Level 3 - Umsetzung eines Videospiels als Brettspiel

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Level 3 - Umsetzung eines Videospiels als Brettspiel
Umsetzung eines Videospiels als Brettspiel
Computer- und Videospiele haben feste Regeln. Dabei sind jedoch längst nicht alle Regeln in
Bildschirmspielen als solche erkennbar oder wie in einem Brettspiel nachzulesen. In einem Computerspiel kann ein Auto beispielsweise die Rennstrecke verlassen, in einem anderen nicht. Dies
muss nicht als Regel formuliert werden, da der Spieler die Möglichkeiten des Spiels im Spielprozess selber erfahren kann. Vor allem Kinder und Jugendliche nehmen oft Spielinhalte und Spielregeln als gegeben hin, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was alles hinter einem solchen
Spiel steckt.
Möchte man sie anregen, hinter die Spielgeschichte und deren multimedialen Präsentation zu
blicken, die komplexen Wirkungszusammenhänge und Spielstrukturen, sprich das Regelwerk im
Hintergrund, zu entdecken und zu analysieren, ist eine Möglichkeit, aus dem Computerspiel ein
Brettspiel zu machen. Programmierkenntnisse, die bei der Anfertigung eines Computerspiels neben vielen anderen hoch technischen Qualifikationen zwingend erforderlich sind, braucht man
bei einem Brettspiel nicht. Als Vorraussetzung reichen Stift und Papier um erste Vorstellungen,
wie das fertige Brettspiel funktionieren sollte, zu notieren. Zur Herstellung von Spielfeld und
Spielmaterialien reichen ebenfalls normale Bastelutensilien aus.
Konzeptskizze:
Umsetzung eines Computer- oder Videospiels als Brettspiel
Teilnehmer:
kleinere, feste Gruppe
Dauer:
mehrere Tage bis Wochen
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Voraussetzung:
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Allg. Lernziele / -erfolge:
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Bonus:
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Quelle: www.fh-koeln.de/spielraum
Ein geeignetes Computer- oder Videospiel als Vorlage
Möglichkeiten, das Computer- oder Videospiel ausgiebig kennen
zu lernen
Eigene Erfahrungen mit Brettspielen
(kann innerhalb des Projektes nachgeholt werden)
Teamfähigkeit
Ausdauer
Zeit
Die Teilnehmer lernen die Bedeutung und Auswirkungen von Regeln innerhalb von Spielen kennen und entdecken versteckte Regeln
Vergleichsmöglichkeiten zwischen Spielformen (Computerspiele
– Brettspiele)
evtl. ein erstes Kennen lernen von Brettspielen und deren Reiz
Gemeinsame Arbeit in einem Team über einen längeren Zeitraum
Formulierung von allgemein verständlichen Regeln und Beschreibungen
Kreativität beim Erstellen der Materialien (Spielbrett, Spielfiguren
etc.) und der Spielregeln
Entdecken von Parallelen zu ihrer eigenen Lebenswelt (Organisation des virtuellen Arbeitstag im Spiel und ihres eigenen Tagesablauf im Alltag; Zeitmanagement)
Ein neues Spiel / eine Eigenproduktion
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Ein Beispiel aus der Praxis
In einem bereits durchgeführten Projekt diente das Videospiel „Harvest Moon“ (Version für den
Nintendo GameCube) einer Gruppe von 14 Kindern im Alter von 7 bis 13 Jahren als Vorlage für
die Entwicklung eines eigenen Brettspiels.
Kurzbeschreibung des Spieles
Eine runtergewirtschaftete Farm, ein Farmerhäuschen, ein paar leere Ställe, ein vom Unkraut eingenommener Acker – das ist die Ausgangssituation, die der Spieler zu Beginn vorfindet. Es liegt
nun in seiner Hand, mit viel Fleiß diese Farm nach und nach zu neuem Leben zu erwecken. Jede
Entscheidung sollte dabei aber gut überlegt sein, da sie das weitere Spiel maßgeblich beeinflusst.
Entscheidet sich der Spieler beispielsweise, Hühner oder Kühe anzuschaffen, muss er fortan täglich Eier einsammeln, Kühe füttern und melken. Diese neuen Aufgaben müssen sinnvoll in den
virtuellen Arbeitstag eingebunden werden. Um dies erfolgreich zu bewerkstelligen ist es notwendig, um die Möglichkeiten zu wissen, die das Spiel dem Spieler gewährt und diese in planvolle Handlungen umzusetzen.
Stationen in der Projektphase
Drei Tage in den Osterferien wurden darauf verwendet, in
Kleingruppen das Videospiel ausgiebig kennen zu lernen.
Zwei Gruppen spielten dazu parallel an zwei Konsolen.
In festgelegten Pausen wurden die Fortschritte im Spiel unter
den Gruppen ausgetauscht.
Es wurde berichtet, was den
einzelnen Kindern besonders viel Spaß machte und
wie sie in ihren Gruppen
Am ersten Tag des Projektes stand
weiter vorgehen wollten. In
natürlich das Spiel im Vordereinem Projekttagebuch
grund.
konnten die Kinder jederzeit Ideen festhalten, damit diese bei Umsetzung zum Brettspiel
nicht verloren gingen. „Im Brettspiel muss man auf jeden Fall
Ideen werden im Projekttageauch
Fische fangen können.“ (Janina, 11 Jahre).
buch festgehalten.
Quelle: www.fh-koeln.de/spielraum
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Nach den drei Tagen in den Osterferien traf sich die Gruppe einmal in der Woche, um ihr eigenes
Brettspiel zu erfinden.
Am Anfang konnten die Kinder entscheiden, in welchen Arbeitsgruppen sie weiter machen wollten. Eine Gruppe entwickelte ein Spielfeld, eine andere entwarf erste Spielfiguren und die
dritte Gruppe fing an, sich erste Spielregeln auszudenken.
Schnell stellte sich heraus, dass es notwendig war, sich unter den
drei Gruppen regelmäßig abzustimmen. Wie sollte auch die eine
Gruppe Spielfiguren entwickeln, wenn noch nicht klar war, wie
die Spielregeln oder das Spielfeld
aussehen würden?
Für das Ausprobieren und SpieErste Entwürfe für das Brettlen mit unterschiedlichen Ideen
spiel
waren zwei Treffen eingeplant.
Nachdem die ersten Entwürfe fertig gestellt waren, wurden sie
den anderen vorgestellt. Gemeinsam und mit zusätzlicher Hilfe
durch die Projektleitung wurde über die Entwürfe abgestimmt
und man plante das weitere Vorgehen. Heraus kam eine erstes
Erste Entwürfe für das Brettgrobes Spielgerüst und eine lange To-Do-Liste.
spiel
Erfahrungen aus dem Projekt
Bereits in ein einer frühen Projektphase wurde deutlich, dass es den Kindern sehr
schwer fiel, die Wirkungszusammenhänge, die sie im Videospiel scheinbar
verstanden hatten, eindeutig zu benennen und daraus Regeln für das Brettspiel
abzuleiten. Das, was das „versteckte Regelwerk“ im Spiel regelte, wurde nicht als
Regel begriffen.
In Harvest Moon wurde beispielsweise das Wetter zufällig vom Spiel festgelegt.
Entweder schien die Sonne oder es regnete. An einem sonnigen Tag bedeutete
dies, dass sich z.B. die Kühe und Schafe auf der Wiese selber um ihr Fressen kümmern konnten.
Dafür mussten aber Pflanzen gegossen werden. An einem Regentag musste der Farmer die
Pflanzen nicht tränken, nun aber seine Tiere in den Stall
treiben, da sie sonst krank werden konnten.
Aus diesen offensichtlichen Zusammenhängen konnten die
Kinder nur mit Hilfe Regeln für das Brettspiel definieren.
Eine Methode war der „Wenn-Dann-Baum“. Hier konnten
die Spielerfinder festhalten, was sich im Videospiel ihrer
Meinung nach untereinander bedingte.
Die wichtigste Ressource im Spiel – und das erkannten
auch die Kinder recht schnell – ist Zeit. Es herrscht zwar
Der „Wenn-Dann-Baum“: Hier wurkein offensichtlicher Zeitdruck, wie beispielsweise in Acden erste „Regeln“ formuliert.
tionspielen, dennoch spielt das zur Verfügung stehende
Zeitbudget eine wichtige Rolle. Die Spielfigur lebt in einer Welt, die einen Tag-Nacht-Rhythmus
hat. Morgens bei Sonnenaufgang beginnt der Tag, nachmittags pünktlich um 17.00 können die
eigenen Ernteerträge verkauft werden und wenn es dunkel ist, sollte man seine Spielfigur ins Bett
schicken. Tut der Spieler letzteres nicht, kann es geschehen, dass der überarbeitete Farmer zusammenbricht und am nächsten Tag erst mittags aufwacht und sein Tageswerk nur schafft, wenn
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er jetzt disziplinierter vorgeht. Alle anfallenden Aufgaben müssen dementsprechend eingeteilt
und abgearbeitet werden.
Zeitmanagement, ist nicht nur ein Problem und eine Herausforderung in diesem Spiel, sondern
auch in der realen Welt. Dieser Bezug zum wahren Leben wurde von den Kindern selber hergeleitet. Sie berichteten von sich aus, wie schwierig es oft ist, Schule, Hausaufgaben, Freunde und
Hobbys unter einen Hut zu kriegen. Zeit als Ressource in einem Spiel blieb ein sehr abstrakter
Punkt, der nicht nur für die Kinder schwierig zu fassen und entsprechend in ein Regelwerk einzubinden war.
Fazit
Ein Spiel zu spielen scheint leichter zu sein, als ein eigenes zu entwickeln. Ob es schwieriger ist,
wenn ein konkretes Computer- oder Videospiel als Vorlage dient, ist schwer einzuschätzen. Möglicherweise wurde das versteckte Regelwerk im Videospiel nicht als spielstrukturierendes Element
wahrgenommen, weil es automatisch vom Spiel vorgegeben wurde und der Spieler es sich nicht
aneignen muss, um spielen zu können. Vielleicht auch deswegen, weil ein Spieler sich in der Regel hierüber keine Gedanken macht, da er hierauf keinen Einfluss nehmen kann.
Das mit den Kindern durchgeführte Projekt „Harvest Moon“
zeigte, dass die Fähigkeit, vorausschauend zu planen,
Wirkungszusammenhänge herzuleiten und Regeln
entsprechend zu definieren, zwar schon bei den Kindern
vorhanden war, aber nicht in dem Maße, dass es ausgereicht
hätte, ein funktionierendes Spiel von Anfang bis Ende
eigenständig zu entwickeln. Allerdings gelang es den Kindern
bereits sehr gut, neue Ideen einzubringen und diese auch so zu
beschreiben, dass klar wurde, wie sich diese Ideen / Regeln im
Spiel auswirken würden und was sie für Vorteile brächten. Des Weiteren bewiesen die Kinder
Durchhaltevermögen und konnten sich auch in schwierigeren Phasen gegenseitig motivieren.
Wichtige Schlüsselqualifikationen, die auch im späteren Berufsleben gefordert werden.
Im durchgeführten Projekt wurde auf den Bezug zur jetzigen oder späteren der Lebenswelt der
Beteiligten nur im Ansatz eingegangen. In einem anderen Kontext ließe sich dies gut vertiefen.
Kinder und Jugendliche müssen sich auch in ihrem Alltag, in der Familie, in der Schule, im Freundeskreis und auch im allgemeinen zwischenmenschlichen Zusammenleben an ein umfassendes
(verstecktes?) Regelwerk, an Verhaltensregeln halten.
Das skizzierte Projekt zeigt eine von vielen Möglichkeiten, sich mit Computer- und Videospielen
auseinander zu setzen. Prinzipiell kann jedes Spiel auf sein Regelwerk untersucht und versuchsweise in ein Brettspiel überführt werden. Warum sollte man nicht einmal versuchen, den TaktikShooter „Counter-Strike“ mit einer Gruppe von älteren Jugendlichen in ein spannendes im Team
spielbares Taktik-Brettspiel umzusetzen? Behaupten doch viele Counter-Strike-Spieler, dass es
gerade diese Elemente sind, die sie so begeistern.
Quelle: www.fh-koeln.de/spielraum
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