Hebräer 10,35-39

Transcrição

Hebräer 10,35-39
Walter Reichardt,
Prädikant der Evang. Landeskirche in Württemberg
Gottesdienst am 05.10.2014 (16. Sonntag nach Trinitatis)
in Bolheim
Predigt (Hebräer 10,35-39)
Liebe Gemeinde,
Sie haben es sicherlich bereits bemerkt, es geht heute an diesem 16. Sonntag nach
dem Dreieinigkeitsfest darum, dass wir vor – und auch gerade - im Angesicht Gottes,
unsere Lebenssituation und Sorgen, unsere Befürchtungen, unser Bangen und
Hoffen und unsere Ängste nicht verstecken und nur „Fassade“ leben, sondern
unsere Lebenssituationen und Gefühle vor ihm ausbreiten.
Und es geht darum, wie wir dann mit Gottes Hilfe mit unserer Situation und unseren
Gefühlen recht und verantwortungsbewusst umgehen können und sollen.
- Nach der Predigt wollen wir uns eine gewisse Zeit der Stille nehmen, um über das
Gehörte noch mit Gott zu reden und auf ihn zu hören. –
Schon im Zusammenhang mit unserem Wochenspruch (1. Johannes 5,4) haben wir
erfahren, dass wir durch den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus – durch das
Vertrauen auf ihn – die Welt mit all ihren schrecklichen Szenarien überwinden
können:
Nicht so, dass diese mir dann gleichgültig sind – NEIN! ganz und gar nicht! Sondern
überwinden in der Form, dass sie mich nicht mehr kaputt machen, dass sie mich
nicht mehr zerfressen und in Aufregung – ja Panik versetzen können, ohne dass ich
mir die Situationen verniedliche, klein-rede oder klein-denke.
Ich lese Hebräer 10, 35-39
L
Drei Punkte, liebe Gemeinde:
1. „Darum, werft euer Vertrauen nicht weg.“
2. „Geduld“ habt ihr nötig.“
3. „das Verheißene empfangen.“
zum 1.:
„Darum, werft euer Vertrauen nicht weg.“
Kennen Sie Situationen in Ihrem Leben, in denen Sie hoffnungslos waren?
Kennen Sie das, dass Sie dann auch Ihren Glauben, Ihr Vertrauen auf Gott, in Frage
gestellt haben? – Dass Sie Gott in Frage gestellt haben?
Ja, wie oft kommen wir an den Punkt, an dem uns unsere ganze Ohnmacht und
Hilflosigkeit bewusst wird.
Ob das angesichts der derzeitigen Kriege und des Terrors im Gebiet von Syrien und
des Irak ist oder in der Ukraine oder den vielen Staaten in Afrika ist, in denen Krieg
und Terror herrscht. Oder angesichts der fatalen Ebola-Seuche in Westafrika.
Oder aber auch im eigenen Umfeld, in dem wir ungerecht behandelt wurden,
Missachtung, Krankheit oder Leid erfahren haben.
Trostlos, hilflos, so fühlen wir uns dann oft. Vielleicht steigt Wut in uns auf.
Walter Reichardt, Langweidstr. 22, 89551 Königsbronn-Ochsenberg
Tel: 0 73 28 / 65 14; Fax: 0 73 28 / 69 69; E-Mail: [email protected]
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Da wird uns schmerzhaft bewusst, dass entgegen allen markigen
Werbeversprechungen eben doch nicht alles “machbar“ ist, wir eben nicht alles – ja
Vieles nicht – im Griff haben.
Und in diese Situationen ruft uns der Schreiber des Hebräerbriefes zu: „Darum werft
euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“
“Darum“ fordert uns auf, nachzuforschen.
Weshalb? - Der Text vor unserem Predigttext klärt uns auf.
Weil Jesus selbst für uns – aber auch für jeden anderen – in dieser Welt –
stellvertretend, für die Schuld - unsere eigene als auch die des anderen – gestorben
ist. Er, Jesus, hat diese Schuld auf sich genommen. So sind wir frei geworden von
unserer Schuld und so lässt sich das, was uns andere angetan haben, - was wir ja
auch ertragen müssen, - auch durch die Schuld anderer, - leichter ertragen – gerade
auch deshalb, weil es nicht mehr auf unseren – auf meinen – Schultern lastet, dass
der Gerechtigkeit – oft auch nur dem, was wir oder ich für Gerechtigkeit ansehe, genüge getan wird und ihr zum Recht verholfen wird.
Unsere Hoffnung und unser Trost liegt in dem Wissen begründet, dass es über allen
Instanzen dieser Welt, die eine göttliche Instanz gibt, die nicht bestochen und nicht
einseitig beeinflusst werden kann. und dass wir in dem allmächtigen Gott, dem
Schöpfer des Himmels und der Erde den uns absolut liebenden Vater haben, der
mich, der Dich, der jeden einzelnen bis auf den Herzensgrund kennt und liebt.
Und diese Liebe zielt viel, viel weiter, als wir uns das gemeinhin vorstellen können.
Gottes Ziel mit uns ist nicht, dass wir nur ein paar schöne Jahre haben. Gottes Ziel
mit uns ist, dass wir in Ewigkeit nicht nur mit und bei ihm leben sondern sogar mit
ihm regieren. (Offenb. 1,5+6).
Das ist Gottes Ziel mit uns. Darum ! – Werft Euer Vertrauen nicht weg!
Aber eines ist auch klar: ich kann nur wegwerfen, was ich auch habe!
Deshalb:- habe ich das Vertrauen in Jesus Christus? - Und eine andere Übersetzung
des griechischen Wortes für “Vertrauen“ heißt “Glaube“.
Vertraue ich Jesus und vertraue ich mich ihm an- in allen Lebenslagen? Glaube ich
ihm?
Das 2.: „Geduld habt ihr nötig.“
Kennen Sie auch das, dass Ihre Geduld begrenzt ist, - dass Ihre Geduld am Ende
ist, dass der Geduldsfaden reißt? – Und dann? L Dann werden wir selbstgerecht!
Der Autor des Hebräerbriefs weiß schon, weshalb er uns dies ins Stammbuch
schreibt: „Geduld aber habt ihr nötig.“
Für mich ist die Aussage, die ja sogleich eine Aufforderung ist, ein Beweis dafür, wie
realistisch und lebensnah Gottes Wort ist – ganz und gar nicht weltfremd.
Die Bibel ist voll von Berichten darüber, wie es auf unserer Welt zugeht. Wieviel
Böses und Schlimmes auf der Welt, zumeist durch Menschen, geschieht.
und schon drängt sich uns die Frage auf: Ja, wenn Gott das alles weiß und wenn er
doch lauter Güte und Liebe ist, wie kann er dann dies alles zulassen? Weshalb greift
er nicht ein? Weshalb merzt er das Böse nicht einfach aus?
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Und wir vergessen oder verdrängen bei dieser Sichtweise völlig,
- dass uns Menschen, Gott, dies Erde zum bebauen und bewahren in
Verantwortung übergeben hat.
- dass er uns deshalb nur wenig niedriger als sich selbst, zu seinem Bilde
erschaffen hat und
- dass er in seinem Wort uns ständig für diese unsere Aufgabe zur Seite steht,
wir jedoch uns von ihm so oft nichts sagen lassen wollen!
Zumeist sind doch wir selbst, unser Denken und Beurteilen die letzte Instanz.
Erst wenn ich es für mich für gut erachte, stimme ich dem was Gott uns sagt
zu oder nicht.
Gott hat uns seine Schöpfung in Verantwortung übergeben.
Und wir brauchen Geduld, weil er mit dieser Welt und auch mit uns noch nicht fertig
ist. Weil er die Chancen zur Umkehr, die er einem jeden von uns gibt, uns nicht
nehmen will. Und das ist ein Beweis seiner Liebe zu uns. Er will, dass wir alle die
Chance haben, noch umzukehren und seinen Willen tun. – Tun wir’s???
Deshalb unser Leiden in und an dieser Welt. Deshalb brauchen wir noch Geduld.
Gott sei Dank ist Gott mit dieser Welt und uns noch nicht fertig!
Und nun das 3.: „das Verheißene empfangen.“
Was ist uns verheißen?
Unsere Seele erretten – so der letzte Satz unseres Predigttextes.
Können wir damit heute noch etwas anfangen?
Auch wenn wir in frommen Kreisen immer wieder sagen, der Mensch besteht aus
Leib, Seele und Geist, so definieren wir uns doch zuallermeist über den Leib, über
unseren Körper.
Weit verbreitet ist der Glaube: wenn das Herz aufhört zu schlagen, die Gehirnströme
zum Erliegen kommen, die Körperfunktionen ihren Dienst eingestellt haben, dann ist
alles aus, dann gibt es mich einfach nicht mehr, dann existiere ich nicht mehr, dann
habe ich mich in “Nichts“ aufgelöst.
Liebe Gemeinde, das ist ein Glaube mit buddhistischen Zügen. Ja, im Buddhismus
ist diese Auflösung im Nichts sogar das Heilsziel.
Nur, im Gegensatz zum Buddhismus ist unser Glaube an das sich Auflösen in
Nichts, der Versuch eines gedankenlosen sich entziehen wollen unserer
Verantwortung. Im Buddhismus muss man sich diese Auflösung ins Nichts durch
besonders religiöses Leben, Entbehrungen und verantwortlichem Umgang mit aller
Kreatur hart erarbeiten.
Die Bibel lehrt uns aber nicht, dass wir uns nach unserem Tode in Nichts auflösen,
ganz im Gegenteil!
Unser Vater macht uns an vielen Stellen immer wieder darauf aufmerksam, dass der
Mensch mit Ewigkeitsperspektive geschaffen ist.
Gottes Plan war von Anbeginn seiner Schöpfung, in uns ein echtes Gegenüber zu
haben.
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Die Liebe, die ja ein Grundwesenszug Gottes ist, fordert an sich schon ein
Gegenüber, das geliebt werden kann. Als Gegenüber Gottes sind wir aber auf die
Ewigkeit hin angelegt, weil auch Gott auf Ewigkeit hin angelegt ist.
Als Gott den Menschen schuf, war der Tod des Menschen noch nicht eingeplant.
Auch daher sind wir alle auf Ewigkeit hin angelegt – wenngleich auch nicht auf dieser
Erde, in dieser Welt, deren Fürst Gottes Widersacher geworden ist (Joh. 12,31; Joh.
14,30; Eph. 2,2; Eph. 6,12).
Denken wir nur an Aussagen Jesu, z.B. schon am Kreuz, als Jesus einem der
Übeltäter, die mit ihm gekreuzigt wurden sagte:
„Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein.“(Luk. 23,43)
Oder Joh. 14,6: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum
Vater denn durch mich.“
Joh. 3,15: „* damit alle, die an ihn glauben nicht verloren werden, sondern das
ewige Leben haben.“
Joh. 5,24: „ denn es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine
Stimme hören werden, und werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur
Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des
Gerichts.“
Wir sind auf die Ewigkeit hin angelegt, auch wenn wir uns das mit unseren irdischen
Erfahrungen kaum vorstellen können und auch wenn wir dann nicht mehr in unserem
irdischen Leib sein werden – wir werden einen neuen, einen Ewigkeitsleib erhalten,
der nicht mehr zerbrechlich und vergänglich ist.
Gottes Reich, sein Reich ist real!
Joh.11,25: Jesus spricht: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich
glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der
wird nimmermehr sterben.“
Und auch Jesu Aussage in Joh. 14,2+3:
„ In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Wenn‘s nicht so wäre, hätte ich
dann zu euch gesagt: ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich
hingehe, die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen,
damit ihr seid, wo ich bin.“
Gott will uns ein Gegenüber sein und wir sollen ihm ein Gegenüber sein – auf
Augenhöhe, keine Puppen, keine Marionetten!
Das ist unsere große Verheißung, das ist der Grund, weshalb Gott uns Menschen
geschaffen hat. Und das ist auch der Grund, weshalb er uns mit einem eigenen
Wollen und Willen ausgestattet hat, auch weshalb er uns mit der Gabe der
Kreativität, einer schöpferischen Kreativität ausgestattet hat.
Wenn Gott - aus Liebe -uns geschaffen hat, war das, im Wesen der Liebe
begründete Ziel Gottes, dass seine Liebe erwidert wird.
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Liebe wirklich erwidern kann nur ein Wesen, das frei ist in seinen Entscheidungen,
unabhängig. Wirkliche Liebe kann nur aus freien Stücken geschehen.
Wir sehen oft nur, wie schlimm und schlecht die Welt, unsere Gesellschaft und die
anderen sind und beklagen dies. Wir haben dabei aber nur unser momentanes
Wohlergehen im Blick.
Gott sieht weiter, Gott denkt weiter, er sieht das Ziel, das wir erreichen sollen und um
dessentwillen er mit uns und dieser Welt noch nicht Schluss gemacht hat. Gott will
uns nicht vernichten sondern er will, dass wir umkehren, ihm vertrauen und wir mit
ihm und er mit uns zum Ziel kommt
Das ist uns verheißen, das ist unsere Hoffnung und auch unser Trost.
„Mein Gerechter aber wird aus Glauben – aus dem Vertrauen – leben.“ (Hab. 2,4)
Darum werft euer Vertrauen, euren Glauben, nicht weg.
Darum bleibt in der Geduld mit dem Blick auf unseren Herrn und hütet euch vor
Selbstgerechtigkeit.
Hören wir noch einmal auf unseren Text:
„Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.
Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene
empfangt.
Denn »nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und
wird nicht lange ausbleiben.
Mein Gerechter aber wird aus Glauben leben. Wenn er aber zurückweicht, hat
meine Seele kein Gefallen an ihm« (Habakuk 2,3-4).
Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt werden,
sondern von denen, die glauben und die Seele erretten.“ (Hebr. 10,35-39
Amen
Zeit in der Stille zum betenden und hörenden Nachdenken.
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