Monopolist im Endspiel. Handelszeitung, 26.05.2011

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Monopolist im Endspiel. Handelszeitung, 26.05.2011
Valoras Problem mit den Kiosken
Konzernchef Thomas Vollmoeller über
verstaubte Ladenkonzepte, überforderte
Kioskfrauen und neue Partner. Seite 18
Emmis Bauerntrick
Die Milchverarbeiter verkaufen
Butter ins Ausland. Das verstösst
gegen internationales Recht. Seite 12
Longchamps Leiden
Der Berner Wahlprognostiker
fürchtet um den lukrativen
Auftrag der SRG. Seite 15
Handelszeitung
26. Mai 2011 Die SCHWEIZER WOCHENZEITUNG FÜR wirtschaft Seit 1861 www.handelszeitung.ch
Frankreich will
Schwarzgeld-Lösung
mit Liechtenstein
Fussball
Monopolist
im Endspiel
steuerstreit Liechtenstein und Frank­
Sepp Blatter herrscht über eine undurchsichtige
Geldmaschine. Das Milliardenimperium Fifa
diktiert Sponsoren und TV-Stationen die
Bedingungen. Nun bedrohen europäische
Richter das hochprofitable Geschäftsmodell.
keystone/epa/HZ-Bildbearbeitung
Seite 2
Tessiner Banken
bauen im grossen
Stil Stellen ab
Finanzplatz Auch ohne die jüngsten ver­
balen Attacken des italienischen Finanz­
ministers Giulio Tremonti gegen Lugano
haben die Banker in der Sonnenstube Är­
ger genug. «2010 war das bisher schlimms­
te Jahr für den Tessiner Finanzplatz», sagt
Franco Citterio, Direktor der kantonalen
Bankiervereinigung. Nach drei schwie­
rigen Geschäftsjahren mussten die Insti­
tute im Südkanton zum Rotstift greifen
und massiv Stellen abbauen. Im letzten
Jahr gingen 311 Arbeitsplätze verloren,
wie neue Zahlen aus dem Bankensektor
belegen. «Die Entlassungen gingen quer
durch alle Bankgruppen», sagt Citterio.
Seit 2007 ist damit die Zahl der Beschäf­
tigten bei Tessiner Banken insgesamt um
663 Stellen gesunken. Am Finanzplatz Tes­
sin waren per letzten Dezember 7050 Per­
sonen bei 68 Banken beschäftigt.
Jetzt suchen die Institute fieberhaft
nach einem Ausweg aus der Misere. Der
Finanzplatz soll unabhängiger vom Ver­
mögensverwaltungsgeschäft werden. «Wir
wollen künftig mehr Private-Equity-Fir­
men, traditionelle Fonds, Family Offices
und Rohstoffhändler anlocken», sagt Cit­
terio. Die grössten Chancen sieht er aber
in der Ansiedlung von Hedgefonds – auch
wenn der Kanton Tessin kaum Steuervor­
teile bietet. Paolo Bernasconi, Anwalt in
Lugano und Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni St. Gallen, sieht deshalb
schwarz für die Zukunft. «Wir haben den
Zug verpasst.» (ng) Seite 29
Anzeige
Axpo verfehlt Ziele für
erneuerbare Energien
Strom Der Bundesrat setzt beim Atomausstieg auf alternative Lösungen. Doch der
Preisboom bei neuen Projekten und klagefreudige Anwohner bremsen den Ausbau.
Jürg meier
Der Bundesrat will in Etappen aus der
Atomenergie aussteigen. Zu diesem Zweck
setzt er auf die Förderung der sogenann­
ten neuen erneuerbaren Energien und auf
stärkere Sparanstrengungen. Doch wäh­
rend die Politiker die Erwartungen an
­Energiequellen wie Solarenenergie und
Biomasse, Kleinwasserkraft immer höher
schrauben, kommt der Ausbau kaum vo­
ran. Neuster Fall: Kaiseraugst AG. Die
Axpo plant im einst als AKW-Standort vor­
gesehenen Ort ein Holzkraftwerk. Dort fal­
len jährlich 20 000 Tonnen Altholz an, das
heute mit Lastwagen nach Italien oder
Deutschland gefahren und in ein Kohle­
kraftwerk gekippt wird. Neu würde das
Holz vor Ort verbrannt, was Transport­
wege sparen und Strom für 2200 Haus­
halte und Wärme für 4100 weitere liefern
würde.
Valentin Gerig, Leiter Neue Energien
beim Nordostschweizer Stromriesen Ax­po,
hatte sich erhofft, dass das Vorhaben nach
der Atomkatastrophe in Fukushima auf
mehr Gegenliebe stossen würde. Doch in­
zwischen muss er sich mit 16 Einsprachen
FR. 4.80
EURO 3.50
herumschlagen. Zu Verzögerungen wird es
laut Gerig auch beim geplanten Kompo­
gas-Kraftwerk in Buchs SG kommen.
Dabei hat sich die Axpo zum Ziel ge­
setzt, in der Schweiz bis 2030 insgesamt
3 Milliarden Franken zu investieren, um
so 1800 Gigawattstunden Strom aus er­
neuerbaren Quellen zu produzieren (aus
Geothermie, Biomasse und aus kleinen
Wasserkraftwerken). «An diesem Ziel hal­
ten wir fest», sagt Gerig. Nur: «Wenn ich
die Erfahrungen der letzten fünf Jahre zum
Massstab nehme, werden wir es nur unge­
fähr zur Hälfte erfüllen können.» Gerig
glaubt auch nicht daran, dass die vom
Bund 2007 vorgegebenen Ziele zu errei­
chen sind, weil alle Stromproduzenten ge­
gen die gleichen Hindernisse kämpfen.
Doch es ist nicht nur schwierig, Biogas­
anlagen oder Holzkraftwerke zu bauen.
Die Projekte, die sich realisieren lassen,
werden immer teurer. So muss die Axpo
bereits heute Abschreiber einberechnen,
weil zumindest unter den heutigen Bedin­
gungen auch künftig Projekte scheitern
und damit Kosten verursachen werden.
Gerig rechnet aus heutiger Sicht mit «einer
Zahl im unteren dreistelligen Millionen­
bereich». Über den Daumen gepeilt sind
das noch einmal 5 bis 10 Prozent der von
Axpo geplanten Investitionen. Bei einem
gescheiterten Projekt in Würenlingen AG
etwa musste sich die Axpo 1,5 Millionen
Franken ans Bein streichen.
Weil es in der Schweiz nur wenige Pro­
jekte für erneuerbare Energien gibt, reis­
sen sich die Stromfirmen diese förmlich
aus den Händen. Viele Standortgemein­
den möchten ebenfalls profitieren und
treiben etwa den Landpreis in die Höhe.
Das führt dazu, dass sich die Kosten für sol­
che Projekte laut Gerig durchaus verdop­
peln können. «Am Schluss bekommt nicht
unbedingt das beste Projekt den Zuschlag,
sondern der Bieter erhält es, der sich den
Standort am meisten kosten lässt.»
Steinig wird der Weg auch beim Strom­
sparen. So laufen in der Schweiz derzeit
Versuche mit intelligenten Stromzählern,
sogenannten Smart Meters. Weil die Zäh­
ler allerdings die Haushaltsgeräte nicht
automatisch ausschalten dürfen, ist das
Einsparpotenzial heute noch gering.
MEHR ZUM THEMA
• Die nicht so intelligenten Stromzähler Seite 8
reich führen gegenwärtig Gespräche, um
eine Lösung für undeklarierte franzö­
sische Vermögen zu finden. Dies bestäti­
gen regierungsnahe Kreise. Sie betonen
aber, dass noch keine formellen Verhand­
lungen aufgenommen worden seien. In
liechtensteinischen Finanzkreisen heisst
es, Frankreich strebe eine Regelung an,
wie sie Liechtenstein mit Grossbritannien
getroffen hat. Gemäss dieser sogenannten
«Liechtenstein Disclosure Facility» (LDF)
können britische Steuerpflichtige ihre un­
deklarierten Vermögen bis März 2015
nachträglich zu Sonderkonditionen offen­
legen. Sie werden mit einer reduzierten
Busse belegt, aber nicht strafrechtlich ver­
folgt. Die LDF schützt sie zudem bis 2015
vor einem Informationsaustausch. Umge­
kehrt haben sich Liechtensteins Finanz­
institute verpflichtet, Kundenbeziehungen
zu britischen Steuerpflichtigen zu been­
den, falls diese nicht an der LDF teilneh­
men. In Liechtenstein ist die LDF inzwi­
schen umstritten. Grund ist, dass es bisher
nicht zu den erhofften Geschäften für Treu­
händer und Anwälte führte. (jft) Seite 27
HZ NR. 21
Japaner sind die
besseren Chefs
Was passiert, wenn Schweizer
Unternehmen von Konkurrenten
aus Nippon gekauft werden. Seite 20
Gutes Gewissen,
magere Rendite
Warum nachhaltige Anlagen nicht
halten, was die Banken in der
Werbung versprechen. Seite 37
Das Festival und das
Geld des Oligarchen
Der Milliardär Suleiman Kerimov
unterstützt die Filmschau von
Leiterin Nadja Schildknecht. Seite 10
Abonnenten im Inland
erhalten neu sechs Mal
pro Jahr «io management»
– das Schweizer Magazin
für Führungskräfte.
Redaktion Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich, Telefon 043 444 59 00
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21
9 771422 897004
INHALT
Mit voller Kraft gegen die Firmen
Sammelklagen sind etwas typisch
Amerikanisches. Künftig sollen sich
Kläger aber auch in der Schweiz
zusammentun können. Seite 5
| Fifa vor der Wahl
HANDELSZEITUNG | Nr. 21 | 26. Mai 2011
Klubs befürchten
neue Fifa-Steuer
Meinungen
Peter Sutherland
Der frühere WTO-Generaldirektor
über die Doha-Runde und die fatalen
Folgen eines Scheiterns. Seite 7
Statutenänderung Heute verdient die Fifa an jedem Länderspiel
mit – bald sollen auch Klubmannschaften Geld abliefern.
Unternehmen
Emmi/Cremo
Bauern zahlen Millionen für den
Abbau des Butterbergs.
Ohne Erfolg. Jetzt soll exportiert
werden. Doch das verletzt
WTO-Regeln. Seite 8
Jean François Tanda
HZ-Gespräch
Thomas Vollmoeller
Der Valora-Chef über den Kiosk als
Bank und Post und die Zeitungen als
grösstes Problem der Firma. Seite 18
Management
Der Mensch im Mittelpunkt
Japanische Konzerne kaufen derzeit
kräftig im Ausland ein – damit ändert
sich auch die Firmenkultur. Seite 20
Finanz
LGT
Wie die deutschen Behörden die
Übernahme der BHF durch die
Fürstenbank verhinderten. Seite 29
Invest
Nachhaltigkeit
«Grüne» Anlagen verkaufen sich gut.
Doch eine Mehrrendite erzielen sie
nicht. Seite 37
Börsen und Konjunktur
Der ausführliche Datenservice zu
­Aktien, Konjunktur, Zinsen, Devisen
und Rohstoffen. Seite 44
Savoir Vivre
getty images
Griechische Weine
Die Winzer auf Santorini setzen auf
jahrhundertealte Rebsorten. Seite 49
Weltweite Ausstrahlung: Mit der WM
2010 in Südafrika nahm die Fifa über
3,6 Milliarden US-Dollar ein.
Weltfussballverband Die Fifa kassiert dank Fernsehrechten und Sponsoren riesige
Summen. Doch jetzt gefährdet der Europäische Gerichtshof das lukrative Geschäft.
Rubriken
Karikatur der Woche Seite 6
Lesermeinungen/Rückblende Seite 6
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Sesselwechsel Seite 24
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Börsenausblick Seite 38
Networking Seite 47
Impressum Seite 47
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Personen Seite 25
Firmen Seite 25
HZOnline
Das Neuste aus der Wirtschaft – von
­morgens früh bis abends spät, unter der
Woche und am Wochenende.
www.handelszeitung.ch
Special
Grenzenlose Begeisterung für Milliarden
Jean François Tanda
D
as teuerste Endspiel der Welt findet hinter
verschlossenen Türen statt. Die Beteiligten
unterschreiben Geheimhaltungsklauseln.
Der Gewinner steht von vornherein fest. Wenn die
Männer vom Zürcher Hauptsitz des Weltfussballverbandes (Fifa) am Tisch Platz nehmen, hat die Gegenseite ihren Widerstand längst aufgegeben.
«Die Fussball-WM ist weltweit das wichtigste TVProgramm – die Fifa muss für den Verkauf der Rechte
gar nichts unternehmen, alle kommen von alleine aus
ihren Löchern gekrochen», erzählt ein britischer
Sportvermarkter. In den Verhandlungen gibt es keinen Raum für Kompromisse. Die Fifa-Delegation
kommt mit fertigen Verträgen. Diskussionen sind
ausgeschlossen.
«Friss oder stirb», beschreiben Insider die wichtigste Regel im hässlichen Monopoly um die schönste
Nebensache der Welt. Milliarden von Fussballfans
wollen alle vier Jahre ihre Nationalmannschaften am
Bildschirm sehen. Die Fifa bestimmt allein wie, wann,
wo – und vor allem für wie viel.
Die Macht des kalten Monopolisten mit steuerbefreitem Sitz am Zürichberg ist total global. Die Macher
des Weltkonzerns Fifa und ihr umstrittener Chef Sepp
Blatter überlassen nichts dem Zufall. Es geht um zu
viel Geld. Allein mit der letzten WM 2010 in Südafrika
nahm die Fifa über 3,6 Milliarden US-Dollar ein – zwei
Drittel davon mit dem Verkauf von Fernsehrechten.
Dicke Polster
Logistik
Wie die Fachmesse CeMAT 2011
gezeigt hat, gewinnt Nachhaltigkeit
in der Branche stark an Bedeutung.
Vom Trend profitiert nicht nur die
Umwelt, sondern auch der Kunde.
Vermögensverwalter
Eine aktuelle Umfrage des Verbands
Schweizerischer Vermögensverwalter
(VSV) bringt die Befindlichkeit seiner
1075 Mitglieder zutage. Das Fazit des
Gros: Die ­fetten Jahre sind vorbei.
Die TV-Stationen zahlen fast jeden Preis. Der arabische Fernsehsender Al Jazeera aus Qatar blätterte
für die Übertragungsrechte der WM 2018 in Russland
und 2022 in Qatar geschätzte 800 Millionen Dollar
hin – bevor offiziell klar war, dass die WM im eigenen
Land stattfinden wird. Die Fernsehsender in den sogenannten Big-Five-Ländern Europas – Deutschland,
England, Spanien, Italien und Frankreich – legen laut
Sportrechtehändlern je 150 bis 200 Millionen Euro auf
den Tisch, um eine Fussball-WM zu übertragen.
Die restlichen Einnahmen holt sich die Fifa bei
­ihren Sponsoren. Für die WM 2010 haben die sechs
offiziellen Partner zusammen fast eine Milliarde Dollar bezahlt. Das amerikanische Kreditkartenunternehmen Visa liess sich das Fifa-Sponsoring von 2007
bis 2014 insgesamt 180 Millionen Dollar in Cash und
zusätzliche 15 Millionen Dollar für sogenanntes «marketing in kind» kosten. McDonald’s zahlte schon 2000
bis 2006 über 54 Millionen Dollar. Heute dürfte es
deutlich mehr sein.
Doch die Geldmaschine Fifa ist umstrittener denn
je. Das Heer der Kritiker wächst. Harte Korruptionsvorwürfe und handfeste rechtliche Schwierigkeiten
werden zunehmend zur Belastungsprobe.
Das derzeit grösste Risiko verbirgt sich hinter den
Aktenzeichen C-204/11P und C-205/11P. Unter diesen Verfahrensnummern wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwei Klagen der Fifa gegen die EUKommission behandeln. Es geht um den Verkauf der
Fernsehrechte von Fussball-Weltmeisterschaften.
Leben von der WM
Reserven in Millionen Dollar
Einnahmenstruktur 2007 bis 2010 (in Millionen Dollar)
1500
Event-Ertäge 3890
1200
900
600
300
0
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
quelle: Fifa
Andere Erträge 172
100 Prozent = 4,189 Milliarden Dollar
Finanzerträge 127
quelle: Fifa
Laut EU-Recht kann jeder Mitgliedstaat eine Liste
zusammenstellen mit Sportereignissen von «erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung». Diese Sportereignisse müssen im frei empfänglichen Fernsehen
ausgestrahlt werden. Belgien und Grossbritannien
haben sämtliche Spiele der Fussball-Weltmeisterschaften auf diese Liste gesetzt, die EU-Kommission
hat dies abgesegnet, die Fifa hat dagegen geklagt –
und in erster Instanz verloren. Nun liegt der Ball beim
EuGH. Sollte die Fifa auch dort unterliegen, hiesse
dies, dass Pay-TV-Sender nicht mehr um die Fernsehrechte mitbieten könnten. Für die Fifa bedeutet dies:
Weniger potenzielle Vertragspartner, weniger Nachfrage, sinkende Preise. Der EuGH wird frühestens
nach den Sommerferien urteilen.
Fussball ist der populärste Sport der Welt
Wo so grosse Summen im Spiel sind, erstaunt
nicht, dass immer wieder Geschichten über Bestechung und Korruption herumgeistern. Zuletzt haben
englische Politiker unter Schutz der parlamentarischen Immunität ausgesagt, zwei Fifa-Funktionäre
hätten jeweils 1,5 Millionen Dollar erhalten, damit sie
bei der Vergabe der WM 2022 für Qatar stimmen. Qatar hat das entschieden dementiert. Gleichzeitig
sagten die englischen Politiker, dass vier andere Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees – der Fifa-Regierung – verschiedene Leistungen verlangt hätten,
­damit sie bei der Wahl der WM 2018 für England stimmen. Bereits 2008 wurde am Zuger Strafgericht ­publik,
dass ein ehemaliger Schweizer Fifa-Geschäfts­partner
während Jahren insgesamt 140 Millionen Franken
Schmiergeld an «Persönlichkeiten und Entscheidungsträger des Weltsports» bezahlt hatte, darunter
an namentlich genannte Fifa-Funktionäre, die heute
immer noch an der Macht sitzen.
Dem Geschäft der Fifa haben diese Bestechungsgeschichten bisher noch nicht geschadet. Die Sponsoren halten eisern an ihren Engagements fest. Das
amerikanische Kreditkartenunternehmen Visa sagt:
«Unser Fokus liegt auf der WM 2014 in Brasilien.» Als
Sponsor sei man nicht in die WM-Vergaben oder «andere administrative Vorgänge» innerhalb der Fifa involviert. Visa-Sprecher Andrew Woodward will nicht
darüber «spekulieren», ob das Sponsoring über die
WM 2014 hinaus verlängert werde. Auch der deutsche
Sportartikelhersteller und Fifa-Partner Adidas sieht
keinen Grund zur Änderung. Sprecher Jan Runau:
«Diese immer wiederkehrenden Vorwürfe sind weder
gut für das Ansehen des Fussballs noch der Institution
Fifa.» Sie würden allerdings nichts an der Zusammenarbeit mit der Fifa ändern, die auf der «Faszination
des Fussballs als Sport» basiere.
700 Millionen Menschen haben laut Fifa das Finalspiel der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika geschaut. In der Schweiz betrug der Marktanteil 64,1
Prozent. In den meisten Staaten der Welt ist Fussball
der populärste Sport überhaupt. Nur gerade in den
USA und Indien ist dies nicht der Fall. Würde ein Sponsor abspringen, stünde sofort der nächste bereit.
Jeder Fussballer und jede Fussballerin der Welt, ob
Kind oder Erwachsener, ist automatisch Teil der Fifa,
sofern er oder sie in einem Verein Fussball spielt. Über
die Lizenzgebühren bezahlt er oder sie jährlich Mitgliederbeiträge an den jeweiligen Nationalverband.
Dieser wiederum ist als Fifa-Direktmitglied gezwungen, sich der Fifa bedingungslos zu unterwerfen und
Kampf um das Präsidium
Rege Flugdiplomatie vor dem Showdown in Zürich
Gerry Stegmeier
Rychenstein
Die Abenteuer des Unternehmerpaars
Franz und Gloria Rychenstein. Ein
­Comic von Alex Macartney. Seite 51
|
HB-JLK: Joseph Blatter nutzt den Privatjet unter
dem Übernamen «Fifa One» auch im Wahlkampf.
Ehemalige Freunde Mit Joseph «Sepp» Blatter
(75) und Mohammed Bin Hammam (61) aus Katar
treten nächsten Mittwoch in Zürich zwei ehemalige Freunde gegeneinander an. Bei früheren Wah­
len für das Fifa-Präsidium war Bin Hammam noch
wichtigster Helfer für Blatter. Am Mittwoch teilte
die ­Fifa mit, dass die Ethikkomission gegen Bin
Hammam wegen Verdachts auf Bestechung ermittle. Angezeigt hatte ihn Blatter-Intimus Chuck
Blazer, Fifa-Exekutivmitglied aus den USA.
Kommunikation per SMS Auffallend ist der Unterschied im Stil der Kandidaten. Bin Hammam beantwortet Medienanfragen persönlich – per SMS.
Er twittert, bloggt und benutzt Facebook. Blatter
hat für den Wahlkampf ein Kommunikationsteam
von sechs Profis angeheuert. Der Mann aus Katar
verspricht nach seiner Wahl allgemein mehr Transparenz. Schon jetzt legt er sein Fifa-Einkommen
offen: 300 000 Dollar für 2010. Blatter nennt eine
Million Dollar pro Jahr als Einkommen. Sein Konkurrent, immerhin Fifa-Vize sowie Mitglied der
­Finanzkommission, kann das nicht bestätigen.
Bin Hammam: «Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass es in der Fifa keine Transparenz gibt.»
Wahlkampf mit Privatjet Die Kontrahenten waren
seit ihrer Kandidatur fast ununterbrochen im Ausland auf Stimmenfang: Bin Hammam hat seit Mitte
März rund 30 Staaten bereist, Blatter rund 15. So
war der Walliser Mitte April auf einer­ siebentägigen Tour durch alle sieben Länder Zentralamerikas, gefolgt von Visiten in ­Paraguay, den USA,
Russland, Südafrika, Japan, wo Blatter neben Fuss­
ballverbänden immer wieder Staatschefs getroffen hat. Während Bin Hammam für seinen Wahlkampf offiziell den Privatjet des Emirs von Katar
nutzt, weiss man es bei Blatter nicht: Fest steht,
dass der Fifa-Präsident 2011 mehrfach mit dem
Privatjet unterwegs war, der während der Fussball-WM 2010 in Südafrika unter dem Übernamen
«Fifa One» bekannt wurde. Die gemietete Falcon
7X mit der Schweizer Immatrikulation HB-JLK
zählt zu den luxuriösesten Langstrecken-Kleinmaschinen der Welt. Das Flugzeug kostete über 40
Millionen Dollar – ohne die weissledrige Innenausstattung von BMW Design. (jft/ncb)
chester United, Real Madrid und zehn
weitere Klubs vertreten sind.
Bei der Fifa selbst kommuniziert man
in der heiklen Sache widersprüchlich. Einerseits sagt ein Sprecher: «Alle interna­
tionalen Spiele, inklusive Freundschaftsspielen zwischen Nationalmannschaften,
Klubs und Ad-Hoc-Mannschaften, unterstehen der Regelung.» Andererseits sagt er
auch, die Statutenrevision werde nichts
am bestehenden Regelwerk ändern. Die
Frage, warum es denn einer Statutenänderung bedürfe, wenn sich nichts ändere,
liess die Fifa unbeantwortet.
Im Glaspalast mit Blick auf den Genfersee
herrscht helle Aufregung. Nur per Zufall
erfuhr man am Hauptsitz der European
Club Association in Nyon, dass die Fifa
eine Statutenänderung plant, die es in sich
hat. Sie trifft die europäischen Fussballvereine in ihrem Mark.
Der neue Passus kommt einer Umverteilung gleich – zugunsten des Weltfussballverbandes und auf Kosten der Klubs.
Bisher verdiente die Fifa an jedem Länderspiel: Das Heimteam muss 2 Prozent des
Umsatzes nach Zürich abliefern – zwei
Prozent von Fernseh-, Marketing- und Klubs warnen vor «Belastungsprobe»
Schon seit Jahren stehen gerade Euro­Ticketeinnahmen. Nur tatsächlich entrichtete Steuern dürfen von den Einnah- pas grosse Fussballklubs im Dauerstreit
men abgezogen werden – bis zu 30 Pro- mit dem Weltfussballverband. Sie kritisiezent des Umsatzes. Nun will Fifa-Präsident ren mangelnde Demokratie und zu wenig
Sepp Blatter auch die Klubs
Rücksichtnahme auf Klubinzur Kasse bitten: «Die Fifa
teressen. Jahrelang mussten
Europas Klubs
kann auf internationalen
die Vereine zum Beispiel ihre
forderten eine
Spielen, an denen KlubSpieler gratis an die Natiomannschaften (...) beteiligt
Klärung – doch nalmannschaften abgeben.
sind, (...) eine Abgabe verlanFolgte ein Spieler dem Aufgedie Fifa hat
gen», lautet der Entwurf aus
bot nicht, wurde er für sämtkeine Zeit.
der Fifa-Zentrale für den
liche Spiele gesperrt. Wurde
neuen Artikel 73 Absatz 2 der
er in einem Länderspiel verStatuten. Ende Mai sollen die 208 Landes- letzt, mussten die Klubs als Arbeitgeber
verbände die neuen Statuten am Fifa-Kon- für die Behandlungskos­ten und den Lohn
gress absegnen.
aufkommen.
Erst nachdem mehrere Klubs die Fifa
Fifa mit widersprüchlichen Angaben
bei den Wettbewerbsbehörden der EU anDamit eröffnet sich der Fifa eine neue gezeigt hatten, kam es zu einer Einigung:
Einnahmequelle. Die European Club As- Nun entschädigt der Weltverband alle
sociation unter Vorsitz von Bayern-Mün- Klubs, deren Spieler an einer Fussballchen-Chef Karl-Heinz Rummenigge be- Weltmeisterschaft teilnehmen.
fürchtet eine neue Fifa-Steuer. Per Brief
Nichtsdestotrotz spart Rummenigge
hat er namens der 197 Mitgliedsvereine nicht mit klaren Worten für die Fifa: «Der
aus 53 Ländern der Fifa mitgeteilt, er sei klassische Fall von Missbrauch eines Momit der Statutenänderung nicht einver- nopols.» Der Verband in Zürich entscheide
standen und bitte um Klärung. Doch in alles allein, ohne jegliche Rücksprache.
Zürich hat man keine Zeit. Ein Treffen Gebe es nicht bald Änderungen, komme
könne erst nach dem Kongress stattfin- es zur «Belastungsprobe».
den, richtete die Fifa nach Nyon aus.
Die Fifa kann ihre Regeln via NationalNun will die European Club Associa­ verbände weltweit allen Vereinen auftion das Thema umgehend in einer zwingen, weil jeder Klub Mitglied eines
­Arbeitsgruppe und vor dem Kongress an Landesverbandes ist. Werden die Regeln
einer Sitzung des Vorstandes diskutieren, nicht umgesetzt, droht dem Landesverin dem neben Bayern München auch die band die Verbannung aus den FussballTopvereine AC Mailand, Barcelona, Man- Wettbewerben, insbesondere der WM.
sämtliche Regeln und Anweisungen aus der Fifa-Zentrale in Zürich umzusetzen.
Auch innerhalb der Fifa gibt es keine Transparenz
Regiert wird der Fussball weltweit von nur 24 Männern, die hinter verschlossener Tür tagen. Die Rechtsform eines Vereins ermöglicht es der Fifa, Transparenz nach Gusto herzustellen. Zwar liess der Weltfussballverband die Möglichkeit prüfen, die Fifa als Stiftung nach Schweizer Recht zu konstituieren. Doch
diese Idee wurde bald verworfen, denn als Stiftung
wäre die Fifa in der Schweiz der Stiftungsaufsicht, also
einer staatlichen Behörde, unterstellt. Das Ergebnis:
Nun beaufsichtigt niemand den Milliardenkonzern
Fifa im Rechtskleid eines gemeinnützigen und nicht
gewinnorientierten Vereins.
Selbst innerhalb der Fifa wissen nur wenige, was
passiert. Vor allem finanzielle Angelegenheiten bleiben weitgehend geheim. So weiss Fifa-Vizepräsident
Mohammed Bin Hammam aus Qatar, Mitglied der
Fifa-Finanzkommission, nichts von der Einstellungs-
verfügung, deren Veröffentlichung Fifa-Anwälte derzeit zu verhindern versuchen. Die Verfügung geht zurück auf eine Strafuntersuchung der Staatsanwaltschaft Zug gegen die Fifa und zwei Fifa-Funktionäre
und steht im Zusammenhang mit Schmiergeldern.
2010 hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt, nachdem die Fifa und zwei Funktionäre 5,5 Millionen Franken Wiedergutmachung bezahlt hatten.
Bin Hammam: «Ich verfüge über keine eigenen Fakten dazu. Ich weiss nur, was in den Medien steht.»
Intransparenz gehört zum obersten Geschäftsprinzip des Monopolisten. Selbst externe Geschäftspartner akzeptieren diese Regel. So gehen etwa die
Fernsehrechte meist an den Meistbietenden. Der
Handel lohnt sich wohl nur für die Fifa. «Betriebswirtschaftlich rechnet sich Sport und insbesondere Fussball gar nie», sagt Daniel Steiner, Sprecher der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG. Die
genauen Zahlen hält er geheim. «Wie üblich wurde
mit der Fifa über die finanziellen Abgeltungen und
vertraglichen Details Stillschweigen vereinbart.»
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