Monopolist im Endspiel. Handelszeitung, 26.05.2011
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Monopolist im Endspiel. Handelszeitung, 26.05.2011
Valoras Problem mit den Kiosken Konzernchef Thomas Vollmoeller über verstaubte Ladenkonzepte, überforderte Kioskfrauen und neue Partner. Seite 18 Emmis Bauerntrick Die Milchverarbeiter verkaufen Butter ins Ausland. Das verstösst gegen internationales Recht. Seite 12 Longchamps Leiden Der Berner Wahlprognostiker fürchtet um den lukrativen Auftrag der SRG. Seite 15 Handelszeitung 26. Mai 2011 Die SCHWEIZER WOCHENZEITUNG FÜR wirtschaft Seit 1861 www.handelszeitung.ch Frankreich will Schwarzgeld-Lösung mit Liechtenstein Fussball Monopolist im Endspiel steuerstreit Liechtenstein und Frank Sepp Blatter herrscht über eine undurchsichtige Geldmaschine. Das Milliardenimperium Fifa diktiert Sponsoren und TV-Stationen die Bedingungen. Nun bedrohen europäische Richter das hochprofitable Geschäftsmodell. keystone/epa/HZ-Bildbearbeitung Seite 2 Tessiner Banken bauen im grossen Stil Stellen ab Finanzplatz Auch ohne die jüngsten ver balen Attacken des italienischen Finanz ministers Giulio Tremonti gegen Lugano haben die Banker in der Sonnenstube Är ger genug. «2010 war das bisher schlimms te Jahr für den Tessiner Finanzplatz», sagt Franco Citterio, Direktor der kantonalen Bankiervereinigung. Nach drei schwie rigen Geschäftsjahren mussten die Insti tute im Südkanton zum Rotstift greifen und massiv Stellen abbauen. Im letzten Jahr gingen 311 Arbeitsplätze verloren, wie neue Zahlen aus dem Bankensektor belegen. «Die Entlassungen gingen quer durch alle Bankgruppen», sagt Citterio. Seit 2007 ist damit die Zahl der Beschäf tigten bei Tessiner Banken insgesamt um 663 Stellen gesunken. Am Finanzplatz Tes sin waren per letzten Dezember 7050 Per sonen bei 68 Banken beschäftigt. Jetzt suchen die Institute fieberhaft nach einem Ausweg aus der Misere. Der Finanzplatz soll unabhängiger vom Ver mögensverwaltungsgeschäft werden. «Wir wollen künftig mehr Private-Equity-Fir men, traditionelle Fonds, Family Offices und Rohstoffhändler anlocken», sagt Cit terio. Die grössten Chancen sieht er aber in der Ansiedlung von Hedgefonds – auch wenn der Kanton Tessin kaum Steuervor teile bietet. Paolo Bernasconi, Anwalt in Lugano und Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni St. Gallen, sieht deshalb schwarz für die Zukunft. «Wir haben den Zug verpasst.» (ng) Seite 29 Anzeige Axpo verfehlt Ziele für erneuerbare Energien Strom Der Bundesrat setzt beim Atomausstieg auf alternative Lösungen. Doch der Preisboom bei neuen Projekten und klagefreudige Anwohner bremsen den Ausbau. Jürg meier Der Bundesrat will in Etappen aus der Atomenergie aussteigen. Zu diesem Zweck setzt er auf die Förderung der sogenann ten neuen erneuerbaren Energien und auf stärkere Sparanstrengungen. Doch wäh rend die Politiker die Erwartungen an Energiequellen wie Solarenenergie und Biomasse, Kleinwasserkraft immer höher schrauben, kommt der Ausbau kaum vo ran. Neuster Fall: Kaiseraugst AG. Die Axpo plant im einst als AKW-Standort vor gesehenen Ort ein Holzkraftwerk. Dort fal len jährlich 20 000 Tonnen Altholz an, das heute mit Lastwagen nach Italien oder Deutschland gefahren und in ein Kohle kraftwerk gekippt wird. Neu würde das Holz vor Ort verbrannt, was Transport wege sparen und Strom für 2200 Haus halte und Wärme für 4100 weitere liefern würde. Valentin Gerig, Leiter Neue Energien beim Nordostschweizer Stromriesen Axpo, hatte sich erhofft, dass das Vorhaben nach der Atomkatastrophe in Fukushima auf mehr Gegenliebe stossen würde. Doch in zwischen muss er sich mit 16 Einsprachen FR. 4.80 EURO 3.50 herumschlagen. Zu Verzögerungen wird es laut Gerig auch beim geplanten Kompo gas-Kraftwerk in Buchs SG kommen. Dabei hat sich die Axpo zum Ziel ge setzt, in der Schweiz bis 2030 insgesamt 3 Milliarden Franken zu investieren, um so 1800 Gigawattstunden Strom aus er neuerbaren Quellen zu produzieren (aus Geothermie, Biomasse und aus kleinen Wasserkraftwerken). «An diesem Ziel hal ten wir fest», sagt Gerig. Nur: «Wenn ich die Erfahrungen der letzten fünf Jahre zum Massstab nehme, werden wir es nur unge fähr zur Hälfte erfüllen können.» Gerig glaubt auch nicht daran, dass die vom Bund 2007 vorgegebenen Ziele zu errei chen sind, weil alle Stromproduzenten ge gen die gleichen Hindernisse kämpfen. Doch es ist nicht nur schwierig, Biogas anlagen oder Holzkraftwerke zu bauen. Die Projekte, die sich realisieren lassen, werden immer teurer. So muss die Axpo bereits heute Abschreiber einberechnen, weil zumindest unter den heutigen Bedin gungen auch künftig Projekte scheitern und damit Kosten verursachen werden. Gerig rechnet aus heutiger Sicht mit «einer Zahl im unteren dreistelligen Millionen bereich». Über den Daumen gepeilt sind das noch einmal 5 bis 10 Prozent der von Axpo geplanten Investitionen. Bei einem gescheiterten Projekt in Würenlingen AG etwa musste sich die Axpo 1,5 Millionen Franken ans Bein streichen. Weil es in der Schweiz nur wenige Pro jekte für erneuerbare Energien gibt, reis sen sich die Stromfirmen diese förmlich aus den Händen. Viele Standortgemein den möchten ebenfalls profitieren und treiben etwa den Landpreis in die Höhe. Das führt dazu, dass sich die Kosten für sol che Projekte laut Gerig durchaus verdop peln können. «Am Schluss bekommt nicht unbedingt das beste Projekt den Zuschlag, sondern der Bieter erhält es, der sich den Standort am meisten kosten lässt.» Steinig wird der Weg auch beim Strom sparen. So laufen in der Schweiz derzeit Versuche mit intelligenten Stromzählern, sogenannten Smart Meters. Weil die Zäh ler allerdings die Haushaltsgeräte nicht automatisch ausschalten dürfen, ist das Einsparpotenzial heute noch gering. MEHR ZUM THEMA • Die nicht so intelligenten Stromzähler Seite 8 reich führen gegenwärtig Gespräche, um eine Lösung für undeklarierte franzö sische Vermögen zu finden. Dies bestäti gen regierungsnahe Kreise. Sie betonen aber, dass noch keine formellen Verhand lungen aufgenommen worden seien. In liechtensteinischen Finanzkreisen heisst es, Frankreich strebe eine Regelung an, wie sie Liechtenstein mit Grossbritannien getroffen hat. Gemäss dieser sogenannten «Liechtenstein Disclosure Facility» (LDF) können britische Steuerpflichtige ihre un deklarierten Vermögen bis März 2015 nachträglich zu Sonderkonditionen offen legen. Sie werden mit einer reduzierten Busse belegt, aber nicht strafrechtlich ver folgt. Die LDF schützt sie zudem bis 2015 vor einem Informationsaustausch. Umge kehrt haben sich Liechtensteins Finanz institute verpflichtet, Kundenbeziehungen zu britischen Steuerpflichtigen zu been den, falls diese nicht an der LDF teilneh men. In Liechtenstein ist die LDF inzwi schen umstritten. Grund ist, dass es bisher nicht zu den erhofften Geschäften für Treu händer und Anwälte führte. (jft) Seite 27 HZ NR. 21 Japaner sind die besseren Chefs Was passiert, wenn Schweizer Unternehmen von Konkurrenten aus Nippon gekauft werden. Seite 20 Gutes Gewissen, magere Rendite Warum nachhaltige Anlagen nicht halten, was die Banken in der Werbung versprechen. Seite 37 Das Festival und das Geld des Oligarchen Der Milliardär Suleiman Kerimov unterstützt die Filmschau von Leiterin Nadja Schildknecht. Seite 10 Abonnenten im Inland erhalten neu sechs Mal pro Jahr «io management» – das Schweizer Magazin für Führungskräfte. Redaktion Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich, Telefon 043 444 59 00 Abonnemente Telefon 043 444 58 93 Inserate Telefon 043 444 58 44 AZA 8021 Zürich, 150. Jahrgang 21 9 771422 897004 INHALT Mit voller Kraft gegen die Firmen Sammelklagen sind etwas typisch Amerikanisches. Künftig sollen sich Kläger aber auch in der Schweiz zusammentun können. Seite 5 | Fifa vor der Wahl HANDELSZEITUNG | Nr. 21 | 26. Mai 2011 Klubs befürchten neue Fifa-Steuer Meinungen Peter Sutherland Der frühere WTO-Generaldirektor über die Doha-Runde und die fatalen Folgen eines Scheiterns. Seite 7 Statutenänderung Heute verdient die Fifa an jedem Länderspiel mit – bald sollen auch Klubmannschaften Geld abliefern. Unternehmen Emmi/Cremo Bauern zahlen Millionen für den Abbau des Butterbergs. Ohne Erfolg. Jetzt soll exportiert werden. Doch das verletzt WTO-Regeln. Seite 8 Jean François Tanda HZ-Gespräch Thomas Vollmoeller Der Valora-Chef über den Kiosk als Bank und Post und die Zeitungen als grösstes Problem der Firma. Seite 18 Management Der Mensch im Mittelpunkt Japanische Konzerne kaufen derzeit kräftig im Ausland ein – damit ändert sich auch die Firmenkultur. Seite 20 Finanz LGT Wie die deutschen Behörden die Übernahme der BHF durch die Fürstenbank verhinderten. Seite 29 Invest Nachhaltigkeit «Grüne» Anlagen verkaufen sich gut. Doch eine Mehrrendite erzielen sie nicht. Seite 37 Börsen und Konjunktur Der ausführliche Datenservice zu Aktien, Konjunktur, Zinsen, Devisen und Rohstoffen. Seite 44 Savoir Vivre getty images Griechische Weine Die Winzer auf Santorini setzen auf jahrhundertealte Rebsorten. Seite 49 Weltweite Ausstrahlung: Mit der WM 2010 in Südafrika nahm die Fifa über 3,6 Milliarden US-Dollar ein. Weltfussballverband Die Fifa kassiert dank Fernsehrechten und Sponsoren riesige Summen. Doch jetzt gefährdet der Europäische Gerichtshof das lukrative Geschäft. Rubriken Karikatur der Woche Seite 6 Lesermeinungen/Rückblende Seite 6 Genial Seite 7 Sesselwechsel Seite 24 Geldfrage Seite 37 Börsenausblick Seite 38 Networking Seite 47 Impressum Seite 47 Index Personen Seite 25 Firmen Seite 25 HZOnline Das Neuste aus der Wirtschaft – von morgens früh bis abends spät, unter der Woche und am Wochenende. www.handelszeitung.ch Special Grenzenlose Begeisterung für Milliarden Jean François Tanda D as teuerste Endspiel der Welt findet hinter verschlossenen Türen statt. Die Beteiligten unterschreiben Geheimhaltungsklauseln. Der Gewinner steht von vornherein fest. Wenn die Männer vom Zürcher Hauptsitz des Weltfussballverbandes (Fifa) am Tisch Platz nehmen, hat die Gegenseite ihren Widerstand längst aufgegeben. «Die Fussball-WM ist weltweit das wichtigste TVProgramm – die Fifa muss für den Verkauf der Rechte gar nichts unternehmen, alle kommen von alleine aus ihren Löchern gekrochen», erzählt ein britischer Sportvermarkter. In den Verhandlungen gibt es keinen Raum für Kompromisse. Die Fifa-Delegation kommt mit fertigen Verträgen. Diskussionen sind ausgeschlossen. «Friss oder stirb», beschreiben Insider die wichtigste Regel im hässlichen Monopoly um die schönste Nebensache der Welt. Milliarden von Fussballfans wollen alle vier Jahre ihre Nationalmannschaften am Bildschirm sehen. Die Fifa bestimmt allein wie, wann, wo – und vor allem für wie viel. Die Macht des kalten Monopolisten mit steuerbefreitem Sitz am Zürichberg ist total global. Die Macher des Weltkonzerns Fifa und ihr umstrittener Chef Sepp Blatter überlassen nichts dem Zufall. Es geht um zu viel Geld. Allein mit der letzten WM 2010 in Südafrika nahm die Fifa über 3,6 Milliarden US-Dollar ein – zwei Drittel davon mit dem Verkauf von Fernsehrechten. Dicke Polster Logistik Wie die Fachmesse CeMAT 2011 gezeigt hat, gewinnt Nachhaltigkeit in der Branche stark an Bedeutung. Vom Trend profitiert nicht nur die Umwelt, sondern auch der Kunde. Vermögensverwalter Eine aktuelle Umfrage des Verbands Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV) bringt die Befindlichkeit seiner 1075 Mitglieder zutage. Das Fazit des Gros: Die fetten Jahre sind vorbei. Die TV-Stationen zahlen fast jeden Preis. Der arabische Fernsehsender Al Jazeera aus Qatar blätterte für die Übertragungsrechte der WM 2018 in Russland und 2022 in Qatar geschätzte 800 Millionen Dollar hin – bevor offiziell klar war, dass die WM im eigenen Land stattfinden wird. Die Fernsehsender in den sogenannten Big-Five-Ländern Europas – Deutschland, England, Spanien, Italien und Frankreich – legen laut Sportrechtehändlern je 150 bis 200 Millionen Euro auf den Tisch, um eine Fussball-WM zu übertragen. Die restlichen Einnahmen holt sich die Fifa bei ihren Sponsoren. Für die WM 2010 haben die sechs offiziellen Partner zusammen fast eine Milliarde Dollar bezahlt. Das amerikanische Kreditkartenunternehmen Visa liess sich das Fifa-Sponsoring von 2007 bis 2014 insgesamt 180 Millionen Dollar in Cash und zusätzliche 15 Millionen Dollar für sogenanntes «marketing in kind» kosten. McDonald’s zahlte schon 2000 bis 2006 über 54 Millionen Dollar. Heute dürfte es deutlich mehr sein. Doch die Geldmaschine Fifa ist umstrittener denn je. Das Heer der Kritiker wächst. Harte Korruptionsvorwürfe und handfeste rechtliche Schwierigkeiten werden zunehmend zur Belastungsprobe. Das derzeit grösste Risiko verbirgt sich hinter den Aktenzeichen C-204/11P und C-205/11P. Unter diesen Verfahrensnummern wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwei Klagen der Fifa gegen die EUKommission behandeln. Es geht um den Verkauf der Fernsehrechte von Fussball-Weltmeisterschaften. Leben von der WM Reserven in Millionen Dollar Einnahmenstruktur 2007 bis 2010 (in Millionen Dollar) 1500 Event-Ertäge 3890 1200 900 600 300 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 quelle: Fifa Andere Erträge 172 100 Prozent = 4,189 Milliarden Dollar Finanzerträge 127 quelle: Fifa Laut EU-Recht kann jeder Mitgliedstaat eine Liste zusammenstellen mit Sportereignissen von «erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung». Diese Sportereignisse müssen im frei empfänglichen Fernsehen ausgestrahlt werden. Belgien und Grossbritannien haben sämtliche Spiele der Fussball-Weltmeisterschaften auf diese Liste gesetzt, die EU-Kommission hat dies abgesegnet, die Fifa hat dagegen geklagt – und in erster Instanz verloren. Nun liegt der Ball beim EuGH. Sollte die Fifa auch dort unterliegen, hiesse dies, dass Pay-TV-Sender nicht mehr um die Fernsehrechte mitbieten könnten. Für die Fifa bedeutet dies: Weniger potenzielle Vertragspartner, weniger Nachfrage, sinkende Preise. Der EuGH wird frühestens nach den Sommerferien urteilen. Fussball ist der populärste Sport der Welt Wo so grosse Summen im Spiel sind, erstaunt nicht, dass immer wieder Geschichten über Bestechung und Korruption herumgeistern. Zuletzt haben englische Politiker unter Schutz der parlamentarischen Immunität ausgesagt, zwei Fifa-Funktionäre hätten jeweils 1,5 Millionen Dollar erhalten, damit sie bei der Vergabe der WM 2022 für Qatar stimmen. Qatar hat das entschieden dementiert. Gleichzeitig sagten die englischen Politiker, dass vier andere Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees – der Fifa-Regierung – verschiedene Leistungen verlangt hätten, damit sie bei der Wahl der WM 2018 für England stimmen. Bereits 2008 wurde am Zuger Strafgericht publik, dass ein ehemaliger Schweizer Fifa-Geschäftspartner während Jahren insgesamt 140 Millionen Franken Schmiergeld an «Persönlichkeiten und Entscheidungsträger des Weltsports» bezahlt hatte, darunter an namentlich genannte Fifa-Funktionäre, die heute immer noch an der Macht sitzen. Dem Geschäft der Fifa haben diese Bestechungsgeschichten bisher noch nicht geschadet. Die Sponsoren halten eisern an ihren Engagements fest. Das amerikanische Kreditkartenunternehmen Visa sagt: «Unser Fokus liegt auf der WM 2014 in Brasilien.» Als Sponsor sei man nicht in die WM-Vergaben oder «andere administrative Vorgänge» innerhalb der Fifa involviert. Visa-Sprecher Andrew Woodward will nicht darüber «spekulieren», ob das Sponsoring über die WM 2014 hinaus verlängert werde. Auch der deutsche Sportartikelhersteller und Fifa-Partner Adidas sieht keinen Grund zur Änderung. Sprecher Jan Runau: «Diese immer wiederkehrenden Vorwürfe sind weder gut für das Ansehen des Fussballs noch der Institution Fifa.» Sie würden allerdings nichts an der Zusammenarbeit mit der Fifa ändern, die auf der «Faszination des Fussballs als Sport» basiere. 700 Millionen Menschen haben laut Fifa das Finalspiel der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika geschaut. In der Schweiz betrug der Marktanteil 64,1 Prozent. In den meisten Staaten der Welt ist Fussball der populärste Sport überhaupt. Nur gerade in den USA und Indien ist dies nicht der Fall. Würde ein Sponsor abspringen, stünde sofort der nächste bereit. Jeder Fussballer und jede Fussballerin der Welt, ob Kind oder Erwachsener, ist automatisch Teil der Fifa, sofern er oder sie in einem Verein Fussball spielt. Über die Lizenzgebühren bezahlt er oder sie jährlich Mitgliederbeiträge an den jeweiligen Nationalverband. Dieser wiederum ist als Fifa-Direktmitglied gezwungen, sich der Fifa bedingungslos zu unterwerfen und Kampf um das Präsidium Rege Flugdiplomatie vor dem Showdown in Zürich Gerry Stegmeier Rychenstein Die Abenteuer des Unternehmerpaars Franz und Gloria Rychenstein. Ein Comic von Alex Macartney. Seite 51 | HB-JLK: Joseph Blatter nutzt den Privatjet unter dem Übernamen «Fifa One» auch im Wahlkampf. Ehemalige Freunde Mit Joseph «Sepp» Blatter (75) und Mohammed Bin Hammam (61) aus Katar treten nächsten Mittwoch in Zürich zwei ehemalige Freunde gegeneinander an. Bei früheren Wah len für das Fifa-Präsidium war Bin Hammam noch wichtigster Helfer für Blatter. Am Mittwoch teilte die Fifa mit, dass die Ethikkomission gegen Bin Hammam wegen Verdachts auf Bestechung ermittle. Angezeigt hatte ihn Blatter-Intimus Chuck Blazer, Fifa-Exekutivmitglied aus den USA. Kommunikation per SMS Auffallend ist der Unterschied im Stil der Kandidaten. Bin Hammam beantwortet Medienanfragen persönlich – per SMS. Er twittert, bloggt und benutzt Facebook. Blatter hat für den Wahlkampf ein Kommunikationsteam von sechs Profis angeheuert. Der Mann aus Katar verspricht nach seiner Wahl allgemein mehr Transparenz. Schon jetzt legt er sein Fifa-Einkommen offen: 300 000 Dollar für 2010. Blatter nennt eine Million Dollar pro Jahr als Einkommen. Sein Konkurrent, immerhin Fifa-Vize sowie Mitglied der Finanzkommission, kann das nicht bestätigen. Bin Hammam: «Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass es in der Fifa keine Transparenz gibt.» Wahlkampf mit Privatjet Die Kontrahenten waren seit ihrer Kandidatur fast ununterbrochen im Ausland auf Stimmenfang: Bin Hammam hat seit Mitte März rund 30 Staaten bereist, Blatter rund 15. So war der Walliser Mitte April auf einer siebentägigen Tour durch alle sieben Länder Zentralamerikas, gefolgt von Visiten in Paraguay, den USA, Russland, Südafrika, Japan, wo Blatter neben Fuss ballverbänden immer wieder Staatschefs getroffen hat. Während Bin Hammam für seinen Wahlkampf offiziell den Privatjet des Emirs von Katar nutzt, weiss man es bei Blatter nicht: Fest steht, dass der Fifa-Präsident 2011 mehrfach mit dem Privatjet unterwegs war, der während der Fussball-WM 2010 in Südafrika unter dem Übernamen «Fifa One» bekannt wurde. Die gemietete Falcon 7X mit der Schweizer Immatrikulation HB-JLK zählt zu den luxuriösesten Langstrecken-Kleinmaschinen der Welt. Das Flugzeug kostete über 40 Millionen Dollar – ohne die weissledrige Innenausstattung von BMW Design. (jft/ncb) chester United, Real Madrid und zehn weitere Klubs vertreten sind. Bei der Fifa selbst kommuniziert man in der heiklen Sache widersprüchlich. Einerseits sagt ein Sprecher: «Alle interna tionalen Spiele, inklusive Freundschaftsspielen zwischen Nationalmannschaften, Klubs und Ad-Hoc-Mannschaften, unterstehen der Regelung.» Andererseits sagt er auch, die Statutenrevision werde nichts am bestehenden Regelwerk ändern. Die Frage, warum es denn einer Statutenänderung bedürfe, wenn sich nichts ändere, liess die Fifa unbeantwortet. Im Glaspalast mit Blick auf den Genfersee herrscht helle Aufregung. Nur per Zufall erfuhr man am Hauptsitz der European Club Association in Nyon, dass die Fifa eine Statutenänderung plant, die es in sich hat. Sie trifft die europäischen Fussballvereine in ihrem Mark. Der neue Passus kommt einer Umverteilung gleich – zugunsten des Weltfussballverbandes und auf Kosten der Klubs. Bisher verdiente die Fifa an jedem Länderspiel: Das Heimteam muss 2 Prozent des Umsatzes nach Zürich abliefern – zwei Prozent von Fernseh-, Marketing- und Klubs warnen vor «Belastungsprobe» Schon seit Jahren stehen gerade EuroTicketeinnahmen. Nur tatsächlich entrichtete Steuern dürfen von den Einnah- pas grosse Fussballklubs im Dauerstreit men abgezogen werden – bis zu 30 Pro- mit dem Weltfussballverband. Sie kritisiezent des Umsatzes. Nun will Fifa-Präsident ren mangelnde Demokratie und zu wenig Sepp Blatter auch die Klubs Rücksichtnahme auf Klubinzur Kasse bitten: «Die Fifa teressen. Jahrelang mussten Europas Klubs kann auf internationalen die Vereine zum Beispiel ihre forderten eine Spielen, an denen KlubSpieler gratis an die Natiomannschaften (...) beteiligt Klärung – doch nalmannschaften abgeben. sind, (...) eine Abgabe verlanFolgte ein Spieler dem Aufgedie Fifa hat gen», lautet der Entwurf aus bot nicht, wurde er für sämtkeine Zeit. der Fifa-Zentrale für den liche Spiele gesperrt. Wurde neuen Artikel 73 Absatz 2 der er in einem Länderspiel verStatuten. Ende Mai sollen die 208 Landes- letzt, mussten die Klubs als Arbeitgeber verbände die neuen Statuten am Fifa-Kon- für die Behandlungskosten und den Lohn gress absegnen. aufkommen. Erst nachdem mehrere Klubs die Fifa Fifa mit widersprüchlichen Angaben bei den Wettbewerbsbehörden der EU anDamit eröffnet sich der Fifa eine neue gezeigt hatten, kam es zu einer Einigung: Einnahmequelle. Die European Club As- Nun entschädigt der Weltverband alle sociation unter Vorsitz von Bayern-Mün- Klubs, deren Spieler an einer Fussballchen-Chef Karl-Heinz Rummenigge be- Weltmeisterschaft teilnehmen. fürchtet eine neue Fifa-Steuer. Per Brief Nichtsdestotrotz spart Rummenigge hat er namens der 197 Mitgliedsvereine nicht mit klaren Worten für die Fifa: «Der aus 53 Ländern der Fifa mitgeteilt, er sei klassische Fall von Missbrauch eines Momit der Statutenänderung nicht einver- nopols.» Der Verband in Zürich entscheide standen und bitte um Klärung. Doch in alles allein, ohne jegliche Rücksprache. Zürich hat man keine Zeit. Ein Treffen Gebe es nicht bald Änderungen, komme könne erst nach dem Kongress stattfin- es zur «Belastungsprobe». den, richtete die Fifa nach Nyon aus. Die Fifa kann ihre Regeln via NationalNun will die European Club Associa verbände weltweit allen Vereinen auftion das Thema umgehend in einer zwingen, weil jeder Klub Mitglied eines Arbeitsgruppe und vor dem Kongress an Landesverbandes ist. Werden die Regeln einer Sitzung des Vorstandes diskutieren, nicht umgesetzt, droht dem Landesverin dem neben Bayern München auch die band die Verbannung aus den FussballTopvereine AC Mailand, Barcelona, Man- Wettbewerben, insbesondere der WM. sämtliche Regeln und Anweisungen aus der Fifa-Zentrale in Zürich umzusetzen. Auch innerhalb der Fifa gibt es keine Transparenz Regiert wird der Fussball weltweit von nur 24 Männern, die hinter verschlossener Tür tagen. Die Rechtsform eines Vereins ermöglicht es der Fifa, Transparenz nach Gusto herzustellen. Zwar liess der Weltfussballverband die Möglichkeit prüfen, die Fifa als Stiftung nach Schweizer Recht zu konstituieren. Doch diese Idee wurde bald verworfen, denn als Stiftung wäre die Fifa in der Schweiz der Stiftungsaufsicht, also einer staatlichen Behörde, unterstellt. Das Ergebnis: Nun beaufsichtigt niemand den Milliardenkonzern Fifa im Rechtskleid eines gemeinnützigen und nicht gewinnorientierten Vereins. Selbst innerhalb der Fifa wissen nur wenige, was passiert. Vor allem finanzielle Angelegenheiten bleiben weitgehend geheim. So weiss Fifa-Vizepräsident Mohammed Bin Hammam aus Qatar, Mitglied der Fifa-Finanzkommission, nichts von der Einstellungs- verfügung, deren Veröffentlichung Fifa-Anwälte derzeit zu verhindern versuchen. Die Verfügung geht zurück auf eine Strafuntersuchung der Staatsanwaltschaft Zug gegen die Fifa und zwei Fifa-Funktionäre und steht im Zusammenhang mit Schmiergeldern. 2010 hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt, nachdem die Fifa und zwei Funktionäre 5,5 Millionen Franken Wiedergutmachung bezahlt hatten. Bin Hammam: «Ich verfüge über keine eigenen Fakten dazu. Ich weiss nur, was in den Medien steht.» Intransparenz gehört zum obersten Geschäftsprinzip des Monopolisten. Selbst externe Geschäftspartner akzeptieren diese Regel. So gehen etwa die Fernsehrechte meist an den Meistbietenden. Der Handel lohnt sich wohl nur für die Fifa. «Betriebswirtschaftlich rechnet sich Sport und insbesondere Fussball gar nie», sagt Daniel Steiner, Sprecher der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG. Die genauen Zahlen hält er geheim. «Wie üblich wurde mit der Fifa über die finanziellen Abgeltungen und vertraglichen Details Stillschweigen vereinbart.» anzeige