. Zugegeben, das Ambiente
erinnert eher an den sterilen Möbelhaus-Schick á la
IKEA-Cafeteria, aber ich will ja dort auch nicht den Rest
meines Lebens verbringen, sondern einfach nur etwas
essen. Und das kann man in der Mensa, sehr gut.
Ich selbst bin was essen angeht, eher anspruchslos.
Schnitzel mit Pommes dazu Salat und mein Tag ist gerettet. Selbstverständlich gibt es nicht nur solche Nahrungsbanausen wie mich, auch für Freunde des Gourmetwesens ist in der Mensa immer was dabei. Man hat
ja schließlich die Wahl, ob vegetarisch, frisch vom Grill
oder für Fitnessfreaks die Salatbar, hier findet jeder Topf
auch seinen Deckel.
Und wie sieht das dann aus, was man da liebevoll von
der Dame mit der weißen Schürze auf den Teller drapiert
bekommt? Das kann sich auf jeden Fall sehen lassen.
OK, vielleicht werden in der berühmten „Balkan-Sauce“
die übrig gebliebenen Zutaten der letzten zwei Wochen
verarbeitet und beim Cordon Bleu braucht man schon
mal die Lupe um den Schinken zu erspähen. Aber rufen
wir uns doch einfach noch mal die anfangs erwähnte
Pizza ins Gedächtnis … Also.
Das schöne an der Mensa ist ja, man hat immer ein
Menschen rund um den Campus ▪ Musikwissenschaft ▪ Eine Vorstellung aus Studentischer Perspektive
Mitspracherecht. So darf ich mir zum Beispiel das Dressing für meinen Salat selbst aussuchen und das Angebot ist dabei mindestens genauso groß wie bei Mces
oder Burger King. Auch bei der Wahl meines Nachtischs
stehen mir mindestens vier verschiedene Desserts zur
Verfügung, solch ein reichhaltiges Sortiment würde ich
mir auch mal beim Seminarangebot meines BachelorStudiengangs wünschen. Egal. Habe ich mich nun für
das Gericht meiner Wahl entschieden, kommt der eigentliche Clou, es geht ans Bezahlen. So, und jetzt liebe Freunde des guten Geschmacks (das ist hier sogar
mal wörtlich zu verstehen): es handelt sich bei aller Liebe immer noch um Mensa-Essen und man kann natürlich keine 5-Sterne-Haute-Cuisine erwarten, ABER für
knapp 2,50 € gibt es was das Preis-Leistungsverhältnis
betrifft für Studenten definitiv nichts Besseres. Ich jedenfalls bin absolut Mensa pro.
Wusstest du schon?
Auch der/dem besten Freund/in
kann man nicht immer alles erzählen. Dafür gibt es die „Nightline“.
Studenten der Uni Köln hören dir
am Telefon einfach nur zu, wenn‘s
mal nicht so gut läuft. Außerdem
können sie dich an Experten und
Hilfestellen weitervermitteln.
Kostenlos! Mehr Infos:
www.nightline.uni-koeln.de
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Musikwissenschaft
Nicht nur eine Lehre der Musiktheorie
Viele Musikwissenschaftler werden Aussagen wie „Du
studierst Musikwissenschaft? Welches Instrument
spielst du denn?“ wohl jedes Mal hören, wenn sie von
ihrem Studiengang berichten. Jedoch wissen die meisten nicht, dass Musikwissenschaft nicht nur aus Musiktheorie besteht. Um das Studium bestehen zu können,
ist es nicht notwendig, ein Instrument zu spielen. Das
Studium besteht aus vier Teilgebieten, wo Musiktheorie
meist nur eine Untergeordnete Rolle spielt.
Das erste Teilgebiet der Musikwissenschaft besteht aus
der Historischen Musikwissenschaft I, die sich tatsächlich mit der Musiktheorie beschäftigt. Dort werden die
Grundlagen in die Musiktheorie wie auch in die Musikhistoriographie gelehrt. Beschäftigt wird sich hier vor allem mit der abendländischen Musikgeschichte und den
Strömungen, die diese ausmachen.
Ein weiterer Teilbereich beschäftigt sich ebenfalls mit
der Historischen Musikwissenschaft, jedoch ist dies
das Teilgebiet der Neueren Musik. Hier ist der Schwerpunkt jedoch auf die Elektroakustische Musik gelegt,
die nichts mehr mit der herkömmlichen Musiktheorie zu
tun hat. Die Elektroakustische Musik hat keine strengen
Formen wie die der Musiktheorie. Sie hat keine Noten
und verzichtet auf Beschränkungen. Meist ist sie durch
Symbole dargstellt, kann aber auch durch vieles anderes veranschaulicht werden. Beispielweise durch Graphiken. Da sind dem Künstler keine Grenzen gesetzt.
Jeder kann hier unterschiedliche Perspektiven erkennen; hier wird nie etwas als falsch angesehen, nur als
eine andere Denkrichtung.
Die Einführung in die Kulturanthropologie der Musik beschäftigt sich vor allem mit der Kultur der Musik. Es wird
vermittelt, wie Musik mit Kultur in Verbindung steht und
wie diese entstanden ist. Weiterhin wird eine Einführung
in die Popularmusikforschung ermöglicht, die die Vielfalt
der Musik nochmals deutlicht zeigt.
Last but not least gibt es noch das Teilgebiet der Science
of Music. Dies ist die naturwissenschaftliche Herangehensweise an Musik. Es wird erforscht, was im Gehirn
passiert, wenn wir Musik wahrnehmen. Ebenfalls kann
man dort viele Dinge über das Hören, dementsprechend
auch der Funktion des Ohres erfahren. Allerdings wird
nicht nur der kognitive Aspekt in Science of Music dargestellt, auch die mathematische bzw. die Informationstechnische Seite werden dargestellt: Berechnet werden
Schallschwingungen, Lautstärken werden gemessen
und mit Musikcomputern gearbeitet. Wer Angst hat,
dass dieser Teilbereich nur etwas für Mathegenies ist,
irrt sich: Auch Menschen, die nicht so viel mit Mathe und
Physik zu tun haben, können auf ihre Kosten kommen!
Nur mit Bedacht sollte nun gefragt werden, welches Instrument gespielt wird. Mit Aussagen, auf welchen Teilbereich man sich spezialisieren möchte, verdeutlicht derjenige viel besser, welche Richtung der Musikforschung
studiert wird. Denn das Studium ist nicht nur reine Lehre
der Musiktheorie. Es besteht aus vielfältigen und vollkommen unterschiedlichen Teilbereichen, die die Musik
sowie ihre Untersuchung so einzigartig macht.
Menschen rund um den Campus ▪ Frost, Heavy Metal und Eichhörnchen ▪ Auslandssemester in Finnland
F rost
Heavy Metal
und Eichhörnchen
Dass man im Ausland studiert haben sollte, kriegt man
immer wieder von allen Seiten eingetrichtert. Viele Fragen und Ängste stehen einem jedoch oft selbst im Weg
dorthin. Wie genau läuft die Bewerbung ab? Wo fängt
man an und was erwartet einen in der Fremde?
Vanessa H.(22) , eine Germanistik und Anglistik Studentin hat sich getraut und ist den Weg von Köln nach
Helsinki und wieder zurück gegangen. Mit einigen Umwegen versteht sich.
Aller Anfang ist...stressig
Ein Auslandsaufenthalt stand für sie schon von Anfang
an fest und war als Teil ihres Studiums eingeplant.
Nach dem vierten Semester war die Zeit dafür gekommen. „Ich fand, es war die passendste Zeit dafür. Später zu fahren wäre ungünstig, da ich dann im Ausland
prüfungsrelevante Kurse hätte belegen müssen. Das
Ganze zählte in Köln als Urlaubssemester. Ich war zwar
noch immatrikuliert, musste jedoch keine Studiengebühren bezahlen.“
Den ersten Anlaufpunkt stellte das Erasmus Büro des
Englischen Seminars dar. „Die allgemeine Infoveranstaltung dort war weniger informativ, da ich das Meiste bereits vorher auf ihrer Internet Seite gelesen habe.
Auch die Seiten der Unis, die für mich in Frage kamen
waren hilfreich. Dass es am Ende Helsinki geworden ist,
lag zum einen an dem Land selbst, zum anderen aber
auch an Finnlands Nachbarländern. Da ist alles so nahe
beieinander.“
Nachdem das wissenschaftliche Motivationsschreiben
aufgesetzt war, gab es für die Studentin den üblichen
Papierkrieg zu bewältigen, den sie jedoch nicht allzu
schlimm fand. „Es gab natürlich Deadlines, die man einhalten musste, doch es war absolut machbar. Die Hilfe und Beratung in Deutschland und aus Finnland war
sehr gut. Man wurde ordentlich vorbereitet. Ich wusste
eigentlich ziemlich genau was da auf mich zukam.
Pick me up
In Helsinki gab es einen „Pick up Service“. Da hat mich
eine finnische Studentin direkt vom Flughafen abgeholt
10
und zusammen mit einem anderen Mädchen,
das mit mir aus Deutschland eingeflogen war, zu
unserem Wohnheim gefahren. Das war super,
da man so schnell eingebunden war und kaum
alleine sein musste. Gerade am Anfang ist das
sehr hilfreich.“
In die Stadt verliebte sich
Vanessa auf den ersten
Blick. „Der Mix aus Alt
und Neu in der Architektur hat es mir ziemlich angetan. Und man hat dort
viel Platz, es wird nicht so
eng gebaut wie bei uns.
Als ich dann die Universität gesehen habe, war das ein
angenehmer Schock. Das war ein ziemlicher Kontrast
zu den grauen und schmucklosen Betonbauten in Köln.
Im Hauptgebäude dort gibt es Skulpturen und ganze
Prunksäle mit Samtsitzen.
Die erste Zeit bin ich mit einem Dauergrinsen durch die
Gegend gelaufen.
Was auch toll war, war das Lernzentrum Aleksandria.
Das ist ein mehrstöckiges Gebäude, welches nur für
selbständige Arbeit vorgesehen ist. Das Haus ist super ausgestattet – PCs, Drucker etc. Man kann sogar
einzelne Räume für Gruppenarbeiten mieten. Die Bibliotheken sind zwar kleiner, als in Köln, doch hat man
uneingeschränkten Online-Zugang auf alle relevanten
Datenbanken. Das ist sehr praktisch.“
Menschen rund um den Campus ▪ Frost, Heavy Metal und Eichhörnchen ▪ Auslandssemester in Finnland
Spinnen die Finnen?
Die Finnischen Studenten beschreibt Vanessa als „Sehr
aufgeschlossen. Sie haben immer wieder versucht mich
auf Finnisch anzuquatschen. Als sie dann erfahren haben, dass ich aus Deutschland komme, waren sie sehr
interessiert und neugierig. Sprachlich ging das gut klar
– jeder kann dort Englisch.
Auch der Unterricht läuft da etwas entspannter ab, als in
Köln. Die größte Veranstaltung, die ich da besucht habe,
zählte gerade mal 40 Teilnehmer. Die meisten Studenten und Dozenten duzen sich, es gibt viel Austausch
zwischen ihnen. Man kriegt so schnell tolle Denkanstöße und Hilfestellungen. Und ich war im Unterricht nicht
nur unter Erasmus-Studenten – das hat den Kontakt zu
den Einheimischen sehr voran getrieben.“
Headbanging im Schnee – das Nachtleben
„Als Metal Fan war ich natürlich viel
auf Konzerten unterwegs. Gerade
in dieser Richtung gab es ein tolles Angebot. Für weniger Geld als
bei uns gibt es da allerlei große
und kleine Namen aus der Szene.
Angeschaut habe ich mir unter anderem Korpiklaani, Ensiferum und
Rotten Sound. Übrigens: wer sagt,
die Finnen wären schüchtern, sollte unbedingt mal auf so ein Konzert
gehen. Das ist total wild. Man wird
sofort eingebunden und auf einen „Fisu“ eingeladen. Als
Deutsche wurde mir aber auch schnell ein Jägermeister
spendiert.
Es gibt natürlich auch für Nicht-Metaller viel zu tun. Die
Indie- und Pop-Szene da ist ziemlich stark.“
Auf Abwegen
Von Helsinki aus kommt man schnell in Finnlands
Nachbarländer. Eine Gelegenheit, die die Studentin
nicht ungenutzt lassen wollte. So bereiste sie das nur
wenige Stunden entfernte St. Petersburg mit dem Bus
und blieb dort vier Tage. Stress an der Grenze inklusive,
versteht sich.
„Die haben auf der Rückfahrt einfach die Grenze zu gemacht und den Busfahrer mitgenommen. Die Tür stand
stundenlang offen, draußen hatten wir minus 18 Grad.
Die Erkältung habe ich fast sofort bekommen. Trotzdem
hat es sich gelohnt – St. Petersburg ist eine tolle Stadt.“
Eine Woche Lappland stand ebenfalls auf dem Programm. Blockhütten, Sauna, Rentier- und Huskyschlitten, Spaziergänge auf gefrorenen Seen und natürlich
Santas Dorf – das Land wurde seinem zauberhaften
Ruf als Märchenlandschaft aus Schnee und Eis voll gerecht.
„Tallin, die Hauptstadt von Estland, ist nur zwei Stunden
mit der Fähre von Helsinki entfernt. Die Reise ist ziemlich billig und Tallin hat eine wunderschöne Altstadt.
Dort bin ich einige Male hingefahren.“
Das letzte Wort...
...hat Vanessa:
„Ich kann diese Erfahrung nur empfehlen.
Und wenn ihr in Helsinki seid: nehmt das Nachtleben
unbedingt mit! Und lasst euch dabei nicht von den hohen Preisen abschrecken – es gibt immer günstige und
tolle Alternativen.
Reist viel – nutzt die Nähe zu den Nachbarländern aus.
Und besucht Seurasaari, eine Insel in Helsinki: dort gibt
es zutrauliche Eichhörnchen!“
11
Wusstest du schon?
Es gibt einen international anerkannten Studentenausweis!
Die „International Student Identity Card“, kurz ISIC, bietet Rabatte
in über 100 Ländern weltweit. Sie
existiert bereits seit 1968 und ermöglicht jungen Studenten, auch
außerhalb Deutschlands Kulturen günstig näher kennen zu lernen. Gegen Vorlage des aktuellen
Studentenausweises und einen
Beitrag von 12 Euro gibt es diese
Karte in über 500 Ausgabestellen
in Deutschland zu erwerben. Viel
Spaß beim Reisen!
BILDUNGSPOLITIK ▪ Ich will es nicht erzählen - Ihr wollt es nicht hören ▪ Bachelorstudium = Dauerreferat
Ich will es
nicht erzählen
ihr wollt es
nicht hören
Wenn das Bachelor Studium zum
Dauerreferat verkommt
Meine Augen werden schwerer. Immer schwerer. Der
monotone Vortrag des Referenten hat etwas von einem
Gute Nacht Lied, das meine Mama mir früher immer gesungen hat. Alles auf einer Tonhöhe, ohne Punkt und
Komma, keine Stimmschwankungen, keine Abwechslung. Den Faden habe ich schon nach fünf Minuten
verloren – nicht dass ich mir besondere Mühe gemacht
hatte es nicht zu tun.
Ich kenne den Menschen, der sich vor dem Kurs abstottert. Dieses Semester habe ich schon einige Referate von ihm mitbekommen. Stets waren sie furchtbar
strukturiert, völlig undurchsichtig und wenig informativ.
Der Dozent schien zufrieden zu sein. Selbstverständlich
waren meine Referate nicht besser. Die auf das Allernötigste reduzierte Recherche, schmucklose und eigentlich unnötige Power Point Präsentation, ein „Augen zu
und durch“ Vortrag. Die Reaktion der Kommilitonen war
dem Vortrag entsprechend - es gab keine.
Dies war nicht immer so. Mit Staunen erinnere ich mich
an meine ersten Referate am Studiumsbeginn. Nervös,
engagiert, in der Hoffnung das mir zugeteilte Thema gut
rüber bringen zu können bearbeitete ich die Sekundärliteratur. Ich übte den Vortrag zuhause ein, machte mir
Karteikarten und las mich zur Sicherheit ausführlich in
die Thematik ein. Nach meinem Referat gab es Fragen
aus dem Plenum, man diskutierte, debattierte, tauschte
sich aus. Eigentlich ist es doch genau das, wofür ein
Referat gut ist.
Was aber ist geschehen? Wie lässt sich dieser Kerl erklären, der da vorne gerade ein völlig belangloses Referat hält? Und was ist mit dem Publikum? Wieso hört
keiner zu? Was ist wann und weshalb schief gegangen?
Schlechte Referate hat es schon immer gegeben. Das
Sprechen vor Menschen liegt nicht jedem und auch
nicht jeder Student gibt sich wirklich viel Mühe sein Thema zu bearbeiten. Doch ist dies nicht der Grund, weshalb ich beim Hören des Wortes „Referat“ am liebsten
mein Studium hinschmeißen würde. Der Grund ist die
Häufigkeit, mit der Dozenten einen im Bachelor System
mit eben diesem Unwort beauftragen.
Ganze Kurse sind mittlerweile darauf aufgebaut. In der
ersten Sitzung werden die Themen vergeben, danach
beginnt der Marathon. Sitzung für Sitzung stehen meine
Kommilitonen neben dem Beamer und erzählen mir irgendwelche Dinge, von denen sie selbst kaum eine Ahnung haben. Ich kann ihnen die schlechte Qualität und
die Oberflächlichkeit nicht verübeln. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sie in einer Woche wahrscheinlich
mehrmals ran müssen. Denn so ein Referat kommt selten allein.
Der Dozent zieht sich in diesen Kursen völlig zurück.
Manchmal vergisst man sogar, dass es ihn überhaupt
gibt. Denn eigentlich sind viele dieser Seminare gar
keine Seminare mehr, sondern Tutorien. Studenten
12
helfen sich gegenseitig dabei ein Thema zu verstehen.
Sie erarbeiten es, bringen es anderen nahe und versuchen eine Diskussion anzuregen. Berechtigt scheint da
die Frage: Wozu der Dozent? Dem scheint es nämlich
völlig egal zu sein, was da in seinem Kurs erzählt wird,
solange überhaupt etwas kommt. Oft kann man es ihnen nicht einmal zum Vorwurf machen. Das Bachelor
System mit seinen Credit Points sieht es manchmal vor,
dass jeder in einem Kurs mit 40 Teilnehmern ein halbstündiges Referat hält. Da bleibt nun mal keine Zeit für
den Unterricht – die CPs müssen ja irgendwie zu KLIPS
gelangen.
Manche Dozenten sind weit weniger passiv. Diese verbringen die meiste Zeit damit sich darüber aufzuregen
wieso wir denn so schlechte Vorträge halten. Zu ihrer
Zeit, hießt es dann oft, hat man sich schon Wochen
vorher auf ein Thema vorbereitet. Man las Tausende
von Texten, um jede eventuelle Frage beantworten zu
können und überließ auch sonst nichts dem Zufall. Unerwähnt lassen sie meistens, dass sie es „zu ihrer Zeit“
mit ungleich weniger vollbepackten Stundenplänen zu
tun hatten und sich auch den Luxus erlauben konnten
in ein Thema einzutauchen. Und noch ein Unterschied:
ihr Publikum war noch nicht so übersättigt. An Tagen, an
denen man in drei Veranstaltungen sieben Referate am
Stück hören muss (mein trauriger Rekord), ist es spätestens nach dem dritten völlig gleichgültig was einem
da erzählt wird.
Doch so verdient man sich CPs. Und darum geht es
doch bei unserem Studium. Oder? Ich weiß es eigentlich nicht mehr so genau. Aber bald hält jemand sicherlich einen Vortrag darüber.
BILDUNGSPOLITIK ▪ NRW - Deine Studiengebühren ▪ Kommentar
Nordrhein-Westfalen
deine Studiengebühren
Mit einem Lächeln auf dem
Gesicht blickten wir Studenten in Nordrhein-Westfalen noch im Oktober auf
das nächste Wintersemester, mit dem die Abschaffung der Studiengebühren
kommen sollte. Doch jetzt
ist die Verwirrung groß –
wird es überhaupt soweit
kommen?
Die frisch gewählte Landesregierung aus SPD und Grünen hatte die Abschaffung der Studiengebühren nach
der Wahl im Frühjahr auf einen der ersten Plätze ihrer
Prioritätenliste gesetzt. Stolz wurde dann Mitte des Jahres verkündet, dass im Landtag über einen Gesetzesentwurf abgestimmt werden sollte, der die Abschaffung
der Studiengebühren zum Wintersemester 2011/2012
gesetzlich festlegt.
Doch vor wenigen Wochen wurden Stimmen laut, zu
dieser Abschaffung würde es nicht kommen. Die Verhandlungen diesbezüglich seien gestoppt und weitere
Schritte würden sich erst im Verlauf der Haushaltsdebatte im Landtag herauskristallisieren.
Da kommen Fragen auf: Ist es klug als neue UND Minderheitsregierung die Studentenschaft derart abzublocken und zu verunsichern? Sind sich SPD und Grüne in
ihrem Vorhaben, den Gesetzesentwurf durchzubringen,
so sicher, dass sie eine weitere Verzögerung in Kauf
nehmen können?
Das zuständige Ministerium, nämlich das Forschungsministerium und nicht wie anzunehmen ein Bildungsministerium, bildet sich auf seinen Internetseiten
durchweg als Verkünder der frohen Botschaft ab. Der
Gesetzesentwurf steht zum Herunterladen und Einrahmen zur Verfügung, sowie eine Rede der Ministerin
Svenja Schulze, in der sie die allseits bekannten Vorzüge einer Abschaffung der Studiengebühren präsentiert.
Kein Wort von Verzögerung oder Stopp.
Die Landesregierung kann es sich zu diesem Zeitpunkt nicht leisten, das Thema Studiengebühren unter
den Tisch fallen zu lassen. Bekannterweise hat diese
Regierung als Minderheit einen schweren Stand, das
Wahlkampfthema Nummer 1 zu vernachlässigen, wäre
jedoch ein klarer Vertrauensbruch gegenüber den Wählern. Als besonders clever und strategisch günstig kann
man die derzeitige Situation demnach nicht bezeichnen.
In der Abschaffung der Gebühren steckt durchaus Potential, die Regierung in ernsthafte Schwierigkeiten zu
bringen.
Alles was sich die Landesspitze mit diesem Zögern
einhandelt, sind weitere Demonstrationen und Proteste
der Studentenschaft des Landes, von uns – und das zu
Recht. Wer uns mit anscheinend festen Zusagen derart
aufpusht, hat es nicht anders verdient.
13
Wusstest du schon?
Köln ist nicht nur Millionenstadt
und Metropole, sondern auch Studentenstadt! Viele Rabatte auch
außerhalb von Museen und Kinos
warten auf den klammen Studenten, sodass auch Kultur und Freizeit nicht zu kurz kommen müssen.
Im Kölner Zoo zahlen Studenten
gegen Vorlage ihres Ausweises
nur 9 statt 14 Euro Eintritt, auf den
Kölner Dom inklusive Besichtigung
der Domschatzkammer kommt
man schon für 2,50 Euro statt 5
Euro. Auch für gesunde Ernährung
ist gesorgt: Die Bio-SupermarktKette „Basic“ bietet allen Studenten Mittwochs 10% Rabatt auf den
Einkaufspreis. Den größten Rabatt
bekommt man allerdings im Schauspielhaus. Studenten zahlen nur 6
Euro auf allen Plätzen statt bis zu
26 Euro für Normalzahler. Da wird
der Gang ins Theater beinahe zur
Pflicht.
BILDUNGSPOLITIK ▪ Ich hielt sie wie die Bibel in der Hand ▪ Erfahrungsbericht Magisterabschluss
Ich hielt sie wie die
Bibel in der Hand
Erfahrungsbericht über den Abschluss eines Magisters.
Es scheint, als sei es das schwierigste Moment des
Studiums überhaupt: Das Studium abzuschließen. Die
meisten wollen dies auch nicht nur irgendwie vollbringen, sondern mit Bravour. Das Studium repräsentiert
die Arbeit, jetzt ist die Kür dran.
Das Anmelden an sich ist schon eine Aventüre. Viele
Studenten sagen, sie hätten das Gefühl, dass dies wohl
die wirkliche Herausforderung des Studiums sei. Sie
hetzen von der Studienberatung zum Dekanat, dann
zum Prüfungsamt und zur Sprechstunde des Prüfers
um schlussendlich nochmal die ganze Runde wieder
von vorne anzufangen. Alle wollen sie die Originale der
Dokumente haben, alle wollen Stempel, die bezeugen,
dass man Zettel A vor Zettel B errungen hat.
Für die Anmeldung zur Magisterprüfung findet man
zwar Anleitungen auf der Institutsseite, allerdings ist
hier nicht vermerkt, dass die Abgabe der Magisterarbeit
mindestens zehn Wochen vor den Prüfungen vonnöten
ist. Die Magisterarbeit muss nämlich bestanden sein,
ehe der Examenskandidat die Klausuren antritt.
Daniel B., 27 hat es hinter sich. Er hat das Magisterdiplom, versehen mit einer stolzen 1,2 in der Tasche. Bis
dahin war es aber ein abenteuerlicher Weg der ihn sehr
viel Kraft, Nerven, Zeit und Schweiß gekostet hat. Hilfe
hatte er aber auch: Zahlreiche Tassen Kaffee und Ziga-
retten und die Freunde, die täglich mit ihm der Bibliothek büffelten. Daniel beschreibt das Examensjahr als
“hardcore“, in jener Zeit wäre die Uni eher sein Zuhause
gewesen als seine eigentliche Wohung.
Daniel empfiehlt, die Magisterarbeit und die Klausuren
in einem Ruck durchzuziehen und sie nicht auf mehrere
Semester zu verteilen.
Eine weitere Startschwierigkeit ist das Thema der Magisterarbeit. Das Thema muss mit dem Prüfer auf Punkt
und Komma genau abgeklärt werden. Der Prüfer schickt
das Thema dann an die Prüfungsstelle und diese schicken es dann schlussendlich dem Exmenskandidaten
nach Hause. Ist das Thema allerdings nicht exakt jenes,
welches man mit dem Prüfer abgesprochen hat, wird es
abgelehnt.
Daniel hatte, wie so viele, nicht wirklich eine genaue
Idee was er als Thema für seine Magisterarbeit wählen soll. Die Sprachwissenschaft des Deutschen hat
ihn aber immer besonders interessiert und fasziniert. Er
ging also, wie er sagt “vollkommen ahnungslos“ zu seinem Dozenten, der sein Interesse an einem bestimmten
Thema erweckte, da das Thema aber leider nicht sein
Spezialgebiet war leitete dieser ihn an einen anderen
Dozenten weiter. Dieser Dozent war aber alles andere
als hilfsbereit. Auf Daniels Anfrage hin, ob der Dozent
14
ihm vielleicht weitere Fachliteratur empfehlen könnte,
schrieb dieser zurück,dass dies ‘so klingen würde, als
würden Sie eine ausgearbeitete Bibliographie erfragen’.
Daniel schrieb aber auch dem Autoren eines Fachartikels, den er passend fand für sein Thema. Der Autor
schrieb eine äußerst hilfsbereite und freundliche Mail
zurück, die anmerkte, dass er sich jederzeit bei aufkommenden an ihn wenden könnte. Im Anhang der Mail befanden sich, neben diesem großzügigen Angebot auch
zwei nicht-veröffentlichte Artikel des Autors.
Daniel empfiehlt, ehe man überhaupt anfängt Fachliteratur zum Thema zu suchen, ein paar Einführungsbücher zu lesen. Die Einführungsbücher halfen ihm,
sein Gedächtnis aufzufrischen um eine solide Basis als
Voraussetzung zu der kommenden Arbeit zu etablieren.
Die nächsten drei bis vier Monate verbrachte Daniel mit
lesen. Hierbei hat er auch neuere Artikel mit einbezogen, um den Überblick über das Thema zu erhalten. “Es
ist wichtig, das Thema zu strukturieren und zu ordnen“,
dies um die Orientierung im Auge zu behalten und der
enormen Quantität der Literatur die sich ansammelt, zu
trotzen. Des Weiteren ist nichts, was man liest umsonst,
da alles irgendwo verarbeitet werden kann, es geht nur
darum die richtige Stelle im Text zu finden, wo man es
unterbringen kann.
Nach dem Lesen der Fachliteratur, dem Strukturieren und dem Konzipieren kommt dann der schwerste
Schritt, nämlich das Schreiben selbst. “Man ist auf das
Lesen gepolt, jetzt muss man das Material aufs Blatt
bringen.“ Daniel hat erst mal eine Woche pausiert, um
Distanz zu gewinnen und um Luft zu holen. Dann gab
er sich eines Abends einen Ruck und schrieb die Ein-
BILDUNGSPOLITIK ▪ Ich hielt sie wie die Bibel in der Hand ▪ Erfahrungsbericht Magisterabschluss
leitung nieder. Da es quasi ein Ding der Unmöglichkeit
ist, sich selbst einzuschätzen, ließ er diese dann von
einer Bekannten prüfen, die meinte, die Einleitung “sei
gut und sie wisse nicht, warum er sich einen Kopf mache“. Dies half ihm mit gestärktem Selbstbewusstsein
weiterzuschreiben.
Eine Magisterarbeit an der Universität zu Köln muss
mindestens 53 und maximal 66 Seiten beinhalten. Es
ist sehr wichtig die Formalitäten einzuhalten, sind diese
doch die Visitenkarte der Arbeit und demzufolge auch
die des Studenten. Eine weitere Empfehlung von Daniel ist, die Fußnoten sofort zu integrieren, ehe man den
Überblick verliert. Auch die benutzten Quellen gehören
direkt in die Literaturliste, hier würde man dann wiederum feststellen, dass man kein Buch umsonst gelesen
hat. Ein weiterer Schritt in der Konzeptionsarbeit ist, sich
ein System auszudenken, das einem hilft sich wiederzufinden und sich nicht in den Unterlagen zu verlieren.
In der Mitte der Magisterarbeit dann der Schock: Daniel stellte fest, das er sich auf zwei Thesen gestützt
hatte, die sich ausschließen, dies machte es ihm unmöglich, die Gesamtthese zu belegen. Das Vertrauen in
die Quellen hatte ihn irregeleitet. In seiner Verzweiflung
wandte sich Daniel an den Prüfer, der meinte, er würde
darauf vertrauen, dass Daniel eine Schnittstelle zwischen den beiden Thesen fände. Bis Abends saß Daniel
dann in der Bibliothek und fabrizierte Zeichungen um
die Schnittstelle schlussendlich zu finden. Die Erleichterung, als er feststellte, dass er seine Arbeit nun doch
noch retten kann, war “unbeschreiblich“. Außerdem
hatte ihn diese Erfahrung zu einem persönlichen und
wissenschaftlichen Erfolg verholfen, da er einen neuen
sprachwissenschaftlichen Aspekt eruiert hat.
Für das Schreiben selbst empfiehlt sich ein Literaturprogramm, wie zum Beispiel das Programm ‘Citari’. Citari
besitzt einen praktische Suchbrowser und die Möglichkeit, zum Beispiel bestimmte Quellenangabetypen zu
programmieren.
Daniels Motivation war eine treibende Angst. Sein Alltag, der sich nur in der Uni abspielte, musste erhebliche
Einbüßungen über sich ergehen lassen. Ein langjähriger
Freund, der ihn besuchte, bekam einen fürchterlichen
Schreck, als er ihn nach längerer Zeit zum ersten Mal
wiedersah. Aber Daniel hat auch die Freundschaften,
die in der Bibliothek entstanden sind oder ihn dorthin begleiteten, gefestigt und gestärkt. Zusammen zu lernen,
einander zu helfen den Papierkram zu erledigen und vor
allem die gegenseitige moralische Unterstützung geben
Kraft und Muße die Examenszeit durchzustehen.
Nachdem das eigentliche Schreiben beendet ist, sollte
man noch mal drei bis vier Wochen für die Formatierung
einplanen. Es ist sehr wichtig, das “Ebenda“, also die
formellen Angaben des jeweiligen Institutes, vom ersten
Tag an im Auge zu behalten. Auch ist es extrem wichtig, die Arbeit stetig auf einem USB-Stick oder externen
Harddisk zwischenzuspeichern, sodass man im Falle
eines Absturzes des Computers nicht Gefahr läuft, einen Herzinfarkt zu bekommen.
“Das Ausdrucken war der Knaller!” Daniel hat die fertige
Magisterarbeit noch von drei Freunden korrekturlesen
lassen. Alle drei haben unterschiedliche Fehler gefunden. “Mir war aber auch bewusst, dass es unmöglich ist,
alle Fehler zu finden.“ Es sei ein “unglaubliches Hochgefühl“ gewesen, die Arbeit auszudrucken und das Ge-
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schriebene in den Händen zu halten. Als Daniel darauf
wartete, dass der Kleber trocknet, “hätte er sie wie eine
Bibel in den Händen gehalten“. Das Einreichen an sich
sei dann relativ formell und unspektkulär abgelaufen.
Ausruhen nach der Abgabe ist aber nicht. Man hat zehn
Wochen um sich auf die Klausuren vorzubereiten. Dies
ist jetzt wieder ein komplett anderes Lernen, es geht darum sich Wissen anzueignen.
Die Magisterklausuren bestehen aus drei schriftlichen
und einer mündlichen Klausur, wobei dann in der Endnote die Noten der Magisterarbeit und der Mündlichen
doppelt zählen. Vor den Klausuren wäre “gar nichts
mehr gegangen“. Der Puls war auf 180, man ist aufgedreht und hat ein nicht zu ignorierendes flaues Gefühl
im Magen. Dann kommt der Karren mit den Umschlägen, in denen sich die Prüfungsfragen befinden.
Daniel erzählt, das er es “nicht mehr gewohnt war mit
der Hand zu schreiben“. Er hat versucht, das Aufgenommene nach dem Lesen aufzuschreiben, um seinen Arm
darauf zu trainieren in der Klausuren “mit dem Gedächtnis mitzukommen“. Trotzdem hatte er arge Krämpfe in
der Hand während er schrieb. Daniels Tipp für die Klausuren ist “einen guten Stift dabeizuhaben“, immerhin hat
er zwischen 27 und 30 Seiten Handgeschriebenes pro
Examen abgegeben.
Nicht nur Daniels Familie ist superstolz auf ihn, auch
er selbst hat das Gefühl etwas unglaublich Großes geschafft zu haben. “Es war eine harte Zeit, aber ich habe
sie überstanden und durchgezogen.“
Daniel hat sich für die Promotion entschieden und ist im
Gespräch für diverse Doktorandenstellen.
BILDUNGSPOLITIK ▪ Universität zu Köln - „Gefällt mir“ ▪ Unsere Uni und facebook
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Universität zu Köln – „Gefällt mir“
Unsere Uni und Facebook
Bei Facebook kann bekanntlich jedem Alles und Jeder
„gefallen“. Doch hört man sich unter den Usern um, denen auch die Universität zu Köln gefällt, bekommt man
ein eindeutiges Echo: Es ist irgendwie seltsam die Facebook-Seite der Uni zu mögen. Warum?
Den meisten der Kölner Studenten „gefällt“ ihre Uni,
damit sie, „falls mal etwas passiert“, auf dem schnellsten Weg davon erfahren. Kaum jemandem „gefällt“ die
Facebook-Seite, weil er sie wirklich im ursprünglichen
Sinn mag oder gut findet. Aber gerade äußerst aktuelle, tagesrelevante Informationen, die auch mit einem
schnellen Blick auf das Smartphone ankommen, fehlen.
Alles wirkt irgendwie verstaubt und scheint alleine dem
Zweck der Selbstdarstellung zu dienen. Klar, die Rede
ist von einem sozialen Netzwerk. Wo, wenn nicht dort,
betreibt jeder in einem gewissen Sinne narzisstische
Praktiken. Aber sollte die Universität dafür nicht ihre
Homepage nutzen?
Ein so aktuelles „Medium“ wie Facebook bietet sich wie
kein anderes zur schnellen Verbreitung von Neuigkeiten
an. Warum also nicht hier auf die neusten Entwicklungen der Bauarbeiten hinweisen oder die Rätsel lösen,
was überhaupt wo gebaut wird. Ja, auf der Homepage
ist das alles einsehbar, aber versteckt und kompliziert
abzurufen. Ein schneller Post bei Facebook, und schon
wären die Rätsel gelüftet.
Im Grunde eine gute Idee sind die kleinen Videos, in
denen sich Professoren vorstellen. Doch auch das erscheint komisch: Ein deutschsprachiges und ein englisches Video werden kurz nacheinander veröffentlicht.
Warum nicht nur auf Englisch? Natürlich, wir sind eine
deutsche Uni. Doch jeder Student, ob deutschsprachig
oder potentieller ERASMUS-Student aus dem Ausland
müsste doch derart bewandert sein, eine Minute Kurzportrait zu verstehen.
Was aber der eigentliche Grund für das Unwohlsein
beim „gefallen“ verursacht ist, dass die Verantwortlichen unter „gefallen“ auch nur gefallen zu verstehen
scheinen. Auszeichnung reiht sich an Auszeichnung,
Forschungsdurchbruch an Forschungsdurchbruch.
Als Student vermisst man die schlechten Seiten der
Universität.
Eine kurze Erinnerung an Fristen, eine kurze Nachricht,
dass das seltsame Lautsprecherknacken im neuen Seminargebäude behoben wird oder Ähnliches würden
der Seite ausgesprochen gut tun.
Der gute Wille ist da, nur scheint die Universität zu
Köln noch nicht genau herausgefunden zu haben, auf
welcher Plattform welche Nachricht gut aussieht. Verständlich, wenn zwischen Homepage, KLIPS, ILIAS, ukonline und Rundmails per S-Mail unterschieden werden
muss. Die aktuellen Informationen, die die Studenten
mit dem Klick auf den „Gefällt mir“-Button erwarten, erhalten sie jedenfalls (noch) nicht.
Wusstest du schon?
Köln hat einen Museumstag!
Am ersten Donnerstag jeden Monats ist der Eintritt in die Museen
der Stadt Köln kostenlos, und das
bis 22 Uhr. Es gilt einzig die Bedingung, dass der Besucher aus Köln
stammen muss: Als Eintrittskarte
genügt also der Personalausweis.
Der Museumstag wurde ins Leben
gerufen, um die kulturelle Identifikation der Bürger mit der Stadt zu
stärken.
Teilnehmende Museen sind unter anderem das Museum Ludwig,
das NS-Dokumentationszentrum
und das Museum für Ostasiatische
Kunst.
KULTUR ▪ Unifilm und der Mann dahinter - filmreif nicht nur in der Uni
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Unifilm und der Mann dahinter
filmreif nicht nur in der Uni
Es ist Donnerstagabend halb neun und ich bin von
Sebastian Hilger eingeladen worden, in seine WG im
Kölner Studentenviertel um die Zülpicher Straße herum.
Bei einem angenehm kühlen Becks aus dem Supermarkt sitzen wir in seinem Zimmer. An der Wand eine
lebensgroße schwarz-weiß Darstellung aus einem Film:
Ein Mann, eine Frau und eine Knarre. Aus den Boxen
kommt leise Musik, eine Mischung verschiedener Filmsoundtracks. Inception ist dabei und wohl auch Matrix.
Wir stoßen an. Sebastian, meist nur kurz Sebi genannt,
sitzt an einem Schreibtisch mit recht imposanter Ausstattung. Man sieht, hier wird mehr gemacht als nur ein
wenig getippt. Ihm gegenüber ein doch recht kleiner
Fernseher, er kann keine Konkurrenz zum Bildschirm
aufnehmen. Filme und Bücher über Filme füllen die Regale.
Ich platziere das Aufnahmegerät neben Sebi, setze
mich auf eine Couch und dann fangen wir an. Zuvor
hatte ich ihm angeboten, die Fragen schon einmal zu
lesen, sich Gedanken zu machen. Dies lehnte er ab. Es
soll spontan bleiben.
Sebastian ist 26 Jahre alt, kommt aus einem 1000 Seelen Eifeldorf eine Stunde von Köln entfernt. Er studiert
Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, kurz TheFi-Fe an der Universität zu Köln. Noch auf Magister
sagt er. Heute ist Sebi Studentische Hilfskraft an der
Studiobühne Köln, dem Theater der Universität. Er organisiert dort seit dreieinhalb Jahren dort „Unifilm“, das
Studentenkino der Universität. Er arbeitet dort auch hin
und wieder als Beleuchter bei Stücken, zuletzt war es
„Schwarzes Tier Traurigkeit“, was Sebi erhellte. Einmal
im Jahr organisiert er den „Primetime“ Kurzfilm-Abend
der Studiobühne, in dessen Rahmen die Ergebnisse der
verschiedenen Kurse zum Thema Film und dessen Produktion gezeigt werden.
Unifilm, was bedeutet das, frage ich ihn. Derzeit, so
erklärt er mir, ist es eine Mischung aus Arthouse und
Mainstream. Später wird er auf meine Nachfrage recht
bescheiden zugeben, dass dies eine Neuerung von ihm
sei. Vorher war es doch eher „nur Mainstream“.
Das Traumprogramm: ein Darren Aronofsky Special,
würde hier jedoch nie funktionieren.
Das Unikino „Unifilm“ gibt es seit den Siebzigern, werde
ich aufgeklärt. Es sei damals als kulturelles Programm
der Studiobühne entwickelt worden. Da die Hörsäle
bereits mit Projektoren ausgestattet waren und man in
erster Linie Studenten ansprechen wollte, wurde das
Ganze dann auch direkt in den Hörsaal verlegt. Damals
„in den wilden 70ern“, wie Sebi es nennt, saßen noch
rund 1000 Studierende in jeder Vorstellung. Zahlen von
denen man heute leider nur noch träumen könne.
Unifilm, das sei nicht nur er. Es sei ein Team aus freiwilligen Helfern, die mit ihm zusammen jeden Dienstag für
eine gelungene Vorstellung sorgen. 2,50 Euro kostet
die Karte, Erstsemester kommen sogar kostenlos rein.
Auf die Frage, was er denn noch für Änderungen
ins Unifilm-Programm gebracht hätte, erzählt er davon, dass es inzwischen gekühlte Getränke und
im Sommer gegrillte Würstchen gäbe. Der Filmabend sollte alles in allem mehr zum Genuss werden.
Specials habe er sich mit der Gruppe ausgedacht, so
circa sechs Mal im Jahr. Dieses Jahr gab es eins zum
Thema Zombie. Vor dem Film „Zombieland“ konnte man
im Netzwerk in der Studiobühne ein wenig Resident Evil
zocken. Es gab im Sommer auch ein „Open Air Ed Wood
KULTUR ▪ Unifilm und der Mann dahinter - filmreif nicht nur in der Uni
Special“. An diesem Abend standen überall auf dem Hof
der Studiobühne alte Schwarz-Weiß-Fernseher. Es lief
„Plan 9 from Outer Space“, danach kam Tim Burtons
Tragikomödie „Ed Wood“ - ein Abend als Hommage an
„Hollywoods schlechtesten Regisseur“.
Auf die Frage nach dem erfolglosesten Film der letzten dreieinhalb Jahre antwortet Sebi resigniert mit „Der
Knochenmann“. „Bei der Vorstellung saßen wir mit nicht
mal acht Zuschauern im Saal. Da waren mehr Leute
von der Unifilm-Gruppe, als Gäste dabei.“ Aber so sei
das, wenn man zwar gute, jedoch der breiten Masse
unbekannte Filme zeige. Arthouse wie Tarantino locke
hingegen sehr. Und man probiere immer wieder Geheimtipps aus.
Der erfolgreichste Film in Sebis Zeit war „Männer die
auf Ziegen starren“. Wieso, bleibt mir fraglich.
Dreieinhalb Jahre ist es nun her, erzählt er, dass ihm die
Stelle als Organisator des Unikinos angeboten wurde.
Kurze Zeit vorher war er „wie die Jungfrau zum Kinde“
zu einer Anstellung als Beleuchter an der Studiobühne
gekommen. Er war von einer Freundin mitgeschleppt
worden zur SB dort war Infoabend. Man suchte neue
Leute. Sebi bewarb sich auf eine der begehrten Stellen
und wurde genommen. Wie es dazu kam? Durch viel
Erfahrung im Filmbereich.
2003 hat er sein Abitur abgelegt hierzu sollte es ein Projekt geben. Warum nicht einen Film, dachten Sebi und
ein Freund sich, ist ja nicht so viel Arbeit. Sie merkten
schnell, dass sie da schlecht informiert waren.
Sebi hatte nach diesem „ 45minütigen Science-Fiction
Film“ jedoch auch Blut geleckt. So wurde kurzerhand
die geplante Polizeikarriere an den Nagel gehängt und
der Entschluss gefasst, zum Film zu gehen. Natürlich
nahm die Filmhochschule ihn da noch nicht.
Daher wanderte er nun durch verschiedene Praktika bei
Filmproduktionsfirmen; später kam dann noch ein Job
bei einem Technikverleih für Film hinzu. Eine Grundlage
für die Arbeit im Film war gelegt. Diese „Ausbildung“ war
es dann auch, die ihn für den ersten Job als Beleuchter
an der Studiobühne qualifizierte.
Inzwischen leuchtet Sebi nicht nur Stücke auf der Bühne aus und organisiert das Unifilm-Programm, er gibt
auch selber Kurse.
Zunächst war es ein Lichtkurs, Theater- und Filmbeleuchtung wurden erprobt, erklärt und verglichen. Heute gibt er einen Kurs der „Filmdreh von A-Z“ heißt. Hier
wird im spielerischen Rahmen ein kompletter Kurzfilm
gedreht und anhand dessen gezeigt, wie das so von
Statten geht bei der Produktion eines Films. „Man muss
nicht jeden Fehler selber machen“ ist das Motto und die
Idee dahinter, Studenten auf den Weg zu helfen, selber
zu drehen.
Natürlich gibt es auch ein Leben neben der Uni, jedoch
ist dies gleich geprägt. In seiner Freizeit dreht Sebi selber Filme.
Seit dem „45 minütigen Science-Fiction-Film“ fürs Abitur
sind neun Kurzfilme in „der frühen Phase“ entstanden.
Die letzten Jahre wurden einem größeren Projekt gewidmet. „Ayuda“, Sebis erstem eigenen Langfilm. Einem Projekt, in dessen Kern drei Leute steckten: Sebi,
Nadine, die „Kollegin und Seelenverwandte“ und sein
Freund Ralf, mit dem bereits der „Sci-Fi“ Film entstand.
„Ayuda“ geht um einen Mord in einem Mietshaus. Was
nach klassischem „Wer hat´s getan Krimi“ klingt, entwickelt sich zu einem packenden Mysterie Film, der, wenn
18
auch Mysterie, so doch kein Thriller ist. Geschrieben
wurde die Geschichte Jahre zuvor, zu Schulzeiten, von
Nadine.
Ein Film, der ein Budget von 1 000 000 Euro benötigt
hätte und dann doch auf eigene Faust mit einer selbst
gegründeten Produktionsfirma „Footstep Productions“
und einem Startbudget von 3000 Euro gedreht wurde.
Da es keinen Protegé, keine Unterstützung der Uni oder
dergleichen gab, wurde halt alles selbst gemacht. So
war Sebi dann auch Produzent, Regisseur, Organisator
und so manches Andere.
Es klingt abenteuerlich, doch was entstand, kann sich
sehen lassen.
Da Ayuda bisher keinen Verleih hat und auch nicht in
Programmkinos zu sehen ist, verweist Sebi an dieser
Stelle unseres gemeinsamen Abends auf die Homepage zum Film www.ayuda-film.com . Hier haben Nadine und er in einem Blog festgehalten, wie es denn so
alles war und wie es ist, seinen eigenen Film zu drehen
und zu produzieren.
Langsam leert sich mein inzwischen gar nicht mehr so
kühles Becks, Sebis ist noch fast voll. Er hatte so viel
Spannendes zu erzählen, er kam nicht zum Trinken.
Doch merke ich, es schwingt etwas Melancholie mit.
Nach dreieinhalb Jahren an der Studiobühne und fünf
Jahren an der Uni verlässt Sebi dies nun bald alles. Das
Studium ist vorbei und somit auch sein Job für „Unifilm“.
Auf die Frage, wo es hingeht, wird ein wenig verlegen
gelächelt und er sagt: „An die Filmhochschule.“ Er will
es noch einmal probieren. Sebastian Hilger will jetzt
Regie studieren, bewirbt sich wieder. Und wenn sie ihn
nicht nehmen, so meint Sebi, sehen wir ihn wieder als
freischaffenden Filmemacher.
KULTUR ▪ Neukölln Unlimited ▪ Eine Rezension
Neukölln
Unlimited
Eine Rezension
Hassan Akkouch ist zwei Jahre alt, als er 1990 mit seiner
ein Jahr älteren Schwester Lial, der Mutter und dem Vater aus dem Libanon nach Deutschland flieht. Er wächst
in Berlin auf, lernt die Sprache, fühlt sich dort zuhause.
2003 wird die Familie abgeschoben – die zu dem Zeitpunkt um zwei Geschwister reicher ist. Es ist der achte
Geburtstag Maradonas, des dritten Sprösslings. Sechs
Wochen später kehren sie zurück, doch bei allen hat
die schreckliche Erfahrung der Abschiebung Folgen hinterlassen – psychische wie physische. Die Mutter leidet
von nun an an Epilepsie, Lial an Bulimie und Maradona
möchte nie wieder seinen Geburtstag feiern.
Der bewegende Dokumentarfilm Neukölln Unlimited
(2009) von Agostino Imondi und Dietmar Ratsch handelt
von einer Familie, die in der ständigen Angst lebt, in ein
Land abgeschoben zu werden, das für die Kinder nie
eine Heimat gewesen ist, dessen Sprache nur noch die
ältesten sprechen und zu dem sie keinerlei engere Verbindungen haben. Er handelt von der Stärke der zwei
älteren Geschwister, die mit aller Kraft dafür kämpfen,
dass ihre Familie in Deutschland bleiben kann. Sie räumen mit den Vorurteilen auf, gemäß denen Ausländer
gewalttätig sind und sich unwillig zeigen, sich zu integrieren.
Hassan, Lial und Maradona sind hochbegabte Tänzer
und Sänger. Während Hassan und Lial Geld mit ihrer
Kunst verdienen, um damit für den Unterhalt ihrer Familie zu sorgen, und nebenbei das Abitur oder eine Ausbildung machen, fällt es Maradona schwerer, von der Straße wegzubleiben, sich auf die Schule zu konzentrieren
und nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Immer wieder
wird er suspendiert, begreift jedoch erst später, dass er
auf diese Art nichts erreichen wird. Sein Verhalten zu
19
ändern, wird ihm jedoch nicht leicht gemacht: „Heute
bin ich schon wieder suspendiert worden. … Und genau heute hab’ ich gesagt, ich werd’ wieder in jeden
Unterricht gehen und ich werd’ mich anstrengen und so.
Und dann gehst du hin und dann kommt so ein Lehrer
und sagt: ‚Geh nach Hause‘. Das ist, als hättest du ein
Haus, das wunderschön aussieht, und dann kommt einer, boom, wie eine Rakete rein. Gleich am ersten Tag“,
stellt Maradona am Ende des Tages resigniert fest.
Es ist keine Dokumentation im klassischen Sinne – erzählende Momente werden durch das Einfügen von
Trickfilmszenen ergänzt und bereichern den Film auf
gefühlvolle Weise. Der Film ist nicht nur bedrückend; er
zeigt die Jugendlichen in ihrem Alltag, in der Schule, der
Ausbildung, beim Training und auf „Battles“. Der Film
ist trotz seiner entmutigenden Thematik sehr unterhaltsam, gelegentlich sogar lustig: In einer Szene sind Lial
und Hassan gemeinsam auf dem Amt, um ihre vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Sie
sprechen von ihrer Hoffnung, bald eine Kartoffelparty
veranstalten zu können. Die Deutschen stehen im Ruf
– auch wenn die Knollenfrucht nicht von hier stammt –,
seit je her und besonders häufig Kartoffeln zu konsumieren und das in den verschiedensten Formen. So hat
sich unter Einwanderern der amüsante Brauch etabliert,
beim Erhalt einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis eine
Party zu veranstalten, auf der es nur Kartoffelgerichte
gibt.
Die Ohnmacht, die auch das Publikum beim Betrachten dieses Films im Angesicht der deutschen Behörden,
trotz aller Komik, immer wieder überkommt, kompensie-
KULTUR ▪ Der große „Literator“ ▪ Gastvorlesung Daniel Kehlmann
ren die Geschwister durch ihre Kunst, die ihre Sprache
ist. Statt sich vom Groll und der Angst zerfressen zu lassen und kriminell zu werden – was zweifellos von ihnen
erwartet wird –, äußern sie sich in ihren Texten und der
Bewegung. Die Motivation, die Lial und Hassan von Anfang an und Maradona verstärkt gegen Ende des Films
aufbringen können, ist bewundernswert.
Familie Akkouch gehört zu 102 000 geduldeten Ausländern in Deutschland, von denen jährlich 8000 abgeschoben werden. Hassan tourt seit Beendigung seines Abiturs mit verschiedenen Tanz-Ensembles durch
Deutschland, Lial führt ihre Ausbildung fort und möchte
später ins Eventmanagement, während Maradona versucht, die Schule zu beenden und dann eine Ausbildung
zum Kfz-Mechaniker zu machen. Keiner von ihnen hat
die Hoffnung aufgegeben, irgendwann eine dauerhafte
Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Und auch wenn
Hassan kurz vor Schluss resigniert feststellt, alles sei
beim Alten geblieben, so haben sie doch sehr viel erreicht und hoffen weiterhin auf eine Kartoffelparty.
Bildquelle: GMfilms
Musik und Tanzen stehen im Mittelpunkt des Films:
Die Kunst ist die Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen,
gleichzeitig jedoch auch die Möglichkeit, einen Alltag zu
ermöglichen, in Deutschland heimisch zu werden, den
Lebensunterhalt zu verdienen, einen Weg zu finden, für
immer im Land bleiben zu dürfen. „Dance to forget“, wie
es ein Franzose bei einem Tanzevent in Paris formuliert,
könnte ein Motto des Films sein. Doch es ist nicht nur
das Vergessen, es ist eine Leidenschaft, die weit darüber hinausgeht. Die Musik im Film, größtenteils von
Hassan und Lial getextet, ermöglicht neben der visuellen Erfahrung Neuköllns auch eine akustische und trägt
ihren Teil dazu bei, den Film nicht so schnell wieder zu
vergessen.
20
Der groSSe
„Literator“
Kehlmann hält wunderbar prägnante Auftaktvorlesung in gewöhnungsbedürftigem Rahmen
„Literator“, ein Begriff dessen bekanntere Konnotation
auf Goethes Weltliteraturverständnis zurückgeht und
hier einen ehrbaren Vermittler von und zwischen den
Kulturen meint.
Durch die zahlreichen Vorankündigungen zu Daniel
Kehlmanns Gast-Dozentur an der Universität zu Köln
vom 08. bis zum 14.12.2010 war es kaum möglich gewesen, diese Definition zu umgehen, da dem umjubelten Bestseller-Autor als Zeichen höchster Anerkennung
ebenjener Titel zuteil werden sollte.
Eigentlich scherzhaft fand am Abend der feierlichen
Ernennung (08.12.) aber auch eine zweite, neben der
goetheschen stehende, ungleich negativere Begriffserklärung Erwähnung: „Literator“, der literarische Dilettant. Jemand also, der sich in eine Sphäre begibt, in
die er nicht wirklich hinein zu gehören scheint. Was der
Erwähnende beim Niederschreiben dieser Worte nicht
wissen konnte, auch diese Konnotation ließ sich in gewisser Weise für diesen Abend fruchtbar machen.
Eines vorweg: Daniel Kehlmann bleibt natürlich auch
nach diesem Mittwochabend prädestiniert für das erstere Bild eines kühnen, nahezu allwissender Mittelsmann
zwischen divergierenden kulturellen Sphären, der Rahmen jedoch, in dem er sich präsentieren musste, bildete
KULTUR ▪ Der große „Literator“ ▪ Gastvorlesung Daniel Kehlmann
eher eine Schnittmenge beider Bedeutungen.
Sicherlich hatte sich das veranstaltende Kolleg Morphomata, einige Mühe gemacht, den Exportschlager deutscher Literatur, an dessen internationale Verkaufszahlen lediglich Günter Grass’ „Blechtrommel“ heran reicht,
eine adäquate Auftaktveranstaltung seiner fünftägigen
Poetik-Dozentur zu bereiten und ihnen soll auch keinerlei Vorwurf gemacht werden, dennoch schien sich an
diesem Abend nicht alles so fügen zu wollen, wie es eigentlich hätte sein sollen.
Zunächst irritiert der Blick in das Rund des Hörsaal 1.
Der mit 641 Plätzen größte Hörsaal der Wiso-Fakultät
ist wohlwollend zur Hälfte gefüllt.
Teilnehmer in offizieller Funktion, die Presse, einige
Literatur interessierte Bürger, vereinzelt wissenschaftliche Mitarbeiter und Professoren, doch vernichtend wenige Studenten, vor allem, wenn man noch jene abzieht,
die im Morphomata-Team mitwirken.
Schließlich möchte Rektor Prof. Dr. Freimuth das Programm eröffnen, doch das Funkmikrofon, das an den
Saum seines Anzugs gesteckt ist, möchte leider nicht
funktionieren. Mit einem schnell herbei geholten, konventionellen Stabmikro spricht er schließlich einige,
verunsicherte Grußworte und verweist natürlich auf das
oben erwähnte Goethe-Konzept. Ohne Goethe kommt
aber auch sein Folgeredner Prof. Dr. Blamberger nicht
umhin; stellt kurz die Idee des Kollegs Mophomata vor
und hält anschließend eine groß angelegte Laudatio
im besten Stile einer „WDR ‚Zimmer Frei’-Lobhudelei“.
Zwischenzeitlich wird Kehlmann dabei sogar in beratender Tätigkeit an den Tisch des UN-Generalsekretärs
gesetzt.
Als der Mann des Abends jedoch schwarz in schwarz
gekleidet an das Rednerpult tritt, muss er dort korrigierend eingreifend. „Ganz so staatstragend“, sei es dann
doch nicht gewesen; er habe lediglich mit einem Mitarbeiter der Vereinten Nation gesprochen, mehr um kulturelle Belange als um die ganz große Politik, sei es dabei
gegangen. Gerade aus New York angereist, eine etwas
streberhafte Brille auf der Nase, rückt Kehlmann noch
einmal das Mikrofon zurecht und versichert sich, ob er
laut genug zu hören sei.
Natürlich etwas zu leise-wer hätte aber auch an diesem
Abend das Wort gegen ihn erheben können-und recht
forsch startet er nun in seine Vorlesung „Macondo und
die alte Welt“. Da sich der Literat im Gegensatz zum Literaturwissenschaftler auch gerne am Populären bedienen darf, wie er selbst sagt, ist es durchaus legitim noch
ein weiteres Mal das Nobelpreis gekürte Werk „100
Jahre Einsamkeit“ aus der Feder des Kolumbianers
21
Gabriel García Márquez zu besprechen. Bei seinen
Ausführungen beleuchtet er unter anderem ausführlich
die Werkgenese. Was musste Márquez zuvor gelesen
haben, um ein solches Jahrhundertbuch zu schreiben?
Laut Kehlmann auf jeden Fall eine gehörige Portion William Faulkner, der ihn zu einer fingierten Enklave à la
Macondo inspirierte sowie das ein oder andere von Kafka, der das Umnachtete und Unergründliche beisteuern
konnte- dessen Verwandlung habe Márquez in einer
Nacht allein zweimal gelesen, bekommt man in diesem
Zusammenhang erklärt.
Aufmerksamkeit schenkte die Vorlesung aber auch der
pointierten Zeitkonzeption des Buches, der Rezeption
sowie einigen allgemeineren Einblicken in die Romantheorie.
Hierbei bewegte sich Kehlmann gänzlich in „seinem“
Fahrwasser und ließ den Blick auch für einige Momente
von seinem Skript schweifen. Denn nicht nur seine Tätigkeit als Schriftsteller, sondern auch seine Poetikdozenturen in Wiesbaden und Göttingen sowie seine publizierten Vorlesungen („Diese sehr ernsten Scherze“)
und Essays („Wo ist Carlos Montúfar?“) haben ihm ein
gewisses Expertentum in Sachen Gemachtheit eines
Buches angedeihen lassen. Was gegen Ende seiner
kurzweiligen Ausführungen das Bild ein wenig trübte,
war die nicht geringe Anzahl an Gästen, die vorzeitig
durch die Reihen gen Ausgang huschte und man sich
zeitweilig an eine Pflichtveranstaltung nach durchgelaufener Anwesenheitsliste erinnert fühlte. Doch auch
hier von ließ sich der gut aufgelegte „Literator“ nicht
beirren. Beflankt von zwei Blumenkübeln, die weniger
der Dschungellandschaft Macondos als vielmehr ei-
KULTUR ▪ Unikum, Kölsch und schlechte Musik ▪ Studentenparties im Asta-Café
nem Kölner Stadtfriedhof entliehen schienen, endete er
schließlich mit der Vorrausage, dass wenn man in Márquez’ Roman erst einmal die Details für sich zu entdecken begänne, würde man ihn wieder lesen und wieder
lesen und vermochte damit einiges an Glanz in einen
Abend hinein zu tragen, der nicht zu jeder Zeit darauf
hatte hoffen lassen.
Bild: buecher-wiki.at
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Unikum, Kölsch und schlechte Musik?
Studentenparties im Asta-Café
Es ist Donnerstagabend, 21.30 Uhr und wir sitzen im
warmen „Stiefel“ auf der Zülpicher Straße, gutgemachter Indierock umspielt unsere Ohren. Vor uns auf dem
Tisch liegt ein
Flyer, auf dem Dorfschullehrer Lämpel (Max und Moritz)
vor dem Hintergrund einer rot-gelben psychedelischen
Spirale zu einer Pflichtveranstaltung im Unikum aufruft.
Wir wärmen uns noch einen Augenblick im ranzigen
Interieurs der kölner Kultkneipe auf, bevor wir anschließend in den bis dahin verschneitesten Abend des
Dezembers starten. In warme Jacken gehüllt und mit
einem Wegbier (bestes Hamburger Astra!) versorgt,
stapfen wir durch den immer tiefer werdenden Schnee
die Zülpicher Straße hinauf Richtung Asta-Café.
Zehn Minuten später und vollends durchgefroren, vernehmen wir Songs, von denen man allgemein gehofft
hatte, sie nie wieder hören zu müssen. Wir sind angekommen auf der Institutsparty der Musikwissenschaftler. Der Flyer hatte uns bereits vorgewarnt: die erste
Hälfte des Abends steht unter dem Motto Trash-Pop.
Es geht auf halb elf zu, als wir uns für 4 Euro den Eintritt
und 3 Creditpoints (Pflichtveranstaltung! Anm.d. Red.)
sichern, die sich gegen Glühwein, Kölsch (es gibt kein
Pils; unglaublich!) und andere übliche Getränke eintauschen lassen.
Schnurstracks begeben wir uns an den Rand der noch
leeren Tanzfläche. Binnen einiger Minuten werden wir
jedoch Zeuge eines ersten verzweifelten Versuchs dreier Gäste, die Tanzfläche zu beleben.
Die Hoffnung der Tanzenden, weitere Mitstreiter zu finden, ist allerdings vorerst zum Scheitern verurteilt. Niemand will sich ihrem Ausruckstanz zu YMCA anschließen.
Währendessen beginnt sich der restliche Raum jedoch
mehr und mehr zu füllen und die Stimmung wird zunehmend ausgelassener. Weit ab von der Tanzfläche, im
Eingangsbereich finden wir schließlich unsere ersten In-
KULTUR ▪ Unikum, Kölsch und schlechte Musik ▪ Studentenparties im Asta-Café
terviewpartner. Ausgehend von der Annahme, dass die
meisten Interviewten zu diesem Zeitpunkt noch recht
nüchtern sind, erklärt es sich, dass die Antworten ihren
kreativen Höhepunkt noch nicht ganz erreichen. O-Ton:
„Ich bin hier, um Spaß zu haben“. Wir geben noch nicht
auf und suchen weiter.
In Gedanken drängt sich nun der Vergleich zu einer vergangenen Institutsfeier der Fachschaft Linguistik auf.
Ganzabendliches Freibier unter dem Motto „pay as you
wish“ hatte dort noch schneller eine gewisse Grundlockerheit entstehen lassen, die auch schon vor 23 Uhr
kreativste Eruptionen heraufbeschworen hätte.
Von diesem Interview an sollte die Frage der Fragen,
nach dem persönlichen Ziel des Abends zum krönenden Abschluss eines jeden Interviews werden.
Bei einer durchfrorenen Zigarette, da im Asta-Café
striktes Rauchverbot herrscht, suchen wir uns weitere
Gesprächspartner und erfahren einige Vorurteile über
den ausgefallenen Musikgeschmack eines Musikwis-
senschaftlers. Unter den Befragten herrscht dabei Konsens:
Musikwissenschaftsstudenten sind keine Normalos,
sie hören abgefahrenen experimentellen Scheiß. Wie
bereits erwähnt wurde auch diese Gesprächsrunde mit
der Frage nach dem Ziel des Abends beendet. Die Antworten bewegten sich dabei zwischen „ein Mädchen mit
nach Hause nehmen“ und dem eher resignierten „die
letzte Bahn um 1 nehmen“.
Auf dem Weg zurück unter die Tanzenden, durchqueren wir erneut den Eingangsbereich und kommen hier
mit einem der „Creditpoint-Dealer“ ins Gespräch, während die Musikauswahl nun deutlich partytauglicher geworden ist. Konfrontiert mit den Vorurteilen in Sachen
Musikgeschmack und dem Widerspruch zu den gerade
laufenden Klängen, verweist der Mann von der Kasse
auf das Pflichtbewusstsein des musikalischen Exoten,
die Gäste zu Unterhalten. Dienst sei Dienst und technoider Jazz-Rockabilly-Postpunk und dergleichen würde
dann doch eher im häuslichen Rahmen genossen.
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Auch dieses Gespräch wird abgerundet durch die Frage
nach dem abendlichen Ziel, das hier ein wenig an sozialistische Anweisungen des Politbüros der DDR erinnert,
„die Kameradschaft unter den Kommilitonen vertiefen
und weiter fassen unter Zuhilfenahme des Alkohols“.
Mittlerweile hatte sich das Innere des Asta-Cafés in
einen fast schon brodelnden Hexenkessel verwandelt.
Berauscht durch die ersten Klänge von Black Sabbaths
„Paranoid“, strömen nun vermehrt Gäste der Tanzfläche entgegen. Aber nein! Es handelt sich nicht um das
Original der Fledermauskopf-abbeißenden-Alt-Rocker,
sondern um Cindy und Berts Evergreen „der Hund von
Baskerville“. Der Zenit scheint erreicht.
Doch angeheitert von Kölsch und Glühwein tanzt die
elektrisierte Meute über diese Tatsache hinweg. Auch
während der folgenden Lieder bleibt ein dicht gedrängtes Wogen auf und neben dem Tanzboden erhalten.
Die aufgeheizte Stimmung ist jedoch auch dem Umstand geschuldet, dass nur einer der beiden Räume
des Asta-Cafés geöffnet ist. Auf der Instituts-Party der
Geologen vier Wochen zuvor, waren es noch zwei Räu-
KULTUR ▪ Unikum, Kölsch und schlechte Musik ▪ Studentenparties im Asta-Café
me, der eine für die Bar, der andere zum weiträumigen
Ausleben rythmus(gymnastischer) Bewegungsmuster.
Bei unserem folgenden Interview mit den Veranstaltern
erfahren wir allerdings - bei einem weiteren Kölsch und
einer Zigarette versteht sich- dass die Entscheidung lediglich einen der Räume zu nutzen auch eine ökonomische war. 85 Euro für die Endreinigung und weitere
100 Euro Miete für einen der Räume müssen die Fachschaften aufbringen, wenn sie hier ihre Parties ausrichten möchten. Zwar sind die Getränkepreise immer
sehr niedrig und nicht auf den großen Profit angelegt,
wenn dennoch der ein oder andere Euro übrig bleibt,
wird das Geld natürlich trotzdem gerne genommen, um
diverse Fachschaftsbelange zu finanzieren oder auf
der nächsten Institutsfeier exklusive Neuerungen anbieten zu können. Denn die Konkurrenz schläft nicht.
Auf der jeden Sommer stattfindenden Party des physikalischen Instituts erwartet den Besucher in dem unter
Denkmalschutz stehenden Institutsgebäude neben tropischen Cocktails und einer Riesenhüpfburg auch ein
Elekrtobulle zum Rodeoreiten. Natürlich alles nur unter
dem Aspekt der Feldforschung zur Auswirkung von
Schwungkraft auf den menschlichen Körper.
Von einem intimen Einblick ins Organisatorische
schwenken wir über zu einem Gespräch mit einem der
Hauptakteure des Abends. Einer der DJs des erfolgreichen Team-Rocket steht uns nun Rede und Antwort.
Auf die Musikauswahl angesprochen, gibt der extravagant gekleidete an:„alles…die ganzen großen Götter
(zu denen dann wohl auch Cindy& Bert gehören, A.d.
Red.) des vergangenen Jahrhunderts“. Zudem ergänzt
er, dass es ein tolles Gefühl sei, diesen Größen einen
Dank in Form von Musik zurück geben zu können. (…?)
Sein persönliches Ziel des Abends ist nebenbei klar abgesteckt: Er möchte das Herz einer wissenschaftlichen
Mitarbeiterin für sich gewinnen.
Drinnen erhalten neben einigen Rock-Klassiker auch
langsamere Reggae und Funk-Nummern Einzug und
vermehrt bilden sich kleinere Gruppen, immer wieder
gerne auch kleinere Zweiergruppen bestehend aus
Männlein und Weiblein. Nur der Vollständigkeit halber:
Eine der zuvor befragten hatte angegeben, einen der
Künstler an den Turntables für sich gewinnen zu wollen
und gegebenenfalls auch seinen Heimweg zu teilen.
Zusehends formiert sich innerhalb der alterwürdigen
Mauern des Asta-Cafés ein harter Kern unerschrockener Partygänger.
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Somit starten auch wir schließlich in die letzte Interviewrunde.
An dieser Stelle legen wir unseren Schwerpunkt vor
allem auf das Aussehen eines typischen Musikwissenschaftlers. Die Antworten tendieren alle in eine ähnliche
Richtung. Das Haupthaar trägt der typische MuWi-Student fast obligatorisch lang, nicht selten auch zu Dreadlocks gezwirbelt. Auf Kleidung wird allgemein weniger
Wert gelegt, so gaben einige der Befragten an, Musikwissenschaftler sähen „eher ranzig“ aus. Der Charakter
ebenjener Spezies wurde mehrfach als „chaotisch, verpeilt, weniger zielorientiert, jedoch als durchaus weltoffen und locker beschrieben. Unter den Antworten das
Ziel des Abend betreffend, fand sich auch der artikulierte Wille, die Jungfräulichkeit verlieren zu wollen wieder.
Ob dies von einem Musikwissenschaftler selbst geäußert wurde, bleibt jedoch an dieser Stelle ungeklärt.
Mit zunehmendem Überschreiten des Party-Höhepunkts
drängt sich der Vergleich zur klassischen Dramenstruktur auf. Wir befinden uns gefühlt zwischen dem vierten
und fünften Akt und langsam entscheidet sich für jeden
KULTUR ▪ Unikum, Kölsch und schlechte Musik ▪ Studentenparties im Asta-Café
der Beteiligten, ob der Abend als Komödie oder Tragödie endet. Bei letzten verzweifelten Interviewversuchen
zur Frage nach dem Ziel des Abends kommen uns
auch immer öfter Monologe à la: „Ich sach äääh mal, liff
äähh se laif“ unter.
Bevor wir uns endgültig von der Bühne des Abends verabschieden, lässt sich das Fazit ziehen, dass Studentenpartys immer wieder einen Besuch wert sind.
Sie bieten eine spaßige, weniger anspruchsvolle Ablenkung vom häufig sehr anspruchsvollen Uni-Alltag,
bringen Kommilitoninnen und Kommilitonen ins Gespräch, die sich zwar aus gleichen Seminaren kannten,
aber nie ein Wort miteinander gewechselt haben und
tragen nicht zuletzt zum Abbau bestehender Vorurteile
bei. Denn obwohl Musikwissenschaftler, Geologen oder
Physiker nicht dem Sunnyboy-Image eines Sportstudenten entsprechen, müssen ihre Institutspartys keinen
Vergleich scheuen.
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Wusstest du schon?
Kino in Köln ist nicht nur Multiplex, Mainstream, 3D und 14 Euro Eintritt, sondern auch Programmkino, Retrospektive und viel mehr. So gibt es nach der
regulären Kinoauswertung viele Filme im „Rex One Dollar House“ am Friesenplatz für 2,99 Euro zu sehen. Jeden Dienstag zeigt die Studiobühne Köln
aktuelle Filme für den konkurrenzlosen Preis von 2,50 Euro. Erstsemester
haben sogar freien Eintritt! Es locken Gewinnspiele, Bonuskarten und mehr.
Das Filmhaus Kino begeistert mit der Reihe „Something Weird Cinema“, zeigt
Trash- und Horrorfilme, die es sonst nirgends in Deutschland auf der großen
Leinwand zu sehen gibt. Der Filmclub 813 widmet sich schon seit Monaten
einer großen Clint Eastwood Retrospektive und zeigt auch sonst einige Raritäten und widmet sich oft auch dem deutschen Kino der 1970er Jahre.
Reinschauen lohnt sich!
KULTUR ▪ Kino aus aller Welt für alle Welt ▪ Ein Portrait des Alle(r)weltskinos
Kino aus aller Welt für alle Welt
Ein Portrait des Alle(r)weltskinos
Das Allerweltskino wurde 1986 mit der Idee gegründet,
einen Raum für Filme aus der sogenannten „Dritten
Welt“ zu schaffen, die ihren Weg auf die europäischen
Kinoleinwände in der Regel nur schwer finden. Das Ziel
der ehrenamtlichen Mitarbeiter des Allerweltskino e. V.
war und ist es, Filmen und Filmemachern eine Chance
zu geben, die sich auf dem hollywoodbestimmten Markt
nicht durchsetzen können. Neben Filmen aus Afrika,
Asien und Lateinamerika gibt es zwar auch europäische
Filme, doch diese sind in geringerer Anzahl vertreten.
„Wir haben dann im Laufe der Jahre noch einen zweiten
Schwerpunkt entwickelt, nämlich interkulturelle Themen
auf die Leinwand zu bringen“, sagt Joachim Steinigeweg. Steinigeweg ist Mitglied des Vorstands und seit
1990 dabei. „Ich habe vorher schon die Gründungsbemühungen miterlebt und sozusagen beobachtend das
Allerweltskino seit der Gründung begleitet.“ Alle vierzehn Mitglieder des Vereins Allerweltskino e. V. sind
„nur“ ehrenamtlich tätig. Herr Steinigeweg z. B. arbeitet
hauptberuflich beim JFC, einer medienpädagogischen
Einrichtung in Köln und organisiert dort hauptsächlich
das Kölner Kinderfilmfest Cinepänz. „Ich habe einen
Background vom Kino und übernehme dann auch entsprechend Aufgaben im Allerweltskino. Jeder versucht
seine Fähigkeiten mit einzubringen. Ein Kollege, der
im Büro für PR und Öffentlichkeitsarbeit arbeitet macht
dann natürlich die PR-Arbeit fürs Allerweltskino, ein an-
derer, der viel mit Graphik machen kann, macht die Programmblätter; also jeder so, wie er kann.“ Und jeder so
wie er will – auch das ist wichtig: Jedes Mitglied soll sich
so viel einbringen, wie es zu leisten in der Lage ist. Hat
jemand weniger Zeit, übernimmt er an manchen Abenden die Ansprachen vor den Filmen, wenn er mehr Zeit
aufbringen kann, wird er für umfangreichere Arbeiten
eingeplant, wie beispielsweise die Geschäftsführung
oder die Regelung der Finanzen.
Zur Zeit seiner Gründung war das Allerweltskino im
Weißhauskino auf der Luxemburgerstraße untergebracht, zog dann 1990 ins Metropolis-Kino um und ist
seit 2003 im Off Broadway zu Gast. D. h. Off Broadway und Allerweltskino e. V. veranstalten zusammen
die Dienstagabende, an denen Filme aus der Reihe des
Allerweltskinos gezeigt werden. „Und das Tolle ist, dass
das Off Broadway das gesamte Risiko trägt; wir haben
völlig freie Hand bei der Filmauswahl und der Kinobetreiber trägt das Risiko“, erklärt Lothar Kornblum, der
Vorstandsvorsitzende, begeistert.
Das Allerweltskino zeigt Dokumentationen und Spielfilme, mal ernsten, mal lustigen Inhalts. Immer sind es
Filme von besonderer Intensität, die ein anschauliches
Bild fremder Kulturen zeigen. Zu der besonderen Atmosphäre des Allerweltskinos kommt hinzu, dass es
in einer angenehmen, ja fast persönlichen Umgebung
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stattfindet. Gelegentlich werden die Filmvorführungen
durch die Anwesenheit des Regisseurs oder Produzenten bereichert, der am Ende für Fragen zur Verfügung
steht und somit die Möglichkeit bietet, das Verständnis
der gezeigten Kultur zu vertiefen. Zudem gewährt der
Filmemacher bei dieser Gelegenheit einen Einblick in
seine Arbeitsweise und die Entstehung des Films –
dies ermöglicht dem Publikum den seltenen Blick hinter die Kulissen. Doch es sind nicht nur der Film und
sein Regisseur, die für gute Unterhaltung sorgen, auch
das Team vom Allerweltskino und vom Off Broadway
tragen dazu bei, dass man sich einen Abend lang gut
aufgehoben fühlt. Beim Betreten des Off Broadways
streicht einem eine schwarze Katze schnurrend um die
Beine und gesellt sich dazu, wenn man in der Sitzecke
für ein Getränk und vielleicht etwas Knabberzeug Platz
nimmt, um auf den Beginn der Vorstellung zu warten.
Der Raum ist erfüllt von Stimmengewirr und den leisen
Tönen von Musik. An manchen Abenden lohnt es sich,
früh zu erscheinen, um noch Karten zu erhalten, doch
da das Allerweltskino zum Bedauern der Betreiber nicht
allzu bekannt ist, bekommt man am Dienstag, dem Tag
des Allerweltskinos, meistens ohne Probleme noch einen Platz.
Die Filmauswahl wird vom Verein in gemeinsamen Sitzungen getroffen. Dort hat jeder die Möglichkeit und das
Recht, seine Vorschläge einzubringen und so ist das
Programm dann geprägt von den Interessen der Vereinsmitglieder. Dies reicht von einem ethnographischen
Interesse an anderen Kulturen bis hin zu einem eher ci-
PRAKTISCHE TIPPS ▪ Einen Tag von Luft und Liebe leben
neastischen Interesse. Daraus ergibt sich, so Steinigeweg, in der Regel ein „abwechslungsreicher, guter Mix“.
Zu einem nicht unbedeutenden Teil bezieht das Allerweltskino seine Filme von Verleihern aus Deutschland.
Der Verein ist jedoch auch immer wieder um Sonderbeschaffungen von Filmen bemüht, die bei keinem Verleih
zu bekommen sind, sondern direkt vom Produzenten
kommen und beispielsweise auf internationalen Festivals gezeigt wurden. Dabei hängt die Art der Beschaffung letztendlich von der gegenwärtigen finanziellen
Lage und Förderung des Kinos ab: Ist wenig Geld vorhanden, muss mit Filmen vorliebgenommen werden,
die bei einem Verleiher zu bekommen sind, ist einmal
mehr Geld da, können Sonderbeschaffungen angestrebt werden.
„Wir sind durchaus auch sehr experimentierfreudig,
schleppen dann schon mal das Video aus Bulgarien an,
wenn es uns gefällt“, erzählt Steinigeweg. Filme, die direkt aus Ländern wie Bulgarien kommen, müssen, um
hier gezeigt werden zu können, mit englischen (idealerweise mit deutschen) Untertiteln versehen sein. Das
Allerweltskino legt großen Wert darauf, dass Filme nicht
synchronisiert werden, sondern in der jeweiligen Originalsprache gezeigt werden, um die Sprachmelodie und
den Sprachduktus zu erhalten, die die Kultur für den Zuschauer besser erfahrbar machen. „Im deutschen Kino
ist es ja leider üblich, dass vom Eskimo zum Chinesen
alle Deutsch sprechen, alles synchronisiert wird; und
gegen diesen kulturellen Zentrismus der Deutschen arbeiten wir im Allerweltskino,“ betont Steinigeweg.
27
Einen Tag von
Luft und Liebe leben
Wir Studenten sind ja bekanntlich mittellos und haben
nie Zeit trotz stinkender Faulheit. Ich füge mich diesen
Klischees, ich glaube ich habe sie sogar erfunden. Wofür ich am wenigsten Geld habe, bestimmt keine Zeit
und auf jeden Fall keine Lust ist die Beschaffung meiner Nahrung. Auch wenn ich den Brokkoli immer liegen
ließ, am Abend trotzdem noch Mengen an Fast-Food in
mich rein stopfte: Zieht man ersteinmal von zu Hause
aus, vermisst man nichts mehr als die ausgewogene,
beständig mit Liebe zubereitete Nahrung von Mutti. Da
man sich mit zunehmender Selbstständigkeit irgendwie
zunehmend mit Alkohol vergiftet, sollte auch zunehmend mal an gesündere Nahrung gedacht werden.
Morgens, mittags, abends – alles selber zubereiten? Zu
faul! Fitness-Bagel in der Coffebar, Chicken-Salad im
Restaurant, Dönerteller im Imbiss? Auf Dauer zu teuer!
Es muss doch trotzdem günstig, gesund und ganz ohne
Aufwand gehen, denke ich mir und nehme mir vor, einen ganz normalen Studententag in Köln nach diesen
drei G‘s zu leben. Ob das so geil wird?
Mittwochmorgen: Ein Tag an dem ich nie so gerne aufstehe steht mir bevor. Von 10-19 Uhr durchgehend Uni!
Gut, dass ich mir mein Frühstück unterwegs hole, das
bedeutet 10 Min länger schlafen.. Wie immer eigentlich.
Beim Packen des Ranzens (Hineinschmeißens eines
Stifts und eines Blattes) fällt mir auf dass zur gesunder
Nahrung ja auch viel trinken gehört. Das wollen wir doch
mal ganz ohne Geld ausgeben probieren, denke ich mir
und schnappe mir eine leere PET Flasche, fülle sie mit
Leitungswasser. „Dat Wasser vun Kölle is jot“ singen
die Bläck Fööss. Tatsächlich, verschiedene Quellen
im Internet (u.a. rheinenergie.de) bezeugen eine hohe
Wasserhärte des Kölner Leitungswassers. Hört sich
vielleicht nicht ganz lecker an. Je höher jedoch der
Kalkgehalt, umso gesünder. Also rein in die Pulle. Jetzt
knurrt mir der Magen und der Kaffe ist längst überfällig.
Den zieh ich mir ganz unkreativ am Automaten an der
Uni. Den billigsten gibt’s übrigens im Hauptgebäude im
Untergeschoss am E-Raum. Von Wiener Melange bis
Cafe Au Lait alles für 50 Cent und erstaunlicherweise
trinkbar. Vorher musste ich allerdings einen Abstecher
nach Sülz machen. An der Haltestelle Weyertal ist die
“Kaffepause“ Dort gibt es die günstigsten belegten Brötchen im Umkreis der Uni! (Alle Preise vom Backwerk bis
PRAKTISCHE TIPPS ▪ Fremdschlafen
hin zu allen Brötchen innerhalb des Unigeländes überprüft!) 1,10 werd ich für ne Käsestulle los. Schmeckt
ordentlich.
Für das Mittagessen läge nun natürlich die Mensa nahe.
Aber da war ich schon gestern. Und vorgestern. Und
am Freitag auch. Das labrige Schnitzel mit PotatoeWedges hängt mir zum Hals raus. So viel ich aber
suche, nichts ist günstiger als die Mensa. Zumindest
erweitere ich meinen kulinarischen Horizont insoweit,
dass ich mir das heutige „nahrungsoptimierte Gericht“
vorknöpfe. Was auch immer das bedeuten soll. Preise
wie 1,90 EU für einen deftigen, sättigenden Eintopf mit
Mettwürstchen sind schier unschlagbar.
Der Tag war für den Kopf anstrengend, mein Magen
verlangt am Abend wieder nach etwas „warmen“. Auf
dem nach Hause weg durchquere ich die Zülpicherstraße. Hier bieten sich mir verführerische Düfte von Dönertellern, Riesenschnitzel und Pizzen an, die mir alle nur
Geld nehmen und Hüftspeck geben wollen. Ich werde
also die Reise ins ferne Orient antreten, durch die Tür
des Bistros Habibi rein in 1000 und eine Nacht. 1,90 für
eine leckere Falafel plus Tee und nettem Lächeln. Zu
Hause angekommen rechne ich alles zusammen: 5,40
€ hat mich der Tag für das Futter gekostet. Natürlich
werde ich spätestens beim nächtlichen Dönerbesuch
und Katerfrühstück beim Pizzaservice nicht so diszipliniert sein können wie heute, aber ein bis zwei „bewusste“ Tage wie heute pro Woche- das kann man schaffen!
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Fremdschlafen
Knappes Budget und trotzdem Lust auf Urlaub, neue
Länder, Kulturen und Menschen? Das Problem wird
wohl jeder von uns Studenten kennen. Aber für Abhilfe ist Dank des Internets gesorgt. Couchsurfing ist der
neue Trend. In Deutschland eher am Anfang - international aber schon fast wieder ein alter Hut. Auf der Suche
nach einer neuen Wohnung, der großen Liebe, einem
Käufer für das alte Handy oder auch auf der Suche nach
dem Bett für eine Nacht und das bitte auch kostenlos?
Das Internet weiß Rat.
Nur was ist Couchsurfing jetzt genau? Jeder kann sein
Sofa/Bett anbieten und ermöglicht so einem oder auch
mehreren Couchsurfer(n) einen kostenlosen Schlafplatz. Manche nutzen Couchsurfing nur für eine Übernachtung oder ein Wochenende, andere überdauern so
zB. Ihre Praktikumszeit in einer fremden Stadt. Christine
Neder (25) aus Schweinfurt hat es so gemacht. Für die
junge Frau stand ein Praktikum in Berlin an, sie hatte
aber kein Zeit/Lust, sich nebenher um eine Wohnung zu
kümmern und beschloss kurzer Hand, aus der Not eine
Tugend zu machen. Sie rief ihr Projekt „90 Nächte, 90
Betten“ ins Leben.
Über das Internet suchte sie sich ihre Übernachtungsmöglichkeiten jeden Tag aufs Neue. Es hat nicht lange
gedauert und die moderne Nomadin war bekannt wie
ein bunter Hund. Sie bekam die Möglichkeit, im Radio
und Fernsehen auf ihr Projekt aufmerksam zu machen.
Viele Leute waren begeistert und boten ihr spontan
einen Schlafplatz an. Von ganz bescheiden bis zum
Stadtpalais war alles dabei. Auf die Frage, ob sie nicht
auch Angst hätte, zu fremden Leute zu gehen, mit denen die Wohnung oder manchmal aus Platzgründen
sogar das Bett zu teilen, sagt sie, Freunde und Familie
hätten viel größere Bedenken als Sie. Meistens waren
die Gastgeber Frauen oder WGs. Wenn sie bei einem
Mann übernachten sollte, hat man sich vorher außerhalb der Wohnung getroffen. So bestand die Möglichkeit, doch noch abzulehnen. Ihr Ziel, Berlin mit all seinen
Facetten und Menschen kennenzulernen, ist Christine
mit ihrem recht ungewöhnlichen Projekt ein Stück näher
IMPRESSUM
gekommen. Seit Beginn ihres Vorhabens hat sie täglich
in ihrem Blog über das Erlebte der Nacht berichtet. Ihre
Berichte sind immer mit vielen Bildern gespickt gewesen, die Gastgeber blieben aber anonym. Mittlerweile
ist ihr Praktikum zu Ende, aus dem ursprünglichen Blog
wird jetzt ein Buch und sie überlegt, wie es nach dem
Praktikum für sie weitergeht. Fest steht aber, sie wird
nach Berlin ziehen.
Casey Fenton gründete 2003 die gemeinnützige Seite
couchsurfing.org, um Interessierten kostenlose Unterkunft zu bieten. Das System funktioniert auf einer
starken Vertrauensbasis. Die Community, die bis heute
ca. 2,2 Millionen Mitglieder in 214 Ländern zählt, erfreut
sich an wachsender Beliebtheit. Das Motto der Community lautet: Mach mit bei der Erschaffung einer besseren
Welt – Couch für Couch.
Nach kostenloser Registrierung auf couchsurfing.org
erstellt man ein Profil und kann sich die Profile potentieller Gastgeber anschauen. Bei Gefallen tritt man mit
diesem über E-Mail in Kontakt und wenn alles klappt,
hat man eine Couch gefunden.
Auf den Profilen von Gastgebern und Surfer können
Kommentare hinterlassen werden. So lässt sich ein kleiner Eindruck gewinnen, wie die bisherigen Erfahrungen
mit den Personen waren. Nur auf Erfahrungsberichte
muss man sich aber nicht verlassen. Eine freiwillige
Identitätsprüfung mit Hilfe von Kreditkarte und Spende
ist gegeben und auf den Profilen ist ersichtlich, wer sich
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dieser Indentitätsprüfung unterzogen hat. Auch gibt es
sogenannte Bürgschaften - eine Person bürgt für die
Vertrauenswürdigkeit einer anderen Person. Sicher, ein
wenig Mut, Kompromissbereitschaft und Neugier gehört
auch dazu. Aber einen Versuch ist es wert!
Der Blog von Christine Neder: www.lilies-diary.blogspot.com
Dort findet man eine Couch: www.couchsurfing.org
Das Letzte…
Es gibt unzähliche Internetportale
und Blogs, die alle Studentenrabatte sammeln und vorstellen. Hier
nur einige:
www.studentenpilot.de,
www.studentenrabatte.org,
www.geizstudent.de,
www.studenten-spartipps.de
I MP R E S S U M
Redaktion
Angelika Heisler
Daniel Herzog
Miriam Hochhard
Sandra Jarosch
Julian Krüger
Kristin Lamm
Claas Lauritzen
Eugen Lyubavskyy
Selina Müller
Lennert Rothenberg
Kim Schneider
Luisa Thiel
Katharina Weber
Jan Wellnitz
...mit freundlicher Unterstützung von
Herrn Dr. Ulrich Tschierske
Dezember 2010

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