„Schlagen auf der Schanze zurück“

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„Schlagen auf der Schanze zurück“
26 Sport
Nummer 77 | Donnerstag, 17. März 2016
Die FIFA
spricht von
Stimmenkauf
Bastian Schweinsteiger bereitete sich
gestern auf Liverpool vor. Foto: Reuters
Manchester
hofft auf die
Revanche
Manchester – Nach der
0:2-Niederlage im Hinspiel
gegen den FC Liverpool muss
Manchester United heute
im Achtelfinale der Europa League die Kehrtwende
schaffen. Die „Red Devils“
sind klarer Außenseiter im
heimischen Old-TraffordStadion. Unmöglich scheint
die Wende aber nicht, in der
Vergangenheit hat ManUnited schon oft ein K.-o.-Duell
noch drehen können. Bereits
dreimal konnte ein 0:2-Rückstand wettgemacht werden.
Im Champions-League-Achtelfinale 2013/14 gab es zuletzt gegen Olympiakos Piräus zu Hause einen 3:0-Erfolg.
Noch schlechter als für
United schaut es für Tottenham aus. Die Spurs gehen mit
ÖFB-Legionär Kevin Wimmer
mit einer 0:3-Hypothek ins
Heim-Rückspiel gegen Borussia Dortmund. „Das noch
zu drehen, ist fast unlösbar
gegen einen Gegner wie Dortmund. Aber wenn uns ein frühes Tor gelingt, ist vielleicht
noch etwas möglich“, meinte
Wimmer. Im Europacup ist
Tottenham zu Hause neun
Spiele ungeschlagen. (APA)
Europa League
Achtelfinal-Rückspiele, heute:
Valencia – Bilbao (HS: 0:1) 19.00
Leverkusen – Villareal (0:2) 19.00
Lazio – Sparta Prag (1:1)
19.00
Tottenham – Dortmund (0:3) 21.05
live auf Sport 1
Braga – Fenerbahce (0:1)
21.05
ManUnited – Liverpool (0:2) 21.05
Anderlecht – S. Donezk (1:3) 21.05
Sevilla – Basel (0:0)
21.05
Der Weltfußballverband FIFA sieht
sich in der Korruptionsaffäre als
Opfer und will Entschädigung
von 41 Ex-Funktionären.
Zürich – Überraschend
spricht der Fußball-Weltverband FIFA erstmals von
massiven Verstößen bei WMVergaben. Jedenfalls steht ein
juristischer Gegenschlag großen Ausmaßes bevor. Beim
Versuch einer Imagekorrektur
unter dem neuen Präsidenten
Gianni Infantino fordert der
Fußball-Weltverband von den
Beschuldigten der US-Ermittlungen eine hohe MillionenEntschädigung und erkennt
erstmals einen Stimmenkauf
bei WM-Vergaben an.
„
Die FIFA will das
Geld zurück, und
wir sind entschlossen, es
zu bekommen, egal, wie
lange es dauern wird.“
Gianni Infantino
(FIFA-Präsident)
Foto: APA/Hochmuth
Der bei den amerikanischen Behörden eingereichte
Antrag richte sich gegen 41
frühere Offizielle und Fußball-Funktionäre, teilte die
FIFA gestern mit. „Die FIFA
will das Geld zurück, und wir
sind entschlossen, es zu bekommen, egal, wie lange es
dauern wird“, betonte Infantino. Die US-Behörden haben
bisher bereits mehr als 190
Mio. US-Dollar (171,5 Mio.
Euro) von Angeklagten beschlagnahmt – Geld, das die
FIFA sich zurückholen will.
Der Weltverband geht aufgrund der Ermittlungen der
US-Justiz und eigener Untersuchungen davon aus, dass
die Beschuldigten mindestens
mehrere Dutzend Millionen
US-Dollar illegal durch Bestechung, Schmiergeld oder andere Korruptionsmechanismen umgeleitet haben. Der
Ex-FIFA-Chef Joseph Blatter
und UEFA-Präsident Michel
Platini, beide für sechs Jahre
gesperrt, stehen nicht auf der
Liste – sie sind nicht in den
USA angeklagt.
Der Weltverband sieht sich
als Opfer und kämpft darum, dass die US-Ermittler
ihm diesen Status zuerkennen. Opfer eines Verbrechens
können nach US-Recht von
Verurteilten Entschädigung
verlangen. „Die überführten
Angeklagten haben ihre Positionen des Vertrauens, die sie
bei der FIFA und anderen internationalen Fußball-Organisationen innehatten, missbraucht und haben der FIFA,
ihren Mitgliedsverbänden
und der Fußball-Gemeinschaft schweren und dauerhaften Schaden zugefügt“,
begründete Blatter-Nachfolger Infantino den Schritt.
In dem 22-seitigen Schreiben gibt die FIFA erstmals
öffentlich an, dass es bei den
Vergaben der Weltmeisterschaften 1998 und 2010 zu
Stimmenkauf gekommen sei.
„Der Schaden, der von der
Habgier der Angeklagten angerichtet wurde, kann nicht
übertrieben dargestellt werden“, heißt es.
Im Zentrum dabei steht der
von Skandalen umgebene
Warner aus Trinidad und Tobago, der die Bestechung bei
der Ausrichterwahl der WM
2010 organisiert haben soll.
Obwohl er auch beim umstrittenen WM-Zuschlag an Russland (2018) und Katar (2022)
mitgestimmt hatte, ist eine
Neuvergabe der Weltturniere
bisher kein Thema. (TT, APA)
Splitter
Finnen-Hilfe: Der Steirer Andreas Mitter übernimmt vor
der Heim-WM 2017 in Lahti
das Cheftrainer-Amt der krisengeschüttelten Skispringer
Finnlands. Der Bruder des
norwegischen Herren-Chefs
(alpin), Christian Mitter, betreute bisher mit Florian Liegl
das ÖSV-Continental-CupTeam. Er war einer der drei
Vorschläge von Ex-ÖSV-Chef
Alexander Pointner.
Reicher Junge: Faiq Jefri
Bolkiah, der 17-jährige Neffe
des Sultans von Brunei,
wechselt von Chelseas U18
zum englischen PremierLeague-Tabellenführer
Leicester City. Sein Onkel
zählt mit einem Vermögen
von 18 Milliarden Euro zu den
reichsten Menschen der Welt.
Angriff in Planica: Kraft (l.) ist im Skiflug-Weltcup Dritter, Hayböck kämpft um Gesamtrang drei.
Foto: JumpandReach
„Schlagen auf der
Schanze zurück“
Vier Chancen zur Rehabilitation: ÖSV-Cheftrainer
Heinz Kuttin (45) sieht vor dem heute beginnenden
Saisonfinale in Planica seine Adler auf Podestkurs.
Von Benjamin Kiechl
Planica, Innsbruck – Die
Sonne machte sich gestern in
Kärnten rar, aber ÖSV-Cheftrainer Heinz Kuttin setzte
sich dennoch mit einem Lächeln auf den Lippen ins Auto
und steuerte dem Weltcup-Finalort Planica (SLO) entgegen.
„Von mir zuhause fahre ich ja
nur eine Stunde. Ich freu’ mich
auf das Finale“, sagte er hörbar gut gelaunt. Es schien, als
würde die ÖSV-Schmach von
Titisee-Neustadt (Kraft war
als Bester 22.) an der Kärntner
Frohnatur abprallen.
Sein Blick geht Richtung
Süden, zu den Karawanken.
In Planica sollen seine ÖSVAdler auf der Schanze zurückschlagen, nachdem Hayböck
und Co. nach drei Siegen in
Finnland zuletzt die Luft auszugehen schien. Rang drei im
Gesamtweltcup sei für Hayböck „absolut in Reichweite“.
Stefan Kraft ist Skiflug-Weltcup gegenwärtig Dritter, aber
„an der Spitze liegt alles sehr
eng beisammen“.
„
Ich will den Vergleich mit Pointner
nicht mehr aufwärmen.
Ich habe selbst an den
Erfolgen mitgearbeitet.“
Heinz Kuttin
(ÖSV-Cheftrainer)
Foto: gepa
Seit zwei Jahren zieht Kuttin
als Cheftrainer bei den Österreichern die Fäden. Rang drei
bei der Vierschanzentournee,
Einzel- und Team-Bronze bei
der Skiflug-WM sind die„Gustostückerln“ des Winters, von
heute (12.35 Uhr, ORF eins)
bis Sonntag in Planica mit
vier Skifliegen zu Ende geht.
Auf seine Bilanz angesprochen sieht Kuttin das Glas
„natürlich halbvoll“: „Mit jedem Trainerwechsel tut sich
etwas in der Mannschaft.
Ich will den Vergleich mit
Pointner nicht aufwärmen.
Ich habe an den vergangenen Erfolgen genauso wie
die Stützpunkttrainer Markus
Maurberger und Nik Huber
selbst mitgearbeitet.“
Kraft und Hayböck sind
derzeit so etwas wie Kuttins
Lebensversicherung. „Sie
sind Leistungsträger und liefern ihre Ergebnisse in den
Top Ten fast immer ab.“ Für
die Tiroler Manuel Poppinger
und Manuel Fettner traf das
nicht zu. „Sie sind noch unkonstant.“ Von den jungen Tirolern Thomas Hofer, Philipp
AschenwaldundClemensAigner könne Letzterer in Planica
überraschen. „Clemens hat
das größte Flieger-Potenzial
und im Continental-Cup aufgezeigt.“ Sorgenkind Andreas
Kofler, der im Weltcup nicht
auf Touren kam, fehlt beim
Finale. „Eine zache Geschichte für ihn“, so Kuttin, der auch
mit Gregor Schlierenzauer in
Kontakt steht. „Ich habe mich
mit ihm getroffen, er verarbeitet.“ Kommt er zurück?
Kuttin: „Natürlich!“
Mut zum Absprung
Skisprung-Großmacht, das war einmal
Von Alexander Pointner
D
ie Freude im österreichischen Skisprung-Team hielt
nicht lange an. Dem kurzen
Höhenflug in Finnland
folgte die totale Ernüchterung: Während in Polen
noch ein Springer als Achter
in den Top 20 landete, war
in Titisee-Neustadt dort keiner mehr zu finden. Kraft
22. und Fettner 28., der Rest
unter ferner liefen.
Die Mechanismen
bleiben dennoch die alten:
Hayböck hatte schlechten
Wind, was definitiv der Fall
war, von den anderen sechs
Athleten wird nicht gespro-
chen. Die Trainer laufen
gekränkt im Athletendorf
umher und wirken besonders auf jene beleidigt, die
eventuell Kritik anbringen
könnten. Nebenbei gab es
heuer auch schon Sprechverbot mit einzelnen Medienvertretern. Ein professionelles Team müsste meiner
Meinung nach anders
agieren.
Mehr als 700 Punkte liegt
das ÖSV-Team im Nationencup hinter Platz drei
und mehr als 2000 Punkte
hinter den führenden
Norwegern, die als unerreichbar dargestellt werden. An die Rekordzahlen
von früher kommen diese
aber gar nicht heran. Für
die ehemalige Großmacht
Österreich wird Platz vier
übrig bleiben. Das ist erst
dreimal seit Bestehen des
Weltcups passiert, das letzte
Mal 1996/97.
Auch wenn sich das Team
im Umbau befindet, sind
zum Großteil noch immer
dieselben Athleten wie vor
zwei Jahren am Werk, nur
sind manche in die zweite
Liga abgerutscht. Zur Veranschaulichung: In meiner
letzten Saison als Trainer
hätten wir den Nationencup auch ohne die Punkte
von Morgenstern, Koch und
Loitzl, deren Fehlen jetzt
ins Treffen geführt wird,
gewonnen. Man sollte auch
hinterfragen, warum mit
Loitzl und Schlierenzauer
gleich zwei Spitzenathleten
mitten in der Saison wegen
Erfolglosigkeit ihre Skier zur
Seite stellten.
Zu Letzterem wird seitens des ÖSV nun wieder
Kontakt aufgenommen, wie
man aus Skisprung-Kreisen
vernimmt. Aber nicht
vom Cheftrainer, sondern
von der sportlichen Leitung des ÖSV. Hoffentlich
werden nicht die Fehler
der Vergangenheit wiederholt und Versprechungen
gemacht, ohne diese mit
der Skisprung-Abteilung zu
koordinieren.
Jetzt bleibt nur noch zu
hoffen, dass es zu einem
versöhnlichen Abschluss
kommt und Hayböck noch
auf den dritten WeltcupGesamtrang springt. Sonst
steht der ÖSV mit leeren
Händen da – wie übrigens
auch bei der Junioren-WM
(männlich). Eine schwierige
Zukunft steht bevor.
Alexander Pointner (45),
erfolgreichster SkisprungTrainer aller Zeiten,
kommentiert für die
TT das SchanzenGeschehen.
alexanderpointner.at
Foto: Forcher