Evaluation der Integrierten Sonderschulung in der

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Evaluation der Integrierten Sonderschulung in der
Forschung und Entwicklung – Institut für Schule und Heterogenität
Evaluation der Integrierten Sonderschulung in
der Verantwortung der Regelschule (ISR) im
Kanton Zürich
Evaluationsbericht 2015
Prof. Dr. Alois Buholzer
lic. phil. Jeanine Grütter
Dr. Cécile Tschopp
Forschungsbericht Nr. 46
PH Luzern – Pädagogische Hochschule Luzern
www.fe.phlu.ch
Luzern · Pädagogische Hochschule Luzern
Forschung und Entwicklung
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PH Luzern
Evaluation der Integrierten Sonderschulung in
der Verantwortung der Regelschule (ISR) im
Kanton Zürich
Evaluationsbericht 2015
Prof. Dr. Alois Buholzer
lic. phil. Jeanine Grütter
Dr. Cécile Tschopp
Juni 2015
Bitte wie folgt zitieren:
Buholzer, A., Grütter, J. & Tschopp, C. (2015). Evaluation der Integrierten Sonderschulung in
der Verantwortung der Regelschule (ISR) im Kanton Zürich. Evaluationsbericht 2015.
Forschungsbericht Nr. 46 der PH Luzern – Pädagogische Hochschule Luzern.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
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Zusammenfassung
Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich hat beim Institut für Schule und Heterogenität
(ISH) der Pädagogischen Hochschule Luzern eine wissenschaftliche Evaluation zur Umsetzung der Integrierten Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule (ISR) im Kanton
Zürich in Auftrag gegeben. Der nun vorliegende Evaluationsbericht befasst sich mit der Umsetzung der Förderung im Rahmen der ISR-Settings, dem entsprechenden Abklärungs- und
Zuweisungsverfahren sowie der Integration der Schülerinnen und Schüler mit ISR-Status in
den Klassenverband. Als Evaluationsmethoden kamen eine Dokumentenanalyse, schriftliche
Befragungen der Lehrpersonen, Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, Schulleitenden und Eltern sowie Fallanalysen von
acht ISR-Settings zur Anwendung. Im Rahmen der Fallanalysen wurden auch die betreffenden Kinder mit ISR-Status interviewt. Nach Abschluss der Umfrage und der Bereinigung der
Daten konnten die Antworten von 216 Lehrpersonen, 210 Schulischen Heilpädagoginnen
und Heilpädagogen, 66 Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, 118 Schulleitenden
und 208 Eltern für die Auswertung berücksichtigt werden. Dies entspricht einem durchschnittlichen Gesamtrücklauf von 75%. Insgesamt liegen Informationen zu 311 Kindern mit
ISR-Status vor. Bei der Auswertung der erhobenen Daten gelangten inferenzstatistische
Analysen, u.a. auch Mehrebenenanalysen, zum Einsatz.
Mit der ISR wird das schulische Angebot in den Volksschulen des Kantons Zürich erweitert.
Die Angebote der Integrativen Förderung (IF) und der Integrierten Sonderschulung in der
Verantwortung der Sonderschulen (ISS) bleiben weiterhin bestehen. Schülerinnen und Schüler mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen können jedoch neu auch im Rahmen von
ISR unterstützt werden. ISR ist Teil der (Regel-)Schule und setzt somit bei allen involvierten
Personen eine Bereitschaft voraus, Kinder mit besonderen Bildungsbedürfnissen zu fördern.
Damit ist die Schule als Ganzes (einzelne Lehrperson, Lehrerinnen- und Lehrerteam, Schulleitung und Schulpflege) in ihrer „Integrationsfähigkeit“ gefordert.
Die Evaluation fokussierte im Auftrag des Volksschulamts auf die drei Schwerpunkte Umsetzung der Förderung im Rahmen des ISR-Settings, Abklärungs- und Zuweisungsverfahren
sowie Integration in den Klassenverband. Die zentralen Ergebnisse und Empfehlungen werden in den nächsten drei Abschnitten aufgelistet.
Zur Umsetzung der Förderung im Rahmen des ISR-Settings
Der erste Schwerpunkt der Evaluation befasst sich mit der Frage, wie ISR in den Schulen
des Kantons Zürich konkret umgesetzt wird. Dabei wird geprüft, ob das ISR-Setting den Förderbedürfnissen der Sonderschülerinnen und Sonderschüler entspricht und ob die grundsätzlichen Voraussetzungen zur Durchführung von ISR an den Schulen vorhanden sind. Die
Ergebnisse zu dieser Fragestellung lassen sich in folgenden Aussagen zusammenfassen:
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•
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Die befragten Fachpersonen und Eltern erachten die Wahl des ISR-Settings im Vergleich zu anderen Formen der Förderung für das ausgewählte Kind als passend. Die
konkrete Ausgestaltung des ISR-Settings wird zudem als angemessen beurteilt.
Die dem ISR-Setting zugrunde liegenden Indikationen sind vielfältig und stellen daher
hohe Anforderungen an dessen Umsetzung. Entsprechend vielfältig sind auch die Förderschwerpunkte.
Die Kooperation zwischen den Lehrpersonen und den Schulischen Heilpädagoginnen
und Heilpädagogen sowie mit dem Schulpsychologischen Dienst (SPD) und den Eltern
wird von vielen Befragten als qualitativ gut und als der Umsetzung eines ISR-Settings
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dienlich eingestuft. Dies gilt in besonders hohem Masse für die Qualität der Schulischen
Standortgespräche. Allerdings zeigen die Fallanalysen auch auf, dass es Schulen gibt,
in denen die Kooperation nicht gut eingespielt ist. Zudem wünschen sich gewisse Eltern
mehr Unterstützung.
Mit Blick auf die Schule als Ganzes sind bei der Umsetzung auch die Schulleitungen von
grosser Bedeutung. Sie sind in verschiedene Funktionen eingebunden, so etwa im
Rahmen des Abklärungs- und Zuweisungsprozesses, als Scharnierstelle zwischen
Schule und Behörden oder als Ansprechperson bei Fragen rund um die ISR.
Die involvierten Lehrpersonen sind in Bezug auf die ISR im Schnitt kritischer eingestellt
als Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen. Bei negativer Einstellung nehmen
die befragten Personen die konkrete Ausgestaltung eines ISR-Settings als weniger angemessen wahr.
Was die Fachlichkeit der Lehrpersonen und teilweise auch der Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen anbelangt, sind Schulleitende sowie Schulpsychologinnen
und Schulpsychologen der Meinung, dass diese nicht überall gegeben sei. Hinzu
kommt, dass nur eine kleine Minderheit der Lehrpersonen spezifische Weiterbildungen
besucht und nur zwei Drittel der an den Schulen tätigen heilpädagogischen Fachpersonen über eine adäquate Ausbildung verfügen oder sich in einer entsprechenden Ausbildung befinden – dies, obwohl die Analyseergebnisse zeigen, dass eine hohe Fachlichkeit der Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen mit den Verbindlichkeiten in
der Planung und Ausgestaltung eines ISR-Settings einhergeht. Hohe Fachlichkeit bringt
zudem positivere Einstellungen gegenüber der schulischen Integration mit sich.
Die Aufsicht über die ISR obliegt gegenwärtig mehrheitlich der Schulpflege. Bei 20%
respektive 16% der Schulen übernimmt die Schulleitung respektive die Fachleitung/Fachstelle Sonderpädagogik diese Aufgabe.
Die Empfehlungen bezüglich der Umsetzung der Förderung richten sich in erster Linie auf
die Reflexion der Einstellungen zur schulischen Integration, die Verbindlichkeit der Kooperation in den Schulen auf allen Ebenen, die Verantwortlichkeiten der Schulleitungen bei der
Einrichtung und Durchführung von ISR-Settings, die Sicherstellung der Fachlichkeit bei den
involvierten Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen und Lehrpersonen sowie die
Gewährleistung einer professionellen Aufsicht zur Umsetzung der ISR-Settings.
Zum Abklärungs- und Zuweisungsverfahren
Der zweite Schwerpunkt der Evaluation befasst sich mit dem Abklärungs- und Zuweisungsverfahren. Von besonderem Interesse ist hier die Frage, ob das Abklärungs- und Zuweisungsverfahren an der Schule geregelt ist und wie die Eltern über das Ergebnis der Abklärung informiert werden. Dabei zeigt sich Folgendes:
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•
Das Abklärungs- und Zuweisungsverfahren ist nicht in allen Gemeinden geklärt und
schriftlich festgehalten. In einigen Schulen erfolgt dieser Prozess daher lediglich auf der
Basis mündlicher Absprachen oder er wird mehr oder weniger individuell von den beteiligten Personen bestimmt. Dabei zeigen die Evaluationsergebnisse, dass in Schulen, die
das Abklärungs- und Zuweisungsverfahren klar geregelt haben, alle Beteiligten von einer angemesseneren Förderung berichten.
Die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen gaben an, sie würden die betreffenden
Eltern stets über den „Sonderschulstatus“ des Kindes informieren. Diese Informationen
scheinen aber nicht bei allen Eltern anzukommen: Knapp ein Viertel der befragten Eltern
äusserte sich dahingehend, dass ihnen nicht klar sei, dass ihr Kind offiziell als Sonderschülerin oder Sonderschüler gelte. Des Weiteren gaben rund 40% der Eltern an, nicht
über das Beschwerderecht informiert worden zu sein.
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Angesichts dieser Erkenntnisse richten sich die Empfehlungen zum Abklärungs- und Zuweisungsverfahren hauptsächlich auf eine Klärung der Verfahrensabläufe, eine transparente
und verständliche Informierung der Eltern in Bezug auf den Sonderschulstatus ihres Kindes
und das Beschwerderecht.
Zur Integration in den Klassenverband
Der dritte Schwerpunkt der Evaluation befasst sich mit der Integration der Kinder mit ISRStatus in den Klassenverband. Dazu interessieren die Fragen, wie die Kinder am Unterricht
partizipieren, wie stark sie in soziale Netzwerke eingebunden sind und wie das Wohlbefinden
und das Klassenklima eingeschätzt werden. Vorausgeschickt werden muss, dass die Erhebung der sozialen Integration auf Aussagen von Lehrpersonen und Eltern beruht (und nicht
auf einem unabhängigen Mass, etwa ausgehend von Peernominationen). Die Ergebnisse in
Bezug auf den Schwerpunkt der Integration lassen sich in folgenden Aussagen zusammenfassen:
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Kinder mit ISR-Status werden überwiegend integrativ im Unterricht gefördert. Allerdings
ist gemäss Eltern, Lehrpersonen sowie Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen nur die Hälfte von ihnen gut in das soziale Netzwerk der jeweiligen Klasse eingebunden – dies, obwohl die soziale Einbettung eine wichtige Grundlage für die soziale
Entwicklung darstellt.
Das Wohlbefinden der Kinder mit ISR-Status wird von den befragten Personen als eher
hoch eingeschätzt, wobei hohe Werte bei sozialen Interaktionen mit einer signifikant höheren Einschätzung des Wohlbefindens der Kinder einhergehen. Da die sozialen Interaktionen wiederum mit dem Vorhandensein von Freundschaften und einer Cliquenzugehörigkeit zusammenhängen, können diese Merkmale ebenfalls als sehr bedeutsam für
das Wohlbefinden angesehen werden.
Das Klassenklima wird in der vorliegenden Studie von den befragten Personen als eher
positiv erlebt, wobei die Eltern allerdings eine etwas weniger positive Perspektive einnehmen als die Lehrpersonen und die Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen. In einem Klima, das Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern begrüsst, werden Kinder mit ISR-Status stärker akzeptiert und das Wohlbefinden dieser
Kinder wird als besser beurteilt. Zudem wird beim Vorliegen eines solchen positiven
Klassenklimas auch die Förderung signifikant angemessener eingeschätzt.
Die Empfehlungen zur Integration in den Klassenverband beziehen sich auf die Weiterentwicklung eines Unterrichts, der sich an alle Schülerinnen und Schüler richtet und allen eine
aktive Teilnahme ermöglicht, sowie auf die gezielte Unterstützung der Kinder mit ISR-Status
bei der Gestaltung von sozialen Beziehungen.
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Vorwort
Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich gab dem Institut für Schule und Heterogenität
(ISH) der Pädagogischen Hochschule Luzern eine wissenschaftliche Evaluation zur Umsetzung der Integrierten Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule (ISR) im Kanton
Zürich in Auftrag. Die Evaluation dient als Bestandsaufnahme der Umsetzung der ISR. Die
Ergebnisse der Evaluation sollen dem Ausbau und der Weiterentwicklung von unterstützenden Unterlagen, Weiterbildungsangeboten und der kantonalen Steuerungs- und Aufsichtstätigkeit dienen.
Die Ergebnisse der Evaluation sind im vorliegenden Bericht enthalten. Sie stützen sich auf
eine Dokumentenanalyse, auf schriftliche Befragungen involvierter Fachpersonen und Eltern
sowie auf Fallanalysen von acht ISR-Settings. Die Ergebnisse münden in Empfehlungen und
ein ergänztes und erweitertes Instrumentarium zur Aufsicht der ISR.
Inhaltlich befasst sich die Evaluation mit der Umsetzung der Förderung im Rahmen des ISRSettings, dem Abklärungs- und Zuweisungsverfahren sowie der Integration von Schülerinnen
und Schülern mit ISR-Status in den Klassenverband. Damit sind zentrale Fragen zur schulischen Integration insgesamt genannt. Eine vertiefende Erörterung aller Aspekte der vielschichtigen Thematik hätte den Rahmen des vorliegenden Berichts gesprengt. An verschiedenen Stellen der Evaluation mussten daher Kompromisse eingegangen werden. So konnte
die Umsetzung der Förderung im Rahmen eines ISR-Settings nur über Selbstauskünfte von
Lehrpersonen sowie Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen ermittelt werden
und nicht über unabhängige Leistungsmessungen.
Trotz dieser eingeschränkten Möglichkeiten konnten mittels der Analysen interessante Erkenntnisse gewonnen werden, welche über den Stand der Umsetzung von ISR im Kanton
Zürich Auskunft geben. Konkret konnten im Rahmen der Evaluation zu 311 Kindern mit ISRStatus Informationen, Beurteilungen und Einschätzungen aus verschiedenen Perspektiven
zusammengetragen werden. Die befragten Lehrpersonen, Schulischen Heilpädagoginnen
und Heilpädagogen, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen und Schulleitungen nahmen nicht nur allgemein Stellung zur Umsetzung der ISR, sondern bezogen einen Teil ihrer
Aussagen auch spezifisch auf ein, zwei oder drei Kinder, die in einem Zufallsverfahren ausgewählt worden waren. Dieses Vorgehen erwies sich in der Durchführung als aufwendig, und
zwar in Bezug auf verschiedene Aspekte: das Einholen des Einverständnisses der Eltern für
die Befragung, den Datenschutz sowie die Datenerhebung und -auswertung. Diese komplexe Datenstruktur erforderte spezielle Analysen, sogenannte Mehrebenenmodelle. Dank des
gewählten Vorgehens konnte jedoch die Güte der Evaluationsergebnisse erhöht werden.
Die vorliegende Evaluationsstudie hätte ohne die Unterstützung und Mitarbeit zahlreicher
Personen nicht realisiert werden können. Deshalb möchten wir an dieser Stelle allen, welche
die Studie ermöglicht oder daran mitgewirkt haben, herzlich danken. Wir danken den Verantwortlichen des Volksschulamtes des Kantons Zürich für das Vertrauen und die Finanzierung der Studie. Ein besonderer Dank gilt dabei Urs Meier und Philippe Dietiker, die uns bei
der Vorbereitung und Durchführung der Evaluation zielführend unterstützt haben. Lic. phil.
Peter Nussbaum danken wir für die detaillierten und konstruktiven Rückmeldungen sowie für
die vertiefenden Analysen zu ausgewählten Fragestellungen. Einen grossen Dank schulden
wir auch MSc. ETH Michel Philipp, der uns bei der Erstellung des Forschungsdesigns sowie
bei der Datenerhebung und -auswertung wertvolle Unterstützung geboten hat. Die Instrumente und die Zwischenergebnisse der Evaluation wurden von der breit abgestützten Begleitgruppe „Evaluation und Aufsicht ISR“ in insgesamt fünf Sitzungen besprochen und dis-
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kutiert. Für die Anregungen und die interessanten Diskussionen möchten wir herzlich danken. Ein weiteres besonderes Dankeschön richtet sich sodann an die Schulleitungen der
beteiligten Volksschulen sowie an alle Lehrpersonen, Schulischen Heilpädagoginnen und
Heilpädagogen und Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, die sich die Zeit für Befragungen und Interviews genommen haben. Danken möchten wir auch den Eltern, die uns die
Einwilligung dazu gegeben haben, den involvierten Lehr- und Fachpersonen Fragen zu ihrem Kind zu stellen. M.Sc. Martina Brülisauer danken wir herzlich für ihre Vorarbeiten zur
Evaluation und die organisatorische Unterstützung. Für die zuverlässige elektronische Erfassung des Onlinefragebogens sowie für die Sicherstellung des technischen Supports während
der Online-Erhebungen danken wir lic. phil. Sandra Zulliger herzlich. Danken möchten wir
auch dem Lektor lic. phil. Philipp Frei und der Lektorin lic. phil. Jonna Truniger. Astrid Portmann schliesslich danken wir herzlich für die administrative Unterstützung sowie für die sorgfältige Erstellung des Layouts.
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Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ................................................................................................................ 4
Vorwort .................................................................................................................................... 7
1
Einleitung .................................................................................................................. 11
1.1
Ausgangslage ............................................................................................................. 11
1.2
Evaluationsauftrag und Fragestellung ........................................................................ 13
1.3
Theoretischer Hintergrund und Evaluationsdesign ..................................................... 14
2
Methodik .................................................................................................................... 18
2.1
Modul A: Dokumentenanalyse .................................................................................... 18
2.1.1 Vorgehen .................................................................................................................... 18
2.1.2 Stichprobenziehung .................................................................................................... 18
2.2
Modul B: Schriftlich Befragung ................................................................................... 18
2.2.1 Vorgehen .................................................................................................................... 18
2.2.2 Fragebogen ................................................................................................................ 19
2.2.3 Stichprobenziehung .................................................................................................... 19
2.2.4 Stichprobenbeschreibung ........................................................................................... 20
2.2.5 Datenauswertung und Besonderheit der Datenstruktur .............................................. 22
2.2.6 Angaben zur Effektstärke ........................................................................................... 23
2.3
Modul C: Gruppeninterviews ...................................................................................... 23
2.3.1 Vorgehen .................................................................................................................... 23
2.3.2 Interviewleitfaden ........................................................................................................ 23
2.3.3 Stichprobenziehung .................................................................................................... 23
2.3.4 Stichprobenbeschreibung ........................................................................................... 24
2.4
Modul D: Weiterentwicklung des Aufsichtsinstruments .............................................. 24
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Ergebnisse der Fragebogenerhebung .................................................................... 25
3.1
Umsetzung der Förderung im ISR-Setting ................................................................. 25
3.1.1 Den Förderbedürfnissen der Kinder mit ISR entsprechendes Setting ........................ 25
3.1.2 Gewährleistung der Fachlichkeit der Förderung durch Lehr- und Fachpersonen ...... 47
3.1.3 Rahmenbedingungen von ISR .................................................................................... 53
3.1.4 Zusammenhang verschiedener Faktoren der Umsetzung der Förderung im ISRSetting mit der Einschätzung der Angemessenheit der Förderung ............................ 59
3.2
Abklärungs- und Zuweisungsverfahren ...................................................................... 60
3.2.1 Übereinstimmung zwischen Zuweisungsverfahren und gesetzlichen Grundlagen ..... 65
3.2.2 Information der Erziehungsberechtigten über Rechte, Pflichten und Anlaufstellen
bei Schwierigkeiten ..................................................................................................... 66
3.3
Integration in den Klassenverband ............................................................................. 68
3.3.1 Soziale Integration von Kindern mit ISR ..................................................................... 68
3.3.2 Sonder- und Regelklassenschülerinnen und -schüler profitieren voneinander .......... 73
3.3.3 Adäquate Übergänge in die nächsten Schulstufen und in die Berufsausbildung ....... 76
4
Ergebnisse aus den Fallanalysen ........................................................................... 79
5
Ergebnisse der Dokumentenanalyse ...................................................................... 84
6
Schlussfolgerungen und Empfehlungen ............................................................... 87
6.1
Umsetzung der Förderung im ISR-Setting ................................................................. 87
6.2
Abklärungs- und Zuweisungsverfahren ...................................................................... 91
6.3
Integration in den Klassenverband ............................................................................. 92
6.4
Empfehlungen ............................................................................................................ 94
7
Dokumentierter Kriterienkatalog ............................................................................. 99
8
Literatur ................................................................................................................... 101
9
Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................... 104
Anhang ................................................................................................................................ 105
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1 Einleitung
Der vorliegende Evaluationsbericht enthält neben der Einleitung (Kapitel 1) und den methodischen Hinweisen (Kapitel 2) in Kapitel 3 die Ergebnisse der Fragebogenuntersuchung, in Kapitel 4 die Befunde aus den Fallanalysen und in Kapitel 5 die Resultate der Dokumentenanalyse. Wer einen Überblick über die zentralen Ergebnisse und die Schlussfolgerungen der gesamten Evaluation gewinnen möchte, findet diese in Kapitel 6. In Kapitel 7 sind die Hinweise
und Ergänzungen zu den Qualitätskriterien zu ISR aufgeführt. Abschliessend folgen Literaturangaben und das Abkürzungsverzeichnis. Der Anhang mit den eingesetzten Fragebögen liegt
in einem separaten Dokument vor.
1.1 Ausgangslage
Im Kanton Zürich steht es den Schulgemeinden seit dem Schuljahr 2011/2012 offen, Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule (ISR) durchzuführen. Die verbindlichen Rahmenbedingungen dazu sind im Konzept „Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule (ISR)“ vorgegeben (Bildungsdirektion Kanton Zürich, Volksschulamt,
2011a). Die einzelnen Gemeinden verfügen dabei jedoch über die Möglichkeit, individuell angepasste Settings zu entwerfen. Dieser Gestaltungsspielraum der Gemeinden liefert einerseits
Chancen, ihr Angebot unter Einhaltung der gesetzlichen Angaben und im Rahmen der verfügbaren Mittel frei zu gestalten. Andererseits birgt er bei fehlendem professionellem Wissen
auch Gefahren in sich, beispielsweise die Kinder nicht angemessen zu fördern. Das Volksschulamt (VSA) hat deshalb sogenannte „Empfehlungen zum Einrichten einer Integrierten
Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule“ formuliert (Bildungsdirektion Kanton
Zürich, Volksschulamt, 2011b). Basierend auf Konzeptvorgaben und Empfehlungen, legt jede
Schule oder Schulgemeinde in einem eigenen sonderpädagogischen Konzept die Grundsätze
und das Vorgehen der Integrierten Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule
fest. Zielgruppe der ISR sind Schülerinnen und Schüler mit einer geistigen Behinderung, Sinnes-, Körper- oder Mehrfachbehinderungen, Lern-, Verhaltens-, Sprach- oder Autismusspektrumsstörungen. Die Aufnahme der betreffenden Kinder in die ISR erfolgt gestützt auf das
standardisierte Abklärungsverfahren (SAV; EDK, 2014). In Schulischen Standortgesprächen
(SSG) werden die Förderziele und Massnahmen jährlich überprüft.
Das interkantonale Sonderpädagogik-Konkordat (Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich Sonderpädagogik; EDK, 2007) sowie das Bundesgesetz zur Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz; Bundeserfassung, Art. 8 Abs. 4) bilden den Hintergrund der integrativen Beschulung
von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung. Sowohl das Sonderpädagogik-Konkordat als
auch das Behindertengleichstellungsgesetz ziehen die integrative Schulung von Kindern mit
einer Behinderung einer separativen Lösung vor. Allerdings bilden das Kindeswohl, die Entwicklungsmöglichkeiten des betreffenden Kindes wie auch das Schulumfeld wichtige Voraussetzungen, um eine integrative Schulung durchführen zu können.
Wir können im Rahmen des vorliegenden Berichts den Forschungsstand zur integrativen Sonderschulung oder gar zur Umsetzung der inklusiven Bildung nicht aufarbeiten. Mit ausgewählten Studien zur integrativen Sonderschulung aus der Schweiz werden an dieser Stelle wichtige Ergebnisse skizziert, an welche diese Evaluation anknüpft.
Im internationalen Kontext wird die integrative Sonderschulung als Teil der inklusiven Bildung
verstanden. Zu deren Umsetzung liegen u.a. von der European Agency for Development in
Special Needs Education (2014) Empfehlungen vor, wie die Verschiedenheit der Lernenden
im Bereich der Bildung als Ressource genutzt werden kann. Die Agency stellt zur Umsetzung
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einer integrativen Bildung fünf Hauptaussagen in den Mittelpunkt. Die erste Hauptaussage
betont, dass die Förderung so früh wie möglich ansetzen solle. Dies erfordert Abstimmung und
Zusammenarbeit unter den Akteuren – respektive Trägern. (2) Inklusive Bildung soll gemäss
der zweiten Hauptaussage allen zugutekommen. Die Agency schreibt: „Um eine inklusive
Schule aufzubauen, bedarf es der Unterstützung der gesamten Gemeinschaft, von den Entscheidungsträgern bis hin zu den Endnutzern (Lernende und ihre Familien). Zusammenarbeit
ist auf allen Ebenen erforderlich, und alle Interessenvertreter benötigen eine langfristige Perspektive in Bezug auf ihren (Bildungs-)Auftrag. Es bedarf Veränderungen der Terminologie
sowie von Einstellungen und Werten, die den Zugewinn von Diversität und gleichberechtigter
Teilnahme widerspiegeln“ (European Agency for Development in Special Needs Education,
2014, S. 6). Die dritte Hauptaussage betont die hohe Qualifizierung aller Fachleute, die an der
inklusiven Bildung mitwirken. Die vierte Hauptaussage betrifft die Fördersysteme und Finanzierungsmechanismen. Es bedarf u.a. der Beobachtung und Messung der Effizienz, um finanzielle Mittel auf erfolgreiche Ansätze abzustimmen. Und schliesslich ist laut der fünften Hauptaussage eine aussagekräftige, zuverlässige Datenerfassung erforderlich, welche Rückschlüsse auf Zusammenhänge zwischen Lernenden, Einstufung, Bildungsangeboten, Lehrpersonen
und Ressourcen ermöglicht.
Der Bericht der Agency fasst die Hauptaussagen so zusammen: „der Prozess der Planung
und Umsetzung der inklusiven Bildung betrifft das gesamte Bildungssystem und alle Lernenden; Gerechtigkeit und Qualität sind miteinander verbunden; inklusive Bildung muss als ein
sich ständig entwickelndes Konzept betrachtet werden, in dem Fragen zur Diversität und Demokratie an Bedeutung zunehmen“ (European Agency for Development in Special Needs
Education, 2014, S. 6).
Diversität bedeutet dabei Unterschiedlichkeit und beschreibt diese auf einem Kontinuum zwischen den beiden Polen „alle sind gleich“ und „alle sind verschieden“. Auch Heterogenität bedeutet Verschiedenheit oder Unterschiedlichkeit (Prengel, 2006) und ist im Konstrukt Diversität
enthalten. Heterogenität greift jedoch stärker als die Diversität auf Kategorien, zum Beispiel
auf Kinder mit und ohne Behinderung zurück. Diversität definiert als Unterschiede zwischen
Individuen jegliche Art von Merkmalen, die dazu führen können, dass sich eine Person von
einem selbst unterscheidet (van Knippenberg, De Dreu & Homan, 2004). Stärker noch als der
Begriff Heterogenität fokussiert das Konzept der Diversität das gleichzeitige Vorhandensein
von Gleichheit und Differenz sowie von veränderlichen und unveränderlichen Aspekten der
Diversität. Inklusion in Erziehung und Bildung fordert einen „diversitätssensiblen Blick auf Heterogenität“ (Kappus & Kummer Wyss, 2015) und hat zum Ziel, dass alle Lernenden ungeachtet ihrer Voraussetzungen an Schule und Unterricht teilhaben können. Diversität soll so als
Chance für das gemeinsame Lernen genutzt werden (Boban & Hinz, 2003). Ziel des Inklusionsprozesses ist es, den Weg zu finden, um am besten mit Diversität umzugehen, von ihr zu
lernen und sie als etwas Positives zu beschreiben (Ainscow, 2004).
Die ersten drei Hauptaussagen der Agency (vgl. oben) werden durch die Längsschnittstudie
von Klaus Joller-Graf und Sabine Tanner bekräftigt. In der Studie zeigte sich, dass ausreichende Ressourcen sowie Kompetenzen der Regellehrperson und die Einsatzbereitschaft der
beteiligten Akteure wichtige Gelingensfaktoren einer integrativen Sonderschulung von Kindern
mit einer geistigen Behinderung darstellen: Fühlt sich die Schulische Heilpädagogin oder der
Schulische Heilpädagoge als Bestandteil des Teams und stehen die Eltern der integrativen
Beschulung positiv gegenüber, so trägt dies viel zu einer gelingenden Integration in die Regelklasse bei (Joller-Graf & Tanner, 2011). Die zweite Hauptaussage der Agency wird von Grütter
und Meyer (2014) gestützt. Sie verdeutlichen, dass eine gelungene soziale Integration von
Kindern mit besonderen Bedürfnissen massgeblich durch die Einstellung der Lehrperson bezüglich Diversität beeinflusst wird. Stehen Lehrpersonen der Unterschiedlichkeit in der Kasse
positiv gegenüber, so partizipieren Kinder mit besonderen Bedürfnissen stärker am sozialen
Geschehen in der Klasse, als wenn dies nicht der Fall ist.
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Hinsichtlich der Wirkung der Integrierten Sonderschulung konnten Sermier Dessemontet,
Benoit und Bless (2011) zeigen, dass Kinder ohne besondere Bedürfnisse durch die Integration von geistig behinderten Kindern nicht in ihrer schulischen Entwicklung gehindert oder gebremst werden. In Fächern wie Mathematik und Sprache erreichten sie vergleichbare Leistungen wie Kinder in Regelklassen ohne integrierte Kinder mit besonderen Bedürfnissen. In Bezug auf die Lernfortschritte von Kindern mit besonderen Bedürfnissen zeigten Sermier Dessemontet et al. (2011), dass die integrative Beschulung gegenüber der separativen Beschulung dann zu Vorteilen im Sprachbereich führt, wenn die Kinder entsprechende sonderpädagogische Unterstützung erhalten. In der Studie von Venetz, Tarnutzer, Zurbriggen und Sempert (2012) zeigte der Vergleich zwischen Schülerinnen und Schülern mit besonderem Bildungsbedarf in integrativen Schulklassen und Kindern in Klein- oder Sonderklassen, dass sich
die Qualität des (subjektiven) Erlebens – gesamthaft betrachtet – bei den Kindern nur „geringfügig unterscheidet“ (S. 197). Die Studie von Grütter, Meyer und Glenz (2015) wiederum untersuchte mittels sozialer Netzwerkanalysen die Freundschaftsnetzwerke von Kindern in integrativen Schulklassen und zeigte, dass Kinder mit besonderem Bildungsbedarf gleich viele gegenseitige Freundschaften unterhielten wie Kinder ohne besonderen Bildungsbedarf. Zudem
fiel die soziale Akzeptanz mit zunehmender Diversität der Schulklasse höher aus.
1.2 Evaluationsauftrag und Fragestellung
Mit dem Ziel, eine Bestandsaufnahme der ISR zu erstellen, gab die Bildungsdirektion des Kantons Zürich eine wissenschaftliche Evaluation der Umsetzung der ISR im Kanton Zürich in
Auftrag. Konkret ist die Bildungsdirektion des Kantons Zürich daran interessiert, inwiefern die
kantonalen Vorgaben umgesetzt werden. Dies soll im Hinblick darauf geprüft werden, ob die
Kriterien angepasst und die darin festgehaltenen Freiräume präzisiert werden müssen. Da in
der Umsetzung der ISR die Regelschule entscheiden kann, wie die zusätzlichen Ressourcen
für die Förderung der zu integrierenden Schülerinnen und Schüler eingesetzt werden, liegen
auf kantonaler Ebene bisher nur wenige Steuerungsmöglichkeiten vor. Mit der Evaluation soll
Wissen generiert werden, das der Qualitätssicherung der ISR dient. Zudem soll auf der Basis
der Evaluation der Kriterienkatalog zur Qualitätsprüfung der ISR überprüft und weiterentwickelt
werden. Darüber hinaus sollen die Ergebnisse der Evaluation auch dazu dienen, den Unterstützungsbedarf der Schulen (z.B. hinsichtlich Weiterbildung oder Regelungen) zu bestimmen.
Die in dieser Evaluation untersuchten Fragestellungen beziehen sich auf die Umsetzung der
Förderung, das Abklärungs- und Zuweisungsverfahren durch den Schulpsychologischen
Dienst sowie die Integration der betroffenen Schülerinnen und Schüler in die Klassen. Die
Fragestellungen wurden aus den Empfehlungen zum Einrichten einer ISR abgeleitet (Bildungsdirektion Kanton Zürich, Volksschulamt, 2011b).
Umsetzung der Förderung
1. Entspricht das ISR-Setting den Förderbedürfnissen der Sonderschülerinnen und Sonderschüler, sodass diese innerhalb des Regelunterrichts eine ihrer Behinderung angemessene Förderung erhalten?
2. Ist die Fachlichkeit der Förderung durch Lehr- und Fachpersonen mit entsprechenden
Aus- und Weiterbildungen und/oder durch den Einbezug behinderungsspezifisch qualifizierter Fachstellen gewährleistet?
3. Werden für jede Sonderschülerin und jeden Sonderschüler unter Einbezug der Erziehungsberechtigten in einer Förderplanung individuelle Entwicklungs-, Lern- und Therapieziele festgehalten und wird deren Erreichung regelmässig überprüft?
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Abklärungs- und Zuweisungsverfahren
1. Erfolgt die Zuweisung fachlich indiziert und nicht willkürlich personen- und ortsabhängig?
2. Entspricht das Zuweisungsverfahren den gesetzlichen Grundlagen?
3. Werden die Eltern respektive Erziehungsberechtigten über ihre Rechte und Pflichten
sowie über Anlaufstellen bei Schwierigkeiten schriftlich informiert?
Integration in den Klassenverband
1. Sind die Sonderschülerinnen und Sonderschüler, soweit dies sinnvoll möglich ist, sozial in den Klassenverband integriert, partizipieren sie an möglichst allen Aktivitäten, lernen sie am gemeinsamen Lerngegenstand?
2. Profitieren Sonder- und Regelklassenschülerinnen und -schüler sowie sonderpädagogische Fachpersonen und Regelklassenlehrpersonen voneinander?
3. Werden adäquate Übergänge in die nächsten Schulstufen und in die Berufsausbildung
gefunden?
Einschränkend muss beachtet werden, dass die Umsetzung der Integrierten Sonderschulung
in der Verantwortung der Regelschulen erst seit dem Schuljahr 2011/2012 möglich ist (gestützt auf die Verordnung über die sonderpädagogischen Massnahmen VSM; Kanton Zürich,
2007). Aufgrund dieser kurzen Laufzeit können bezüglich der Evaluationsfragen lediglich erste
Tendenzen erfasst werden. Vieles ist in Entwicklung begriffen und die Prozessabläufe, Instrumente und Verantwortlichkeiten müssen teilweise erst noch geklärt werden. Dieser Umstand
musste bei der Festlegung des Forschungsdesigns berücksichtigt werden, welches nachfolgend vorgestellt wird.
1.3 Theoretischer Hintergrund und Evaluationsdesign
Wie durch die Ausführungen der Agency dargelegt wurde (vgl. oben), hat die Realisierung der
inklusiven Bildung weitgehende Auswirkungen auf die Schulen. Nicht nur einzelne Schulen
sind gefordert, die neuen schulischen Angebote weiterzuentwickeln, Prozesse zu definieren
und Rollen zu klären; vielmehr ist aus der Sicht der Schultheorie (Fend, 2006) das Bildungssystem als Ganzes von einer solchen Veränderung betroffen.
Ein weitverbreitetes Referenzsystem, mit dessen Hilfe Merkmale des Bildungssystems beschrieben und evaluiert werden, liegt dem jährlichen Bildungsbericht „Education at a Glance“
der OECD (2014) zugrunde. Das Referenzsystem ist so ausgelegt, dass mithilfe von Indikatoren der gegenwärtige Stand der Bildung eines Staates im internationalen Vergleich bewertet
werden kann. Es wird nachfolgend ausgeführt, um die vorliegende Evaluation zu situieren.
Die Indikatoren sind im Referenzsystem thematisch in zwei Dimensionen gegliedert. Die erste
Dimension umfasst die verschiedenen Akteure im Bildungssystem. Die zweite Dimension beinhaltet Themen, mit denen sich die Akteure befassen. Konkretisiert werden die Dimensionen
mit Indikatoren respektive Gruppen von Indikatoren. Die erste Dimension umfasst die folgenden Gruppen von Indikatoren: (I) einzelne Teilnehmende am Bildungssystem, (II) der Unterricht, (III) Anbieter von Bildungsleistungen sowie (IV) das Bildungssystem als Ganzes. Die
zweite Dimension wird mit den folgenden Gruppen von Indikatoren umschrieben: (1) Bildungsund Lernergebnisse, (2) politische Ansatzpunkte und Zusammenhänge, welche die Bildungserfolge beeinflussen, und (3) Gegebenheiten und Bedingungen, die von der Politik zu berücksichtigen sind. Die Kombination der beiden Dimensionen ergibt zwölf Felder (siehe Tabelle 1):
14
PH Luzern
Tabelle 1: Indikatoren und ihr konzeptioneller Rahmen (OECD, 2014, S. 21)
1.
Bildungs- und Lernergebnisse
2.
Politische Ansatzpunkte
und Zusammenhänge, die
welche Bildungserfolge
beeinflussen
3.
Gegebenheiten und Bedingungen, die von der Politik
zu berücksichtigen sind
I.
Einzelne Teilnehmende am Bildungssystem
1.I
Qualität und Verteilung
der individuellen Bildungsergebnisse
2.I
Einstellungen, Engagement
und Verhalten des Einzelnen
in Bezug auf Lehren und
Lernen
3.I
Persönlicher Hintergrund des
einzelnen Lernenden und Lehrenden
II.
Der Unterricht
1.II
Qualität des Unterrichts
2.II
Pädagogische Methoden und
Lernstrategien sowie das
Unterrichtsklima
3.II
Unterrichts- und Lernbedingungen der Lernenden und
Arbeitsbedingungen der Lehrenden
III.
Anbieter von
Bildungsdienstleistungen
1.III
Abschlussquoten und
Leistungen der Bildungseinrichtungen
2.III
Organisation und Ausstattung
der Bildungseinrichtungen
3.III
Merkmale der Anbieter von
Bildungsdienstleistungen und
ihres Umfelds
IV.
Das Bildungssystem als Ganzes
1.IV
Gesamtleistung des
Bildungssystems
2.IV
Systemweite institutionelle
Struktur, Zuweisung von
Mitteln und politische Massnahmen
3.IV
Jeweiliger nationaler, bildungspolitischer, sozialer, wirtschaftlicher und demografischer
Kontext
Auch die Umsetzung von ISR kann mithilfe dieser Dimensionen und Indikatoren beschrieben
und evaluiert werden. Beispielhaft können bezogen auf ISR für die Gruppen von Indikatoren
der ersten Dimension die folgenden Stichworte genannt werden:
•
•
•
•
Einzelne Teilnehmende am Bildungssystem: z.B. Schülerinnen mit und ohne ISR-Status,
Eltern, Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, Lehrpersonen, Schulleiterinnen
und Schulleiter, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen etc.;
Unterricht: z.B. Unterrichtsgestaltung, ISR-Fördersetting;
Anbieter von Bildungsleistungen: z.B. Gestaltung von Übergängen zwischen den Schulstufen, Zuweisungs- und Abklärungsprozesse;
(kantonales) Bildungssystem als Ganzes: z.B. kantonale Vorgaben und Regelungen zu
ISR.
Die Umsetzung von ISR kann zudem entlang der zweiten Dimension beschrieben werden:
•
•
•
Bildungs- und Lernergebnisse: z.B. Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern mit ISRStatus, Grad der sozialen Integration;
politische Ansatzpunkte und Zusammenhänge, welche die Bildungserfolge beeinflussen:
z.B. Einstellungen und Fachlichkeit von Lehrpersonen und Schulischen Heilpädagoginnen
und Heilpädagogen;
Gegebenheiten und Bedingungen, die von der Politik zu berücksichtigen sind: z.B. organisatorische Voraussetzungen zur Umsetzung von ISR, Finanzierung, Steuerung der schulischen Integration.
Gemäss dem Auftrag des Volksschulamts hat die Evaluation auf die Umsetzung der ISRSettings, das Zuweisungs- und Abklärungsverfahren sowie die Integration in den Klassenverband zu fokussieren. Diesem Auftrag entsprechend berücksichtigt die Evaluation nicht alle
Felder der Matrix in gleicher Weise, sondern bildet einzelne Schwerpunkte ab. Diese beziehen
sich primär auf die ersten beiden Indikatorengruppen der ersten Dimension: Die Evaluation
befasst sich mit ausgewählten Teilnehmenden am Bildungssystem sowie mit dem Unterricht
und der Förderung im Kontext von ISR. Punktuell werden auch Aspekte aus der dritten IndikaEvaluationsbericht ISR Kanton Zürich
15
torengruppe (Anbieter von Bildungsdienstleistungen) aufgenommen. Hinsichtlich der zweiten
Dimension befasst sich die Evaluation mit ausgewählten Bildungs- und Lernergebnissen, ausgewählten politischen Ansatzpunkten und punktuell mit kontextuellen Gegebenheiten.
Module der Evaluation
Um die Evaluationsfragen gemäss Auftrag zu beantworten, war eine Breitenbefragung bei den
ISR-involvierten Akteuren – also den Klassenlehrpersonen (LP), den Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen (SHP), den Schulleitungen (SL), den Schulpsychologinnen und
Schulpsychologen (SP) sowie den betroffenen Eltern der integrierten Kindern im Kanton Zürich – erforderlich. Die zuvor aufgeführten Evaluationsfragen implizierten das Aufzeigen eines
Überblicks (z.B. kantonsweit) oder die Darstellung eines Gesamtbildes der aktuellen Situation
in den Primar- und Sekundarschulen des Kantons Zürich. Die Befragung wurde bei LP, SHP,
SP und SL online durchgeführt, bei den Eltern mithilfe von Papierfragebögen. Die Entwicklung
der Items basierte auf einer vorgeschalteten Dokumentenanalyse. Zusätzlich wurden auch die
vom Auftraggeber vorgelegten Fragen einbezogen. Auf der Grundlage der Ergebnisse aus der
Breitenbefragung wurden in einem weiteren Schritt einzelne Fälle ausgewählt, um eine vertiefte, qualitative Analyse der ISR-Praxis zu ermöglichen.
Auf diese Weise gelangte für die Evaluation der ISR im Kanton Zürich aus methodischer Sicht
ein „klassisches“ Vorgehen zur Anwendung. Es umfasste folgende Bestandteile: a) qualitative
Dokumentenanalyse, b) Breitenbefragung einer Stichprobe und c) qualitative Analysen von
ausgewählten Fällen und Einzelinterviews mit den involvierten Akteuren zwecks Vertiefung
einzelner Fragestellungen. Basierend auf den Evaluationsergebnissen folgte das letzte Modul,
nämlich d) die Weiterentwicklung des Kriterienkatalogs zur Qualitätsprüfung der ISR.
Modul A: Dokumentenanalyse
Mit Modul A wurde das Ziel verfolgt, die Konzepte der Gemeinden zur ISR respektive die entsprechenden Teile aus den sonderpädagogischen Konzepten und die weiteren Unterlagen zur
Umsetzung der integrativen Sonderschulung zu analysieren. Daraus wurden Fragen für die
Online-Befragung gewonnen. Die Ergebnisse aus der Dokumentenanalyse, ausgeführt in Kapitel 5, ergänzen die Resultate der Online-Befragung. Die Dokumentenanalyse war den Modulen B, C und D vorgelagert.
Modul B: Schriftliche Befragung bei den involvierten Akteuren
Modul B dient der Einsicht in die Praxis der ISR. Dazu nahmen nach einem Multi-Informantund Multi-Method-Ansatz die an der Studie beteiligten LP, SHP, SP und SL an einer OnlineBefragung teil, während die Eltern der integrierten Kinder mittels eines Papierfragebogens
befragt wurden. Das heisst, vergleichbare Information zum Untersuchungsgegenstand wurde
einerseits von verschiedenen Akteuren gesammelt und anderseits aus verschiedenen Perspektiven (Selbst- versus Fremdeinschätzung). Die Ergebnisse aus der schriftlichen Befragung werden in Kapitel 3 detailliert dargestellt und grafisch illustriert.
Modul C: Acht Fallanalysen
Modul C dient der vertieften Analyse der momentanen Praxis der ISR aus der Sicht der verschiedenen Gruppen von Akteuren anhand von Interviews. Im Rahmen von acht Fallanalysen
wurden Interviews mit dem Kind, der jeweiligen Klassenlehrperson, der Schulischen Heilpädagogin oder dem Schulischen Heilpädagogen sowie der Schulleitung durchgeführt. Die Fälle
wurden entlang der Dimensionen der Einstellung zu Diversität (hoch versus tief) und der
durchschnittlichen Einschätzung der Akteure in Bezug auf die Angemessenheit der Unterstüt-
16
PH Luzern
zung des Kindes (hoch versus tief) ausgewählt. Die Ergebnisse aus den Gruppeninterviews
werden in Kapitel 4 erläutert.
Modul D: Weiterentwicklung der Kriterien zur Qualitätssicherung
Auf der Grundlage der Evaluationsergebnisse wurde in Modul D der bestehende Kriterienkatalog für die Qualitätssicherung von ISR überarbeitet (Bildungsdirektion Kanton Zürich, Volksschulamt, 2014b). Dieses Instrument dient der Bildungsdirektion und den Schulpflegen als
Grundlage für die Aufsicht der ISR.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
17
2 Methodik
2.1 Modul A: Dokumentenanalyse
2.1.1
Vorgehen
Für die Dokumentenanalyse wurden 50 Schulgemeinden mit ISR zufällig ausgewählt. Die betreffenden Schulleitungen wurden am 17. März 2014 per E-Mail mit der Bitte angeschrieben,
dem Evaluationsteam alle ISR-relevanten Dokumente wie Leitfäden zur Ausgestaltung und
zum Ablauf von ISR, Empfehlungen und Richtlinien zur Umsetzung von ISR sowie Informationen an die Eltern zukommen zu lassen. Zusätzlich nahm die zuständige Ansprechperson des
Volksschulamtes Kontakt mit den betreffenden Schulleiterinnen und Schulleitern auf und half
bei der Zusammenstellung der Dokumente mit. Dank diesem kombinierten Vorgehen gingen
Rückmeldungen von 40 Schulen ein, was einem Rücklauf von 80% entspricht.
2.1.2
Stichprobenziehung
Die Grundgesamtheit für die Stichprobenziehung stellte die Anzahl Schulgemeinden mit Kindern, die im Rahmen der ISR gefördert werden, dar (n = 135). Weil Studien zeigen, dass die
soziale Situation der Schülerinnen und Schüler einen grossen Einfluss auf die schulische Leistung hat (Angelone & Ramseier, 2012; OECD, 2013) und bei einem höheren Anteil von sozial
benachteiligten Kindern ein höherer Bedarf an zusätzlicher schulischer Unterstützung nötig ist
(Bildungsdirektion Kanton Zürich, Bildungsplanung, 2012), wurde der Sozialindex der Schulgemeinde bei der Stichprobenziehung mitberücksichtigt. Der Sozialindex setzt sich aus der
Ausländerquote, der Sozialhilfequote sowie der Einkommensquote einer Gemeinde zusammen und bewegt sich zwischen den Werten 100 und 120. Der Wert 100 stellt dabei Gemeinden mit dem geringsten und der Wert 120 Gemeinden mit dem höchsten pädagogischen Unterstützungsbedarf dar. Gemeinden mit höherem Sozialindex erhalten vom Volksschulamt
etwas mehr Lehrerstellen zugeteilt als Gemeinden mit tieferem Sozialindex. In der Studie wurde bei der Stichprobenziehung zusätzlich auch die Schülerzahl pro Schulgemeinde mitberücksichtigt, da unklar war, wie die Schülerzahl mit der Umsetzung der ISR zusammenhängt. Einerseits verfügen Schulen mit einer hohen Schülerzahl und entsprechend mehr Schülerinnen
und Schülern mit ISR gegebenenfalls über mehr Ressourcen und Erfahrungen, um mit komplexen schulischen Bedürfnissen umgehen zu können, als kleine Schulen. Andererseits ist die
Organisation der ISR an kleineren Schulen allenfalls einfacher, weil die Situation personell
übersichtlicher ist. Mit dem Ziehen einer geschichteten Stichprobe, welche diese beiden Faktoren berücksichtigte, konnte die Repräsentativität derselben gesteigert werden. Die Ziehung
der Stichprobe in der Grösse von 50 Gemeinden erfolgte durch das Evaluationsteam, und
zwar mithilfe des Pakets „sampling“ (Tillé & Matei, 2013) des Statistikprogramms R (R Development Core Team, 2011).
2.2 Modul B: Schriftlich Befragung
2.2.1
Vorgehen
Die Einwilligung der Eltern zur Teilnahme an der Evaluation sowie ihre Erlaubnis, dass die
weiteren Akteure (LP, SHP, SP und SL) Aussagen zu ihrem Kind machen durften, wurden via
Schulleitungen eingeholt. Dazu erhielt die Schulleitung ein Schreiben mit der Bitte um Kontaktaufnahme mit den Eltern der ausgewählten Kinder und Einholung der Einwilligung. Zur
Unterstützung lagen den Schulleitungen sowohl ein Informationsschreiben der PH Luzern als
auch ein Brief des VSA in den Sprachen Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Tür18
PH Luzern
kisch, Serbisch und Portugiesisch vor, der sich an die Eltern richtete. Nach der Einwilligung
der Eltern zur Teilnahme an der Evaluation wurde ihnen der Papierfragebogen per Post zugestellt. Den weiteren Akteuren wurde der Zugang zur Onlineumfrage per E-Mail verschickt. Die
Befragung wurde vom VSA durch die Bewilligung für den Schulfeldzugang im Kanton Zürich
sowie ein Empfehlungsschreiben zur Studienteilnahme zuhanden der Schulleitungen unterstützt.
2.2.2
Fragebogen
Der Fragebogen wies geschlossene und halboffene Items auf; diese wurden anhand der Evaluationsfragestellung und der Dokumentenanalyse zusammengestellt. Teilweise stützte sich
die Wahl der Items auf Instrumente, die bereits in einem früheren Forschungsprojekt zur Integrierten Sonderschulung angewendet worden waren (siehe Joller-Graf & Tanner 2011). Weitere Fragen und Skalen stammten von Roos und Wandeler (2012) und Reusser, Stebler, Mandel und Eckstein (2013). Einige Fragen und Skalen wurden eigens für die Evaluation generiert.
Die einzelnen Skalen und Items werden direkt bei den entsprechenden Ergebniskapiteln erklärt. Der Fragebogen wurde vor dem Versand von der Begleitgruppe geprüft. Den Eltern lagen vom VSA bereitgestellte Übersetzungen in den Sprachen Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Türkisch, Serbisch und Portugiesisch vor. Die Befragung fand im Juni 2014
statt.
2.2.3
Stichprobenziehung
Die Stichprobenziehung durch das Evaluationsteam erfolgte mittels eines zweistufigen Verfahrens mit einer eigens programmierten Funktion im Statistikprogramm R (R Development Core
Team, 2011). Bei diesem zweistufigen Verfahren wurden in einem ersten Schritt aus der
Grundgesamtheit von 292 Schuleinheiten1 zufällig 250 Schuleinheiten gezogen. In einem
zweiten Schritt wurden pro Schuleinheit maximal vier Schülerinnen und Schüler gezogen. Daraus resultierte eine Zufallsstichprobe von 700 Schülerinnen und Schülern mit ISR, welche auf
einer Grundgesamtheit von 1271 Schülerinnen und Schülern mit ISR2 basiert.
Stichprobenausfall: Ein erster Stichprobenausfall von 89 Schülerinnen und Schülern (13%)
erfolgte, weil deren Sonderschulstatus vom jeweiligen Schulsekretariat nicht bestätigt werden
konnte. Um diesem grossen Verlust entgegenzuwirken, wurden nach dem oben beschriebenen Vorgehen zusätzliche 152 Schülerinnen und Schüler gezogen. Somit bestand die korrigierte Bruttostichprobe aus 763 Schülerinnen und Schülern mit ISR. Von den angeschriebenen Schuleinheiten entschieden sich 26 wegen der starken Belastung der Schule durch andere Befragungen oder Umstrukturierungen gegen eine Teilnahme. Dies hatte einen Ausfall von
81 Schülerinnen und Schülern (11%) zur Folge. Zudem konnten 53 Eltern von ISR-beschulten
Kindern (7%) aufgrund von schwierigen sozialen Verhältnissen, Wegzug oder sprachlichen
Schwierigkeiten nicht angefragt werden. Von den letztlich 629 angefragten Erziehungsberechtigten gaben 309 (49%) ihr Einverständnis. 142 Erziehungsberechtigte (23%) waren nicht einverstanden und von 173 (28%) kam keine Rückmeldung auf die Anfrage.
1
2
Neun Schuleinheiten wurden nicht in die Grundgesamtheit aufgenommen, weil sie im Schulversuch starke Lernbeziehungen involviert waren oder im gleichen Zeitraum von der Fachstelle für Schulbeurteilung befragt wurden.
89 Schülerinnen und Schüler mit ISR des Kantons Zürich wurden in der Grundgesamtheit nicht berücksichtigt,
weil ihre Schuleinheiten aus der Evaluation ausgeschlossen worden waren.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
19
2.2.4
Stichprobenbeschreibung
Zur Erhebung der quantitativen Daten der fünf Gruppen von Akteuren erhielten 273 LP, 244
SHP, 102 SP sowie 156 SL per E-Mail den Zugang zum Online-Fragebogen; darüber hinaus
wurden 311 Papierfragebögen an 309 Eltern versandt.3 Nach Abschluss der Umfrage und Bereinigung der Daten konnten die Antworten von total 216 LP (Rücklauf = 79%), 210 SHP
(Rücklauf = 86%), 66 SP (Rücklauf = 42%), 118 SL (Rücklauf = 76%) und 208 Eltern (Rücklauf = 67%) für die Auswertungen berücksichtigt werden. Dies entspricht einem Gesamtrücklauf von 75%.
Die LP waren mehrheitlich weiblich, über die Altersspanne von 21–65 Jahren verteilt mit einer
Häufung in der Alterskategorien zwischen 21 und 30 sowie zwischen 51 und 60 Jahren; als
Muttersprache wurde fast ausschliesslich (Schweizer-)Deutsch angegeben (siehe Tabelle 2).
Die befragten LP verteilten sich zu 13.6% auf die Kindergartenstufe, zu 75.7% auf die Primarstufe und zu 10.7% auf die Sekundarstufe. Im Schnitt waren sie seit 17.2 Jahren im Beruf tätig
und seit 10.7 Jahren an der entsprechenden Schule beschäftigt. Ihr Arbeitspensum belief sich
durchschnittlich auf 74%, wovon 30.4% eine Vollzeitanstellung4 innehatten.
Die Mehrheit der SHP war weiblich, über die Altersspanne von 21–65 Jahren verteilt mit einer
Häufung zwischen 51 und 60 Jahre und gab als Muttersprache (Schweizer-)Deutsch an (für
genaue Angaben siehe Tabelle 2). 64% der SHP hatten eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen oder waren noch in Ausbildung. Im Schnitt arbeiteten sie seit 10.1 Jahren im Beruf und hatten ein Arbeitspensum von 69.7% inne. 14% hatten eine Vollzeitanstellung.
Die SP waren mehrheitlich weiblich, in der Alterspanne von 21–65 Jahren mit einer Häufung
zwischen 41 und 50 Jahren und sprachen als Muttersprache (Schweizer-)Deutsch. Im Schnitt
übten sie ihren Beruf seit 13.0 Jahren aus und waren mit einem Pensum von 64.9% angestellt.
4.6% arbeiteten Vollzeit.
Die Hälfte der SL war weiblich, in der Alterspanne von 31–65 Jahren mit einer Häufung zwischen 51 und 60 Jahren und alle sprachen (Schweizer-)Deutsch als Muttersprache. Im Schnitt
waren sie seit 8.7 Jahren in der Funktion der Schulleiterin oder des Schulleiters und seit 7.3
Jahren an der entsprechenden Schule tätig. Ihr Arbeitspensum betrug im Schnitt 73.3%.
18.7% übten ein Vollzeitpensum aus.
Der Elternfragebogen wurde zu 57.2% von der Mutter, zu 12% vom Vater, zu 29.8% von beiden Elternteilen gemeinsam und zu 1% mit der Unterstützung von Drittpersonen, z.B. der Sozialpädagogin, ausgefüllt. 77.9% der Befragten gaben als Muttersprache (Schweizer-)Deutsch
an. Der Fragebogen wurde von zusätzlichen 13.4% in Deutsch ausgefüllt. Die restlichen Befragten füllten den Fragebogen in Englisch (3.4%), Portugiesisch (1.9%), Türkisch (0.5%), Italienisch (1%), Spanisch (1%), Serbisch (1%) oder Albanisch (0.5%) aus. Als höchster Bildungsabschluss des antwortenden Elternteils wurde mehrheitlich eine Berufslehre genannt
(39.4%), gefolgt von einem Hochschulabschluss (26.0%). Weitere 19.7% gaben eine Fachoder Berufsbildung an, 4.8% eine Matura oder Berufsmatura; bei 9.1% war die obligatorische
Schulzeit die höchste Ausbildung. Eine Gruppe von 1% der Befragten hatte lediglich die Primarschule besucht oder verfügte über keine Schulbildung.
3
4
Zwei Elternpaare erhielten je zwei Fragebögen, weil in ihrem Fall zwei Kinder befragt wurden.
Eine Vollzeitanstellung entspricht hier einem Pensum von 95% oder mehr.
20
PH Luzern
Tabelle 2: Soziodemografische Angaben der Befragten
LP
SHP
SP
SL
Alterskategorie in %
21–30 Jahre
31–40 Jahre
41–50 Jahre
51–60 Jahre
61–65 Jahre
26.5%
20.5%
13.9%
31.1%
8.0%
9.2%
14.5%
25.5%
35.8%
15.0%
3.1%
23.0%
36.9%
26.2%
10.8%
-11.4%
26.4%
54.3%
7.9%
74.6%
25.4%
85.0%
15.0%
78.5%
21.5%
51.3%
48.7%
88.1%
96.6%
95.4%
100%
Berufserfahrung in
Jahren
17.2
SD: 12.5
Spanne: 1–41
10.1
SD: 8.7
Spanne: 0–40
13.0
SD: 12.6
Spanne: 1–30
8.7
SD: 5.0
Spanne: 1–30
Schulzugehörigkeit
in Jahren
10.7
SD: 10.3
Spanne: 1–41
--
--
7.3
SD: 6.1
Spanne: 1–36
74.0%
SD: 28.9%
Spanne: 1–100%
69.7%
SD: 23.6%
Spanne: 10–100%
64.9%
SD: 17.0%
Spanne: 10–100%
73.3%
SD: 24.9%
Spanne: 10–100%
Geschlecht in %
Frauen
Männer
Muttersprache
Deutsch
Arbeitspensum in %
Repräsentativität der Stichprobe: Die finale Stichprobe der 311 Schülerinnen und Schüler mit
ISR wurde auf ihre Repräsentativität hin geprüft, das heisst, es wurde untersucht, ob die
Gruppe der evaluierten Kinder mit ISR anders strukturiert war als die Grundgesamtheit aller
Kinder mit ISR (n = 1360). Dazu wurde die Struktur der Verteilung ausgewählter Merkmale,
die mit dem ISR-Setting zusammenhängen können, in der Stichprobe mit der Struktur der Verteilung in der Grundgesamtheit verglichen. Aus Tabelle 3 wird ersichtlich, dass die Verteilungen für die Merkmale „Schulstufe“, „Geschlecht“ und „Sozialindex“ ähnlich ausfallen. Eine
leichte Abweichung findet sich bei Schülerinnen und Schülern der Kindergarten- und Sekundarstufe, wobei Kinder der Kindergartenstufe in der Stichprobe leicht übervertreten und Kinder
der Sekundarstufe leicht untervertreten sind. Was den Sozialindex betrifft, so sind Kinder aus
Schulgemeinden mit einem sehr hohen Sozialindex (also „belastete“ Schulgemeinden) leicht
untervertreten. Das bedeutet konkret, dass grundsätzlich in Schuleinheiten mit einem höheren
Sozialindex mehr Schülerinnen und Schüler ISR erhalten, die jedoch in unserer Stichprobe
leicht untervertreten waren. Dies könnte einerseits daran liegen, dass einige Eltern nicht angefragt werden konnten, weil sie kein Einverständnis für die Befragung erteilten. Andererseits
kam es zu einer Verzerrung, weil die betreffenden Eltern aufgrund von möglichen Sprachbarrieren nicht an der Untersuchung teilnehmen konnten (der Fragebogen konnte nicht in alle
erforderlichen Fremdsprachen übersetzt werden). Zudem sagten auch einige Schulen mit der
Begründung ab, dass sie temporär zu stark belastet seien.
Tabelle 3: Verteilung verschiedener Merkmale in der Stichprobe und in der Grundgesamtheit aller Kinder mit ISR
Schulstufe
Grund-
Geschlecht
Sozialindex
Jungen
< 25%
(< 104.1)
< 50%
(≥ 104.1
< 107.1)
≥ 50%
(≥ 107.1
< 110.1)
> 75%
(≥
110.1)
35.3%
64.7%
16.8%
24.9%
24.7%
33.6%
32.8%
67.2%
20.3%
22.5%
27.0%
30.2%
Kinder-
Primar-
Sekun-
Mäd-
garten
schule
darschule
chen
11.5%
71.7%
16.8%
15.4%
71.1%
13.5%
gesamtheit
Stichprobe
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
21
2.2.5
Datenauswertung und Besonderheit der Datenstruktur
Da jeweils mehrere Personen das gleiche Kind respektive die gleichen Kinder bewertet haben,
liegt eine sogenannt genestete Datenstruktur vor (siehe Abbildung 1). Das heisst, die Daten
der Akteure zu einem Kind sind nicht unabhängig voneinander, weil die Einschätzungen der
verschiedenen Akteure zu einem Kind mit grosser Wahrscheinlichkeit ähnlicher ausfallen als
die Einschätzungen der Akteure zu verschiedenen Kindern. Beispielsweise sind sich die Akteure in ihrer Einschätzung eines Kindes bezüglich der benötigten Unterstützung ähnlicher als
die Einschätzungen der Akteure generell über alle Kinder hinweg. Die Unabhängigkeit der
Daten ist jedoch eine Grundvoraussetzung der gängigen statistischen Verfahren. Des Weiteren sind auch die Antworten von Personen aus der gleichen Schule nicht voneinander unabhängig. So dürften Mitarbeitende einer Schule mit einer stark engagierten Schulleitung mit
einer höheren Wahrscheinlichkeit mehr Unterstützung wahrnehmen, weshalb ihre Antworten
hinsichtlich ihrer Arbeit und des Kindes im Vergleich mit einer Schule mit wenig Unterstützung
der Schulleitung ähnlicher ausfallen.
Um diese Abhängigkeiten in der Datenstruktur zu berücksichtigen, waren komplexe Analysen
erforderlich, sogenannte Mehrebenenanalysen. Im Vergleich mit gängigen statistischen Verfahren besteht bei den mit Mehrebenenanalysen ausgewerteten und präsentierten Resultaten
ein Unterschied darin, dass nicht die wahren Mittelwerte dargestellt werden, sondern die durch
die Modelle geschätzten Mittelwerte. Die Schätzgenauigkeit dieser geschätzten Mittelwerte
kann mithilfe des Standardfehlers angezeigt werden, welcher aufgrund der besseren Lesbarkeit in den Abbildungen nicht dargestellt wird. Der Wert der Intra-Klassen-Korrelation 1 (ICC1)
gibt zudem an, wie ähnlich sich die Akteure in ihrer Einschätzung in Bezug auf das jeweilige
Kind durchschnittlich sind respektive wie stark die Einschätzungen der Akteure vom jeweiligen
Kind abhängig sind (Bliese, 2013). Ein hoher ICC1-Wert bedeutet, dass die Antworten der
einzelnen Akteure stark vom jeweiligen Kind abhängig sind. Diese Werte wurden stets berechnet und geprüft, werden aber in den Abbildungen mit Blick auf eine bessere Lesbarkeit
ebenfalls nicht festgehalten. Für detaillierte Erläuterungen zum statistischen Verfahren der
Mehrebenenanalyse wird auf folgende Literatur verwiesen: Ditton (1998), Hox (2002), Tabachnick und Fidell (2007, Kapitel 15).
Basierend auf diesen Daten wären weiterführende Analysen möglich, unter anderem auch mit
einem Kind-zentrierten Fokus, welche jedoch den Rahmen dieser Evaluation übersteigen würden
Eltern
Schuleinheit (SL)
Level 3
Schülerin/Schüler
Level 2
LP
SHP
SPD
Level 1
Abbildung 1: Mehrebenenstruktur der Daten: Einschätzungen von Eltern, LP, SHP, SP und SL genestet innerhalb
einer Schülerin/eines Schülers in der dazugehörigen Schule.
22
PH Luzern
2.2.6
Angaben zur Effektstärke
Bei den Auswertungen in diesem Bericht gilt es zu beachten, dass die inferenzstatistischen
Analysen in Bezug auf signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Akteuren sowie
hinsichtlich signifikanter Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Konstrukten nichts
über die Stärke des jeweiligen Effekts aussagen. Das Signifikanzniveau hängt zwar einerseits
mit der Effektstärke zusammen, es ist jedoch andererseits von der Stichprobengrösse und der
gewählten Verteilung, die der jeweiligen Analyse zugrunde liegen, abhängig. In den durchgeführten Analysen wurde im Wesentlichen die Stichprobenverteilung für die verwendete Teststatistik mit dem empirisch gefundenen Wert unter der Annahme der zu testenden Hypothese
verglichen (Cohen, 1992). Je nachdem, welches Verfahren zur Anwendung gelangte, wurden
für die Berechnung der Effektstärken unterschiedliche Vorgehensweisen gewählt. Da infolge
der genesteten Datenstruktur komplexe statistische Verfahren zur Anwendung kamen, bei
denen die Kennwerte für die jeweilige Effektstärke ohne Vorwissen nur schwer zu interpretieren sind, wird in der Folge bewusst auf deren Nennung verzichtet. Jedoch werden die jeweiligen geschätzten Mittelwerte abgebildet, woraus sich eine ungefähre Schätzung ableiten lässt,
die aussagt, ob es sich um einen kleinen, mittleren oder grossen statistischen Effekt handelt.
Bei Korrelationen kann die folgende Einteilung nach Cohen (1992) verwendet werden: r = .10
entspricht einem kleinen Effekt, r = .30 entspricht einem mittleren Effekt und r = .50 entspricht
einem grossen Effekt. Bei einigen Mehrebenenanalysen sind zudem z-Werte angegeben. Dies
ist jeweils dann der Fall, wenn es sich um getestete Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen handelt. Die z-Verteilung hat den Erwartungswert null und die Varianz eins und
ermöglicht so einen Vergleich der gefundenen Zusammenhänge.
2.3 Modul C: Gruppeninterviews
2.3.1
Vorgehen
Die Organisation der Interviews lief wie folgt ab: Die Eltern wurden kontaktiert und über Ablauf
und Zweck der Interviews informiert. Gaben die Eltern ihr Einverständnis, wurden die Schulleitungen gebeten, einen Termin zu vereinbaren, an dem Eltern, Kind, LP, SHP und SL befragt
werden konnten. Die Personen wurden jeweils einzeln an einem ruhigen Ort interviewt. Die
Interviews wurden von zwei Personen geleitet (interviewende und protokollführende Person),
dauerten ca. 20–30 Minuten pro Person und wurden protokolliert.
2.3.2
Interviewleitfaden
Die Fragen für den Interviewleitfaden basierten auf den Ergebnissen der Dokumentenanalyse
und der schriftlichen Befragung. Von Interesse waren insbesondere die Überprüfung der Umsetzung des sonderpädagogischen Konzepts in der Praxis sowie die Klärung des Bedarfs an
weiterer Unterstützung zur Umsetzung der ISR. Die Erkenntnisse aus den Einzelinterviews
werden in Kapitel 4 zusammengefasst und flossen als Interpretationshilfe bei der Auswertung
der Umfrageergebnisse direkt in die Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen ein.
Die Interviewleitfäden finden sich im Anhang.
2.3.3
Stichprobenziehung
Die Stichprobenziehung für die vertiefenden Interviews erfolgte nach inhaltlichen Kriterien. Die
Fälle wurden entlang der zwei Dimensionen „Durchschnittliche Einstellung zu Diversität aller
Akteure“ (hohe versus niedrige Wertschätzung von Diversität im Schulkontext) und „Durchschnittliche Einschätzung der Akteure der Angemessenheit der erhaltenen Unterstützung im
Rahmen von ISR“ (hohe versus tiefe Angemessenheit) ausgewählt. Entlang der beiden Dimensionen mit den je zwei verschiedenen Ausprägungen konnten vier verschiedene Felder
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
23
definiert werden. Mit dem Statistikprogramm R wurden danach pro Feld zufällig jeweils zwei
Fälle gezogen.
Die interviewende und die protokollführende Person waren in Bezug auf die Zuteilung des
Falls zu einem der vier Felder blind, das heisst, ihnen war die Zuteilung des Kindes zum entsprechenden Feld im Vorfeld des Interviews nicht bekannt. Im Anschluss daran wurde von
zwei Fachpersonen, die ebenfalls nicht über die jeweilige Zuteilung der Fälle zu den Feldern
informiert waren, eine Zuteilung der Interviews vorgenommen. Die Übereinstimmung der beiden Fachpersonen betrug 75%. Zudem wurden von beiden Fachpersonen 12 der 16 möglichen Zuteilungen korrekt vorgenommen (entspricht 75% korrekter Zuteilung). Dieses Resultat
unterstützt die Validität des gewählten Auswahlverfahrens.
2.3.4
Stichprobenbeschreibung
Insgesamt wurden zu den acht gezogenen Fällen 40 Personen interviewt. Drei der Schülerinnen und Schüler mit ISR waren weiblich und fünf männlich. Die Familiensprache war bei
sechs Fällen Deutsch und bei jeweils einem Fall Englisch respektive Albanisch. Das Alter der
Kinder lag zwischen sechs und 13 Jahren (M = 9.4 Jahre), wobei zwei zum Zeitpunkt der Online-Befragung den Kindergarten und sechs die Primarschule besuchten. Alle Fälle wurden
bereits mit ISR eingeschult; bei einem Kind konnte der ISR-Status in der Zwischenzeit aufgehoben werden und zwei Kinder wechselten im neuen Schuljahr in eine Sonderschule. Die besonderen Förderbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler waren vielfältig und betrafen Kognition, sozioemotionale Funktionsfähigkeit, Kommunikation wie auch Sensorik und Motorik.
2.4 Modul D: Weiterentwicklung des Aufsichtsinstruments
Auf der Grundlage der Evaluationsergebnisse wurde der bereits bestehende Kriterienkatalog
für die Qualitätssicherung der ISR in Zusammenarbeit mit der Begleitgruppe weiterentwickelt.
Dieses Instrument dient der Bildungsdirektion und den Schulpflegen für die Aufsicht der ISR.
Die Hinweise zur Weiterentwicklung des Instruments sind in Kapitel 7 enthalten.
24
PH Luzern
3 Ergebnisse der Fragebogenerhebung
3.1 Umsetzung der Förderung im ISR-Setting
3.1.1
Den Förderbedürfnissen der Kinder mit ISR entsprechendes Setting
Indikationsbereiche und Fördersetting
Der Sonderschulbedarf der Kinder wurde von den SP festgestellt. Bei den 126 Kindern mit
ISR, zu denen wir von den SP Angaben zur Indikation in Erfahrung bringen konnten, wurde
ein Sonderschulbedarf am häufigsten im Indikationsbereich „Kognition und Metakognition“
festgestellt (66%; siehe Abbildung 2).5 Häufiger Sonderschulbedarf wurde auch in den Bereichen „Soziale-emotionale Funktionsfähigkeit“ (57%), „Intentionale Kommunikation“ (50%) und
„Bewusste sinnliche Wahrnehmung und Sensorik“ (44%) diagnostiziert. An der Regelschule
seltener vertreten waren die beiden Bereiche „Bewegung, Mobilität und Motorik“ (23%) sowie
„Ausführen der Aktivitäten des täglichen Lebens“ (15%). Diese Angaben zur Indikation machten die SP auch, wenn sie das SAV noch nicht verwendeten für die Abklärung.6
Bei einem Viertel der Kinder (25%) wurde in einem Indikationsbereich ein Sonderschulbedarf
festgestellt, ein Viertel der Kinder (26%) bekam in zwei Bereichen einen Sonderschulbedarf
zugeschrieben, einem weiteren Viertel der Kinder (28%) wurde in drei Bereichen ein Sonderschulbedarf attestiert und bei den restlichen Kindern (21%) war in vier oder mehr Bereichen
ein Sonderschulbedarf angezeigt. Wenn nur in einem Indikationsbereich ein Sonderschulbedarf diagnostiziert wurde, war dies meist in den Bereichen „Kognition und Metakognition“
(12%, n = 15) sowie „Intentionale Kommunikation“ (9%, n = 11) der Fall. Die häufigsten Kombinationen der Indikationsbereiche waren „Kognition und Metakognition“/„Bewusste sinnliche
Wahrnehmung und Sensorik“ (8%, n = 10), „Kognition und Metakognition“/„Sozial-emotionale
Funktionsfähigkeit“ (6%, n = 8) sowie „Kognition und Metakognition“/„Sozial-emotionale Funktionsfähigkeit“/„Intentionale Kommunikation“ (10%, n = 13).
5
Die sechs Indikationsbereiche werden vom Volksschulamt der Bildungsdirektion des Kantons Zürich im Kontext
des Standardisierten Abklärungsverfahren (SAV) vorgegeben (Bildungsdirektion Kanton Zürich, Volksschulamt,
2014a) und sind wie folgt definiert.
1) „Kognition und Metakognition“: „Kognition“ bezieht sich auf die Fähigkeit, etwas Neues zu lernen. Kognitive
Prozesse erfordern neben intellektuellen Funktionen insbesondere auch Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfunktionen.
2) „Soziale-emotionale Funktionsfähigkeit“: Soziale-emotionale Funktionsfähigkeit drückt sich aus in der Fähigkeit, eigene Emotionen zu regulieren, Emotionen der anderen zu erkennen, in der sozialen Perspektivenübernahme sowie in sozialer Sicherheit.
3) „Intentionale Kommunikation“: Kommunikation ist ein intentionaler Prozess, der auf wechselseitiger Zuschreibung einer Mitteilungs- oder Handlungsabsicht basiert; dies erfordert eine geteilte Erfahrungsbasis respektive geteiltes Wissen (z.B. gemeinsame Sprache, Skripts und Schemata) und notwendigerweise die Fähigkeit, die Intentionen des Gegenübers zu interpretieren.
4) „Bewusste sinnliche Wahrnehmung und Sensorik“: Die Fähigkeit, den Sehsinn und/oder den Hörsinn sowie
andere Sinne für die Wahrnehmung von Sinnesreizen in der Umwelt zu nutzen.
5) „Bewegung, Mobilität und Motorik“: Bewegung und Mobilität beziehen sich auf die Fähigkeit, den eigenen Körper im Raum zu bewegen; dies umfasst sowohl Bewegungsfähigkeit und Beweglichkeit als auch Bewegungskoordination.
6) „Ausführen der Aktivitäten des täglichen Lebens“: Mit „Aktivitäten des täglichen Lebens“ werden Fähigkeiten
bezeichnet, die sich auf den Funktionsbereich „Selbstversorgung“ in der ICF beziehen.
6
a
26 von 138 SP nutzen das SAV. Folglich wurde bei 99 Kindern Angaben zur Indikation gemacht, auch wenn das
SAV bei der Abklärung noch nicht verwendet wurde.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
25
Indikationsbereich des Sonderschulbedarfs
66%
Kognition und Metakognition
Soziale-emotionale Funktionsfähigkeit
57%
Intentionale Kommunikation
50%
Bewusste sinnliche Wahrnehmung und Sensorik
44%
Bewegung, Mobilität und Motorik
23%
Ausführen der Aktivitäten des täglichen Lebens
SP
15%
0%
20%
40%
60%
80%
Abbildung 2: Aussage der SP (n = 126) zum Indikationsbereich des Sonderschulbedarfs. Frage: „In welchem Indikationsbereich/in welchen Indikationsbereichen wurde der Sonderschulbedarf von [Kind] festgestellt?“
Des Weiteren wurden die SP nach den ICD-10-Diagnosen gefragt. In den vorliegenden Antworten zu den 53 Kindern mit ISR wurden am häufigsten die Diagnosen „Entwicklungsstörung“
(32%) sowie „Verhaltens- und emotionale Störung mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ genannt (32%; siehe Abbildung 3). Weniger häufig wurden die Diagnosen „Intelligenzminderung“
(17%), „Tief greifende Entwicklungsstörung“ (15%), „Störung schulischer Fertigkeiten“ (11%)
und „Motorische Entwicklungsstörung“ (8%) vergeben. Bei 13% der Kinder mit ISR wurden
Diagnosen wie „Epilepsie“, „Kleinwuchs“, „Angeborene Fehlbildungssyndrome“ oder „Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörung“ vergeben, welche in der Kategorie
„andere“ zusammengefasst wurden. Während bei 75% der Kinder mit ISR (40 Nennungen)
eine ICD-10-Diagnose vergeben wurde, waren es bei weiteren 17% (9 Nennungen) zwei ICD10-Diagnosen und bei 8% (4 Nennungen) drei ICD-10-Diagnosen. Bei den Mehrfachnennungen gab es keine gehäuft auftretenden Kombinationen. Aufgrund der geringen Anzahl an Antworten auf diese Frage – die ICD-10-Diagnose liegt nur für 17% der 310 evaluierten Kinder mit
ISR vor – sind weiterführende Analysen mit der ICD-10-Diagnose als Prädiktor oder Gruppierungsvariable nicht sinnvoll.
ICD-10-Diagnose des Kindes
Entwicklungsstörung
32%
Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der
Kindheit und Jugend
32%
Intelligenzminderung
17%
tief greifende Entwicklungsstörungen
15%
11%
Störung schulischer Fertigkeiten
motorische Entwicklungsstörung
andere
0%
8%
13%
10%
20%
30%
40%
Abbildung 3: Aussage der SP (n = 53) zur Diagnose des Kindes nach ICD-10. Frage: „Falls das Kind eine Diagnose
nach ICD-10 hat: Was ist die Diagnose des Kindes? (Bitte nach ICD-10 angeben.)“ Offenes Antwortfeld.
Die Frage nach der Art und Qualität der Förderung der Kinder mit ISR wurde von LP, SHP, SP
und Eltern beantwortet. Die Akteure gaben an, welche Arten der Förderung für das jeweilige
Kind mit ISR zutreffend seien und wie ausreichend diese Förderung auf einer Skala von 1
(„ungenügend“) bis 5 („ausreichend“) erlebt werde. Die Mehrheit in allen vier Akteursgruppen
(79–86%) gab jeweils an, dass das betreffende Kind im Unterricht von LP und SHP gefördert
werde (siehe Abbildung 4). Die Akteure unterschieden sich in ihrem Antwortverhalten nicht
signifikant voneinander. Bezüglich der separativen Förderung durch die SHP wichen die Einschätzungen der vier Akteursgruppen hingegen signifikant voneinander ab: Mit 48% gaben die
26
PH Luzern
Eltern im Vergleich zu den übrigen Akteuren signifikant häufiger an, dass ihr Kind vor allem
separativ gefördert werde. Die diesbezüglich geringste Häufigkeit zeigte sich bei den SP mit
24%, womit sie signifikant tiefer lagen als die LP. Die Betreuung durch die Klassenassistenz
während des Unterrichts wurde von 16% der SP genannt, was signifikant tiefer war als die
Einschätzung der anderen drei Akteursgruppen, die zwischen 34–37% lagen. Ein vergleichbares Bild zeigte sich bezüglich spezifischer Betreuung ausserhalb des Unterrichts, obwohl diese
Werte insgesamt um 8–16% tiefer lagen: Die SP lagen mit 8% signifikant tiefer als die anderen
drei Akteursgruppen (18–26%). Als relativ häufige Art der Förderung wurde zudem die Logopädie angegeben (37–49%), wobei die Werte der SP abermals signifikant tiefer waren als diejenigen der Eltern. Weitere Formen der Förderung wie Psychomotorik, Psychotherapie und
externe Fachberatungen kamen weniger zum Einsatz und scheinen sehr kindsspezifisch zu
sein.
Zusätzlich zu den vorgegebenen zehn Arten der Förderung nannten die vier Akteursgruppen
auch noch andere Förderarten wie Ergotherapie, Physiotherapie, Kinderarzt/KJPD, medikamentöse Unterstützung, heilpädagogische Frühberatung und alternative Therapien (in Abbildung 4 nicht aufgeführt). Diese Förderungen weisen tiefe Ausprägungen auf und sind unter
den verschiedenen Akteursgruppen nur wenig deckungsgleich, was allerdings auf ein methodisches Problem zurückgeführt werden kann, da freies Generieren viel anspruchsvoller ist als
die Einschätzung vorgegebener Förderungsoptionen.
Art der Förderung
86%
81%
79%
81%
LP und SHP fördern das Kind im Unterricht
SHP fördert das Kind vor allem separat von den
anderen Kindern
24%
Betreuung durch Assistenz im Unterricht
39%
33%
18%
8%
48%
34%
37%
16%
Spezifische Betreuung ausserhalb des Unterrichts
45%
42%
37%
49%
14%
13%
14%
16%
Unterstützung durch Psychotherapie
9%
9%
12%
12%
Externe Fachberatung Eltern (z.B. Sozialpädagogik,
Audiopädagogik)
9%
7%
8%
6%
Externe Fachberatung Kind (z.B. Sozialpädagogik,
Audiopädagogik)
4%
3%
3%
4%
Externe Fachberatung Lehrperson (z.B.
Sozialpädagogik, Audiopädagogik)
6%
7%
9%
6%
SP
Eltern
* LP–SP
* SHP–SP
* SP–Eltern
26%
22%
Unterstützung durch Psychomotorik
SHP
* LP–SP
* SHP–SP
* SP–Eltern
37%
Unterstützung durch Logopädie
LP
* LP–SP
* LP–Eltern
* SHP–Eltern
* SP–Eltern
0%
20%
40%
* SP–Eltern
60%
80%
100%
Abbildung 4: Aussagen LP (n = 244), SHP (n = 257), SP (n = 139) und Eltern (n = 201–204) zur Art der Förderung.
Frage: „Kreuzen Sie zuerst an, welche Unterstützung das Kind erhält.“ Statistisches Verfahren: Mehrebenenanalyse. * = signifikanter Unterschied.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
27
Betrachten wir nun die Einschätzungen der Angemessenheit der Förderung ist vorweg anzumerken, dass die Auswertungen auf teilweise sehr geringer Stichprobengrösse basieren, da
jeweils nur jene Personen die Angemessenheit der Förderung eingeschätzt haben, welche
zuvor angegeben hatten, dass die betreffende Art der Förderung beim jeweiligen Kind auch
tatsächlich vorlag. Die zum Teil geringen Stichprobengrössen führten zu einem erhöhten
Standardfehler, weshalb signifikante Unterschiede schwieriger aufzudecken waren.
Ohne auf die einzelnen Förderarten einzugehen (für Details siehe Abbildung 5), kann generell
festgehalten werden, dass sich die Einschätzung der Angemessenheit bei allen Akteuren im
Bereich „eher ausreichend“ einpendelte. Tendenziell höher wurden die Förderungen Logopädie und Psychomotorik eingeschätzt, tendenziell tiefer die externe Fachberatung für Eltern und
für Lehrpersonen. Ein signifikanter Unterschied zeigt sich zudem bei den Einschätzungen zwischen SP und LP respektive SHP zur Aussage „LP und SHP fördern das Kind im Unterricht“.
SP beurteilen die Angemessenheit signifikant höher als LP und SHP. Bei dieser Art der Förderung konnten signifikante Unterschiede gefunden werden, weil sie von verhältnismässig vielen
Personen eingeschätzt worden war.
Angemessenheit der Förderung
4.2
4.2
LP und SHP fördern das Kind im Unterricht
4.5
4.4
* LP–SP
* SHP–SP
4.3
4.2
4.2
4.4
SHP fördert das Kind vor allem separat von den
anderen Kindern
4.0
4.3
4.4
Betreuung durch Assistenz im Unterricht
4.2
4.3
4.1
Spezifische Betreuung ausserhalb des Unterrichts
4.7
4.3
Unterstützung durch Logopädie
4.5
4.5
4.7
4.6
Unterstützung durch Psychomotorik
4.5
4.5
4.7
4.5
4.6
4.0
Unterstützung durch Psychotherapie
4.5
Externe Fachberatung Eltern (z.B.
Sozialpädagogik, Audiopädagogik)
4.0
3.8
Externe Fachberatung Lehrperson (z.B.
Sozialpädagogik, Audiopädagogik)
LP
SHP
SP
Eltern
4.1
4.1
4.3
3.8
Externe Fachberatung Kind (z.B.
Sozialpädagogik, Audiopädagogik)
3.8
1.0
2.0
3.0
4.7
4.3
4.5
4.3
4.3
4.3
4.0
5.0
Abbildung 5: Aussagen LP, SHP, SP und Eltern zur wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung. Stichprobengrösse ist sehr variabel und entspricht den Balken von Abbildung 4. Frage: „Beurteilen Sie die Qualität der
Unterstützung für [Kind]“. Statistisches Verfahren: Mehrebenenanalyse.
28
PH Luzern
79% der Eltern erachteten die zusätzliche Förderung ihres Kindes als ausreichend. Von denjenigen Eltern, welche die zusätzliche Förderung als nicht ausreichend empfanden, wünschten
sich 61% einen höheren zeitlichen Umfang der bestehenden Förderung und 51% weitere
Formen zusätzlicher Förderung. Als weitere Formen der Förderung wurden dabei die folgenden genannt: angepasstes Unterrichtssetting wie Kleinklassen, individualisierter Unterricht
oder Hausaufgabenbetreuung (6 Nennungen), Spezialförderung wie Physiotherapie, Ergotherapie, oder Logopädie (4 Nennungen) oder mehr integrative heilpädagogische Förderung (4
Nennungen).
Die SHP listeten zudem die Anzahl Lektionen auf, welche den einzelnen Kindern mit ISR pro
Woche für die spezifische Förderung zugesprochen wurden (siehe Tabelle 4). Im Schnitt bekamen die Kinder mit ISR jeweils 5.6 Lektionen SHP und/oder 6.5 Lektionen Klassenassistenz
zugesprochen, sofern die jeweilige Massnahme als notwendig erachtet wurde. Die Bereiche
Logopädie und Psychomotorik wurde im Schnitt mit 1.6 respektive 1.0 Lektionen gefördert,
sofern die jeweilige Massnahme zugesprochen wurde. Des Weiteren bekamen 30 Kinder im
Schnitt 16.2 Fachberatungsstunden pro Jahr zugesprochen. Bei 42 Kindern wurden zudem
noch andere Förderlektionen wie Ergotherapie, Psychotherapie, DaZ und Coaching/Beratung
aufgelistet, wobei dieser Anteil 3.8 Wochenlektionen betrug. Insgesamt erhielt ein Kind mit ISR
8.4 Förderlektionen zugesprochen. Die zugesprochenen Fachberatungsstunden wurden pro
Jahr aufgelistet und flossen deshalb nicht ins Wochenlektionentotal pro Kind ein.
34% der Kinder mit ISR bekamen eine Massnahme verordnet, wobei die häufigste Massnahme in Lektionen für Schulische Heilpädagogik bestand (29%). Bei 41% der Kinder mit ISR
wurden zwei Massnahmen verordnet. Am häufigsten genannt die wurden die Kombinationen
„Schulische Heilpädagogik“/„Assistenz“ (19%) sowie „Schulische Heilpädagogik“/„andere“
(8%). 20% der Kinder mit ISR erhielten drei Fördermassnahmen, mit der gehäuften Kombination von „Schulische Heilpädagogik“/„Logopädie“/„Assistenz“ (6%) und „Schulische Heilpädagogik“/„Logopädie“/“Psychomotorik“ (4%). Die verbleibenden 5% der Kinder mit ISR erhielten
vier bis fünf Fördermassnahmen.
Tabelle 4: Anzahl zugesprochener Wochenförderlektionen pro Kind mit ISR
M
SD
Spanne
n
Schulische Heilpädagogik
5.6
2.7
0.5–23
221
Logopädie
1.6
0.6
0.5–3
108
Psychomotorik
1.0
0.2
0.5–2
41
Assistenz
6.5
4.8
1–22
73
16.2
23.3
1–120
30
andere
3.8
6.7
1–40
42
Total zugesprochene Lektionen pro Kind (ohne Fachberatung)
8.4
5.3
0.5–40
249
Fachberatung (Stunden pro Jahr)
Um herauszufinden, ob die zugesprochene Unterstützung durch Förderlektionen bei SHP,
Logopädie, Psychomotorik und Assistenz durch den Indikationsbereich (siehe Abb. 2) bedingt
war, wurden die Korrelationen zwischen Indikationsbereich und zugesprochener Unterstützung berechnet. Sowohl der Indikationsbereich wie auch die zugesprochene Unterstützung
gingen dabei als dummy-codierte Variable in die Analysen ein. Die Ergebnisse zeigen, dass
eine Förderung durch die SHP bei der Indikation „Intentionale Kommunikation“ signifikant seltener (r = -.24, p < .01) und eine Unterstützung durch Assistenz bei der Indikation „Bewegung,
Mobilität und Motorik“ signifikant häufiger zugesprochen wurde (r = .23, p < .01). Die Unterstützung durch Logopädie wurde häufiger bei der Indikation „Intentionale Kommunikation“ (r =
.42, p < .001) und seltener bei den Indikationen „Kognition und Metakognition“ (r = -.29, p <
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
29
.01) sowie „Bewusste sinnliche Wahrnehmung und Sensorik“ (r = -.19, p < .05) gewährt.7 Zudem zeigt eine positive Korrelation zwischen der Anzahl der zugesprochenen Indikationsbereiche pro Kind und der Assistenz (r = .23, p < .05), dass bei Mehrfachindikationen häufiger
Klassenassistenzen eingesetzt werden. Diese positive Korrelation kann darauf hinweisen,
dass bei Mehrfachindikationen eine komplexe Behinderung vorliegt, bei der neben spezifischer Unterstützung eine Klassenassistenz hilfreich sein kann. Möglicherweise liegt bei Mehrfachindikationen teilweise keine klare Diagnose vor und die herausfordernde Situation wird mit
Klassenassistenzen unterstützt.
Des Weiteren war zwischen der Anzahl zugesprochener Wochenförderlektionen pro Kind und
der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung ein Zusammenhang vermutet worden,
welcher sich jedoch nicht bestätigte (z = 1.47, p > .05 [Mehrebenenanalyse]). Das heisst, dass
die Einschätzung der LP, SHP, SP und Eltern nicht durch die Anzahl zugesprochener Wochenförderlektionen pro Kind beeinflusst worden war. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Wahrnehmung der Angemessenheit der Förderung nicht durch die quantitative – also die Anzahl
Wochenförderlektionen –, sondern wohl eher durch die qualitative Förderung – d.h. Art und
Qualität der spezifischen Förderung – beeinflusst wird.
Um die wahrgenommene Angemessenheit des Fördersettings ISR im Vergleich mit alternativen Fördersettings zu beurteilen, wurden LP, SHP, SP und Eltern befragt. Dazu schätzten die
Akteure auf einer Skala von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) die vier verschiedenen Optionen von Fördersettings im Hinblick auf das jeweilige Kind mit ISR ein: IF
wäre ausreichend, eine Sonderschule wäre eine bessere Option, die aktuelle Förderung (Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule) ist die beste Option, Integrierte
Sonderschulung in der Verantwortung der Sonderschule wäre die beste Option.8 Wie Abbildung 6 zeigt, wurde das aktuelle Fördersetting von allen Akteuren als das passendste eingeschätzt. Es bestehen jedoch Unterschiede zwischen den vier Akteursgruppen: Die Eltern beurteilten das integrative Setting in der Verantwortung der Regelschule von allen Akteuren am
positivsten, die LP hingegen am negativsten. Die Unterschiede bei der Beurteilung der anderen Settings zeigen, dass Eltern sich am ehesten vorstellen könnten, dass ihr Kind auch ohne
Integrierte Sonderschulung im Rahmen der integrativen Förderung erfolgreich unterstützt werden könnte. Die SP dagegen sahen diese Option im Vergleich aller vier Akteursgruppen als
den am wenigsten gangbaren Weg. Die beiden Settings „Sonderschule“ und „Integrierte Sonderschülerin/Sonderschüler in der Verantwortung der Sonderschule (ISS)“ fanden bei den LP
die höchste Zustimmung.
Angemessenheit des Fördersettings
Das Kind könnte auch ohne integrierte
Sonderschulung im Rahmen der integrativen
Förderung erfolgreich unterstützt werden.
1.4
Das Kind wäre in einer Sonderschule besser
aufgehoben.
2.0
1.8
1.9
1.8
2.2
* LP–SHP
* LP–Eltern
Die integrierte Sonderschulung in der
Verantwortung der Regelschule ist die beste
Förderung für das Kind.
3.5
Das Kind wäre besser als integrierter
Sonderschüler/-in in der Verantwortung der
Sonderschule (ISS) aufgehoben.
LP
SHP
SP
Eltern
1.9
1.7
1.0
* LP–SP
* LP–Eltern
* SHP–SP
* SHP–Eltern
* SP–Eltern
1.7
1.8
3.8
3.8
4.1
2.1
2.0
3.0
4.0
* LP–SHP
* LP–Eltern
* SHP–Eltern
5.0
Abbildung 6: Aussagen LP (n = 228–236), SHP (n = 245–251), SP (n = 119–121) und Eltern (n = 197–201) zur
Angemessenheit des Fördersettings. Frage: „Was denken Sie über die folgenden Aussagen?“ Statistisches Verfahren: Mehrebenenanalyse. * = signifikante Unterschiede.
7
8
Diese Zusammenhänge wurden mittels 4-Felder-Tafeln geprüft. Die Ergebnisse waren deckungsgleich.
Zur vierten Option wurden die Eltern nicht befragt, da sie mit dieser Option kaum vertraut gewesen wären.
30
PH Luzern
In welchem Ausmass die verschiedenen Akteure einer spezifischen Sonderschulungsform –
im Sinne der besten Lösung für das Kind – zustimmen, könnte davon abhängen, wie die Förderung des Kindes beurteilt wird. Um dieser Annahme nachzugehen, wurde getestet, ob die
Passung des Fördersettings von der Förderung abhängig ist. Die Ergebnisse zeigen einen
positiven Zusammenhang (z = 7.8, p < .001 [Mehrebenenanalyse für ordinalskalierte Daten]).
Je höher also die durchschnittliche Angemessenheit der Förderung eingeschätzt wurde, desto
stärker wurde auch das ISR-Setting als beste Förderung eingestuft. Dieser Zusammenhang ist
ein Indiz dafür, dass nicht nur der Entscheid zu einem ISR-Setting, sondern auch die Durchführung positiv wahrgenommen wird. Diese beiden Einschätzungen könnten durchaus auch
auseinander driften: Das heisst, entweder wird ISR als Fördersetting bevorzugt, aber die Akteure sind unzufrieden mit der Umsetzung, oder die Akteure nehmen trotz guter Umsetzung
ISR nicht als optimales Fördersetting wahr.
Förderung der Kinder mit ISR
Um ein ganzheitliches Bild über die Förderung der Kinder mit ISR zu erhalten, wurden folgende Themen untersucht: Förderplanung und deren Schwerpunkte, Lernziele, der Lernbericht,
das Schulische Standortgespräch und Tools zur Förderdiagnostik.
Nach Angaben der SHP (n = 254) lag für 91% der Kinder mit ISR eine Förderplanung vor.
Dieses Bild wird durch die SP (n = 122) bestätigt, die angaben, dass sogar für 96% der Kinder
mit ISR eine Förderplanung vorliege. Um die Lernbereiche zu erfassen, in denen die Schwerpunkte in der Förderplanung der Kinder mit ISR gesetzt werden, wurden LP und SHP befragt.
Sie schätzten für jedes Kind mit ISR jeden der zehn vorgelegten Lernbereiche auf einer Skala
von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) ein. Die Lernbereiche des allgemeinen
Lernens, der Sprache und Begriffsbildung sowie der Umgang mit Anforderungen wurden am
häufigsten als Schwerpunkte in der Förderplanung angesehen (siehe Abbildung 7). Doch auch
Lesen und Schreiben, Kommunikation, Umgang mit Menschen und Mathematik erwiesen sich
als bedeutsame Bereiche der Förderplanung. Als etwas weniger zentral erachtet wurden
demgegenüber die Aspekte der Bewegung und Mobilität, Freizeit, Erholung und Gemeinschaft
sowie der Bereich „für sich selbst sorgen“ aus. Die jeweiligen Schwerpunktsetzungen der LP
und SHP für dasselbe Kind unterschieden sich – mit Ausnahme der Einschätzung des Lernbereichs „Umgang mit Anforderungen“ – nicht signifikant voneinander. Dieser Lernbereich wurde
von den SHP als bedeutsamer eingestuft als von den LP.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
31
Schwerpunkt in der Förderplanung
allgemeines Lernen
3.9
Sprache und Begriffsbildung
3.8
3.7
Umgang mit Anforderungen
3.7
Lesen und Schreiben
3.6
3.6
Kommunikation
3.5
3.6
3.3
3.4
Mathematik
2.7
2.7
Bewegung und Mobilität
2.6
2.5
Freizeit, Erholung und Gemeinschaft
2.5
2.4
für sich selbst sorgen
SHP
* LP–SHP
3.9
3.4
3.3
Umgang mit Menschen
LP
3.9
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 7: Aussagen der LP (n = 221–234) und SHP (n = 237–248) zum Schwerpunkt in der Förderung. Frage:
„Folgender Lernbereich/folgende Lernbereiche bilden den Schwerpunkt in der Förderplanung von [Kind].“ Statistisches Verfahren: Mehrebenenanalyse. * = signifikanter Unterschied.
In einem weiteren Schritt wurde getestet, ob die Schwerpunkte der Förderplanung eines Kindes (eingeschätzt von den SHP) mit der Einschätzung der Angemessenheit der Förderung
zusammenhängen. Dazu wurde ein Mehrebenenmodell berechnet, anhand dessen die
Schwerpunkte der Förderplanung mit der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung
untersucht wurden. Die Schwerpunkte der Förderplanung wurden anstelle der beiden Kriterien
„ICD-10-Diagnose“ respektive „Indikationsbereich“ gewählt, weil im Gegensatz zu diesen beiden Kriterien für die Schwerpunkte der Förderplanung mehr Datenpunkte vorliegen (für 243
Kinder wurden alle zehn Schwerpunkte bewertet) und dadurch zuverlässigere Modelle geprüft
werden konnten (siehe Abbildung 2 und Abbildung 3). Im geprüften Modell zeigte sich ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen dem Schwerpunkt „Umgang mit Anforderungen“
und der Einschätzung der Angemessenheit der Förderplanung (z = -2.32, p < .05). Folglich
scheint die eingeschätzte Angemessenheit der Förderung tiefer auszufallen, wenn der Bereich
„Umgang mit Anforderungen“ als Schwerpunkt in der Förderplanung gesetzt wurde. Ansonsten scheint die wahrgenommene Angemessenheit der Förderung wenig vom Schwerpunkt der
Förderplanung beeinflusst zu werden, sondern wohl eher durch die konkrete Ausgestaltung
der Förderung.
Für eine optimale Förderung erhalten laut den SHP (n = 135) 70% der Kinder mit ISR angepasste, individuelle Lernziele. Angepasste Lernziele liegen vor allem in den Fächern Deutsch
und Sprache allgemein (70%) sowie in Mathematik (53%) vor. Die Häufigkeiten der angepassten Lernziele der anderen Fächer sind Abbildung 8 zu entnehmen.
32
PH Luzern
Fächer mit angepassten Lernzielen
Deutsch & Sprache allg.
70%
Mathematik
53%
generelle Anpassung
38%
Fremdsprache
30%
Werken, Handarbeit, Zeichnen
8%
Sport und Spiel
3%
Mensch und Umwelt
1%
andere Fächer
27%
0%
SHP
20%
40%
60%
80%
Abbildung 8: Aussagen der SHP (n = 135) zu den Fächern mit angepassten Lernzielen. Frage: „In welchem
Fach/welchen Fächern hat das [Kind] individuelle Lernziele?“
Die SHP (n = 257) gaben an, dass für 65% der Kinder mit ISR zusätzlich zum Zeugnis ein
Lernbericht verfasst worden sei. Dieser Lernbericht wurde zu 78% von den SHP erstellt, zu
3% von den LP und zu 20% von beiden gemeinsam. Neben Zeugnis und Lernbericht war das
Schulische Standortgespräch (SSG) ein sehr wichtiges Medium, um die Eltern über die Lernfortschritte ihres Kindes zu informieren. Die Häufigkeit der stattgefundenen SSG pro Jahr
schätzten LP, SHP und Eltern sehr ähnlich ein, wonach eine klare Mehrheit (ca. 70%) zweimal
pro Jahr SSG durchführte (siehe Abbildung 9). Knapp 20% der Befragten berichteten sogar
von mehr als zwei SSG pro Jahr, während 10% der Befragten bei der Frage nach der SSGHäufigkeit pro Jahr die Zahl eins nannten. Die Durchführung von weniger als einem SSG pro
Jahr wurde von LP, SHP und Eltern fast nicht genannt.
Häufigkeit der Schulischen Standortgspräche
0%
0%
1%
weniger häufig als 1-mal pro Jahr
9%
10%
9%
1-mal pro Jahr
74%
69%
73%
2-mal pro Jahr
17%
häufiger als 2-mal pro Jahr
LP
SHP
Eltern
16%
0%
10%
21%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Abbildung 9: Aussagen der LP (n = 243), SHP (n = 257) und Eltern (n = 204) zur Häufigkeit der Schulischen
Standortgespräche. Frage: „Wie oft wird im laufenden Schuljahr ein Schulisches Standortgespräch (SSG) durchgeführt?“
Hinsichtlich der Zufriedenheit der Eltern (n = 205) mit der Häufigkeit der SSG offenbart sich
ein beruhigendes Bild: 76% empfanden die Anzahl der SSG pro Jahr als genau richtig. Nur
3% der Eltern waren der Meinung, dass zu wenige SSG durchgeführt würden, 15% schätzten
die Häufigkeit der SSG allerdings als eher zu gering ein, während weitere 2% die Zahl der
SSG als eher zu hoch oder zu hoch beurteilten.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
33
Nach Einschätzung der LP, SHP und Eltern hatte die Häufigkeit der SSG keinen Effekt auf die
eingeschätzte Angemessenheit der Förderung. Wie die Ergebnisse des t-Tests jedoch zeigen,
beurteilten diejenigen 18% der Eltern, welche die Häufigkeit der durchgeführten SSG zu gering fanden, die Angemessenheit der Förderdung signifikant niedriger als diejenigen Eltern,
welche die Häufigkeit als passend empfanden (t = 2.10 (21.55), p < .05).
Qualität des Schulischen Standortgesprächs:
Das Schulische Standordgespräch …
…zeigte auch Stärken unseres Kindes auf.
4.5
…war von der Schule gut vorbereitet.
4.5
…war gut strukturiert und verständlich.
4.4
…führte zu konkreten Massnahmen für unser Kind.
4.4
…war genügend ausführlich.
4.4
…war ein Gespräch unter gleichwertigen Partnerinnen und
Partnern.
4.3
…sprach alle wichtigen Lebens- und Lernbereiche unseres
Kindes an.
4.3
Skala SSG
Eltern
4.4
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 10: Aussagen der Eltern (n = 201–205) zur Qualität des SSG. Frage: „Denken Sie an das letzte Schulische Standortgespräch. Bitte geben Sie jeweils für jede Frage oder Aussage an, wie sehr diese Ihrer persönlichen
Meinung nach zutrifft. Das Schulische Standortgespräch (SSG) …“
Abgesehen von der Zufriedenheit mit der Quantität wurden die Eltern auch zur Qualität des
Gesprächs befragt. Wie Abbildung 10 entnommen werden kann, schätzten die Eltern alle Faktoren der Qualität des SSG mit „eher zutreffend“ bis „zutreffend“ ein. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Faktoren sind minimal. Wird eine Skala nach Roos und Wandeler (2012)
aus allen Einzelfaktoren gebildet (Reliabilität von α = .91), weist diese einen Mittelwert von 4.4
auf, was bedeutet, dass die Qualität des SSG als „eher hoch“ bis „hoch“ eingestuft wurde.
Wurde für die Elterndaten die Qualität des SSG zusammen mit der Anzahl der SSG und der
Zufriedenheit mit der Anzahl der SSG zur Vorhersage der wahrgenommenen Angemessenheit
der Förderung ins Regressionsmodell eingefügt, zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Qualität des SSG und der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung (β =
.39, p < .001). Folglich waren die Eltern zufriedener mit der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung, wenn sie die Qualität des SSG als höherwertig wahrnahmen. Während in
diesem Gesamtmodell die Anzahl der SSG ohne Zusammenhang mit der wahrgenommenen
Angemessenheit der Förderung blieb, entfiel der Effekt der Zufriedenheit mit der Anzahl der
SSG. Das heisst, ob die Eltern die Anzahl der SSG als zu niedrig oder als gerade passend
empfanden, steht nicht im Zusammenhang mit der wahrgenommenen Angemessenheit der
Förderung, wenn die Qualität des SSG berücksichtigt wird. Dies unterstreicht die Wichtigkeit
der Qualität des SSG.
An den SSG teilgenommen hatten dem Anlass entsprechend jeweils die LP, SHP und Eltern.
Das Kind nahm nach Angaben der LP (n = 240) und SHP (n = 253) zu 42% respektive 40%
am Gespräch teil. Auch die SP (n = 137) waren teilweise an den SSG vertreten. Während
27% der SP zweimal pro Jahr am SSG teilnahmen, partizipierten 39% einmal und 34% nie.
Auch die SL (n = 117) waren teilweise am SSG vertreten; 35% nahmen am SSG teil, 59%
gelegentlich und 6% nach eigenen Angaben überhaupt nie.
34
PH Luzern
Das Thema der schulischen Förderung der Kinder mit ISR abschliessend wurden die SHP zur
Verwendung von elektronischen Tools für die Förderdiagnostik und -planung befragt. 14% der
SHP (n = 257) gaben an, dass sie solche Tools nutzen würden. Am häufigsten wurde „Lehreroffice“ (39%) genannt, gefolgt von „lokale „Entwicklungen/andere“ (31%; siehe Abbildung 11).
Weniger verbreitet scheinen webbasierter Förderplaner (14%), ISD (Interdisziplinäre Schülerdokumentation; 14%) und das SSG-Formular (8%) zu sein.
elektronische Tools für die Förderdiagnostik
Lehreroffice
39%
lokale Entwicklung / andere
31%
webbasierter Förderplaner
14%
ISD
14%
SSG-Formular
SHP
8%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
Abbildung 11: Aussagen der SHP (n = 36) zur Nutzung elektronischer Tools für die Förderdiagnostik. Frage: „Welches elektronische Tool für die Förderdiagnostik verwenden Sie?“ Offenes Antwortfeld.
Kooperation zwischen Fachkräften und Eltern
Die Kooperation auf allen Ebenen ist eine wichtige Voraussetzung, um Kinder und Jugendliche zielorientiert zu fördern (vgl. European Agency for Development in Special Needs Education 2012, S. 7).
Die Kooperation zwischen den Fachkräften und den Eltern wurde aus den Blickwinkeln der
verschiedenen Akteure beleuchtet. Zu Beginn dieses Abschnitts wird zunächst die Gesprächshäufigkeit zwischen Fachpersonen und Eltern aus der Sicht der LP, SHP und Eltern
ausgeführt. Anschliessend wird die Qualität der Zusammenarbeit zwischen diesen drei Akteursgruppen aus der jeweiligen Optik der Einzelnen betrachtet. Den Abschnitt abschliessen
wird die Analyse der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren und dem SPD aus der Sicht der
LP, SHP, SL und Eltern.
Die Sichten der LP und SHP zur Gesprächshäufigkeit mit den Eltern über die Förderung des
Kindes deckten sich gut. Die Mehrheit beider Akteursgruppen (LP = 60%; SHP = 64%) gab an,
dass die Gespräche seltener als einmal pro Monat stattfänden (siehe Abbildung 12). Bei einem beachtlichen Anteil von 30% (LP) respektive 28% (SHP), fanden die Gespräche monatlich statt. 10% oder weniger gaben an, dass die Gespräche wöchentlich oder mehrmals wöchentlich erfolgen würden.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
35
Gesprächshäufigkeit mit Eltern über Förderung des Kindes:
Sicht LP & SHP
2%
0%
3-mal pro Woche
8%
8%
1-mal pro Woche
30%
28%
1-mal pro Monat
60%
seltener als 1-mal pro Monat
LP
SHP
64%
0%
20%
40%
60%
80%
Abbildung 12: Aussagen LP (n = 242) und SHP (n = 256) zu Gesprächshäufigkeit mit Eltern über die Förderung des
Kindes aus der Sicht der LP und SHP. Frage: „Wie oft sprechen Sie mit den Eltern/Erziehungsberechtigten über die
Förderung von [Kind]?“
Die Sicht der Eltern zeigt ein nicht unähnliches Bild. Die Mehrheit der Eltern schätzte die Gesprächshäufigkeit mit LP und SHP ebenfalls seltener als monatlich ein (siehe Abbildung 13).
Der Anteil der Eltern, welche die Gesprächshäufigkeit so niedrig einschätzten, lag um 14%
tiefer als bei den SHP. Dafür war der Anteil derjenigen Eltern, welche die Gesprächshäufigkeit
auf einmal pro Monat einschätzten, um über 10% höher. Ähnliche Gesprächshäufigkeiten gaben die Eltern auch für die Gespräche mit den Therapierenden an. Die niedrigste Gesprächshäufigkeit ergab sich mit der DaZ-Lehrperson. Ebenfalls als eher tief wurde zudem die Gesprächshäufigkeit mit den Klassenassistentinnen und Klassenassistenten eingeschätzt.
Gesprächshäufigkeit Eltern–Fachpersonen über Förderung des
Kindes: Sicht Eltern
LP
4% 7%
SHP
4% 6%
Klassenassistenz
5% 5%
Therapeut/-in (z.B. Logopädin)
34%
39%
4%
0%
0%
mehrmals pro Woche
n = 202
50%
19%
4% 10%
DaZ-Lehrperson
55%
71%
30%
20%
1-mal pro Woche
n = 101
56%
26%
n = 129
70%
40%
60%
1-mal pro Monat
n = 190
n = 46
80%
100%
seltener oder gar nicht
Abbildung 13: Aussagen der Eltern zur Gesprächshäufigkeit über die Förderung des Kindes aus der Sicht der Eltern. Frage: „Wie oft tauschen Sie sich momentan mit den folgenden Personen in Bezug auf die Förderung aus?“
Nebst der Häufigkeit der Gespräche wurde auch die Qualität der Zusammenarbeit untersucht.
LP und SHP beantworteten dazu vier Items auf einer Skala von 1 „trifft gar nicht zu“ bis 5 „trifft
voll und ganz zu“. Das Vertrauen der Eltern in die Arbeit der Fachpersonen sowie die Unterstützung der Eltern hinsichtlich der schulischen Integration wurden von beiden Akteursgruppen
über der Ausprägung „trifft eher zu“ eingeschätzt, wobei sich bei der Einschätzung zur Unterstützung der Integration ein signifikanter Unterschied zeigte (siehe Abbildung 14): Die SHP
schätzten die Unterstützung der Integration durch die Eltern höher ein als die LP. Ein signifikanter Unterschied zeigt zudem, dass die SHP es stärker als die LP unterstützten, wenn die
36
PH Luzern
Eltern die Interessen ihres Kindes vertreten, wobei die Werte der beiden Akteursgruppen rund
um den Wertepunkt 4 zu liegen kamen. Klar tiefer fielen die Werte bezüglich des Profits aus
dem Wissen der Eltern im Hinblick auf die Arbeit mit dem Kind aus. Die diesbezüglichen Einschätzungen lagen um den Wertepunkt 3, wobei die SHP auch hier eine abermals leicht höhere Einschätzung abgaben. Werden diese vier Items zu einer Gesamtskala zur Bewertung der
Zusammenarbeit mit den Eltern zusammengefasst (Reliabilität von α = .68–.69), so kommt die
mittlere Einschätzung auf 4 respektive leicht darunter zu liegen, wobei sich die mehrheitlich
leicht höhere Einschätzung der SHP auch hier widerspiegelt.
Qualität der Zusammenarbeit mit den Eltern
Die Eltern des Kindes unterstützen die schulische
Integration.
4.2
4.4
Ich spüre vonseiten der Eltern ein grosses Vertrauen
in meine Arbeit.
* LP–SHP
4.2
4.3
Ich finde es richtig, wenn die Eltern ganz deutlich die
Interessen ihres Kindes vertreten.
3.9
* LP–SHP
4.2
* LP–SHP
Ich profitiere für meine Arbeit mit dem Kind sehr vom
Wissen der Eltern.
2.9
3.1
3.8
4.0
Gesamtskala
LP
SHP
* LP–SHP
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 14: Aussagen LP (n = 238–243) und SHP (n = 253–257) zur Qualität der Zusammenarbeit mit den Eltern. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden Aussagen bezüglich der Zusammenarbeit mit den Eltern/Erziehungsberechtigten von [Kind]?“ Statistisches Verfahren: Mehrebenenanalyse. * = signifikanter Unterschied.
Wurden im Gegensatz dazu die Eltern anhand von neun Items auf einer Skala von 1 „trifft gar
nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“ zur Zusammenarbeit mit den Fachpersonen befragt,
zeigte sich ein sehr ähnliches Bild (Beispielitem: „Wir bestimmen mit, welches die Förderziele
unseres Kindes sind“). Der Mittelwert der Gesamtskala (Reliabilität von α = .89) liegt bei 4
(siehe Abbildung 15). Werden die einzelnen Items angeschaut, zeigt sich die höchste Einschätzung der Eltern bezüglich der Aussage, sich mit das Kind betreffenden Anliegen und
Fragen jederzeit an die LP wenden zu können. Am tiefsten schätzten die Eltern ihre Mitbestimmung hinsichtlich der Frage, woran die Fachpersonen mit ihrem Kind arbeiten, ein.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
37
Zusammenarbeit Fachpersonen–Eltern aus Elternsicht
Ich kann mich mit Anliegen und Fragen, die mein Kind
betreffen, jederzeit an die LP wenden.
4.6
Die Fachpersonen setzen sich für unser Kind ein.
4.3
Wir haben grosses Vertrauen in die Arbeit aller
Fachpersonen (LP, SHP, Therapeuten etc.), die unser Kind
fördern.
In Zusammenhang mit der integrierten Sonderschulung
strengen sich aus unserer Sicht alle involvierten
Fachpersonen ausreichend an.
4.3
4.2
Wenn wir etwas entscheiden müssen, werden wir vorher
ausreichend informiert.
4.1
Wir wissen, was die Fachpersonen von uns als Eltern
erwarten.
3.9
Wir werden regelmässig über die Lernfortschritte unseres
Kindes informiert.
3.9
Wir bestimmen mit, welches die Förderziele unseres Kindes
sind.
3.4
Wir können mitbestimmen, woran die Fachpersonen
spezifisch mit unserem Kind arbeiten.
3.1
Gesamtskala
Eltern
4.0
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 15: Aussagen der Eltern (n = 204–208) zur Zusammenarbeit zwischen Fachpersonen und Eltern aus
Elternsicht. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden Aussagen?“
Ein wichtiger Aspekt der Evaluation der Kooperation ist die Zusammenarbeit der einzelnen
Akteure mit den SP respektive dem SPD. Die LP und die SHP wurden anhand von vier Items
zu ihrer Zusammenarbeit mit den SP befragt. Die ersten drei Items waren positiv formuliert
und wurden auf einer Skala von 1 „trifft gar nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“ stets mit
Werten zwischen 4 und 5 eingeschätzt. Am höchsten eingeschätzt wurde die richtige Erfassung der Probleme des Kindes, wobei die Einschätzung der LP signifikant höher ausfiel als
jene der SHP (siehe Abbildung 16). Negativ zu interpretieren ist die hohe Einschätzung der
Dauer zwischen der Anmeldung beim SPD und der Abklärung.
Zusammenarbeit mit SP aus Sicht LP/SHP
Die SP hat die Probleme des Kindes richtig erfasst.
4.6
Ich habe Vertrauen in die Empfehlung der SP.
4.5
4.5
Die Empfehlungen der SP waren sehr nützlich.
4.5
4.3
Es dauerte sehr lange von der Anmeldung beim SPD
bis zur Abklärung.
LP
SHP
4.9
* LP–SHP
4.8
4.6
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 16: Aussagen der LP (n = 229–236) und SHP (n = 238–249) zur Zusammenarbeit mit SP aus der Sicht
der LP/SHP. Frage: „Bitte geben Sie jeweils für jede Frage oder Aussage zu [Kind] an, wie sehr diese Ihrer persönlichen Meinung nach zutrifft.“ Statistisches Verfahren: Mehrebenenanalyse. * = signifikanter Unterschied.
38
PH Luzern
Durchwegs positiv, wenn auch nicht ganz so hoch, fielen die Einschätzung der SL zur Zusammenarbeit mit den SP respektive dem SPD aus. Die höchste Einschätzung mit 4.2 Wertepunkten auf einer Skala von 1 „trifft gar nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“ erhielt das Item
zum Vertrauen in die ISR-spezifischen Empfehlungen der SP (siehe Abbildung 17). Die Nützlichkeit der Empfehlungen wurde mit einem Mittel von 3.9 eingeschätzt. Folglich liegt der Mittelwert der Gesamtskala mit einer Reliabilität von α = .85 aus diesen drei Items bei 4.
Zusammenarbeit mit SP aus Sicht SL
Der SP kennt die konkrete Situation der ISR an
unserer Schule ausreichend gut.
Ich habe Vertrauen in die Empfehlungen der SP
bezüglich ISR.
Die Empfehlungen der SP für die ISR-Settings waren
sehr nützlich.
4.0
4.2
3.9
Gesamtskala
SL
4.0
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 17: Aussagen der SL (n = 116–117) zur Zusammenarbeit mit SP aus der Sicht der SL. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden Aussagen?“
Ein ähnliches Bild bezüglich der Zusammenarbeit mit dem SP zeichnet sich in den Elterneinschätzungen ab. Die Eltern wurden anhand von zwei Items auf einer Skala von 1 „trifft gar
nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“ befragt. Die richtige Erfassung der Schwierigkeiten des
Kindes wurde im Schnitt knapp unter „trifft eher zu“ eingeschätzt, die Nachvollziehbarkeit der
Empfehlung der oder des SP wurde knapp über der Ausprägung „trifft eher zu“ eingeschätzt
(siehe Abbildung 18).
Zusammenarbeit mit SP aus Sicht Eltern
Der SP hat die Schwierigkeiten unseres Kindes
richtig erfasst.
3.8
Die Empfehlung des SP ist für uns nachvollziehbar.
Eltern
4.1
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 18: Aussagen der Eltern (n = 195–199) zur Zusammenarbeit mit SP aus Elternsicht. Frage: „Wie denken
Sie über die folgenden Aussagen?“
Auch eine befriedigende Zusammenarbeit zwischen LP und SHP ist ein wichtiger Faktor, um
den Kindern mit ISR eine angemessene Förderung bieten zu können. Dieser Aspekt der Zusammenarbeit wurde einerseits aus der Sicht der Betroffen, also der LP und der SHP, betrachtet und anderseits wurde auch die Sicht der SL bezüglich der Zusammenarbeit unter den
Fachpersonen betrachtet. LP und SHP beurteilten ihre Zusammenarbeit anhand von sieben
Items entwickelt von Roos und Wandeler (2012) auf einer Skala von 1 („trifft gar nicht zu“) bis
5 („trifft voll und ganz zu“; Beispielitem LP: „Die SHP berät mich, wie ich mit der Klasse respektive einzelnen Kindern in seiner/ihrer Abwesenheit weiterarbeiten könnte“; Beispielitem
SHP: „Ich berate die Klassenlehrperson, wie sie mit der Klasse respektive einzelnen Kindern
in meiner Abwesenheit weiterarbeiten könnte“). Am höchsten wurde derjenige Aspekt der Zusammenarbeit bewertet, welcher den Aufwand der Zusammenarbeit mit dem Ertrag ins Verhältnis setzt (siehe Abbildung 19). Die tiefste Ausprägung zeigte das Item „Die SHP fühlt sich
von der LP überwacht, wenn sie zusammenarbeiten“. Ebenfalls wenig Zustimmung fand die
Aussage, dass die SHP hauptsächlich Hilfsaufgaben übernehme. Diese beiden tiefen Ausprägungen sind positiv zu werten, das heisst, sie zeigen gewünschte Resultate, da die beiden
Items negativ gepolt sind. Die Einschätzungen der restlichen vier Items, welche die Beratung
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
39
der LP durch die SHP, die Bereitstellung von Lernmaterialien durch die SHP sowie die Überforderung der LP (umgekehrt gepolt) thematisierten, fielen etwas über der Skalenmitte aus. In
diesem Bereich der Zusammenarbeit zwischen LP und SHP scheint es noch Optimierungsbedarf zu geben. Zwischen den Antworten der LP und SHP zeigen sich keine signifikanten Unterschiede.
Zusammenarbeit zwischen LP und SHP
1.2
1.2
Die SHP fühlt sich von der LP überwacht, wenn sie
zusammenarbeiten.
1.8
1.8
Die SHP übernimmt hauptsächlich Hilfsaufgaben.
4.1
4.2
Der Aufwand für die Zusammenarbeit mit der LP/SHP steht
in einem guten Verhältnis zum Ertrag.
3.4
3.3
Die LP nutzt die Beratung der SHP intensiv.
Die SHP berät die LP, wie sie mit der Klasse bzw. einzelnen
Kindern während der Abwesenheit der SHP weiterarbeiten
könnte.
3.4
3.2
Die SHP stellt der LP Unterrichtsmaterialien zur Verfügung.
3.3
3.4
2.5
2.6
Wenn die LP alleine unterrichtet, ist sie manchmal mit ISR
überfordert.
LP
SHP
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 19: Aussagen der LP (n = 208–211) und SHP (n = 201–206) zur Zusammenarbeit zwischen LP und
SHP. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden Aussagen bezüglich der Zusammenarbeit mit der LP respektive
der SHP?“ Statistisches Verfahren: t-test.
Die Zusammenarbeit der LP mit der SHP basiert auch auf regelmässigem Austausch. So gaben 7% der SHP an, sich täglich mit der LP über die Förderung des betreffenden Kindes auszutauschen. Weitere 17% pflegen einen dreimaligen Austausch pro Woche. 57% der SHP
berichteten von einem wöchentlichen Austausch, während die verbleibenden 19% sich weniger als einmal pro Woche aus mit der LP austauschen. Neben der Häufigkeit des Austauschs
fragten wir auch nach dem wöchentlichen Zeitaufwand für Koordination, Besprechung und
Zusammenarbeit (ausserhalb des Unterrichts und der Förderung) mit anderen Fachpersonen,
weiteren LP und den Eltern pro Kind mit ISR. Die LP (n = 252) schätzen den zeitlichen Aufwand auf 42 Minuten, die SHP (n = 237) auf 50 Minuten. Diese zeitlichen Einschätzungen unterschieden sich, wenngleich gering, signifikant voneinander.
Hinsichtlich der Kooperation zwischen den Fachpersonen erhoben nach Items von Roos und
Wandeler (2012) ergab sich aus der Sicht der SL ein positiveres Bild. Die SL wurden hierzu
zwar etwas allgemeiner befragt, doch das spezifische Item zur Zusammenarbeit zwischen LP
und SHP schätzten sie auf einer Skala von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“)
im Schnitt mit einem Wertepunkt von 4.4 ein (siehe Abbildung 20). Neben dieser spezifischen
Zusammenarbeit zwischen LP und SHP wurden die SL etwas allgemeiner zum Einsatz der LP
für Integration befragt. Während die SL das Engagement der LP für Integration mit einem mittleren Wertepunkt von 4.4 einschätzen, lag die Einschätzung der SL zum Thema „Alle Lehrpersonen ziehen an einem Strang“ etwas tiefer, namentlich bei durchschnittlich 3.8 Wertepunkten. Die Gesamtskala, bestehend aus den drei Items zur Zusammenarbeit der Fachpersonen
aus der Sicht der SL (Reliabilität von α = .71), zeigte einen durchschnittlichen Mittelwert von
4.2, das heisst, der Wert liegt leicht über der Ausprägung „trifft eher zu“.
40
PH Luzern
Zusammenarbeit der Fachpersonen
SHP und LP arbeiten bei der ISR konstruktiv
zusammen.
4.4
Die beteiligten Lehrpersonen setzen sich sehr für die
Integration von Kindern mit Sonderschulbedarf ein.
4.4
In meiner Schule ziehen die Lehrpersonen bezüglich
der Integration von Kindern mit Sonderschulbedarf an
einem Strang.
3.8
Gesamtskala
SL
4.2
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 20: Aussage der SL (n = 117) zur Zusammenarbeit der Fachpersonen aus der Sicht der SL. Frage: „Wie
denken Sie über die folgenden Aussagen?“
Zusammenhang der Kooperation zwischen Fachkräften und Eltern mit der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung
Da frühere Forschung zu zeigen vermochten, dass die Zusammenarbeit ein bedeutsamer
Prädiktor für gelungene Integration ist (vgl. European Agency for Development in Special
Needs Education 2012, S. 7), wurde in einem weiteren Schritt geprüft, wie die verschiedenen
Faktoren der Zusammenarbeit mit der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung
zusammenhängen. Dabei gehen wir nicht von einem Kausalmodell aus, sondern prüfen lediglich Zusammenhänge. Dazu wurden ein Mehrebenenmodell für LP/SHP und ein Regressionsmodell für die Eltern gerechnet. Im statistischen Modell der LP/SHP wurde der Effekt der
Prädiktoren „Gesprächshäufigkeit mit Eltern über Förderung des Kindes Sicht LP/SHP“, „Qualität der Zusammenarbeit mit den Eltern“, „Zusammenarbeit mit SP aus Sicht LP/SHP“ und
„Zusammenarbeit zwischen LP und SHP“ auf die wahrgenommenen Angemessenheit der
Förderung geprüft. Als einziger signifikanter Zusammenhang ergab sich dabei die Zusammenarbeit zwischen LP und SHP mit der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung (z =
2.02, p < .05). Das heisst, wenn die Zusammenarbeit zwischen LP und SHP gut abläuft, wurde auch die Angemessenheit der Förderung positiv wahrgenommen.
In einem zweiten Schritt wurde ein Regressionsmodell für die Eltern gerechnet, in dem die
Faktoren „Gesprächshäufigkeit Eltern–Fachpersonen“, „Zusammenarbeit Fachpersonen–
Eltern“ und „Zusammenarbeit mit SP“ als Prädiktoren für die Angemessenheit der Förderung
statistisch geschätzt wurden. Dabei wurden die beiden Faktoren „Zusammenarbeit Fachpersonen–Eltern“ (β = .59, p < .001) und „Gesprächshäufigkeit mit Klassenassistenz“ (β = -.35, p
< .05) signifikant. Folglich wurde die Angemessenheit der Förderung von Eltern positiver eingeschätzt, wenn eine gute Zusammenarbeit zwischen Fachpersonen und Eltern bestand. Die
Einschätzung der Angemessenheit der Förderung wurde jedoch negativ eingeschätzt, wenn
eine hohe Gesprächshäufigkeit mit der Klassenassistenz vorlag.
Unterstützung der Kinder mit ISR im Unterricht
Wie die Unterstützung der Kinder mit ISR im Unterricht durch ihre LP gestaltet wird, hängt von
diversen Faktoren ab. Aus verschiedenen Studien ist bekannt, dass Einstellungen für das pädagogische Handeln von hoher Bedeutung sind (z.B. Baumert & Kunter, 2006; Stanovich &
Jordan, 1998). Darunter werden „langfristig erworbene subjektive Haltungen gegenüber einem
Objekt oder Sachverhalt“ (Huth, 2012, S. 298) verstanden. Relativ gut untersucht sind die Zusammenhänge zwischen berufsbezogenen Überzeugungen – zum Beispiel zum Lehr- und
Lernverständnis – und der Qualität des beruflichen Handelns (z.B. Voss, Kleickmann, Kunter
& Hachfeld, 2011; Stanovich & Jordan, 1998). Deskriptive Befunde zeigen, dass Lehrpersonen
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
41
die schulische Integration von Kindern mit besonderen Bildungsbedürfnissen grundsätzlich
befürworten (Gebhardt, Schwab, Reicher, Ellmeier, Gmeiner, Rossmann & Gasteiger Klicpera,
2011; Kunz, Luder & Moretti, 2010). Bei den letzteren zwei Befunden muss jedoch mitberücksichtigt werden, dass es sich um handlungsferne Einstellungen handelt, welche von Lehrpersonen positiver eingeschätzt werden als handlungsnahe Einstellungen (Stanovich & Jordan,
1998). Handlungsferne Einstellungen sind allgemeiner Natur und entfalten lediglich eine geringe Handlungswirksamkeit (Eckstein, Reusser, Stebler & Mandel, 2013).
In Bezug auf die schulische Integration konnte die Forschergruppe um Reusser feststellen,
dass Lehrpersonen mehrheitlich der Überzeugung sind, dass Integration wichtig und wünschbar ist (handlungsferne Überzeugungen), sie jedoch skeptisch sind hinsichtlich der Implementation von integrativen Schulformen (handlungsnahe Überzeugungen). Auch andere Studien
zeigen, dass eine handlungsnahe, positive Einstellung eine produktive Auseinandersetzung
mit integrativem Unterricht begünstigt (Heyl, Janz, Trumpa & Seifried, 2013; Hennemann, Wilbert & Hillenbrand, 2014). Auch gehen positivere Einstellungen gegenüber der schulischen
Integration mit einer höheren Selbstwirksamkeit beim Umgang mit der Verschiedenheit der
Lernenden einher (z.B. Hennemann et al., 2014).
In der vorliegenden Evaluation wurden die Einstellungen der LP und der Fachpersonen zur
ISR allgemein, zu Diversität in der Klasse und zur schulischen Integration sowie die Art und
Weise der Berücksichtigung individueller Bedürfnisse im Unterricht erfasst. Während sich die
Einstellung zur ISR spezifisch auf diese Form der Integrierten Sonderschulung bezieht fokussiert die Einstellung zu Diversität darauf, wie stark Unterschiede wertgeschätzt werden (beide
Skalen sind konzeptuell handlungsferne Überzeugungen). Die Forschungsergebnisse von
Grütter und Meyer (2014) zeigten, dass die Einstellung der LP zur Diversität die soziale Akzeptanz von Kindern mit besonderem Bildungsbedarf bei Kindern ohne besonderen Bildungsbedarf beeinflusst. Die Einstellung zur schulischen Integration bezeichnet die zuversichtliche,
durch positive Erwartungen bestimmte Haltung der LP und der Fachpersonen gegenüber der
Integration im schulischen Kontext (Reusser et al., 2013) und bezieht sich konkret auf den
Unterricht und die Integrierte Sonderschulung und ist somit handlungsnah.
Die Einstellung zu ISR wurde mithilfe von sechs Items bei LP, SHP, SP und SL auf einer fünfstufigen Skala von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) gemessen. Wie die
Ergebnisse in Abbildung 21 zeigen, lagen die Antwortmittel der vier Akteursgruppen um +/- 3
mit einigen Abweichung. Drei Beispiele werden nachfolgend genauer erläutert. Sehr homogen
mit einem Schnitt von 3.4–3.5 zeigten sich die Akteure in ihrer Beurteilung der Aussage, dass
durch die Einführung von ISR mehr Kinder eine behinderungsspezifisch adäquate Förderung
erhielten. Deutliche Differenzen zwischen den Akteuren zeigten sich demgegenüber bei der
Einschätzung der Unterschiede in Bezug auf die Umsetzung von ISR-Settings zwischen den
Schulen. Zum Beispiel schätzten die SP die Umsetzung der ISR-Settings an den Schulen signifikant unterschiedlicher ein als die anderen Akteure. Die SL nahmen diese Unterschiede mit
einer Einschätzung von „teils, teils“ am wenigsten ausgeprägt wahr. Ebenfalls grosse Abweichungen zwischen den Akteuren zeigten sich bei der Einschätzung der Frage, ob mehr Kinder
als „Sonderschülerinnen“ und „Sonderschüler“ bezeichnet würden. Während die SP mit einem
Wert von 3.3, zustimmten, lehnten die LP diese Aussage mit einem Wert von 2.2. eher ab.
Somit unterschieden sich diese beiden Akteursgruppen signifikant von den anderen.
42
PH Luzern
Einstellung zu ISR
3.4
3.3
Es gibt an den Schulen zu grosse Unterschiede, wie
die ISR-Settings umgesetzt werden.
3.0
2.2
2.4
ISR führt dazu, dass mehr Kinder als „Sonderschüler“
bezeichnet werden.
2.9
3.0
* LP–SHP
* LP–SP
* LP–SL
3.5
3.5
3.6
3.4
3.6
3.6
3.8
Es ist sinnvoll, dass die Schulen eigene Konzepte zur
ISR machen können.
SL
* LP–SHP
* SHP–SL
3.3
3.2
3.0
Die Verlagerung der Sonderschulung an die
Gemeinden ist grundsätzlich zu befürworten.
SP
* LP–SP
* LP–SL
* SHP–SP
* SP–SL
3.3
2.6
Der administrative Aufwand im Zusammenhang mit
ISR ist angemessen.
SHP
4.0
3.4
3.5
3.5
3.4
Durch die Einführung der ISR erhalten mehr Kinder
eine behinderungsspezifisch adäquate Förderung.
LP
* LP–SP
* LP–SL
* SHP–SP
* SP–SL
1.0
2.0
3.0
* LP–SL
4.0
5.0
Abbildung 21: Aussagen LP (n = 190–210), SHP (n = 187–202), SP (n = 64–65) und SL (n = 101–117) zur Einstellung zu ISR. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden Aussagen?“ Statistisches Verfahren: ANOVA. * = signifikante Unterschiede.
Die Einstellung zu Diversität in der Klasse wurde bei LP, SHP, SP und SL anhand von vier
Items von Grütter und Meyer (2014) auf einer fünfstufigen Skala von 1 („trifft gar nicht zu“) bis
5 („trifft voll und ganz zu“) gemessen. Die höchsten Werte zeigten sich bei der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Fachpersonen (3.9–4.6), wobei die Antworten der LP im Schnitt
signifikant tiefer waren als diejenigen der anderen Akteure (siehe Abbildung 22). Die tiefste
Zustimmung mit einem Schnitt von 2.9–3.3 gaben die Akteure bei der Erschwerung des
Schulalltags durch die heterogene Zusammensetzung der Schulklasse. Das heisst, der Schulalltag wurde als halbwegs erschwert wahrgenommen, wobei die SHP die Erschwerung signifikant geringer einschätzten als die anderen Akteure. Grundsätzlich waren die SHP bezüglich
der Diversität in der Klasse etwas positiver eingestellt als die LP. Zudem lagen die Antwortmittel der vier Akteursgruppen leicht höher als bei der generellen Einstellung zu ISR. In Bezug
auf die generellen (nicht kindbezogenen) Aspekte der ISR sind die Fachpersonen folglich
leicht kritischer als in Bezug auf die Einstellung zu Diversität.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
43
Einstellung zu Diversität in der Klasse
3.8
Von der Unterschiedlichkeit der Kinder profitiert die
ganze Klasse.
3.7
3.4
3.9
Ich mag die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen
Fachpersonen.
Die heterogene Zusammensetzung der Schulklasse
erschwert den Schulalltag.
SHP
SP
SL
* LP–SHP
* LP–SP
* LP–SL
4.5
4.6
4.5
* SHP–SL
* SP–SL
3.8
3.7
3.6
4.0
Heterogenität in der Klasse ist eine Herausforderung
für mich.
LP
* LP–SHP
* LP–SL
* SHP–SP
* SHP–SL
4.1
2.9
1.0
2.0
* LP–SHP
* SHP–SP
* SHP–SL
3.3
3.3
3.3
3.0
4.0
5.0
Abbildung 22: Aussagen LP (n = 213–214), SHP (n = 206–209), SP (n = 63–65) und SL (n = 113–117) zur Einstellung zu Diversität in der Klasse. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden Aussagen?“ Statistisches Verfahren:
ANOVA. * = signifikante Unterschiede.
Bezüglich der Einstellungen zur schulischen Integration wurden LP und SHP mit fünf Items
von Reusser et al. (2013) befragt. Die Antworten auf der fünfstufigen Skala von 1 („trifft gar
nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) fielen zwischen den verschiedenen Items recht unterschiedlich aus (siehe Abbildung 23). So lagen die Werte für die Schwierigkeit, die Lernplanziele zu erreichen, zwischen 2.4 und 2.8 und bezüglich der Herausforderung für die Unterrichtsführung zwischen 3.8 und 4.1. Insgesamt zeigten die SHP signifikant tiefere Werte als die LP,
was sich auch in der Gesamtskala widerspiegelt (Reliabilität von α = .72–.74). Dies bedeutet,
dass die SHP positivere Einstellungen zur Integration aufwiesen als die LP. Diese umgekehrte
Interpretation der Pole ist auf die Formulierung der Items zurückzuführen, welche die Einstellungen gewissermassen negativ abfragten. Im Vergleich mit der generellen Einstellung zur
ISR und der Einstellung zu Diversität fielen diese Einstellungen negativer aus. Gemäss Reusser et al. (2013) liegen die Werte bei der Messung von unterrichtsnahen Einstellungen generell tiefer als Werte zu eher allgemeinen Einstellungen.
Einstellung zur schulischen Integration
... überfordert unser Schulsystem.
2.7
3.3
* LP–SHP
... führt zu einer deutlichen Veränderung der LehrLern-kultur.
3.7
3.6
... stellt für die Lehrpersonen eine erhebliche
zusätzliche Belastung dar.
3.7
... bringt wesentliche Herausforderungen für die
Unterrichtsführung mit sich.
3.8
... macht es schwieriger, die Lehrplanziele zu
erreichen.
2.4
Gesamtskala
LP
SHP
2.0
4.1
2.8
* LP–SHP
* LP–SHP
3.2
1.0
* LP–SHP
3.9
3.0
3.6
* LP–SHP
4.0
5.0
Abbildung 23: Aussagen LP (n = 213–215) und SHP (n = 206–209) zu Einstellungen zur schulischen Integration.
Frage: „Die Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule (ISR) …“ Statistisches Verfahren:
ANOVA. * = signifikante Unterschiede.
44
PH Luzern
Weiter wurden die LP anhand von sieben Items nach Reusser et al. (2013) zur Berücksichtigung von individuellen Lernbedürfnissen im Unterricht auf einer fünfstufigen Skala von 1 („trifft
gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) befragt. Die höchste Ausprägung der Individualisierung mit einem Mittel von 4.1–4.2 zeigten die LP in den Items, welche sich darauf bezogen,
dass „schnellere“ Kinder schon zur nächsten Aufgabe weitergehen könnten, während mit den
langsameren noch geübt werde, und dass der Unterricht auf die Vielfalt der Kinder hin geplant
werde (siehe Abbildung 24). Die tiefste Ausprägung an Individualisierung mit einem Mittel von
3.2 zeigte sich beim Item welches besagt, dass in Prüfungen Aufgaben mit unterschiedlichen
Schwierigkeitsgraden angeboten würden. Die sieben Items zur Berücksichtigung von individuellen Lernbedürfnissen lassen sich zu einer Gesamtskala mit einer Reliabilität von α = .69 zusammenfassen. Das Antwortmittel lag bei 3.8.
Berücksichtigung individueller Lernbedürfnisse
„Schnellere“ Kinder gehen schon zum nächsten über, wenn
ich mit den Langsameren noch übe oder wiederhole.
4.2
Ich plane meinen Unterricht auf die Vielfalt der Kinder hin.
4.1
Ich gebe gezielte Zusatzaufgaben, wenn Kinder etwas nicht
verstanden haben.
Bei der Leistungsbeurteilung honoriere ich auch die
individuellen Fortschritte der Kinder.
Es gelingt mir, Kinder mit besonderen pädagogischen
Bedürfnissen in meinem Unterricht angemessen zu fördern.
Die Kinder erhalten von mir ihren Fähigkeiten
entsprechende unterschiedliche Hausaufgaben.
In Prüfungen biete ich mehrere (nach Fähigkeitsgruppen
angepasste) Schwierigkeitsgrade von Aufgaben an.
3.8
3.7
3.6
3.6
3.2
3.8
Gesamtskala
LP
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 24: Aussagen LP (n = 192–202) zur Berücksichtigung individueller Lernbedürfnisse. Frage: „Fragen zur
Unterrichtsgestaltung.“
Analog dazu wurden auch die Eltern anhand von vier Items auf einer fünfstufigen Skala von 1
(„trifft gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) zur Berücksichtigung der individuellen Lernbedürfnisse ihres Kindes durch die LP befragt. Die höchste Zustimmung mit einem Mittel von
4.3 zeigte sich beim Item, welches besagte, dass die Eltern es sinnvoll fänden, woran die
Fachperson mit dem Kind arbeite (siehe Abbildung 25). Die geringste Zustimmung mit einem
Mittel von 3.5 erhielt das Item, welches die Anpassung des Unterrichts an das Bedürfnis des
Kindes durch die LP thematisierte. Zusammengefasst zu einer Gesamtskala (Reliabilität von α
= .72) lag das Antwortmittel der Eltern bei 3.9 und somit ebenfalls knapp unter der Ausprägung „trifft eher zu“ wie das Antwortmittel der LP.
Berücksichtigung der individuellen Lernbedürfnisse: Sicht Eltern
Ich finde es sinnvoll, woran die Fachpersonen mit unserem
Kind arbeiten.
4.3
Die Klassenlehrperson fördert mein Kind gemäss seinen
individuellen Fähigkeiten.
4.0
Die Klassenlehrperson gibt unserem Kind oft Aufgaben, die
auf seinen Lernstandabgestimmt sind.
4.0
Die Klassenlehrperson passt den Unterricht so an, dass er
auch den Bedürfnisse unseres Kindes entspricht.
3.5
3.9
Gesamtskala
Eltern
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 25: Aussagen Eltern (n = 199–208) zur Berücksichtigung individueller Lernbedürfnisse aus der Sicht der
Eltern. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden Aussagen?“
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
45
Die Meinung der Eltern bezüglich der Förderung und Beurteilung ihres Kindes durch die LP
wurde mit zwei Items auf einer fünfstufigen Skala von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll
und ganz zu“) abgefragt. Die Eltern empfanden die Beurteilung der LP im Mittel als eher fair
bis fair (siehe Abbildung 26) Zudem fanden sie, dass von ihrem Kind eher angemessen hohe
Leistungen gefordert würden. Entsprechend bewerteten die Eltern die Förderung ihres Kindes
durch die LP als gut.
Förderung des Kindes
Die Klassenlehrperson beurteilt unser Kind fair.
4.4
Von unserem Kind werden in der Schule
angemessen hohe Leistungen gefordert.
Eltern
4.0
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 26: Aussagen Eltern (n = 204–207) zur Förderung des Kinds aus der Sicht der Eltern. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden Aussagen?“
Neben der Beurteilung der Leistung durch die LP wurden die Eltern (n = 198–204) auch zu
ihrer Unterstützung des Kindes befragt. Zur Erhebung der Unterstützungsleistung bei schulischen Schwierigkeiten wie auch bei den Hausaufgaben wurden den Eltern zwei respektive
vier Unterstützungsoptionen vorgeschlagen, welche sie ankreuzen konnten (Mehrfachankreuzungen möglich). Zur Erfassung der Unterstützung bei schulischen Schwierigkeiten gab es für
die Eltern zusätzlich ein offenes Antwortfeld.
Die Analyse der Unterstützung bei den Hausaufgaben ergab folgendes Bild: 68% der Eltern
helfen ihrem Kind bei den Hausaufgaben, während 15% der Eltern angaben, dass ihr Kind die
Hausaufgaben im Hort oder in der Hausaufgabenstunde löse. 1% der Eltern sagte aus, dass
sie für ihr Kind eine private Hausaufgabenhilfe engagiert hätten, und 31% zufolge benötigt das
Kind keine Hilfe, weil es die Hausaufgaben allein lösen könne. Bei der Hälfte der Kinder (8%),
welche ihre Hausaufgaben im Hort oder in der Hausaufgabenstunde lösen, helfen die Eltern
bei den Hausaufgaben ebenfalls mit. Bei einem der zwei Kinder (0.5%), die eine private Hausaufgabenhilfe haben, unterstützen die Eltern gemäss Selbstaussage zusätzlich. Bei fünf Kindern (3%), die ihre Hausaufgaben im Hort oder in der Hausaufgabenhilfe lösen, gaben die
Eltern an, dass ihr Kind keine Unterstützung bei den Hausaufgaben erhalte. Schliesslich gaben 13% der Eltern paradoxerweise zugleich an, dass ihr Kind die Hausaufgaben alleine lösen
könne und sie das Kind bei den Hausaufgaben unterstützen würden.
Bezüglich der Unterstützung bei schulischen Schwierigkeiten arbeiten 52% der Eltern mit ihrem Kind an Themen, die im Unterricht behandelt werden. 34% der Eltern erhielten von der LP
und/oder SHP gezielte Lernmaterialien zur Unterstützung ihres Kindes. Wie dem freien Antwortfeld zu entnehmen ist, unterstützen 29% der Eltern ihr Kind auf alternative Weise, beispielsweise durch Förderung von Motivation, Selbstvertrauten, Selbst- und Sozialkompetenz
(12 Nennungen), Förderung von Fachkompetenz im Bereich Sprache, Lesen oder Rechnen
(12 Nennungen), Förderung im Alltag und Alternativtherapien (9 Nennungen) oder private
Nachhilfestunden (6 Nennungen).
46
PH Luzern
Zusammenhang der Einstellungen der Fachkräfte und der Berücksichtigung individueller Bedürfnisse mit der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung
Den Themenbereich „Unterstützung der Kinder mit ISR im Unterricht“ abschliessend wurde
getestet, wie die einzelnen Faktoren mit der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung zusammenhängen. Dazu wurden ein mehrstufiges Mehrebenenmodell für die LP und die
Fachpersonen und ein Regressionsmodell für die Eltern gerechnet. Im ersten Schritt des
Mehrebenenmodells wurden die generelle Einstellung zu ISR und die Einstellung zu Diversität
in der Klasse – beide Faktoren von LP, SHP, SP und SL beurteilt – ins Modell aufgenommen.
Die beiden Faktoren „Generelle Einstellung zu ISR“ (z = 3.90, p < .001) und „Einstellung zu
Diversität in der Klasse“ (z = 2.55, p < .05) stehen in signifikant positivem Zusammenhang mit
der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung. Dies bedeutet, dass die Angemessenheit der Förderung bei wohlwollender Einstellung gegenüber ISR und gegenüber Diversität
in der Klasse besser bewertet wurde.
In einem weiteren Schritt wurde die Einstellung zur schulischen Integration ins Modell aufgenommen – das Modell basierte nun nur noch auf Daten von LP und SHP –, wobei dieser neue
Faktor signifikant wurde (z = -2.13, p < .05). Das heisst, je wohlwollender die Einstellung der
LP und SHP zur schulischen Integration ausfiel, desto höher schätzten sie die Angemessenheit der Förderung ein. Dabei blieb die generelle Einstellung als signifikanter Faktor bestehen
(z = 2.77, p < .01), die Einstellung zur Diversität jedoch war in diesem Modell ohne Effekt.
Als letzter Faktor wurde die von den LP eingeschätzte Berücksichtigung der individuellen
Lernbedürfnisse ins Modell aufgenommen. Dieser Faktor steht in keinem signifikanten Zusammenhang mit der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung, unabhängig davon, ob
die Daten für LP, SHP, SP und SL oder nur die Daten für LP und SHP berücksichtigt wurden.
Die von den Eltern eingeschätzte Berücksichtigung der individuellen Lernbedürfnisse steht mit
ihrer Wahrnehmung der Angemessenheit der Förderung im Zusammenhang (β = .45, p <
.001), wie das gerechnete Regressionsmodell aufzuzeigen vermochte. In anderen Worten
bedeutet dies, je stärker die Eltern die individuellen Bedürfnisse ihres Kindes als berücksichtigt
erachteten, desto angemessener schätzen sie die Förderung ein.
3.1.2
Gewährleistung der Fachlichkeit der Förderung durch Lehr- und Fachpersonen
Qualifikationen der Lehr- und Fachpersonen
Die Aus- und Weiterbildung sowie graduell auch die Berufserfahrung sind bedeutsame Indikatoren für die Gewährleistung der Fachlichkeit bei der Förderung der Schülerinnen und Schüler.
64% der antwortenden SHP verfügten über eine Ausbildung in Schulischer Heilpädagogik oder befinden sich noch in Ausbildung (siehe Abbildung 27). Von den verbleibenden 35% der
SHP gaben 24% an, über ein Primarlehrdiplom zu verfügen. Weiter berichten 20% über Abschlüsse als Kindergarten-, Sekundar- oder DaZ-LP, in Logopädie, Sozialpädagogik, Psychologie oder eine andere Ausbildung. Wer nicht über eine Ausbildung in Schulischer Heilpädagogik verfügte, hatte die Möglichkeit, mehr als eine Ausbildung anzugeben (Abbildung 27
summiert sich folglich nicht auf 100%).
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
47
Ausbildung
Schulische Heilpädagogik
64%
Kiga-LP
2%
Primar-LP
24%
Sekundar-LP
3%
DaZ-LP
2%
Logopädie
2%
Sozialpädagogik
1%
Psychologie
1%
andere
SHP
9%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Abbildung 27: Aussagen der SHP (n = 206) zu ihrer Berufsausbildung. Frage: „Ich habe eine Ausbildung als: …“
Offenes Antwortfeld.
Die heilpädagogische Ausbildung der als SHP tätigen Fachperson hat bei den Befragten eine
Wirkung auf die Einstellung zu Diversität in der Klasse und zur schulischen Integration. So
zeigten LP, SHP, SP und SL eine positivere Einstellung gegenüber Diversität in der Klasse (z
= 2.40, p < .05 [Mehrebenenanalyse]) und zur schulischen Integration9 (z = -2.15, p < .05),
wenn die SHP eine entsprechende Ausbildung aufwies. Auf die generelle Einstellung zu ISR
hatte die Ausbildung der SHP hingegen keinen Effekt. Dafür wird die Zusammenarbeit zwischen LP und SHP durch die Ausbildung der SHP in Schulischer Heilpädagogik beeinflusst.
Die Zusammenarbeit wird von LP und SHP positiver bewertet, wenn SHP die entsprechende
Ausbildung absolviert haben (z = 2.41, p < .05).
Zusätzlich gaben 83 SHP (40%) an (unabhängig davon, ob sie eine Ausbildung in Schulischer
Heilpädagogik absolviert hatten), dass sie an einer spezifischen Weiterbildung zur Förderung
von Kindern mit Sonderschulungsbedarf teilgenommen hatten oder zum Befragungszeitpunkt
in Ausbildung waren. Am häufigsten genannt wurden Weiterbildungen wie Ausbildung in Heilpädagogik ohne weitere Spezifikation, Unterricht/Didaktik/Methodik, sowie Förderdiagnostik
und Förderplanung (siehe Abbildung 28). Von den SHP mit einem Abschluss in Schulischer
Heilpädagogik oder in Ausbildung absolvierten 44% eine spezifische Weiterbildung. Von den
SHP ohne Abschluss in Schulischer Heilpädagogik machten 32% eine spezifische Weiterbildung.
9
Da die Einstellung zu schulischer Integration negativ gepolt gemessen wurde (tiefer Wert = wohlwollende Einstellung; hoher Wert = ablehnende Einstellung), bedeutet ein negativer z-Wert einen positiven Zusammenhang zwischen Ausbildung und Einstellung.
a
48
PH Luzern
Spezifische Weiterbildung zur Förderung von Kindern mit
Sonderschulungsbedarf
Ausbildung in Heilpädagogik ohne Spezifikation
18%
Unterricht/Didaktik/Methodik
15%
Förderdiagnostik/Förderplanung
11%
ASS/Autismus
7%
ADHS/schwieriges Verhalten
5%
Zusammenarbeit/Kommunikation
5%
Sinnesbehinderung
2%
Körperbehinderung
1%
Nicht spezifizierte WB/andere
51%
0%
SHP
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Abbildung 28: Aussagen aller SHP (mit und ohne Ausbildung in Schulischer Heilpädagogik; n = 82) zu spezifischer
Weiterbildung zur Förderung von Kindern mit Sonderschulbedarf. Offenes Antwortfeld.
Von den LP hatten 39 Personen (18%) eine spezifische Weiterbildung zur Förderung von Kindern mit Sonderschulungsbedarf in den folgenden Themen absolviert: Einführung in die Heilpädagogik/Integrierte Sonderschulung, spezifische Behinderung und Zusammenarbeit (siehe
Abbildung 29).
Weiterbildung zur Förderung von Kindern mit
Sonderschulungsbedarf
Einführung HP/ISR
32%
Spezifische Behinderungen
22%
Zusammenarbeit
11%
Weitere WB oder nicht spezifiziert
LP
38%
0%
10%
20%
30%
40%
Abbildung 29: Aussagen der LP (n = 37) zur spezifischen Weiterbildung zur Förderung von Kindern mit Sonderschulbedarf. Frage: „Ich habe eine Weiterbildung zur Förderung von Kindern mit Sonderschulungsbedarf gemacht.“
Offenes Antwortfeld.
Die Befragung der SL (n = 118) zum Thema „Ausbildung der SHP“ ergab folgendes Bild: Die
SL gaben an, dass an ihren Schulen im Schnitt fünf SHP arbeiten würden (SD = 4.2, Range:
1–34). Davon verfügten im Schnitt 2.8 der SHP (SD = 2.0, Range: 0–11) über einen Abschluss
in Schulischer Heilpädagogik. SHP ohne Abschluss in Schulischer Heilpädagogik qualifizieren
sich aus der Sicht der SL für ihre Arbeit durch ihre gegenwärtige Aus-/Weiterbildung in Schulischer Heilpädagogik (37%), durch ihre geplante Aus-/Weiterbildung in Schulischer Heilpädagogik (34%), durch langjährige Berufserfahrung (62%) und/oder durch eine andere Qualifikation (18%). Diese anderen Qualifikationen stehen für eine enge Zusammenarbeit mit SP, SHP,
LP und Dozierenden der PHZH, Erfahrung als LP/DaZ-LP, diverse Kurse/Selbststudium, Ausbildung für DaZ, Legasthenie, Dyskalkulie, Sozialpädagogik, Interesse/Flair und/oder 55+Status.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
49
Im Zusammenhang mit Fragen der Aus- und Weiterbildung interessiert auch der Umfang der
Berufserfahrung. Die Berufserfahrung der LP, SHP, SP und SL lag zwischen 0 und 30 Jahren
(SP und SL) respektive zwischen 0 und 41 Jahren (LP und SHP, siehe Abbildung 30) mit einem Schnitt von 9 Jahren für SL, 10 Jahren für SHP, 13 Jahren für SP und 17 Jahren für LP.
Die Berufserfahrung der LP ist signifikant grösser als jene der SHP, SP und SL (F = 25.37, p <
.001). Die Berufserfahrung der anderen drei Akteursgruppen unterscheidet sich demgegenüber nicht signifikant. Überdies ist die Berufserfahrung ohne Effekt auf die eingeschätzte Angemessenheit der Förderung.
Berufserfahrung
Anzahl Personen
20
15
10
5
0
1
3
5
7
9
11
13
15
17
19
21
23
25
27
29
31
33
35
37
39
41
Erfahrung in Jahren
LP
SHP
SPD
SL
Abbildung 30: Aussagen der LP (n = 215) und SHP (n = 131) zu ihrer Berufserfahrung. Frage: „Lehrperson/SHP
seit … Jahren.“
In welchem Zusammenhang steht die Berufserfahrung mit den integrationsrelevanten Einstellungen und der Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse im Unterricht? Die Berufserfahrung der Akteure stand in negativem Zusammenhang mit der generellen Einstellung zu ISR (r
= -.12, p < .01), mit der Einstellung gegenüber Diversität in der Klasse (r = -.13, p < .01) und
mit der schulischen Integration (r = .25, p < .001; nur von LP und SHP beurteilt). Die Berufserfahrung stand jedoch in positivem Zusammenhang mit der Gesamtskala „Berücksichtigung
individueller Bedürfnisse“ (r = .14, p < .05). Diese signifikanten Zusammenhänge mit der Berufserfahrung weisen darauf hin, dass LP, genauso wie die anderen drei Akteursgruppen SHP,
SP und SL, mit mehr Berufserfahrung eher eine negativere Einstellung zu ISR allgemein, zu
Diversität und zu schulischer Integration haben, aber individuelle Bedürfnisse der Kinder besser berücksichtigen können als LP mit weniger Berufserfahrung.
Insgesamt zeigen diese Auswertungen, dass ein Mangel an ausgebildeten SHP besteht, da
gegenwärtig rund ein Drittel ohne entsprechende Ausbildung arbeitet. ISR-spezifische Weiterbildungen sind bei den SHP nicht Standard und bei den LP relativ wenig verbreitet. Folglich
gibt es sowohl in der Aus- wie auch in der Weiterbildung Aufholbedarf, um die Qualifikation der
Lehr- und Fachpersonen sicherzustellen und damit zur Fachlichkeit der Förderung beizutragen. Dabei sollte geklärt werden, warum bei den Lehr- und Fachpersonen, insbesondere hinsichtlich von Weiterbildung, Barrieren bestehen und wie diese Hemmschwellen reduziert werden könnten.
50
PH Luzern
Zusammenhang von Ausbildung und Erfahrung mit der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung
Um die Effekte der Qualifikation der Lehr- und Fachpersonen auf die wahrgenommene Angemessenheit der Förderung zu prüfen, wurden die Ausbildung in Schulischer Heilpädagogik
und die Berufserfahrung als Prädiktoren für die wahrgenommene Angemessenheit der Förderung in einem Gesamtmodell geprüft. Dabei zeigte sich für keinen der beiden Faktoren ein
signifikanter Effekt. In einem weiteren Schritt wurde die Weiterbildung der LP und SHP ergänzt, welche jedoch ebenfalls in keinem signifikanten Zusammenhang mit der eingeschätzten
Angemessenheit der Förderung steht. Wie oben jedoch gezeigt wurde, haben eine Ausbildung
in Schulischer Heilpädagogik und Berufserfahrung einen Effekt auf die Einstellungen zu ISR
und Integration, auf die Zusammenarbeit zwischen LP und SHP sowie auf die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse. Und diese Faktoren wiederum stehen in einem Zusammenhang mit der Einschätzung der Angemessenheit der Förderung. Folglich scheinen Ausbildung in Schulischer Heilpädagogik und Berufserfahrung einen indirekten Effekt auf die eingeschätzte Angemessenheit der Förderung zu haben.
Beratung und Unterstützung der Lehrpersonen
Abgesehen von der Qualifikation der LP bilden auch Beratung und Unterstützung einen wichtigen Faktor zur Sicherung der Fachlichkeit der Förderung der Schülerinnen und Schüler. Zugang zu Beratung und Unterstützung ermöglicht es, Probleme und Schwierigkeiten umfassend
und nachhaltig anzugehen und zu lösen. Rund zwei Drittel der LP gaben an, zu wissen, an
wen sie sich bei Problemen im Zusammenhang mit ISR wenden können (72%). Am häufigsten
wurde die SL als Anlaufstelle genannt, gefolgt von den SHP (siehe Abbildung 31). Weiter wurden Anlaufstellen wie SP, Kolleginnen und Kollegen, Sonderpädagogische Fachstelle, Schulpflege oder Eltern genannt. Dabei nannten 40% der LP im freien Textfeld eine Anlaufstelle,
69% der LP zwei Anlaufstellen und 27% der LP drei oder mehr Anlaufstellen. 5% der LP liessen das offene Textfeld leer.
Mögliche Anlaufstellen der LP bei Problemen mit ISR
SL
76%
SHP
50%
SPD
17%
Kollegen
8%
Fachstelle
7%
Schulpflege
3%
Eltern
3%
andere
LP
14%
0%
20%
40%
60%
80%
Abbildung 31: Aussagen der LP (n = 156) zu möglichen Anlaufstellen bei Problemen mit ISR. Frage: „Ich weiss, an
wen ich mich wenden kann, wenn es im Zusammenhang mit ISR Probleme gibt. Nämlich: …“ Offenes Antwortfeld.
Bei Fragen zur Umsetzung des ISR-Settings wenden sich die LP am häufigsten an die SHP
und ähnlich häufig an die SL (siehe Abbildung 32). Für ein Viertel der befragten LP stellen
auch die SP eine Stelle zur Klärung der Fragen rund um das ISR-Setting dar. Das VSA sowie
B+U-Anbieter wurden nur von wenigen LP zur Klärung ihrer Fragen genutzt. Vier LP gaben
keine dieser fünf Optionen als Stelle zur Klärung ihrer Fragen an.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
51
Genutzte Anlaufstellen der LP bei Fragen zur Umsetzung des ISRSettings
SHP
82%
SL
76%
SPD
25%
VSA
3%
B+U
1%
LP
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Abbildung 32: Aussagen der LP (n = 216) zur genutzten Anlaufstelle bei Fragen zur Umsetzung des ISR-Settings.
Frage: „An wen wende ich mich als Lehrperson in erster Linie, wenn ich Fragen bei der Umsetzung mit dem ISRSetting habe?“ (Mehrfachantworten möglich).
Wenn SL (n = 117) Fragen zur Umsetzung des ISR-Settings haben, dann wenden sich 71%
an die SP, 68% an die SHP, 22% an die B+U-Anbieter und 19% ans VSA. 33% der Befragten
nannten noch andere Anlaufstellen wie externe Fachstellen (Heilpädagogische Schule, Autismusberatung, Coaching von KJPD & SPZ; 17 Nennungen), Fachstelle Sonderpädagogik in
der Gemeinde (11 Nennungen) und andere SL (11 Nennungen).
Wurden die SP gefragt, ob sie Beratungen von LP und SHP durchführen würden, wenn es
Fragen in Bezug auf die Förderung des Kindes gab, beantworteten diese Frage 94% mit Ja.
Diese Beratungen fanden bei 8% der SP sehr häufig statt, bei 38% oft, bei 32% manchmal,
bei 17% selten und bei 5% fast nie. Die meistgenannten Themenbereiche dieser Beratung
betrafen die Abklärung von Sonderschulbedarf, Fragen zur Förderung des Kindes und emotionale Belastungen des Kindes (siehe Abbildung 33). Unter der Rubrik „andere“ wurden Themen wie Überprüfung der Sonderschulung, Schullaufbahnberatung, Elternberatung und Konfliktmoderation genannt. Zudem gaben alle befragten SP an, dass sie auch Triagen im Hinblick auf die Überweisung zu weiteren Beratungsstellen wie KJPD, KJZ, Psychotherapie, Ärztinnen und Ärzten, SSA, Erziehungsberatung, Suchtberatung, Familienberatung, Frühberatung, KESB und Autismusfachstelle vornähmen.
Fragestellung der Beratungen
Abklärung Sonderschulbedarf
89%
Fragen zur Förderung des Kindes
89%
emotionale Belastungen des Kindes
84%
Fragen zur sozialen Situation des Kindes in der Klasse
71%
Fragen zu bestimmtem Störungsbild
66%
Beantragung zusätzlicher Ressourcen
62%
Fragen zur familiären Situation des Kindes
61%
Abklärung Nachteilsausgleich
59%
andere
SP
10%
0%
25%
50%
75%
100%
Abbildung 33: Aussagen der SP (n = 61) zu den Beratungen der LP und SHP. Frage: „Welche Art von Fragestellung ergibt sich für die Beratung?“ (Mehrfachantworten möglich).
52
PH Luzern
Die SL (n = 117) listeten zudem auf, welche externen behinderungsspezifischen Beratungen
von ihren Schulen in Anspruch genommen wurden. 74% machten von solch behinderungsspezifischen Angeboten wie Beratungen zu Gehör und Sprache (49 Nennungen), zu Sehbehinderung (25 Nennungen), zu Autismus (16 Nennungen) und zu körperlicher Behinderung
(10 Nennungen) Gebrauch oder nannten Diverses (15 Nennungen). Nebst Beratungen und
Anlaufstellen dienen auch Weiterbildungen zur Unterstützung in anspruchsvollen Situationen.
Schulinterne behinderungsspezifische Weiterbildungen finden laut SL (n = 117) in 19% der
befragten Schulen statt. Themen dieser schulinternen behinderungsspezifischen Weiterbildungen sind: Autismus (6 Nennungen), Verhaltensauffälligkeiten (4 Nennungen), Sehbehinderung (4 Nennungen), allgemeine Heilpädagogik/Integration (4 Nennungen), Hörbehinderung/Gebärdensprache (3 Nennungen) und Diverses (7 Nennungen).
Die Auswertung der möglichen wie auch der genutzten Anlaufstellen zeigt, dass für LP vor
allem schuleinheitsinterne Ressourcen für die Klärung von Fragen und Problemen rund um
das ISR-Setting genutzt werden, wobei die SP aus der Sicht der LP jeweils eine untergeordnete Rolle spielen. Auch die SL nutzen zur Klärung ihrer Fragen bei der Umsetzung des ISRSettings vor allem schulinterne Ressourcen, indem sie sich insbesondere an SP und SHP
wenden. Die Mehrheit der SL gab jedoch auch an, dass externe behinderungsspezifische Beratungen in Anspruch genommen würden; bei knapp einem Fünftel der Schulen finden auch
schulinterne Weiterbildungen zu behinderungsspezifischen Themen statt.
Eine mögliche Erklärung für die vorherrschende Nutzung der schuleigenen Fachpersonen bei
Fragen vermuten wir in der bedeutsamen Rolle der physischen Nähe sowie in der persönlichen oder inhaltlichen Vertrautheit. Aus diesen Ergebnissen leiten wir zwei Implikationen ab:
Erstens scheint es uns wichtig, zu prüfen, ob SHP und SL in dieser Aufgabe als Anlaufstelle
bei Fragen und Problemen bezüglich der Umsetzung des ISR-Settings kompetent agieren
können, respektive sie bei dieser wichtigen Funktion zu unterstützen. Je nach Auslastung
könnte es allenfalls sinnvoll sein, auch die SP in dieser Funktion zu stärken, da physische Nähe sowie inhaltliche und strukturelle Vertrautheit ebenfalls gegeben sein können. Zweitens
könnten Fachstellen wie beispielsweise VSA und B+U-Anbieter versuchen, noch sichtbarer zu
werden, einerseits um LP direkt zu unterstützen und anderseits um indirekt zu wirken, indem
sie Beratungsangebote für SL und SHP schaffen.
3.1.3
Rahmenbedingungen von ISR
Zum Abschluss des Kapitels zur Umsetzung der Förderung im ISR-Setting werden die Rahmenbedingungen von ISR entlang der folgenden Themen dargestellt: Einführungszeitpunkt
und Informationspolitik zur Einführung von ISR, Kenntnis der gesetzlichen Grundlangen zu
ISR, Stundenpool und Kosten, Wahrnehmung der Umsetzung von ISR, Aufsicht über die Umsetzung von ISR, Vorteile und Nachtteile von ISR gegenüber ISS, besondere Bedürfnisse, die
sich nicht für die Integration eignen, gewünschte Vorgaben des Kantons sowie Massnahmen
zur Gewährleistung eines passenden ISR-Settings.
Laut Angaben der SL (n = 114) wurde die ISR bei 55% der befragten Schulen im Schuljahr
2011/2012 eingeführt, bei 35% der Schulen im Schuljahr 2012/2013 und bei 10% der Schulen
im Schuljahr 2013/2014. Die Vorbereitung der LP auf ISR fand mittels schriftlicher Information
(an 55% der Schulen), mündlicher Information (an 97% der Schulen), schulinterner Weiterbildung (an 42% der Schulen) und Beratung bezüglich möglicher Weiterbildung einzelner LP (an
70% der Schulen) statt. Dabei nutzten 4% der Schulen alle vier möglichen Kanäle, 25% der
Schulen drei der möglichen Kanäle, 42% der Schulen zwei der möglichen Kanäle und 26% der
Schulen keinen der möglichen Kanäle. 3% der angefragten Schulen beantworteten diese Frage nicht.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
53
SL und SP wurden anhand von drei Items auf einer fünfstufigen Skala von 1 („trifft gar nicht
zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) zur Kenntnis der gesetzlichen Grundlagen und zum ISRbezogenen Fachwissen der Akteure LP, SHP, SL und Schulpflege befragt (Beispielitem: „Das
notwendige Fachwissen bei den Klassenlehrpersonen ist vorhanden, um ISR durchzuführen“).
Den SL und der Schulpflege wurden Kenntnisse der gesetzlichen Grundlagen zugesprochen
(siehe Abbildung 34). Die notwendigen Fachkenntnisse der SHP wurden von beiden befragten
Akteursgruppen höher eingeschätzt als jene der LP, welche zwischen „teils, teils“ und „eher
zutreffend“ zu liegen kamen. Die Einschätzungen der SP fielen stets signifikant kritischer aus
als die Einschätzungen der SL. Die verschiedenen Aspekte zu gesetzlichen Grundlagen und
Fachwissen lassen sich zu einer Gesamtskala zusammenfassen, wobei die Skala eine Reliabilität von α = .53–.74 aufweist. Die SP schätzten die Gesamtkenntnisse der Akteure auf der
Gesamtskala zwischen „teils, teils“ und „trifft eher zu“ ein. Die SL schätzten die Gesamtkenntnisse signifikant höher als die SP. Die Kenntnisse der gesetzlichen Grundlagen und das
Fachwissen stehen nicht im Zusammenhang mit der eingeschätzten Angemessenheit der
Förderung.
Kenntnis der gesetzlichen Grundlagen und Fachwissen
SL und Schulpflege kennen die gesetzlichen
Grundlagen von ISR
3.9
Das notwendige Fachwissen bei den SHP ist
vorhanden, um ISR durchzuführen
3.5
3.0
*SP-SL
3.4
3.5
Skala Fachwissen
SL
*SP-SL
4.2
Das notwendige Fachwissen bei den
Klassenlehrpersonen ist vorhanden, um ISR
durchzuführen
SP
*SP-SL
4.2
*SP-SL
3.9
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 34: Aussagen SP (n = 65) und SL (n = 117) zu Fachwissen. Frage: „Fragen zu Ihrer grundsätzlichen
Einschätzung der ISR. Wie denken Sie über die folgenden Aussagen?“ Statistisches Verfahren: t-test.
Zusätzlich wurden SP und SL anhand von drei Items zum Stundenpool und zu den Kosten
befragt, welche auf einer fünfstufigen Skala von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz
zu“) eingeschätzt werden konnten. Die Frage, ob die gesprochenen Stunden für das ISRSetting ausreichen würden, um eine angemessene Förderung zu erreichen, wurde von SP
und SL in der Mitte der Skala eingestuft (siehe Abbildung 35). Die Erhöhung des IF-Pools als
sinnvolle Alternative zu ISR wurde von SP und SL im Schnitt mit „teils, teils“ beantwortet. Die
SL schätzten die Belastung des Gemeindebudgets leicht über dem Schnitt der Antwortskala
ein, die SP leicht unter dem Schnitt. Die beiden Akteursgruppen unterscheiden sich bezüglich
ihrer Einschätzung signifikant voneinander. Die drei Items zu Stundenpool und zu den Kosten
stehen in keinem Zusammenhang mit der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung.
Zur Wahrnehmung der Umsetzung der ISR wurden die SL (n = 117) mittels einer Skala, bestehend aus vier Items befragt (Beispielitems: „Die Umsetzung der ISR an unserer Schule
verläuft problemlos“; „Probleme im Zusammenhang mit der ISR konnten wir bis anhin immer
selbst lösen“; Reliabilität von α = .75). Die Antwortskala war fünfstufig und reichte von 1 („trifft
gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“). Das Antwortmittel der SL lag bei 3.6 (SD = 0.73).
Das heisst, die SL schätzten die Umsetzung der ISR im Schnitt als „teils, teils“ bis „eher problemlos“ ein.
54
PH Luzern
Stundenpool und Kosten
Die gesprochenen Stunden für das ISR-Setting
reichen aus, um die Kinder angemessen zu fördern.
3.1
3.1
Statt ISR durchzuführen sollte, man besser den IFPool an den Schulen erhöhen.
3.1
3.0
* SP–SL
ISR belastet das Gemeindebudget
unverhältnismässig.
SP
SL
2.8
3.3
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 35: Aussagen SP (n = 59–65) und SL (n = 112–117) zu Stundenpool und Kosten. Frage: „Fragen zu
Ihrer grundsätzlichen Einschätzung der ISR. Wie denken Sie über die folgenden Aussagen?“ Statistisches Verfahren: t-test.
Eine klar geregelte Aufsicht über ISR stellt gemäss der Studie von Zehnder Bühler (2015) eine
wichtige Voraussetzung dar, um die Qualität von ISR zu sichern. Gemäss Auskunft der SL ist
die Aufsicht über ISR an den verschiedenen Schulen unterschiedlich angesiedelt. Bei der
Mehrheit der Schulen oblag die Aufsicht über ISR der Schulpflege (60%; siehe Abbildung 36).
Bei weiteren 20% war die Aufsicht bei den SL und bei 16% bei der Fachleitung respektive
Fachstelle angesiedelt. Wenige SL (8%) nannten zwei Aufsichtsstellen.
Aufsicht über ISR
60%
Schulpflege
20%
SL
Fachleitung/Fachstelle Sonderpädagogik/Pädagogische
Beratung
16%
SPD
5%
Schulleitung Sonderpädagogik
3%
Leitung Pädagogik & Schulentwicklung
3%
unklar
1%
SL
0%
20%
40%
60%
80%
Abbildung 36: Aussagen der SL (n = 117) zur Aufsicht über ISR. Frage: „Wer hat in Ihrer Schule die Aufsicht über
ISR?“ Offenes Antwortfeld.
Wurden SL und SP zu den Vor- und Nachteilen von ISR gegenüber ISS befragt, nannten die
beiden Akteursgruppen ähnliche Argumente. 62% der befragten SP und 71% der befragten SL
erkannten im ISR-Setting Vorteile gegenüber ISS. Wer Vorteile im ISR-Setting sah, listete anschliessend seine Argumente dazu auf (siehe Abbildung 37). Das meistgenannte Argument
waren die einheitlichen Anstellungsbedingungen für alle LP und Fachpersonen (SP: 32%; SL:
37%). Dies vereinfache die Personalführung und bringe Flexibilität in die Ressourcenplanung.
Von knapp 20% der befragten SL und SP wurde auch die vereinfachte und dadurch flexiblere
Zusammenarbeit genannt. Die Fachpersonen (SHP) seien durch ISR, und damit durch die
Anstellung in der Schulgemeinde, dichter in das Geschehen der Regelschule eingebunden.
Weitere Argumente, die zwischen 1% und 13% der Befragten nannten, waren: Bessere Gewährleistung der Integration und – was aufgrund der transparenten Heterogenität vermutet
wurde – eine geringere Stigmatisierung. Ein weiterer Vorteil wurde darin gesehen, dass es
weniger Personal pro Klasse gebe, wodurch für Eltern besser ersichtlich werde, wer als AnEvaluationsbericht ISR Kanton Zürich
55
sprechperson gelte. Zudem werde dadurch die Unterstützung gebündelter. Weiter wurde ein
Vorteil im positiven Einfluss von ISR auf das Klassenklima und die soziale Entwicklung gesehen. Durch ISR könnten alle Schülerinnen und Schüler von den zusätzlichen Ressourcen profitieren. Als letzter Vorteil wurde schliesslich die Nähe der Fachperson genannt. Auf diese
Weise sei das Fachwissen im Team vorhanden und spezifische Angebotsplanung sei besser
möglich.
Vorteile von ISR gegenüber ISS
32%
einheitliche Anstellungsbedigungen/Personalführung
18%
18%
vereinfachte, flexiblere Zusammenarbeit
9%
Integrationsaspekt besser gewährleistet
positiv für Klassenklima/soziale Entwicklung
2%
5%
Fachwissen vorhanden, Nähe der Fachperson
5%
1%
SL
13%
8%
10%
weniger Personal pro Klasse
SP
37%
0%
20%
40%
Abbildung 37: Aussagen der SP (n = 65) und SL (n = 116) zu den Vorteilen von ISR gegenüber ISS. Frage: „Welche Vorteile hat ISR gegenüber ISS?“ Offenes Antwortfeld.
Neben diesen Vorteilen sahen 34% der SP und 29% der SL auch Nachteile von ISR gegenüber ISS: Das Fehlen ausgebildeter SHP und, damit zusammenhängend, das Fehlen von
spezifischem Fachwissen (SP: 23%; SL: 11%) wurden von beiden Akteursgruppen als grösster Nachteil empfunden (siehe Abbildung 38). Zudem wurde auch das Wegfallen der Fachberatung, wie sie die Sonderschulen geboten hatten, bedauert. Diverse weitere Argumente wurden jeweils nur von wenigen Vertreterinnen und Vertretern der beiden Akteursgruppen genannt: Insbesondere die SL sahen einen Nachteil vor allem in der Mehrarbeit für die SL und
nannten auch den Zusatzaufwand für LP und SHP und die damit einhergehende teilweise
Überforderung der LP (SP: 2%; SL: 10%). Ein Nachteil wurde zudem in der erschwerten Versetzung in die Sonderschule gesehen, weil dies nun aufwendiger sei und länger dauere (SP:
5%; SL: 3%). Weiter wurden die höheren Kosten für die Schulgemeinde und die geringeren
Ressourcen respektive ISR-Stunden genannt (SP und SL: 3%). Ein Nachteil, den ebenfalls
beide Akteursgruppen erwähnten, war die fehlende Qualitätssicherung, einhergehend mit der
willkürlichen Umsetzung von ISR, der schnelleren Vergabe des Sonderschulstatus und ISR als
Erweiterung von IF (SP: 8%; SL: 1%). Spezifisch von den SL vorgebracht wurden zudem die
folgenden Argumente: Keine fixen Pensen für SHP aufgrund der Unberechenbarkeit der Pensenplanung (SL: 2%), die belastende Situation für Regelschülerinnen und Regelschüler, das
geringe Verständnis der Eltern und die „Pseudo-Integration“ (SL: 2%) sowie das Risiko der
unbefriedigenden Zusammenarbeit zwischen LP und SHP, dem nicht einfach mit Alternativlösungen begegnet werden könne (SL: 1%). Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass die wahrgenommenen Vorteile von ISR gegenüber ISS die wahrgenommenen Nachtteile klar überwiegen.
56
PH Luzern
Nachteile von ISR gegenüber ISS
ausgebildete SHP fehlen, spezifisches Fachwissen fehlt
2%
mehr Aufwand für LP, SP und SL, Überforderung der LP
höhere Kosten, zu wenig Ressourcen/ISR-Stunden
3%
3%
keine fixen Pensen für SHP, Unberechenbarkeit in der
Pensenplanung
2%
belastende Situation für Regel-SuS, wenig Verständnis der
Eltern, Pseudo-Integration
2%
Qualitätssicherung fehlt, Sonderschulstatus wird schneller
vergeben
1%
keine Alternativen, wenn Zusammenarbeit SHP–LP nicht
funktioniert
1%
SL
10%
5%
3%
Versetzung in Sonderschule geht länger und ist aufwendig
SP
23%
11%
8%
0%
20%
40%
Abbildung 38: Aussagen der SP (n = 65) und SL (n = 116) zu den Nachteilen von ISR gegenüber ISS. Frage: „Welche Nachteile hat ISR gegenüber ISS?“ Offenes Antwortfeld.
Obwohl SP und SL viele Vorteile in ISR sehen, waren 90% beider Akteursgruppen der Überzeugung, dass es spezifische, besondere Bedürfnisse gebe, die sich nicht für ISR eignen würden. Wie Abbildung 39 zeigt, wurden am häufigsten massive Fälle von Verhaltensauffälligkeit
und Aufmerksamkeitsstörung genannt (SP: 46%; SL: 35%), also Kinder, die viel sozialpädagogische Betreuung benötigen. Ähnlich häufig sahen SP (34%) eine Schwierigkeit in der Integration von Kindern, die in der Regelklasse nicht ausreichend gefördert werden könnten und
deshalb keine Fortschritte machen würden. Über ein Viertel der befragten SP (28%) sahen
auch bei Kindern mit starken kognitiven Einschränkungen, Lernschwierigkeiten, Sprachproblemen und Entwicklungsstörungen eine Schwierigkeit im Hinblick auf integrative Beschulung.
Ein Viertel der SL (25%) nannte starke körperliche und/oder geistige Behinderung als Hindernis für eine Integration in die Regelklasse. Weitere, weniger häufig genannte spezifische oder
besondere Bedürfnisse sind Abbildung 39 zu entnehmen.
Besondere Bedürfnisse, die sich nicht für ISR eignen
bei massiver Verhaltensauffälligkeit,
Aufmerksamkeitsstörung
wenn Kind mit ISR nicht ausreichend gefördert
werden kann
kognitive Einschränkungen, Lernschwierigkeiten,
Sprachprobleme, Entwicklungsstörungen
35%
34%
7%
12%
14%
bei starker körperlicher u/o geistiger Behinderung
wenn Schulsystem zu stark belastet wird durch
Kind mit ISR
25%
11%
11%
6%
1%
bei wenig unterstützender Familiensituation
bei Mehrfachbehinderung/bei besonderen
Behinderungen
3%
9%
2%
7%
keine generelle Antwort möglich
SL
28%
14%
18%
wenn Integration fehlschlägt
SP
46%
0%
20%
40%
60%
Abbildung 39: Aussagen der SP (n = 65) und SL (n = 115) zu spezifischen, besonderen Bedürfnissen, die sich nicht
für ISR eignen. Frage: „Welche Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen eigenen sich nicht für eine
ISR?“ Offenes Antwortfeld.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
57
Um die Umsetzung von ISR zu vereinfachen und zu standardisieren, wünschten sich 35% der
SP und 20% der SL genauere Vorgaben vom Kanton. Diese Vorgaben erhofften sich die Befragten in den Bereichen „Klare Kriterien für Sonderschulbedürftigkeit“ (SP: 18%; SL: 5%),
„Stundenpool/Settingvorgaben/Ablaufvorgaben zu spezifischen Störungsbildern“ (SP: 9%; SL:
10%) sowie „Aufsicht/Überprüfung/Begleitung“ (SP: 8%; SL: 1%; siehe Abbildung 40). Einzelne Befragte wünschten sich zudem Vorgaben in den Bereichen „Ausbildungsstandard der
Förderlehrperson“ und „Kostenbeteiligung“.
Gewünschte Vorgaben zu ISR
18%
Kriterien für Sonderschulbedürftigkeit
5%
Stundenpool/Settingvorgaben/Ablaufvorgaben (bei
spez. Störungsbildern)
9%
10%
8%
Aufsicht/Überprüfung/Begleitung
1%
3%
Ausbildungsstandard der Förder-LP
Kostenbeteiligung
SP
SL
3%
0%
10%
20%
30%
Abbildung 40: Aussagen der SP (n = 65) und SL (n = 115) zu gewünschte Vorgaben zu ISR durch den Kanton.
Fragen: „In welchen Bereichen müsste der Kanton genauere Vorgaben zur ISR machen?“ Offenes Antwortfeld.
Ergänzend zu den Rahmenbedingungen von ISR wurden LP und SHP gefragt, welche Massnahmen ausgebaut werden müssten, um den Kindern mit ISR ein passendes Setting anbieten
zu können. Jede der neun vorgeschlagenen Massnahmen konnte auf einer Skala von 1 („trifft
gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) eingeschätzt werden. Für eine Verbesserung der
Settings wurden von den LP und SHP die folgenden Massnahmen als vordringlich eingestuft:
Klarheit hinsichtlich der Beurteilung von Kindern mit ISR, spezifische Lehrmittel mit individualisierten Aufgaben sowie Zeitgefässe für die Zusammenarbeit (siehe Abbildung 41). Als signifikant unterschiedlich erwies sich die Einschätzung von LP und SHP in puncto spezifischer
Lehrmittel mit individualisierten Aufgaben, des Verständnisses des schulischen Umfeldes, der
Weiterbildung im Umgang mit Heterogenität sowie der fachlichen Unterstützung durch eine
behinderungsspezifische Fachstelle. Abgesehen vom beidseitig geäusserten Wunsch nach
spezifischen Lehrmitteln waren es stets die SHP, die einen höheren Verbesserungsbedarf
beim Setting ausmachten. Die in einer Gesamtskala (Reliabilität von α =.80–.82) zusammengefassten Items zeigen auf, dass die Wünsche in Bezug auf Verbesserungsmassnahmen zwischen den Wertepunkten 3 und 4 zu liegen kommen und sich nur in einem geringen, aber
gleichwohl signifikanten Ausmass zwischen LP und SHP unterscheiden, und zwar dahin gehend, dass die SHP leicht höhere Wünsche nach Verbesserung äusserten.
Wie hängen die gewünschten Massnahmen mit der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung zusammen? Das zur Beantwortung dieser Frage gerechnete Mehrebenenmodell hat
gezeigt, dass höhere Werte auf der Gesamtskala der gewünschten Massnahmen für ein passendes ISR-Setting negativ mit der Einschätzung der Angemessenheit der Förderung zusammenhängen (z = -2.81, p < .01). Folglich wurde die Angemessenheit der Förderung umso tiefer empfunden, je höher die wünschbaren Massnahmen für ein passendes ISR-Setting eingeschätzt wurden. Eine vertiefte Analyse ergab, dass dieser Effekt aufgrund der beiden gewünschten Massnahmen „Organisatorische Unterstützung durch die Schulleitung“ und „Fachliche Unterstützung durch SHP“ zustande kam.
58
PH Luzern
was es noch braucht für ein passendes ISR-Setting
Klarheit hinsichtlich der Beurteilung von Kindern
mit ISR
spezifische Lehrmittel mit individualisierten
Aufgaben
4.1
3.9
4.1
3.9
4.0
4.0
Zeitgefässe für die Zusammenarbeit
3.9
3.8
fachliche Unterstützung durch SHP
3.6
Verständnis des schulischen Umfeldes
3.5
Weiterbildungen im Umgang mit Heterogenität
organisatorische Unterstützung durch die
Schulleitung
fachliche Unterstützung durch
behinderungsspezifische Fachstelle (z.B. HPS)
3.2
* LP–SHP
3.5
3.1
3.3
3.6
3.7
Gesamtskala
SHP
* LP–SHP
3.8
3.3
3.2
fachliche Unterstützung durch den SPD
LP
* LP–SHP
3.9
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
Abbildung 41: Aussagen LP (n = 200–215) und SHP (n = 193–207) dazu, was es für ein passendes ISR-Setting
noch brauche. Frage: „Um Kindern mit Sonderschulbedarf ein passendes ISR-Setting anzubieten, braucht es mehr
...“ Statistisches Verfahren: t-test. * = signifikante Unterschiede.
3.1.4
Zusammenhang verschiedener Faktoren der Umsetzung der Förderung im ISRSetting mit der Einschätzung der Angemessenheit der Förderung
Verschiedene Faktoren der Umsetzung der Förderung im ISR-Setting stehen mit der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung des Kindes im Zusammenhang, wie im Verlaufe
dieses Kapitels bereits gezeigt werden konnte. Diese Faktoren waren: ISR als beste Förderung, Schwerpunkte der Förderplanung, Qualität des SSG aus Elternsicht, Zusammenarbeit
zwischen LP und SHP, Zusammenarbeit zwischen Fachpersonen und Eltern aus Elternsicht,
Gesprächshäufigkeit mit Klassenassistenz aus Elternsicht, Einstellung zu ISR, Einstellung zu
Diversität in der Klasse, Einstellung zur schulischen Integration, Berücksichtigung individueller
Lernbedürfnisse aus Elternsicht und gewünschte Massnahmen für ein passendes ISR-Setting.
Ob und in welcher Form solche Zusammenhänge bestehen bleiben, wenn sie gemeinsam in
ein Modell eingefügt werden, sollte mit einem Gesamtmodell geprüft werden. Als abhängige
Variable wurde die Einschätzung der Angemessenheit der gemittelten Unterstützung verwendet (siehe Abbildung 5).
In einem ersten Schritt wurden die Faktoren „ISR als beste Förderung“, „Schwerpunkte der
Förderplanung“, „Einstellung zu ISR“ und „Einstellung zu Diversität in der Klasse“ ins Gesamtmodell integriert, welches für die Akteure LP, SHP, SP und SL geschätzt wurde. Signifikante Zusammenhänge mit der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung zeigten sich
dabei für den Förderschwerpunkt „Umgang mit Anforderungen“ (z = -2.05, p < .05) und die
generelle Einstellung zu ISR (z = 3.11, p < .01). Folglich wurde die Angemessenheit der Förderung bei positiver Einstellung zu ISR höher bewertet und bei Nennung des Förderschwerpunkts „Umgang mit Anforderungen“ tiefer.
In einem zweiten Schritt wurde das Gesamtmodell um die Faktoren „Zusammenarbeit zwischen LP und SHP“, „Einstellung zur schulischen Integration“ und „Gewünschte Massnahmen
für ein passendes ISR-Setting“ ergänzt. Nun wurde das Modell nur noch für die Akteursgruppen LP und SHP geschätzt. In diesem erweiterten Modell wurden zusätzlich die beiden FaktoEvaluationsbericht ISR Kanton Zürich
59
ren „Zusammenarbeit zwischen LP und SHP“ (z = 2.35, p < .05) und „Gewünschte Massnahmen für ein passendes ISR-Setting“ (z = -2.93, p < .01) signifikant. Dafür entfiel der Effekt des
Förderschwerpunkts. Das heisst, während die generelle Einstellung zu ISR im erweiterten
Modell ein bedeutsamer Faktor bleibt, erweist sich auch eine positive Zusammenarbeit zwischen LP und SHP als wichtiger Faktor für eine hohe Einschätzung der Angemessenheit der
Förderung. Die wahrgenommene Angemessenheit der Förderung wird geschmälert, wenn ein
hohes Ausmass an Wünschen nach Massnahmen für ein passendes ISR-Setting besteht.
Mit einem Regressionsmodell wurde der Einfluss von elternspezifischen Faktoren („ISR als
beste Förderung“, „Schwerpunkte der Förderplanung“, „Qualität des SSG“, „Zusammenarbeit
Fachpersonen–Eltern“, „Gesprächshäufigkeit mit Klassenassistenz“ und „Berücksichtigung
individueller Lernbedürfnisse“) auf die elterliche Einschätzung der Angemessenheit der Förderung geprüft. Die Resultate zeigten, dass die empfundene Angemessenheit der Förderung
durch ein ISR-Setting als bevorzugte Förderung (β = .11, p < .05), durch gute Zusammenarbeit zwischen Fachpersonen und Eltern (β = .11, p < .05) sowie durch den Förderschwerpunkt
„Freizeit/Erholung/Gemeinschaft“ (β = .32, p < .01) positiv beeinflusst wird.
3.2 Abklärungs- und Zuweisungsverfahren
In diesem Kapitel wird anhand verschiedener Fragestellungen dargestellt, inwiefern Zuweisungen fachlich indiziert sind und nicht willkürlich oder personen- und ortsabhängig erfolgen.
Da die Beantwortung dieser Fragen nur eingeschränkt möglich ist, orientiert sich dieses Kapitel an einer Beschreibung der Einschätzung der Akteure in Bezug auf Vorgehensweisen im
Bereich der Anmeldungs- und Abklärungspraxis sowie hinsichtlich des Informationsstands der
Beteiligten.
Abklärungspraxis
Um eine Vergleichbarkeit bei der Abklärungspraxis zu erreichen, wird von der Bildungsdirektion seit Sommer 2014 das Standardisierte Abklärungsverfahren (SAV) im Kanton Zürich
schrittweise eingeführt. Das SAV basiert auf der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die
ICF wiederum basiert auf einem bio-psycho-sozialen Verständnis von Behinderung und berücksichtigt den Einfluss der Umwelt und personenbezogener Faktoren auf die Funktionsfähigkeit. Statt einer Diagnose wird dabei die Funktionsfähigkeit eines Kindes beurteilt und in
Anlehnung daran wird der Sonderschulbedarf eines Kindes begründet.
Um einen Eindruck von der bisherigen Anwendung des SAV zu gewinnen, wurden die SP gefragt, ob sie das SAV verwenden würden. Von den 63 SP, welche diese Frage beantwortet
haben, kam das SAV bei 14 Personen (22%) zur Anwendung. Das deutet darauf hin, dass die
Einführung des SAV noch nicht abgeschlossen ist.
Zuweisung zur Abklärung
Neben der Vergleichbarkeit der Abklärungspraxis soll auch eine Vergleichbarkeit der Zuweisung zur Abklärung erreicht werden. Das Ziel ist, dass alle Kinder mit besonderem Bildungsbedarf, die einen Anspruch auf eine intensivere Förderung haben und diese Förderung benötigen, einen Zugang haben. Der erste Schritt ist dabei oftmals, dass Schwierigkeiten in bestimmten Indikationsbereichen festgestellt werden.
Um ein Bild davon zu bekommen, wer diese Schwierigkeiten am stärksten wahrnimmt, wurden
die LP, SHP und Eltern gefragt, wer festgestellt habe, dass das Kind in der Schule Schwierigkeiten hatte. Abbildung 42 zeigt die Antworten zu dieser Frage auf. Daraus wird deutlich, dass
vor allem die LP und SHP Schwierigkeiten wahrgenommen hatten (32–50%), wobei die Eltern
60
PH Luzern
den Anteil der SHP auf nur 20% schätzten. Zudem gaben die Eltern an, dass vor allem sie
selbst die Probleme des Kindes erkannt hätten (60%). Therapeuteninnen und Therapeuten
oder das Kind spielten dabei insgesamt eine untergeordnete Rolle. Von den Eltern wurden
auch andere Personen genannt. Dabei gaben sie an, dass die Kindergartenlehrperson (15%)
oder die Pädiaterin respektive der Pädiater (9%) auf Schwierigkeiten des Kindes hingewiesen
hätten. Unter der Kategorie „andere“ (13%) berichteten die Eltern, dass der besondere Bildungsbedarf schon vor Schuleintritt klar gewesen sei (14 Nennungen) oder die Spielgruppenleitung die Problematik erkannt habe (7 Nennungen). Auch der SPD wurde von den Eltern
genannt (5 Nennungen).
Wahrnehmung von Schwierigkeiten des Kindes
32%
Lehrperson
42%
Schul. Heilpädagoge/-in
20%
28%
Eltern
Therapeut/-in
12%
Kind
7%
6%
* LP–Eltern
* SHP–Eltern
60%
* SHP–Eltern
39%
30%
* LP–SHP
15%
Pädiater/-in
9%
andere
Eltern
32%
12%
Kindergärtner/-in
SHP
* LP–Eltern
* SHP–Eltern
50%
16%
19%
Weiss nicht
LP
* LP–SHP
* LP–Eltern
50%
47%
13%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Abbildung 42: Angaben der LP (n = 244), SHP (n = 257) und Eltern (n = 204) zur Wahrnehmung von Schwierigkeiten des Kindes. Frage: „Wer stellte fest, dass das Kind Schwierigkeiten hat in der Schule?“
Fällt ein Kind wegen Schwierigkeiten in der Schule oder im Kindergarten auf, wird es oftmals
für eine Abklärung beim SPD angemeldet. Die Eltern wurden gefragt, wer die Idee dazu gehabt habe.
Idee zur Anmeldung beim SPD
Lehrperson
44%
Wir Eltern
39%
Schul. Heilpädagoge/-in
16%
Kindergärtner/-in
12%
Therapeut/-in
9%
Kinderarzt
8%
anderes
Eltern
10%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
Abbildung 43: Angaben der Eltern (n = 208) zur Idee für die Anmeldung beim SPD. Frage: „Wer hatte die Idee zur
Anmeldung beim SPD?“
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
61
Aus Abbildung 43 wird erkennbar, dass vorwiegend die Eltern (39%) und die LP (44%) die
Idee für die Anmeldung beim SPD hatten. Unter der Kategorie „anderes“ wurden folgende
Angaben zusammengefasst: „Setting bestand schon in der vorherigen Schulstufe“ (7 Nennungen), „Spielgruppenleitung/Früherzieherin“ (5 Nennungen), „SL“ (6 Nennungen) oder „Kind
musste für die Einschulung abgeklärt werden“ (4 Nennungen).
Wie aus Abbildung 43 hervorgeht, spielten die LP eine wichtige Rolle bei der Anmeldung eines
Kindes beim SPD. Die LP wurden daher zusätzlich gefragt, wie viele Schülerinnen und Schüler sie im laufenden Schuljahr für eine Abklärung bezüglich eines möglichen Sonderschulungsbedarfs beim SPD angemeldet hätten. Im Schnitt gaben die LP an, ein Kind angemeldet
zu haben (M = 1.0, SD = 1.2). Zudem hatten ca. 16–20% der LP zwei Kinder und ca. 8% der
LP drei Kinder beim SPD angemeldet.
Auch die SL wurden gefragt, wie viele Abklärungen im letzten Jahr gesamthaft an der Schuleinheit durchgeführt worden seien und wie viele Abklärungen momentan gerade an der Schuleinheit laufen würden. Die SL gaben dabei für das letzte Jahr im Schnitt 13 Abklärungen an
(M = 12.7, SD = 12.0), wobei – wie Abbildung 44 zeigt – die Spanne von 0 bis 59 Abklärungen
reichte.10 Zudem wurden bei den laufenden Abklärungen im Schnitt deren vier angegeben (M
= 4.3, SD = 8.4). Abbildung 44 zeigt die prozentuale Anzahl der Abklärungen an der Schule im
Vergleich mit der prozentualen Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit ISR an der Schuleinheit (basierend auf den Daten der Bildungsstatistik). Daraus geht hervor, dass die Anzahl der
Abklärungen im laufenden Schuljahr, mit Ausnahme des Bereichs 0–2 Schülerinnen und
Schüler, ähnlich verteilt ist wie die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit ISR pro Schuleinheit. Die höhere Anzahl der bestehenden Schülerinnen und Schüler könnte daraus resultieren,
dass dort auch Schülerinnen und Schüler mit eingerechnet wurden, die auch in den Jahren
zuvor bereits ISR erhielten. Bei den Abklärungen im vergangen Schuljahr zeigen sich Peaks
von 10–15% bei 10, 12, 15 sowie 20 Abklärungen.
30
25
20
15
10
61—70
51—60
41—50
31—40
20
21—30
Anzahl Schüler/innen bzw. Abklärungen
19
18
17
16
15
14
13
11
12
9
10
8
7
6
5
4
3
2
0
1
5
0
Prozentuale Häufigkeit
Anzahl Abklärungen beim SPD (Angabe SL)
Anzahl Abklärungen im letzten Schuljahr
Anzahl Schüler/-innen mit ISR an der Schuleinheit
Anzahl Abklärungen laufend
Abbildung 44: Prozentuale Häufigkeit der Einschätzungen der SL (n = 91–94) zur Anzahl Abklärungen beim SPD
im letzten Schuljahr und zur Anzahl der laufenden Abklärungen. Frage 1: „Wie viele Abklärungen beim SPD wurden
im letzten Schuljahr gesamthaft an der Schule, für die Sie zuständig sind, durchgeführt?“ (grün), offenes Antwortfeld; Frage 2: „Wie viele Abklärungen laufen momentan gesamthaft an Ihrer Schule?“ (braun), offenes Antwortfeld.
Zudem: Angaben der Bildungsstatistik zur Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit ISR an der Schuleinheit
(schwarz).
10
Die Schuleinheiten waren unterschiedlich gross. In Abbildung 44 werden daher in Bezug auf die Grösse der
jeweiligen Schuleinheit relativierte Zahlen angegeben.
a
62
PH Luzern
Nicht immer, wenn Schwierigkeiten auftauchen, wird ein Kind beim SPD angemeldet. Schulen
versuchen auch Alternativlösungen zu finden. Die SL wurden daher gefragt, ob sie jeweils
alternative Lösungen zu einer Abklärung suchen würden. 96 von 117 (82%) SL beantworteten
diese Frage mit Ja. Folgende Alternativlösungen wurden genannt: „Massnahmen im Klassenverband“ (IF, Klassenassistenz, Seniorinnen und Senioren im Unterricht, Zivildienstleistende)
(59 Nennungen), „Massnahmen in separierter Förderung“ (34 Nennungen), „Ausserschulische
Massnahmen mit Eltern besprechen“ (z.B. Therapie, Erziehungsberatung) (14 Nennungen),
„Austausch zwischen Fachpersonen“ (15 Nennungen) und „Schulsozialarbeit“ (6 Nennungen).
Vereinzelt wurden auch Massnahmen wie Coaching der Lehrpersonen oder Schulsozialarbeit
genannt.
Die Anzahl Anmeldungen pro Schuleinheit könnte auch mit dem vorhandenen Fachwissen
und den Einstellungen der LP, SL und SHP zusammenhängen. Um dieser Frage nachzugehen, wurde eine Mehrebenenanalyse gerechnet, bei der das Fachwissen, die Einstellung zu
Diversität sowie die Einstellung zur schulischen Integration einbezogen wurden. Die Resultate
ergaben, dass das vorhandene Fachwissen an der Schule tendenziell mit der Anzahl Abklärungen beim SPD zusammenhängt, wobei bei einem hohen Fachwissen weniger Anmeldungen zu verzeichnen sind (z = -1.7, p = .09).
Wenn diese Alternativlösungen nicht zu einer Verbesserung der Situation beitragen, werden
die Kinder beim SPD angemeldet. Dabei gehen Schulen unterschiedlich vor. Die SL wurden
gefragt, welche Schritte vor einer Abklärung unternommen würden. Dabei waren pro Person
mehrere Antworten möglich. Die Antworten auf diese Frage sind in der Abbildung 45 dargestellt. So muss die Anmeldung bei 97% durch LP oder SHP bei der SL begründet werden und
erfordert bei 85% die Zustimmung der SL. Bei 85% wird zuerst ein SSG durchgeführt und bei
82% werden zuvor die Eltern angehört. Da mehrere Antworten möglich waren, bedeutet dies,
dass die ersten vier Schritte (Zustimmung der SL, Begründung der Anmeldung, Anhörung der
Eltern, SSG) mehr oder weniger standardmässig bei allen Anmeldungen durchgeführt werden.
Beispielweise wurden die Bereiche 1 bis 3 („Zustimmung der SL“ bis „Anhörung der Eltern“)
von 66% der SL gleichzeitig ausgewählt. 58% der SL wählten alle vier Bereiche als notwendige Schritte vor der Anmeldung aus. Das könnte daran liegen, dass sich die Antwortoptionen
„SSG“ und „Anhörung der Eltern“ überschneiden. In Übereinstimmung mit dieser Annahme
wählten 72% der SL gleichzeitig die Bereiche „Anhörung der Eltern“ und „SSG“. Unter der Kategorie „anderes“ wurden Angaben wie „Fachteam/interdisziplinäre Fachrunde / Jahrgangsteam“ (13 Nennungen), „Beratung durch den SPD“ (8 Nennungen), „Fachberatung oder Einfordern externer Berichte“ (7 Nennungen), „Formales Anmeldegespräch mit den Eltern“ (8
Nennungen), „Externe Fachberatung“ (1 Nennung) und „Vorgeschichte von der Vorgänger-LP“
(1 Nennung) zusammengefasst. Es wird also ersichtlich, dass neben einer offiziellen Anhörung der Eltern in zusätzlich 7% der Antworten (8 Nennungen) ein formales Gespräch mit den
Eltern als nötiger Schritt angegeben wurde.
Die Antworten deuten insgesamt darauf hin, dass vor einer Anmeldung in nahezu allen Fällen
die Eltern sowie die SL einbezogen werden und ein Austausch zwischen den beteiligten Personen stattfindet. In 15% der Fälle wurde vor der Anmeldung beim SPD jedoch kein offizielles
SSG durchgeführt.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
63
Nötige Schritte von einer Anmeldung beim SPD
Zustimmung der Schulleitung
85%
Begründung der Anmeldung durch die LP/SHP
97%
Anhörung der Eltern
82%
SSG
85%
Anderes
SL
31%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Abbildung 45: Angaben der SL (n = 117) zu den nötigen Schritten vor einer Anmeldung beim SPD. Frage: „Was
wird alles vor einer Abklärung beim SPD unternommen?“ (mehrere Antworten möglich).
Zuweisung zur Sonderschulung
Wird im Rahmen einer Abklärung durch den SPD ein Sonderschulbedarf festgestellt, spricht
die Psychologin respektive der Psychologe eine Empfehlung an die Schulpflege aus. Nach
dem Entscheid der Schulpflege wird über die Zuweisung der ISR-Ressourcen entschieden.
Die SP wurden dementsprechend gefragt, ob es in der Schulgemeinde, in der sie arbeiten, ein
klares Zuweisungsverfahren für die Verteilung der ISR-Ressourcen gebe. 45 der 61 (74%)
befragten SP bejahten die Frage.
Um sicherzustellen, dass genügend Ressourcen vorhanden sind, damit alle Kinder mit Sonderschulbedarf eine Zuweisung erhalten, muss in einem ersten Schritt der Bedarf möglichst
genau erfasst werden. Da eine solche Bedarfserfassung aufgrund dieser Befragung nicht
möglich war, wurden die SP um eine Einschätzung gebeten, ob ISR für gewisse Schülerinnen
und Schüler mit besonderen Bedürfnissen vermehrt eingesetzt werden sollte. Aufgrund dieser
Einschätzung konnte ein ungefähres Bild von möglichen Bereichen gewonnen werden, in welchen noch ein Bedarf bestehen könnte. 29 der 64 befragten SP (45%) beantworteten die Frage mit Ja. Diese Personen wurden weiter gefragt, für welche Schülerinnen und Schüler mit
spezifischen Bedürfnissen ISR vermehrt eingesetzt werden sollte. Abbildung 46 zeigt die Antwortmöglichkeiten und den prozentualen Anteil der Antworten der SP. 66% respektive 62%
der SP gaben an, dass ISR vermehrt für Kinder mit Konzentrationsstörungen respektive im
Grenzbereich „Lernbehinderung – geistige Behinderung“ eingesetzt werden sollte. Danach
wurden Kinder mit einer Lernbehinderung (48%), Kinder mit sprachlichen Schwierigkeiten
(48%), Kinder mit Schwierigkeiten im Sozialverhalten (48%) sowie Kinder mit Sinnesbeeinträchtigungen (41%) und solche mit einer geistigen Behinderung (41%) genannt. Ein Drittel
der SP gab zudem an, dass die Ressource ISR auch für Kinder mit tief greifenden Entwicklungsstörungen, Kinder mit Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten oder Kinder mit
körperlichen Benachteiligungen eingesetzt werden könnte.
64
PH Luzern
Die Ressource ISR sollte vermehrt eingesetzt werden für..
66%
Kinder mit Konzentrationsstörungen
Kinder im Grenzbereich Lernbehinderung — geistige
Behinderung
62%
Kinder mit einer Lernbehinderung
48%
Kinder mit sprachlichen Schwierigkeiten
48%
Kinder mit Schwierigkeiten im Sozialverhalten
48%
Kinder mit einer geistigen Behinderung
41%
Kinder mit Sinnesbeeinträchtigungen
41%
Kinder mit tief greifenden Entwicklungsstörungen
31%
Kinder mit Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
31%
Kinder mit körperlichen Benachteiligungen
31%
Kinder mit Mehrfachbehinderungen
14%
Kinder mit emotionalen Problemen
10%
0%
SP
20%
40%
60%
80%
100%
Abbildung 46: Prozentuale Angaben der Antworten der SP (n = 29) in Bezug auf den vermehrten Einsatz von ISR
für bestimmte Arten von spezifischen Bedürfnissen. Frage: „Für welche Schülerinnen und Schüler mit spezifischen
Bedürfnissen soll ISR vermehrt eingesetzt werden?“ (mehrere Antworten möglich).
3.2.1
Übereinstimmung zwischen Zuweisungsverfahren und gesetzlichen Grundlagen
Um erfassen zu können, ob die gesetzlichen Grundlagen für das Zuweisungsverfahren eingehalten werden, wurden den SL verschiedene Fragen zur Regelung von Abläufen und zur Einhaltung dieser Abläufe an ihrer Schuleinheit gestellt. Die SL konnten auf jede dieser Fragen
auf einer Skala von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) die passende Option
auswählen. Aus diesen Items wurde danach die Skala „Ablauf“ gebildet (Reliabilität von α =
77; siehe Abbildung 47).
Abläufe und deren Einhaltung
Der Ablauf zur Anmeldung beim SPD ist an unserer Schule
verbindlich festgehalten.
4.75
Der Ablauf der Förderplanung ist an unserer Schule
verbindlich festgehalten.
3.9
Der Ablauf des SSG ist an unserer Schule verbindlich
festgehalten.
4.6
Der Ablauf zur Anmeldung beim SPD wird von den LP
eingehalten.
4.4
Der Ablauf bei der Förderplanung wird von den LP
eingehalten.
3.9
Der Ablauf und die Planung des SSG werden von den LP
eingehalten.
4.2
Skala Ablauf
SL
4.3
1
2
3
4
5
Abbildung 47: Antworten der SL (n = 115–117) in Bezug auf Abläufe. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden
Aussagen?“
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
65
Die durchschnittlichen Antworten der SL fielen mit Werten zwischen 3.9 und 4.75 eher hoch
aus (siehe Abbildung 47). Der Ablauf zur Anmeldung beim SPD scheint verbindlich geregelt zu
sein und wird den Angaben der SL zufolge auch tatsächlich eingehalten. Ähnlich sehen die
Werte für die Regelungen zum SSG aus. Einzig bei der Förderplanung liegen die Werte tiefer,
was bedeutet, dass hier noch ein Optimierungsbedarf bestehen könnte.
In einem weiteren Schritt wurde getestet, ob die Einhaltung von Abläufen mit der Erfahrung
und dem vorhandenen Wissen zusammenhängt (multiples Regressionsmodell mit den Angaben der SL [n = 113]). Dabei wurden die Skala „Wissen“, die Erfahrung mit ISR (zeitliche Dauer) sowie die Anzahl Schülerinnen und Schüler mit ISR im Schulhaus untersucht. Die Resultate ergaben, dass das vorhandene Fachwissen an der Schule signifikant mit der Einhaltung von
Abläufen einhergeht (β = .30, p <.01).
3.2.2
Information der Erziehungsberechtigten über Rechte, Pflichten und Anlaufstellen
bei Schwierigkeiten
Auch die Information der Eltern stellt eine gesetzliche Grundlage dar. So haben die Eltern per
Gesetz Anrecht auf transparente und regelmässige Information sowie ein Recht auf Mitwirkung (§§ 50–53 VSG). Um den Informationsstand der Eltern bezüglich der ISR ihres Kindes zu
erfassen, wurden verschiedene Fragen gestellt. Die LP und SHP wurden gefragt, ob die Eltern
mit der Abklärung beim SPD einverstanden gewesen seien. Nur in 1% respektive 0.5% der
Fälle war dies nach Angaben der LP (n = 241) respektive SHP (n = 253) nicht der Fall. Zudem
wurden die SHP und SP gefragt, ob viele Gespräche nötig gewesen seien, damit die Eltern
der ISR ihres Kindes zustimmen konnten. 19% der SHP (n = 232) und 20% der SP (n = 127)
bejahten diese Frage. Des Weiteren wurden die Eltern, SHP und SP gefragt, ob den Eltern
klar gewesen sei, dass das Kind offiziell als Sonderschülerin oder Sonderschüler gelte, und ob
sie über das Beschwerderecht informiert worden seien (siehe Abbildung 48).
Informationsstand der Eltern
77%
Ist den Eltern klar, dass ihr Kind offiziell als
Sonderschülerin/Sonderschüler gilt?
79%
96%
Wurden die Eltern darüber informiert, dass sie
das Recht haben, gegen den Entscheid der
Sonderschulung Beschwerde einzulegen?
SHP
Eltern
SP
61%
100%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Abbildung 48: Prozentuale Angaben der Antworten der SHP (n = 251), Eltern (n = 202–207) und SP (n = 124–127)
in Bezug auf den Informationsstand der Eltern.
23% respektive 21% der Eltern sei es nach Angaben der SHP respektive der Eltern selbst
nicht klar gewesen, dass ihr Kind offiziell als Sonderschülerin oder Sonderschüler gelte. Zudem wurden 39% der Eltern nicht über das Beschwerderecht informiert. Nach Angaben der
SP besteht bei den Eltern zu 96% Klarheit über den Sonderschulstatus und die Eltern seien
über das Beschwerderecht informiert worden. Diese Diskrepanz deutet darauf hin, dass diese
Informationen bei den Eltern nicht bewusst angekommen sein dürften.
66
PH Luzern
Den Eltern wurden ergänzend drei weitere Fragen bezüglich des Informationsgrads gestellt
(siehe Abbildung 50). Mehr als die Hälfte der Eltern fühlten sich sowohl während des Abklärungsprozesses als auch in Bezug auf die ISR ihres Kindes umfassend informiert. Rund 30%
der Eltern geben an, nur ungenügend informiert worden zu sein.
Wurden Sie darüber
informiert, an wen Sie sich bei
Fragen während des
gesamten Abklärungsprozesses wenden können?
Haben Sie vom SPD
Informationen in schriftlicher
Form erhalten?
Fühlen Sie sich genügend
informiert über die integrierte
Sonderschulung?
nein
nein
nein
ja, aber nur ungenügend
ja, aber nur ungenügend
ja, aber nur ungenügend
ja
ja
ja
voll und ganz
voll und ganz
voll und ganz
21%
14%
14%
10%
55%
18%
19%
15%
6%
61%
13%
54%
Abbildung 49: Fragen zum Informationsstand. Prozentuale Angaben der Antworten der Eltern (n = 207–208).
Zusammenhang verschiedener Faktoren des Abklärungs- und Zuweisungsverfahren mit
der Einschätzung der Angemessenheit der Förderung insgesamt
Kriterien für verschiedene Bereiche des Abklärungs- und Zuweisungsverfahren wie das Einhalten von Abläufen bei der Anmeldung des Kindes beim SPD, der Informationsstand der Eltern sowie die Anzahl der Abklärungen an einer Schuleinheit (relativiert an der Schülerzahl der
Schuleinheit) könnten mit der Einschätzung der Angemessenheit der Förderung des Kindes
zusammenhängen. Um der Frage nachzugehen, ob ein solcher Zusammenhang besteht und
welches Kriterium am stärksten mit der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung des
Kindes einhergeht, wurde ein Mehrebenenmodell gerechnet, das diese Variablen enthält. Die
Analysen ergaben einen tendenziell positiven Zusammenhang der Beurteilung der Angemessenheit der Förderung des Kindes sowohl mit der Einhaltung von Abläufen bei Abklärungen
beim SPD (z = 1.74, p = .08) als auch mit der Einhaltung von Abläufen bezüglich der Planung
und Durchführung des SSG (z = 1.78, p = .08). Zudem bestand ein knapp signifikanter negativer Zusammenhang zwischen der verbindlichen Festhaltung des Ablaufs bezüglich des SSG
und der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung des Kindes (z = -1.87, p = .06). Die
anderen Zusammenhänge waren nicht signifikant.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
67
3.3 Integration in den Klassenverband
3.3.1
Soziale Integration von Kindern mit ISR
Ein wichtiges Gütekriterium für die schulische Integration ist die soziale Integration des Kindes
in den Klassenverband. Gemäss der Definition der OECD (1995) bezieht sich Integration und
Inklusion auf einen Prozess, der die sozialen Interaktionen zwischen Kindern mit und ohne
besonderen Bildungsbedarf maximiert. Nach Cullinan, Sabornie und Crossland (1992) ist ein
Kind erst dann integriert, wenn es neben der Erfüllung anderer Kriterien wie dem Aspekt der
sozialen Akzeptanz über mindestens eine Freundschaft verfügt. Vor diesem Hintergrund wurden die Eltern, LP, SHP und SP um eine Auskunft dazu gebeten, ob das betreffende Kind einen besten Freund respektive eine beste Freundin habe.
Nebst der Existenz von Freundschaften ist auch die aktive Teilnahme an Gruppenaktivitäten
ein Kriterium für die soziale Inklusion eines Kindes (Cullinan et al., 1992; Farell, 2000). Um ein
möglichst vollständiges Bild der schulischen Integration von Kindern mit besonderem Bildungsbedarf zu gewinnen, wurde daher auch deren soziale Eingebundenheit in
Schülercliquen erhoben (Estell et al., 2008; Frostad & Pijl, 2007). Die Eltern, LP, SHP und SP
wurden entsprechend gefragt, ob das Kind Mitglied einer Schülerclique ist. Abbildung 50 dokumentiert die Antworten auf die beiden Fragen.
Freundschaften und Cliquen
76%
Beste/-r Freund/-in vorhanden
* Eltern–LP
* Eltern–SHP
50%
51%
46%
Mitgliedschaft in einer Schülerclique
38%
45%
Eltern
SHP
LP
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Abbildung 50: Prozentuale Angaben der Antworten der SHP (n = 246–249), Eltern (n = 206–208) und LP (n = 239–
240) in Bezug auf Freundschaften und Cliquen von Kindern mit ISR. Frage 1: „Hat das Kind einen besten
Freund/eine beste Freundin?“; Frage 2: „Ist das Kind in einer Freundschafts-Clique?“ Statistisches Verfahren:
GLMM: Generalisiertes Mehrebenenmodell. * = signifikanter Unterschied.
Die Hälfte der LP und SHP gab an, dass das Kind eine beste Freundin oder einen besten
Freund habe. In den Analysen wurde deutlich, dass die Eltern (mit 76%) im Vergleich zu LP
und SHP eine signifikant positivere Einschätzung in Bezug auf das Vorhandensein einer besten Freundin oder eines besten Freundes vornahmen. Dabei bleibt jedoch unklar, ob die Eltern
sich bei ihren Angaben nur auf das schulische Umfeld bezogen haben oder bei ihrer Antwort
auch Freundschaften des Kindes in anderen Bereichen berücksichtigt haben. Bei der Zugehörigkeit des Kindes zu einer Schülerclique bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Eltern, LP und SHP. So gaben jeweils 38–46% an, dass das Kind Mitglied einer
Schülerclique sei.
68
PH Luzern
Soziale Interaktionen mit den Mitschülerinnen und Mitschülern
Abgesehen von den Aspekten der Freundschaften und der Cliquenmitgliedschaft wurde auch
beurteilt, wie sich die Beziehungen des Kindes zu seinen Mitschülerinnen und Mitschülern
generell gestalten. Folglich beurteilten die LP, SHP und SP auf einer Skala von 1 („trifft gar
nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“), inwiefern es dem Kind leichtfalle, Freundinnen und
Freunde zu finden, und ob es die Pause mit Klassenkameradinnen und Klassenkameraden
verbringe. Aus diesen beiden Items wurde die Skala „Peerbeziehungen“ gebildet (Reliabilität
von α = .63–.78). Der geschätzte Mittelwert für diese Skala lag für alle drei Akteursgruppen bei
3.5. Dies bedeutet, dass die Befragten mehrheitlich die Kategorien „teils, teils“ und „trifft eher
zu“ gewählt hatten.
Zeitlicher Umfang der Teilnahme der Sonderschülerinnen und Sonderschüler am Unterricht
Um den zeitlichen Umfang der Teilnahme der Sonderschülerinnen und Sonderschüler am
Klassenunterricht einzuschätzen, wurden die SHP um eine zeitbezogene Beurteilung der Anteilnahme des Kindes am Unterricht gebeten (siehe Abbildung 51). Wie die Auswertungen der
Antworten zeigen, werden die Schülerinnen und Schüler mit ISR mehrheitlich integrativ gefördert. Nur 4% der SHP gaben an, dass das Kind weniger als einen Drittel der Zeit im Unterricht
beschult werde.
Zeitliche Teilnahme am Unterricht
weniger als 1/3
4%
ca. 50%
15%
mehr als 2/3
SHP
81%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
Abbildung 51: Prozentuale Angaben der Antworten der SHP (n = 254) in Bezug auf den zeitlichen Umfang der
Teilnahme der Sonderschülerinnen und Sonderschüler am Unterricht. Frage: „In welchem Anteil nimmt das Kind
am Klassenunterricht teil?“
Die Eltern (n = 200) beurteilten auf einer Skala von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und
ganz zu“) die folgende Aussage: „Unser Kind erhält im Rahmen der Integrierten Sonderschulung zu viel spezifische Förderung ausserhalb des Unterrichts.“ Der Mittelwert für dieses Item
lag bei M = 1.9. Dies bedeutet, dass die Eltern im Durchschnitt eher nicht der Ansicht waren,
dass ihr Kind zu viel spezifische Förderung ausserhalb des Unterrichts Dieser Befund deckt
sich mit den Angaben der SHP.
Partizipation am Unterrichtsgeschehen
Um die Partizipation der Sonderschülerinnen und Sonderschüler am Unterricht zu bestimmen,
wurden die LP, SHP und SP gefragt, inwiefern das Kind seinen Möglichkeiten entsprechend
aktiv am Unterricht teilnehme (Skala von 1 = „trifft gar nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“).
Ein Teil der Partizipation besteht in der Mitbestimmung des Kindes darüber, wann es an den
Aktivitäten der Klasse teilnehmen möchte. Partizipation wird u.a. definiert als verbindliche Einflussnahme von Kindern und Jugendlichen auf unterrichtsbezogene Planungs- und Entscheidungsprozesse, von denen sie betroffen sind (Jaun, 1999). In Anlehnung an diese Definition
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
69
wurde die Mitbestimmung des Kindes mit dem folgenden Item auf einer Skala von 1 („trifft gar
nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“) eingeschätzt: „Das Kind hat ein Mitbestimmungsrecht,
wann es an den Aktivitäten der Klasse teilnehmen möchte.“ SHP und LP schätzten11 die aktive
Teilnahme des Kindes am Unterricht leicht positiv ein (siehe Abbildung 52), wobei die SHP die
Teilnahme des Kindes signifikant höher bewerteten als die LP.
Partizipation am Unterrichtsgeschehen
4.1
Das Kind nimmt seinen Möglichkeiten
entsprechend aktiv am Unterricht teil.
3.8
Das Kind hat ein Mitbestimmungsrecht,
wann es an den Aktivitäten der Klasse
teilnehmen möchte.
SHP
LP
* LP–SHP
3.4
3.4
1
2
3
4
5
Abbildung 52: Angaben der geschätzten Mittelwerte der SHP (n = 245–254) und LP (n =236–241) für die Partizipation am Unterrichtsgeschehen. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden Aussagen?“ Statistisches Verfahren:
Mehrebenenanalyse für ordinalskalierte Daten (CLMM). * = signifikanter Unterschied.
Das Mitbestimmungsrecht der Kinder mit ISR scheint eher von Eigenschaften der Lehrperson
und der Art der Unterrichtsgestaltung abhängig zu sein als von Eigenschaften des Kindes, wie
der niedrige ICC1-Wert zeigt (ICC1 = .02). Das Mitbestimmungsrecht wurde im Schnitt von
allen Fachpersonen mit „teils, teils“ bis „trifft eher zu“ beurteilt.
Auch die Eltern schätzten die Teilnahme ihres Kindes am Unterricht ein und beurteilten folgende Aussage (Skala von 1 = „trifft gar nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“): „Unser Kind
nimmt nicht wirklich am Unterricht teil.“ Die Eltern beantworteten diese Frage im Schnitt mit
„trifft eher nicht zu“ (M = 2.0). Mit anderen Worten bedeutet dies: Die Eltern waren durchschnittlich der Ansicht, dass ihr Kind eher am Unterricht teilnehme. 47% der Eltern nahmen
dabei wahr, dass ihr Kind voll und ganz am Unterricht teilnehme, und lediglich 2% dachten,
dass ihr Kind gar nicht am Unterricht teilnehme (n = 207).
Wohlbefinden des Kindes
Das Wohlbefinden des Kindes wurde mittels einer Skala aus drei Items gemessen, wobei die
Eltern, LP, SHP und SP beurteilten, ob sich das Kind in der Klasse wohlfühle, ob es dem Kind
in der Schule gefalle und ob das Kind den Eindruck erwecke, dass es viele Sorgen habe (Skala von 1 = „trifft gar nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“). Letzteres Item wurde recodiert, da
es negativ formuliert war. Die Skala ergab – je nach Akteursgruppe, welche die Einschätzung
vornahm – eine akzeptable bis gute Reliabilität (α = .65–.89).
Das Wohlbefinden wurde über alle drei Aussagen hinweg durchschnittlich mit „trifft eher zu“
eingeschätzt (siehe Abbildung 53). Dies bedeutet, dass LP, SHP, SPD und Eltern durchschnittlich den Eindruck hatten, dass sich das Kind wohlfühle, es dem Kind in der Schule gefalle und es nicht häufig bedrückt wirke. Dabei nahmen die SP die kritischste Perspektive ein,
wobei sich ihre Einschätzungen signifikant von jenen der LP, SHP und Eltern unterschieden.
Die Eltern nahmen demgegenüber die positivste Perspektive ein.
11
70
Bei den Items konnte überall „keine Angabe / weiss nicht“ gewählt werden.
PH Luzern
Wohlbefinden des Kindes
4.3
* SP–Eltern
* SP–LP
* SP–SHP
3.9
Wohlbefinden des
Kindes
4.2
4.2
1
2
3
Eltern
SP
4
SHP
5
LP
Abbildung 53: Angaben der geschätzten Mittelwerte der SHP (n = 254), SP (n = 116), LP (n = 242) und Eltern (n =
208) für das Wohlbefinden des Kindes (z.B. „Dem Kind gefällt es in der Schule“). Statistisches Verfahren:
Mehrebenenanalyse. * = signifikanter Unterschied.
Zusammenhang zwischen der sozialen Integration und der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung
Ob die Eltern, LP, SHP und SP die Förderung im Rahmen der ISR als angemessen einschätzten, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einer davon ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die
soziale Integration des Kindes. Um dieser Frage nachzugehen, wurde getestet, ob die verschiedenen Aspekte der sozialen Integration, die bisher thematisiert wurden, die durchschnittliche Einschätzung der Angemessenheit der Förderung vorherzusagen vermögen.
Zusammenhang der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung mit Freundschaften und
Cliquenzugehörigkeit
In einem ersten Schritt wurde der Zusammenhang von Freundschaften und Cliquenzugehörigkeit mit der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung mittels einer Mehrebenenanalyse
getestet. Dazu wurden die Angaben der Eltern, LP und SHP ins Modell einbezogen, wobei das
Modell Unterschiede zwischen den verschiedenen Akteuren in der Beurteilung der Freundschaften, der Cliquenzugehörigkeit und der wahrgenommenen Angemessenheit der Förderung berücksichtigte. Die Ergebnisse zeigen Folgendes: Die Zugehörigkeit zu einer Schülerclique hängt positiv mit der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung zusammen (z =
1.73, p < .05, einseitiges Signifikanzniveau). Das bedeutet, dass die Förderung des Kindes im
Rahmen der ISR von den Akteuren insgesamt positiver beurteilt wurde, wenn das Kind ihrer
Ansicht nach in einer Schülerclique war. Zwischen dem Vorhandensein einer besten Freundin
oder eines besten Freundes und der Einschätzung der Angemessenheit der Förderung bestand demgegenüber kein signifikanter Zusammenhang.
Zusammenhang der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung mit dem Wohlbefinden
und der Partizipation im Unterricht
In einem weiteren Schritt wurden Wohlbefinden und Partizipation im Unterricht in das Modell
eingefügt, wobei nur die Einschätzungen der LP und der SHP berücksichtigt wurden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine höhere Partizipation am Unterrichtsgeschehen (z = 4.6,
p < 0.001) sowie das Wohlbefinden des Kindes (z = 4.5, p < 0.001) mit einer als höher empfundenen Angemessenheit der Förderung im Rahmen der ISR einhergingen. Wurden diese
beiden Aspekte berücksichtigt, war der Zusammenhang zwischen der Cliquenzugehörigkeit
und der eingeschätzten Angemessenheit der Förderung nicht mehr signifikant. Das bedeutet,
dass die Partizipation am Unterrichtsgeschehen und das Wohlbefinden des Kindes stärker
gewichtet werden als die Cliquenzugehörigkeit, wenn die Angemessenheit der Förderung im
Rahmen von ISR eingeschätzt wird.
Zusammenhänge des Wohlbefindens, der Partizipation am Unterricht, der sozialen Interaktionen des Kindes sowie der Freundschaften und der Cliquenzugehörigkeit: Was ist am wichtigsten für die Einschätzung der Angemessenheit der Förderung?
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
71
Diese Zusammenhänge sind jedoch noch etwas komplexer: Das Wohlbefinden des Kindes
wurde signifikant positiv durch die Partizipation am Unterricht („Das Kind nimmt seinen Möglichkeiten entsprechend aktiv am Unterricht teil“; z = 5.5, p < 0.001) sowie durch die sozialen
Interaktionen mit den Mitschülerinnen und Mitschülern (z = 8.0, p < 0.001) vorhergesagt. Die
Skala „Soziale Interaktionen“ beschreibt die Art, wie Peerbeziehungen gestaltet werden. Dies
hing wiederum davon ab, ob das Kind eine beste Freundin oder einen besten Freund hatte (z
= 5.1, p < 0.001) oder in einer Clique war (z = 8.7, p < 0.001). Das heisst, dass die sozialen
Interaktionen des Kindes von LP, SHP und SP beim Vorhandensein einer engen Beziehung
respektive bei Mitgliedschaft in einer Schülerclique positiver bewertet wurden. Dies wiederum
bedeutet, dass es für das Kind einfacher war, Freundinnen und Freunde zu finden, wenn es
positive soziale Interaktionen mit Mitschülerinnen und Mitschülern unterhalten konnte.
Da die Hypothesentestung nichts über die Richtung des Zusammenhanges aussagt, ist auch
eine andere Interpretation denkbar: Fällt es dem Kind leicht, Freundinnen und Freunde zu
finden, wird es mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch eher Mitglied einer Schülerclique
sein. Wichtige Faktoren für das Wohlbefinden und somit auch für die Beurteilung der Angemessenheit der Förderung des Kindes im ISR-Setting sind folglich mit direkter Wirkung sowohl
Partizipation und soziale Interaktion als auch das Vorhandensein einer besten Freundin oder
eines besten Freundes und die Zugehörigkeit zu einer Schülerclique, dies jedoch mit indirekter
Wirkung, nämlich vermittelt über die sozialen Interaktionen.
Zusammenhang der sozialen Integration mit der Indikation des Kindes
Da diese berichteten Zusammenhänge auch von der Indikation des Kindes abhängig sein
könnten, wurden für die sozialen Interaktionen, das Wohlbefinden und die Partizipation am
Unterricht jeweils die verschiedenen Indikationen bezüglich des Schwerpunktes in der Förderung des Kindes gemäss ICF berücksichtigt. Da weitaus mehr SHP als SP an der OnlineUmfrage teilgenommen hatten und somit von der erstgenannten Akteursgruppe mehr Informationen bezüglich des Förderschwerpunktes vorlagen, wurden die Analysen auf die Angaben
der SHP gestützt (siehe Abbildung 7). Die Resultate dieser Analysen zeigen, dass für Kinder
mit dem Förderschwerpunkt „Sprache“ (z = 2.2, p < .05) ein signifikant höheres Wohlbefinden
eingeschätzt wurde als für Kinder ohne diesen Förderschwerpunkt. Für Kinder mit den Förderschwerpunkten „Mathematik“ (z = -3.1, p < .01) und „Umgang mit Menschen“ (z = -3.0, p <
.01) resultierte ein signifikant negativer Zusammenhang mit dem Wohlbefinden. Die anderen
Förderschwerpunkte hingen im Gegensatz dazu nicht signifikant mit dem Wohlbefinden zusammen.
Was die sozialen Interaktionen betrifft, so wurden diese für Kinder mit dem Förderschwerpunkt
„Umgang mit Menschen“ (z = 2.1, p < .05) signifikant tiefer und für Kinder mit dem Förderschwerpunkt „Allgemeines Lernen“ (z = -5.6, p < .001) signifikant höher eingeschätzt als für
Kinder ohne diese Förderschwerpunkte. Für die anderen Förderschwerpunkte zeigten sich
keine signifikanten Zusammenhänge. In Bezug auf die Partizipation am Unterricht wurden
Kinder mit dem Förderschwerpunkt „Umgang mit Anforderungen“ (z = -2.0, p < .05) tiefer eingeschätzt als Kinder ohne diesen Förderschwerpunkt. Für die anderen Bereiche ergaben sich
keine signifikanten Zusammenhänge.
72
PH Luzern
3.3.2
Sonder- und Regelklassenschülerinnen und -schüler profitieren voneinander
Klassenklima in Bezug auf Vielfalt
Um das Ausmass einzuschätzen, in dem Sonder- und Regelklassenschülerinnen und -schüler
voneinander profitieren, wurde das Klassenklima in Bezug auf Vielfalt eingeschätzt. Wie bereits erläutert, ist Vielfalt in dem Diversitätsbegriff enthalten. In dieser Skala wird erfragt, wie
das schulische Umfeld mit Unterschieden umgeht. Die Skala erfasst die Akzeptanz von Schülerinnen und Schülern, die „anders“ sind (Reliabilität von α = .81–.85). Da alle Items negativ
formuliert wurden, bedeuten hohe Werte ein negativeres Klima. Da zudem mehrere Kinder die
gleiche Schulklasse besuchten, wurde diese Abhängigkeit der Daten im statistischen Modell
berücksichtigt.
Klassenklima in Bezug auf Vielfalt
Über Kinder, die anders sind, wird in
dieser Klasse gelacht.
1.7
1.7
1.8
Kinder, die anders sind, haben es schwer
in der Klasse.
2
2
Nicht alle Kinder werden in dieser Klasse
akzeptiert.
SHP
Eltern 1
1.5
* LP–Eltern
* SHP–Eltern
2.5
* LP–Eltern
* SHP–Eltern
* LP–Eltern
* SHP–Eltern
2.4
1.9
1.9
Klassenklima im Bezug auf Vielfalt
LP
2
2.5
* LP–Eltern
* SHP–Eltern
2.5
2
2.5
3
Abbildung 54: Angaben der geschätzten Mittelwerte der SHP (n = 256–257), LP (n =244) und Eltern (n = 196–204)
für das Klassenklima in Bezug auf Vielfalt. Frage: „Wie denken Sie über die folgenden Aussagen?“ Statistisches
Verfahren: Mehrebenenanalyse, berücksichtigt die Zugehörigkeit der LP und SHP zur gleichen Schulklasse. * =
signifikanter Unterschied.
Aus Abbildung 54 geht hervor, dass die Eltern im Vergleich zu den LP und SHP eine signifikant negativere Wahrnehmung des Klassenklimas hinsichtlich der Akzeptanz von Kindern, die
„anders“ sind, zum Ausdruck brachten. Die Sichtweise ist jedoch lediglich mässig negativ, da
die Eltern durchschnittlich „teils, teils“ oder „trifft eher nicht zu“ als Antworten auf die oben dargestellten Fragen wählten. Die LP und SHP entschieden sich durchschnittlich für die Option
„trifft eher nicht zu“.
Die Eltern schätzten in einem weiteren Schritt auch die Akzeptanz der Integrierten Sonderschulung seitens der Eltern der Mitschülerinnen und Mitschüler ihres Kindes ein. Dazu beurteilten sie die Aussage „Insgesamt spüren wir von den Eltern der Mitschülerinnen und Mitschüler ein Wohlwollen gegenüber der Integrierten Sonderschulung“ auf einer Skala von 1 („trifft
gar nicht zu“) bis 5 („trifft voll und ganz zu“). Die Eltern (n = 182) wählten durchschnittlich die
Antwortoptionen „teils, teils“ oder „trifft eher zu“ (M = 3.6), weshalb das Bild der Akzeptanz
durch die Eltern der Mitschülerinnen und Mitschüler mässig positiv ausfällt.
In einem weiteren Schritt wurde getestet,12 ob das Klassenklima in Bezug auf Vielfalt mit den
Peerbeziehungen der Kinder zusammenhängt. Die Annahme dahinter war, dass ein Klima,
das Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern wertschätzt, zu einer höheren
sozialen Akzeptanz von Kindern mit ISR beiträgt. Da zudem davon ausgegangen werden
kann, dass auch die Grösse der Schuleinheit einen Einfluss auf die Peerbeziehungen der Kin-
12
a
Mehrebenenanalyse; die Variable „Anzahl Lernende pro Schulgemeinde“ wurde log-transformiert, da sie nichtnormalverteilt war.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
73
der haben kann, wurde die Grösse der Schuleinheit respektive die Anzahl Schülerinnen und
Schüler pro Schuleinheit als weiterer Prädiktor in die Analyse einbezogen. Zwischen dem
Klassenklima und den Peerbeziehungen ergab sich ein negativer Zusammenhang (z = -2.3, p
< 0.05). Das bedeutet, dass eine niedrige Akzeptanz von Vielfalt respektive ein negatives
Klassenklima in Bezug auf Vielfalt in der Schulklasse damit zusammenhängen, dass Kinder
mit ISR Schwierigkeiten haben, Freundinnen und Freunde zu finden. Zudem zeigte sich auch
ein signifikant negativer Zusammenhang zwischen der Grösse der Schuleinheit und den Peerbeziehungen (z = -2.3, p < 0.05). Dies legt den Befund nahe, dass es für Schülerinnen und
Schüler mit ISR mit zunehmend hohen Schülerzahlen einer Schulgemeinde schwieriger wird,
Freundschaften zu schliessen.
Das Klassenklima in Bezug auf Vielfalt hing zudem auch signifikant mit der Beurteilung der
Eltern, LP und SHP hinsichtlich der Angemessenheit der Förderung des Kindes (z = -3.3, p <
0.001) sowie mit dem Wohlbefinden des Kindes (z = -5.0, p < 0.001) zusammen. Um diese
Zusammenhänge zu testen, wurde das Klassenklima jeweils als zusätzliche Variable im jeweiligen Modell mit aufgeführt (siehe Ende Kapitel 3.3.1). Die beschriebenen Zusammenhänge
waren dabei negativ: Je negativer also das Klassenlima in Bezug auf Vielfalt erlebt wurde,
desto weniger wurde die Förderung des Kindes im Rahmen von ISR als angemessen beurteilt
respektive desto schlechter wurde das Wohlbefinden des Kindes eingeschätzt.
Um zu untersuchen, ob das Klassenklima in Bezug auf Vielfalt von Aspekten der Unterstützung des Kindes im Unterricht abhängig ist, wurde ein weiteres Mehrebenenmodell berechnet,
das den Zusammenhang zwischen dem Klassenklima in Bezug auf Vielfalt und den verschiedenen Einstellungsmassen – Einstellung zu ISR, Diversität und schulischer Integration – sowie
den weiteren Faktoren „Zusammenarbeit der Lehrpersonen“ und „Verbesserungswünsche in
Bezug auf ISR“ (siehe Abbildungen 19, 21–23, 41) testete. Dabei wurden nur die Angaben der
LP und SHP berücksichtigt, da nur diese Akteure alle Fragen zu allen im Modell getesteten
Skalen beantwortet hatten. Mithilfe dieses Modells wurde einerseits die Annahme, dass die
Einstellung der LP und SHP wesentlich zum Klima beiträgt, überprüft. Andererseits wurde auf
diese Weise die Hypothese getestet, dass sich die Zusammenarbeit zwischen diesen Akteuren sowie strukturelle Bedingungen auf das Klassenklima auswirken. Denn es ist denkbar,
dass strukturelle Bedingungen einen Rahmen schaffen, in dem ein Klima entstehen kann, das
förderlich mit Unterschieden zwischen den Schülerinnen und Schülern umzugehen vermag.
Die Resultate dieser Analyse zeigen, dass die Einstellung zu Diversität (z = -2.5, p <.05), die
Zusammenarbeit der Lehrpersonen (z = -1.9, p <.05) sowie die Veränderungswünsche bezüglich ISR (z = 2.6, p < .01) signifikant mit dem Klassenlima in Bezug auf Vielfalt zusammenhängen. Dies bedeutet, je positiver die Einstellung zu Diversität und die Beurteilung der Zusammenarbeit der Lehrpersonen waren und je weniger Verbesserungswünsche die LP und SHP in
Bezug auf ISR angaben, desto weniger negativ fiel das Klima in Bezug auf Vielfalt aus.
Schwierigkeiten aufgrund der Integration von Sonderschülerinnen und Sonderschülern
Die Integration von Kindern mit besonderem Bildungsbedarf kann für die beteiligten Schulhausteams eine Herausforderung darstellen. Dabei können Schwierigkeiten in verschiedenen
Bereichen auftreten. Die LP, SHP und SP wurden dementsprechend gefragt, ob bei der Förderung des Kindes in der Klasse Probleme auftauchen würden. 227 der befragten Fachpersonen (35%) bejahten dies. Diese Aussage betraf 137 Kinder mit ISR (44%).
Abbildung 55 zeigt, dass die Zusammenarbeit mit den Eltern oder familiäre Probleme sowie
die Selbstkompetenzen der Schülerinnen und Schülern von allen Fachpersonen am häufigsten als sensible Bereiche genannt wurden. Unter dem Begriff „Selbstkompetenzen“ wurden
Kompetenzen wie Arbeitshaltung, Selbstorganisation, Selbstreflexion, Selbstständigkeit,
Müdigkeit, Konzentration und Emotionskontrolle zusammengefasst. Daneben wurden auch
Verständigungsprobleme mit dem Kind sowie ein ungenügendes Wissen über den besonderen Bildungsbedarf des Kindes als Problematik angegeben, wobei auch hier die Häufigkeit bei
74
PH Luzern
25-29% lag. Dieses Problem zieht die Konsequenz nach sich, dass das Wissen nicht vorhanden ist, um Unterrichtseinheiten ideal aufzubereiten, damit diese den Bedürfnissen des Kindes
entsprechen. Zudem wurde auch die Unklarheit darüber genannt, wie angemessene Anforderungen an das Kind aussähen und wie das Kind beurteilt werden solle.
Der Anteil der Schwierigkeiten in den Bereichen „Sozialkompetenzen des Kindes“ sowie
„Probleme mit der sozialen Integration“ war eher gering und wurde von 5–15% der Akteure als
problematisch beurteilt. Zu den Sozialkompetenzen wurden soziale Probleme, Verhaltensauffälligkeiten sowie die Zugehörigkeit zu einer – aus der Sicht der Fachperson – ungünstigen
Peergruppe gezählt. Der Bereich der Integration umfasste Angaben zur Ausgrenzung aus
Peeraktivitäten, zu einem beeinträchtigten Wohlbefinden des Kindes, zur Ablehnung separativer Förderung durch das Kind sowie zur Ablehnung der Integration durch andere Eltern.
Als weiteren problematischen Bereich wurden aus Sicht der SHP und der SP mangelnde
Fachkompetenzen und Leistungsfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler genannt (6–11%).
Weitere Bereiche, in denen sich ebenfalls Schwierigkeiten ergeben, waren ein unpassendes
Fördersetting sowie die Zusammenarbeit unter den Fachpersonen. Dieser Bereich wurde jedoch nur von einer Minderheit der Akteure – wie auch bei den Fachkompetenzen der Kinder –
als problematisch betrachtet (4–14%). Unter dem Begriff des unpassenden Fördersettings
wurden Angaben zu ungenügender Förderung, zu ungenügender Anwesenheit von Fachpersonen sowie zu Grenzen des Fördersettings zusammengefasst. Des Weiteren wurden auch
mangelnde Ressourcen der Lehrpersonen als problematischer Bereich angegeben. Allerdings
betrug der prozentuale Anteil dieser Antwort an der Gesamtheit der angegebenen Schwierigkeiten nur 2–6%.
Probleme bei der Förderung von Kindern mit ISR
Unpassendes Fördersetting
Zusammenarbeit zw. den Fachpersonen
4%
14%
8%
3%
8%
6%
Zusammenarbeit mit den Eltern, familiäre
Probleme
26%
28%
Ungenügendes Wissen über das Kind,
Verständnisprobleme mit dem Kind
Fachkompetenzen des Kindes
SHP
LP
SP
37%
11%
3%
6%
* SHP–LP
33%
28%
44%
12%
15%
13%
Sozialkompetenzen des Kindes
Ressourcen der LP/SHP
* SHP–LP
* SP–LP
* SP–SHP
25%
25%
29%
Selbstkompetenzen des Kindes
Integration
* SHP–LP
13%
5%
15%
2%
2%
6%
0%
20%
40%
60%
Abbildung 55: Prozentuale Angaben der Antworten der LP (n = 112), SHP (n = 106) und SP (n = 51) in Bezug auf
Probleme bei der Förderung von Kindern mit ISR. Frage: „Traten bei der Förderung des Kindes Probleme auf?
Wenn ja, welche?“ (offenes Antwortfeld; mehrere Antworten möglich). Statistisches Verfahren: GLMM: Generalisiertes Mehrebenenmodell. * = signifikanter Unterschied.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
75
Zwischen den einzelnen Akteuren bestanden in den Bereichen „Unpassendes Fördersetting“,
„Zusammenarbeit mit den Eltern/familiäre Probleme“ sowie „Fachkompetenzen des Kindes“
signifikante Unterschiede darin, ob diese Bereiche als Schwierigkeiten angegeben wurden
oder nicht. So gaben die LP signifikant öfter als die SHP an, dass ein unpassendes Fördersetting für das Kind vorliege. In Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Eltern und/oder familiäre
Probleme gaben die SP signifikant häufiger als die LP und SHP an, dass dieser Bereich bei
der Förderung des Kindes problematisch sei. Zudem nannten auch die LP diesen Bereich signifikant häufiger als die SHP. Ausserdem bestand ein signifikanter Unterschied zwischen den
LP und den SHP bezüglich der Ansicht, dass die Fachkompetenzen des Kindes problematisch
für die Förderung im Rahmen von ISR seien. Hierbei waren die LP optimistischer als die SHP
und beurteilten diesen Bereich signifikant weniger oft als problematisch als die SHP.
3.3.3
Adäquate Übergänge in die nächsten Schulstufen und in die Berufsausbildung
Gelingt es, ein Fördersetting von hoher Qualität einzurichten, sollte gewährleistet werden,
dass die Qualität auch bei einem Stufenübertritt aufrechterhalten werden kann. Daher wurden
den SHP verschiedene Fragen gestellt, die den Stufenübertritt der Kinder mit ISR betrafen.
Stufenübertritte finden vom Kindergarten in die Primarstufe, von der Primar- in die Sekundarstufe I und von der Sekundarstufe I in die Berufsbildung statt.
Besuchte Schulstufen der Schülerinnen und Schüler mit ISR
Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, besuchten zum Zeitpunkt der Umfrage 18% der Kinder mit ISR
den Kindergarten, 70% die Primar- und 12% die Sekundarstufe. Bei 31% (n = 96) der Kinder
stand ein Wechsel in eine neue Schulstufe bevor. Dabei wechselten 24 Kinder vom Kindergaten in die Unterstufe, 41 Kinder von der Unterstufe in die Mittelstufe und 31 Kinder von der
Mittelstufe in die Sekundarstufe.
Die SHP beurteilten für jedes Kind, wie es auf der neuen Schulstufe weitergehen würde. Aus
Abbildung 56 wird ersichtlich, dass bei der grossen Mehrheit der Kinder (70%) die Integrierte
Sonderschulung weitergeführt werden sollte. Für 11% der Schülerinnen und Schüler wurde
eine separierte Sonderschulung als Anschlusslösung gefunden. Davon waren sieben Kinder
(64%) beim Übergang vom Kindergarten in die Primarschule, ein Kind beim Wechsel von der
Unter- in die Mittelstufe sowie drei Kinder (27%) beim Wechsel in die Sekundarstufe betroffen.
Bei 5% der Schülerinnen und Schüler mit ISR konnte ISR zugunsten integrativer Förderung
(IF) aufgehoben werden und 4% der Kinder konnten ohne ISR oder sonstige zusätzliche Unterstützung am Unterricht teilnehmen. Für 9% der Kinder bestand zum Zeitpunkt der Befragung noch keine Anschlusslösung.
Anschlusslösungen bei einem Stufenwechsel
gleich wie bisher, d.h. weiter ISR
70%
separierte Sonderschulung
11%
noch keine Lösung
9%
Regelunterricht
4%
integrierte Förderung
5%
SHP
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Abbildung 56: Angaben der prozentualen Antworten der SHP (n = 96) in Bezug auf Anschlusslösungen bei einem
Stufenwechsel. Frage: „Steht ein Stufenwechsel an? Wenn ja, wie geht es in der neuen Stufe weiter?“
76
PH Luzern
Berufsausbildungen der Schülerinnen und Schüler mit ISR
Zum Zeitpunkt der Befragung waren acht Jugendliche mit ISR am Ende ihrer obligatorischen
Schulzeit angelangt. Davon hatten vier eine Lehrstelle gefunden, für zwei bestand eine andere
Anschlusslösung und für zwei Schülerinnen und Schüler konnte noch keine Lösung gefunden
werden. Die Alternativlösung bestand bei einem Schüler in einer IV-Anmeldung und einer Bewerbung für eine EBABS-Lehrstelle (Lehre mit eidgenössischem Berufsattest). Ein weiterer
Schüler war für die Berufswahlschule (BWS) angemeldet. Bei den vier Jugendlichen mit einer
Lehrstelle – also bei der Hälfte – wurde zugleich eine IV-Anmeldung vorgenommen.
Bei den Jugendlichen mit Lehrstelle wurden die SHP gebeten, in Bezug auf die Passung mit
den Fähigkeiten und den Wunschvorstellungen der betreffenden Schülerinnen und Schüler
eine Einschätzung vorzunehmen. Dabei wählten sie auf einer Skala von 1 („trifft gar nicht zu“)
bis 5 („trifft voll und ganz zu“) aus, für wie zutreffend sie diese Passung hielten. Für die Passung der Lehrstelle mit den Fähigkeiten der Jugendlichen wurde in drei Fällen eingeschätzt,
dass die Lehrstelle voll und ganz den Fähigkeiten entspreche, und in einem Fall, dass die
Lehrstelle eher den Fähigkeiten entspreche. Was die Wunschvorstellungen der Jugendlichen
mit ISR betrifft, so konstatierten alle vier SHP eine sehr hohe Passung zwischen Lehrstelle
und Berufswunsch.
Besondere Schwierigkeiten bei den Stufenübergängen
Aus Abbildung 57 wird ersichtlich, dass von den SHP eher wenige Probleme bei den Stufenübergängen angegeben wurden; die häufigsten Schwierigkeiten fanden sich im Fehlen der
Zeitgefässe für die Übergänge sowie im Umstand, dass nicht geregelt sei, wie die Informationen weiterzugeben seien. Von den 257 SHP wählten 4% die Kombination, dass der Lead nicht
klar sei und zudem nicht geregelt sei, wie Informationen weitergegeben würden. 4% der SHP
wählten die Kombination, dass die Informationsübergabe nicht klar sei und die Zeitgefässe
fehlen würden. 3% der SHP gaben an, dass Probleme in all den drei genannten Bereichen
vorlägen.
Schwierigkeiten bei einem Stufenübertritt
Es ist nicht geregelt, wie die Informationen
weitergegeben werden.
12%
Die Zeitgefässe für die Übergabe fehlen.
12%
Es ist nicht klar, wer den Lead hat.
7%
Das Übergabeprozedere ist unklar (z.B. wer nimmt
den Schüler)
3%
Ungleiche Vorstellungen oder Wissensgrundlage
2%
Die Ressourcen der nächsten Stufe sind unklar.
1%
Wenig Interesse oder Erfahrung auf der Sek-Stufe.
1%
SHP
0%
10%
20%
Abbildung 57: Angaben der prozentualen Häufigkeiten der genannten Antworten der SHP (n = 257) für Schwierigkeiten beim Stufenübertritt. Frage: „Welche Schwierigkeiten treten generell an der Schule bei einem Stufenübertritt
auf?“ (mehrere Antworten möglich).
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
77
Informationsfluss bei Übergängen
In einem weiteren Schritt machten die SHP Angaben dazu, wie bei einem Stufenübertritt an
der Schule die Weitergabe von Informationen generell geregelt sei. Dabei konnten verschiedene Optionen ausgewählt werden. Der Informationsfluss vollzieht sich gemäss den Aussagen
der SHP primär mündlich oder durch die Weitergabe des letzten SSG-Protokolls (siehe Abbildung 58). Die Hälfte der SHP gab an, dass auch Berichte von Abklärungen beim SPD respektive KJPD oder von Ärztinnen und Ärzten respektive Spitälern weitergegeben würden. Dies ist
jedoch nur mit dem Einverständnis der Eltern respektive Erziehungsberechtigten möglich. In
seltenen Fällen werden auch Schülerdossiers, Förderplanungen oder ISR-Dokumente wie das
„Gemeinde-Formular“ weitergegeben.
Informationsweitergabe bei einem Stufenübertritt
mündliche Informationen
67%
Letztes SSG-Protokoll
63%
vorliegende Berichte von SPD etc.
51%
Schülerdossiers
8%
Förderplanung
8%
ISR-Dokumente (z.B. Gemeinde-Formular)
2%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Abbildung 58: Angaben der prozentualen Häufigkeiten der Antworten der SHP (n = 247) zur Informationsweitergabe beim Stufenübertritt. Frage: „Welche Informationen werden weitergegeben?“ (mehrere Antworten möglich).
Da Mehrfachantworten möglich waren, wurden auch die Kombinationen der einzelnen Bereiche ausgewertet. 40% der SHP gaben an, dass sie sowohl Berichte und das SSG-Protokoll
wie auch mündliche Informationen weitergäben. 55% der SHP tauschten mündlich aus und
gaben das letzte SSG-Protokoll weiter. 43% respektive 45% der SHP gaben an, dass sie Berichte weitergeben und sich mündlich austauschen respektive Berichte und das SSG-Protokoll
weiterleiten würden.
78
PH Luzern
4 Ergebnisse aus den Fallanalysen
Mit den am ISR-Setting beteiligten Kindern, Eltern, Lehrpersonen, Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen sowie der zuständigen Schulleitung führte das Evaluationsteam
Leitfadeninterviews durch. (Die dabei eingesetzten Leitfäden sind im separaten Dokument
aufgeführt.) Insgesamt wurden dabei acht Settings berücksichtigt, die den folgenden vier
Gruppen zugeordnet werden konnten (siehe Kapitel 2.3.3 zur Stichprobenziehung): Je zwei
Settings mit
•
•
•
•
hoher Zufriedenheit und hoher Wertschätzung für Diversität;
hoher Zufriedenheit und tiefer Wertschätzung für Diversität;
tiefer Zufriedenheit und hoher Wertschätzung für Diversität;
tiefer Zufriedenheit und tiefer Wertschätzung für Diversität.
Die Antworten wurden während des Interviews von einer Protokollantin schriftlich festgehalten.
Diese Protokolle dienten als Grundlage für die nachfolgenden Analysen. Mithilfe des Vorgehens einer zusammenfassenden Inhaltsanalyse (nach Mayring, 2010) wurden die Aussagen
schrittweise verdichtet. Auf der ersten Ebene wurden die Aussagen der befragten Personen
pro ISR-Setting zusammengefasst. In der Regel wurden Aussagen, welche von mindestens
zwei Personen geäussert worden waren, in die Verdichtung aufgenommen. Auf der zweiten
Ebene wurden Aussagen, die in beiden ISR-Settings respektive Schulen vorgebracht worden
waren, zur Beantwortung der Ausgangsfragen aufgenommen. Mit zweiter Priorität wurden
schliesslich auch noch Ausführungen, welche nur in je einer Schule geäussert worden waren,
zur Beantwortung herangezogen. Dieses Vorgehen eröffnete die Möglichkeit, Aussagen zu
generieren, die als Hinweise zur Weiterentwicklung von ISR dienen können.
ISR-Settings mit hoher Zufriedenheit und hoher Wertschätzung für Diversität
Durch welche Merkmale zeichnen sich diese Settings aus?
•
•
In beiden ISR-Settings mit hoher Zufriedenheit und hoher Wertschätzung für Diversität
wird der Qualität der Zusammenarbeit ein hoher Stellenwert beigemessen. Die Gefässe
für den Austausch sind im Tages- respektive Wochenablauf der Schule installiert und
können je nach Bedarf und Situation durch weitere kurze Besprechungen ergänzt werden.
In beiden Schulen wird die Zusammenarbeit als unkompliziert, engagiert und zielorientiert
beschrieben. So wird im einen Setting jeweils am Morgen der Tag von LP und SHP vorbesprochen, um 10.00 Uhr findet die Zwischenbesprechung statt und nach Bedarf gibt es
auch Nachbesprechungen. Offenbar stimmt die „Chemie“ zwischen LP und SHP, sodass
sie rasch und ohne grosse Umwege miteinander Unterrichtsstunden vor- und nachbereiten, unterschiedliche Wahrnehmungen und Beobachtungen austauschen und sich so ergänzen können. Offenbar sind die LP sehr motiviert, voneinander zu lernen und die Zusammenarbeit für die professionelle Weiterentwicklung zu nutzen. Diese interne Kooperation korrespondiert auch mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Eltern von
Kindern mit ISR-Status.
Aus der Sicht aller Beteiligten, erhält die SHP eine hohe Bedeutung bei der Realisierung
eines erfolgreichen ISR-Settings. Ihre Stellung innerhalb der Schule ist gefestigt und sie
wird als Fachperson anerkannt. Sie wirkt als Ansprechperson und wird als Vertrauensperson für die ganze Schule wahrgenommen. Ihre Einsätze in der Klasse sind so organisiert,
dass sie eine konstante Beziehung zu allen Schülerinnen und Schülern der Klasse aufbauen kann. Voraussetzung dafür ist, dass die SHP über längere Phasen hinweg in den
betreffenden Klassen anwesend sein kann. Nur punktuelle Einsätze in den Klassen würden gemäss den Befragten zu keiner echten Unterstützung der schulischen Integration
führen.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
79
•
•
•
•
Die konkrete Umsetzung des ISR-Settings wird konsequent an die Erfordernisse des Kindes und seiner Situation angepasst. Man gestaltet auch den Unterricht so, dass das ISRSetting dazu passt (z.B. Arbeit mit Wochenplan).
Dazu gehören unterschiedliche methodische Zugänge zur Unterrichtsgestaltung. Zumeist arbeitet die SHP im Rahmen des Klassenunterrichts mit; es gibt jedoch auch Situationen, in denen sie ausserhalb des Unterrichts mit einzelnen Kindern lernt. Die Förderung
und der Unterricht von LP und SHP gehen Hand in Hand, das heisst, es findet keine Delegation statt, sondern die Zuständigkeiten sind gemäss den Angaben von SHP und LP
fliessend. Informationen werden zügig und unbürokratisch weitergegeben.
In beiden Schulen war die SL bei der Errichtung des ISR-Settings stark eingebunden. Die
SL setzt sich auch im Alltagsgeschäft proaktiv mit Fragen der Integration auseinander; sie
vermittelt bei Schwierigkeiten und versucht, möglichst alle Beteiligten miteinzubeziehen.
Die SL vertritt die integrative Ausrichtung in der Schulpflege und nimmt insgesamt eine
aktive Rolle bei der Unterstützung der schulischen Integration ein.
In der einen Schule wollte das Kind mit ISR die Fragen des Evaluationsteams nicht beantworten. In der anderen Schule hat sich das Kind geäussert. Es gehe gerne zur Schule,
wünscht sich jedoch weniger „Tests“ in der Schule und mehr Handarbeit und Zeichnen.
Wenn es den Lernstoff nicht verstehe, könne es bei den Lehrpersonen nachfragen. Das
Kind lerne gerne mit anderen Kindern der Klasse.
Was macht es aus, dass diese Schulen der schulischen Integration einen hohen Stellenwert
zumessen?
•
•
Die integrative Ausrichtung der Schule wird für die Umsetzung von ISR als wichtige Voraussetzung eingestuft. Die schulische Integration muss den Befragten zufolge in beiden
Schulen von allen gewollt sein – so auch von der SL und den Eltern. Integration ist deshalb immer wieder Thema in der Schule. Im Vorfeld eines ISR-Settings hat die Schule
zum Beispiel andere Schulen mit mehr Integrationserfahrung besucht. Statt die Integration
als Zusatz wahrzunehmen, wird sie in beiden Schulen als Prinzip der Schulkultur aufgefasst.
In beiden Schulen richtet sich der Fokus nicht nur auf das zu integrierende Kind, sondern
auch auf die Klasse und das Gesamtsystem Schule. So wird mit Blick auf die Schulklasse respektive die Kindergartengruppe festgehalten, dass diese sehr sozial und demzufolge in der Lage seien, Kinder mit ISR-Status aufzunehmen. Wenn während des Interviews vom Kind mit ISR gesprochen wird, werden die Fortschritte und dessen Entwicklungen und oftmals auch seine Ressourcen besonders hervorgehoben. Eine Etikettierung
des Kindes oder das Betonen der Schwächen wird hingegen möglichst vermieden.
ISR-Settings mit tiefer Zufriedenheit und hoher Wertschätzung für Diversität
Welche Bedingungen und Faktoren führen dazu, dass die befragten Personen trotz positiver
Einstellungen mit der Umsetzung des ISR-Settings unzufrieden sind?
•
80
Mangelnde Zufriedenheit ist eng mit Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit der involvierten Personen verbunden. In beiden Settings existieren nur wenige Abmachungen
bezüglich der internen Kooperation zu ISR. Hinzu kommen beim einen ISR-Setting Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen LP und SHP, da verschiedene Erwartungen bezüglich der Rolle und Aufgaben der SHP vorliegen. Zudem stimmt auch die Beziehungsebene, die „Chemie“ zwischen LP und SHP, nicht. In der einen Schule habe die SHP die
LP in ihren Aufgaben nicht ausreichend unterstützt, sodass die SL zwischen den Personen vermitteln musste und nun festgelegt hat, wer welche Aufgaben im Rahmen der Förderplanung zu realisieren habe. In der anderen Schule liegen die Schwierigkeiten in der
Zusammenarbeit zwischen dem Elternhaus und der Schule. Die Erwartungen der Eltern
an die Integration erfüllen sich nicht und sie attestieren der Schule Passivität und eine
schlechte Kommunikation. Immer müsse die Initiative von den Eltern ausgehen; so müsse
PH Luzern
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•
•
zum Beispiel ein SSG zuerst umständlich beantragt werden. Die Eltern wünschen sich
zudem, vermehrt in die Förderung des Kindes eingebunden zu werden.
Negativ auf die Zufriedenheit wirkt sich auch die schlechte Organisation der ISR aus,
wobei allerdings auch bei den ISR-Settings mit hoher Zufriedenheit teilweise auf Mängel
der Organisation hingewiesen wurde. Es ist daher wohl davon auszugehen, dass organisatorische Mängel weitgehend kompensiert werden können. Wenn jedoch noch weitere
Aspekte als belastend wahrgenommen werden, wirken Defizite in der Organisation als
zusätzlicher Faktor für eine verminderte Zufriedenheit. So sei in der einen Schule nicht
klar geregelt, wie die Verteilung von SHP-Stunden pro Klasse vorgenommen werde. Ausserdem wird (in derselben Schule) moniert, dass die Therapie des Kindes weiterhin separiert erfolge – trotz des integrativen Ansatzes der Schule.
Beim Thema der personellen Ressourcen wird in beiden Schulen zum einen auf den
mangelnden Ausbildungsgrad der SHP für die Umsetzung von ISR hingewiesen. Zum anderen wird die zu geringe Anzahl Lektionen für zusätzliche Unterstützung erwähnt. Die zur
Verfügung gestellte Unterstützung reiche nicht aus, um den Bedürfnissen des Kindes gerecht zu werden. In beiden Schulen habe laut der SL das Volksschulamt interveniert, weil
die Anzahl ISR-Lektionen über dem kantonalen Durchschnitt gelegen habe.
Instrumentalisierung von Diagnosen: ISR-Diagnosen würden ausgestellt, um mehr
Ressourcen für die Schule zu generieren. Der Graubereich bei Diagnosen werde genutzt,
um IF-Schülerinnen und IF-Schüler als ISR-Schülerinnen und ISR-Schüler zu etikettieren.
Zuständigkeiten zwischen LP und SHP sind unklar. Bei der Einführung von ISR erstreckten sich die Aufgaben der SHP in der einen Schule auf die ganze Klasse, was zu
Unklarheiten und grossem Aufwand bei der Vorbereitung führte. Nun erteile die LP die
Aufgaben und reiche sie an die SHP weiter. Wenn LP und SHP zusammenarbeiten müssten, schränke dies die Flexibilität in der Unterrichtsgestaltung ein – Inhalte und Vorgehensweisen im Unterricht müssten abgesprochen und geplant werden, wodurch die Spontaneität verloren gehe. In der anderen Schule wird darauf hingewiesen, dass bei mehreren ISR-Kindern innerhalb einer Klasse die Gefahr bestehe, diese sehr unterschiedlichen
Kinder mit ISR als eine Gruppe aufzufassen, die von den anderen Schülerinnen und
Schülern dann als „besondere“ Gruppe wahrgenommen werde.
An der einen Schule fühlen sich die Eltern mit einem Kind mit ISR-Status an öffentlichen
Anlässen der Schule sehr exponiert. Es wäre deshalb wichtig, vorgängig mit den Eltern
zu vereinbaren, wie zum Beispiel an einem Elternabend über die ISR informiert werden
solle. Es ist wichtig, die anderen Eltern für die Integration zu sensibilisieren und ihnen die
Angst davor zu nehmen.
Beide Kinder mit ISR-Status konnten befragt werden. Beide Kinder berichten davon,
dass sie gerne zur Schule gehen würden. Das eine Kind gibt Stärken im musischen Bereich an, das andere Kind das Fach Deutsch. In Bezug auf den besten Freund / die beste
Freundin gibt das erste Kind die Lehrerin und die SHP an, das zweite Kind nennt einen
guten Schulfreund, der bei ihm an den freien Nachmittagen spielt.
ISR-Settings mit hoher Zufriedenheit und tiefer Wertschätzung für Diversität
Aus den Gesprächsprotokollen wird ersichtlich, dass LP und SL gegenüber der Integration
teilweise kritisch eingestellt sind. Die Belastungen werden für die LP als hoch und der Nutzen
für die Kinder wird als eher gering eingeschätzt. So äusserte sich eine LP im Interview wie
folgt: „Wenn ein Kind stofflich nicht mithalten kann, gehört es in eine Sonderschule.“ Für LP
werde der Schulalltag mit ISR hektischer, verschiedene Personen seien involviert und es
müssten mehr Absprachen getroffen werden. Diese Umstände führten dazu, dass klassenübergreifende Arbeiten oder Projekte erschwert würden. Auch die Eltern nehmen die kritische
Haltung der Schule gegenüber der Integration wahr. Trotzdem sind die Werte der Zufriedenheit mit dem ISR-Setting hoch. Welche Bedingungen und Faktoren führen dazu, dass die befragten Personen trotz negativer Einstellungen mit der Umsetzung des ISR-Settings zufrieden
sind?
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
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LP und SHP beurteilen den interdisziplinären Austausch und die Zusammenarbeit als
gut bis sehr gut. Kooperation sei ohnehin wichtig an der Schule; im Rahmen des ISRSettings tauschen sich LP und SHP hauptsächlich informell aus. Vorteilhaft sei u.a. die
räumliche Nähe zwischen den Arbeitsräumen von LP und SHP. Die LP mussten allerdings erst in das ISR-Setting „hineinwachsen“. Die Kooperation mit der SHP aus der Sonderschule (Umwandlung von ISS zu ISR) sei in der einen Schule nicht reibungslos verlaufen – die SHP sei sehr fordernd aufgetreten, was bei den LP Ablehnung hervorgerufen
habe. Auch mit den Eltern gelinge die Kooperation gut, obgleich die Abmachungen nicht
immer eingehalten würden.
Die SHP sind gemäss LP und SL gut ausgebildet. Die Rollen- und Aufgabenteilung von
LP und SHP (und Assistenz) ist klar. So liegt die Federführung bei der Festlegung des
Förderplans eindeutig bei der SHP. Die Eltern schätzen den Kontakt zur SHP und zur Assistenz.
In der einen Schule gelingt das ISR-Setting dank des grossen Einsatzes der Assistenz
sehr gut. Diese arbeitet konstant mit dem Kind, begleitet das Lernen eng und fördert auch
die soziale Integration in den Klassenverband. Sie ist an der Schule für alle die Hauptansprechperson in Bezug auf das Kind. Die Eckwerte der Förderung legt die SHP in Zusammenarbeit mit der Assistenz fest.
Ob das ISR-Setting zu den Erfordernissen passt, wird an der anderen Schule bezweifelt.
Den Kindern, die so hilfsbedürftig seien, könne man im Klassenunterricht nicht gerecht
werden. In der Regelklasse respektive im Klassenunterricht lerne das Kind nichts (gemäss der Einschätzung von LP und SHP). Das Kind sei leistungsmässig „an einem ganz
anderen Ort“ als seine Mitschülerinnen und Mitschüler. Es wurde deshalb die Lösung gewählt, das betreffende Kind durch einen rein separativen Unterricht zu fördern. Am besten wäre sogar eine Einzelförderung in allen Fächern oder eine Kleinklasse mit vier Kindern. Das Kind geniesse die Stunden bei der SHP und es sei sehr motiviert; manchmal
komme es auch in die Regeklasse, ohne jedoch effektiv am Unterrichtsgeschehen mitzuwirken.
Beide Kinder sind in der Klasse akzeptiert und haben eine gute Beziehung zu vielen
Klassenkolleginnen und Klassenkollegen. Trotz der kritischen Haltung merkt die LP in der
einen Schule an, dass ISR eine grosse Bereicherung darstelle. Die Mitschülerinnen und
Mitschüler könnten so den Umgang mit einem Kind mit Behinderung lernen und auf diese
Weise Berührungsängste (auch für die Zukunft) abbauen. Wichtig sei, dass das Thema
der Integration mit den Schülerinnen und Schülern immer wieder thematisiert werde. In
beiden Fällen wird festgehalten, dass dies die Integration vereinfache, weil die Kinder mit
ISR-Status kommunikativ seien und den Unterricht nicht durch Unruhe stören würden.
Beide Kinder mit ISR-Status konnten befragt werden. Beide Kinder berichten davon,
dass sie gerne zur Schule gehen würden. Der eine Junge gibt an, dass er Mathe besonders liebe und in Deutsch stark sei, schwierig sei hingegen Französisch. In der Schule arbeite er nicht gerne mit anderen Kindern zusammen, am liebsten lerne er alleine oder mit
der SHP. Er habe einen guten Freund, mit dem er ein gemeinsames Hobby teile. Der
zweite Junge liebt musische Fächer und Englisch. Da er als einziges Kind der Klasse am
PC arbeiten musste, liebte er diese Tätigkeit nicht besonders. Er habe einen guten
Freund in der Schule gewonnen. Diese Freundschaft habe bis jetzt gehalten. Die Lehrer
der Schule hätten keine Rücksicht genommen auf seine Behinderung. Sie hätten kein
Verständnis gezeigt, wenn er aufgrund von Energiemangel die Hausaufgaben nicht erledigen konnte.
PH Luzern
ISR-Settings mit tiefer Zufriedenheit und tiefer Wertschätzung für Diversität
Welche Faktoren und Bedingungen führen dazu, dass die befragten Personen wenig zufrieden
sind mit der Umsetzung des ISR-Settings und zudem wenig Wertschätzung für Diversität zeigen?
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Das Hauptproblem liegt in der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen SHP
und LP. Eine LP sagt, sie erhalte keine Rückmeldung dazu, was ausserhalb des Unterrichts in der Förderung des Kindes mit ISR passiere. In der einen Schule erfährt die LP
erst anlässlich des SSG, welche Lernfortschritte die Kinder gemacht hätten. Gemäss SHP
hat die LP keine Erfahrung im Tandem-Unterrichten. Die LP wiederum stellt hohe Erwartungen an die SHP, die diese jedoch nicht erfüllen könne. Die schwierige Kommunikation
und Kooperation wirkten sich dermassen belastend aus, dass in der einen Schule ein externes Coaching durchgeführt wurde. Dieses Coaching habe zur Verbesserung der Situation beigetragen.
Die Ressourcenlage wird in der einen Schule unterschiedlich eingeschätzt. Aus der Sicht
der SHP wurden für das Setting zu wenige Stunden gesprochen, während die Stunden
aus der Sicht der LP ausreichen, um das Kind angemessen zu fördern.
In der einen Schule finden sich vier ISR-Settings in der gleichen Klasse. Dies wird eher
als belastend wahrgenommen, obwohl man so mehr SHP-Stunden für die Klasse erhalte.
Die Gefahr bestehe allerdings darin, die vier ISR-Kinder als separate Gruppe zu betrachten: „Das Kleeblatt hat ein eigenes Programm.“ Dies, obwohl das eine ISR-Kind nicht gerne am Gruppentisch mit den anderen ISR-Kindern sitze, wie die LP berichtet.
Gemäss SL mache der Kanton zu wenige Vorgaben zur Gestaltung der ISR-Settings.
Das eigene Konzept für die Sonderschulung bringe zudem auch keine abschliessende
Klärung. Vieles an der Schule bezüglich ISR sei informell geregelt. Man wünscht sich
deshalb eine Strukturierungshilfe und mehr kantonale Aufsicht und Kontrolle. Die Strukturen an der Schule seien schwach ausgebildet und auch die Termine würden nicht eingehalten.
Schwierigkeit treten dann auf, wenn sich die schulischen Leistungen bei einem Kind mit
ISR-Status sehr deutlich vom allgemeinen Klassenniveau unterscheiden, wenn also zum
Beispiel ein Fünftklässler den Lernstand eines Zweitklässlers aufweist. In solchen Fällen
würden sehr hohe Anforderungen an die Kompetenzen der LP zur Durchführung eines integrationsförderlichen Unterrichts gestellt.
Die Förderung der Kinder mit ISR erfolgt in der einen Schule ausserhalb des Klassenunterrichts. Die LP weiss deshalb nicht, ob die Förderziele erreicht werden. Sie unterrichtet Kinder mit ISR nur in den Fächern Zeichnen, Turnen und M&U. Die betreffenden
Kinder würden die gleichen Themen lernen, allerdings sei alles „abgespeckt“ und mit anderen Aufgaben verbunden. Durch die Trennung, das heisst die Förderung ausserhalb
des Schulzimmers, kämen LP und SHP wieder besser miteinander klar. Die SHP hingegen möchte verstärkt integrativ im Klassenunterricht arbeiten.
Belastend wirkt sich die Situation in Bezug auf den Übergang zur Sekundarschule aus.
Wie geht es mit den Kindern mit ISR weiter?
Beide Kinder mit ISR-Status konnten befragt werden. Der Junge geht gerne zur Schule.
Besonders liebt er in der Schule den Sportunterricht, etwas weniger Mathematik und Fächer mit Hausaufgaben. Besonders stark sei er im Zeichnen. Er könne sich am besten
konzentrieren, wenn es ruhig sei oder er alleine arbeiten könne. Aus der Klasse habe er
zwei Jungen als beste Freunde. Das Mädchen geht nach einigen Angaben nicht gerne zur
Schule. Gut ist sie in Mathe und Deutsch, weniger gut in Zeichnen. Lehrpersonen sollten
weniger Hausaufgaben erteilen, die Stunden kürzen und andere Themen durchnehmen.
Sie hat zwischendurch einen besten Freund, manchmal sei sie auch gerne alleine.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
83
5 Ergebnisse der Dokumentenanalyse
In den Empfehlungen zur Einrichtung einer Integrierten Sonderschulung in der Verantwortung
der Regelschule (ISR) ist Folgendes festgelegt: „Grundsätze und das Vorgehen für die ISR
werden im sonderpädagogischen Konzept jeder Schulgemeinde oder Schule festgelegt“ (Bildungsdirektion Kanton Zürich 2011, S. 2). Wie in Kapitel 2.1 beschrieben, wurden 50 Schulen
mit ISR zufällig ausgewählt; davon haben 40 Schulen geantwortet.
19 Schulen – also knapp die Hälfte der antwortenden Schulen (47.5%) – legten Konzepte oder
Konzeptteile zu ISR vor. Sechs Schulen (15%) dokumentierten einzelne ISR-Elemente (Ablaufplan, Formulare, Prozessbeschreibungen), während 15 Schulen (37.5%) berichteten, dass
die Schule nicht über kommunale Dokumente verfüge oder die Dokumente zum Zeitpunkt der
Anfrage noch in Bearbeitung seien. Das Spektrum der eingegangenen Unterlagen und Dokumente zu ISR ist somit gross und umfasst die folgenden Varianten:
•
•
•
•
•
•
•
Keine kommunalen Dokumente zu ISR;
Verweis auf kantonale Unterlagen: „Wir gehen nach dem Konzept und Ablauf des VSA
Zürich“;
Verweis auf den SPD: „Wir halten uns an die Empfehlungen des SPD (haben kein eigenes Konzept)“;
Dokumentation einzelner Instrumente, z.B. zur Förderplanung, zum Schulischen
Standortgespräch (SSG), Checkliste zur Durchführung von ISR;
vereinzelte Hinweise zu ISR im sonderpädagogischen Konzept;
eigener Abschnitt „ISR“ im sonderpädagogischen Konzept;
eigenständiges ISR-Konzept mit Ablaufplan, Regelungen, Verantwortlichkeiten und Verweisen auf rechtliche Grundlagen.
Helfen die Dokumente dabei, die ISR-Qualitätskriterien zu erfüllen?
Die vorgelegten Dokumente weisen einen unterschiedlichen Detailierungsgrad auf, weshalb
die Frage nicht generell beantwortet werden kann. Insgesamt liegen sechs Konzepte, die
sich ausschliesslich auf ISR beziehen, vor. Es ist anzunehmen, dass diese Konzepte – die
teilweise unter externer Begleitung entstanden sind – mit ihren Ausführungen zur Erfüllung der
ISR-Qualitätskriterien beitragen. So zeigen die Analysen aus der Onlinebefragung zum Beispiel einen knapp signifikanten und positiven Zusammenhang zwischen der Einhaltung von
Abläufen bei Abklärungen beim SPD und der Beurteilung der Angemessenheit der Förderung
eines Kindes. Die Beschreibungen dieser Abläufe sind Teil der Konzepte. Darüber hinaus
werden weitere Themen abgedeckt, so die folgenden:
•
•
•
•
•
•
•
Ausgangslage, Rahmenbezug, Grundsätze (zu ISR);
Zielgruppen und Angebotsformen;
Organisation der Ressourcen;
Zusammenarbeit;
Zuständigkeiten, Verfahren und Abläufe;
Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung und Qualitätsüberprüfung;
Formulare, Planungen und Prozessbeschreibungen.
Die Ausführungen in den ISR-Konzepten sind mit Verweisen auf kantonale Bestimmungen
versehen; zusätzlich werden auch lokale Gegebenheiten (z.B. Struktur und Zuständigkeiten
der SL) berücksichtigt. Teilweise sind die Ausführungen zu ISR im sonderpädagogischen
Konzept der Schule enthalten. Insgesamt liegen 13 Teilkonzepte vor, die innerhalb von sonderpädagogischen Konzepten Ausführungen zu ISR machen. Diese 13 Teilkonzepte sind in
ihrem Detailierungsgrad sehr unterschiedlich und reichen von kurzen Beschreibungen bis hin
84
PH Luzern
zu Konzepten, die ähnlich ausführlich und detailliert sind, wie die eigenständigen ISRKonzepte. Von den 13 Teilkonzepten (eingebettet in das sonderpädagogische Konzept) sind
deren drei ähnlich differenziert wie die eigenständigen Konzepte und decken auch die gleichen Themen ab. Ob die (Teil-)Konzepte dazu beitragen, die Qualitätskriterien tatsächlich zu
erfüllen, hängt somit stark von der Ausgestaltung und der Qualität des jeweiligen Konzepts ab.
Bei drei Teilkonzepten dürfte dies uneingeschränkt der Fall sein. Von sechs Schulen liegen
Elemente (Formulare, Planungen, Prozessbeschreibungen) vor. Diese Elemente unterstützen
das Erfüllen der Qualitätskriterien punktuell. Weitere 15 Schulen verfügen gemäss eigenen
Angaben nicht über kommunale Unterlagen.
Teilweise haben die Schulen auf der Grundlage von Konzepten und Vorgaben zu ISR Konkretisierungen in Gestalt von zusätzlichen Regelungen, Prozessabläufen, Formularen etc. vorgenommen, so zum Beispiel:
•
•
•
•
•
•
•
Jahresplanung zu ISR. Zu welchem Zeitpunkt im Schuljahr muss welcher Schritt ausgeführt sein?
Detaillierter Zuweisungsprozess: Prozessschritt, Aufgabe, Ausführung, Genehmigung,
Termine;
Detaillierte Zusammenstellung der Zuständigkeiten im ISR-Umsetzungsprozess;
Beurteilungsbogen zur ISR-Anmeldung beim SPD;
Unterstützende Formulare (zuhanden der am Setting beteiligten Personen);
Checkliste für die Zuweisung zur Sonderschulung ISS und ISR;
Übersicht mit Prozessschritten und Verlinkung der entsprechenden Dokumente.
Sind die Verantwortlichkeiten (auch in Krisensituationen) geregelt respektive ist sichergestellt, dass sie im einzelnen Setting geregelt werden?
Von den 40 antwortenden Schulen beschreiben 23 Schulen die Verantwortlichkeiten zur Umsetzung von ISR in ihren (Teil-)Konzepten und Unterlagen. Diese Verantwortlichkeiten werden
zumeist im Rahmen der Zuweisung, Durchführung und Überprüfung von ISR geregelt. Der
Differenzierungsgrad in puncto Verantwortlichkeiten ist allerdings höchst unterschiedlich. So
liegen Beschreibungen vor, in denen die Zuständigkeiten für jeden Umsetzungsbereich (Planung, Zuweisung und Umsetzung, schulische Förderung, Zielüberprüfung und Beurteilung,
Kommunikation und Information, Koordination des Angebots und Sicherung der Qualität) gemäss den folgenden Kategorien geregelt werden:
•
•
•
•
Hauptverantwortung;
Teilverantwortung;
Beteiligt;
Beteiligt je nach Situation.
Teilweise werden die Verantwortlichkeiten aber auch nur rudimentär beschrieben, wie etwa im
folgenden Beispiel: „Der SPD erhält einen Abklärungsauftrag. Stellt er eine Sonderschulbedürftigkeit fest, wird das zuständige Schulpflegemitglied oder die sonderpädagogische Fachleitung über die Indikation und über die Varianten möglicher Sonderschulungen informiert“
(Schule 13).
Hinweise in Bezug auf Krisensituationen fehlen überall. Teilweise wird unter der Rubrik
„Schwierige Situationen“ festgehalten: „Für die beteiligten Lehr- und Fachpersonen sind die
Schulleitung und die Fachstelle externe Sonderpädagogik erste Anlaufstellen. Eltern wenden
sich in erster Linie an die beteiligten Lehr- und Fachpersonen“ (Schule 27).
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
85
Ist sichergestellt, dass in jedem Setting das behinderungsspezifische Fachwissen vorhanden ist?
Die Sicherstellung des behinderungsspezifischen Fachwissens wird in den vorliegenden Konzepten weniger thematisiert. Insgesamt konnten in 14 Unterlagen (eher allgemeine) Ausführungen zur Sicherstellung des behinderungsspezifischen Fachwissens gefunden werden.
Teilweise wird unter der Rubrik „Personal“ sehr allgemein und ohne Bezug auf ISR-spezifische
Themen auf die kantonalen Anstellungsbedingungen von Schulischen Heilpädagoginnen und
Schulischen Heilpädagogen hingewiesen. Dabei wird auch erwähnt, dass erwartet werde,
dass das Fachpersonal über das entsprechende Wissen verfüge. Oder es wird zum Beispiel
(unspezifisch) festgehalten: „Um die Qualität der ISR zu gewährleisten, bilden sich alle Beteiligten regelmässig persönlich und als Gesamtschule weiter“ (Schule 27), respektive: „Das Integrationsteam hat das Recht auf Beratung. Die Schulleitungen der Sonderschule und der
Schule ... prüfen und genehmigen in gegenseitiger Absprache Anträge auf externe Fachberatung“ (Schule 47). Ausserdem finden sich Hinweise wie der folgende: „Für eine dem Bedürfnis
entsprechende Förderung und Betreuung kann es auch sinnvoll sein, eine behinderungsspezifische Beratung und Unterstützung (B+U) durch eine spezialisierte Sonderschule oder Fachstelle einzurichten“ (Schule 23).
Sind Zuweisung, Aufsicht (Qualitätssicherung) und Überprüfung geregelt?
21 Schulen legten Regelungen in Bezug auf Zuweisung, Aufsicht und Überprüfung von ISR
vor. In den sechs Konzepten zu ISR sind die Prozessabläufe mit den entsprechenden Zuständigkeiten detailliert beschrieben. Teilweise werden zur Unterstützung Formulare und Prozessbeschreibungen mitgeliefert. Bei den Teilkonzepten (innerhalb eines sonderpädagogischen
Konzepts) existieren wiederum grosse Unterschiede im Hinblick auf den Detaillierungsgrad
und die Ausführlichkeit. Des Weiteren fällt auf, dass Schulen, die kein (Teil-)Konzept vorweisen können, am ehesten über eine Regelung zur Zuweisung verfügen.
Die Regelungen zur Zuweisung sind überall ausführlicher als jene für die Aufsicht. Bezüglich
der Aufsicht wird in der Regel primär angegeben, wer dafür zuständig sei und zu welchem
Zeitpunkt (oder in welchem zeitlichen Rhythmus) die Überprüfung stattzufinden habe. Teilweise wird dabei auf die ISR-Qualitätskriterien des VSA hingewiesen oder diese werden explizit
aufgeführt.
Ist der Einbezug/die Information der Eltern und der Schülerin respektive des Schülers
sichergestellt.
Dort, wo die verschiedenen Aufgaben definiert und die Verantwortlichkeiten geregelt sind, finden sich auch präzise Angaben dazu, zu welchem Zeitpunkt und vom wem die Eltern informiert werden. Zudem finden sich in den Konzepten und teilweise auch in den Teilkonzepten
über die verschiedenen Kapitel verteilt Ausführungen zur Informierung der Eltern. So wird zum
Beispiel unter den Grundsätzen festgehalten: „Eine Sonderschulung ist frühzeitig mit den Eltern respektive Erziehungsberechtigten zu thematisieren (unverbindlich)“ (Schule 42), oder:
„Den Eltern wird die konkrete Sonderschulmassnahme nach der Information der Schulpflege
und in Rücksprache mit dieser unterbreitet“ (Schule 13).
86
PH Luzern
6 Schlussfolgerungen und Empfehlungen
In diesem Kapitel werden die zentralen Ergebnisse aus den Onlinebefragungen sowie den
Dokumenten- und Fallanalysen zusammengefasst, um daraus jeweils zentrale Schlussfolgerungen ziehen zu können. Analog zum Aufbau des Berichts gliedern sich die Ausführungen in
die Themenbereiche „Umsetzung der Förderung im ISR-Setting“ (Kapitel 6.1), „Abklärungsund Zuweisungsverfahren“ (Kapitel 6.2) und „Integration in den Klassenverband“ (Kapitel 6.3).
Die Schlussfolgerungen werden anschliessend mit Empfehlungen konkretisiert (Kapitel 6.4).
6.1 Umsetzung der Förderung im ISR-Setting
Um erfassen zu können, wie die ISR in den Schulen des Kantons Zürich konkret umgesetzt
wird, wurden den Lehrpersonen (LP), Schulleitenden (SL), Schulischen Heilpädagoginnen und
Heilpädagogen (SHP), Schulpsychologinnen und Schulpsychologen (SP) und Eltern zu verschiedenen Themen rund um das ISR-Setting Fragen gestellt. Ein erster Untersuchungsbereich betraf die Indikation, auf welcher das ISR-Setting beruht. Weitere Fragenstellungen befassten sich mit der Durchführung der Schulischen Standortgespräche (SSG) und mit der Kooperation zwischen den involvierten Fachpersonen und Eltern. Eine weitere Anzahl von Fragen zur Umsetzung von ISR bezog sich auf die integrationsspezifischen Einstellungen, auf die
beruflichen Qualifikationen der involvierten Fachpersonen sowie auf die Nutzung von Beratung
und die Einschätzung der Rahmenbedingungen.
Indikationsbereiche und Förderung
Die häufigsten Indikationsbereiche, die einem ISR-Setting in der vorliegenden Stichprobe zugrunde liegen, sind den Aussagen der SP zufolge „Kognition und Metakognition“, „Sozialeemotionale Funktionsfähigkeit“ sowie „Intentionale Kommunikation“ (siehe Abbildung 2).
Grundsätzlich empfinden die befragten Akteure die Wahl der ISR im Vergleich mit Förderung
durch IF, Sonderschulung oder ISS als die beste Lösung (siehe Abbildung 6). Für alle ausgewählten Kinder wurden die Akteure nach der Art der Förderung befragt. Die Auswertungen
zeigen, dass sowohl integrative als auch separative Zugänge der Förderung gewählt werden.
In den meisten Fällen werden Kinder mit ISR integrativ während des Unterrichts unterstützt
(siehe Abbildung 4). Je nach Sichtweise des Akteurs (SP, SHP, LP und Eltern) werden jedoch
24–48% der Kinder separativ durch SHP gefördert. Ebenfalls verbreitet ist die Unterstützung
durch eine Klassenassistenz und durch Logopädie. Die Anzahl der zugesprochenen Wochenförderlektionen pro Kind fällt sehr unterschiedlich aus, wie dies beispielsweise die Spanne
zwischen 0.5 und 23 Lektionen SHP für ein Kind verdeutlicht. Die Förderschwerpunkte setzten
LP und SHP am häufigsten in den Bereichen „Allgemeines Lernen“, „Sprache und Begriffsbildung“ sowie „Umgang mit Anforderungen“. Nur leicht weniger bedeutsam sind die Schwerpunkte „Lesen und Schreiben“, „Kommunikation“, „Umgang mit Menschen“ sowie „Mathematik“. Diese Angaben verdeutlichen die breite Palette an Schwerpunkten, an denen mit den Kindern mit ISR gearbeitet wird. Zudem spiegeln die Schwerpunkte der Förderplanung die Indikationsbereiche wider (siehe Abbildung 7).
Zur Umsetzung der Förderung wurde nicht nur gefragt, welche Art der Unterstützung gewählt
wurde (vgl. oben), sondern auch, als wie angemessen die Akteure die gewählten Unterstützungsmassnahmen einschätzen. Die Auswertungen zeigen, dass alle befragten Akteure (LP,
SHP, SP und Eltern) die Angemessenheit der Förderung im Rahmen von ISR als relativ hoch
bewerten (siehe Abbildung 5).
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
87
Schulisches Standortgespräch (SSG)
Das SSG findet mehrheitlich zweimal jährlich statt (siehe Abbildung 9) und wird in Bezug auf
seine Quantität von den befragten Eltern meist positiv bewertet. Eltern, welche die Anzahl der
SSG als zu gering erachten, beurteilen gleichzeitig auch die schulische Förderung im Rahmen
der ISR als weniger angemessen. Auch die Qualität der SSG wird von den Eltern im Schnitt
positiv bewertet. So sind sie beispielsweise der Ansicht, dass die Gespräche gut vorbereitet
seien, zu konkreten Massnahmen führten und auch die Stärken der Kinder aufzeigten (siehe
Abbildung 10). Am SSG sind neben LP, SHP und Eltern teilweise auch die Kinder (40%), SP
(66% mindestens einmal pro Jahr) und SL (94% mindestens gelegentlich) anwesend.
Kooperation der Akteure
LP, SHP und Eltern stehen auch neben den SSG im Austausch miteinander. Dessen Quantität
fällt dabei jedoch sehr unterschiedlich aus: Bei etwas mehr als der Hälfte der Settings finden
die Gespräche zwischen LP/SHP und Eltern seltener als einmal pro Monat statt, während sie
bei knapp 10% der Settings einmal pro Woche durchgeführt werden (siehe Abbildung 12).
Kooperation zwischen Fach- und Lehrpersonen ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute
Planung und Durchführung des Unterrichts, wie aus der Studie der European Agency for Development in Special Needs Education (2012, S. 7) hervorgeht: „Collaboration and teamwork
are essential approaches for all teachers.“ Die Qualität der Zusammenarbeit zwischen LP,
SHP und Eltern wird von allen drei Akteursgruppen im Durchschnitt als eher positiv bewertet
(siehe Abbildung 14 und Abbildung 15), so etwa hinsichtlich der gegenseitigen Unterstützung
oder in Bezug auf das Vertrauen in die Arbeit der anderen Beteiligten. LP und SHP profitieren
bei ihrer Arbeit im Durchschnitt jedoch nur bedingt vom Wissen der Eltern. In den Fallanalysen
wurde deutlich, dass sich gewisse Eltern eine bessere Kooperation wünschen, während LP
berichten, dass sie bei der Kooperation mit den Eltern teilweise an ihre Grenzen stossen würden. Es stellt sich daher die Frage, wie die Kooperation in diesen Situationen optimiert werden
kann, um das betreffende Kind in systematischer Weise umfassend unterstützen zu können.
Die Zusammenarbeit mit den SP wird aus der Sicht der LP und SHP positiv bewertet. So geben die befragten LP und SHP an, sie hätten Vertrauen in die Empfehlungen des SPD, und
bestätigen, dass die Empfehlungen nützlich seien (siehe Abbildung 16). SL äussern sich im
Gegensatz dazu leicht kritischer (siehe Abbildung 17). Die Eltern beurteilen ihre Zusammenarbeit mit den SP ähnlich wie die SL als eher positiv (siehe Abbildung 18).
Trotz der grundsätzlich positiven Wahrnehmung der Zusammenarbeit zwischen LP und SHP
nutzen LP Beratungsangebote der SHP eher wenig. Auf der anderen Seite stellen die SHP
den LP eher wenige Unterrichtsmaterialien zur Verfügung (siehe Abbildung 19). Weitere Analysen ergaben, dass die Akteure die ISR-Förderung bei guter Zusammenarbeit zwischen LP
und SHP positiver beurteilen als in Fällen, in denen diese Voraussetzung nicht gegeben ist.
Die Fallanalysen bestätigen diesen Befund: Überall dort, wo die Umsetzung von ISR nicht
funktioniert, liegen Missverständnisse in der Kooperation, meist zwischen SHP und LP, vor,
wobei die Kooperation entweder verweigert wird oder nur oberflächlich stattfindet. Diese Einschätzungen werden auch von Elternseite bestätigt.
Einstellungen und Berücksichtigung individueller Bedürfnisse
Einstellungen respektive Überzeugungen oder Haltungen gelten für das pädagogische Handeln als hoch bedeutsam (Baumert & Kunter, 2006). In der vorliegenden Studie wurden Einstellungen zu drei Bereichen mit unterschiedlicher Reichweite erhoben. Es handelte sich um
(a) Einstellungen zu ISR, (b) Einstellungen zu Diversität und (c) Einstellungen zur schulischen
Integration. Insgesamt zeigen die Einstellungen der LP, SHP, SP und SL ein verhalten positives Bild. So liegen die Werte der Einstellung zu ISR nur leicht über der Skalenmitte, wobei die
LP – verglichen mit den SHP, SP und SL – am kritischsten eingestellt sind (siehe Abbildung
88
PH Luzern
21), während die Werte für die Einstellung zu Diversität in der Klasse etwas positiver ausfallen
(siehe Abbildung 22). Wie die Analysen ergaben, stehen diese beiden Faktoren in einem positivem Zusammenhang mit der Einschätzung der Angemessenheit der Förderung: Sind die
Akteure gegenüber ISR generell positiv eingestellt und wird Diversität positiv gesehen, so wird
die ISR-Förderung als angemessener eingeschätzt. Dieser Befund findet seine Bestätigung
auch bei der Einstellung zur schulischen Integration (siehe Abbildung 23). Auch diese Einstellung steht in einem Zusammenhang mit der Einschätzung der Angemessenheit der Förderung:
Je wohlwollender die Einstellung zur schulischen Integration ausfällt, desto angemessener
wird die Förderung eingeschätzt. Umgekehrt bedeutet dies, dass an gewissen Schulen in ISRSettings LP tätig sind, welche die Integration ablehnen und die Förderung als weniger angemessen wahrnehmen. Dieser Befund konnte unter anderem mithilfe der Fallanalysen bestätigt
werden. Mithin scheint es wichtig zu sein, im Rahmen der Einführung von ISR die integrationsspezifischen Einstellungen der Beteiligten zu thematisieren und zu hinterfragen.
Die LP berichten trotz ihrer eher kritischen Einstellung gegenüber ISR, dass sie die individuellen Lernbedürfnisse im Schnitt zufriedenstellend berücksichtigen könnten (siehe Abbildung
24). Diese Ansicht wird von den Eltern geteilt (siehe Abbildung 25). Diese finden zudem, dass
ihr Kind im Schnitt fair beurteilt werde und die geforderten Leistungen angemessen seien (siehe Abbildung 26). Wie weiterführende Analysen aufzuzeigen vermochten, beurteilen Eltern,
welche die individuellen Lernbedürfnisse ihrer Kinder im Unterricht berücksichtigt sehen, auch
die Förderung durch das ISR-Setting insgesamt als angemessener.
Qualifikation der Lehr- und Fachpersonen
Ein bedeutsamer Aspekt für die Gewährleistung einer kompetenten Förderung durch Lehrund Fachpersonen ist deren Qualifikation (Joller-Graf & Tanner, 2011). In der untersuchten
Stichprobe verfügen allerdings nur 64% der als SHP tätigen Personen über eine entsprechende Ausbildung in Schulischer Heilpädagogik oder waren zum Zeitpunkt der Befragung in Ausbildung (siehe Abbildung 27). Zugleich ergaben vertiefte Analysen, dass eine Ausbildung in
Schulischer Heilpädagogik die Einstellungen zu Diversität und schulischer Integration wie
auch die Zusammenarbeit zwischen LP und SHP positiv beeinflusst. Auch in den Fallanalysen
bestätigte sich, dass Probleme in der Umsetzung von ISR vor allem dann auftreten, wenn die
SHP von den LP als wenig kompetent eingeschätzt werden. Vor diesem Hintergrund drängt
sich die Forderung auf, dass alle SHP, die für ein Kind mit ISR zuständig sind, über eine den
Anforderungen adäquate Ausbildung verfügen müssen respektive dass bei fehlendem Fachwissen der sonderpädagogischen Fachperson die Defizite zwingend durch Beratung und Unterstützung einer spezialisierten Fachstelle kompensiert werden müssen.
Den erhobenen Daten zufolge haben 40% der SHP zusätzlich eine Weiterbildung, meist in
den Themenbereichen „Unterricht/Didaktik/Methodik“, „Förderdiagnostik/Förderplanung“ oder
„Heilpädagogik ohne Spezifikation“, absolviert. In vielen Fällen wurde die Spezifikation der
Weiterbildung jedoch offengelassen (siehe Abbildung 28). Von den LP, welche Kinder mit ISR
unterrichten, berichten nur 18% von einer spezifischen Weiterbildung zur Förderung von Kindern mit Sonderschulbedarf, was angesichts der Komplexität der Anforderungen an ein ISRSetting (siehe Indikationen) Fragen aufwirft. Der bedeutsame Anteil an nicht adäquat ausgebildeten SHP wird von den SL bestätigt: Ihren Angaben zufolge arbeiten an ihren Schulen im
Schnitt 2.2 von 5 SHP ohne entsprechende Ausbildung. Ein Drittel der ohne Abschluss tätigen
SHP haben immerhin eine Aus-/Weiterbildung in Schulischer Heilpädagogik geplant. Diese
Befunde zeigen auf, dass die SL gefordert sind, Lehrpersonen in ihrer beruflichen Weiterentwicklung zu beraten und zu unterstützen, und dafür sorgen sollten, dass das nötige Know-how
an der Schule verfügbar ist oder in die Schule transferiert wird.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
89
Beratung und Unterstützung
Die Sicherung der Fachlichkeit basiert neben der Qualifikation der Lehr- und Fachpersonen
auch auf der Möglichkeit, bei Bedarf auf Beratungs- und Unterstützungsangebote zurückgreifen zu können und diese auch tatsächlich zu nutzen. Während rund drei Viertel der LP ihre
Anlaufstellen bei Problemen kennen (mehrheitlich SL und SHP; siehe Abbildung 31), scheint
bei einem Viertel der LP diesbezüglich noch Klärungsbedarf zu bestehen. Bei Fragen zur Umsetzung des ISR-Settings wenden sich LP häufig an SHP und SL. Auch SP werden teilweise
als bedeutsame Anlaufstelle genannt. Das VSA wie auch die B+U-Anbieter werden hingegen
kaum genutzt (siehe Abbildung 32). SL wenden sich ebenfalls meist an SHP und SP, während
sich wiederum nur ein Fünftel der Befragten SL an das VSA und die B+U-Anbieter wendet.
Vonseiten der SP wird zu 94% bejaht, dass sie Beratungen von LP und SHP durchführen
würden. Diese Beratungen befassen sich sehr häufig mit der Abklärung des Sonderschulungsbedarfs, mit Fragen zur Förderung sowie mit der emotionalen Belastung des betreffenden Kindes (siehe Abbildung 33).
Beratung und Unterstützung stellen eine Möglichkeit dar, fehlendes Wissen in Bezug auf die
Gestaltung eines ISR-Settings abzurufen. Eine essenzielle Vorbedingung dafür besteht jedoch
darin, dass LP wissen, welche Möglichkeiten diese Angebote umfassen und wo respektive wie
sie darauf zurückgreifen können, sodass sie das passende Angebot im Bedarfsfall auch tatsächlich nutzen.
Rahmenbedingungen
Lehr- und Fachpersonen verfügen in der Regel lediglich über mässiges Fachwissen zur Umsetzung von ISR und nur über eine geringe Kenntnis der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen (siehe Abbildung 34).
Auf die Frage nach den Ressourcen zur Umsetzung von ISR fallen die Einschätzungen von
SP und SL eher kritisch aus: So wird die Aussage „Die gesprochenen Stunden für das ISRSetting reichen aus, um die Kinder angemessen zu fördern“ von den SP und SL mit einem
Wert von 3.1 als „teils, teils“ eingestuft. (siehe Abbildung 35).
Die Aufsicht über die ISR ist an den verschiedenen Schulen der Stichprobe unterschiedlich
angesiedelt, obliegt jedoch mehrheitlich der Schulpflege (60%; siehe Abbildung 36).
Eine an die SP und SL gerichtete Frage befasste sich damit, welche Kinder sich nicht für eine
Beschulung mit ISR eignen würden. Am häufigsten genannt wurden in diesem Zusammenhang folgende Kategorien: Kinder mit massiver Verhaltensauffälligkeit und/oder ausgeprägten
Aufmerksamkeitsstörungen; Kinder, die mit ISR nicht ausreichend gefördert werden können;
Kinder mit kognitiven Einschränkungen, Lernschwierigkeiten, Sprachproblemen und Entwicklungsstörungen; Kinder mit starker körperlicher und/oder geistiger Behinderung (siehe Abbildung 39).
Schliesslich wurden LP und SHP auch danach gefragt, was sie für ein passendes ISR-Setting
zusätzlich benötigen würden. Häufig vorgebracht wurden diesbezüglich die folgenden Wünsche: Klarheit hinsichtlich der Beurteilung von Kindern mit ISR, spezifische Lehrmittel mit individualisierten Aufgaben, Zeitgefässe für die Zusammenarbeit sowie fachliche Unterstützung
durch die SHP (siehe Abbildung 41). Weiterführende Analysen zu diesem Aspekt lassen die
folgende Aussage zu: Je mehr Wünsche für ein passendes ISR-Setting genannt werden, desto tiefer fallen die Werte für die eingeschätzte Angemessenheit der Förderung aus.
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PH Luzern
6.2 Abklärungs- und Zuweisungsverfahren
Um einen Eindruck davon zu gewinnen, inwiefern das jeweils zur Anwendung gelangende
Abklärungs- und Zuweisungsverfahren fachlich indiziert ist und nicht willkürlich oder personenund ortsabhängig erfolgt, wurden den an der Befragung beteiligten Akteuren verschiedene, in
Kapitel 3.2 im Detail ausgeführte Fragen gestellt. Diese betreffen die folgenden Aspekte: die
Verwendung des SAV durch die SP, den eingeschätzten Bedarf an ISR, das Vorgehen von
der Wahrnehmung von Schwierigkeiten bis zur Abklärung beim SPD, die Anzahl Abklärungen
beim SPD, das Vorhandensein sowie die Einhaltung von geregelten Abläufen bei der Zuweisung und Abklärung sowie die Information der Eltern.
Von der Wahrnehmung von Schwierigkeiten des Kindes bis zur Anmeldung beim SPD
Auf die Frage, wer die schulischen Schwierigkeiten des Kindes zuerst wahrgenommen habe,
werden vor allem die LP, SHP und die Eltern genannt (siehe Abbildung 42). Als Reaktion auf
die erstmalige Wahrnehmung der Auffälligkeiten werden gemäss den Angaben der SL (80%)
an fast allen Schulen zunächst Alternativlösungen erprobt, die sehr vielfältig ausfallen können
(für Details siehe Kapitel 3.2.1). Führen diese Massnahmen nicht zum gewünschten Ergebnis,
so entscheiden sich insbesondere die Eltern und die LP für eine Abklärung beim SPD (siehe
Abbildung 43). Die Resultate zeigen zudem, dass die Eltern und die SL in fast allen Fällen
standardmässig einbezogen werden, wenn es um eine Abklärung des Kindes geht (siehe Abbildung 45). Gleichwohl wurde in 15% der Fälle vor der Abklärung kein SSG durchgeführt.
Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass bei der Regelung von Abläufen noch Optimierungsbedarf
besteht. Zwar gibt es an vielen Schulen standardisierte Abläufe, deren Einhaltung von den SL
auch mit hoher Zustimmung bejaht wird (siehe Abbildung 47), aber die Dokumentenanalyse
zeigte zugleich, dass der Detaillierungsgrad der entsprechenden Unterlagen sehr unterschiedlich ausfällt. Zudem hängt die Einhaltung solcher Abläufe an der Schule mit der von den verschiedenen Akteuren eingeschätzten Angemessenheit der Förderung des betreffenden Kindes
zusammen, wobei insbesondere das Einhalten von Abläufen bei der Abklärung durch den
SPD sowie bei der Planung und Durchführung des SSG signifikant mit der Einschätzung der
Angemessenheit der Förderung einhergeht. Das Vorhandensein und Einhalten dieser Abläufe
wiederum hängt positiv mit dem vorhandenen Fachwissen an der Schule zusammen (siehe
Kapitel 3.2.1).
Der Einbezug von Schulleitungen
Die SL sind wichtige Ansprechpersonen bei Fragen zur ISR und werden im Falle von Anmeldungen beim SPD einbezogen. Wie die Fallanalysen ergaben, vermitteln die SL darüber hinaus auch bei Problemen in der Zusammenarbeit zwischen LP und SHP und sie bearbeiten die
Schnittstelle zwischen Schule, Fachstellen und Behörden bei der Ressourcenplanung. Zudem
koordinieren sie die verschiedenen Angebote der schulischen Integration, wie dies unter anderem die Dokumentenanalyse der sonderpädagogischen Konzepte aufzuzeigen vermochte. All
diese verschiedenen Aufgaben verdeutlichen die zentrale Stellung, welche die SL bei der Realisierung der integrativen Schule innehaben.
Schulpsychologischer Dienst
Wird das Kind beim SPD angemeldet und spricht die oder der zuständige SP eine Empfehlung
für ISR aus, so folgt das weitere Vorgehen gemäss drei Vierteln der an der Befragung teilnehmenden SP einem klaren ISR-Zuweisungsverfahren. Um eine vergleichbare Abklärungspraxis sicherzustellen, wird auch im Kanton Zürich das SAV schrittweise eingeführt. Die Ergebnisse der Datenanalysen zeigen, dass diese Einführung noch am Laufen ist. Zum Zeitpunkt der Befragung gaben 22% der SP an, dass sie das SAV bereits verwenden würden.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
91
Die SP wurden zudem gefragt, ob ISR ausgebaut werden solle und, wenn ja, für welche spezifischen Bedürfnisse. 45% der SP bejahen diese Fragen, wobei der höchste Bedarf vor allem
im Grenzbereich von Lern- und geistiger Behinderung, bei Konzentrationsstörungen, sprachlichen Schwierigkeiten, Schwierigkeiten im Sozialverhalten sowie Sinnesbehinderungen gesehen wird (siehe Abbildung 46). ISR scheint in den Augen der SP somit eine Ressource zu
sein, die äusserst vielfältig eingesetzt werden kann.
Eltern haben ein Anrecht auf transparente und regelmässige Information sowie ein Recht auf
Mitwirkung (§§ 50–53 VSG). Obwohl sich die Mehrheit der Eltern gemäss Selbstaussage ausführlich informiert fühlt, besteht bei immerhin 30% der befragten Eltern ein ungedeckter Informationsbedarf (siehe Abbildung 49). Zudem geben 23% der LP und 21% der SHP an, dass
den Eltern nicht klar sei, dass es sich bei ihrem Kind offiziell um eine Sonderschülerin respektive um einen Sonderschüler handle. Demgegenüber waren 96% der SP der Ansicht, dass die
Eltern sich über den Status ihres Kindes im Klaren seien (siehe Abbildung 48). Dieser Befund
deutet darauf hin, dass die SP zwar informieren, die Informationen jedoch nicht bei allen Eltern
auch tatsächlich anzukommen scheinen und eventuell auch wieder vergessen gehen. Auch
diesbezüglich ergibt sich somit Optimierungsbedarf.
6.3 Integration in den Klassenverband
Da die soziale Integration ein wichtiges Gütekriterium für die schulische Integration darstellt,
wurden verschiedene Fragen zum Vorhandensein von Freundinnen und Freunden, zur Zugehörigkeit zu einer Schülerclique, zur Gestaltung der Peerbeziehungen, zur zeitlichen und aktiven Teilnahme am Unterricht sowie zum Wohlbefinden des Kindes mit ISR-Status gestellt.
Ebenfalls untersucht wurde das Klassenklima hinsichtlich der Akzeptanz von Vielfalt. In einem
weiteren Schritt wurden danach auch noch mögliche Probleme bei der Förderung von Schülerinnen und Schülern im Rahmen von ISR sowie Übergänge in die nächste Schulstufe und in
Berufsausbildungen ins Zentrum des Forschungsinteresses gerückt.
Vorhandensein einer besten Freundin oder eines besten Freundes und Zugehörigkeit zu einer
Schülerclique
Die Resultate der Datenanalysen zeigen, dass nach Ansicht der Eltern, LP und SHP ca. 50%
der Kinder mit ISR eine beste Freundin oder einen besten Freund haben respektive Mitglied
einer Schülerclique sind (siehe Abbildung 50). Die Erhebung der sozialen Integration beruht
auf Aussagen der genannten Akteure (und nicht auf einem unabhängigen Mass, etwa ausgehend von Peernominationen). Da zahlreiche Forschungsarbeiten (z.B. Juvonen & Baer, 1992)
einerseits zum Schluss gelangten, dass Kinder, die Freundschaften pflegen und einer Clique
angehören, auch die Beziehungen zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern (soziale Interaktionen) signifikant aktiver gestalten, und andererseits die Erfahrung von Freundschaft und Zugehörigkeit bedeutsam ist, damit ein Kind eine förderliche soziale Entwicklung durchlaufen
kann, sollte die schulische Integration von Kindern mit ISR ein zentrales Anliegen aller beteiligten Akteure darstellen. Wie Berichte von Eltern in den Fallstudien zeigen, ist es jedoch nicht
immer der Fall, dass Kinder mit ISR-Status für die Freizeit Freundinnen und Freunde finden,
an Geburtstagspartys eingeladen werden oder an gemeinsamen Aktivitäten teilnehmen können. Vor dem Hintergrund, dass erst rund die Hälfte der Kinder mit ISR in das soziale Netzwerk der Klasse eingebettet zu sein scheint, besteht in diesem Bereich Optimierungsbedarf.
Soziale Interaktionen und aktive Teilnahme am Unterricht
Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass die sozialen Interaktionen der Kinder mit ISR im
Durchschnitt nur mässig positiv beurteilt werden (siehe Kapitel 3.3.1). So antworten die verschiedenen Akteure beispielsweise auf die Frage, wie leicht das Kind Freundinnen und Freunde finde und ob es die Pause mit Klassenkameradinnen und Klassenkameraden verbringe, mit
Einschätzungen zwischen „teils, teils“ und „trifft eher zu“. Es wäre daher wohl zu kurz gegrif92
PH Luzern
fen, die Integration lediglich mittels sozialen Lernens fördern zu wollen (Kavale & Mostert,
2004). Vielmehr sollte der Unterricht so ausgerichtet sein, dass das Kind mit ISR viel Zeit im
Klassenzimmer verbringen kann und die Möglichkeit erhält, aktiv am Unterrichtsgeschehen
teilzunehmen. So wurde in den Zusammenhangsanalysen deutlich, dass die aktive Teilnahme
am Unterricht neben dem Wohlbefinden als wichtigstes Kriterium für die eingeschätzte Angemessenheit der Förderung des Kindes angesehen werden kann. Wie die entsprechenden Resultate zeigen, werden 80% der Kinder mit ISR in mehr als zwei Dritteln der Zeit integrativ im
Klassenunterricht gefördert (siehe Abbildung 51). Zudem wird auch die Partizipation der Kinder mit ISR durchschnittlich eher positiv eingeschätzt: Kinder mit ISR nehmen ihren Möglichkeiten entsprechend aktiv am Unterricht teil und haben ein Mitbestimmungsrecht, das es ihnen
erlaubt, zu entscheiden, ob sie an diesen Aktivitäten teilnehmen möchten (siehe Abbildung
52). Somit scheint eine wichtige Voraussetzung für die soziale Integration der Kinder mit ISR
in den meisten Fällen erfüllt zu sein. Weniger gut fällt im Vergleich dazu die Beurteilung der
sozialen Interaktionen der Schülerinnen und Schüler mit ISR aus.
Wohlbefinden
Die Bedeutsamkeit der sozialen Interaktionen kann noch klarer dargestellt werden, wenn das
Wohlbefinden des Kindes näher betrachtet wird. In der vorliegenden Stichprobe wird das
Wohlbefinden des jeweiligen Kindes im ISR-Setting von den Akteuren als eher hoch eingeschätzt (siehe Abbildung 55), wobei sich die verschiedenen Perspektiven bemerkbar machen:
Die SP schätzen das Wohlbefinden am tiefsten ein, die Eltern am höchsten. Hohe Werte beim
Aspekt der sozialen Interaktionen gehen mit einer signifikant höheren Wahrnehmung des
Wohlbefindens der Kinder einher. Da die sozialen Interaktionen wiederum vom Vorhandensein
von Freundschaften und von einer Cliquenzugehörigkeit abhängig sind, sollten neben der Förderung einer aktiven Teilnahme des Kindes am Unterricht stets auch die sozialen Beziehungen des Kindes zu den Mitschülerinnen und Mitschülern, also das soziale Lernen, im Fokus
stehen.
Klassenklima in Bezug auf Vielfalt
Wie die sozialen Beziehungen eines Kindes gestaltet werden, ist auch vom jeweiligen Kontext
abhängig (Grütter et al., 2015). Das Klassenklima in Bezug auf Vielfalt wird von den Befragten
als eher positiv erlebt, wobei jedoch die Eltern eine etwas weniger positive Perspektive einnehmen als die LP und SHP (siehe Abbildung 54). Zudem geht aus den Einschätzungen der
Eltern hervor, dass eine Akzeptanz der Integration aufseiten der anderen Eltern nicht immer
gegeben zu sein scheint. Dieser Befund weist darauf hin, dass der Sichtweise der Eltern hinsichtlich der schulischen Integration noch stärker Beachtung geschenkt werden sollte. Eine
diesbezügliche Möglichkeit bestünde beispielsweise darin, an Veranstaltungen für Eltern ein
Verständnis für die schulische Integration aufzubauen.
Da das Klassenklima in Bezug auf Vielfalt einen wesentlichen Faktor für die eingeschätzte
Angemessenheit der Förderung im Rahmen von ISR darstellt, sollte dem Umgang mit Unterschiedlichkeit in der Klasse grosse Beachtung geschenkt werden. Um ein Klassenklima zu
schaffen, das Unterschiede zwischen den Kindern akzeptiert, sind zum einen die integrationsspezifischen Einstellungen der LP und SHP und zum anderen auch strukturelle und fachliche
Voraussetzungen von Bedeutung. Wichtig für ein integrationsunterstützendes Klima sind zum
Beispiel Zeitgefässe für die Zusammenarbeit, fachliche Unterstützung oder organisatorische
Unterstützung durch die SL (siehe Abbildung 29). Daher empfiehlt es sich, einerseits gemeinsam eigene Einstellungen zu reflektieren und andererseits an den nötigen Voraussetzungen
zu arbeiten (siehe Abbildungen 29), welche ein Klassenklima der Akzeptanz von Vielfalt begünstigen.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
93
Mögliche Problembereiche
Neben den bisher erörterten Aspekten zur Gestaltung der sozialen Integration von Kindern mit
ISR wurden die Akteure auch nach möglichen Problemen bei der Förderung dieser Kinder
gefragt. In diesem Zusammenhang werden von den LP, SHP und SP vor allem die Zusammenarbeit mit den Eltern und familiäre Probleme, ungenügendes Wissen über das Kind und
Verständnisprobleme sowie die Selbstkompetenzen des Kindes genannt. Fehlende Ressourcen werden hingegen kaum genannt und auch die Integration der Kinder als solche wird nicht
häufig als Problem gesehen (siehe Abbildung 55). Bei ungenügendem Wissen über das Kind
respektive Problemen in der Verständigung mit dem Kind könnten zudem die SP oder andere
Fachstellen verstärkt beratend einbezogen werden. Zudem gälte es zu beachten, dass wichtige Informationen über das Kind, welche zum besseren Verständnis des Kindes beitragen, bei
Übertritten in eine höhere Schulstufe konsequent weitergegeben werden.
Übergänge
Bei Übergängen in eine andere Schulstufe werden Informationen gemäss den Aussagen der
Befragten vor allem mündlich und schriftlich – in Form des letzten SSG-Protokolls oder Berichten des SPD – weitergegeben. Mögliche Probleme bei solchen Übertrittprozessen können sich
daraus ergeben, dass die Weitergabe von Informationen nicht geregelt ist oder entsprechende
Zeitgefässe fehlen (siehe Abbildung 57). Was die Weiterführung oder Auflösung von ISR betrifft, so wurden die ISR-Settings zu etwa gleichen Teilen entweder zugunsten einer Förderung
mit IF respektive einer Eingliederung in den Regelunterricht aufgehoben (9%) oder das Kind
musste separiert beschult werden (11%, dies vor allem beim Übergang vom Kindergarten in
die Unterstufe). Bei der Mehrheit der Kinder mit ISR wurde das Setting so weitergeführt (70%).
Den Übergang in eine Berufsausbildung betreffend liegen Informationen zu acht Schülerinnen
und Schülern vor. Die Hälfte davon hatte zum Zeitpunkt der Befragung bereits eine Lehrstelle
gefunden, die aus der Sicht der SHP den Fertigkeiten und Wünschen der Jugendlichen entspricht. Bei zwei Jugendlichen wurde eine andere Anschlusslösung gefunden und in zwei Fällen bestand noch keine Lösung.
6.4 Empfehlungen
Die vorliegende Evaluation fokussiert auf die Umsetzung der Integrierten Sonderschulung in
der Verantwortung der Regelschule (ISR). Entsprechend richten sich die Empfehlungen auf
das Angebot der ISR. Gleichwohl ist zu beachten, dass ISR als ein Aspekt der schulischen
Integration und darüber hinaus als ein Anhaltspunkt dafür, wie Schulen mit Diversität generell
umgehen, verstanden werden kann. Viele der Empfehlungen gelten daher generell für die Realisierung der schulischen Integration und müssen mit der Integrativen Förderung (IF) und der
Integrierten Sonderschulung in der Verantwortung der Sonderschule (ISS) zusammen gedacht
werden. Sie gliedern sich analog zum Aufbau des Berichts in Empfehlungen zur Umsetzung
der Förderung im ISR-Setting, zum Abklärungs- und Zuweisungsverfahren sowie zur Integration in den Klassenverband.
A) Empfehlungen zur Umsetzung der Förderung im ISR-Setting
Empfehlung 1: Die Einstellungen zur schulischen Integration und zur Diversität sind als wichtige Einflussgrösse hinsichtlich der Ausgestaltung von ISR-Settings in den Schulen regelmässig zu thematisieren und so zu verankern, dass sich an der Schule ein integrationsunterstützendes Klima etabliert.
Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass positive Einstellungen gegenüber Integration und
Diversität eine wichtige Voraussetzung bilden, damit die Förderung im ISR-Setting als angemessen beurteilt wird. Umgekehrt treten Probleme in der Umsetzung von ISR – und bei der
schulischen Integration generell – dann auf, wenn das Schulteam der Integration gegenüber
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PH Luzern
skeptisch eingestellt ist und die in diesem Zusammenhang übertragenen Aufgaben primär als
Belastung wertet. Vor diesem Hintergrund sind die integrationsspezifischen Einstellungen regelmässig zu thematisieren und in Bezug auf ihren Berufsauftrag und die konkrete Unterrichtsund Förderarbeit zu reflektieren.
Empfehlung 2: Die Zusammenarbeit zwischen Regellehrpersonen und sonderpädagogischen
Fachpersonen ist im sonderpädagogischen Konzept der Gemeinde verbindlich festzulegen
und regelmässig zu überprüfen. Voraussetzung für eine gelingende Kooperation ist ein geteiltes Verständnis von Förderung im Kontext schulischer Integration. Kooperationsgefässe sollen
im Stundenplan integriert werden.
Mit der Kooperation der involvierten Lehr- und Fachpersonen steht und fällt die Umsetzung
von ISR. Schulen, in denen ISR gelingt, berichten signifikant häufiger von einer konstruktiven
Zusammenarbeit. Kooperation wird dabei nicht dem Zufall oder einzelnen involvierten Personen überlassen, sondern basiert auf einem geteilten Verständnis von Förderung im Kontext
der schulischen Integration. Ebenso sind vor diesem Hintergrund die Rollen und Aufträge der
Akteure zu klären. Hierbei sind schul- und situationsspezifische Gegebenheiten mitzuberücksichtigen und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Kooperation entlastend und gleichzeitig qualitätsfördernd gestaltet werden kann.
Empfehlung 3: Die Zusammenarbeit zwischen der Schule und den Eltern von Kindern mit
ISR-Status ist auszubauen. In Problemsituationen soll gezielt die Vernetzung mit Schulsozialarbeit, Schulpsychologischem Dienst, B+U-Anbietern und weiteren Fachstellen gesucht werden.
Eltern sind im Durchschnitt zufrieden mit der Kooperation mit der Schule. Gewisse Eltern wünschen sich jedoch mehr Unterstützung durch die Schule. Auf der anderen Seite geben Lehrpersonen an, dass sie bei bestimmten ausserschulischen Problemlagen an ihre Grenzen stossen (Zusammenarbeit mit Eltern, familiäre Probleme, Verständnisprobleme) und die unterrichtsbezogenen Massnahmen zu wenig greifen würden. In Problemfällen ist deshalb die Vernetzung mit Fachstellen zu suchen. Unterstützend sollten zudem bedürfnisgerechte Weiterbildungsangebote zu Themen wie „Führen von ‚schwierigen‘ Elterngesprächen“ oder „Förderung
von Kindern aus belasteten familiären Situationen“ an den Schulen angeboten und von den
Lehrpersonen genutzt werden.
Empfehlung 4: Schulleitungen sollen dafür verantwortlich sein, dass die Abläufe bei der Planung, Durchführung und Überprüfung von ISR-Settings geklärt sind und eingehalten werden.
Zur Ausarbeitung eines ISR-Settings sollte die Schulleitung eine Fachperson (z.B. B+UAnbieter, Schulische Heilpädagogin oder Schulischer Heilpädagoge) einbeziehen.
Schulleitungen tragen eine grosse Mitverantwortung bei der Umsetzung der schulischen Integration. Sie sind in den Abklärungs- und Zuweisungsprozess involviert, werden als Ansprechpersonen zu ISR kontaktiert und bilden die Schnittstelle zu Schulpsychologischem
Dienst, Schulpflege, Gemeindebehörde und Fachstellen. Schulleitungen von Schulen, in denen ein hoher Zufriedenheitsgrad mit ISR zu beobachten ist, haben die Abläufe im Zusammenhang mit ISR geklärt und/oder thematisieren sie in gemeinsamen Besprechungen mit
Lehrpersonen und weiteren Fachpersonen.
Empfehlung 5: Es wird empfohlen, dass eine Fachperson mit Ausbildung in Schulischer Heilpädagogik in der ISR eingesetzt wird. Ist dies nicht möglich, muss das Defizit beim Fachwissen durch Beratung und Unterstützung einer spezialisierten Fachstelle kompensiert werden.
Weiter wird empfohlen, vielfältige Angebote (Weiterbildungen, Coaching, kollegiale Beratung,
Beratung durch Fachstellen etc.) bereitzustellen und/oder besser sichtbar zu machen, damit
Lehrpersonen (am besten im Team) sie nutzen und so ihre Aufgaben im Rahmen des ISRSettings kompetent ausfüllen können.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
95
Schulleitungen wie auch Schulpsychologinnen und Schulpsychologen beurteilen das Wissen
von Lehrpersonen zur Umsetzung von ISR kritisch. Zugleich hat nur eine Minderheit der Lehrpersonen, die im Rahmen eines ISR-Settings tätig sind, eine entsprechende Weiterbildung
besucht. Des Weiteren konnte ermittelt werden, dass eine hohe Fachlichkeit von Schulischen
Heilpädagoginnen und Heilpädagogen mit mehr Verbindlichkeit in den Abläufen von ISR einhergeht. Diese Verbindlichkeiten stehen wiederum in einem Zusammenhang mit einer generell
positiven Einschätzung von ISR.
Empfehlung 6: Übergänge zwischen den Schulstufen (Kindergarten–Primarstufe, Primarstufe–Sekundarstufe I, Sekundarstufe I–Sekundarstufe II) sind bei Kindern und Jugendlichen mit
ISR-Status verbindlich zu regeln. Das Vorgehen bei Stufenübergängen für Kinder und Jugendliche mit ISR-Status ist im sonderpädagogischen Konzept der Gemeinde verbindlich festzulegen. Je nachdem ist auch die Schulverwaltung in den Prozess einzubeziehen. Zudem sind
Angaben zum Datenschutz aufzuführen.
Übergänge zwischen den Schulstufen sind für alle Beteiligten mit Unsicherheiten und Ängsten
verbunden; dies gilt generell für alle Kinder und ganz besonders für Kinder mit ISR-Status. In
den durchgeführten Fallstudien zeigte sich, dass Eltern teilweise befürchten, dass ihr Kind
zum Beispiel auf der Sekundarstufe I nicht mehr erwünscht sei, weshalb sie eine Separierung
vorziehen. Auf der anderen Seite wurde deutlich, dass die Informationsweitergabe bei Übergängen bei einigen Schülerinnen und Schülern nicht funktioniert.
Empfehlung 7: Die Qualität von ISR ist durch professionelle Aufsicht regelmässig zu überprüfen. Anpassungen im Aufsichtsinstrument sind vorzunehmen.
Da die Fachlichkeit zur Umsetzung von ISR nicht überall gegeben ist und die Anforderungen
zur Gestaltung eines ISR-Settings hoch sind (siehe Indikationsbereiche), ist es umso bedeutsamer, dass die Aufsicht in der Lage ist, den Diskurs über die Qualität bei der Planung und
Durchführung von ISR-Settings anzuregen. Zuhanden der Aufsicht sind vom Volksschulamt
Instrumente zur Selbst- und Fremdeinschätzung der Qualität von ISR-Settings zur Verfügung
zu stellen.
Empfehlung 8: Informationsunterlagen zur Umsetzung von ISR sind den Schulen vom Volksschulamt zur Verfügung zu stellen respektive bestehende Unterlagen sind zu ergänzen. Themen, die in den Unterlagen stärker aufgegriffen werden müssen, sind: Beurteilung von Kindern
mit ISR, ISR und Nachteilsausgleich, Gestaltung von Übergängen und Weitergabe von Informationen (Datenschutz), Informationen über Elternarbeit in ISR-Settings (inklusive Informationen an Elternbesuchstagen).
Zuhanden der Schulen wurden vom Volksschulamt bereits diverse Informationsunterlagen
ausgearbeitet. Teilweise haben die Schulen weitere Unterlagen für die Eltern schulspezifisch
angepasst. Bei Fragen in Bezug auf verstärkte Unterstützung wurden in der Studie unter anderem Informationen zur Beurteilung von Kindern mit ISR genannt. Zusätzliche Informationen
sind auch bezüglich des Nachteilsausgleichs erforderlich. Gleichermassen offen sind anscheinend auch Fragen zur Weitergabe von Informationen bei der Gestaltung von Übergängen.
Weitere Unterlagen könnten Leitplanken dazu bieten, wie an öffentlichen Anlässen über die
schulische Integration zu berichten ist, ohne dass einzelne Kinder stigmatisiert werden.
B) Empfehlungen zum Abklärungs- und Zuweisungsverfahren
Empfehlung 9: Das Vorgehen beim Abklärungs- und Zuweisungsverfahren, Einrichten des
Settings und Überprüfen des Settings ist in den Schulen verbindlich festzulegen, vorzugsweise
schriftlich im sonderpädagogischen Konzept der Schule.
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PH Luzern
Das Abklärungs- und Zuweisungsverfahren ist nicht in allen Gemeinden geklärt und schriftlich,
zum Beispiel im sonderpädagogischen Konzept, festgehalten. In einigen Gemeinden erfolgt
dieser Prozess in mündlicher Absprache oder wird individuell von den beteiligten Personen
bestimmt. In Schulen, welche das Abklärungs- und Zuweisungsverfahren klar geregelt haben,
berichten alle Beteiligten von einer angemesseneren Förderung. Unter diesem Gesichtspunkt
und um eine vergleichbare Abklärungs- und Zuweisungspraxis zu erreichen, müssten verbindliche Prozessschritte definiert und von der Aufsichtsbehörde auf ihre konsequente Anwendung
hin überprüft werden. Diese Prozessschritte müssen den Lehrpersonen bekannt gemacht
werden.
Empfehlung 10: Bevor eine Schülerin oder ein Schüler einen ISR-Status erhält, sollten Fachpersonen (z.B. Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, Schulpsychologischer
Dienst, B+U-Anbieter, Schulsozialarbeit, Fachstellen) zur Unterstützung der Schulleitung und
für die Beratung der Lehrpersonen und Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen
beigezogen werden.
Es ist anzuregen, bereits vor einer Abklärung die Kompetenzen von Fachpersonen (z.B. Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, Schulpsychologischer Dienst, B+U-Anbieter,
Schulsozialarbeit, Fachstellen) zu nutzen. So sollten diese beispielsweise als zusätzliche Unterstützung der Schulleitung frühzeitig einbezogen werden oder sie könnten Lehrpersonen und
Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen in ihren herausfordernden Tätigkeiten unterstützen, beispielsweise mittels eines niederschwelligen Beratungsangebots für Lehrpersonen oder durch die Teilnahme an Meetings in der Schule, bei denen fallbezogene Gespräche
stattfinden.
Empfehlung 11: Die Informierung der Eltern über den „Sonderschulstatus“ ihres Kindes und
das Beschwerderecht muss im Rahmen des Abklärungs- und Zuweisungsverfahrens verbessert werden, sodass diese Information auch tatsächlich bei den betreffenden Eltern ankommt.
Die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen informieren gemäss eigenen Angaben in
allen Fällen über den „Sonderschulstatus“ des betreffenden Kindes. Allerdings kommt diese
Information nicht bei allen Eltern an. So gab knapp ein Viertel der befragten Eltern an, dass
ihnen nicht klar sei, dass ihr Kind offiziell als Sonderschülerin oder als Sonderschüler gelte.
Und gar rund 40% der Eltern sind gemäss eigener Angabe nicht über das Beschwerderecht
informiert worden. Offenbar besteht in diesem Zusammenhang ein Kommunikationsproblem.
Es sind deshalb Vorkehrungen zu treffen, die es erlauben, die Kommunikation zwischen der
Schule (respektive den Schulpsychologinnen und Schulpsychologen) und den Eltern zu dieser
Thematik zu verbessern. Dies betrifft nicht nur die Einführung des Sonderschulstatus, sondern
auch dessen Aufhebung.
Empfehlung 12: Im Rahmen eines Monitorings seitens der Bildungsdirektion sind die zentralen Kennzahlen zu den ISR-Settings zu erheben.
Durch die Schaffung von ISR steht neben der IF und der ISS neu ein drittes Angebot der schulischen Integration zur Verfügung. Aufgrund der kurzen Laufzeit von ISR ist die Nutzung dieses Angebotes sorgfältig mithilfe eines Monitorings zu begleiten, um eine hohe Qualität bei der
Durchführung von ISR zu sichern. Von Interesse sind insbesondere die Anzahl Settings im
Verhältnis zur Gesamtschülerzahl der Gemeinde sowie mit Blick auf die Qualität der einzelnen
Settings die Verteilung der Settings gemessen am Sozialindex der Gemeinden und der Verlauf
der Anzahl Settings bei Übergängen zwischen den Schulstufen. Bei der Erhebung dieser
Kennzahlen soll die Qualität der Settings im Vordergrund stehen, wobei sichergestellt werden
soll, dass jedes Kind eine der individuellen Entwicklung angemessene Bildung erhält.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
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C) Empfehlungen zur Integration in den Klassenverband
Empfehlung 13: Der Unterricht, der sich grundsätzlich an den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler orientiert, ist so weiterzuentwickeln, dass alle Kinder
(auch jene mit ISR-Status) daran partizipieren können. Die Lehrpersonen sollen zudem verstärkt Instrumente, Methoden und Unterrichtsmaterialien kennenlernen und weiterentwickeln,
die es ihnen erleichtern, Klassen mit integrierten Sonderschülerinnen und Sonderschülern zu
führen.
Kinder mit ISR-Status werden überwiegend integrativ im Unterricht gefördert. Die Partizipation
dieser Kinder ist bedeutsam für eine angemessene Förderung sowie für die soziale Integration. Die befragten Lehrpersonen geben an, dass sie beim Unterrichten die individuellen Lernbedürfnisse berücksichtigen würden, merken teilweise jedoch auch an, dass die Gefahr bestehe, den Unterricht an zwei Gruppen auszurichten: an der Gruppe der Kinder mit spezifischen Bildungsbedürfnissen und an der Gruppe ohne spezifische Bildungsbedürfnisse. Vor
diesem Hintergrund ist der Unterricht so weiterzuentwickeln, dass er sich in differenzierter
Weise an den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen aller Schülerinnen und Schüler orientiert. Zusätzlich wünschen sich Lehrpersonen Lehrmittel mit individualisierenden Lernaufgaben. Folglich ist bei der Produktion und Zulassung von Lehrmitteln dem Anteil an individualisierenden Aufgabenstellungen (oder der Möglichkeit dazu) ein hoher Stellenwert beizumessen.
Empfehlung 14: Lehrpersonen und Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen sollen
Kinder und Jugendliche mit ISR systematisch und gezielt in der Gestaltung von sozialen Beziehungen unterstützen. Sie sind dabei in ihren konkreten Herausforderungen im Unterricht
von weiteren Fachpersonen beratend zu begleiten. Ein entsprechendes Weiterbildungsangebot zur Förderung des sozialen Lernens und des wertschätzenden Umgangs mit Vielfalt soll
den Schulteams zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.
Eingangs ist hier darauf hinzuweisen, dass die Erhebung der sozialen Integration auf Aussagen von Lehrpersonen und Eltern (und nicht auf einem unabhängigen Mass, etwa ausgehend
von Peernominationen) beruht. Gemäss ihren Einschätzungen ist nur die Hälfte der Kinder mit
ISR in Netzwerke der Klassen eingebunden. Die soziale Einbettung stellt jedoch eine wichtige
Grundlage für die soziale Entwicklung dar. Darüber hinaus sind die sozialen Interaktionen eine
wichtige Quelle des Wohlbefindens. In den Schul- und Unterrichtsteams sind deshalb Überlegungen anzustellen und konkrete Massnahmen zu realisieren, die sich damit befassen, wie
Kinder mit ISR in dieser Hinsicht besser unterstützt werden können. (Externe) Fachpersonen
können die Lehrpersonen bei diesen Fragen unterstützen. Es ist auch zu überlegen, wie die
Eltern der Mitschülerinnen und Mitschüler für diese Aufgaben sensibilisiert respektive gewonnen werden können.
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7 Dokumentierter Kriterienkatalog
Die Qualitätskriterien zur Planung und Durchführung von ISR-Settings sind in der Broschüre
„Integrierte Sonderschulung im Kanton Zürich“ enthalten (S. 28). Aufgrund der Evaluationsergebnisse schlägt das Autorenteam die folgenden Anpassungen der Qualitätskriterien vor:
Abklärung und Zuweisung
•
Das Vorgehen beim Abklärungs- und Zuweisungsverfahren, das Einrichten des Settings
und die Überprüfung sind verbindlich im sonderpädagogischen Konzept der Schule festgelegt, entsprechen den gesetzlichen Grundlagen und sind den Lehr- und Fachpersonen
bekannt.
•
Die Zuweisung ist fachlich indiziert, basiert auf den Grundlagen, die im SAV verankert
sind, und ist weder willkürlich noch personen- und ortsabhängig.
•
Fachpersonen (z.B. Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, Schulpsychologischer Dienst, B+U-Anbieter, Schulsozialarbeit, Fachstellen) werden von der Schule – je
nach Bedarf – niederschwellig vor der Initiierung eines Abklärungs- und Zuweisungsverfahren zur Beratung einbezogen.
•
Zur Ausarbeitung eines ISR-Settings zieht die Schulleitung Lehr- und Fachpersonen mit
ein.
•
Die Erziehungsberechtigten werden adressatengerecht über ihre Rechte und Pflichten
und über Anlaufstellen bei Schwierigkeiten informiert, sodass sie danach tatsächlich über
das entsprechende Wissen verfügen.
Förderung
•
Das ISR-Setting entspricht den Förderbedürfnissen der Sonderschülerinnen und Sonderschüler, sodass diese gemäss dem Schulischen Standortgespräch eine ihrer Behinderung
angemessene Förderung erhalten.
•
Die Förderung im Rahmen eines ISR-Settings findet innerhalb eines Unterrichts statt, der
die heterogenen Lernvoraussetzungen der Kinder und Jugendlichen als Ressource nutzt.
Der Unterricht wird auf die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler hin geplant und entwickelt ein positives Verständnis von Unterschieden.
•
Im Rahmen eines ISR-Settings arbeiten alle involvierten Lehr- und Fachpersonen der
Schule partnerschaftlich und verbindlich auf der Grundlage eines geteilten Verständnisses
von Förderung zusammen.
•
Die Lehr- und Fachpersonen tauschen sich auf der Grundlage eines gemeinsamen Förderverständnisses mit den Eltern regelmässig aus und lassen sie am Förderprozess teilhaben.
•
Die Fachlichkeit der Förderung wird gewährleistet durch Lehr- und Fachpersonen mit entsprechenden Aus- und Weiterbildungen und/oder durch den Einbezug behinderungsspezifisch qualifizierter Fachstellen.
•
In Krisensituationen wird die Vernetzung mit Schulsozialarbeit, Schulpsychologischem
Dienst, B+U-Anbietern und weiteren Fachstellen gesucht.
•
Für jede Sonderschülerin und jeden Sonderschüler werden in einer Förderplanung unter
Einbezug der Erziehungsberechtigten und der Kinder selbst individuelle Entwicklungs-,
Lern- und Therapieziele festgehalten und deren Erreichung wird mindestens einmal pro
Jahr im Rahmen eines Schulischen Standortgesprächs überprüft. Die Förderplanung erfolgt dabei auf der Basis von förderdiagnostischen Instrumenten und wird in einem standardisierten Bericht festgehalten.
•
Die Lehr- und Fachpersonen dokumentieren die Lern- und Leistungsfortschritte der integrierten Kinder und Jugendlichen systematisch und machen sie gegenüber allen Beteiligten in angemessener Form sichtbar. Dabei ist darauf zu achten, dass die Eltern und auch
die Kinder selbst in nachvollziehbarer Art und Weise über die Fortschritte informiert werden.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
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•
Das Vorgehen bei der Informationsweitergabe anlässlich von Übergängen zwischen den
Schulstufen ist im sonderpädagogischen Konzept der Gemeinde festgehalten und wird
von den involvierten Lehr- und Fachpersonen eingehalten. Die Informationsweitergabe erfolgt frühzeitig, sodass vorausschauend geplant werden kann und eine als angemessen
beurteilte Integration eines Kindes nicht aufgrund struktureller Bedingungen beendet werden muss.
Integration
•
ISR erfolgt in einem Schul- und Unterrichtsklima der gegenseitigen Wertschätzung und
der Achtung vor der Diversität. Schulpflege, Schulleitung, Schulteam sowie Schülerinnen
und Schüler unterstützen die integrative Ausrichtung der Schule. Der Umgang mit Diversität gehört dabei zu den Grundkompetenzen der involvierten Lehr- und Fachpersonen und
ist folglich Bestandteil von Mitarbeitendengesprächen.
•
Die Lehrpersonen entwickeln und nutzen Instrumente, Methoden und Unterrichtsmaterialien, die es ihnen erleichtern, Klassen mit integrierten Sonderschülerinnen und Sonderschülern zu führen.
•
Die Sonderschülerinnen und Sonderschüler partizipieren an möglichst allen Aktivitäten
der Schule und lernen im Unterricht am gemeinsamen Lerngegenstand, soweit dies für
das betreffende Kind möglich ist und in Einklang mit dessen Wohlbefinden steht.
•
Die Lehr- und Fachpersonen unterstützen alle Kinder und Jugendlichen systematisch und
gezielt in der Gestaltung von sozialen Beziehungen.
•
Die Sonderschülerinnen und Sonderschüler werden von der Schule systematisch darin
unterstützt, sich sozial und beruflich in die Gesellschaft integrieren zu können.
Auf dieser Grundlage ist ein Instrument auszuarbeiten, das basierend auf den hier genannten Qualitätskriterien beobachtbare Merkmale ableitet.
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PH Luzern
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Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
103
9 Abkürzungsverzeichnis
α
Reliabilitätskoeffizient
β
Regressionskoeffizient
ANOVA
Varianzanalyse (Analysis of Variance)
B+U
Fachstelle „Beratung und Unterstützung“
BWS
Berufswahlschule
CLMM
Mehrebenenmodell für ordinalskalierte Daten (Cumulative Link Mixed Model)
EBABS
Lehre mit eidgenössischem Berufsattest
F
Wert in der statistischen F-Verteilung
GLMM
Generalisiertes Mehrebenenmodell (Generalized Linear Mixed Model)
ICC1
Intra-Klassen-Korrelation 1 (Intra-class Correlation 1)
ICD-10
Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision (International Classification of Diseases)
ICF
Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit
(International Classification of Functioning, Disability and Health)
IF
Integrierte Förderung
ISR
Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule
ISS
Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Sonderschule
IV
Invalidenversicherung
KESB
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde
KJPD
Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst
LP
Lehrpersonen
M
Mittelwert
n
Stichprobengrösse
p
Wahrscheinlichkeit, dass ein Ergebnis signifikant ist
r
Korrelationskoeffizient
SAV
Standardisiertes Abklärungsverfahren
SD
Standardabweichung
104
PH Luzern
SHP
Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen
SL
Schulleiterinnen und Schulleiter
SP
Schulpsychologinnen und Schulpsychologen
SPD
Schulpsychologischer Dienst
SPZ
Sozialpädiatrisches Zentrum
SSA
Schulsozialarbeit
SSG
Schulisches Standortgespräch
t
Wert in der statistischen t-Verteilung
VSA
Volksschulamt
z
Wert in der statistischen z- Verteilung
Anhang
Siehe separates Dokument Anhang.
Evaluationsbericht ISR Kanton Zürich
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