Schattenblick Druckausgabe

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Schattenblick Druckausgabe
Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ...
MA-Verlag
DIE BRILLE / REPORT
Leipzig, das Buch und die Messe textinszenierte Bühnenshows ...
Bas Böttcher im Gespräch
Eindruck, Ausdruck, Buchdruck ­
Impressionen
Leipziger Buchmesse, 17. bis 20.
März 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
Leipzig, das Buch und die Messe offener Empfang, fesselfreier Gang ...
Constantin Schreiber im Gespräch
Eindruck, Ausdruck, Buchdruck ­ Impressionen
Leipziger Buchmesse, 17. bis 20. März 2016
Bas Böttcher über sein Herzensprojekt, die Poetry-Slam-Fibel,
Sprache und ihre Wirkung und wie
man Textkunst konserviert, die eigentlich nur für den Augenblick geschrieben wurde ... (Seite 5)
Fernsehmoderator
Constantin
Schreiber über Angela Merkels Sel­
fies mit Flüchtlingen, das Scheitern
des Interventionismus im Nahen
Osten und die Notwendigkeit,
Flüchtlingen eine Traumabehand­
lung anzubieten
POLITIK / REDAKTION
(SB) ­ Ein Schwerpunkt der diesjäh-
(SB) ­
Machtkampf in Bagdad gefährdet
die Zukunft des Iraks
Al Sadr droht mit Massenprotesten
und fordert damit Al Maliki heraus
(SB) ­ In Bagdad spitzt sich die poli-
Dienstag, 19. April 2016
rigen Leipziger Buchmesse war das
Thema Flüchtlinge. Dazu wurde auf
dem Messegelände selbst sowie in
anderen Stadtteilen Leipzigs eine
Reihe von Veranstaltungen angeboten, die sich von unterschiedlichen
Blickwinkeln her den vielfältigen
Fragen näherten, die sich in diesem
Zusammenhang stellen. So fand am
Abend des 18. März im Neuen Rathaus in der Leipziger Innenstadt eine Podiumsdiskussion zu "Fluchtursachen und ihren Folgen" statt.
tische Krise zu. Das Parlament widersetzt sich den Bemühungen von
Premierminister Haider Al Abadi,
seine bisherige Regierung durch ein
aus parteiunabhängigen Experten
bestehendes Kabinett zu ersetzen.
Mit dieser Maßnahme will Al Abadi
der Forderung weiter Teile der Be- Unter Leitung des n-tv-Moderators
Constantin Schreiber diskutierten
völkerung nach einer ... (Seite 9)
Ute Schaeffer, stellvertretende Direktorin der Akademie der Deutschen Welle und Autorin des zwei
SPORT / BOXEN
Tage zuvor erschienenen Buchs
"Einfach nur weg. Die Flucht der
Talent deklassiert Erfahrung
Kinder" (dtv Verlagsgesellschaft),
Errol Spence macht kurzen Prozeß der Autor und Privatdozent am Instimit Chris Algieri
tut für Politikwissenschaft der Uni(SB) ­ Errol Spence, der weit über das versität Bremen Stefan Luft, dessen
Weltergewicht hinaus als eines der jüngstes Buch "Die Flüchtlingskrise.
vielversprechendsten Talente der Ursachen, Konflikte, Folgen" am 9.
Branche gilt, hat seinem Ruf ... (S. 14) März 2016 bei C.H. Beck erschienen
Constantin Schreiber
Foto: © 2016 by Schattenblick
ist, sowie der Buchautor und Redakteur des Literaturportals Bayern Dr.
Fridolin Schley, der die Probleme der
Flüchtlinge in dem Roman "Die Ungesichter" (Allitera Verlag) aufgegriffen hat. Während Lufts Buch politikwissenschaftlich-analytisch gehalten ist, berichtet Schaeffer von einem Dutzend Einzelschicksalen.
Schley wiederum nähert sich dem
Flüchtlingsschicksal literarisch an.
Als unvorteilhaft erwiesen sich die
räumlichen Bedingungen der Veranstaltung. Auf der einen Seite waren
die Podiumsteilnehmenden von den
Scheinwerfern so sehr geblendet,
daß sie laut Moderator kaum den Zuschauerraum erkennen konnten, zum
anderen war das Podium so weit vom
Elektronische Zeitung Schattenblick
Zuschauerraum entfernt, daß schon
von daher wenig äußerer Anreiz bestand, in ein reges Gespräch einzutreten. Wenn dennoch Fragen und
Anmerkungen aus dem Publikum
kamen, dürfte es nicht zuletzt an der
Aktualität des Themas gelegen haben.
Aktuell ist es aus deutscher Sicht leider erst geworden, weil im vergangenen Jahr rund 800.000 Flüchtlinge
die Landesgrenzen überschritten haben. Für die Flüchtlinge selbst hat
sich das von jeher anders dargestellt,
sind doch seit langem zahllose Menschen aufgebrochen, um nach Europa zu gelangen. Viele von ihnen haben es nicht geschafft. Tausende sind
inzwischen im Mittelmeer und östlichen Atlantik auf dem Weg nach Europa ertrunken oder beim Versuch,
Europa auf dem Landweg zu erreichen, ums Leben gekommen, ohne
daß dies hierzulande auch nur annähernd so starke Emotionen ausgelöst
hätte wie der gegenwärtige Zustrom.
Heute kann es sich vermutlich kaum
jemand vorstellen, daß noch Ende
der achtziger, Anfang der neunziger
Jahre kein Grenzzaun zwischen Afrika und Europa existierte. Die Grenze zwischen den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla und Marokko
konnte umstandslos passiert werden,
was aber keinen Massenandrang ausgelöst hatte. Seitdem hat sich viel geändert, das Wohlstandsgefälle zwischen Afrika und Europa ist um ein
Vielfaches gewachsen, und viele
Staaten im sogenannten MENARaum (MENA steht für Middle East,
North Africa) sind inzwischen destabilisiert, teils von innen her - Stichwort: Arabischer Frühling - teils
durch die Kooptierung des Aufstands
durch Fremdinteressen, die ihn auch
manchmal von außen induziert haben, oder durch direkte militärische
Interventionen.
Zu all den Fluchtursachen kommt eine notorische Unterversorgung der
traditionellen Hilfsorganisationen
hinzu. Darauf machte der Bremer
Seite 2
Politikwissenschaftler Luft aufmerksam. Anlaß zur Flucht sei in den letzten Jahren "die massive und rapide
Verschlechterung der Verhältnisse in
den Erstaufnahmestaaten, insbesondere in Jordanien und Libanon" gewesen. Die Maßnahmen des Welternährungsprogramms WFP und des
UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR
seien so massiv unterfinanziert, daß
sie ihre Versorgung mit Lebens- und
Hygienemitteln zurückfahren mußten. All das sei schon lange bekannt
und aus seiner Sicht "ein Skandal",
stellte Luft fest.
Schaeffer stimmte ihm in diesem
Punkt zu. Seitdem sie an ihrem Buch
geschrieben habe, käme ihr das Wort
"Wirtschaftsflüchtling" nicht mehr
so leicht über die Lippen. Die
Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien lebten mehrheitlich unterhalb
der Armutsgrenze. Die nächsten
Konflikte seien bereits angelegt.
Aber sie habe bei ihren Recherchen
auch immer wieder festgestellt, daß
viele Menschen gar nicht aufgrund
der Armut, sondern aufgrund des Zusammenbruchs der Governance (Regierungsstrukturen), der Verluste innerhalb der Familie sowie deren
Auseinanderbrechen aus ihrer Heimat geflohen sind.
Zu dem Zeitpunkt, an dem diese Podiumsdiskussion stattfand, handelte
die EU das Flüchtlingsabkommen
mit der Türkei aus, zwei Tage später
trat es offiziell in Kraft. Auf die Frage des Moderators nach der Beurteilung des Abkommens antwortete
Florian Schley, er gehe davon aus,
daß sich zwar die Flüchtlingskrise
auch in zwei, drei oder fünf Jahren
nicht werde lösen lassen. Aber er habe einen kleinen Hoffnungsschimmer hinsichtlich des Abkommens
mit der Türkei, auch wenn er die Kritikpunkte daran teile.
keine Wertegemeinschaft". Für Stefan Luft wiederum ist der türkische
Präsident Erdogan, der autokratisch
regiere und Krieg gegen einen Teil
des eigenen Volks, die Kurden, führe, kein Verhandlungspartner, "mit
dem man ernsthaft und verläßlich
Vereinbarungen treffen kann".
Constantin Schreiber berichtete aus
den sozialen Medien, daß sich einige Kommentare "an dem traurigen
Beispiel" des Grenzzauns zwischen
den USA und Mexiko orientierten
und meinten, die Abschottung funktioniere dort doch zumindest. Der
Moderator hat als Jugendlicher längere Zeit in Syrien gelebt und spricht
fließend Arabisch. Er wollte ursprünglich gar nicht Journalist werden, sondern hat Jura studiert. Mittlerweile hat er bereits für die libanesische Tageszeitung Daily Star in
Beirut gearbeitet, war Korrespondent
des arabischen Programms der Deutschen Welle in Dubai, Moderator
verschiedener Sender im Nahen
Osten (Ägypten, Oman, Qatar) und
von 2009 bis 2011 Medienberater für
den Nahen Osten im Auswärtigen
Amt. Außerdem begleitete er unter
anderem Bundeskanzlerin Angela
Merkel, EU-Kommissionspräsident
José Manuel Barroso und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auf ihren Nahostreisen.
Bei seinen Fragen an den Literaten,
den Politikwissenschaftler und die
Journalistin nahm Schreiber auch die
Perspektive der Flüchtlinge ein, indem er beispielsweise fragte: Wenn
wir von den Flüchtlingsschicksalen
hören und uns die Situationen in diesen Ländern vorstellen, müßte man
dann nicht eigentlich mit Traumabewältigung anfangen? In welchem
Zustand sind denn diese Kinder und
jungen Menschen, die zu uns kommen? Wären sie eigentlich aufnahmebereit für das, was jetzt gesellSie setze kein Vertrauen in den Deal, schaftlich und politisch diskutiert
sagte dagegen Schaeffer. Europa sei wird?
in der Flüchtlingskrise gescheitert,
habe sein wahres Gesicht gezeigt Um solche Fragen bemüht sich
und sei "an diesem Punkt zur Zeit Schreiber auch in seiner wöchentliwww.schattenblick.de
Di, 19. April 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
chen n-tv-Sendung "Marhaba - Ankommen in Deutschland", in der er
seit September 2015 Flüchtlingen
aufArabisch (mit deutschen Untertiteln) erklärt, wie die Deutschen so
ticken, welchen Umgang sie mit ihren Haustieren pflegen und daß die
Deutschen ihre vielen Ampeln, die
überall herumstehen, tatsächlich
auch beachten. Religionsfreiheit, das
Verhältnis von Männern und Frauen,
Sexualität, das Grundgesetz und andere Themen werden ebenfalls in jeweils fünf- bis siebenminütigen Beiträgen unterhaltsam präsentiert. Dafür wurde Schreiber mit dem Grimme-Preis 2016 ausgezeichnet.
strittig, daß kriegerische Auseinandersetzungen die Ursache dafür sind,
daß jetzt Millionen Menschen herkommen. Was meine persönliche
Einschätzung dieser Einsätze angeht,
von denen behauptet wird, wir bauen uns das Afghanistan oder den Nahen Osten, wie wir ihn haben wollen,
mit militärischer Gewalt, so sehe ich
das als krachend gescheitert an. Leider gibt es keine anderen tragfähigen
Konzepte, wie man es sonst machen
könnte. Auch klassische Entwicklungshilfe würde an ihre Grenzen
stoßen, wenn man sich mit Regimen
verbündete, mit denen man auch
sonst nicht zusammenarbeiten will.
Im Anschluß an die Podiumsdiskussion stellte sich der Moderator dem
Schattenblick für einige Fragen zur
Verfügung.
Die Veränderungen müssen hauptsächlich von innen heraus geschehen, und das werden lange, schmerzhafte Prozesse sein. Das klingt jetzt
ein bißchen klinisch und kühl, weil
es natürlich mit dem Leid von Menschen verbunden ist, aber ich glaube
nicht daran, daß man von außen Systeme schaffen kann, die dann nach
unseren Verhältnissen funktionieren.
Im Nahen Osten entstehen die Dinge bereits von innen her, aber wir
sind da vielleicht gerade mal auf den
ersten zwei Metern einer Strecke, die
sehr, sehr lang ist.
Schattenblick (SB): Die Flüchtlinge,
die jetzt vor den Toren Europas stehen, stammen aus verschiedenen
Ländern wie Syrien, Irak, Afghanistan, Libyen, Sierra Leone, Somalia.
Trifft die häufig zitierte monokausale Erklärung zu, daß die Flüchtlinge
aufgrund Angela Merkels Aussage
"Wir schaffen das" hierherkommen?
Constantin Schreiber (CS): In der
Tat, wobei auch die Selfies eine
große Rolle gespielt haben. Die
Kanzlerin sagte, sie mache jeden Tag
Selfies, und insofern müßte das nicht
unbedingt ausschlaggebend gewesen
sein. Aber die Selfies von ihr mit
Flüchtlingen kennt im Nahen Osten
tatsächlich jeder, und sie wird von
ihnen auch immer mit den Worten zitiert: Sie hat uns eingeladen. In der
Tat ist das, was immer genannt wird,
monokausal.
SB: Wie bewerten Sie die Bedeutung
des militärischen Interventionismus
beispielsweise in Libyen und Irak
und die Bemühungen, in Syrien
einen Regime change herbeizuführen, als Fluchtgrund?
CS: Ein Fluchtgrund ist das auf jeden Fall. Ich glaube, es ist relativ unDi, 19. April 2016
viel zu wenig. Dabei wäre es essentiell, wenn es uns um ein friedliches
Zusammenleben geht, daß wir den
Menschen, die aus Kriegsgebieten
zu uns kommen, auch auf psychologischer Ebene Hilfsangebote machen.
SB: Drückt sich mit dem häufig verwendeten Begriff der Integration
nicht geradezu etwas Trennendes
aus, weil Menschen, die integriert
werden sollen, erst einmal ausgegrenzt werden - ansonsten könnte
man sie ja nicht integrieren?
CS: Von Integration wird immer gesagt, es sei schon das bessere Wort
verglichen mit Assimilation. Glücklich bin ich trotzdem nicht damit. Vor
allem setzt es voraus, daß wir so
bleiben, wie wir sind, und die anderen so werden wie wir. Ich glaube,
die Realität wird irgendwo in der
Mitte stattfinden. Sprache wird sich
verändern, Kultur und Gesellschaft
werden sich verändern, im Idealfall
wird etwas auf irgendeine Weise zusammenwachsen. Dann ist es nicht
Integration, sondern es entsteht etwas Neues. Ich tue mich mit dem
Wort auch immer ein bißchen
schwer.
SB: Sie hatten vorhin auf dem Podium die Frage aufgeworfen, ob nicht
viele Flüchtlinge traumatisiert sind
und psychologisch behandelt werden
müßten. Haben Sie dazu eigene Vorstellungen?
SB: Könnte man die Verbundenheit
von Flüchtlingen mit Deutschland
nicht dadurch stärken, daß ihnen
Handwerkszeug und Material in die
Hände gegeben wird und sie sich unter fachlicher Anleitung, aber eben
selbstbestimmt ihre Häuser bauen, in
CS: Ich glaube, daß das sehr viel denen sie dann wohnen dürften?
wichtiger ist als vieles andere. Wir
reden immer über Sprachunterricht, CS: Es wäre ideal, sie genau so etüber Integrationsangebote. Unter was machen zu lassen. Oder aber
den Personen, mit denen ich ge- sie überhaupt arbeiten zu lassen.
sprochen habe, gibt es einige, die in Arbeit ist identifikationsstiftend.
der Tat sehr "tough" sind und ihre Wenn ich so fremdbestimmt wäre,
Flucht auf erstaunliche Weise be- würde ich mir auch etwas Selbstgewältigen, aber es gibt eben auch schaffenes wünschen, also im beviele, denen das nicht gelingt. Erst sten Fall Herr der eigenen Umgewenn man etwas länger mit man- bung zu sein. Ich glaube aber, daß
chen Leuten spricht, merkt man, es sehr schwierig wäre, das umzuwie viel da noch an unverarbeiteten setzen. Immer, wenn ich in Flüchttraumatischen Erlebnissen vorhan- lingsunterkünften bin, sagen die
den ist. Den Aspekt beleuchten wir Leute zu mir, daß sie es ganz
www.schattenblick.de
Seite 3
Elektronische Zeitung Schattenblick
Podiumsdiskussion im Alten Rathaus, Leipzig, mit (von links) Ute Schaeffer,
Constantin Schreiber, Stefan Luft und Fridolin Schley
Foto: © 2016 by Schattenblick
schlimm finden, ihr Leben mit Warten verbringen zu müssen. Sie wollen eine Beschäftigung haben, etwas
Lebensfüllendes, das dem Dasein
auch Sinn gibt. Daran muß man sehr
dringend etwas ändern.
SB: Ganz problematisch und konfliktreich ist derzeit das Verhältnis
der türkischen Regierung zur kurdischen Bevölkerung und das Abkommen der Europäischen Union mit der
Türkei. Halten Sie die Europäische
Union für erpreßbar?
CS: Sie macht sich selbst erpreßbar,
man könnte auch andere Lösungen
diskutieren. Indem Frau Merkel offenbar diesen etwas eigenartigen
Deal anstrebt, was ich moralisch
für höchst verwerflich halte, werden bestimmte Situationen geschaffen - so wie im Fall Griechenland
und der Eurorettung ja auch -, die
sind nicht gottgegeben. Dahinter
stehen keine Naturgesetze, daß man
sich in solche Abhängigkeiten begibt. Aber wir suchen sie ja auf eigenartige Art und Weise, weil wir
uns davon einen Zeitgewinn erhoffen, damit sich Probleme vielleicht
von alleine erledigen oder sich umSeite 4
Die Berichterstattung des Schatten­
blick zur Leipziger Buchmesse finden
Sie unter INFOPOOL →
DIE BRILLE → REPORT:
verlagern. Das halte ich für sehr
schwierig.
BERICHT/041: Leipzig, das Buch
und die Messe - alte Animositäten ...
SB: Wenn Sie Bundeskanzler wären, (SB)
was würden Sie als erstes in Richtung http://schattenblick.de/infopool/dFlüchtlingspolitik unternehmen?
brille/report/dbrb0041.html
CS: Ich zeige zwar einerseits viel BERICHT/042: Leipzig, das Buch
mit dem Finger auf die Regierungs- und die Messe - es wächst zusampolitik, andererseits darf man nicht men, was nie verschieden war ...
den Fehler machen, sich für all- (SB)
mächtig zu halten. Ich kann mir gut http://schattenblick.de/infopool/dvorstellen, daß da Zwänge von al- brille/report/dbrb0042.html
len Seiten entstehen, unter anderem
durch vorhandene Strukturen, INTERVIEW/048: Leipzig, das
wenn man in ein Amt kommt. Das Buch und die Messe - der rote Faden
muß man fairerweise dazu sagen. Lesespaß ... Kerstin Libuschewski
Ich hätte aber diese Situation so und Julia Lücke im Gespräch (SB)
nicht herbeigeführt. Es war ein http://schattenblick.de/infopool/dFehler, nicht zuerst auf europäi- brille/report/dbri0048.html
scher Ebene zu konsultieren und
zumindest zu versuchen, Partner zu INTERVIEW/049: Leipzig, das
gewinnen. Statt dessen wurde eine Buch und die Messe - zielgeführt und
Situation geschaffen, in der es ge- aufgeklärt ... Christian Linker im
genüber anderen europäischen Gespräch (SB)
Partnern nur noch hieß: Friß oder http://schattenblick.de/infopool/dstirb! Das wäre nicht mein Ansatz brille/report/dbri0049.html
gewesen, das halte ich für einen
großen Fehler.
INTERVIEW/050: Leipzig, das
Buch und die Messe - fast nach zwölf
SB: Herr Schreiber, vielen Dank für ... Prof. Hans Joachim Schellnhudas Gespräch.
ber im Gespräch (SB)
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Di, 19. April 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
http://schattenblick.de/infopool/dbrille/report/dbri0050.html
ten neu gemischt ... Gerd Schumann im Gespräch (SB)
http://schattenblick.de/infopool/dINTERVIEW/051: Leipzig, das Buch brille/report/dbri0054.html
und die Messe - Klassenbesinnung ...
David North im Gespräch (SB)
INTERVIEW/055: Leipzig, das
http://schattenblick.de/infopool/d- Buch und die Messe - bündeln, leibrille/report/dbri0051.html
ten, messen ... Thierry Chervel im
Gespräch (SB)
INTERVIEW/052: Leipzig, das http://schattenblick.de/infopool/dBuch und die Messe - Renaissance brille/report/dbri0055.html
und Verjüngung ... Steffen Haselbach im Gespräch (SB)
INTERVIEW/056: Leipzig, das
http://schattenblick.de/infopool/d- Buch und die Messe - Alter Wein ...
brille/report/dbri0052.html
Wolfgang Tischer im Gespräch (SB)
http://schattenblick.de/infopool/dINTERVIEW/053: Leipzig, das Buch brille/report/dbri0056.html
und die Messe - an der Oberfläche ...
Torsten Casimir im Gespräch (SB) INTERVIEW/057: Leipzig, das
http://schattenblick.de/infopool/d- Buch und die Messe - Erfolg, Irrtum
brille/report/dbri0053.html
und Selbsteinschätzung ... Markus
Heitz im Gespräch (SB)
INTERVIEW/054: Leipzig, das http://schattenblick.de/infopool/dBuch und die Messe - Koloniale Kar- brille/report/dbri0057.html
INTERVIEW/059: Leipzig, das
Buch und die Messe - nicht bis in die
letzte Konsequenz ... Antje Belke
im Gespräch (SB)
http://schattenblick.de/infopool/dbrille/report/dbri0059.html
INTERVIEW/060: Leipzig, das
Buch und die Messe - offener Empfang, fesselfreier Gang ... Constantin Schreiber im Gespräch (SB)
http://schattenblick.de/infopool/dbrille/report/dbri0060.html
INTERVIEW/061: Leipzig, das
Buch und die Messe - textinszenierte Bühnenshows ... Bas Böttcher im
Gespräch (SB)
http://schattenblick.de/infopool/dbrille/report/dbri0061.html
http://www.schattenblick.de/
infopool/d­brille/report/
dbri0060.html
DIE BRILLE / REPORT / INTERVIEW
Leipzig, das Buch und die Messe - textinszenierte Bühnenshows ...
Bas Böttcher im Gespräch
Eindruck, Ausdruck, Buchdruck ­ Impressionen
Leipziger Buchmesse, 17. bis 20. März 2016
"klangbetont" nicht hin. Allerdings
wird vermutlich jeder wissen, wovon
hier die Rede ist, wenn er als Messebesucher einen Slam-Poeten erlebt
oder kennenlernt - wie auch in diesem
Jahr wieder an den zahlreichen Podi(SB) ­ Damit Slam-Poetry, Spoken en, improvisierten Bühnen oder VerWord-Poetry oder Performance Poe- lagsständen der Leipziger Buchmessie - um hier ein paar sprachliche Ein- se in mitreißender Aktion.
ordnungsversuche für die angesagte
Lyrik- und Kulturströmung zu nennen
Und lerne ich eine Sprache neu
- anschaulich für jemanden beschrie- kennen,
ben werden kann, der sie noch nicht
dann lehrt mich die Sprache, mich
kennt, reichen die in diesem Zusam- neu zu kennen.
menhang häufig verwendeten Attribute wie "liedhaft", "rhythmisch", Das macht die Sprache - die Macht
"verdichtet", "rap-ähnlich" oder der Sprache. [...][1]
Bas Böttcher über sein Herzensprojekt,
die Poetry­Slam­Fibel, Sprache und
ihre Wirkung und wie man Textkunst
konserviert, die eigentlich nur für den
Augenblick geschrieben wurde ...
Di, 19. April 2016
www.schattenblick.de
Bereits vor mehr als zwanzig Jahren
wurde diese neuartige Kunstform aus
den Vereinigten Staaten importiert,
wo sie zu diesem Zeitpunkt schon
zehn Jahre praktiziert wurde. Beinahe ein alter Hut also, der - so die
Slam-Geschichtsschreibung - auf die
Suche des amerikanischen Bauarbeiters und Dichters Marc Kelly Smith
nach einer neuen, anregenden und
abwechslungsreichen Veranstaltungsform zurückgeht, um "langweilige Lyrik-Lesungen so spannend zu
gestalten wie ein Jazz-Konzert".
1986 fand im "Green Mill Jazz Club"
in Chicago der erste Dichterwettstreit in diesem Sinne statt, das PuSeite 5
Elektronische Zeitung Schattenblick
blikum wurde als Jury ins Geschehen
mit einbezogen, und entschied durch
seinen Applaus, was am besten gefiel. Der Name Poetry-Slam habe
sich dann laut Marc Kelly Smith eher
zufällig ergeben, weil er als Fan des
Chicago Cops Baseball Teams gerade auf einen "Grand Slam Homerun"
hoffte, als er von einem Reporter
nach dem Namen seiner neuen Show
gefragt worden sei ... Hier im Ursprungsland blieben die zumeist sozialkritischen Inhalte und die rhythmisch-poetische Ausdrucksform des
Widerstands der Spoken-Word-Bewegung wie beim Hiphop ethnischen
Minderheiten und gesellschaftlichen
Außenseitern vorbehalten.
Worte allein die verschiedenen Facetten der "Spoken-Word-Dichtung"
nicht transportieren können, wurden
Slam-Poetry Bücher oder andere
Printprodukte von der Slammerszene als Option zum Erhalt dieser
Kunstform für Nachwelt und Nachwuchs lange Zeit ausgeschlossen und
Poetry-Slams als unwiederholbare
Einzeldarbietungen festgeschrieben.
Der Schriftsteller und Slam-Poet Bas
Böttcher [2], ein typischer, bereits in
Kultur- und Literaturbetrieb etablierter Vertreter und Vorreiter der Szene,
ist einer der ersten, der sich gemeinsam mit Filmemacher und Slam-Master Wolf Hogekamp [3] bereits vor
zehn Jahren mit einem neu entworGanz anders in der deutschsprachi- fenen, sogenannten Literaturformat
gen Szene. Sozialkritische Inhalte "Poetry-Clips" gegen diese Nichtaroder randständige Fragen scheinen chivierbarkeit auflehnte.
mit dem transatlantischen Transport
des Performance-Ereignisses, dessen
Und denke ich, ich spiele mit meiZielgruppe hier die "hippe", akade- ner Sprache,
mische Mittelstandsschicht bildet,
dann spielt noch viel mehr meine
verloren gegangen zu sein und sind Sprache mit mir.
kaum noch ein Thema. Es geht im
Dichterwettstreit um Sprachwitz und
Das macht die Sprache - die Macht
Sprachwirkung und möglichst viele der Sprache.[...][1]
neue und unterschiedliche Ideen für
Bühneneinsatz und -präsenz, mit al- Inzwischen gibt es "Spoken-Wordlem was sich mit Stimme, Körper und Dichtung" oder für Poetry-Slam entSprache anstellen läßt. Form ist In- worfen Gereimtes wie Ungereimtes
halt, das Gesamtwerk entscheidet ... längst im Printformat, auch wenn die
eingeschobenen Zeilen eines SlamUnd glaube ich, ich beherrsche Poems, in denen Bas Böttcher mehr
meine Sprache,
wortverspielt als -gewaltig über
beherrscht womöglich meine Spra- Sprachmächtigkeit referiert, den urche mich.
sprünglichen Standpunkt aufs Enttäuschendste bestätigen: Ohne das
Das macht die Sprache - die Macht ganze Performance-Beiwerk, ohne
der Sprache. [...][1]
Selbstinszenierung des Slammers
und ohne von einem enthusiastischen
Bas Böttchers Vorliebe, Alltägliches Publikum getragen zu werden, sagen
bis Philosophisches in Reime zu fas- die Sätze nicht viel, wirken Slamsen oder Doppelworte auseinander- Beiträge "unausgesprochen-gelesen"
zunehmen und sinnverkehrt umzu- doch irgendwie wort- oder blutleer.
drehen, sind somit nur einige der wenn auch gerne kopierten - StilmitUnd erweitert der Mensch seine
tel für den Vortrag. Da neben den sprachlichen Möglichkeiten, dann
Ideen auch die Stimme, der Klang erweitert die Sprache die menschlider Worte, Mimik und Gestik und ei- chen Möglichkeiten.
gentlich auch das "Auf-der-Bühnestehen" zum Gesamtwerk der "Slam- Das macht die Sprache - die Macht
Poetry" dazugehört und auch die der Sprache." [...][1]
Seite 6
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Ist somit einer, der auch nach zwanzig
Jahren immer noch zu den jüngsten
Trends der Jugendkultur gehört, bereits
verbrannt, ehe er so richtig von der Literaturszene entdeckt und ausgebeutet
werden konnte? Mitnichten! An vielen
Ecken und Ständen der Leipziger
Buchmesse, so wie an einigen Orten in
der Stadt [4] wird es an den Slam-Lokations so rappelvoll, daß diejenigen,
die sich nicht dazu stellen oder ihre eigenen Termine einhalten wollen, Umwege suchen müssen, sobald mit ersten
rhythmischen Worten getrommelt, gerappt oder geslammt wird. Das Performance-Format Poetry-Slam steht für
sich und wirbt erfolgreich für seine
verlagstechnische Konserve, selbst
wenn es sich, ohne den adrenalinsteigernden Wettkampf, kaum mehr von
Lesungen oder Lesebühnen unterscheidet. Wie ist das möglich?
Ist es der Rhythmus, der - sich beinahe leierhaft wiederholend - an Vertrautes erinnert und zum Mitklatschen einlädt, wie etwa der Refrain eines Liedes? Ist es dieses Mitschaukeln, Mitschwingen, sich in der Begeisterung
über das gemeinsam Erlebte Geborgen-und-getragen-Fühlen? Oder das
Mitfiebern, aufwelche Weise der Vortragende seinem Beitrag eine überraschende, vielleicht komische Wendung
geben wird oder wie er das Spiel mit
den Worten zu Ende bringt, ohne daß
der Inhalt dabei von Belang wäre?
Wirklich neu ist das nicht. Die stilistischen Elemente der Spoken Word-Performer könnte man als Relikte einer
Zeit verstehen, in der dem gesprochenen Wort mehr Bedeutung zukam.
Denkt man an manche Theaterstücke
von Shakespeare, dann bringen die
oftmals in Verse gefaßten, scharfzüngigen Redegefechte so manch einen
Übersetzer ins Schwitzen.
Und wenn ich meine Sprache verkommen lasse,
dann lässt am Ende meine Sprache
mich verkommen.
Das macht die Sprache auch - die
Macht der Sprache. [...][1]
Di, 19. April 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
Sich durch das neu erwachte Interesse an Sprache einen Kurs für den
deutschsprachigen Raum zu erhoffen, der Lyrik und Erzählung wieder
populärer macht, liegt vermutlich
eher in den Sternen. Bas Böttcher
scheint allerdings überzeugt davon
zu sein, mit der spielerischen Art,
Sprache zu verwenden und zu formen und allein schon diese Kulturform zu verbreiten, etwas für die
deutsche Sprachentwicklung zu tun.
Er unterrichtet inzwischen auch
Nachwuchs-Slammer und hat bereits
vor Jahren, allen Widersprüchen zum
Trotz und alle ursprünglich erklärten
Absichten negierend, auch noch den
Schritt gewagt, mit Wolf Hogekamp
ein Buch herauszugeben, in dem es Voll auf Rap:
thematisch vor allem um verschie- Rappelvoll wird es wenn Poetry­
denste Aspekte der Sprache, aber Slammer mit Worten trommeln.
auch um Slam-Stile geht. Die begei- Foto: © 2016 by Schattenblick
sterte Nachfrage in der SlammerSzene hat es inzwischen zu einer Art Schattenblick (SB): Herr Böttcher,
Standardwerk werden lassen.
Sie präsentieren hier auf der Leipziger Buchmesse das "gesprochene
Und liebe ich meine Sprache,
Wort" beziehungsweise die Kunst
dann liebt ganz sicherlich die Spra- des "Spoken Word", die sich urche mich.
sprünglich mal dagegen gewehrt hat,
in Bücher verpreßt zu werden. 2005
Das macht die Sprache - die Macht haben Sie hier ein besonderes Liteder Sprache.
raturformat, die Poetry-Clips, vorgestellt, mit dem Sie Slam-Dichtung
Und wenn ich denke, ich spreche möglichst authentisch performen
jetzt hier - in diesem Text - über die wollten. Und Sie haben ein Buch mit
Sprache,
Slam-Poetry herausgegeben. Was hat
dann spricht die Sprache eigent- Sie dieses Mal auf die Messe gelich viel mehr noch über mich.
bracht?
Das macht die Sprache - ich kenn Bas Böttcher (BB): Ich hatte die Ehdie doch! [1]
re, hier auf der Buchmesse für den
Sender ARTE das Slam-Programm
Auf dem ARTE-Stand nach zahlrei- zusammenzustellen. Es gab hier jechen, lebhaften Gesprächen mit weils einen "Wake-up"-Slam zu Bespontan interessierten Zuschauern, ginn und einen "Sleep-well"-Slam
Performern, Jung-Slammern und zum Ausklang der vier Messetage.
Fans war der Künstler, Schriftsteller Mein Anliegen ist dabei, neue
und Slam-Poet bereit, auch dem Schwerpunkte und Stimmen aus der
Schattenblick noch einige Fragen zu Poetry-Slam-Szene zu präsentieren,
beantworten. Poetry-Slammer müs- denn die Szene ist mittlerweile sehr
sen sich an ein vorgeschriebenes facettenreich geworden, auch die
Zeitlimit von durchschnittlich unge- Anzahl der aktiven Teilnehmer ist
fähr fünf Minuten halten. Nicht von sehr groß. Es gibt eine enorme Bandungefähr überschritt das Interview breite an Stilen und auch inhaltlich
mit dem Schattenblick diese Vorga- gibt es kein Thema, das vor uns
be nur minimal.
Slammern in Sicherheit ist.
Di, 19. April 2016
www.schattenblick.de
Herausgegeben habe ich gemeinsam
mit Wolf Hogekamp die PoetrySlam-Fibel [1], ein Buch, das sich
stark auf das Thema Sprache konzentriert. Der Leser kann darin zwischen verschiedenen Aspekten wählen und findet dann achtzig Texte
von unter anderem siebzehn
deutschsprachigen Poetry-SlamChampions, die alle bereits einmal
die Deutsche Meisterschaft gewonnen haben. Alle Texte haben das
Thema Sprache als Schwerpunkt.
Das Buch ist bereits vor anderthalb
Jahren erschienen, aber nach wie vor
immer noch aktuell. Es wird auch
von Slammern viel benutzt, um darin etwas nachzuschlagen und hat sich
regelrecht zu so etwas wie einem
Standardwerk bei uns in der Poetry
Szene entwickelt. Vermutlich deswegen wurde ich auch von ARTE
gefragt, oder man hielt mich für
kompetent, hier dieses Programm zu
präsentieren. Weil man sich gedacht
hat, daß ich vielleicht einen ganz guten Überblick über die aktuelle
deutschsprachige Poetry-Slam-Szene und ihre Slammer habe.
SB: Wie haben Sie die Hürde umschifft, etwas zu verschriftlichen,
was eigentlich ja gerade für den
möglichst spontanen, mündlichen
Vortrag geschrieben wurde? Hatten
Sie Probleme damit? Die Slammerin
Mona Harry [3] meinte vorhin, das
ginge eigentlich gar nicht?
Seite 7
Elektronische Zeitung Schattenblick
BB: Na, da gibt es auch so kleine
Tricks. Beim Kuratieren dieses Buches haben wir gemerkt, daß bestimmte Texte einfach gehört werden
müssen. Die haben wir dann halt per
QR-Code mit direkten Links zu abhörbaren Audio-Files versehen, die
im Buch abgerufen werden können,
ein QR-Code läßt sich ganz einfach
mit dem Mobiltelefon scannen. Anschließend kann man das Stück sofort anhören. Das haben wir bei etwa
zwanzig Texten aus der Fibel gemacht, die besonders auf Rhythmus
setzen oder sehr klangbetont sind.
Insofern hat das Buch noch diese
akustische Dimension.
glaube, sobald Leute denken, daß
man eine Mission hat, ist die Chance zu scheitern schon vorprogrammiert. Mir ging es vor allem darum,
diesen leidenschaftlichen Wunsch
oder dieses Herzensprojekt mit ganzer Kraft voranzutreiben und auch
durchzuführen. Und wenn das fertige Werk noch einen schönen Effekt
auf andere hat, dann wäre das natürlich eine wunderbare Sache, aber so
etwas kann man nie im voraus planen.
Kann man nach 20 Jahren PoetrySlam von einem Wandel sprechen?
BB: Ich bin ehrlich gesagt ein bißchen parteiisch, weil ich ja selbst
Poetry-Slam-Akteur bin. Aber man
muß sich nur einmal im ganzen
deutschsprachigen Raum umschauen, welch große Magnetwirkung diese Poets-at-Work-Veranstaltungen in
der Öffentlichkeit immer noch entfalten. Und wenn man diese Resonanz genauer daraufhin untersucht,
inwieweit sich etwas verändert hat,
SB: Haben Sie das Gefühl, daß "Spo- kann man sich auch ein eigenes Urken-Word"-Performances den Um- teil bilden. Ich selbst wäre befangen,
gang mit Sprache verändern können? wenn ich das jetzt einschätzen würde.
SB: Der Poetry-Slam hebt doch sehr
stark auf die Bühnenpräsenz und den
Vortrag ab. Bei einer solchen Performance, sollte man meinen, spielt die
Sprache deshalb doch nur eine nebengeordnete Rolle. Wie kamen Sie
gerade darauf, das Thema Sprache in
den Mittelpunkt der Fibel zu stellen?
Gab es da einen Anlaß oder einen
Ruf aus der Szene, das sollte man
mal machen?
BB: Man kann wohl keine Verallgemeinerung treffen, was genau der
Schwerpunkt des Slammen ist, und
die Poetry-Slam-Szene ist inzwischen 20 Jahre alt geworden. Wir haben dieses Buch halt dem Werkzeug
gewidmet, mit dem die Poeten arbeiten. Und da die Sprache nun mal das
Werkzeug des Slam-Poeten ist, ob
klanglich, schriftlich, als Wortspiel
oder als Mittel zur Aussage, wollten
wir genau das in den Fokus rücken.
Da Sprache beziehungsweise Form
und Inhalt bei vielen Poetry-SlamTexten verschmelzen, wird über das
Mittel Sprache natürlich auch der Inhalt auf einer anderen Ebene weiter
angeschoben.
SB: Wollen Sie mit dieser Fibel etwas an die nächste Generation weitergeben?
BB: Ich habe keine Mission. Es war
für mich einfach ein Herzensprojekt,
dieses Buch herauszubringen. Ich
Seite 8
Vor dem Pressezentrum der Leipziger Messehallen sind selbst die Wände be­
müht, den Besuchern Sprache näher zu bringen ...
Eines von vielen Auszügen aus Thomas Lochers [6] "Angebot und Nachfra­
ge" (1996), das in großer Schrift an die Glaswände im Verwaltungsgebäude
der Messe gedruckt wurde.
Foto: © 2016 by Schattenblick
www.schattenblick.de
Di, 19. April 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
SB: Wenn man hier auf der Messe
die Comic- und Manga-Szene sieht,
in der Inhalte und Geschichten auf
künstlerisch darstellende oder grafische Weise verdaulich gemacht werden, könnte man da sagen, daß Poetry-Slamming, das neben Gedichten
ja auch mit Märchen oder anderen
Erzählformen experimentiert, der
wortgewaltige, sprachlich-künstlerische Vergleich zur Manga-Szene ist?
BB: Ich ordne das eher so ein: Viele
Künste haben ja so eine Art Straßenvariante gebildet. Die Malerei hat
Graffiti, der Tanz hat den BreakDance und auch in der Musik gibt es
Entsprechungen, die ihren Anfang
auf der Straße genommen haben.
Und Dichtung hat eben den PoetrySlam, die urbane Antwort, die aber
mit den gleichen Mitteln arbeitet.
Wir haben allerdings weder die Worte noch das Spiel mit den Worten erfunden, sondern wir beleben sie einfach auf diese oder andere Weise
wieder. Deswegen, könnte man sagen, ist das eher so etwas wie die
Wiederentdeckung einer ganz alten
Kunst - die gesprochene Sprache als
Kunstform.
hat. Seit 1994 veranstaltet er in Berlin die älteste Poetry-Slam-Reihe
Deutschlands. 1997 organisierte er
die ersten deutschsprachigen PoetrySlam-Meisterschaften und begründete damit hierzulande die wichtigste Veranstaltungsreihe der PoetrySlam-Bewegung.
[4] Poetry-Slam-Veranstaltungen
fanden täglich auf der Messe statt,
beispielsweise auf der Leseinsel Junge Verlage (Poetry-Slam / Spoken
Word), am ARTE-Stand in der Glashalle und dem LiteraturRat NRW sowie in der Stadt Leipzig wie die Sky
Lounge im Auberbach Verlag, dem
Schauspielhaus oder dem Tapetenwerk.
[5] Die Kunst- und Philosophiestudentin Mona Harry wurde mit ihrem
"Liebesgedicht an den Norden"Slambeitrag über Nacht berühmt.
Siehe auch:
www.monaharry.de
[6] Der zeitgenössische Künstler
Thomas Locher (*1956) arbeitet mit
Ordnungssystemen, die kennzeichnend für die Archivierung und Vermittlung von Wissen in westlichen
Kulturen sind. Er versteht Sprache
als eine besondere Form von Ordnungssystem.
http://www.schattenblick.de/
infopool/d­brille/report/
dbri0061.html
POLITIK / REDAKTION / NAHOST
Machtkampf in Bagdad gefährdet die Zukunft des Iraks
Al Sadr droht mit Massenprotesten und
fordert damit Al Maliki heraus
SB: Das ist ein schönes Schlußwort. (SB) ­ In Bagdad spitzt sich die poliVielen Dank, für das Gespräch Herr tische Krise zu. Das Parlament widersetzt sich den Bemühungen von
Böttcher.
Premierminister Haider Al Abadi,
seine bisherige Regierung durch ein
aus parteiunabhängigen Experten
Anmerkungen:
bestehendes Kabinett zu ersetzen.
[1] aus: "Die Macht der Sprache" Mit dieser Maßnahme will Al Abadi
von Bas Böttcher, nachzulesen in: der Forderung weiter Teile der BeBas Böttcher, Wolf Hodgekamp völkerung nach einer wirkungsvollen Bekämpfung der das Staatswesen
(Hrsg.): "Die Poetry-Slam-Fibel lähmenden Korruption nachkom20 Jahre Werkstatt der Sprache"
men. Die Parteien, welche die wichabgerufen am 14.4.2016 hier:
http://www.lyrikline.org/de/gedich- tigsten Staatsposten bisher nach religiöser und ethnischer Zugehörigkeit
te/die-macht-der-spracheunter sich aufgeteilt haben, wehren
7424#.Vw-sHdSLSt9
sich gegen das ehrgeizige Reform[2] Mehr zu Bas Böttcher und viele vorhaben mit Händen und Füßen und das nicht nur im sprichwörtliBilder finden Sie hier:
chen Sinne.
http://www.basboettcher.de/
Abgeordneten den sunnitischen Parlamentssprecher Salim Al Dschaburi für abgesetzt. Der Parteienklüngel,
der Medienberichten zufolge nach
der Pfeife des früheren Premierministers Nuri Al Maliki tanzt, will auch
den Schiiten Al Abadi und den kurdischen Staatspräsidenten Fuad Masum stürzen. Gegen den kalten
Staatsstreich regt sich jedoch Widerstand. Der einst als Radikalprediger
verschrieene Muktada Al Sadr hat
dem Parlament am 16. April eine
Frist von 72 Stunden gegeben, um
den Weg für Al Abadis geplante Kabinettsumbildung freizumachen,
sonst würde es zu Massenprotesten
kommen. Damit ist der Showdown
im schiitischen Lager zwischen Al
Maliki und Al Sadr vorprogrammiert.
[3] Wolf Hogekamp gilt als derjeni- Am 13. April kam es deshalb im Parge, der den Poetry-Slam für den lament zu Handgreiflichkeiten. Am Al Maliki war nach acht Jahren als
deutschsprachigen Raum entdeckt Tag darauferklärte eine Mehrheit der Premierminister 2014 von seinem
Di, 19. April 2016
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Seite 9
Elektronische Zeitung Schattenblick
Parteikollegen Al Abadi abgelöst
worden. Dem Chef der schiitischen
Dawa-Partei wurde angelastet,
durch die sträfliche Benachteiligung der sunnitischen Minderheit
sowie durch den fehlenden Aufbau
einer nationalen Armee, die diesen
Namen verdient, wesentlich an der
Entstehung des Islamischen Staats
(IS) mitgewirkt zu haben. Als nach
dem Fall von Mossul im Juni 2014
die Erstürmung Bagdads durch die
sunnitischen IS-Dschihadisten befürchtet wurde, hat der höchste
schiitische Geistliche im Irak, Ajatollah Ali Sistani, alle wehrfähigen
Männer zur Teilnahme an den sogenannten Volksmobilisierungskräften aufgerufen. Ein ähnlicher
Aufruf ging von Al Sadr an die früheren Mitglieder seiner 2008 aufgelösten Mahdi-Armee. Zusammen mit der Armee und den bereits
davor existierenden schiitischen
Milizen beteiligen sich die Volksmobilisierungskräfte seitdem am
laufenden Krieg gegen den IS. Ihr
Oberbefehlshaber ist Al Maliki in
seinem Amt als irakischer Vizepräsident.
Interessant ist die Tatsache, daß Al
Sadr am 15. April, also einen Tag,
bevor er sein Ultimatum an das
Parlament richtete und Al Malikis
egoistisches Machtstreben als Ursache für die Staatskrise nannte, für
wenige Stunden nach Beirut flog.
Es wurden zwar keine Gründe für
die Reise in die libanesische
Hauptstadt genannt, man kann aber
davon ausgehen, daß sich Al Sadr
dort mit der Führung der Hisb Allah, vermutlich sogar mit deren
mächtigem Generalsekretär Hassan Nasrallah, beraten hat. Schließlich stellt die schiitische Hisb-Allah-Miliz eine der stärksten Streitmächte des Nahen Ostens dar. Im
Libanonkrieg 2006 hat sie die Unbesiegbarbeit der israelischen
Streitkräfte als Mythos entlarvt.
Seit einiger Zeit kämpft sie in Syrien auf der Seite der Syrischen
Arabischen Armee (SAA) sowie
mit Hilfe der iranischen Revolutionsgarden und der russischen Luftwaffe gegen den IS und diverse andere sunnitische Rebellengruppen.
Zum Zweck des Erhalts des "Regimes" Baschar Al Assads in Damaskus hat die Hisb-Allah-Miliz zahlDer wichtigste Verbündete Al Ma- reiche irakische Freiwillige rekrulikis im Parlament ist Ammar Al tiert und ausgebildet.
Hakim, der wie Al Sadr Sproß einer einflußreichen Familie schiiti- Offenbar spielt Al Sadr mit dem
scher Gelehrter ist. Al Maliki und Gedanken, nicht nur seine AnhänAl Hakim lebten während der ger unter den armen Schiiten im
Herrschaft Saddam Husseins im Irak zu Großdemonstrationen geiranischen Exil und gelten deshalb gen den Parteienklüngel in der
als teheran-nahe Politiker. Die Par- Grünen Zone im Zentrum Bagdads
tei Al Hakims, der Oberste Islami- anzustacheln, sondern eventuell
sche Rat im Irak, verfügt über eine auch seine Mahdi-Armee zu reakeigene schlagkräftige Miliz na- tivieren. Sollte diese Vermutung
mens Badr-Brigade, die wiederum zutreffen, droht innerhalb der schiseit Jahrzehnten enge Verbindun- itischen Minderheit im Irak ein
gen zu den iranischen Revolutions- Bruderkrieg. In einem Beitrag für
garden unterhält. Angesichts des den britischen Guardian hat
sich anbahnenden Machtkampfs Nahost-Korrespondent Martin
zwischen Al Sadr und Al Sistani Chulov am 16. April den Machtauf der einen Seite und Al Maliki kampf in Bagdad als ein Ringen
und Al Hakim auf der anderen, zwischen Al Sistani und dem Oberstellt sich die Frage, welches der sten Führer des Irans, Ajatollah Ali
beiden Duos über den größeren Khamenei, beschrieben. Demnach
Rückhalt in der schiitischen Bevöl- will Al Khamenei über Verbündete
kerung bzw. bei den schiitischen wie Al Maliki und Al Hakim den
Milizen verfügt.
iranischen Einfluß in Bagdad siSeite 10
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cherstellen, Al Sistani dagegen die
Unabhängigkeit des Iraks vom
großen Nachbarn erzielen. Der
42jährige Al Sadr hat sich zwar von
2008 bis 2011 in der iranischen Pilgerstadt Ghom zum Ajatollah ausbilden lassen - um später die Nachfolgeschaft des inzwischen 85jährigen Al Sistanis vor Leuten wie Al
Hakim für sich beanspruchen zu
können -, er gilt jedoch als irakischer Nationalist, der stets für eine
Aussöhnung zwischen Schiiten,
Sunniten und Kurden eintritt.
Die Hauptrivalität, welche die Vorgänge in Bagdad überschattet, besteht nach wie vor zwischen den
USA und dem Iran. Die Feindschaft Washingtons gegenüber Teheran ist ein wesentlicher, vielleicht sogar der entscheidende
Faktor, warum es Al Maliki während seiner achtjährigen Regierungszeit sträflich versäumt hat,
auf die sunnitischen Stämme, die
zuletzt auf der Seite der US-Streitkräfte gegen Al Kaida gekämpft
hatten, zuzugehen und ihnen eine
gebührende Rolle beim Wiederaufbau der Polizei- und Streitkräfte
einzuräumen. Derzeit streiten sich
die USA und der Iran über die Umsetzung des im vergangenen Jahr in
Wien erzielten Atomabkommens.
US-Präsident Barack Obama wirft
Teheran vor, mit ballistischen Raketentests gegen den Geist des Vertrags zu verstoßen. Ali Khamenei
beschwert sich öffentlich darüber,
daß die Amerikaner den Zugang
der iranischen Banken zum internationalen Finanzsystem weiterhin
blockieren. In den Kriegen in Syrien und im Jemen verfolgen die
USA und der Iran völlig diametral
entgegengesetzte Ziele. Ohne eine
Annäherung zwischen Teheran und
Washington bleibt das Zweistromland Kriegsschauplatz, was natürlich das Überleben des irakischen
Staats akut gefährdet.
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/redakt/
nhst1451.html
Di, 19. April 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
POLITIK / KOMMENTAR / KULTUR
"Böhmermann-Affäre" - Was fehlt ...
Schon lange nicht mehr hat ein Anlaß, der den Schutz eines zentralen
Grundrechtes im Kontext brisanter
innen- wie außenpolitischer Entwicklungen betrifft, die Gemüter so
sehr erhitzt wie die sogenannte
Schmähkritik, mit der der ZDF-Moderator Jan Böhmermann den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan herausforderte. Die Feuilletons und Talkshows haben alle Hände voll zu tun, die Kontroverse um
Anerkennung und Verwerflichkeit
des Gesamtkunstwerkes zwischen
Fernsehunterhaltung und Staatsaffäre in die zivilen Bahnen eines gesellschaftlichen Diskurses zu lenken und
zugleich der Komplexität des Geschehens Rechnung zu tragen.
Dieses Unterfangen ist in seinen argumentativen Verästelungen und Vergleichsparametern nicht minder anspruchsvoll als das Legitimationskonstrukt Böhmermanns, Erdogan
nach der Intervention der türkischen
Regierung anläßlich der satirischen
Kritik an seiner Politik im NDR-Magazin extra 3 den Unterschied zwischen einer verbotenen Schmähkritik
und erlaubten Satire vor Augen führen zu wollen. Da klar sein dürfte, daß
sich der türkische Präsident kaum in
der Unterdrückung und Verfolgung
der gegen sein Regime gerichteten inneren Opposition beirren läßt, entfaltet sich die hauptsächliche Wirkung
der kalkulierten Grenzüberschreitung
beim einheimischen Publikum.
Während der juristische Sachverhalt
der Frage, ob die Bundesregierung
überhaupt hätte tätig werden müssen,
weiterhin intensiv diskutiert wird,
bleibt der politische Kontext, der die
Reichweite der Meinungs- und Pressefreiheit maßgeblich bestimmt, zu
sehr im Dunkeln. Selbstverständlich
sollte Böhmermann ebensowenig einer Strafverfolgung ausgesetzt werDi, 19. April 2016
gigkeit deutscher Regierungspolitik
von Erdogans Kollaboration in der
EU-europäischen Flüchtlingsabwehr
legen wollte, bleibt indes offen. Gerade weil seine Provokation an die
mit Kritik am türkisch-deutschen
Zweckbündnis nicht sparende extra
3-Satire anknüpft, hätte er mit ganz
anderen, politisch brisanten Überzeichnungen aufwarten können als
mit Beleidigungen, die unter die
Gürtellinie gehen. Weil diese nun im
Mittelpunkt der Kontroverse stehen,
wurde die Möglichkeit, die sich auch
auf die Bundesrepublik erstreckende
Verfolgung der türkischen OppositiSo wird die Frage zu wenig reflek- on in den Mittelpunkt öffentlichen
tiert, warum Böhmermann in einer Interesses zu rücken, weitgehend
von anwachsender Diskriminierung vertan.
muslimischer Menschen bestimmten
- und in Gestalt der AfD nach ihrer Aus unterlegener, schwacher und
institutionalisierten Ausschließung marginaler Position heraus zu agieverlangenden - gesellschaftlichen ren bedarf des besonderen rechtliAtmosphäre zu Beleidigungen ge- chen Schutzes, gerade weil alle magriffen hat, die den einschlägigen teriellen Gewaltverhältnisse dagegen
Webseiten der Islamhasser entsprun- stehen. So wäre es allemal eine
gen sein könnten. Die Vorstellung, Schmähkritik wert, wenn Bundesanstelle Erdogans wäre der israeli- wirtschaftsminister Sigmar Gabriel
sche Premierminister Benjamin Ne- mit dem ägyptischen Präsidenten
tanjahu zum Ziel einer öffentlich Abdel Fattah al-Sisi einen Despoten
vorgetragenen - und in diesem Fall hofiert, der Tausende politische Gemit antisemitischen Stereotypien fangene in den Knästen des Landes,
aufwartenden - Schmähkritik gewor- politisch motivierte Todesurteile und
den, für die es zumindest aus palästi- die Unterdrückung nicht nur der
nensischer Sicht Anlaß geben könn- muslimischen, sondern auch linken
te, belegt, daß die satirische Verwen- Opposition zu verantworten hat. Die
dung rassistischer Klischees keines- willkommene Unterstützung, die alwegs beliebig ist. Daß die Errungen- Sisi von der Bundesregierung erhalschaft der Straffreiheit politischer ten hat, nützt seinen Kritikern gar
Meinungsbildung und Kunstproduk- nichts, sondern vergrößert nur die
tion in harten Kämpfen erstritten Legitimation ihrer Verfolgung. Der
wurde, die stets aus unterlegener Po- Kolonialkrieg, den die türkische Resition heraus geführt wurden, ent- gierung gegen die kurdische Bevölspricht dem essentiellen Anspruch kerung führt, die Fortsetzung der audes Protestes in Wort und Bild, Men- toritären Herrschaft Mubaraks in
schen eine Stimme zu geben, die an- neuem Gewand, die Trümmerlandschaften in Afghanistan und im Irak,
sonsten keine haben.
die israelische Besatzungspolitik in
Ob Böhmermann mit seiner Aktion Palästina, die durch die Rohstoff-,
den Finger in die Wunde der Abhän- Export- und Investitionsinteressen
den wie jeder andere Mensch, der
sich mit Inhabern exekutiver Vollmachten anlegt, die weit über seine
eigenen Möglichkeiten, politisch
wirksam zu werden, hinausgehen.
Die Verteidigung dieser Freiheiten
steht bei allen Erörterungen an erster
Stelle, gerade weil sie immer wieder
Interessen und Gewalten gegenüber
durchgesetzt werden müssen, die im
Unterschied zu Autoren und Rednern
über materielle Möglichkeiten verfügen, anderen Menschen nicht nur den
Mund zu verbieten, sondern sie physisch zu drangsalieren.
www.schattenblick.de
Seite 11
Elektronische Zeitung Schattenblick
des globalen Nordens bedingte Vertreibung von Kleinbauern und indigenen Bevölkerungen in aller Welt an all diesen Entwicklungen hat auch
Deutschland teil, selbst wenn die
Bundeswehr nicht auf jedem
Schlachtfeld präsent ist.
Um so schwerer wiegt die Ausblendung der naheliegenden Erkenntnis,
daß die militärische Flankierung
deutscher Außen- und Handelspolitik Rückwirkungen auf die eigene
Gesellschaft zeitigt, die den zwingenden Zusammenhang von äußerer
Expansion und innerer Repression
bestätigen. So steht außer Frage, daß
die Gefahr terroristischer Anschläge
in der Bundesrepublik mit dem
Kriegseintritt der Bundeswehr in Syrien stark angewachsen ist. Sollte es
zu einem mit den Anschlägen in
Frankreich vergleichbaren terroristischen Angriffkommen, dann werden
die Grenzen von der Staatsräson abweichender politischer Positionierungen, wie am französischen Beispiel zu sehen, auf jeden Fall enger
gezogen. Die nach solchen Attacken
anwachsende Repression ist denn
auch keine, wie in Pegida-Kreisen
gemutmaßt, Folge der angeblichen
Islamisierung Europas, sondern eine
direkte Konsequenz eigener Machtpolitik. Die kulturalistisch argumentierende Rechte ruft nach dem autoritären Staat nicht, um Muslime
draußen zu halten, sondern sie mobilisiert antimuslimische Ressentiments, um diktatorische Maßnahmen
zur Sicherung eigener Herrschaft ergreifen zu können. Den Primat der
Meinungs- und Pressefreiheit ohne
inhaltliche Bestimmung seines
Zweckes gerade in Zeiten zunehmenden Risikos, sich außerhalb der
nationalen Notgemeinschaft zu stellen, anzumahnen läuft mithin Gefahr, beim ersten Aufgebot notstandsartiger Zwangsmaßnahmen
rückstandslos zu verpuffen.
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/kommen/
sele0986.html
Seite 12
POLITIK / AUSLAND / LATEINAMERIKA
Peru
Keiko Fujimori und Kuczynski kommen in die Stichwahl
poonal ­
Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
(Caracas, 14. April 2016, telesur) ­
Die peruanische Wahlbehörde ONPE (Oficina Nacional de Procesos
Electorales) hat eine Aktualisierung
der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen des Jahres 2016 herausgegeben. Demnach konnte die Kandidatin der Partei "Populäre Kraft" (Fuerza Popular), Keiko Fujimori, ihren
Vorsprung mit 39,82 Prozent der erhaltenen Stimmen ausbauen.
Der am 13. April 2016 veröffentlichte Bericht basiert auf 95,42 Prozent
der landesweit erfassten Stimmen,
von denen bisher 99,62 Prozent ausgezählt wurden. Die Ergebnisse der
kompletten Auszählung wurden für
den darauffolgenden Donnerstag erwartet, so der Direktor des ONPE,
Mariano Cucho.
Garcia, mit 5,82 Prozent. Im Ergebnis hinter beiden steht der in Haft sitzende Herausforderer der Partei "Direkte Demokratie" (Democracia Directa), Gregorio Santos, mit 4,03
Prozent der Stimmen.
Die Fakten
Laut der ONPE gingen am vergangenen 10. April 2016 mindestens 22
Millionen Wähler*innen zur Wahl der Anteil der Nichtwähler*innen lag
demnach bei etwa 15 Prozent. Die
Wahlvorstände werden sich gegenüber dem ersten Wahlgang nicht ändern. Die Wahl fand für viele Kandidat*innen unter sehr komplizierten
Umständen statt. Präsidentschaftskandidat*innen wurden ausgeschlossen, politische Parteien zogen sich
zurück und es gab Anschuldigungen
wegen fehlerhafter Prozesse während
des Präsidentschaftswahlkampfes.
Pedro Pablo Kuczynski von der Partei "Peruaner für den Wechsel" PPK
(Peruanos por el Kambio) ist der
Kandidat, der sich in der für den 5.
Juni 2016 vorgesehenen Stichwahl URL des Artikels:
mit Keiko Fujimori messen wird. https://www.npla.de/poonal/keikoSein Ergebnis hingegen war mit fujimori-und-kuczynski-kommen20,99 Prozent schlechter als das der in-die-stichwahl/
vorherigen Auswertung (22,11 Prozent).
*
Verónika Mendoza von der Partei
"Breite Front" (Frente Amplio), die
vorher 18,27 Prozent der Stimmen
erhalten hatte, konnte jetzt 18,84
Prozent für sich verbuchen.
Quelle:
poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
Herausgeber: Nachrichtenpool
Lateinamerika e.V.
Köpenicker Straße 187/188,
10997 Berlin
Auf den weiteren Plätzen folgen die Telefon: 030/789 913 61
Kandidaten Alfredo Barnechea von E-Mail: [email protected]
der Partei Volksallianz (Acción Po- Internet: http://www.npla.de
pular) mit 6,97 Prozent der Stimmen,
gefolgt von dem Konkurrenten der http://www.schattenblick.de/info­
Volksallianz (Alianza Popular), Alan pool/politik/ausland/pala1558.html
www.schattenblick.de
Di, 19. April 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
POLITIK / MEINUNGEN / OFFENER BRIEF
Offener Brief von Milagro Sala an Cristina Kirchner
Internationale Presseagentur Pressenza ­ Büro Berlin
Nachricht aus der Redaktion Argentinien vom 17. April 2016
geführt haben. Dann seid Ihr, Nestor und Du, gekommen, und ihr
habt uns gelehrt, dass die Politik
ein wunderbares Instrument ist, um
die Probleme unserer Menschen zu
lösen. Und wir haben uns erneut
engagiert und das getan, was die
alte Politik nie für uns getan hat.
Ich weiß, dass Du stolz aufuns bist,
und wir sind es auf Dich, für uns
bist Du immer noch unsere Präsidentin Mut.
Milagro Sala und Cristina Kirchner
Bild: Tupac Amaru
Liebe Kameradin Präsidentin
Cristina,
Ich schreibe Dir diesen Brief in einem sehr schwierigen Moment für
Dich, für mich und für unsere Leute.
Die wahren Korrupten, die unser
Land beraubt und seine Reichtümer
an die Mächtigen überschrieben haben, die unsere Leute verhungern
lassen, die alte Menschen in Rente
allein gelassen haben, die die höchsten Arbeitslosenquoten in unserer
gesamten Geschichte produziert haben, die unser Land in den letzten
Jahrzehnten zerstört haben, so wie
sie es auch heute tun, jene Subjekte,
die Dich verurteilen und Dich verfolgen, weil Du die Leben der Gedemütigten und die aller Argentinier berührt hast.
2010 verstorbene Ehemann von
Cristina, der sich 2007 nicht wieder zur Wahl stellte, um ihr den
Platz zu überlassen; Anm. d. Übersetzung) "Präsidentin Mut" und ich
weiß auch, dass das, was wir gerade erleben, nur eine Fußnote in der
Geschichte unseres Volkes sein
wird. Wir werden umkehren und
wir werden noch einmal aufs Neue
unser Vaterland wiederaufbauen,
weil wir unser Volk zutiefst lieben.
Sie hassen, wir jedoch lieben.
Ich erinnere mich gerne daran, dass
unsere Organisation aus dem Versuch heraus geboren wurde, die
Hungersnot zu lindern, die jene
Subjekte in unseren Vierteln entstehen haben lassen, und wir haben
es getan, indem wir Becher mit
Milch verteilten. Von dort sind unsere Aktivisten gekommen, die
heutzutage wie Kriminelle behandelt werden. Unser Programm war
die Solidarität und die ZurückweiIch weiß, dass Du stark bist, nicht sung dieser Politiker, die uns in den
umsonst nannte Dich Nestor (der Hunger und die Arbeitslosigkeit
Di, 19. April 2016
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Sie werden uns verfolgen, wie sie
Eva und Peron 1955 verfolgt haben, mit den gleichen Argumenten
verbreitet durch ihre Medien, mit
ihrem Justizapparat und den Politikern, die im Dienste der Mächtigen
stehen. Sie sind so grob, dass sie
noch nicht einmal originell sind.
Welch Ironie. Sie werfen mich ins
Gefängnis, weil ich Häuser, Straßen, Schulen, Gesundheitszentren
und Behinderteneinrichtungen,
Sportplätze und Schwimmbäder
für die Ärmsten meiner Region gebaut habe. Und Dich wollen sie
auch einsperren, dafür, dass Du
dem argentinischen Volk Würde
gegeben hast, dass Du die beste
Präsidentin der Geschichte warst,
dass Du die Mächtigen herausgefordert hast, die heute unser Land
berauben und seine Reichtümer auf
Ihre Firmen im Ausland verteilen
wollen.
Es lohnt sich noch nicht einmal, die
Verräter beim Namen zu nennen,
wenn sogar Tupac Amaru verraten
wurde, was können wir dann noch
erwarten? Aber die Geschichte
wird sich nur an die wahren Helden
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erinnern, die die von ihrem Volk als
solche anerkannt werden.
SPORT / BOXEN / PROFI
Nächsten Mittwoch, wenn Du vor
Talent deklassiert Erfahrung
ihnen stehen wirst, schau ihnen geradewegs in die Augen! Sie können
Errol Spence macht kurzen Prozeß mit Chris Algieri
Deinem Blick nicht standhalten,
noch dem Deiner Kinder, noch dem
ihrer Familien: sie sind Heuchler und (SB) ­ Errol Spence, der weit über schlagene Linke ins Ziel, wie er auch
das Weltergewicht hinaus als eines in der Nahdistanz unablässig für GeFreibeuter.
der vielversprechendsten Talente der fahr sorgte. Algieri, der durchweg
Wir werden uns weiterhin engagie- Branche gilt, hat seinem Ruf mit ei- schwächer und langsamer wirkte,
ren, von wo aus auch immer, Ge- nem unangefochtenen Sieg über fand zu keiner Zeit in den Kampf.
fängnis oder Straße, immer mit erho- einen so namhaften Kontrahenten Schon in der dritten Runde war er
benem Haupt und mit der Gewis- wie Chris Algieri alle Ehre gemacht. von einer Schwellung unter dem
sheit, unseren Kindern, Enkeln und Zum Leidwesen der 7628 zahlenden rechten Auge deutlich gezeichnet,
Kollegen mit Würde und Kohärenz Zuschauer im Barclays Center in während ihn der Gegner mit harten
in die Augen schauen zu können, so Brooklyn, die größtenteils den aus Treffern in die Ecke trieb. Im folgenwie Du und Nestor es uns gelehrt Huntington, New York, stammenden den Durchgang mußte Chris Algieri
Algieri anfeuerten, dominierte der erstmals zu Boden gehen, worauf es
habt.
26jährige Rechtsausleger aus DeSo- nur noch eine Frage der Zeit zu sein
Ich wünsche Dir Kraft, gib nicht auf, to in Texas auf ganzer Linie. Spence schien, bis sein Schicksal besiegelt
gehörte 2012 der US-amerikani- wäre. Das frühe Ende nahte in der
so wie wir nicht aufgeben.
schen Olympiamannschaft an und fünften Runde, als Spence ihn nach
wurde 2015 von ESPN zum Nach- einer Trefferserie erneut mit der LinIch hab Dich sehr lieb.
wuchstalent des Jahres gekürt. Wann ken zu Boden schickte. Der LokalAus dem Frauengefängnis von Alto immer die Frage aufgeworfen wird, matador kam zwar noch einmal auf
wer es nach dem Abschied Floyd die Beine, stürzte aber wenig später
Comedero Jujuy, 10. April 2016.
Mayweathers und Manny Pacquiaos nach einem weiteren exakten Vollzum herausragenden Akteur der treffer entlang der Seile auf die BretMilagro Sala
Branche bringen könnte, fällt allen ter, worauf ihn Ringrichter Benjy
voran sein Name.
Esteves gar nicht erst auszählte, sondern nach 48 Sekunden des DurchÜbersetzung aus dem Italienischen
Wenngleich es zahlreiche Boxer gangs aus dem Kampf nahm.
von Evelyn Rottengatter
gibt, die wie er 20 Profikämpfe in
Folge gewonnen haben und noch im- Wie Errol Spence nach seinem übermer ungeschlagen sind, kann man zeugenden Auftritt anmerkte, sei ihm
Der Text steht unter der Lizenz
Spence nicht vorwerfen, er gehe ge- etwas gelungen, was weder Manny
Creative Commons 4.0
fährlichen Gegnern systematisch aus Pacquiao noch Amir Khan geschafft
http://creativecommons.org/
dem Weg, um seine Bilanz sauberzu- hätten. Chris Algieri sei ein zäher
licenses/by/4.0/
halten. Chris Algieri, der früher Kämpfer, den vorzeitig zu besiegen
Weltmeister im Halbweltergewicht hohe Anforderungen stelle. Alle Welt
*
war und sich neben 21 erfolgreichen habe erwartungsvoll verfolgt, wie er
Auftritten lediglich Manny Pacquiao sich gegen einen derart anerkannten
Quelle:
und Amir Khan geschlagen geben Kontrahenten schlage würde. Die Art
Internationale Presseagentur
mußte, hatte noch nie vorzeitig ver- und Weise seines Erfolgs zeige in alPressenza - Büro Berlin
loren. Daß der 31 Jahre alte Lokal- ler Deutlichkeit, wo er inzwischen
Johanna Heuveling
matador ungeachtet seiner Beweg- im Weltergewicht stehe.
E-Mail:
[email protected] lichkeit gegen Errol Spence dreimal
am Boden lag und bereits in der fünf- Chris Algieri zollte dem Sieger unInternet: www.pressenza.com/de
ten Runde die Segel streichen muß- eingeschränkten Respekt und chate, spricht für die außergewöhnlichen rakterisierte ihn als hungrigen junhttp://www.schattenblick.de/
Qualitäten seines Bezwingers.
gen Löwen, der eines Tages ein herinfopool/politik/meinung/
ausragender Champion sein werde.
pmof0049.html
Ein ums andere Mal brachte der Te- Spence habe an diesem Abend eine
xaner seine schnell und präzise ge- erstklassige Vorstellung gegeben und
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sei jederzeit hochkonzentriert zu
Werke gegangen. Wenngleich er ihn
mit einigen Schlägen spürbar getroffen habe, hätten diese für keinerlei
Irritationen gesorgt.
Promoter Lou DiBella, unter dessen
Regie die Veranstaltung über die
Bühne ging, hat im Laufe dreier
Jahrzehnte im Boxgeschäft schon so
manches Talent zur Reife gebracht.
Einen Boxer wie Spence habe er jedoch schon lange nicht mehr erlebt,
da dieser unglaublich schnell und zugleich überaus gefährlich für jeden
Gegner sei. Selbst Floyd Mayweather sei voll des Lobes über ihn, denke aber nicht einmal im Traum daran, doch noch einmal die Boxhandschuhe anzuziehen, um sich mit diesem furchterregenden Talent zu messen. Spence sei in den höchsten Rängen angekommen und müsse niemanden in seiner Gewichtsklasse
scheuen. Keinem anderen Boxer sei
es zuvor gelungen, durch Chris Algieri hindurchzumarschieren. Er
würde auf der Stelle sein Haus darauf verwetten, daß selbst Pacquiao
keine Chance gegen Spence hätte, so
der Promoter überschwenglich, doch
keineswegs völlig aus der Luft gegriffen.
Spence, der mit einer Börse von
225.000 Dollar noch unter den
325.000 Dollar Algieris rangierte,
hat diesen nun nicht nur in sportlicher, sondern sicher bald auch in finanzieller Hinsicht überholt. Da es
sich um einen Ausscheidungskampf
der IBF handelte, ist der Texaner
jetzt neuer Pflichtherausforderer des
Briten Kell Brook. Der in 36 Kämpfen ungeschlagene Weltmeister darf
seinen Titel zweimal freiwillig verteidigen, bevor er sich Errol Spence
stellen müßte. Brooks Promoter Eddie Hearn hat jedoch bereits angedeutet, daß der Champion nach den
beiden kommenden Kämpfen seinen
Gürtel zurückgeben könnte, um ins
Halbmittelgewicht aufzusteigen. [1]
Auswahl stünden, ginge der Brite mit
diesem Manöver nicht zuletzt
Spence aus dem Weg, dem zu begegnen er nach dessen jüngstem Auftritt
um so weniger geneigt sein dürfte.
Brook könnte zwischen den Gewichtsklassen pendeln oder normalerweise leichtere Kontrahenten mittels einer separat vereinbarten Gewichtsgrenze zu sich nach oben
locken. Daher steht zu vermuten, daß
der Texaner diesen Weltmeister so
schnell nicht vor die Fäuste bekommen wird. [2]
Anmerkungen:
[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15219645/errol-spence-jrSollte der Brite den IBF-Titel nieder- knocks-chris-algieri-fifth-round-prelegen, würde ihn Spence entweder mier-boxing-champions-main-event
sofort oder durch einen Sieg im
Kampf um den dann vakanten Gür- [2] http://www.boxingtel bekommen. Eine Alternative wä- news24.com/2016/04/errol-spencere WBC-Weltmeister Danny Garcia, destroys-chris-algieri/#more-208190
der jedoch ebenfalls bei dem Berater
Al Haymon unter Vertrag steht. Da [3] http://www.boxingnews24.sich Haymon ausrechnen kann, wie com/2016/04/spence-somethingdieser Kampf ausgehen würde, und pacquiao-khan-couldnt/#moreer Garcia vermutlich nicht von 208207
Spence demontieren lassen will,
wird es kaum zu diesem Duell komhttp://www.schattenblick.de/
men. Dasselbe dürfte für andere
infopool/sport/boxen/
namhafte Rivalen im Weltergewicht
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wie Adrien Broner, Shawn Porter
oder Keith Thurman aus Haymons
umfassendem Arsenal prominenter
Akteure gelten. Möglicherweise
könnte sich der aufstrebende TexaSCHACH - SPHINX
ner deshalb in absehbarer Zeit veranlaßt sehen, in höheren GewichtsklasDrei Wiener Wölfe
sen anzutreten.
Für den Augenblick bleibt festzuhalten, daß Errol Spence mit seinem
spektakulären Sieg über Chris Algieri einen großen Sprung nach vorn gemacht hat und jetzt von erheblich
mehr Zuschauern wahrgenommen
werden dürfte. Da er sehr attraktiv
boxt und stets den frühen Erfolg
sucht, sollten ihn diese Qualitäten eigentlich auf direktem Weg in die Publikumsgunst und mithin ins Bezahlfernsehen führen. Andererseits hat
sein souveräner Umgang mit dem erfahrenen New Yorker Lokalmatador
die Konkurrenz endgültig aufgeWenngleich dort weniger attraktive schreckt und wohl auch dafür geGegner als im Weltergewicht zur sorgt, daß ihm die Prominenz im
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Weltergewicht fortan aus dem Weg
geht. Diese Situation erinnert
zwangsläufig an jene Gennadi Golowkins, den die namhaften Gegner
im Mittelgewicht tunlichst meiden,
weil sie nicht wie sämtliche Kontrahenten des Kasachen seit über sechs
Jahren vorzeitig auf den Brettern
landen wollen. [3]
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Aus dem Märchen von Rotkäppchen wissen wir, wie hinterhältig, durchtrieben, falsch ein Wolf
sein kann, und Wölfe am Schachbrett
gab es zu jeder Zeit und an jedem
Ort. Wien machte da in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts keine
Ausnahme, wenngleich es die Seltenheit für sich in Anspruch nehmen
konnte, gleich über drei Wölfe zu
verfügen. Wolf Nummer 1 hieß
Heinrich Wolf, und er war auf den
Turnieren jener Jahre ein gefürchteter Spieler, weswegen man ihn auch
den 'reißenden Wolf' nannte. Dann
gab es da noch Siegfried Reginald
Wolf. Seine Profession galt zwar we(SB) ­
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niger der Schachkunst - er war Handelsreisender und erwarb sich später
ein hübsches Sümmchen -, aber auch
als Schachwolf machte er hin und
wieder von sich reden. Wegen seiner
geschäftlichen Umtriebigkeit und
um ihn von Heinrich unterscheiden
zu können, nannte man ihn den 'reisenden Wolf'. Zuguterletzt war da
noch Siegfried August Wolf, ein
Charmeur ohnegleichen, der bei den
Frauen dank seines aalglatten Lächelns viel Anklang fand, weswegen
er der 'reizende Wolf' genannt wurde. Drei Wölfe am Wiener Schachbrett, so daß kaum zu unterscheiden
ist, welcher von ihnen die folgende
Schlußpointe gegen Meister Haas im
heutigen Rätsel der Sphinx setzte.
Soviel ist jedenfalls sicher, die weiße Partie war in ihrem Verlauf reißend, reisend und reizend zugleich.
Also, Wanderer, wölfisch gelacht
und ans Werk gegangen!
__I n h a l t__________Ausgabe 1799 / Dienstag, den 19. April 2016__
1 DIE BRILLE - REPORT: Leipzig, das Buch und die Messe offener Empfang, fesselfreier Gang ... Constantin Schreiber im Gespräch
5 DIE BRILLE - REPORT: Leipzig, das Buch und die Messe textinszenierte Bühnenshows ... Bas Böttcher im Gespräch
9 POLITIK - REDAKTION: Machtkampf in Bagdad gefährdet
die Zukunft des Iraks
11 POLITIK - KOMMENTAR: "Böhmermann-Affäre" - Was fehlt ...
12 POLITIK - AUSLAND: Peru - Keiko Fujimori und Pedro Pablo Kuczynski
kommen in die Stichwahl (poonal)
13 POLITIK - MEINUNGEN:
Argentinien - Milagro Sala an Cristina Kirchner (Pressenza)
14 SPORT - BOXEN: Talent deklassiert Erfahrung
15 SCHACH-SPHINX: Drei Wiener Wölfe
16 DIENSTE - WETTER: Und morgen, den 19. April 2016
DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN
Und morgen, den 19. April 2016
+++ Vorhersage für den 19.04.2016 bis zum 20.04.2016 +++
Gut, wann heut' Wetterwechsel sind,
das ist wohl nicht vorherzuseh'n.
Doch werden Jean-Luc Sturm und Wind
ganz sicher nicht vom Hügel weh'n.
© 2016 by Schattenblick
Wolf - Haas
Wien 1911
Auflösung des letzten
Sphinx­Rätsels:
Der junge Max Euwe teilte das Los
von Kieseritzky, als sein Wettkampfgegner Richard Réti mit 17...Lc8-h3!
18.Dh8xa8 Ld6-c5+ 19.Kg1- h1
Lh3xg2+! 20.Kh1xg2 Dh4-g4+
21.Kg2-f1 Dg4-f3+ 22.Kf1-e1 Df3-f2#
der Spur des großen Anderssen folgte.
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infopool/schach/schach/
sph05810.html
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