Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU

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Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU
08
Unternehmenspolitik
17
Unternehmenspolitik
04
2000
Sechster Bericht
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU
Sechster Bericht
Europäische
Kommission
Unternehmenspolitik
2000
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU
Sechster Bericht - Kurzfassung
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU
Sechster Bericht
Kurzfassung
Europäische
Kommission
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU —
CT-22-99-200-DE-C
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU
Sechster Bericht
Preis in Luxemburg (ohne MwSt.): EUR 53
2000
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU
Sechster Bericht
ISBN 92-828-8613-1
AMT FÜR AMTLICHE VERÖFFENTLICHUNGEN
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
L-2985 Luxembourg
9 789282 886137
Europäische
Kommission
2000
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU
Sechster Bericht
Europäische
Kommission
1
Der Bericht wurde im Auftrag der Generaldirektion Unternehmen der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften erstellt durch:
KPMG Consulting and EIM Small Business Research and Consultancy
in Zusammenarbeit mit:
ENSR — European Network for SME Research
Intomart
Dieser Sechste Bericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU ist in englischer, französischer und
deutscher Sprache erhältlich.
Die vorhergehenden fünf Jahresberichte sind noch erhältlich und können bestellt werden bei: EIM Small
Business Research and Consultancy, Postfach 7001, 2701 AA, Zoetermeer, Niederlande (Tel.: +31 (0)
793413634, Fax: + 31 (0) 793415024, E-Mail-Adresse:[email protected]).
Folgende Abkürzungen werden in diesem Bericht für das Europa der 19 verwendet:
A
B
DK
D
EL
E
F
FIN
IRL
I
L
NL
P
S
UK
EU
IS
LI
NO
EEA
CH
(Österreich)
(Belgien)
(Dänemark)
(Deutschland)
(Griechenland)
(Spanien)
(Frankreich)
(Finnland)
(Irland)
(Italien)
(Luxemburg)
(Niederlande)
(Portugal)
(Schweden)
(Vereingtes Königreich)
(Europäische Union)
(Island)
(Liechtenstein)
(Norwegen)
(Europäischer Wirtschaftsraum)
(Schweiz)
Europa-19
(EWR und Schweiz)
Zahlreiche weitere Informationen zur Europäischen Union sind verfügbar über Internet, Server Europa
(http://europa.eu.int).
Bibliographische Daten befinden sich am Ende der Veröffentlichung.
Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2000
ISBN 92-828-8613-1
© Europäische Gemeinschaften, 2000
Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.
Printed in Italy
2
INHALT
Vorwort
.......................................................................................................
9
Kurzfassung ........................................................................................................
11
Einleitung
........................................................................................................
37
TEIL I
DER ERFOLG DER KMU
1
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19.......................
43
1.1
Größe und Struktur des nicht-primären Unternehmenssektors in
Europa-19, den USA und Japan........................................................
Analyse auf der Makroebene ............................................................
Struktur nach Ländern......................................................................
Struktur nach Wirtschaftssektoren ....................................................
46
46
49
51
1.1.1
1.1.2
1.1.3
1.2
1.2.1
1.2.2
1.2.3
1.2.4
1.3
1.3.1
1.3.2
1.4
1.4.1
1.4.2
Aktuelle Entwicklung der KMU und GU ...........................................
Makroökonomische Rahmenbedingungen .......................................
Das Größenklassenmuster der makroökonomischen Entwicklung
in Europa-19, den USA und Japan....................................................
Größenklassenmuster nach Ländern.................................................
Größenklassenmuster nach Wirtschaftssektoren ...............................
Zukünftige Entwicklung der KMU und GU in Europa-19:
Szenarioanalyse 2000-2005..............................................................
Makroökonomische Rahmenbedingungen des Szenarios .................
Das Größenklassenmuster der makroökonomischen Entwicklung
in Europa-19 ....................................................................................
Die Lage des Handwerks und der Sozialwirtschaft ...........................
Die Lage des Handwerks ..................................................................
Die Lage der Sozialwirtschaft ...........................................................
56
56
59
66
67
68
69
70
73
73
76
Anhänge zu Kapitel 1
I
II
III
Die in den Abschnitten 1.1 und 1.2 verwendeten Daten .......
Definition der Wirtschaftssektoren ..........................................
In Abschnitt 1.4 verwendete Daten........................................
79
88
90
TEIL II
DAS UNTERNEHMENSUMFELD UND VERHALTEN DER KMU
2
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
101
2.1
Einleitung .........................................................................................
102
2.2
Auswirkungen von Regulierungsreformen ........................................
103
3
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
2.2.1
2.2.2
2.2.3
Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum ....................................
Auswirkungen auf die Unternehmen ................................................
Spezifische Auswirkungen auf KMU..................................................
103
104
104
2.3
Auswirkungen aktueller Deregulierungen auf KMU:
Liberalisierung der Öffnungszeiten im Einzelhandel .........................
Die Situation im EWR und der Schweiz............................................
Reaktionen der Unternehmen auf die neuen Möglichkeiten.............
Auswirkungen auf Umsatz und Beschäftigung in KMU.....................
Negative Auswirkungen für KMU .....................................................
Positive Auswirkungen und Chancen für KMU .................................
105
105
108
109
110
110
2.4.1
2.4.2
2.4.3
Auswirkungen aktueller Regulierungen auf KMU:
die Öffnung der Märkte für das öffentliche Beschaffungswesen .......
Bekanntheit der Ausschreibungsverfahren bei KMU .........................
Teilnahme von KMU in Vergabeverfahren ........................................
Hindernisse für KMU und ihre Gründe, nicht teilzunehmen.............
111
113
116
120
2.5
Politische Empfehlungen ..................................................................
125
3
Aspekte des Arbeitsmarktes...........................................................
127
3.1
Einleitung .........................................................................................
128
3.2
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
Fachkräftemangel .............................................................................
Probleme der Personalbeschaffung und Fachkräftemangel in KMU..
Die wesentlichen Hindernisse für die Geschäftstätigkeit ...................
Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen ...........................
Probleme der Personalbeschaffung und ihre Auswirkungen auf die
Geschäftstätigkeit .............................................................................
Die Überwindung von Problemen der Personalbeschaffung in KMU
Gegenmaßnahmen des öffentlichen Sektors ....................................
128
129
130
132
Mobilität der Arbeitskräfte................................................................
Beschäftigung von Arbeitskräften aus anderen westeuropäischen
Ländern durch KMU.........................................................................
Barrieren für die Beschäftigung von Arbeitskräften aus anderen
westeuropäischen Ländern in KMU ..................................................
Allgemeine Barrieren für grenzüberschreitende Mobilität .................
144
148
149
150
3.4.4
Das Steuersystem .............................................................................
Senkung der Arbeitskosten und der Steuern auf Arbeit ....................
Senkung der Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen .
Gründe für die begrenzte Anwendung der Strategien zur Schaffung
von Arbeitsplätzen ...........................................................................
Erwartete Ergebnisse der durchgeführten Maßnahmen....................
3.5
Politische Empfehlungen ..................................................................
154
4
Zugang zu Finanzierung ................................................................
157
4.1
Einleitung .........................................................................................
158
4.2
4.2.1
4.2.2
4.2.3
Zugang zu Finanzierung und Bankkrediten ......................................
Zugang zu Finanzierung als Hindernis .............................................
Rate der Kreditkunden .....................................................................
Aspekte der Bilanzstruktur ................................................................
159
159
161
162
4.3
4.3.1
Analyse der Zielgruppen ..................................................................
Vergleich der Zielgruppen ................................................................
164
165
2.3.1
2.3.2
2.3.3
2.3.4
2.3.5
2.4
3.2.5
3.2.6
3.3
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.4
3.4.1
3.4.2
3.4.3
4
133
134
135
144
146
146
151
153
Inhalt
4.3.2
4.3.3
4.3.4
4.3.5
Zugang zu Finanzierung von neugegründeten Unternehmen ..........
Zugang zu Finanzierung von kleinen etablierten Unternehmen .......
Zugang zu Finanzierung von hoch innovativen Unternehmen.........
Expandierende Unternehmen...........................................................
166
170
171
174
4.4
Hindernisse, die den Zugang zu Finanzierung erschweren...............
175
4.5
Ausgewählte politische Maßnahmen................................................
177
4.6
Politische Empfehlungen ..................................................................
178
5
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU ...................................
181
5.1
Einleitung .........................................................................................
182
5.2
5.2.1
5.2.2
5.2.3
5.2.4
5.2.5
Was ist elektronischer Geschäftsverkehr? ..........................................
Marketing ........................................................................................
Bestellung ........................................................................................
Zahlung ...........................................................................................
Vertrieb von Produkten ....................................................................
Nutzung des Internet und der Technologien zur Unternehmensvernetzung für die wirtschaftliche Zusammenarbeit von KMU..............
182
184
185
185
186
5.3
5.3.1
5.3.2
Stand des elektronischen Geschäftsverkehrs in Europa .....................
Stand nach Ländern .........................................................................
Stand nach Größenklassen und Wirtschaftssektoren.........................
187
188
193
5.4
Möglichkeiten und Barrieren für die Nutzung des
elektronischen Geschäftsverkehrs durch KMU ..................................
Der europäische Konsument im elektronischen Markt .....................
Möglichkeiten für KMU im elektronischen Markt .............................
Barrieren, die die Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs
behindern ........................................................................................
5.4.1
5.4.2
5.4.3
187
194
195
196
199
5.5
5.5.1
5.5.2
Die Auswirkungen des elektronischen Geschäftsverkehrs..................
Die globalen Auswirkungen auf den Markt ......................................
Die internen Auswirkungen auf KMU ...............................................
202
202
205
5.6
5.6.1
Förderprogramme im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs
Nationale Programme zur Förderung des elektronischen Geschäftsverkehrs............................................................................................
206
5.7
Politische Empfehlungen ..................................................................
207
6
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft..................................
209
6.1
Einleitung .........................................................................................
210
6.2
Teilnahme von KMU an Interventionen der Gemeinschaft ...............
210
6.3
Barrieren für die Teilnahme von KMU an Programmen der
Gemeinschaft ...................................................................................
Bekanntheit und Teilnahme..............................................................
Gründe für KMU, an Programmen der Gemeinschaft nicht
teilzunehmen ...................................................................................
Barrieren und Hindernisse ................................................................
6.3.1
6.3.2
6.3.3
6.4
6.4.1
6.4.2
6.4.3
Der Zugang von KMU zu den Gemeinschaftsinitiativen KMU und
ADAPT..............................................................................................
Allgemeine Information....................................................................
Barrieren und Hindernisse ................................................................
Maßnahmen, um die Teilnahme von KMU an der KMU-Initiative
und ADAPT zu verbessern ................................................................
206
218
218
222
224
227
227
228
231
5
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
6.5
Beste Verfahren für die Förderung der Teilnahme von KMU
an Programmen der Gemeinschaft ..................................................
232
6.6
Politische Empfehlungen ..................................................................
233
7
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft............................
235
7.1
Einleitung .........................................................................................
236
7.2
Die Bedeutung der Vereine und Stiftungen geht weit über ihr
wirtschaftliches Gewicht hinaus........................................................
237
7.3
7.3.1
7.3.2
7.3.3
7.3.4
Unterstützende Maßnahmen............................................................
Rechtliche Rahmenbedingungen, Regulierungen und Steuersystem
Spezifische Unterstützungsmaßnahmen im Bereich der Finanzierung ..
Maßnahmen im Bereich der freiwilligen (ehrenamtlichen) Mitarbeit
Unterstützung im Bereich Arbeitsplatzschaffung ..............................
240
242
244
248
250
7.4
7.4.1
7.4.2
Zugang zu Finanzmitteln .................................................................
Die Bedeutung öffentlicher und privater Finanzmittel ......................
Hauptprobleme im Bereich der Finanzierung ...................................
252
252
255
7.5
Grenzüberschreitende Kooperation ..................................................
257
7.6
Politische Empfehlungen ..................................................................
260
Anhang: Überblick über Steueranreize ................................................
261
TEIL III
UNTERNEHMENSPOLITISCHE MASSNAHMEN
8
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik.......................................
267
8.1
Einleitung .........................................................................................
268
8.2
Aktuelle Entwicklungen der Politik in KMU-spezifischen Bereichen...
268
8.3
Nationale Maßnahmen für KMU und das Handwerk .......................
270
8.4
Schlußfolgerungen ...........................................................................
304
TEIL IV
SPEZIALTHEMEN
9
Berufliche Bildung und KMU .........................................................
311
9.1
Einleitung .........................................................................................
313
9.2
9.2.1
9.2.2
9.2.3
Weiterbildungsaktivitäten für Arbeitnehmer in KMU ........................
Aktivitäten beruflicher Weiterbildung in KMU ..................................
Allgemeine Merkmale der Weiterbildung .........................................
Anreize und Barrieren für berufliche Weiterbildung in KMU.............
315
315
322
326
9.3
Weiterbildungsaktivitäten für Manager und Eigentümer von KMU...
331
9.4
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und Weiterbildung in KMU ...............................................................................
335
Politische Maßnahmen zur Förderung beruflicher Weiterbildung in
KMU.................................................................................................
340
Politische Empfehlungen ..................................................................
343
9.5
9.6
6
Inhalt
10
Neue Dienstleistungen ..................................................................
345
10.1
Einleitung .........................................................................................
346
10.2
10.2.1
10.2.2
10.2.3
10.2.4
Neue Dienstleistungen: Definition und wichtigste Trends ................
Struktur und Entwicklung des europäischen Dienstleistungssektors..
Definition und Bezugsrahmen für die Analyse..................................
Wichtigste Trends in Europa.............................................................
Nachfrage nach neuen Dienstleistungen durch KMU:
gegenwärtige Nutzung und Erwartungen ........................................
347
347
350
357
10.3
361
10.3.1
10.3.2
Unternehmertum und Schaffung von Arbeitsplätzen in neuen
Dienstleistungen...............................................................................
Gründungen und Schließungen und ihre Beschäftigungswirkung....
Barrieren für Gründung und Wachstum ...........................................
362
362
370
10.4
10.4.1
Unterstützungsmaßnahmen .............................................................
Lokale Initiativen ..............................................................................
373
378
10.5
Politische Empfehlungen ..................................................................
380
TEIL V
MONITOR
11
KMU im europäischen Binnenmarkt .............................................
385
11.1
Einleitung .........................................................................................
387
11.2
11.2.1
11.2.2
11.2.3
Die Beurteilung des Binnenmarktes durch die KMU .........................
Gesamtbeurteilung des Binnenmarktes ............................................
Die wahrgenommenen Vorteile und Nachteile.................................
Wie wichtig ist der Binnenmarkt für KMU? ......................................
388
388
392
395
11.3
11.3.1
11.3.2
11.3.3
Die Umstellung auf den Euro ...........................................................
Problembewußtsein und Informationsangebot ...............................
Maßnahmen in Zusammenhang mit der Umstellung.......................
Geplanter Zeitpunkt der Euro-Kompatibilität der KMU ....................
396
396
399
404
11.4
Internationaler Handel und Wettbewerb ..........................................
407
11.5
11.5.1
412
11.5.2
Das Wachstum der Unternehmen im Binnenmarkt ..........................
Der Zusammenhang zwischen Wachstum und bestimmten
Unternehmensmerkmalen ................................................................
Ein stärker formalistischer Zugang: Regressionsanalyse.....................
12
Der Europäischen „TALLY“ für KMU..............................................
415
13
Politische Empfehlungen................................................................
431
412
414
ANHÄNGE ZUM BERICHT
I
Die Erstellung und Analyse des ENSR Enterprise Survey 1999 ....
447
II
Mitglieder des Beratergremiums...................................................
459
III
Namen und Adressen der Mitglieder des Konsortiums ...............
461
7
VORWORT
von Erkki Liikanen
Mitglied der Europäischen
Kommission, verantwortlich
für Unternehmen und
Informationsgesellschaft
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des 6. Berichts des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU ist gut gewählt. Sie folgt der Ankündigung der neuen Unternehmenspolitik der Kommission, wie sie in der Mitteilung ausgeführt wurde, die
sie am 26. April angenommen hat.
Auf dem Europäischen Rat von Lissabon setzte sich die Europäische Union für die
nächste Dekade selbst ein neues strategisches Ziel, sich „zur wettbewerbsfähigsten
und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaft der Welt zu entwickeln, die fähig
ist, nachhaltiges Wachstum zu erzielen und dabei mehr und bessere Arbeitsplätze
zu schaffen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken“. Unternehmenspolitik
wird eine Schlüsselrolle spielen, um diese Ziele zu erreichen. Sie wird sich insbesondere mit den Bedingungen befassen, in denen KMU, als die wichtigsten
Motoren für wirtschaftliches Wachstum und für die Schaffung von Arbeitsplätzen,
agieren.
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU ist ein wertvolles Instrument, um die
aktuelle Situation des KMU-Sektors zu analysieren. Quantitative Informationen
über KMU werden kombiniert mit der Analyse von Schlüsselthemen, die sich auf
die Wettbewerbsfähigkeit von KMU auswirken. Zu diesen Schlüsselthemen zählen
der elektronische Handel und der Zugang zu Finanzmitteln. Verbesserte
Erhebungsmethoden geben einen weitaus besseren Einblick darin, wie kleine und
mittlere Unternehmen ihre Umgebung wahrnehmen. Die CD-ROM Version des
Berichts wird noch mehr detaillierte Daten über KMU bereitstellen und einen Überblick geben über politische Maßnahmen für KMU auf nationaler Ebene.
Vorhergehende Berichte wurden bisher von einer großen Leserschaft von Entscheidungsträgern für Unternehmenspolitik auf nationaler und gemeinschaftlicher
Ebene, Wissenschaftlern, Ökonomen und KMU selbst als einzigartige Referenzdokumente betrachtet. Ich hoffe, dass Sie diesen 6. Bericht des Beobachtungsnetzes für KMU als wertvolle Ergänzung zu dem betrachten, was in den Vorjahren
veröffentlicht wurde.
Erkki Liikanen
9
KURZFASSUNG
Einleitung
Dies ist die Kurzfassung des Sechsten Berichtes des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU. Das Projekt wurde 1992 von der Europäischen Kommission ins
Leben gerufen. Ziel des Projektes ist es, einen unabhängigen Bericht zu erstellen, der
einen strukturierten und aktuellen Überblick über die europäischen kleinen und
mittleren Unternehmen (im Rahmen dieses Berichtes umfaßt der Begriff „KMU”
auch Handwerksbetriebe und die Sozialwirtschaft) gibt, und zwar sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht.
Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich die Anzahl der Länder, die durch diesen
Bericht abgedeckt werden, erhöht. Der Erste und Zweite Bericht bezogen sich auf
die damals 12 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, während der Dritte Bericht
die 15 Mitgliedstaaten und Norwegen umfaßte. Seit dem Vierten Bericht werden
alle EU-Mitgliedstaaten zuzüglich Island, Liechtenstein und Norwegen (d. h. alle
Länder des Europäischen Wirtschaftsraums) sowie die Schweiz abgedeckt. Diese
Länder werden als Europa-19 bezeichnet.
Die allgemeinen Zielsetzungen dieses Sechsten Berichtes sind:
• Die Analyse der gegenwärtigen und absehbaren Position und des Verhaltens
der KMU in ihrem Unternehmensumfeld;
• Die Analyse der aktuellen und absehbaren Auswirkungen der Vollendung des
Binnenmarktes auf die Position und das Verhalten der KMU;
• Die Identifizierung der Zielsetzungen und Maßnahmen der Unternehmenspolitik, die geeignet sind, Auswirkungen auf den KMU-Sektor zu haben.
Der Bericht besteht aus fünf Teilen. In Teil I werden Position und Entwicklung der
KMU analysiert, danach wird in Teil II das Verhalten der Unternehmen in bezug auf
ihr Umfeld untersucht. Im diesjährigen Bericht gilt die Aufmerksamkeit der Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen, Arbeitsmarktaspekten, dem
Zugang zu Finanzierung, dem elektronischen Geschäftsverkehr, dem Zugang zu
Programmen der Gemeinschaft sowie der Rolle von Vereinen und Stiftungen in der
Sozialwirtschaft. Teil III behandelt unternehmenspolitische Maßnahmen, während
Teil IV zwei Spezialthemen vorstellt: Berufliche Bildung und KMU sowie Neue
Dienstleistungen. Teil V analysiert Leistung und Verhalten von KMU im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt.
Dieser unabhängige Bericht wird von einem Konsortium erstellt, das von KPMG
Consulting geleitet wird und darüber hinaus EIM Small Business Research and
Consultancy, Intomart und das European Network for SME Research (ENSR)
umfaßt. Das ENSR ist ein Netzwerk führender Organisationen, die auf KMUForschung spezialisiert sind. In jedem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums besteht zumindest eine Partnerorganisation des Netzwerks. Der Bericht
beruht vor allem auf den folgenden Datenquellen:
• Europäische und nationale Statistiken;
• Dem ENSR Enterprise Survey 1999, einer telefonischen Erhebung unter 8 000
Unternehmen in den 19 abgedeckten Ländern;
11
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
• Europäischen Unternehmensdatenbanken;
• Literatur, qualitativen Daten, Gesetzen und politischen Dokumenten;
• Informationen von ENSR-Fachleuten und externen Experten.
Teil I
Der Erfolg der KMU
Unternehmensstruktur und Schlüsselindikatoren auf europäischer
Ebene im Jahr 1998
Im Jahr 1998 stieg die Zahl der Unternehmen im privaten nicht-primären Sektor in
Europa-19 auf fast 20 Millionen, was sich positiv auf die Beschäftigung auswirkte.
Tabelle 1 Hauptindikatoren des privaten nicht-primären Unternehmenssektors,
Europa-19, 1998*
KMU
Kleinst
Kleine
Mittlere
Gesamt
19 330
480
19 810
Anzahl der
Unternehmen (1 000)
EU
Nicht-EU
Gesamt
18 040
425
18 465
1 130
45
1 175
160
10
170
Beschäftigte
(1 000)
EU
Nicht-EU
Gesamt
38 360 21 320
970
820
39 330 22 140
14 870
770
15 640
GU
Gesamt
38
2
40
19 370
480
19 850
74 550 38 680 113 230
2 550 1 190
3 740
77 100 39 860 116 970
Durchschnittliche Unternehmensgröße:
• Beschäftigte je
Unternehmen
• Umsatz je
Unternehmen
(Millionen Euro)
EU
Nicht-EU
Gesamt
2
2
2
EU
Nicht-EU
Gesamt
0,2
0,3
0,2
20
20
20
90
90
90
4
5
4
3
3
3
23
16
23
0,5
0,8
0,5
1 010
780
1 000
6
8
6
215
135
215
1,0
1,3
1,0
EU
Nicht-EU
Gesamt
6
12
7
13
14
13
16
16
16
11
14
11
22
20
22
16
16
16
EU
Nicht-EU
Gesamt
30
55
30
50
50
50
95
60
90
45
55
45
90
85
90
60
65
60
Anteil der Arbeitskosten an EU
der Wertschöpfung (%) Nicht-EU
Gesamt
40
36
40
53
60
53
43
52
43
45
48
45
38
53
39
42
50
42
Anteil der Exporte
am Umsatz (%)
Wertschöpfung je
Beschäftigtem (%)
(1 000 Euro)
*
Aufgrund von Rundungen sind die Gesamtwerte nicht mit der Summe der Teilsummen und die durchschnittlichen Unternehmensgrößen nicht mit den Quotienten aus Beschäftigtenzahl und Unternehmenszahl identisch.
Anmerkung:
• Kleinstunternehmen sind Unternehmen, die weniger als 10 Personen beschäftigen. Unternehmen ohne
Beschäftigte, die somit nur den Selbständigen (und gegebenenfalls unbezahlten Familienangehörigen)
ein Einkommen bieten, stellen eine eigene Kategorie in dieser Größenklasse dar.
• Kleine Unternehmen sind Unternehmen mit 10-49 Beschäftigten.
• Mittlere Unternehmen sind Unternehmen mit 50-249 Beschäftigten.
Quelle:
12
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.and OECD:
Economic Outlook, No. 65, June 1999.
Kurzfassung
Diese Unternehmen beschäftigten 117 Millionen Personen. Wie Tabelle 1 zeigt,
sind die überwältigende Mehrheit dieser Unternehmen KMU, also Unternehmen
mit weniger als 250 Beschäftigten. Die KMU stellen zwei Drittel aller Arbeitsplätze
bereit (siehe Kapitel 1 dieses Berichtes).
Ein europäisches Unternehmen beschäftigt im Durchschnitt 6 Personen. Diese Zahl
variiert freilich nach Unternehmensgröße: KMU beschäftigen durchschnittlich 4
Personen, während die durchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter in großen Unternehmen (GU) 1 000 beträgt.
Der durchschnittliche Umsatz je Unternehmen beträgt 500 000 Euro für KMU und
215 Millionen Euro für GU. Auch die Arbeitsproduktivität, definiert als Wertschöpfung je Beschäftigtem, nimmt mit der Unternehmensgröße zu: In Kleinstunternehmen erbringt ein Beschäftigter eine Wertschöpfung von durchschnittlich 30 000
Euro, während die Arbeitsproduktivität in großen Unternehmen 90 000 Euro
erreicht.
Entwicklung der Schlüsselindikatoren, 1988-2000
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Beschäftigung im privaten nicht-primären
Unternehmenssektor in Europa-19 im Zeitraum 1988-2000. Einerseits nahm die
Gesamtbeschäftigung während der 90er Jahre ab, andererseits verlief die Entwicklung der Beschäftigung in den Kleinstunternehmen am günstigsten. Die Erholung
der Beschäftigungssituation begann ebenfalls in den Kleinstunternehmen etwa ab
1995, während das Beschäftigungswachstum in kleinen, mittleren und großen
Unternehmen erst ab 1997 merklich zunahm.
Abbildung 1
Entwicklung der Beschäftigung in Kleinst-, kleinen, mittleren und
großen Unternehmen, Europa-19, 1988-2000 (Index: 1988=100)
110
105
100
95
90
1988
1989
1990
Kleinst
Quelle:
1991
1992
Kleine
1993
1994
1995
1996
Mittlere
1997
1998
1999
2000
Große
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
13
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Die Zahl der Unternehmen in Europa-19 hat in den letzten zehn Jahren deutlich
zugenommen. Zum Bespiel zeigen die letzten verfügbaren Daten für 1995, daß
fast 2 Millionen neue Unternehmen gegründet worden waren, während mehr als
1½ Millionen Unternehmen geschlossen wurden. Die Zugänge und Abgänge
betrugen also 11 % bzw. 9 % des Gesamtbestandes an Unternehmen. Die mit den
Gründungen verbundene Beschäftigungswirkung belief sich auf 2½ Millionen
Personen. Da bestehende Unternehmen etwas größer sind als neue Unternehmen,
betrug die mit den Abgängen verbundene Beschäftigungswirkung ebenfalls 2½
Millionen, obwohl die Anzahl der Schließungen geringer war als die Anzahl der
neuen Unternehmen.
Tabelle 2 zeigt, daß die Steigerung der Arbeitsproduktivität in KMU im Lauf der
Zeit mit etwas über 2 % jährlich sehr gleichmäßig verlief. Allerdings war die Steigerung der Arbeitsproduktivität in GU im Lauf der 90er Jahre wesentlich höher als
im Zeitraum 1988 - 1990.
Die Arbeitskosten je Beschäftigtem nahmen für KMU und GU im gleichen Ausmaß
zu (etwa 4,5 % jährlich), jedoch war die Zunahme der Lohnstückkosten in den GU
aufgrund der größeren Steigerung der Arbeitsproduktivität geringer. Allerdings
verlief die Entwicklung der Rentabilität in KMU und GU unabhängig von der
Konjunkturphase gleich. Dies impliziert, daß die KMU in der Lage waren, die
höheren Lohnstückkosten über Preisänderungen weiterzugeben. Eine Schlußfolgerung ist, daß das geringere Produktivitätswachstum der KMU ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den GU beeinträchtigt hat.
Entwicklung des Handwerks
In diesem Bericht des Beobachtungsnetzes wurde die im Zweiten Jahresbericht
begonnene laufende Beschreibung des Handwerks fortgesetzt. Ausgehend von
Tabelle 2 Arbeitsproduktivität, Lohnstückkosten und Rentabilität im privaten
nicht-primären Unternehmenssektor, Europa-19, 1988-2000
1988/1990
1990/1993
1993/2000
1988/2000
Durchschnittliche jährliche Veränderung in %
Arbeitsproduktivität*
– KMU
– GU
– Gesamt
2,1
2,0
2,0
1,9
3,0
2,3
2,1
2,8
2,4
2,1
2,7
2,4
Lohnstückkosten**
– KMU
– GU
– Gesamt
4,3
4,6
4,5
3,8
2,7
3,4
1,0
0,5
0,8
2,3
1,7
2,0
Durchnittliche jährliche Veränderung in %-Punken
Rentabilität***
– KMU
– GU
– Gesamt
0,2
0,2
0,2
0,3
0,3
0,3
0,4
0,4
0,4
0,4
0,4
0,4
* Reale Wertschöpfung je Beschäftigtem.
** Arbeitskosten je Beschäftigtem, korrigiert um die Arbeitsproduktivität.
*** Differenz zwischen Wertschöpfung und der um den Unternehmerlohn korrigierten Arbeitskosten, in
Prozent der Wertschöpfung.
Quelle:
14
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
Kurzfassung
einer Klassifizierung der Länder entsprechend der Definition des Handwerks waren
die nachfolgenden Entwicklungen festzustellen:
•
Österreich, Deutschland, Island, Liechtenstein und Luxemburg folgen einem
berufsbezogenen Ansatz (die Definition des Handwerks beruht auf dem Kriterium des Berufs). In Österreich und Luxemburg blieb die Größe des Handwerkssektors im Zeitablauf weitgehend unverändert, während sie in Deutschland tendenziell abnahm. Für die restlichen Länder (Island, Liechtenstein)
erlauben die verfügbaren Daten keine verläßliche Beurteilung der Entwicklung
des Handwerks.
•
Frankreich, Italien und die Niederlande folgen der Definition nach Wirtschaftssektor und Unternehmensgröße (die Definition des Handwerks beruht auf
Größen- und Sektorkriterien). In Frankreich sank der Umfang des Handwerkssektors in der ersten Hälfte der 90er Jahre, ab 1995 scheint allerdings eine
Erholung eingesetzt zu haben. In Italien und den Niederlanden war eine
tendenzielle Zunahme der Zahl der Handwerksbetriebe festzustellen, während
die Beschäftigung allmählich abnahm.
•
In Spanien erfolgt die Definition nach dem Kunsthandwerks-Ansatz (die
Bezeichnung Handwerk ist ausschließlich künstlerischen Tätigkeiten vorbehalten). Die Zahl der Unternehmen zeigt sich sehr stabil. Nach einer Zunahme
der Beschäftigung Anfang der 90er Jahre kam es seit 1995 jedoch zu einem
Verlust an Arbeitsplätzen.
•
Belgien, Finnland, Irland, Portugal, die Schweiz und das Vereinigte Königreich
verfolgen andere definitorische Ansätze. Die Daten für Irland zeigen ein stetiges
Beschäftigungswachstum seit 1993.
Entwicklung der Sozialwirtschaft
Die Bedeutung der Organisationen in der Sozialwirtschaft nimmt zu (diese werden
auch als GGVS, d. h. Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften, Vereine
und Stiftungen bezeichnet). Aufgrund der Unterschiede zwischen den verwendeten Definitionen in den verschiedenen Ländern liegen jedoch keine vergleichbaren Daten über diese Tätigkeiten vor. Die verfügbaren statistischen Informationen über die Sozialwirtschaft deuten allerdings darauf hin, daß die Zahl der
diesem Sektor zugehörenden Unternehmen auf europäischer Ebene 5-10 % aller
Unternehmen entspricht. Hinsichtlich der Beschäftigung beläuft sich der Anteil der
Sozialwirtschaft auf mehr als 5 % der europäischen Gesamtbeschäftigung.
Teil II
Das Unternehmensumfeld und Verhalten der
KMU
Die Funkionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
Regulierungsreformen haben ganz unterschiedliche Auswirkungen auf kleine und
große Unternehmen. Zu den besonderen Auswirkungen solcher Reformen auf KMU
zählt, daß die Regulierung eine der Stärken der KMU einschränken könnte, nämlich
ihre Flexibilität, daß die Regulierung zu administrativen Belastungen führen kann,
die für KMU unverhältnismäßig hoch sind, daß KMU sich geringer qualifizierten
Konkurrenten auf dem Markt gegenübersehen, wenn die Eintrittsbarrieren gesenkt
werden, so daß eine Selbstregulierung geschaffen werden muß, und schließlich,
daß Regulierungen häufig Fusionen und Übernahmen folgen, so daß KMU sich mit
größeren Unternehmen mit stärkerem Markteinfluß konfrontiert sehen.
15
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Allerdings zielen nicht alle Regulierungen und Deregulierungen darauf ab, die
Wettbewerbsfähigkeit privater Unternehmen zu verbessern. Manche Regulierungen und Deregulierungen sollen auch die Wohlfahrt der Konsumenten und das
Wirtschaftswachstum im allgemeinen fördern. Solche Regulierungen und Deregulierungen könnten insbesondere kurzfristig negative Auswirkungen auf die KMU
haben.
Kapitel 2 des Berichtes präsentiert zwei Fallstudien. Die erste beschäftigt sich mit
den Auswirkungen einer Deregulierung, welche die Wohlfahrt der Konsumenten
und das Wirtschaftswachstum erhöhen soll, nämlich die Liberalisierung der
Ladenöffnungszeiten für den Einzelhandel. Die zweite Fallstudie beschreibt die
Folgen einer Regulierung, welche u. a. den Zutritt von Unternehmen auf den
Markt vereinfachen und die Transparenz dieses Marktes für das öffentliche Beschaffungswesen erhöhen soll.
Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten für
Einzelhandelsgeschäfte
Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten für Einzelhandelsgeschäfte scheint die
Abnahme des Marktanteils der KMU zu beschleunigen, indem ihre Rentabilität
verringert wird (die Kosten steigen stärker als der Umsatz). Große Unternehmen
sind eher in der Lage, die verlängerten Ladenöffnungszeiten zu nützen, da diese
Unternehmen über mehr organisatorische Möglichkeiten verfügen, wie etwa Job
Rotation und Pools von Teilzeitmitarbeitern. Kleine Geschäfte können sich keinen
zusätzlichen Beschäftigten leisten und/oder kleine, spezialisierte Geschäfte können
keine unerfahrenen und billigen Teilzeitkräfte aufnehmen, da ein gewisses Maß an
Erfahrung nötig ist, um die Kunden einwandfrei zu bedienen.
Abbildung 2 Anteil der KMU, die über die Möglichkeiten öffentlicher Ausschreibungen informiert sind, in den letzten drei Jahren versuchten, an
europäischen Ausschreibungen teilzunehmen, und einen Auftrag
erhielten, nach Unternehmensgrößenklassen, 1999
50 %
45 %
40 %
35 %
30 %
25 %
20 %
15 %
10 %
5%
0%
0
Informiert
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
16
1-9
10-49
Teilnahme
50-249
Auftrag erhalten
Kurzfassung
Die Öffnung des Marktes für das öffentliche Beschaffungswesen
Neue Chancen für KMU ergeben sich aus einer anderen, verhältnismäßig jungen
Regulierung: der Öffnung des Marktes für das öffentliche Beschaffungswesen. Der
ENSR Enterprise Survey 1999 zeigt, daß 1999 im Durchschnitt ein Drittel der KMU
über die Möglichkeiten der Teilnahme an Ausschreibungen für Liefer-, Dienstleistungs- oder Bauaufträge von lokalen, nationalen oder europäischen Verwaltungseinrichtungen und öffentlichen Körperschaften informiert war. Außerdem sieht ein
Drittel dieser Unternehmen aufgrund der Öffnung des Marktes für das öffentliche
Beschaffungswesen mehr Chancen, obwohl hier Unterschiede zwischen den
Ländern bestehen. KMU in Frankreich, Belgien, Portugal, der Schweiz und Luxemburg sehen deutlich mehr Chancen, während Unternehmen in den Niederlanden,
Irland, Spanien und dem Vereinigten Königreich keine zusätzlichen Möglichkeiten
erkennen.
Ein Sechstel der Unternehmen, die über öffentliche Ausschreibungen informiert
sind, hat in den letzten drei Jahren versucht, an europäischen Ausschreibungen
teilzunehmen (siehe Abbildung 2). Die mittleren Unternehmen scheinen am
häufigsten über Ausschreibungsverfahren informiert zu sein und zeichneten sich
auch durch die stärkste Beteiligung aus. Etwa die Hälfte der KMU, die in den
letzten drei Jahren versuchten, an einer oder mehreren europäischen Ausschreibungen teilzunehmen, erhielt aufgrund dessen tatsächlich einen Auftrag. Insgesamt erklärten zwischen 2 und 3 % aller KMU, in den letzten drei Jahren Aufträge
infolge ihrer Teilnahme an europäischen Ausschreibungsverfahren erhalten zu
Abbildung 3 Anteil der Unternehmen (in %)*, die spezielle Maßnahmen zur Überwindung von Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen, ergreifen, nach
Unternehmensgröße
Total
50-249
10-49
1-9
0
0
10
20
Weiterbildung bestehender Mitarbeiter
Umbesetzung von Stellen innerhalb
des Unternehmens
*
30
40
Verzicht, die Stellen zu besetzen
Einstellung geringer qualifizierter
Mitarbeiter
50
60
Akquisitionsaktivitäten
verstärken
Die Prozentsätze in dieser Abbildung beziehen sich auf jene Unternehmen, die mit Schwierigkeiten zu
kämpfen haben. Diese Gruppe beträgt 30 % aller Unternehmen, 70 % der mittleren Unternehmen,
58 % der kleinen Unternehmen, 39 % der Kleinstunternehmen und 18 % der Unternehmen ohne
Beschäftigte.
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
17
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
haben. Die Ergebnisse des ENSR Enterprise Survey 1999 erlauben keine genaue
Berechnung der absoluten Anzahl von Ausschreibungen, bei denen tatsächlich
KMU den Zuschlag erhielten. Allerdings weisen die verfügbaren Daten eindeutig
darauf hin, daß ein beträchtlicher Anteil der europäischen Ausschreibungen von
KMU gewonnen wird.
Unter den Barrieren, welche die KMU noch immer behindern, ist der Informationsmangel das bei weitem größte Problem. Allerdings scheint diese Barriere an Bedeutung zu verlieren, wenn ein hoher Anteil der Beschäftigten innerhalb eines Unternehmens über direkten Internetzugang verfügt. Sobald der Informationsrückstand
überwunden ist, werden andere Barrieren sichtbar: Die Projekte sind für KMU zu
groß, hohe administrative Belastungen und hohe Kosten für die Angebotserstellung.
Aspekte des Arbeitsmarktes
Fachkräftemangel
Der Dritte Bericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU (1995) stellte
eine allgemeine Abschwächung des quantitativen und qualitativen Mangels an
Arbeitskräften im Zeitraum 1991-1994 fest, vor allem aufgrund der schwachen
Konjunktur. Seit damals hat sich die wirtschaftliche Entwicklung erholt, und das
Problem des Fachkräftemangels hat sich insbesondere für die KMU wieder
verschärft. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften wird heute von fast 10 %
der KMU als wesentliches Hindernis der Geschäftstätigkeit empfunden. Dieses
Problem wird als umso schwerwiegender wahrgenommen, je mehr Beschäftigte
ein Unternehmen hat: Die Bandbreite reicht von 4 % der Unternehmen ohne
Beschäftigte bis 23 % der mittleren Unternehmen (siehe Kapitel 3).
Im letzten Jahr hatten mehr als ein Viertel aller KMU häufig oder gelegentlich
Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen. Mittlere Unternehmen haben
hier die größten Probleme, in dieser Größenklasse hatte lediglich ein Drittel der
Unternehmen nicht mit Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen zu
kämpfen. Die kleinen Unternehmen empfinden die Personalbeschaffung nicht als
schwerwiegendes Problem, obwohl sich beinahe die Hälfte dieser Betriebe häufig
oder gelegentlich gewissen Schwierigkeiten gegenübersah. Diese Frage scheint alle
Berufsgruppen zu betreffen. Tatsächlich sind Rekrutierungsprobleme in Zusammenhang mit Hilfs- oder angelernten Arbeitern ebenso weitverbreitet wie bei Technikern und Ingenieuren. Fast ein Fünftel der KMU hat den Versuch aufgegeben,
offene Stellen nachzubesetzen.
Unter jenen KMU, die Maßnahmen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten
gesetzt haben, ist die Weiterbildung bestehender Mitarbeiter im allgemeinen die
bevorzugte Strategie (siehe Abbildung 3). Bei der Analyse der verschiedenen
Größenklassen wird ein klares Muster erkennbar: Je mehr Mitarbeiter, desto höher
der Anteil der Unternehmen, die ihre bestehenden Mitarbeiter weiterbilden. Dieses
Muster spiegelt den Umstand wider, daß große und mittlere Unternehmen im
allgemeinen eine aktivere Weiterbildungspolitik für ihre Mitarbeiter verfolgen als
Kleinst- oder kleine Unternehmen. Siehe dazu auch den Abschnitt zur beruflichen
Weiterbildung weiter unten in dieser Zusammenfassung.
In diesem Sechsten Bericht des Beobachtungsnetzes werden die Maßnahmen
beschrieben, die öffentliche Behörden setzen, um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten. Die meisten der 19 in diesem Bericht abgedeckten Länder haben
Systeme zur Erfassung des bestehenden Fachkräftemangels entwickelt, aber nur
wenige setzen Maßnahmen, um Fachkräftemangel zu antizipieren, bevor dieser zu
einem Problem wird. Die meisten Maßnahmen zur Überwindung von Problemen
18
Kurzfassung
der Personalbeschaffung sind indirekter Natur, da es ihr Ziel ist, einen flexiblen
Arbeitsmarkt sicherzustellen, indem die Fähigkeiten/Qualifikationen der Arbeitskräfte verbessert und hohe Mobilität und Transparenz gefördert werden. Obwohl
es Beispiele für Initiativen zur Identifizierung von Fachkräftemangel in spezifischen
Bereichen gibt, sind diese seltener anzutreffen.
Mobilität der Arbeitskräfte
Eine Möglichkeit für KMU, Rekrutierungsprobleme und Fachkräftemangel zu überwinden, besteht darin, Personen aus anderen westeuropäischen Ländern zu beschäftigen. Allerdings wird das Potential für Migration und grenzüberschreitendes Pendeln
in Europa noch nicht voll ausgeschöpft, insbesondere im Gegensatz zur Lage in den
USA, und manche Mechanismen führen zu einer Einschränkung der Mobilität der
Arbeitskräfte. Infolgedessen beschäftigten in den letzten drei Jahren auch nur etwa
4 % der KMU Personen aus einem anderen westeuropäischen Land. Die bedeutendsten Hindernisse sind administrative Belastungen in diesem Bereich sowie Probleme
mit der Beschaffung von Arbeitsgenehmigungen.
Steuerpolitische Maßnahmen zur Lösung von Problemen der Personalbeschaffung
Die Senkung der Steuern auf Arbeit wird nicht umfassend genug eingesetzt, um
als Strategie zur Überwindung des zunehmenden Fachkräftemangels bezeichnet
werden zu können. Neun Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Frankreich,
Deutschland, Irland, die Niederlande, Portugal, Spanien und das Vereinigte Königreich) setzen heute Elemente ihrer Steuersysteme ein bzw. führen Maßnahmen
durch, um die Lohnnebenkosten zu senken und die Schaffung von Arbeitsplätzen
zu fördern. In den meisten Ländern schließen die Steuerreformen sowohl eine
allgemeine Senkung der Steuern auf Arbeit sowie eine spezielle Senkung der
Steuern für gering entlohnte Arbeitskräfte ein.
Die Gründe dafür, warum die Senkung der Steuern auf Arbeit nicht im Rahmen der
Beschäftigungspolitik eingesetzt wird, sind in den jeweiligen Ländern unterschiedlich gelagert, da die grundlegenden Kriterien für den Einsatz solcher Strategien
variieren. Die drei wichtigsten Erklärungen sind Budgetrestriktionen, geringe
Arbeitslosigkeit und Zweifel an der Wirksamkeit dieser Strategien.
Zugang zu Finanzierung
KMU sehen sich beim Zugang zu Finanzmitteln spezifischen Problemen
gegenüber. Kapitel 4 bietet einen Einblick in die Bedeutung dieser Probleme. Die
Finanzierungsstruktur eines Unternehmens scheint mehr vom Finanzierungssystem
und den Finanzierungsgewohnheiten des Landes, in dem das Unternehmen tätig
ist, abzuhängen, als von anderen Unternehmensmerkmalen wie Größe, Wirtschaftssektor, Alter oder auch Rentabilität. Außerdem sind die internationalen
Unterschiede in der Finanzierungsstruktur umso größer, je kleiner die Unternehmen sind. Mit anderen Worten scheint eine allgemeine Konvergenz in den
Finanzierungsmustern für größere Unternehmen zu bestehen.
Der Zugang zu Finanzierung ist unter den wichtigsten Hindernissen für die
Entwicklung der KMU zu finden: In fast allen Ländern zählt der Zugang zu Finanzierung zu den drei wichtigsten Beeinträchtigungen. Drei Ländergruppen können
hier unterschieden werden:
• In Dänemark, Griechenland, dem Vereinigten Königreich, Italien, Spanien,
Schweden und Norwegen erweist sich der Zugang zur Finanzierung als wichtigstes Hindernis der Geschäftstätigkeit von Unternehmen.
19
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
• In Portugal, Frankreich, Island, Deutschland, der Schweiz und Finnland ist der
Zugang zur Finanzierung die zweitwichtigste Beeinträchtigung.
• In den verbleibenden sechs Ländern Österreich, Liechtenstein, Luxemburg,
Belgien, den Niederlanden und Irland steht das Hindernis „Zugang zur Finanzierung” an dritter oder vierter Stelle.
Die absolute Bedeutung des Zugangs zur Finanzierung als Hindernis sowie der
Rang dieser Beeinträchtigung scheinen in negativem Zusammenhang mit der
Unternehmensgröße zu stehen. Unternehmen mit 1-9 Beschäftigten reihen dieses
Hindernis höher als Unternehmen mit 10-49 Beschäftigten.
Diese Daten geben einen allgemeinen Hinweis auf den unbefriedigten Finanzierungsbedarf, wie er von den Unternehmen wahrgenommen wird, identifizieren
jedoch nicht die Art der Finanzierung, die die befragten Unternehmer dabei im
Sinn hatten (war es Fremdfinanzierung oder Eigenkapitalfinanzierung aus
formellen oder informellen Quellen) und erlauben auch keinerlei Schlußfolgerungen über die Gründe für diese Situation. Die Daten aus dem ENSR Enterprise
Survey 1999 erlauben allerdings eine genauere Untersuchung der Beziehung
zwischen den europäischen KMU und den Banken als Kreditgeber. Bankkredite
sind die meistverbreitete und für zahlreiche Unternehmen die einzige externe
Finanzierungsquelle. Obwohl diese Daten nicht zwischen verschiedenen Kreditformen differenzieren, zeigen sie doch, daß der Anteil der Unternehmen, die
derzeit über einen Bankkredit verfügen, innerhalb Europas stark variiert.
Die Tatsache, über einen Bankkredit zu verfügen, hindert viele Unternehmen nicht
daran, Einschränkungen in bezug auf den Zugang zu Finanzierung zu empfinden.
Dies kann entweder auf ein unzureichendes Kreditvolumen oder auf wenig zufriedenstellende Kreditbedingungen zurückzuführen sein.
Eine vergleichende Analyse nach Unternehmenskategorien
Die Ergebnisse des Berichtes der Task Force Vereinfachung des Unternehmensumfelds (BEST) sollten bei der Entwicklung von finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für KMU berücksichtigt werden. Wie im BEST-Bericht ausgeführt,
sind KMU sehr heterogen, weshalb unterschiedliche Formen von Unterstützungsmaßnahmen für verschiedene Unternehmenskategorien entwickelt
werden sollten. In diesem Bericht des Beobachtungsnetzes werden vier Unternehmenskategorien analysiert: Neugegründete Unternehmen, kleine etablierte
Unternehmen, hoch innovative Unternehmen und expandierende Unternehmen.
Am häufigsten sehen sich neugegründete Unternehmen dem Hindernis „Zugang
zur Finanzierung” ausgesetzt, fast ein Viertel der Unternehmen in dieser Kategorie fühlt sich in erster Linie im Bereich der Finanzierung beeinträchtigt (siehe
Tabelle 3). Abgesehen von Bankkrediten zählen Freunde und Verwandte sowie
Business Angels als informelle Quellen zu wichtigen Geldgebern dieser Unternehmen. Business Angels stellen nicht nur Finanzmittel, sondern auch kaufmännische Fähigkeiten, unternehmerische Erfahrung und geschäftliches Know-how
zur Verfügung.
Von den vier Gruppen sind kleine etablierte Unternehmen am wenigsten durch
den Zugang zur Finanzierung beeinträchtigt (der Anteil in dieser Kategorie beträgt
fast die Hälfte des Anteils bei KMU insgesamt), höchstwahrscheinlich weil sie ihre
Finanzierungsbasis über einen langen Zeitraum aufgebaut haben und strukturell
keinen zusätzlichen oder neuen Finanzierungsbedarf haben.
20
Kurzfassung
Tabelle 3 Zugang zur Finanzierung, Bankkredite und Sicherheiten, nach Zielgruppen, Europa-19
Neugegründete
Kleine
etablierte
Hoch
innovative
Expandierende
Alle
Unternehmen
Unternehmen, die den Zugang zur
Finanzierung als Haupthindernis
betrachten
22 %
8%
16 %
19 %
15 %
Unternehmen mit Bankkredit
(Rate der Kreditkunden)
40 %
40 %
44 %
48 %
40 %
Unternehmen mit Bankkrediten, die
durch Sicherheiten gedeckt sind:
33 %
37 %
47 %
50 %
37 %
• Eigentum des Besitzers oder von
Verwandten als Sicherheit
25 %
26 %
36 %
39 %
28 %
• Anlagevermögen der Unternehmen
als Sicherheit
4%
5%
5%
7%
5%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Hoch innovative und expandierende Unternehmen scheinen im allgemeinen einen
besseren Zugang zu Bankkrediten zu haben als das durchschnittliche europäische
KMU. Dies könnte bedeuten, daß die Banken mehr daran interessiert sind, diese
beiden Unternehmensgruppen zu finanzieren, wahrscheinlich aufgrund ihres
dynamischen Unternehmensprofils.
Drei Hauptgründe können vorgebracht werden, um zu erklären, warum die Bereitschaft des Finanzsektors, hoch innovative Unternehmen über traditionelle Kanäle
zu finanzieren, gering sein kann: die Unsicherheit über den zu erwartenden Ertrag,
die nicht vollständig im Unternehmen internalisierbaren Vorteile und die Unteilbarkeit der Investition. Die Hauptfinanzierungsquellen dieser Kategorie von Unternehmen sind neben Bankkrediten Risikokapital und Business Angels.
Die häufigste Finanzierungsquelle für expandierende Unternehmen sind Bankdarlehen. Rasch wachsende Unternehmen genießen, wie ihre innovativen Gegenstücke, einen privilegierten Zugang zu anderen Kanälen, z. B. Risikokapitalfonds
oder Business Angels.
Auch die von den Banken bei der Gewährung von Krediten an die verschiedenen
Unternehmensgruppen verfolgte Besicherungspolitik ist unterschiedlich. Die
Häufigkeit, mit der die Banken Sicherheiten - insbesondere Vermögensgegenstände - verlangen, ist bei den hoch innovativen und expandierenden Unternehmen erheblich größer als bei den beiden anderen Gruppen.
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
Chancen und Hindernisse für KMU
Der Einsatz der Internettechnologie zur Unterstützung der Zusammenarbeit und
für das Informationsmanagement von Unternehmen hat sich in KMU in jüngster
Zeit verstärkt und ihnen Märkte erschlossen, die bisher nur größeren Unternehmen
offenstanden. Dies, weil der auf dem Internet beruhende elektronische Geschäftsverkehr allmählich die Art und Weise, in der Geschäftsprozesse abgewickelt
werden, verändert: In vielen Fällen können heute alle geschäftlichen Transaktionen,
Marketing, Bestellung, Zahlung, Lieferung und Kundendienst digital erfolgen
(siehe Kapitel 5).
21
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Der Einstieg in den elektronischen Markt kann für viele KMU einen praktischen
Weg darstellen, um sich von einem regional in ein national oder sogar international orientiertes Unternehmen zu entwickeln, insbesondere da ein virtuelles
Geschäft flexibler und in den meisten Fällen weniger kostenintensiv ist als der
Erwerb eines neuen, physisch vorhandenen Geschäfts oder Verkaufsbüros. Die
kleinen KMU ohne große Verkaufsorganisationen haben bei der Restrukturierung
ihrer Organisation für den Einsatz des elektronischen Geschäftsverkehrs einen
Vorteil gegenüber größeren Organisationen. Allerdings benötigen KMU zusätzliche
neue Fähigkeiten, um diese neue Geschäftsmethode anzuwenden, und zwar
sowohl für die technische Einführung und ständige Wartung einer kommerziellen
Anwendung als auch manchmal für die Erweiterung des Marktes in neue Regionen
mit einer anderen Sprache oder Kultur.
42 % der KMU verfügen über einen direkten Internetzugang (siehe Abbildung 4).
Dieser Prozentsatz ist am höchsten in Schweden und Island, gefolgt von Finnland
und Norwegen. Die niedrigsten Anteile sind in Portugal und Griechenland anzutreffen. In Europa insgesamt nimmt der Anteil der KMU mit Internetanschluß mit
der Unternehmensgröße zu.
Unter den von KMU online abgewickelten Geschäftsaktivitäten stellt die Verbreitung von Informationen über ihre Produkte und Dienstleistungen die bei weitem
häufigste kommerzielle Anwendung des Internet dar. Die schweizer, schwedischen
und österreichischen KMU nutzen das Internet am aktivsten für die Präsentation
von Informationen über ihre Produkte und Dienstleistungen.
Abbildung 4 Anteil der KMU (in %) mit Zugang zum Internet und Nutzung des
Internet für die beiden am weitesten verbreiteten geschäftlichen Zwecke,
nach Ländern
Belgien
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Schweden
Spanien
Vereinigtes Königreich
EU
Island
Liechtenstein
Norwegen
Schweiz
Europa-19
0
10
Zugang zum Internet
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
22
20
30
40
Informationen über
Produkte/Dienstleistungen
50
60
70
Vertrieb von Produkten/Dienstleistungen
Kurzfassung
Der Anteil der KMU, die ihre Produkte oder Dienstleistungen über das Web
vertreiben, beträgt im Durchschnitt 7 %. Schweden und Deutschland sind die auf
diesem Gebiet fortschrittlichsten Länder, knapp gefolgt von Österreich und Island.
Kooperation über das Internet
Die Zusammenarbeit von Unternehmen über das Internet für das gemeinsame
Anbieten von Waren oder Dienstleistungen unterscheidet sich ebenfalls nach
Unternehmensgröße. Tendenziell nehmen ältere Unternehmen diese Option
häufiger in Anspruch als jüngere Betriebe.
Beteiligung der Wirtschaftssektoren
Die kommerzielle Nutzung des Internet unterscheidet sich nicht nur zwischen den
Ländern, sondern auch zwischen den Wirtschaftssektoren. Bis zu einem gewissen
Grad wird dies durch die unterschiedliche Art und Weise der Geschäftsabwicklung
verursacht. Der Anteil der KMU, die ihre Produkte über das Internet anbieten, ist
im Wirtschaftssektor „Kredit- und Versicherungswesen” am höchsten, während der
Wirtschaftssektor „Unternehmensbezogene Dienstleistungen” beim Vertrieb seiner
Produkte über das Web an erster Stelle steht.
Trotz der Expansion des Internet scheint der elektronische Geschäftsverkehr für
europäische KMU noch nicht richtig in Schwung gekommen zu sein. Die Hindernisse ergeben sich aus verschiedenen Quellen, d. h. den Eigenschaften der KMU
selbst, den Konsumenten, der Technologie und dem gesetzlichen Rahmen. Der
wichtigste Grund, das Internet nicht für den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen zu nützen, liegt in der Auffassung, daß dies für das Unternehmen nicht
geeignet sei. Diese Erklärung ist für kleinere KMU von größerer Bedeutung als für
größere KMU und wird am wenigsten in Liechtenstein, Dänemark und Österreich
vorgebracht. Portugal, Griechenland und Frankreich sind hingegen jene Länder, in
denen diese Ansicht am häufigsten geäußert wird. Der Mangel an Information und
bekannten guten Beispielen für den elektronischen Geschäftsverkehr könnte den
Eindruck entstehen lassen, daß der Verkauf von Waren oder Dienstleistungen über
das Internet für das Unternehmen nicht geeignet sei. Die drei wichtigsten Hindernisse nach diesem erstgenannten sind: Zweifel an der Rentabilität, Mangel an
ausgebildeten Mitarbeitern sowie mangelnder Zugang der Kunden zum Internet.
Mißtrauen gegenüber der Technologie und mangelnde Sicherheit erscheinen als
geringere Hindernisse der Nutzung des Internet für den Verkauf von Waren und
Dienstleistungen.
Neben den oben erwähnten Hindernissen ist die Sprache noch immer ein vorherrschendes Hemmnis für den internationalen Handel im Europa von heute, insbesondere wenn man bedenkt, daß innerhalb der Europäischen Union fast die Hälfte
der kommerziellen Websites nicht in englischer Sprache verfügbar ist. Das Internet,
primär eine englischsprachige Welt, kann von vielen potentiellen Kunden mit einer
anderen Muttersprache nicht genützt werden.
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
Bekanntheit und Beteiligung
In den vergangenen fünf Jahren hat ein Zehntel der KMU in den 19 durch diesen
Bericht abgedeckten Ländern an einem Förderprogramm von regionalen, nationalen
oder europäischen Institutionen im Bereich finanzielle Hilfe, Ausbildungsunterstützung, Beratung oder Information teilgenommen (siehe Abbildung 5). Fast drei Viertel
zogen einen Antrag zur Teilnahme an einem Programm der Gemeinschaft niemals in
Betracht, da ihnen die Existenz solcher Programme nicht bekannt war. Ein weiteres
23
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Abbildung 5 Anteil der KMU, die über Förderprogramme informiert sind und daran
teilgenommen haben, nach Unternehmensgröße
Gesamt
50–249
10–49
1-9
0
0%
10 %
20 %
30 %
Nicht informiert
40 %
50 %
60 %
70 %
Informiert, aber keine Teilnahme
80 %
90 %
100 %
Teilnahme
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Fünftel der KMU war zwar über die Existenz eines Programms informiert, lehnte
jedoch eine Teilnahme ab bzw. wurde abgelehnt (siehe Kapitel 6).
Es bestehen starke Anhaltspunkte dafür, daß sowohl die Teilnahmerate als auch der
Bekanntheitsgrad (oder, anders ausgedrückt, die Wahrscheinlichkeit, daß einem
bestimmten Unternehmen ein Förderprogramm, dessen essentiellen Anforderungen das Unternehmen entspricht, bekannt ist bzw. es sich daran beteiligt)
signifikant und positiv von der Unternehmensgröße abhängen. Größere Unternehmen scheinen besser informiert zu sein und sind eher in der Lage, bestehende
Hindernisse zu überwinden. Bemerkenswerterweise bleibt jedoch die relative
Bedeutung anderer Gründe, die KMU von der Teilnahme abhalten, d. h. das
Verhältnis zwischen Teilnahmerrate und Bekanntheitsgrad, mehr oder weniger
konstant über alle Größenklassen.
Eine Differenzierung der Größenmuster nach der Art der Programme zeigt, daß die
Teilnehmer an Gemeinschaftsprogrammen im Durchschnitt deutlich größer sind
als die Teilnehmer an Programmen, die von nationalen oder regionalen Behörden
angeboten werden. Daher scheinen die Hindernisse für die Beteiligung an EUProgrammen - sei es der Informationsstand oder andere Gründe - für kleinere
Unternehmen besonders groß zu sein.
Hindernisse für KMU, die nicht an Förderprogrammen teilgenommen haben
Eines von fünf KMU, denen europäische Förderprogramme bekannt sind, die aber
noch nicht daran teilgenommen haben, meint, daß es zu kompliziert sei, an einem
Gemeinschaftsprogramm teilzunehmen. Weitere 15 % verfügen nicht über die
nötigen Informationen für die Teilnahme. Darüber hinaus erklärte eines von fünf
Unternehmen, daß es kein geeignetes Programm auf europäischer Ebene gäbe,
was nur unterstreicht, wie dringend KMU-relevante Förderprogramme bekannt
gemacht werden müssen und wie sehr ein Bottom-up-Ansatz bei der Entwicklung
von Unterstützungsmaßnahmen für KMU gefordert ist.
24
Kurzfassung
Hindernisse für KMU, die über Erfahrungen mit Förderprogrammen verfügen
Einige der genannten Hindernisse ähneln jenen, die von KMU genannt wurden,
die in den vergangenen fünf Jahren bereits an einem regionalen, nationalen oder
europäischen Programm teilgenommen haben. Ein Vergleich zwischen Gemeinschafts-, nationalen und regionalen Programmen zeigt, daß die relative Bedeutung
von Barrieren, denen sich die teilnehmenden Unternehmen gegenübersehen, bei
allen Programmarten ähnlich ist. Allerdings scheint die absolute Bedeutung der
Hindernisse durchaus unterschiedlich zu sein, wobei sie im Fall der Gemeinschaftsprogramme eine stärker einschränkende Wirkung entfalten.
Die Beschaffung von Informationen ist ein wesentliches Hemmnis für den Zugang
von KMU zu Förderprogrammen. Dies scheint besonders für Gemeinschaftsprogramme zu gelten, wo dieser Umstand von mehr als der Hälfte der teilnehmenden
Unternehmen als Engpaß bezeichnet wurde. Der Mangel an und die Mehrdeutigkeit von Informationen ist jedoch ebenso ein Problem der nationalen und regionalen wie der Gemeinschaftsprogramme.
Nach Meinung eines Drittels der KMU ist die zeitliche Verzögerung zwischen
Antragstellung und Projektbeginn ein weiteres wichtiges Hindernis, das KMU überwinden müssen, die an Gemeinschaftsprogrammen teilnehmen. Dies steht in
engem Zusammenhang mit der Komplexität der Antragsverfahren und den administrativen Anforderungen, denen sich KMU gegenübersehen. Es ist wichtig, auf
eine weitere Vereinfachung der bürokratischen Anforderungen hinzuarbeiten,
wozu auch weniger anspruchsvolle Berichtspflichten zählen, um die zukünftige
Beteiligung der KMU zu heben.
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
Wachsende wirtschaftliche Bedeutung und zunehmender Anteil an der Beschäftigung in Europa
Vereine und Stiftungen spielen eine immer größere Rolle in allen Wirtschaftssektoren
Europas. Obwohl einige, vor allem historisch, kulturell und politisch bedingte Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern bestehen, konzentrieren sich die Aktivitäten
von Vereinen und Stiftungen insbesondere auf die Erbringung von Gesundheits- und
Sozialdiensten und auf die Gebiete der Aus- und Weiterbildung, des Sports, der Kultur,
der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sowie auf die Bereiche
Umwelt, Rechtsvertretung und Menschenrechte (siehe Kapitel 7).
Die Tatsache, daß dieser Sektor in zahlreichen Ländern einen immer größeren
Anteil der Arbeitsplätze stellt und daß die Beschäftigung in diesem Sektor
weiterhin zunimmt, während andere Sektoren durch eine sinkende Beschäftigung
gekennzeichnet sind, hat zu vermehrtem bzw. neuem Interesse seitens der Politik
und Forschung geführt.
Politische und rechtliche Systeme
In allen 19 durch diesen Bericht abgedeckten Ländern wird die Vereinsfreiheit
entweder durch die Verfassung oder - manchmal ungeschriebene - Grundrechte
anerkannt. Allerdings bestehen zahlreiche Unterschiede hinsichtlich der allgemeinen Politik gegenüber dem „Sektor”, die vor allem von der Art der Beziehung
abhängen, die die öffentliche Verwaltung mit Vereinen und Stiftungen insbesondere in den Bereichen Erziehung, Gesundheit und soziale Dienste entwickelt hat.
Die Merkmale dieser Beziehungen reichen vom skandinavischen Konzept der
Wohlfahrtsgesellschaft (der dritte Sektor ergänzt in diesem Konzept in erster Linie
den öffentlichen Sektor) bis zum Subsidiaritätsprinzip, das in Belgien und Deutsch-
25
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
land angewendet wird (wo umgekehrt die öffentlichen Dienstleistungen den
gemeinnützigen Sektor ergänzen).
In den meisten Ländern sind die wichtigen und zentralen Ministerien die für den
Sektor politisch zuständigen Behörden. Natürlich spielen in manchen Ländern mit
starker politischer Dezentralisierung (z. B. in Deutschland, Spanien und der
Schweiz) auch regionale und lokale Behörden eine bedeutende Rolle in der Erarbeitung politischer Maßnahmen und in den Beziehungen zu Vereinen und Stiftungen. Nur in Frankreich, dem Vereinigten Königreich und in Italien wurden
spezielle Behörden für die Koordinierung zumindest eines Teils der nationalen
Politik für diesen Sektor eingerichtet.
Zu den hauptsächlichen nationalen politischen Instrumenten zur Förderung von
Vereinen und Stiftungen zählen: besondere Rechtsformen und Bestimmungen, ein
begünstigendes Steuersystem, das den gemeinnützigen Charakter dieser Organisationen berücksichtigt, finanzielle Unterstützung in Form von Zuschüssen und Subventionen sowie Anreize zur Anregung der Spendenaufbringung, Unterstützung zur
Förderung der Freiwilligenarbeit sowie der Arbeitsbeschaffung. Auch unterstützen die
Behörden Vereine und Stiftungen oft indirekt, indem sie ihnen öffentliche Infrastruktureinrichtungen wie Räumlichkeiten oder Sportanlagen zur Verfügung stellen.
Schaffung von Arbeitsplätzen
Manche europäische Länder (Finnland, Frankreich, Belgien, Deutschland und Irland),
die eine hohe Arbeitslosenrate aufweisen und/oder deren Politiker dem Arbeitsbeschaffungspotential der Sozialwirtschaft sowie ihrer Rolle auf dem Gebiet der sozialen
Integration große Aufmerksamkeit schenken, haben spezifische Beschäftigungshilfen
entwickelt, die ausschließlich für gemeinnützige Organisationen gelten. Allerdings ist
es nicht das letztliche Ziel dieser Programme, diese Organisationen zu unterstützen,
sondern entweder Beschäftigungs- und Ausbildungschancen für bestimmte Kategorien arbeitsloser Personen zu schaffen oder neue Dienstleistungen zu entwickeln
und/oder Bedürfnisse abzudecken, die von kommerziellen Anbietern oder dem Staat
selbst nicht zureichend befriedigt werden.
Freiwilligenarbeit
Vereine und Stiftungen sind in hohem Maß von Freiwilligenarbeit abhängig. Der
Anteil der Bevölkerung, der Freiwilligenarbeit leistet, variiert stark und schwankt
zwischen einem Zehntel der Einwohner in Österreich und fast der Hälfte im Vereinigten Königreich. In manchen Ländern werden Anstrengungen unternommen, Freiwilligenarbeit zu fördern und anzuregen. Freiwilligenarbeit kann durch die
Gewährung bezahlter freier Tage für Beschäftigte (wie etwa in Frankreich) oder durch
Steuerfreibeträge für rückerstattete Spesen, die Freiwillige für die Durchführung ihrer
Aufgaben erhalten (wie etwa in Deutschland - allerdings lediglich im Sportwesen und in den Niederlanden), unterstützt werden. Es wurden Bestimmungen eingeführt,
die es Arbeitslosen ermöglichen, Freiwilligenarbeit zu leisten, solange dies nicht ihre
Arbeitssuche behindert (z. B. in Frankreich und Deutschland). Allerdings fehlt in den
meisten Ländern noch immer eine klar formulierte Regelung für Freiwilligenarbeit.
Finanzierung
Öffentliche Mittel sind die hauptsächliche Einnahmequelle dieser Organisationen,
obwohl beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und Tätigkeitsbereichen sowie Größenklassen bestehen.
Neben den üblichen Instrumenten der finanziellen Unterstützung von Vereinen und
gemeinnützigen Organisationen (d. h. Vergütung von Dienstleistungen, günstige
Mehrwertsteuersätze und andere Steuerbegünstigungen sowie Gewährung von
26
Kurzfassung
Zuschüssen) setzen nationale oder lokale Behörden spezifische Instrumente ein, um
Einnahmen für Vereine und Stiftungen zu schaffen und/oder zu sichern. Nordeuropäische Länder fördern private Spenden durch öffentliche Lotterien, während
südeuropäische Länder eine Mischung von speziellen Fonds und der Förderung
privater Spenden durch Steuerbegünstigungen bevorzugen. Das Vereinigte Königreich befindet sich in einer Zwischenposition, da dort alle genannten Instrumente
angewendet werden, während Griechenland praktisch über keinerlei derartige
Instrumente verfügt.
Die Kürzung der öffentlichen Budgets in den meisten Ländern, neue Regeln für die
Zuteilung öffentlicher Mittel wie etwa Systeme der Kofinanzierung und in manchen
Fällen auch der Wunsch, die eigene Unabhängigkeit zu erhalten, veranlassen Vereine
und Stiftungen, nach Möglichkeiten zur Erhöhung ihrer privaten Finanzierungsquellen
zu suchen. Neue Instrumente wie etwa „produits partage”, „ethische” Finanzierung
und langfristige Beziehungen mit privaten Spendern werden entwickelt.
Kleinere Vereine und Stiftungen sehen sich größeren Problemen bei der Aufbringung der Finanzmittel für ihre Tätigkeiten gegenüber als größere Organisationen:
Mangel an Informationen, die Jahresbindung der finanziellen Unterstützung durch
den öffentlichen Sektor, Bürokratie und Uneinheitlichkeit der Bestimmungen,
verzögerte Auszahlung öffentlicher Mittel, zunehmender Wettbewerb bei der
Werbung privater Spenden sowie schwieriger Zugang zu Bankkrediten.
Grenzüberschreitende Kooperation
Zahlreiche Vereine und Stiftungen beteiligen sich an europäischen Partnerschaften
und Netzwerken, die sehr aktiv „Lobbying” betreiben, Informationen austauschen
und bereitstellen, gemeinsame Forschungsprojekte entwickeln und beste Verfahren
austauschen. Dennoch bestehen noch immer viele Hindernisse für die Entwicklung
grenzüberschreitender Zusammenarbeit, insbesondere aufgrund der unzureichend
harmonisierten Regelungen und der Unterschiede zwischen den nationalen Politiken für Vereine und Stiftungen.
Teil III Unternehmenspolitische Maßnahmen
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Aktuelle Entwicklungen der Politik und beste Verfahren in KMU-spezifischen
Bereichen nach Ländern
Tabelle 4 bietet einen Überblick über im Zeitraum von Mai 1997 bis Ende 1999 eingeführte oder geplante neue Maßnahmen in der nationalen bzw. Bundespolitik für KMU
nach Ländern. Kapitel 8 analysiert neue Maßnahmen und Programme unter Berücksichtigung folgender Bereiche: Unternehmensumfeld, finanzielles Umfeld, Internationalisierung und Informationsdienste, Innovation und F&E, Arbeitskräfte, Ausbildung
und Förderung des Unternehmergeistes und der Unternehmerkultur. Fast alle Länder
haben neue Maßnahmen eingeführt, bestehende Maßnahmen abgeändert oder
planen die Entwicklung von Maßnahmen in diesen Bereichen.
Die Modernisierung der Verwaltung ist in den meisten Ländern eines der Schlüsselelemente für die Förderung der Entwicklung von KMU. Es wurden Maßnahmen
ergriffen, um die Verwaltungskosten für steuerliche, sozialversicherungsrechtliche
und statistische Berichtspflichten zu senken und die bürokratischen Strukturen in
Zusammenhang mit der Gründung und Erweiterung von Unternehmen zu vereinfachen. Dieser Prozeß umfaßt auch Maßnahmen zur Dezentralisierung und Ratio-
27
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
nalisierung des Verwaltungsapparats und zur Entwicklung von One-stop-Shops für
Dienstleistungen für Unternehmen.
Die Finanzierungsprobleme der KMU ziehen die Verabschiedung von Maßnahmen
nach sich, welche die Gründung neuer Unternehmen fördern und das Kapital
bestehender Betriebe über verschiedene Finanzierungsinstrumente (Risikokapital,
Startkapital, usw.) sowie steuerliche Anreize stärken sollen.
Die Internationalisierung der KMU wurde durch spezifische Maßnahmen der
Bereitstellung von Informationsdiensten und der Unterstützung für Marktforschung sowie durch Subventionen und Hilfestellungen (häufig durch spezialisierte
Einrichtungen angeboten) zur Vermarktung von Produkten und Unternehmen, für
die Suche nach Partnern im Ausland und für Auslandsinvestitionen begleitet.
Das sich aus der Globalisierung ergebende neue Wettbewerbsumfeld hat sich auf
die Aktivitäten zur Unterstützung von F&E sowie zur Verbreitung von Innovationen
unter den KMU ausgewirkt, obwohl die Programme in diesem Bereich sehr häufig
nicht speziell auf kleine Unternehmen ausgerichtet sind. Es bestehen Instrumente,
welche die Gründung innovativer KMU fördern sollen (Finanzierungsinstrumente
und Gründerzentren) sowie direkte (Subventionen) und indirekte Anreize
(Programme für Kooperation und Technologietransfer zur Belebung nationaler
Innovationssysteme) und Maßnahmen für den Erwerb innovativer Technologien.
Darüber hinaus bestehen zahlreiche Bemühungen, um die Qualität des Humankapitals zu steigern und gleichzeitig die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich des
Einsatzes und der Kosten des Faktors Arbeit zu aktualisieren.
Tabelle 4 Eingeführte und geplante nationale Maßnahmen nach Bereichen und
Ländern, Mai 1997 - Ende 1999
Unterneh-
Finanzielles Umfeld
Internationalisierung & Information
Arbeitskräfte, Ausbildung
Förderung
& Innovation
des Unternehmer-
mensumfeld
Land
A
Administrative
Zahlungs-
Belastungen
rückstände
X
X
Internationalisierung
X
Information
X
Ausbildung
F&E
v. Arbeitskräften
Innovation
X
X
geistes
X
B
X
X
X
X
X
X
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X
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X
UK
X
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X
IS
X
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X
X
X
X
LI
Nur allgemeine Wirtschaftspolitik; keine Unterstützungsmaßnahmen direkt für KMU
NO
X
CH
X
Quelle: ENSR, 1999.
28
Finanzierung
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Kurzfassung
Um die Wettbewerbsfähigkeit kleiner Unternehmen zu stärken und die Arbeitslosigkeit durch die Begünstigung der Selbständigkeit zu senken, wird in vielen
Ländern die Vermittlung von unternehmerischem Wissen und unternehmerischer
Kultur innerhalb des Schulsystems durch die Einführung spezieller Kurse ausgeweitet und die Gründung neuer Unternehmen in jenen gesellschaftlichen Bereichen, die am stärksten von Ausgrenzung betroffen sind (junge Menschen, Frauen
und Arbeitslose), gefördert.
Teil IV Spezialthemen
Berufliche Bildung und KMU
Politiker, Arbeitgeber und Arbeitnehmer schenken der lebenslangen Aus- und
Weiterbildung immer größere Aufmerksamkeit. Das sich aus der Globalisierung der
Wirtschaft ergebende neue Wettbewerbsumfeld, die Entwicklung der Informationsgesellschaft und der unaufhaltsame Fortschritt von Wissenschaft und Technik
führen dazu, daß der Erfolg der europäischen Wirtschaft zunehmend von der
Verbesserung der Qualifikation seiner Arbeitskräfte abhängt.
Wie in Kapitel 9 beschrieben, kann die berufliche Weiterbildung als ein Schlüsselinstrument für die erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderungen betrachtet
werden. Die berufliche Weiterbildung umfaßt jede Form der über die allgemeine
Ausbildung hinausgehenden Weiterbildung und des lebensbegleitenden Lernens
erwerbstätiger Personen, und zwar entweder auf deren eigene Initiative oder auf
Initiative des Unternehmens.
Weiterbildung von Arbeitnehmern
Die Bereitstellung von beruflicher Weiterbildung steht in direktem Zusammenhang
mit der Unternehmensgröße. Der Anteil der Unternehmen, die ihren Mitarbeitern
Weiterbildung anbieten, ist umso höher, je größer die Unternehmen sind und
reicht von 19 % bei Unternehmen ohne Beschäftigte bis zu 79 % bei mittleren
Unternehmen.
Ein bedeutender Anteil der in der Weiterbildung aktiven europäischen KMU verfügt
über schriftliche Weiterbildungspläne, während in den anderen Unternehmen die
Weiterbildung anlaßbezogen entweder auf Initiative der Mitarbeiter oder der
Geschäftsleitung und ohne formellen Weiterbildungsplan erfolgt (siehe Abbildung 6).
Trotz dieser größenbedingten Unterschiede scheint das Ausmaß der Weiterbildung, gemessen als Prozentsatz der gesamten Lohnkosten, für alle Unternehmensgrößen ähnlich zu sein. Allerdings wird die Wirksamkeit jeglicher Investitionen in
Weiterbildungsmaßnahmen nicht nur durch das Ausmaß der dafür bereitgestellten
Ressourcen, sondern auch durch andere Faktoren beeinflußt, wie etwa eine wohldefinierte und konsequent umgesetzte allgemeine Unternehmensstrategie oder
eine kohärente Weiterbildungspolitik.
Weiterbildungsmaßnahmen in KMU sind sehr häufig informeller Art in dem Sinn,
daß es sich um Weiterbildungsaktivitäten innerhalb des Unternehmens handelt, die
von Mitarbeitern des Unternehmens durchgeführt werden. KMU nehmen den
Weiterbildungsmarkt dann in Anspruch, wenn sie konkrete Qualifikationen und
Fähigkeiten benötigen, die im Unternehmen selbst nicht vorhanden sind. Außerdem
sind sie eher an speziell auf sie und ihren Bedarf zugeschnittenen Lehrgängen interessiert als an Veranstaltungen, die allgemein offenstehen. Arbeitgeber (Interesse des
Unternehmens) und Arbeitnehmer (berufliche Mobilität, höhere Entlohnung)
verfolgen oft ganz unterschiedliche Zielsetzungen mit der Weiterbildung.
29
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Abbildung 6 Art der Weiterbildung für Arbeitnehmer 1998, nach Unternehmensgröße
(Unternehmen in%)
Gesamt
50-249
10-49
1-9
0
0%
10 %
20 %
30 %
40 %
Keine Weiterbildung
Weiterbildung ohne schriftlichen Plan
50 %
60 %
70 %
80 %
90 %
100 %
Weiterbildung durch Unternehmen initiiert/schriftlichen Plan
Weiterbildung nur durch Unterstützung externer Kurse
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Insbesondere die kleinsten KMU sind durch spezifische interne Barrieren beeinträchtigt, welche die Entwicklung von Weiterbildungsmaßnahmen behindern.
Diese internen Barrieren sind etwa die dadurch verursachte Abwesenheit von
Beschäftigten, „mentale Barrieren” der KMU-Führungskräfte, Mangel an Professionalität und Schwierigkeiten bei der Identifizierung des konkreten Weiterbildungsbedarfs. Es bestehen auch externe Barrieren, welche die Weiterbildung der
Beschäftigten behindern. Zu diesen Barrieren zählen die hohen (direkten und
indirekten) Weiterbildungskosten, der Verwaltungsaufwand sowie der Mangel an
Transparenz der Mehrzahl der europäischen Weiterbildungsmärkte.
Weiterbildung für Führungskräfte
Manager und Eigentümer von KMU nehmen nur dann an Weiterbildungsveranstaltungen teil, wenn sie sich wirklich schwerwiegenden Problemen gegenübersehen. In diesem Fall muß es dann gewährleistet sein, daß die erhaltenen Informationen und das erworbene Wissen sofort in die tägliche Arbeit umgesetzt
werden können. Sehr häufig ziehen sie andere Methoden als formalisierte Weiterbildung vor, um Wissen und Kompetenzen zu erwerben, wie etwa die Inanspruchnahme externer Beratungen, Vernetzung, Erfahrungsaustausch mit anderen
Managern, beispielweise in Unternehmervereinigungen.
Die Mehrzahl der KMU-Manager betrachten Schwierigkeiten beim Delegieren ihrer
Arbeit sowie Zeitmangel als hauptsächliche Probleme in Zusammenhang mit der
Teilnahme an Weiterbildung. Aus diesen Schwierigkeiten läßt sich offensichtlich ein
Bedarf nach kurzen und flexiblen Lehrgängen ableiten. Die Kosten der Weiterbildung
scheinen - im Vergleich zu anderen Fragen wie Ort, Dauer oder Inhalt des Kurses eine weniger relevante Barriere für die Weiterbildung von Managern zu sein.
IKT und Weiterbildung
Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) eröffnet interessante
Aussichten für die Welt des lebenslangen Lernens und der Ausbildung. Trotz dieser
30
Kurzfassung
Möglichkeiten zeigen die wenigen verfügbaren Daten, daß KMU die IKT derzeit nur
sehr begrenzt für Weiterbildungszwecke in Anspruch nehmen. Zu den diesbezüglichen Hindernissen zählen der allgemeine Nachholbedarf der KMU in bezug auf den
Einsatz der IKT, die geringe Geschwindigkeit der Kommunikation, die hohen Kosten
der IKT, die Schwierigkeit, zwischen den unzähligen Anbietern unterscheiden zu
können, die häufige Veränderung in der Technologie und schließlich der Mangel an
Qualifikationen für eine erfolgreiche und wirksame Nutzung der IKT.
Neue Dienstleistungen
Die europäische Wirtschaft kann als Dienstleistungswirtschaft bezeichnet werden.
Im Jahr 1998 waren 75 % der bestehenden Unternehmen im Dienstleistungssektor
tätig und für 63 % der Beschäftigung sowie 73 % des Bruttowertschöpfung der
europäischen Wirtschaft insgesamt verantwortlich. Die Mehrheit der neuen Unternehmen ist dem Dienstleistungssektor zuzuordnen und diese schufen mehr als
80 % aller neuen Arbeitsplätze in Europa in den letzten zehn Jahren. Kapitel 10
dieses Berichtes beschäftigt sich mit den sogenannten neuen Dienstleistungen.
Die wichtigsten Entwicklungstrends
Technologische Faktoren, Wirtschaftstrends, soziokulturelle, soziodemographische
und institutionelle Faktoren lassen neue Bedürfnisse entstehen und ändern die Art
und Weise, in der Geschäfte abgewickelt werden, und führen damit innerhalb des
Dienstleistungssektors zum Auftreten neuer Arten von Dienstleistungen (siehe
Tabelle 5). Diese neuen Dienstleistungen sind aufgrund ständig neuer Entwicklungen sowie des Mangels an präzisen Definitionen statistisch schwer zu erfassen.
Zwei Faktoren beeinflussen den Dienstleistungssektor besonders stark. Die Entwicklung der IKT hat die Charakteristik von Dienstleistungen und ihre Abhängigkeit von
Tabelle 5 Entwicklung neuer Dienstleistungen in Europa
Den neuen Dienstleistungen Fördernde Faktoren
zugrundeliegende Faktoren
Beispiele für neue Dienstleistungen
Technologische
Faktoren
Entwicklung der Informationsund
Kommunikationstechnologie
Elektronischer Geschäftsverkehr,
Internet-Provider, Computerisierung und fortschrittliche Telekommunikationsdienste, Entwicklung wissensintensiver Dienstleistungen
Wirtschaftliche
Faktoren
Globalisierung, Ausweitung der
Selbständigkeit, wissensintensive
Wirtschaftszweige, Auslagerungsprozesse, flexible Arbeitsverhältnisse
Innovative unternehmensbezogene Dienstleistungen, technologische Dienstleistungen
Soziodemographische u.
-kulturelle Faktoren
Entstehen von Familien mit
Doppeleinkommen, multikulturelle
Gesellschaften, alternde Bevölkerung, zunehmende Individualisierung und Bedeutung der Freizeit
Fürsorgedienste für ältere Menschen
und Kleinkinder, Umweltdienstleistungen, neue Unterhaltungs- und
Tourismusdienstleistungen,
Haushaltsdienste
Institutionelle
Faktoren
Privatisierungs- und Deregulierungsprozesse, Umweltschutz
Erbringung ehemals staatlicher
Dienstleistungen durch Private,
Entwicklung des dritten Sektors
Quelle: Erstellt durch Centro Studi sull´Imprenditorialità ´Furio Cicogna´, Bocconi University.
31
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Ort und Zeit tiefgreifend verändert. Chancen für Innovationen in neuen und
erneuerten Dienstleistungen entwickeln sich, wobei oft ein Übergang von Dienstleistungen, bei denen die Kenntnisse beim Anbieter liegen, zu Dienstleistungen
stattfindet, bei denen die - vielleicht geringeren - Kenntnisse beim Kunden liegen,
sowie von arbeitsintensiven zu fast arbeitsfreien Dienstleistungen.
Die Nachfrage nach persönlichen Dienstleistungen steigt aufgrund verschiedener
sozioökonomischer Veränderungen, wie etwa des Rückzugs des Staates aus vielen
Dienstleistungsbereichen, der immer größeren Anzahl von Familien mit Doppeleinkommen und einer zunehmend älteren Bevölkerung.
Die Nachfrage der KMU nach neuen Dienstleistungen
Ein Fünftel der KMU in den durch diesen Bericht abgedeckten Ländern kaufte in
den letzten Jahren neue Dienstleistungen zu, und 80 % erwarten für die nächsten
drei Jahre eine Zunahme der Verwendung. Dies impliziert, daß die Mehrheit der
Unternehmen davon ausgeht, demnächst neue Dienstleistungen zum ersten Mal
in Anspruch zu nehmen. Die Inanspruchnahme reicht von über 20 % in der Sachgütererzeugung, im Großhandel und den unternehmensbezogenen Dienstleistungen bis zu lediglich 11 % im Einzelhandel und 7 % im Reparaturgewerbe. In
den meisten Wirtschaftssektoren erwarten mehr als 80 % der KMU eine Zunahme
der Verwendung, nur in der Sachgütererzeugung und bei den sonstigen Dienstleistungen ist diese Zahl mit etwa 70 % verhältnismäßig niedrig.
Barrieren für Neugründungen
Aufgrund der Charakteristika dieser Dienstleistungen werden neue Dienstleistungen oft durch neue Unternehmen erbracht. Die in bezug auf Beschäftigung
und Unternehmensgründungen dynamischsten Teilsektoren innerhalb der Dienstleistungen waren in den letzten zehn Jahren die nicht marktbestimmten Dienstleistungen, die unternehmensbezogenen Dienstleistungen sowie der IKT-Sektor.
Jedoch hemmen nach wie vor einige Barrieren Gründung und Wachstum von KMU
in den neuen Dienstleistungen. Als hauptsächliche Probleme werden der Zugang
zu Finanzierung sowie administrative Belastungen gesehen. Zu den Schwierigkeiten zählen außerdem Absatzprobleme, Mangel an Qualifikationen, die Beschaffung und schließlich kulturelle Hindernisse. Administrative Belastungen und
Absatzprobleme werden bei den persönlichen Dienstleistungen als die wichtigsten
Barrieren betrachtet, während für die technologieorientierten neuen Dienstleistungen finanzielle Schwierigkeiten und der Mangel an Qualifikationen als besonders relevant angesehen werden.
Öffentliche Unterstützung für neue Dienstleistungen
Im allgemeinen bestehen keine spezifischen öffentlichen Fördermaßnahmen zur
Unterstützung der Unternehmen im Bereich der neuen Dienstleistungen, obwohl
einige Politiken wie etwa Maßnahmen für Dienstleistungen im allgemeinen sowie
Maßnahmen im IKT-Bereich diesen Sektor indirekt ansprechen.
Darüber hinaus ergeben sich neue Chancen für die Gründung von KMU im Sektor
der neuen Dienstleistungen aufgrund der gemeinsamen Initiativen lokaler und
regionaler Behörden sowie der nationalen Regierungen. Es ist das Ziel dieser sogenannten Lokalen Initiativen, die manchmal durch die Kürzung der öffentlichen
Ausgaben hervorgerufene Ausdünnung von Sozial- und Fürsorgediensten auszugleichen, indem Dienstleistungen in jenen Bereichen erbracht werden, in denen
Bedürfnisse nicht gedeckt werden. Jedoch sind diese auf Entwicklung und Arbeitsbeschaffung abzielenden Initiativen nicht auf soziale Dienste beschränkt, sondern
32
Kurzfassung
erstrecken sich auch auf Freizeit- und Tourismusdienste und gelegentlich auch auf
unternehmensbezogene Dienstleistungen.
Teil V
Monitor
KMU im Europäischen Binnenmarkt
Die Beurteilung des Binnenmarktes durch die KMU
Seit dem letzten Bericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU hat der
Aktionsplan für den Binnenmarkt wesentliche Fortschritte in der Funktionsweise
des Binnenmarktes erreicht, so daß dieser auch für Bürger und Unternehmen Wirklichkeit geworden ist.
Kapitel 11 untersucht die Beurteilung des Binnenmarktes durch die KMU-Unternehmer. Bei Abwägung der Vor- und Nachteile des Binnenmarktes sieht ein Drittel
der KMU per Saldo mehr Vorteile gegenüber lediglich einem Zehntel, das mehr
Nachteile empfindet.
Größere KMU, exportierende und schnell wachsende Unternehmen sind positiver
eingestellt als andere KMU. Mehr als die Hälfte der KMU können weder wesentliche Vorteile noch wesentliche Nachteile des Binnenmarktes erkennen, wobei viele
dieser Unternehmen vermutlich nur auf einem lokalen Markt tätig sind. Diese
Wahrnehmung hängt eng mit der Größe des Unternehmens zusammen: kleinere
Unternehmen sehen seltener Auswirkungen.
Wie Abbildung 7 zeigt, bestehen große länderspezifische Unterschiede. In Finnland,
Island und Irland ist die Zahl der positiv urteilenden Unternehmen 6 bis 8 mal höher
als die Zahl der Unternehmen mit negativer Haltung. Mit einem Faktor unter 2
vergleichsweise negativ eingestellt sind die Unternehmen in Frankreich, Österreich
und Luxemburg. In Griechenland sehen sogar mehr KMU eher Nachteile als Vorteile.
Abbildung 7 Verhältnis zwischen dem Anteil der KMU, die im Binnenmarkt vor allem
Vorteile sehen, und dem Anteil der KMU, die vor allem Nachteile
wahrnehmen, Reihung der Länder von positiv nach negativ
Irland
Island
Finnland
Schweden
Spanien
Niederlande
Belgien
Dänemark
Italien
Norwegen
Portugal
Liechtenstein
Schweiz
Vereinigtes Königreich
Deutschland
Frankreich
Österreich
Luxemburg
Griechenland
Europa-19
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
33
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Im Durchschnitt sind die vier wichtigsten von den KMU genannten Vorteile des
Binnenmarktes: der größere Absatzmarkt, die Vereinfachung der internationalen
Zusammenarbeit, die Einführung des Euro sowie der größere Markt für Vorleistungen. Die zwei von den KMU am häufigsten genannten Nachteile sind:
verschärfter Wettbewerb und vermehrte Vorschriften. Höhere Produktionskosten
und die Kosten des Euro werden ebenfalls genannt.
Die Einführung des Euro
In dieser Frage ergab die Analyse, daß sich ein Drittel der Unternehmen ohne
Beschäftigte und drei Viertel der mittleren Unternehmen bereits mit den Konsequenzen der Einführung des Euro auseinandergesetzt haben. Es ist zu erwarten,
daß diese Anteile bis zum Jahr 2001 stetig zunehmen werden. Der Anteil der KMU,
die bereits vollständig „Euro-kompatibel” sind oder dies zu werden beabsichtigen,
steigt von einem ursprünglich geringen Anteil im Jahr 1999 auf deutlich über
90 % im Jahr 2002 in den Euro-Ländern und Ende 2002 auf etwa 50 % in den
Ländern außerhalb des Euro-Bereichs. Exportierende Unternehmen bereiten sich
auf den Euro deutlich früher vor als nicht-exportierende Unternehmen.
Der Anteil der KMU, die eine detaillierte Analyse der Auswirkungen des Euro auf
ihren Geschäftsbetrieb durchgeführt haben, steigt mit der Unternehmensgröße
von lediglich 4 % bei Unternehmen ohne Beschäftigte auf etwa 35 % bei den
mittleren Unternehmen. Die gleiche Situation besteht bezüglich des Anteils der
Unternehmen, welche eine detaillierte Strategie für die Umstellung auf den Euro
erarbeitet haben.
Wie Abbildung 8 zeigt, erwartet weniger als ein Fünftel der KMU negative Auswirkungen des Euro. Der Anteil jener Unternehmen, die positive Effekte voraussehen,
steigt von knapp über 20 % bei den Unternehmen ohne Beschäftigte auf über
45 % bei den mittleren Unternehmen. Unternehmen, die bereits eine detaillierte
Analyse der Auswirkungen des Euro auf ihre Geschäftstätigkeit erstellt haben, sind
optimistischer als andere Unternehmen.
Abbildung 8 Erwarteter Effekt des Euro auf die Geschäftstätigkeit, nach Unternehmensgröße
(Anteil der KMU)
0
1-9
10-49
0-249
0%
10 %
20 %
Stark positiver Effekt
30 %
Leicht positiver Effekt
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
34
40 %
50 %
Kein Effekt
60 %
70 %
80 %
Leicht negativer Effekt
90 %
100 %
Stark negativer Effekt
Kurzfassung
Internationale Geschäftskontakte
Die Anzahl der von den KMU gemeldeten internationalen Geschäftskontakte
nimmt weiterhin zu. Im Durchschnitt verzeichneten 25 %, jedoch mehr als die
Hälfte der mittleren Unternehmen, diesbezüglich eine Zunahme.
Wettbewerb
Es wurde eine Analyse der Konkurrenz durchgeführt, der sich die KMU durch Unternehmen aus ihrem eigenen Land, aus Westeuropa sowie aus anderen Ländern in der
Welt ausgesetzt sehen. Das Ergebnis zeigt, daß betreffend alle Wettbewerbstypen
dasselbe Muster vorherrscht: Je größer das KMU, desto wahrscheinlicher wurde es
mit zunehmender Konkurrenz konfrontiert. Insbesondere nimmt die Konkurrenz
durch inländische Unternehmen zu. Exporteure verzeichnen zunehmenden Wettbewerbsdruck vor allem durch internationale Unternehmen, während Nicht-Exporteure
eine stärkere Konkurrenz durch heimische Unternehmen wahrnehmen.
Eine vergleichende Analyse nach Umsatzwachstum
Werden die Unternehmen in fünf Klassen - von schnell schrumpfendem zu schnell
wachsendem Umsatz - eingeteilt, zeigt sich, daß die Exporteure vor allem der
schnell wachsenden und der schnell schrumpfenden Gruppe angehören (20 bis
25 % der exportierenden Unternehmen), während in der Gruppe mit stabilem
Umsatz nur 7 % der Unternehmen exportieren. Es scheint, daß Export mit einer
stärkeren Fluktuation in der Umsatzentwicklung zusammenfällt.
Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen der Beurteilung des Binnenmarktprogramms durch das Unternehmen und der Wachstumsrate des Umsatzes.
Schnell wachsende Unternehmen stehen dem Binnenmarkt positiver gegenüber.
35
Einleitung
Politiker auf der ganzen Welt schenken der Rolle der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der nationalen und lokalen Wirtschaft sowie auch im Globalisierungsprozeß vermehrte Aufmerksamkeit. Der Beitrag der KMU zur Schaffung von
Arbeitsplätzen, Innovation, zum Wirtschaftswachstum und Wohlstand wird allgemein anerkannt. Es besteht keine Notwendigkeit, diese Rolle an dieser Stelle weiter
auszuführen, da eine Fülle von Informationen über Bedeutung und Position der
KMU in den letzten Jahren vorliegt. Die Berichte des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU haben versucht, die verfügbaren Daten zu analysieren und daraus
Schlußfolgerungen für die europäischen Politiker zu ziehen.
Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der KMU und letztlich zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze und Schaffung neuer Beschäftigungschancen ist eine starke,
direkte Konzentration der Politik auf die KMU erforderlich, und zwar sowohl auf
der Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf europäischer Ebene. Die Politik der
Mitgliedstaaten und der Union weist heute eine verstärkte Tendenz zur Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds für KMU auf. Außerdem besteht ein beträchtlicher Grad an Konvergenz zwischen diesen Politiken.
Detaillierte Informationen über KMU sind daher für politische Entscheidungsträger auf
nationaler wie europäischer Ebene unverzichtbar. Diese Informationen müssen
aktuell, zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten vergleichbar und kontinuierlich
verfügbar sein. Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU, dessen Sechster
Bericht hiermit vorliegt, wurde mit dem Ziel geschaffen, genau diesen Bedarf
abzudecken. Wie den Mitteilungen der Kommission, den Berichten des Europäischen Parlaments sowie des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu entnehmen ist,
hat sich das Beobachtungsnetz zu einer wichtigen Quelle von Informationen über
die europäische Wirtschaft entwickelt.
Die ersten fünf Berichte
Im Jahr 1992 rief die Generaldirektion XXIII der Europäischen Kommission (Unternehmenspolitik, Handel, Fremdenverkehr und Sozialwirtschaft) das Europäische
Beobachtungsnetz für KMU ins Leben. In diesem Rahmen wurde ein unabhängiger
Bericht erstellt. Der Erste Bericht wurde im Mai 1993, der Zweite Bericht im April
1994 veröffentlicht. Beide Berichte befaßten sich mit den KMU in den - damals zwölf Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Der Dritte Bericht erschien im März
1995 und enthielt Informationen über KMU in den zwölf alten und drei neuen
Mitgliedstaaten (Österreich, Finnland und Schweden) sowie Norwegen. Der Vierte
Bericht wurde im Juli 1996 veröffentlicht und präsentierte Informationen über die
KMU in allen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums sowie in der Schweiz.
Der Fünfte Bericht wurde der Kommission schließlich im November 1997 übergeben. Wie der Vierte Bericht enthielt er Informationen über KMU in allen Ländern
des Europäischen Wirtschaftsraums sowie in der Schweiz, d. h. in insgesamt 19
Ländern.
Organisation
Dieser unabhängige Bericht wurde von einem Konsortium erstellt, das von KPMG
Consulting geleitet wird und darüber hinaus EIM Small Business Research and
Consultancy, Intomart und das European Network for SME Research (ENSR)
umfaßt. Das ENSR ist ein Netzwerk führender Organisationen, die auf KMU-
37
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Forschung spezialisiert sind. In jedem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums besteht zumindest eine Partnerorganisation des Netzwerks. Die Namen und
weitere Details der Partnerorganisationen sind in Anhang III aufgeführt. Jedes
Kapitel des Berichtes wurde von einem Partner des Netzwerks koordiniert. Die
Namen der jeweils für die Koordination verantwortlichen Partner finden sich zu
Beginn jedes Kapitels.
Die Projektkoordinatoren führten zahlreiche Diskussionen mit der Europäischen
Kommission. Frau Kirsi Ekroth-Manssila von der GD Unternehmen hat sich sehr
stark engagiert, um wertvolle Kommentare von Experten der Kommission (sowohl
der GD Unternehmen als auch anderer GD) für die Themenauswahl und die Kapitelentwürfe einzuholen. Die Tatsache, daß die Kapitelkoordinatoren bilateral mit
verschiedenen Spezialisten der Kommission in Verbindung standen, führte zu
besserem Verständnis der ausführlichen politischen Debatte in „Brüssel“ seitens der
Forscher sowie auch zu einer weiteren Verbreitung des Projekts des Beobachtungsnetzes unter den Beamten der Kommission. Dafür sind die Auftragnehmer Frau
Kirsi Ekroth-Manssila sehr dankbar.
Im ersten Projektjahr wurde ein Beirat ins Lebens gerufen, dessen Aufgabe darin
besteht, die Untersuchungsergebnisse zu überdenken und das ENSR zu beraten.
Dieses Beratergremium besteht vor allem aus Vertretern europäischer Organisationen, die im Bereich der KMU, des Handwerks oder auf dem Unternehmenssektor
im allgemeinen tätig sind. Die Mitgliedsorganisationen des Beratergremiums sind in
Anhang II aufgelistet. Das Beratergremium tagte zweimal während der Arbeit an
diesem Bericht. Die Projektkoordinatoren danken den Mitgliedern des Beratergremiums für ihre wertvolle Mitwirkung und ihre Kommentare zu den Untersuchungsthemen und Kapitelentwürfen.
Zusammenarbeit und Informationsübermittlung
Vernetzung gehört zu den Zielen des Beobachtungsprojekts. Das European
Network for SME Research (ENSR) ist das Hauptnetzwerk, das im Rahmen des
Projekts genutzt wird. Seine Stärke liegt in der Kompetenz und Erfahrung seiner
Partner, der Beteiligung zahlreicher Fachleute, die auf dem Gebiet der KMUForschung tätig sind, sowie der Erfassung eines geographisch großen Gebietes. Bei
einigen Themen hat sich darüber hinaus die Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen als nützlich erwiesen und zur Qualität dieses Berichtes beigetragen.
Das Eurostat-Projekt „Unternehmen in Europa” erwies sich erneut als ein Grundpfeiler des Projekts. Die Zusammenarbeit mit Eurostat war eine große Hilfe.
Wie im vergangenen Jahr wurde der Beitrag der Schweiz vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit finanziert. Wir möchten dieser Behörde unseren Dank
dafür aussprechen, daß sie es uns dadurch erleichtert hat, die Schweiz in diesen
Bericht aufzunehmen.
Eines der Hauptziele des Beobachtungsprojekts ist es, vorhandene Daten und Informationen zu sammeln, was manchmal dadurch erschwert wird, daß diese Informationen häufig bei Organisationen der Mitgliedstaaten „versteckt” sind. Es ist die
Aufgabe der ENSR-Partner, diese Informationen ausfindig und sie den Kapitelkoordinatoren zugänglich zu machen. Wir sind den Mitarbeitern dieser Organisationen
(Handelskammern, Ministerien, nationale Statistikbehörden, Universitäten,
Forschungsorganisationen) für ihren Beitrag und ihre Zusammenarbeit zu Dank
verpflichtet.
Ein wesentliches Problem bei der Durchführung des Projekts bestand darin, aktuelle Daten und Informationen über das Verhalten und die wirtschaftliche Leistung
38
Einleitung
von KMU zu erhalten. Um dieses Problem zu überwinden, wurde eine telefonische
Befragung von KMU (der ENSR Enterprise Survey 1999) in allen Ländern durchgeführt, die durch diesen Bericht abgedeckt werden. Der Aufbau dieser Befragung ist
in Anhang I beschrieben. In der durch Intomart durchgeführten Befragung wurden
allgemeine Informationen über KMU und spezifische Informationen für die
einzelnen Kapitel gesammelt. Unser Dank gilt allen KMU, die an dieser Erhebung
mitgewirkt haben.
Der Bericht basiert auf Daten, die vor dem 1. Oktober 1999 erhoben wurden.
Der Inhalt des Sechsten Berichts
Teil I
Der Erfolg der KMU
Kapitel 1:
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Teil II
Das Unternehmensumfeld und Verhalten der KMU
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
2:
3:
4:
5:
6:
7:
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
Aspekte des Arbeitsmarktes
Zugang zu Finanzierung
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
Teil III
Unternehmenspolitische Maßnahmen
Kapitel 8:
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Teil IV
Spezialthemen
Kapitel 9:
Kapitel 10:
Berufliche Bildung und KMU
Neue Dienstleistungen
Teil V
Monitor
Kapitel 11:
KMU im Europäischen Binnenmarkt
Die Auswirkungen der Vollendung des Binnenmarktes auf die KMU waren eines der
Hauptthemen der letzten fünf Berichte. Die diesjährigen wichtigsten Ergebnisse
werden gleichfalls wieder in einem gesonderten Kapitel vorgestellt.
Kapitel 12:
Der Europäische „Tally” für KMU
Ähnlich wie im letzten Bericht wird in Kapitel 12 ein Überblick der wichtigsten
Indikatoren für den KMU-Sektor gegeben. Dieser Überblick stellt eine Aktualisierung des „Europäischen Scoreboard für KMU” im Fünften Bericht dar.
Kapitel 13:
Politische Empfehlungen
Jedes Jahr wird, ausgehend von den zusammengefaßten Ergebnissen des Berichtes,
das Schlußkapitel mit der Absicht formuliert, Politiker mit relevanten Ideen und
zukünftigen Entwicklungen vertraut zu machen. Dieses Kapitel stellt eine Synthese
und weitere Ausarbeitung der Abschnitte über politische Empfehlungen dar, die in
den anderen Kapiteln dieses Berichtes enthalten sind.
Anhang I:
Anhang II:
Anhang III:
Die Erstellung und Analyse des ENSR Enterprise Survey 1999
Mitglieder des Beratergremiums
Namen und Adressen der Mitglieder des Konsortiums
39
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Kontinuität und Innovation in den Berichten
Die Berichte des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU befassen sich mit
einer Palette von wiederkehrend behandelten Themen, wodurch die Kontinuität
des Projekts gewahrt bleibt.
Gleichzeitig wurden und werden im Laufe des Projekts des Beobachtungsnetzes
neue Themen aufgenommen, um einen innovativen Ansatz für die Untersuchung
der KMU im Europäischen Wirtschaftsraum sicherzustellen.
Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, wurden ab dem Zweiten Jahresbericht in jedem Bericht
neue Themen eingeführt. Darüber hinaus kehrten einige der Spezialthemen (über
„Internationalisierung” und „Handwerk”) in späteren Berichten als „gewöhnliche”
Kapitel wieder.
Tabelle 1 Themen* des Ersten, Zweiten, Dritten, Vierten, Fünften und Sechsten
Berichtes
1.
1.
Bericht
Erfolg von KMU
x
Unternehmensumfeld
x
Unternehmensrelevante Maßnahmen x
Auswirkungen des Binnenmarktes
x
Unternehmensdynamik
und Unternehmertum
x
Arbeitsmarkt und Beschäftigung
x
Kapital und Finanzierung
x
Technologie und Innovation
x
Elektronischer Geschäftsverkehr
Interdependenz von großen
und kleinen
Unternehmen
x
Aus- und Weiterbildung
Infrastrukturen
Rechtsfragen
Management in KMU
Übertragung von KMU
Kooperation zwischen KMU
Externe Information und Beratung
Konkursverfahren und Insolvenzen
Unternehmensdynamik
Export und Internationalisierung
•
Handwerk
Administrative Belastungen
Dienstleistungen für Produzenten/
Neue Dienstleistungen
•
Frauen in KMU
GGVS/Sozialwirtschaft
Tourismus
Umwelt
Funktionsweise der Märkte für Waren
und Dienstleistungen
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
*
•
40
2.
Bericht
3.
Bericht
4.
Bericht
5.
Bericht
6.
Bericht
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
•
x
x
x
•
x
x
x
•
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
•
•
•
x
•
•
Diese Themen stimmen nicht immer exakt mit den Kapitelüberschriften des Berichtes überein.
Spezialthemen.
x
x
x
TEIL I
DER ERFOLG DER
KMU
1
Situation und Entwicklung der KMU
in Europa-19
Koordination: EIM Small Business Research and Consultancy
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE
Größe und Struktur des privaten nicht-primären Unternehmenssektors in Europa
• In Europa-19 (d. s. die EWR-Länder und die Schweiz) bestehen knapp 20 Millionen
Unternehmen, die etwa 117 Millionen Menschen Beschäftigung bieten.
• Der weitaus größte Teil dieser Unternehmen beschäftigt weniger als 250
Personen und kann deshalb als kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
bezeichnet werden. Die KMU haben einen Anteil von zwei Drittel an der
Gesamtbeschäftigung.
• KMU und große Unternehmen (GU) unterscheiden sich in bezug auf ihre
Größe. Während ein KMU im Durchschnitt 4 Personen beschäftigt, sind in GU
im Durchschnitt 1 000 Beschäftigte tätig. Der Umsatz je Unternehmen beträgt
in KMU 500 000 Euro, in GU 215 Millionen Euro.
• Im Vergleich zu GU ist der Anteil der Exporte am Gesamtumsatz in KMU relativ
klein. KMU in kleineren Ländern weisen eine höhere Exportneigung auf als KMU
in großen Ländern. In kleinen Ländern ist auch der Unterschied zwischen KMU
und GU in bezug auf die Exportquoten vergleichsweise gering.
• Zwischen Unternehmensgröße und Arbeitsproduktivität besteht ein positiver
Zusammenhang. Zudem ist die Rentabilität von GU höher als jene von kleinen
Unternehmen.
• Im Vergleich zu japanischen und insbesondere zu amerikanischen Unternehmen
sind die europäischen Unternehmen, im Durchschnitt gesehen, klein.
Aktuelle Entwicklung des privaten nicht-primären Unternehmenssektors in Europa
• Die Inlandsnachfrage hat sich in Europa-19 seit 1993 günstig entwickelt und es
scheint wahrscheinlich, daß sich dieser Trend in der nahen Zukunft fortsetzen
wird. Das Wachstum des internationalen Handels war noch stärker und ist
gegenwärtig wesentlich dynamischer als jenes des BIP. Europa verzeichnet seit
1993 ein geringeres BIP-Wachstum als die USA, Japan mußte dagegen mit einer
schweren Rezession kämpfen.
• Obwohl sich die Rentabilität im allgemeinen verbessert hat, blieben die Rentabilitätsunterschiede zwischen KMU und GU während des vergangenen Jahrzehnts unverändert. Die Arbeitsproduktivität nahm in größeren Unternehmen
stärker zu als in kleineren. Die KMU konnten ihre relative Rentabilitätsposition
nur durch im Vergleich zu GU stärkere Preiserhöhungen behaupten.
• Die Inflation hat sich in Europa bei unter 2 % stabilisiert. Die stabile und niedrige Inflation fördert die Planungssicherheit der Unternehmen, und trägt damit
43
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
zu einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld und makroökonomischen Rahmenbedingungen bei.
• Die KMU verzeichneten in den 90er Jahren ein geringeres Wachstum der realen
Wertschöpfung als GU.
• Die Zahl der Arbeitsplätze hat während der 90er Jahre aufgrund einer negativen
Entwicklung zu Beginn dieses Zeitraums abgenommen. Während die Kleinstunternehmen einen positiven Beitrag zum Beschäftigungswachstum lieferten, ist
die Beschäftigung in den anderen Größenklassen gesunken. Während der
Rezession 1990/1993 könnte dieses Wachstum bei den Kleinstunternehmen
teilweise durch schrumpfende, und damit zu Kleinstunternehmen werdende,
kleine Unternehmen verursacht worden sein. Im Gegenzug sank die Beschäftigung in Kleinstunternehmen ab 1994, da eine erhebliche Zahl an Kleinstunternehmen zu kleinen Unternehmen wurde.
• Das Größenklassenmuster des Beschäftigungswachstums unterscheidet sich
deutlich zwischen Europa und den USA. Vor allem nach der Rezession
1990/1993 war das Beschäftigungswachstum in den USA in GU am stärksten.
• Die Zahl der Unternehmen ist in Europa-19 im Lauf des vergangenen Jahrzehnts
deutlich angestiegen. Beispielsweise sind im Jahr 1995 fast 2 Millionen neue
Unternehmen entstanden, während über 1½ Millionen Unternehmen
geschlossen wurden. Die Zu- und Abgänge betrugen somit 11 % bzw. 9 % des
gesamten Unternehmensbestandes. Die mit den Gründungen verbundene
Beschäftigungswirkung belief sich auf über 2½ Millionen. Da stillgelegte Unternehmen im Durchschnitt etwas größer sind als Unternehmensgründungen,
belief sich die mit den Abgängen verbundene Beschäftigungswirkung ebenfalls
auf über 2½ Millionen Personen, obwohl die Zahl der Unternehmensstillegungen geringer als jene der Gründungen war.
• Obwohl erhebliche statistische Probleme bestehen, gibt es keinen Beleg dafür,
daß die Unternehmensfluktuation - im Sinn von Zu- und Abgängen von Unternehmen - in Europa geringer wäre als in den USA oder Japan. Allerdings deuten
die verfügbaren Daten auf eine in den USA im Vergleich zu Europa-19 stärkere
Beschäftigungswirkung der Unternehmensgründungen hin.
Ein Szenario der zukünftigen Entwicklung der KMU und GU
• Auch wenn sich die Trends des vergangenen Jahrzehnts in bezug auf die ökonomischen Rahmenbedingungen fortsetzen, gibt es doch eine Reihe von Faktoren,
die zu einem für KMU ungünstigeren wirtschaftlichen Umfeld führen. Dazu
gehören:
— Die zunehmende internationale Verflechtung der Länder. Die Exporte
werden weiterhin die am schnellsten wachsende Endnachfragekategorie
sein, und der Anteil der Exporte an der gesamten abgesetzten Produktion
wird zunehmen. Da KMU eine geringere Exportneigung haben, sind sie
dadurch relativ ungünstiger gestellt.
— Der verschärfte Wettbewerb auf den Märkten verhindert, daß KMU ihre
Preise wesentlich stärker anheben können als GU.
Das Wachstum der Arbeitsproduktivität wird auch in Zukunft in positivem Zusammenhang mit der Unternehmensgröße stehen. KMU und GU werden in etwa gleichem Ausmaß zum Beschäftigungswachstum beitragen.
• Unter diesen Voraussetzungen wird die relative Rentabilität der KMU sinken.
44
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die Bedeutung und die Struktur der
privaten Unternehmen außerhalb des primären Sektors im Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz (Europa-19), ihre Entwicklung während der vergangenen 10 Jahre, sowie eine Analyse möglicher zukünftiger Trends. Ein Schwerpunkt
liegt dabei auf dem Aspekt der Unternehmensgröße. Zuerst werden die Bedeutung
und die Struktur dieser Unternehmen im Jahr 1998 dargestellt (Abschnitt 1.1).
Ausgangspunkt dieser Analyse ist die Makroebene, wobei auch ein Vergleich
zwischen Europa-19 und den Vereinigten Staaten und Japan durchgeführt wird.
Danach werden die Daten nach Ländern und Wirtschaftssektoren gegliedert
dargestellt. Abschnitt 1.2 beschäftigt sich mit der aktuellen Entwicklung der
Größenklassenstruktur der europäischen Unternehmen. In Abschnitt 1.3 veranschaulicht ein Szenario einige Aspekte der zukünftigen Entwicklung dieser Größenklassenstruktur. Schließlich werden in Abschnitt 1.4 statistische Daten zum Handwerk und zur Sozialwirtschaft dargestellt1.
Im Rahmen dieses Kapitels werden KMU - wie auch schon in früheren Berichten
des europäischen Beobachtungsnetzes für KMU - anhand der Zahl der Beschäftigten im Unternehmen definiert. Innerhalb des privaten nicht-primären Unternehmenssektors (das sind alle privaten Unternehmen mit Ausnahme der Land- und
Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei) sind KMU als jene Unternehmen definiert,
welche weniger als 250 Beschäftigte haben. Innerhalb der KMU werden die
folgenden Größenklassen unterschieden2:
• Kleinstunternehmen beschäftigen weniger als 10 Personen. Unternehmen ohne
Beschäftigte - die somit nur den Selbständigen (und gegebenenfalls unbezahlten Familienangehörigen) ein Einkommen bieten - stellen eine eigene Kategorie in dieser Größenklasse dar.
• Kleine Unternehmen beschäftigen zwischen 10 und 49 Personen.
• Mittlere Unternehmen beschäftigen zwischen 50 und 249 Personen.
Große Unternehmen (GU) sind jene Unternehmen, in denen 250 oder mehr
Beschäftigte tätig sind - sie stellen also den Rest der Unternehmen dar.
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Unternehmen und ihrer wirtschaftlichen
Leistung und Entwicklung. Die wirtschaftliche Leistung wird anhand verschiedener
Variablen gemessen: Beschäftigung und Schaffung von Arbeitsplätzen, Umsatz
(mit besonderer Berücksichtigung der Exporte), Wertschöpfung, Arbeitsproduktivität und Rentabilität. Die Rentabilität ist hier definiert als die Differenz zwischen
Wertschöpfung und Arbeitskosten, wobei die Arbeitskosten um den dem Unternehmer zurechenbaren kalkulatorischen Lohn korrigiert wurden. Diese Korrektur ist
notwendig, da der Anteil des Arbeitseinsatzes des Unternehmers am gesamten
Arbeitseinsatz vor allem in Kleinstunternehmen sehr hoch ist, der Unternehmerlohn jedoch in den Lohn- und Gehaltsaufwendungen nicht berücksichtigt wird.
1
Für eine ausführliche Diskussion einiger Aspekte der Sozialwirtschaft siehe Kapitel 7
dieses Berichtes. Der Fünfte Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU
enthält ebenfalls eine Analyse der Situation des Handwerks.
2
In der entsprechenden „Empfehlung der Kommission” (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften Nr. L 107, 1996) werden KMU auf der Basis der Zahl der Beschäftigten,
des Umsatzes (höchstens 40 Millionen Euro) oder der Jahresbilanzsumme (höchstens 27
Millionen Euro) und des Unabhängigkeitskriteriums definiert. Diese zusätzlichen Kriterien
sind allerdings in Massendaten kaum verfügbar und werden im Rahmen dieses Kapitels
daher nicht berücksichtigt. Die genannte Empfehlung unterscheidet ebenso Kleinst-, kleine
und mittlere Unternehmen.
45
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Anmerkung für den Leser
In diesem Kapitel werden statistische Daten zu Größe und Struktur der privaten
Unternehmen außerhalb des primären Sektors in Europa dargestellt. Diese Daten
wurden zum Zweck der Vergleichbarkeit zwischen den Ländern harmonisiert1. Eine
Folge dieser Harmonisierung ist jedoch, daß die hier präsentierten Zahlen im allgemeinen nicht mit entsprechenden Daten aus nationalen Quellen übereinstimmen. In
Anhang I dieses Kapitels sind die verwendeten Definitionen und Begriffe ausführlich
beschrieben. Die in diesem Kapitel dargestellten Statistiken sind das Ergebnis einer
sorgfältigen Überarbeitung der Daten für den Sechsten Bericht zu ‘Unternehmen in
Europa’ von Eurostat. Allerdings sind die Daten der verschiedenen Berichte zu
‘Unternehmen in Europa’ aufgrund der Verwendung verbesserter Methoden und Erhebungen untereinander nicht unmittelbar vergleichbar. Aus diesem Grund sind auch die
Daten dieses Kapitels nicht mit jenen früherer Jahresberichte des Europäischen
Beobachtungsnetzes für KMU vergleichbar.
Außerdem stellt Eurostat harmonisierte Daten zu Umfang und Struktur des privaten
nicht-primären Unternehmenssektors in Europa nur für 1992/1993 und 1995/1996 zur
Verfügung. Um die aktuelle Größe und Struktur dieses Unternehmenssektors
bestimmen zu können, wurden die Eurostat-Daten sorgfältig angepaßt. Diese Anpassungen wurden unter Einbeziehung verschiedener makroökonomischer und sektoraler
Datenquellen durchgeführt. Alle für die Überarbeitung notwendigen Berechnungen
wurden im Juli 1999 abgeschlossen.
Die der Szenarioanalyse in Abschnitt 1.3 zugrundeliegenden Berechnungen wurden im
Juli 1999 abgeschlossen.
1.1
Größe und Struktur des nicht-primären
Unternehmenssektors in Europa-19, den USA
und Japan
1.1.1 Analyse auf der Makroebene
Europa-19
Tabelle 1.1 faßt die verfügbaren Daten über die privaten nicht-primären Unternehmen in Europa-19 zusammen2. Die Tabelle zeigt, daß in Europa-19 im Jahr
1998 etwa 117 Millionen Personen in knapp 20 Millionen Unternehmen beschäftigt waren. Fast 100 % dieser Unternehmen sind KMU. Mehr als 18 Millionen der
KMU beschäftigen weniger als 10 Personen und können daher als Kleinstunternehmen bezeichnet werden. Etwa die Hälfte dieser Unternehmen beschäftigt überhaupt keine Arbeitnehmer.
1
Vergleiche dazu die Berichte „Unternehmen in Europa” von Eurostat und GD Unternehmen. Die Datengrundlagen für den Sechsten Bericht von ‘Unternehmen in Europa’
(erscheint im Jahr 2000) stellen die statistische Basis für dieses Kapitel dar. Siehe auch
Anhang I dieses Kapitels.
2
Diese Ergebnisse beruhen auf Daten für 1993/1996, die von Eurostat zur Verfügung
gestellt und von EIM Small Business Research and Consultancy aktualisiert wurden; siehe
Anhang I dieses Kapitels.
46
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Tabelle 1.1 Hauptindikatoren des privaten nicht-primären Unternehmenssektors,
Europa-19, 1998*
KMU
Kleinst
Anzahl der Unternehmen EU
18 040
(1 000)
Nicht-EU
425
Gesamt 18 465
Beschäftigte (1 000)
EU
38 360
Nicht-EU
970
Gesamt 39 330
Kleine
Mittlere
Gesamt
1 130
45
1 175
160
10
170
19 330
480
19 810
21 320
820
22 140
14 870
770
15 640
74 550
2 550
77 100
GU
38
2
40
Gesamt
19 370
480
19 850
38 680 113 230
1 190
3 740
39 860 116 970
Durchschnittliche Unternehmensgröße:
• Beschäftigte je
Unternehmen
EU
Nicht-EU
Gesamt
2
2
2
20
20
20
90
90
90
4
5
4
1 010
780
1 000
6
8
6
• Umsatz je
Unternehmen
(Millionen Euro)
EU
Nicht-EU
Gesamt
0,2
0,3
0,2
3
3
3
23
16
23
0.5
0.8
0.5
215
135
215
1,0
1,3
1,0
Anteil der Exporte
am Umsatz (%)
EU
Nicht-EU
Gesamt
6
12
7
13
14
13
16
16
16
11
14
11
22
20
22
16
16
16
Wertschöpfung
je Beschäftigtem
(1 000 Euro)
EU
Nicht-EU
Gesamt
30
55
30
50
50
50
95
60
90
45
55
45
90
85
90
60
65
60
Anteil der Arbeitskosten an EU
der Wertschöpfung (%) Nicht-EU
Gesamt
40
36
40
53
60
53
43
52
43
45
48
45
38
53
39
42
50
42
*
Aufgrund von Rundungen sind die Gesamtwerte nicht mit der Summe der Teilsummen und die durchschnittlichen Unternehmensgrößen nicht mit den Quotienten aus Beschäftigtenzahl und Unternehmenszahl identisch.
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
Im Durchschnitt hat ein europäisches Unternehmen 6 Beschäftigte. Während die
durchschnittliche Unternehmensgröße in der EU 6 Beschäftigte beträgt, sind in den
Nicht-EU-Ländern im Durchschnitt 8 Personen in einem Unternehmen tätig. Die
Unternehmensgröße kann auch anhand des Umsatzes je Unternehmen gemessen
werden. Der durchschnittliche Umsatz je Unternehmen variiert zwischen 0,2 Millionen
Euro in Kleinstunternehmen und 215 Millionen Euro in großen Unternehmen.
Im Durchschnitt werden 16 % des Gesamtumsatzes durch Exporte erzielt. Der
Exportanteil schwankt zwischen 7 % in Kleinstunternehmen und 22 % in GU.
Diese Unterschiede zwischen den Größenklassen sind in der EU besonders deutlich. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß Nicht-EU-Länder verhältnismäßig klein und deshalb offen sind: Auch in kleinen EU-Ländern ist der Exportanteil von KMU höher als im EU-Durchschnitt. Tatsächlich besteht eine negative
Korrelation zwischen der Exportneigung der KMU und der Landesgröße (gemessen
an der Gesamtbeschäftigung des Landes). Eine positive Korrelation besteht
zwischen der Landesgröße einerseits und der Differenz zwischen der Exportneigung der GU und jener der KMU andererseits. D. h., je kleiner das Land, desto
47
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
höher ist die Exportneigung der KMU und desto weniger unterscheiden sich KMU
diesbezüglich von GU. Dieser Zusammenhang besteht auch dann, wenn ausschließlich EU-Länder in der Analyse berücksichtigt werden.
Die Arbeitsproduktivität - definiert als Wertschöpfung je Beschäftigtem - unterscheidet sich ebenfalls nach Größenklassen. Während in Kleinstunternehmen ein
Beschäftigter 30 000 Euro Wertschöpfung erzielt, beträgt die Arbeitsproduktivität
in großen Unternehmen 90 000 Euro.
Abbildung 1.1 Unternehmensgröße und Rentabilität*, Europa-19, 1998
Kleinst
Kleine
Mittlere
Große
Gesamt
0
*
10
20
30
40
50
60
70
Die Rentabilität ist definiert als die Differenz zwischen Wertschöpfung und Arbeitskosten, wobei letztere
um den Unternehmerlohn korrigiert sind.
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
Innerhalb der Gruppe der kleinen, mittleren und großen Unternehmen besteht ein
negativer Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und dem Anteil der
Arbeitskosten an der Wertschöpfung: In kleinen Unternehmen belaufen sich die
Arbeitskosten auf 53 % der Wertschöpfung, in großen Unternehmen beträgt dieser
Anteil hingegen nur 39 %. In Kleinstunternehmen erreicht der Anteil der Arbeitskosten an der Wertschöpfung 40 %. Dieser deutliche Unterschied resultiert aus der
Tatsache, daß der Arbeitseinsatz des Selbständigen im Lohn- und Gehaltsaufwand
nicht widergespiegelt wird. Werden jedoch die Arbeitskosten entsprechend dem
unternehmerischen Arbeitseinsatz korrigiert - wie bei dem in diesem Kapitel
verwendeten Rentabiltätskonzept -, ergeben sich andere Resultate. Aus Abbildung
1.1 wird ersichtlich, daß die Rentabilität positiv mit der Unternehmensgröße korreliert und von etwa 15 % der Wertschöpfung in Kleinstunternehmen auf über 60 %
in großen Unternehmen steigt1.
1
Vgl. Audretsch, D.B., van Leeuwen, G., Menkveld, B., Thurik, A., Are small firms really
sub-optimal? (Arbeiten kleine Unternehmen wirklich sub-optimal?), EIM, Research Report
9902/E. In dieser Arbeit wird gezeigt, daß kleine Unternehmen der Sachgütererzeugung im
allgemeinen unterhalb der effizienten Mindestgröße arbeiten. Zudem werden Strategien
für diese Unternehmen aufgezeigt, mit welchen den daraus resultierenden Nachteilen
begegnet werden kann.
48
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Tabelle 1.2 Beschäftigung im privaten nicht-primären
Europa-19, USA und Japan, 1996
Unternehmenssektor,
Beschäftigungsanteil nach Größenklassen
KMU
Kleinst
Kleine
Mittlere
Gesamt
GU
%
Europa-19
USA
Japan
Quelle:
34
11
n.v
Beschäftigte
Gesamtje Unterbeschäftigung nehmen
in 1 000
19
19
n.v
13
12
n.v
66
42
33
34
58
67
115 480
105 240
57 345
6
19
10
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999, und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen; Small Business Administration (Bureau of Advocacy); Japanese
Small Business Research Institute.
Vergleich mit den Vereinigten Staaten und Japan1
Tabelle 1.2 vergleicht die Größe und Struktur des nicht-primären Unternehmenssektors in Europa-19, den USA und Japan. Zunächst sollte ein Blick auf die Größe
dieser Volkswirtschaften geworfen werden: Europa-19 und die USA weisen,
gemessen an der Beschäftigung, etwa die gleiche Größe auf, die japanische Wirtschaft ist etwa halb so groß wie jene der USA bzw. Europa-19. Die Unterschiede in
der Größenstruktur sind beachtlich: In Europa-19 beschäftigt ein Unternehmen im
Durchschnitt 6 Personen, in Japan sind es 10 und in den USA sogar 19 Personen.
In Japan und den USA gibt es zum einen vergleichsweise mehr GU und im Durchschnitt sind diese auch größer als europäische GU. Der europäische Unternehmenssektor kann deshalb im Vergleich zu Japan und den USA als kleinstrukturiert
bezeichnet werden. Dies wird auch in der Verteilung der Beschäftigung auf die
Größenklassen widergespiegelt: Während die KMU in Europa-19 zwei Drittel der
Gesamtbeschäftigung stellen, beträgt der Anteil der KMU an der Gesamtbeschäftigung in den USA knapp über 40 %.
1.1.2 Struktur nach Ländern
Tabelle 1.3 zeigt Daten über den privaten nicht-primären Unternehmenssektor in
den einzelnen Ländern innerhalb von Europa-19. Die Unternehmensgröße,
gemessen anhand der Zahl der Beschäftigten je Unternehmen, variiert zwischen 3
bis 4 in Griechenland, Island, Italien und Portugal, und 10 oder mehr in Österreich,
Irland, Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz. Diese Differenzen sind nicht
auf unterschiedliche Branchenstrukturen zurückzuführen. Vielmehr können diese
Größenunterschiede auch auf Branchenebene festgestellt werden. Die durchschnittliche Unternehmensgröße wird u. a. vom BIP je Einwohner beeinflußt (je höher der
Wohlstand eines Landes, desto höher die durchschnittliche Unternehmensgröße)2.
1
Siehe dazu auch den Zweiten Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU.
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU, Erster Jahresbericht, sowie Martin Carree,
André van Stel, Roy Thurik, Sander Wennekers, Business Ownership and Economic Growth:
An Empirical Investigation (Unternehmenseigentum und wirtschaftliches Wachstum: Eine
empirische Untersuchung), EIM, Research Report 9809/E. Die zweitgenannte Arbeit zeigt,
daß die Beziehung zwischen Unternehmensgröße und wirtschaftlichem Wohlstand einer
inversen U-Kurve folgt: Bei steigendem BIP je Einwohner steigt zunächst auch die Unternehmensgröße, ab einem bestimmten Niveau besteht jedoch eine negative Korrelation
zwischen dem BIP pro Kopf und der Unternehmensgröße.
2
49
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Hinsichtlich ihrer Größenklassenstruktur können die Länder auch nach der „dominierenden Größenklasse” klassifiziert werden. Ein Land wird von Kleinstunternehmen,
KMU oder GU dominiert je nachdem, ob Kleinst-, kleine und mittlere (zusammen)
oder große Unternehmen den höchsten Anteil an der Gesamtbeschäftigung
aufweisen1. 5 Länder werden von Kleinstunternehmen dominiert: Frankreich, Griechenland, Italien, Spanien und Liechtenstein. 7 Länder sind KMU-dominiert: Österreich, Dänemark, Luxemburg, Portugal, Island, Norwegen und die Schweiz. Die
verbleibenden 8 Länder (durchgängig EU-Staaten) werden von GU dominiert.
In Europa-19 insgesamt ist die Arbeitsproduktivität sowie die Rentabilität in KMU
tendenziell am niedrigsten. Wie Tabelle 1.3 zeigt, gilt dies in bezug auf die Arbeitsproduktivität in 17 von 19 Ländern. Lediglich in Belgien und Island liegt die
Arbeitsproduktivität in KMU deutlich über dem Durchschnitt. Hinsichtlich der
Rentabilität zeigt sich ein etwas weniger eindeutiges Bild. Während in Belgien und
Tabelle 1.3 Größenklassenstruktur des privaten nicht-primären Unternehmenssektors, nach Ländern, 1998
Unternehmen
(in 1 000)
Belgien
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Schweden
Spanien
Vereinigtes
Königreich
EU
Island
Liechtenstein
Norwegen
Schweiz
Nicht-EU
Europa-19
Durchschnittliche
Unternehmensgröße
Dominierende
Größenklasse
Relative Arbeitsproduktivität
Relative
der KMU**
Rentabilität der KMU***
530
150
515
210
325
620
85
940
15
450
285
690
385
510
5
8
8
5
7
3
10
4
13
12
11
4
7
5
GU
KMU
GU
GU
Kleinst
Kleinst
GU
Kleinst
KMU
GU
KMU
KMU
GU
Kleinst
132
86
98
71
66
79
70
81
97
93
89
75
82
67
7
-16
-5
-40
-18
10
1
-3
2
-16
-5
-20
-9
-10
3 660
19 370
30
3
205
240
480
19 850
5
6
3
6
5
11
8
6
GU
GU
KMU
Kleinst
KMU
KMU
KMU
GU
74
75
125
89
81
77
84
76
-14
-11
2
0
-13
-5
-3
-11
3
2
3
2
Anmerkung:
Aufgrund der Verwendung harmonisierter Daten sind die Zahlen dieser Tabelle nicht mit
Daten aus nationalen Quellen vergleichbar.
* Jene Größenklasse, die unter den folgenden Klassen den höchsten Anteil an der Gesamtbeschäftigung
aufweist: Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (zusammen), große Unternehmen.
** Arbeitsproduktivität der KMU in Prozent des Landesdurchschnitts.
*** Abweichung der Rentabilität (Differenz zwischen Wertschöpfung und der um den Unternehmerlohn
korrigierten Arbeitskosten, in Prozent der Wertschöpfung) der KMU vom Landesdurchschnitt.
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von
Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
1
Auf Europa-19-Ebene weisen Kleinstunternehmen, kleine und mittlere zusammen, sowie
große Unternehmen einen Anteil von jeweils einem Drittel an der Gesamtbeschäftigung
des privaten nicht-primären Unternehmenssektors auf.
50
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Griechenland die Rentabilität der KMU höher als ist jene der GU, bestehen in
Irland, Italien, Luxemburg, Island und Liechtenstein diesbezüglich nur geringe
Unterschiede zwischen KMU und GU. In 12 von 19 Ländern liegt die Rentabilität
der KMU allerdings deutlich unter dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt.
1.1.3 Struktur nach Wirtschftssektoren
Tabelle 1.4 stellt Daten zu Größe und Struktur der verschiedenen Wirtschaftssektoren in Europa-19 dar: Zahl der Unternehmen, durchschnittliche Unternehmensgröße (gemessen anhand der Zahl der Beschäftigten je Unternehmen), dominierende Größenklasse und - als zwei Leistungsindikatoren für KMU in Relation zu GU
- die relative Arbeitsproduktivität und die relative Rentabilität der KMU. In diesem
Abschnitt erfolgt zunächst eine allgemeine Beschreibung der Charakteristika der
einzelnen Sektoren. Danach wird die Exportneigung innerhalb der Branchen und
Größenklassen näher betrachtet.
Struktur der einzelnen Wirtschaftssektoren
Bergbau (einschließlich Energieversorgung; NACE C, E)
Sowohl die durchschnittliche Unternehmensgröße als auch die Dominanz der GU
hinsichtlich der Beschäftigung zeigen, daß der Bergbau ein großbetrieblicher Wirtschaftssektor ist. Mit nur 50 000 Unternehmen und 1¾ Millionen Beschäftigten ist
die Größe dieses Sektors allerdings relativ gering. Unbeachtet der großbetrieblichen Struktur (die aus der hohen Kapitalintensität resultiert) überteffen KMU die
GU im allgemeinen in bezug auf Arbeitsproduktivität und Rentabilität. Dies könnte
auf KMU zurückzuführen sein, die in hochspezialisierten Märkten mit hohen
Gewinnspannen tätig sind.
Verarbeitendes Gewerbe (NACE D)
Das verarbeitende Gewerbe (das einen Anteil von etwa 25 % der Gesamtbeschäftigung in Europa-19 stellt) ist ebenfalls ein großbetrieblicher Wirtschaftssektor. Allerdings bestehen starke Unterschiede zwischen den Branchen innerhalb des verarbeitenden Gewerbes. Insbesondere eher traditionelle Industrien wie das Ernährungsgewerbe, die Tabakverarbeitung, das Textil- und Bekleidungsgewerbe, das Ledergewerbe und das Papiergewerbe (inkl. Verlage) weisen durchschnittliche Unternehmensgrößen unter dem Mittelwert des verarbeitenden Gewerbes auf. Die chemische Industrie und die Metallindustrie (inkl. Elektrotechnik), die beide sehr kapitalintensiv sind, können hingegen als großbetrieblich bezeichnet werden.
In den meisten Branchen sind KMU sowohl hinsichtlich Arbeitsproduktivität als
auch Rentabilität weniger leistungsstark als GU.
Baugewerbe (NACE F)
Das Baugewerbe zählt 2 775 000 Unternehmen und beschäftigt etwa 10 % der
Erwerbstätigen des privaten nicht-primären Unternehmenssektors. Mit im Durchschnitt
4 Beschäftigten je Unternehmen ist das Baugewerbe neben dem Einzelhandel jener
Wirtschaftssektor mit der geringsten Unternehmensgröße. In bezug auf Arbeitsproduktivität und Rentabilität besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen KMU und GU1.
1
Es sei angemerkt, daß der Rückstand der KMU in bezug auf die Arbeitsproduktivität und
- allerdings weniger deutlich - die Rentabilität auf Ebene der einzelnen Wirtschaftssektoren
tendenziell geringer ist. Dies macht auch verständlich, warum sich im Baugewerbe und im
Einzelhandel (aber auch in einigen anderen kleinstrukturierten Wirtschaftssektoren wie dem
Großhandel und dem Grundstücks- und Wohnungswesen) sowohl die Arbeitsproduktivität
als auch Rentabilität zwischen KMU und GU nicht wesentlich unterscheidet.
51
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Tabelle 1.4 Größenklassenstruktur des privaten nicht-primären Unternehmenssektors, nach Wirtschaftssektoren, Europa-19, 1998
Unternehmen Beschäftige
(in 1 000)
je Unternehmen
Alle Unternehmen
19 850
6
GU
76
-11
50
36
GU
123
11
5
52
GU
181
5
5
60
GU
236
-24
5
42
GU
142
12
20
0
20
12
43
11
KMU
GU
KMU
93
65
92
4
-21
5
20
10
10
57
71
38
GU
GU
GU
167
181
129
16
16
8
2 210
14
GU
86
-5
• Ernährungsgewerbe u.
Tabakverarbeitung
— Ernährungsgewerbe
— Tabakverarbeitung
310
12
GU
82
-2
310
0
12
188
GU
GU
81
413
-3
17
• Textil- und Bekleidungsgewerbe
— Textilgewerbe
— Bekleidungsgewerbe
255
100
155
10
13
8
GU
KMU
KMU
97
99
96
-7
0
-14
Bergbau (inkl. Energieversorgung)
• Gewinnung energieerzeug.
Materialien
— Kohlenbergbau und
Torfgewinnung
— Gewinnung von
Erdöl und Erdgas
• Erzbergbau, Gewinnung von
Steinen und Erden,
sonstiger Bergbau
— Erzbergbau
— Gewinnung von Steinen
und Erden, sonstiger Bergbau
• Energie- und Wasserversorgung
— Energieversorgung
— Wasserversorgung
Verarbeitendes Gewerbe
• Ledergewerbe
• Holzgewerbe
• Papier-, Verlagsund Druckgewerbe
— Papiergewerbe
— Verlags- und Druckgewerbe,
Vervielfältigung von
bespielten Ton-,
Bild- und Datenträgern
• Kokerei, Mineralölverarbeitung,
Herstellung u. Verarbeitung
von Spalt- und Brutstoffen
• Chemische Industrie
• Herstellung von Gummiund Kunststoffwaren
• Glasgewerbe, Keramik,Verarbeitung von Steinen und Erden
• Metallerzeugung und
-bearbeitung, Herstellung von
Metallerzeugnissen
— Metallerzeugung
und -bearbeitung
— Herstellung von
Metallerzeugnissen
52
Dominierende Relative ArbeitsRelative
Größenproduktivität Rentabilität
klasse*
der KMU**
der KMU***
50
11
KMU
95
-1
165
6
KMU
98
-2
235
20
11
34
KMU
GU
88
80
-6
-7
210
8
KMU
92
-3
0
71
GU
116
2
35
60
50
22
GU
KMU
104
101
0
2
100
14
KMU
94
2
360
12
KMU
93
-1
20
340
54
9
GU
KMU
98
96
5
0
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Unternehmen Beschäftige Dominierende Relative Arbeits- Relative
(in 1 000)
je UnterGrößenproduktivität Rentabilität
nehmen
klasse*
der KMU** der KMU***
• Maschinenbau
160
19
GU
96
-4
• Herstellung von Büromaschinen, 185
Datenverarbeitungsgeräten und
-einrichtungen; Elektrotechnik,
Feinmechanik und Optik
— Herstellung von Büromaschinen,10
Datenverarbeitungsgeräten und
-einrichtungen
— Herstellung von Geräten der
60
Elektrizitätserzeugung,
-verteilung u. ä.
— Rundfunk-, Fernseh- und
30
Nachrichtentechnik
— Medizin-, Mess-, Steuer85
und Regelungstechnik, Optik
19
GU
91
-4
20
GU
65
-10
24
GU
91
-9
30
GU
99
4
11
KMU
101
1
45
25
57
81
GU
GU
88
92
2
1
25
34
GU
89
13
8
8
KMU
KMU
108
107
-2
-3
6
KMU
100
-1
2 775
4
Kleinst
98
-2
1 490
5
SME
99
-1
Einzelhandel
(inkl. Fahrzeuge und Reparatur)
4 070
4
Kleinst
97
0
• Kraftfahrzeughandel;
Instandhaltung u. Reparatur
von Kraftfahrzeugen;
Tankstellen
755
4
Kleinst
96
-3
3 315
4
Kleinst
96
2
1 090
8
GU
76
-8
875
5
Kleinst
84
0
• Schiffahrt
15
11
GU
114
5
• Luftfahrt
5
111
GU
119
9
155
11
KMU
92
-5
45
54
GU
78
-5
• Fahrzeugbau
— Herstellung von Kraftwagen
und Kraftwagenteilen
— Sonstiger Fahrzeugbau
• Herstellung von Möbeln,
Schmuck, Musikinstrumenten,
Sportgeräten, Spielwaren und
sonstigen Erzeugnissen; Recycling 240
— Herstellung von Möbeln,
230
Schmuck, Musikinstrumenten,
Sportgeräten, Spielwaren u.
sonstigen Erzeugnissen
— Recycling
10
Baugewerbe
Handelsvermittlung
und Großhandel
• Einzelhandel; Reparatur
von Gebrauchsgütern
Verkehr und
Nachrichtenübermittlung
• Landverkehr; Transport
in Rohrleitungen
• Hilfs- und Nebentätigkeiten
für den Verkehr;
Verkehrsvermittlung
• Nachrichtenübermittlung
53
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Unternehmen Beschäftige
(in 1 000)
je Unternehmen
Unternehmensbezogene
Dienstleistungen
Dominierende Relative ArbeitsRelative
Größenproduktivität Rentabilität
klasse*
der KMU**
der KMU***
4 125
5
GU
70
-12
395
65
15
315
14
54
72
3
GU
GU
GU
Kleinst
119
178
344
40
-6
-10
12
11
730
4
Kleinst
105
-1
875
125
2
4
Kleinst
Kleinst
101
109
-4
3
275
5
KMU
90
-5
45
12
GU
140
2
415
5
Kleinst
101
0
• Kredit- und
Versicherungsgewerbe
— Kreditgewerbe
— Versicherungsgewerbe
— Mit dem Kredit- und
Versicherungsgewerbe
verbundene Tätigkeiten
• Grundstücks- und
3
Wohnungswesen, Vermietung
Erbringung von Dienstleistungen
überwiegend für Unternehmen
— Grundstücks- und
Wohnungswesen
— Vermietung beweglicher
Sachen ohne Bedienungspersonal
— Datenverarbeitung
und Datenbanken
— Forschung und
Entwicklung
— Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für
Unternehmen
2
Konsumentenbezogene
Dienstleistungen
4 040
5
Kleinst
89
0
• Gastgewerbe
1 460
5
Kleinst
96
-2
• Gesundheits-, Veterinärund Sozialwesen
1 310
6
Kleinst
86
12
• Erbringung von sonstigen
1 265
öffentlichen und persönlichen
Dienstleistungen
— Abwasser- und
20
Abfallbeseitigung und
sonstige Entsorgung
— Interessenvertretungen
69
sowie kirchliche u. sonstige
religiöse Vereinigungen
— Kultur, Sport und
490
Unterhaltung
— Erbringung von
sonstigen Dienstleistungen
690
4
Kleinst
83
-9
14
KMU
111
0
3
Kleinst
82
-21
4
Kleinst
73
-11
3
Kleinst
103
-1
*
Jene Größenklasse, die unter den folgenden Klassen den höchsten Anteil an der Gesamtbeschäftigung
aufweist: Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (zusammen), große Unternehmen.
** Arbeitsproduktivität (Wertschöpfung je Beschäftigtem) der KMU in Prozent des Branchendurchschnitts.
*** Abweichung der Rentabilität (Differenz zwischen Wertschöpfung und der um den Unternehmerlohn
korrigierten Arbeitskosten, in Prozent der Wertschöpfung) der KMU vom Branchendurchschnitt.
Quelle:
54
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Einzelhandel (NACE 50, 52)
Im Bereich des Einzelhandels sind über 4 Millionen Unternehmen tätig. Innerhalb
dieses Wirtschaftssektors wird unterschieden zwischen dem Handel und der
Reparatur von Kraftfahrzeugen einerseits und dem Einzelhandel und der Reparatur
von Gebrauchsgütern andererseits. Diese Branchen sind auf durchaus
verschiedenen Märkten tätig. Dennoch sind beide Bereiche durch eine geringe
Zahl an Beschäftigten je Unternehmen gekennzeichnet, und in bezug auf Arbeitsproduktivität und Rentabilität bestehen nur geringe Unterschiede zwischen KMU
und GU.
Verkehr und Nachrichtenübermittlung (NACE I)
Der Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung zählt über 1 Million Unternehmen, die insgesamt über 9 Millionen Menschen Beschäftigung bieten. Fast die
Hälfte derer hat ihren Arbeitsplatz im Landverkehr (einschließlich Transport in
Rohrleitungen), auf den zugleich aber 80 % der Unternehmen entfallen. Im Landverkehr dominieren Kleinstunternehmen. Die anderen Teilbereiche innerhalb des
Verkehrs und der Nachrichtenübermittlung sind eher großbetrieblich strukturiert.
Die durchschnittliche Unternehmensgröße variiert zwischen 11 in der Schiffahrt
und den Hilfs- und Nebentätigkeiten für den Verkehr und 111 in der Luftfahrt.
Tatsächlich weist die Luftfahrt die höchste durchschnittliche Unternehmensgröße
der in Tabelle 1.4 dargestellten Branchen auf. Auch die relative Leistungsfähigkeit
der KMU stellt sich im Verkehr und in der Nachrichtenübermittlung eher uneinheitlich dar. Im Landverkehr unterscheiden sich KMU und GU hinsichtlich der
Rentabilität zwar kaum, in bezug auf die Produktivität werden die KMU jedoch von
den GU übertroffen1. In der Schiff- und Luftfahrt haben KMU eine höhere Arbeitsproduktivität und eine höhere Rentabilität als GU, während in den Hilfs- und
Nebentätigkeiten für den Verkehr und in der Nachrichtenübermittlung die GU
bessere Leistungsindikatoren aufweisen als KMU.
Unternehmensbezogene Dienstleistungen (NACE J, K)
Innerhalb der unternehmensbezogenen Dienstleistungen wird das Kredit- und
Versicherungsgewerbe von anderen Wirtschaftsdienstleistungen unterschieden.
Diese beiden Sektoren zählen fast 400 000 bzw. 3¾ Millionen Unternehmen.
Während das Kredit- und Versicherungsgewerbe im allgemeinen großbetrieblich
strukturiert ist, sind die Unternehmen im Grundstücks- und Wohnungswesen, der
Vermietung beweglicher Sachen und der Erbringung sonstiger Dienstleistungen für
Unternehmen häufig klein.
Konsumentenbezogene Dienstleistungen (NACE H, N, O)
Dem Bereich der persönlichen Dienstleistungen können etwa 4 Millionen Unternehmen zugeordnet werden, in denen insgesamt 20 Millionen Beschäftigte tätig
sind. Der Wirtschaftssektor kann als von Kleinstunternehmen dominiert bezeichnet
werden. Lediglich in der (relativ kapitalintensiven) Branche der Abwasser- und
Abfallbeseitigung liegt die Unternehmensgröße deutlich über dem Durchschnitt
des privaten nicht-primären Unternehmenssektors. Die Arbeitsproduktivität der
KMU ist tendenziell geringer als jene der GU. Auch in bezug auf die Rentabilität
weisen die GU bessere Indikatoren auf als die KMU.
1
Dieses (scheinbare) Paradoxon läßt sich darauf zurückführen, daß die Arbeitskosten je
Beschäftigtem in GU höher sind.
55
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Export1
Es wurde bereits erwähnt, daß der Exportanteil am Gesamtumsatz in KMU im
Durchschnitt geringer ist als in großen Unternehmen. Wie Abbildung 1.2 zeigt,
trifft dies auch innerhalb eines Großteils der einzelnen Wirtschaftssektoren zu. Nur
im Handel ist die Exportquote der KMU höher als jene der GU. Dies ist zu einem
bedeutenden Teil auf kleine Großhandelsunternehmen zurückzuführen, die auf
Import und Export spezialisiert sind.
Abbildung 1.2 Anteil der Exporte am Gesamtumsatz, nach Wirtschaftssektoren,
Europa-19, 1998
Bergbau (inkl. Energie)
Verarbeitendes Gewerbe
Baugewerbe
Großhandel
Einzelhandel
(inkl. Fahrzeuge u. Reparatur)
Verkehr und
Nachrichtenübermittlung
Unternehmensbezogene
Dienstleistungen
Kunsumentenbezogene
Dienstleistungen
Gesamt
0
5
10
15
20
KMU
Quelle:
1.2
25
GU
30
35
40
45
Gesamt
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
Aktuelle Entwicklung der KMU und GU
1.2.1 Makroökonomische Rahmenbedigungen
Abbildung 1.3 stellt die Entwicklung des BIP in Europa-19, den USA und Japan dar.
Das höchste Wachstum des realen BIP verzeichneten in der Periode von 19882000 die USA (2,6 %). Europa (2,1 %) und Japan (1,7 %) wiesen gegenüber den
USA einen Wachstumsrückstand auf.
Zwischen 1991 und 1993 verlangsamte sich das Wachstum sowohl in den USA als
auch in Europa-19 (in den USA war das reale BIP im Jahr 1991 sogar rückläufig).
Ab 1993 erholten sich die europäische und die amerikanische Volkswirtschaft von
der Rezession und verzeichneten wieder hohe Wachstumsraten. Dies trifft insbesondere auf die USA ab dem Jahr 1996 zu. In Japan hingegen verlangsamte sich
das Wachstum ab 1991, und abgesehen von einem kurzfristigen Anstieg im Jahr
1996 setzte bis heute keine durchgreifende Erholung ein.
1 Einschließlich innereuropäischem Handel.
56
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Abbildung 1.3 Reales BIP, Europa-19, USA und Japan, 1988/2000 (Index, 1988= 100)
140
130
120
110
100
90
1988
1989
1990
1991
1992
1993
Europa-19
Quelle:
1994
1995
1996
1997
USA
1998
1999
2000
Japan
Europäische Wirtschaft, Beiheft A, Nr. 5, Mai 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
Tabelle 1.5 zeigt die Zusammensetzung des europäischen BIP-Wachstums. Besonders bemerkenswert ist, daß die Differenz zwischen dem Wachstum des internationalen Handels (Importe und Exporte; einschließlich inner-europäischer Handel)
und dem Wachstum des BIP nach 1993 deutlich höher ist als in den Perioden
1988/1990 und 1990/1993. Dies mag durchaus auf das Binnenmarktprogramm
zurückzuführen sein. Die Investitionsnachfrage zog nach der Rezessionsperiode
1990-1993 stark an und übertraf in der Periode 1993-2000 das Wachstum der
Konsumnachfrage. Der starke Anstieg der Investitionen stellte für die KMU in
Europa eine günstige Entwicklung dar, obwohl das Exportwachstum - das eher für
große Unternehmen bedeutend ist - noch höher ausfiel.
Tabelle 1.5 Komponenten der Endnachfrage, Importe und reales BIP, Europa-19,
1988/2000
1988/1990
1990/1993
1993/2000
1988/2000
Durchschnittliche jährliche Veränderung in %
Investitionsnachfrage
Privater Konsum
Öffentlicher Konsum
Exporte
Importe
BIP
Quelle:
5.6
3.2
1.8
7.2
7.8
3.3
-2.5
1.3
1.8
3.4
1.6
0.7
3.3
2.2
1.1
6.6
6.5
2.4
2.2
2.1
1.4
5.9
5.5
2.1
Europäische Wirtschaft, Beiheft A, Nr. 5, Mai 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni
1999.
57
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Abbildung 1.4 zeigt, daß die öffentlichen Defizite in Europa derzeit gegen Null
gehen, und auch die Staatsverschuldung (in Prozent des BIP) ist seit 1997 rückläufig. Diese Entwicklung ist u. a. das Ergebnis der im Vertrag von Maastricht
vereinbarten Maßnahmen. Zugleich führten diese Maßnahmen freilich auch zu
einem sehr geringen Wachstum des öffentlichen Konsums.
abbildung 1.4
Öffentliches Defizit und öffentliche Verschuldung, EU, 1988/2000
(in % des BIP)
80
70
60
50
40
30
20
10
0
-10
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
Defizit
Quelle:
1998
1999
2000
Verschuldung
Europäische Wirtschaft, Beiheft A, Nr. 5, Mai 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni
1999.
Abbildung 1.5 Inflation (VPI), Europa-19, USA und Japan, 1989/2000 (in %)
6
5
4
3
2
1
0
-1
1989
1990
1991
Europa-19
Quelle:
58
1992
1993
1994
1995
USA
1996
1997
1998
1999
2000
Japan
Europäische Wirtschaft, Beiheft A, Nr. 5, Mai 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni
1999.
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Wie aus Abbildung 1.5 ersichtlich, war die Inflation in Europa zwischen 1991 und
1998 rückläufig und wird sich in der näheren Zukunft voraussichtlich bei 2 %
stabilisieren. In den USA erreichte die Inflation das Niveau von 2 % zwar früher als
in Europa, nach 1998 beschleunigte sich die amerikanische Preissteigerung allerdings wieder. Für Europa-19 und die USA kann die Stabilisierung bzw. ein Anstieg
der Inflationsrate auf das hohe Wirtschaftswachstum zurückgeführt werden. In
Japan schwankt die Entwicklung der Preisveränderungen stärker. In den frühen
90er Jahren fiel die Inflationsrate in Japan im Gleichschritt mit Europa und den
USA, war allerdings schon von Beginn an auf einem relativ niedrigen Niveau. Im
Jahr 1995 waren die Preise sogar rückläufig, und auch gegenwärtig ist mit einer
Deflation zu rechnen.
1.2.2
Das Größenklassenmuster der makroökonomischen
Entwicklung in Europa-19, den USA und Japan
Umsatz
In Tabelle 1.6 ist die Entwicklung des Umsatzes im europäischen privaten nichtprimären Unternehmenssektor zwischen 1988 und 2000 dargestellt. Im Durchschnitt betrug das reale Umsatzwachstum 2,2 % jährlich. Es wird ersichtlich, daß
ein positiver Zusammenhang zwischen Umsatzwachstum und Unternehmensgröße besteht. Während die GU ein jährliches Umsatzwachstum von 2,3 %
verzeichneten, waren es bei KMU nur 2,1 %. Bei Betrachtung der einzelnen Nachfragekategorien zeigt sich allerdings ein differenzierteres Bild. In bezug auf die
Inlandsnachfrage verzeichneten die KMU eine bessere Entwicklung als die GU,
während sie im Bereich des Exportumsatzes die gleiche Wachstumsrate wie die GU
aufweisen1. Die bessere Umsatzentwicklung der GU ist somit in erster Linie darauf
zurückzuführen, daß die am schnellsten wachsende Nachfragekategorie - die
Exporte - einen relativ großen Anteil an ihrem Gesamtumsatz hat.
Tabelle 1.6 Umsatzwachstum im privaten nicht-primären Unternehmenssektor, nach
Nachfragekategorien, Europa-19, 1988-2000
KMU
Kleinst
Kleine
Mittlere
Gesamt
Große
Gesamt
Durchschnittliche jährliche Veränderung in %
Inlandsnachfrage
- Konsumgüter
- Investitionsgüter
- Intermediäre Güter
- Gesamt
1.3
1.8
2.2
1.8
1.0
1.3
2.2
1.7
0.6
0.9
2.2
1.5
1.0
1.3
2.2
1.7
0.5
0.6
2.2
1.5
0.8
1.1
2.2
1.6
Export
4.9
5.2
5.4
5.3
5.3
5.3
Gesamt
2.0
2.1
2.1
2.1
2.3
2.2
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
1
Nur Kleinstunternehmen weisen im Bereich des Exports einen deutlichen Wachstumsrückstand auf.
59
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Das Größenklassenmuster des realen Umsatzwachstums unterscheidet sich nur
geringfügig zwischen der EU und den Nicht-EU-Ländern.
Wertschöpfung und Beschäftigung
Bei einem Vergleich der Tabellen 1.6 und 1.7 zeigt sich eine hohe Ähnlichkeit
zwischen den Größenklassenmustern des realen Umsatzwachstums und des realen
Wachstums der Wertschöpfung: Auch das Wachstum der realen Wertschöpfung
steht in positiver Beziehung zur Unternehmensgröße. Das Größenklassenmuster
des realen Umsatzwachstums und das Wachstums der Wertschöpfung veränderte
sich im Lauf der Zeit. In der Periode 1988-1990 verzeichneten die KMU - vor allem
Kleinst- und kleine Unternehmen - ein höheres Wachstum der Wertschöpfung als
GU. Während der 90er Jahre war die Situation genau umgekehrt. Zumindest bis zu
einem gewissen Grad ist dies das Ergebnis der zunehmenden Internationalisierung
der Wirtschaft, im Zuge derer sich die Exporte kontinuierlich zu der am schnellsten
wachsenden Nachfragekategorie entwickelten. Wie oben gezeigt, begünstigt dies
vor allem große Unternehmen.1
Tabelle 1.7 Entwicklung der realen Wertschöpfung und der Beschäftigung, Europa-19
1988/1990
1990/1993
1993/2000
1988/2000
Durchschnittliche jährliche Veränderung in %
Reale Wertschöpfung
KMU
- Kleinst
- Kleine
- Mittlere
- Gesamt
2.9
2.9
2.4
2.7
0.4
0.7
0.9
0.7
2.3
2.5
2.7
2.5
1.9
2.1
2.2
2.1
GU
2.2
0.9
3.0
2.4
Alle Unternehmen
2.4
0.8
2.7
2.2
KMU
- Kleinst
- Kleine
- Mittlere
- Gesamt
0.6
0.6
0.4
0.6
-0.8
-1.4
-2.0
-1.2
0.4
0.3
0.3
0.4
0.1
-0.1
-0.3
0.0
GU
Alle Unternehmen
0.2
0.4
-2.0
-1.5
0.2
0.3
-0.4
-0.1
Beschäftigung
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
1
Es wurde bereits in früheren Jahresberichten des Europäischen Beobachtungsnetzes für
KMU darauf hingewiesen, daß auch KMU, in Form von Zulieferungen und Fremdleistungen
für GU, von den Exporten der GU profitieren. D. h., obwohl die Bedeutung der Exporte für
das Wachstum der Gesamtumsätze bei KMU tatsächlich geringer ist als bei GU, profitieren
KMU von Exporten doch in einem größeren Ausmaß als bei ausschließlicher Betrachtung
des Anteils der Exporte am Gesamtumsatz zum Ausdruck kommt.
60
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Tabelle 1.7 zeigt auch, daß ein negativer Zusammenhang zwischen dem Beschäftigungswachstum und der Unternehmensgröße besteht. In der Periode 1988-2000
sank die Beschäftigung in Europa-19 um im Durchschnitt 0,1 % pro Jahr. Einem
geringen Beschäftigungszuwachs in den Kleinstunternehmen stehen Arbeitsplatzverluste in den anderen Größenklassen gegenüber. Die negative Beziehung
zwischen Unternehmensgröße und Entwicklung der Beschäftigung läßt sich durchgängig in allen Teilperioden feststellen, ist also unabhängig vom Konjunkturzyklus.
Arbeitsproduktivität, Arbeitskosten und Rentabilität
Tabelle 1.8 bietet einen Überblick über die Entwicklung der Arbeitsproduktivität,
der Lohnstückkosten und der Rentabilität. Es wird ersichtlich, daß das Produktivitätswachstum der KMU mit knapp über 2 % jährlich im Zeitablauf sehr stabil war.
In GU hingegen fiel der Anstieg der Arbeitsproduktivität in den 90er Jahren
wesentlich stärker aus als zwischen 1988 und 19901.
Die Arbeitskosten je Beschäftigtem stiegen in KMU und GU in gleichem Ausmaß
(um etwa 4,5 % pro Jahr), aufgrund des höheren Wachstums der Arbeitsproduktivität stiegen jedoch die Lohnstückkosten in GU langsamer als in KMU. Allerdings
entwickelte sich die Rentabilität - unabhängig von der Konjunkturphase - in KMU
Tabelle 1.8 Arbeitsproduktivität, Lohnstückkosten und Rentabilität im privaten nichtprimären Unternehmenssektor, Europa-19
1988/1990
1990/1993
1993/2000
1988/2000
Durchschnittliche jährliche Veränderung in %
Arbeitsproduktivität*
- KMU
- GU
- Gesamt
2.1
2.0
2.0
1.9
3.0
2.3
2.1
2.8
2.4
2.1
2.7
2.4
4.3
4.6
4.5
3.8
2.7
3.4
1.0
0.5
0.8
2.3
1.7
2.0
Lohnstückkosten**
- KMU
- GU
- Gesamt
Durchschnittliche jährliche Veränderung in %-Punkten
Rentabilität***
- KMU
- GU
- Gesamt
0.2
0.2
0.2
0.3
0.3
0.3
0.4
0.4
0.4
0.4
0.4
0.4
* Reale Wertschöpfung je Beschäftigtem.
** Arbeitskosten je Beschäftigtem, korrigiert um die Arbeitsproduktivität.
*** Differenz zwischen Wertschöpfung und der um den Unternehmerlohn korrigierten Arbeitskosten, in
Prozent der Wertschöpfung.
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
1
Bedauerlicherweise sind für den Zeitraum vor 1988 keine Daten verfügbar. Es kann
deshalb nicht geprüft werden, ob das geringe Produktivitätswachstum der GU zwischen
1988 und 1990 nur ein vorübergehendes Phänomen darstellte, oder um das Jahr 1990
diesbezüglich ein Strukturbruch stattfand.
61
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
und GU gleichmäßig. Dies impliziert, daß KMU die höheren Lohnstückkosten in
Form von Preissteigerungen weitergeben konnten1. Daraus kann die Schlußfolgerung gezogen werden, daß das geringere Produktivitätswachstum in KMU deren
Wettbewerbsfähigkeit gegenüber GU geschwächt hat. Dieses Ergebnis bedeutet
auch, daß die, in Abschnitt 1.1.1 festgestellte, vergleichsweise geringe Rentabilität
der KMU bereits seit vielen Jahren gegeben ist und somit ein strukturelles
Phänomen zu sein scheint.
Zur Frage der Schaffung von Arbeitsplätzen
Abbildung 1.6 veranschaulicht im Detail das Größenklassenmuster des Beschäftigungswachstums in Europa-19. Zwei Aspekte fallen auf: Die Entwicklung der
Beschäftigung war nicht nur in Kleinstunternehmen am günstigsten, darüberhinaus fand auch der Wiederanstieg der Beschäftigung in Kleinstunternehmen
seinen Anfang (ab 1995), während die Beschäftigung in kleinen, mittleren und
großen Unternehmen im wesentlichen erst ab 1997 zunahm.
Es wird immer wieder darauf hingewiesen, daß das Beschäftigungswachstum
kleiner Unternehmen (auch) auf schrumpfende große Unternehmen zurückzuführen ist, die dadurch schließlich nicht mehr den GU sondern beispielsweise den
Abbildung 1.6 Entwicklung der Beschäftigung, Europa-19, 1988-2000
110
105
100
95
90
1988
1989
1990
Micro
Quelle:
1991
1992
Small
1993
1994
1995
1996
Medium-sized
1997
1998
1999
2000
Large
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
1
Tatsächlich stiegen die Verkaufspreise der KMU in der Periode 1988-2000 um 3 % pro
Jahr, während die Preisveränderungen der GU lediglich 2,7 % pro Jahr betrugen. Zu einem
Teil ist dies darauf zurückzuführen, daß Exportpreise weniger stark anstiegen als Preise bei
Inlandsverkäufen (eine Auswirkung des schärferen Wettbewerbes auf internationalen
Märkten), aber auch wenn der Inlandsabsatz und die Exporte jeweils für sich betrachtet
werden, fielen die Preissteigerungen der KMU höher aus als jene der GU.
62
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
mittleren Unternehmen zugerechnet werden1. Tabelle 1.9 enthält Schätzungen zu
der Frage, welchen Einfluß Unternehmen, die zwischen Größenklassen wechseln,
auf das Größenklassenmuster des Beschäftigungswachstums haben. Es zeigt sich,
daß Unternehmen, die zwischen Größenklassen wechseln, das Wachstumsdifferential zwischen KMU und GU nicht wesentlich beeinflussen. Nur während der Rezession 1993 hat das Beschäftigungswachstum von Kleinstunternehmen von
schrumpfenden kleinen Unternehmen ‘profitiert’. Im Gegensatz dazu wurde in den
Perioden 1988-1990 und 1993-2000 per Saldo jeweils eine erhebliche Anzahl von
Kleinstunternehmen zu kleinen Unternehmen, wodurch das Beschäftigungswachstum der Kleinstunternehmen negativ und jenes der kleinen Unternehmen
positiv beeinflußt wurde.
Tabelle 1.9 Der Einfluß von zwischen den Größenklassen wechselnden Unternehmen
auf das Beschäftigungswachstum nach Größenklassen, Europa-19,
1988/2000
1988/1990
1990/1993
1993/2000
1988/2000
In 1 000 p.a.
KMU:
- Kleinst
- Kleine
- Mittlere
- Gesamt
GU
-115
40
75
0
0
760
-780
20
0
0
-235
145
90
0
0
35
-105
70
0
0
Durchschnittliche jährliche Veränderung in %
Beschäftigungswachstum im
privaten nicht-primären
Unternehmenssektor
Quelle:
0,4
-1,5
0,3
-0,1
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
Vergleich mit den USA
Tabelle 1.10 illustriert einige bemerkenswerte Unterschiede in der Entwicklung der
Beschäftigung zwischen Europa-19 und den USA. Zunächst ist festzustellen, daß
die Entwicklung der Beschäftigung in den USA deutlich günstiger verlief.2 Desweiteren war das Größenklassenmuster der Beschäftigungsentwicklung in den USA
weniger eindeutig. In Europa-19 war ein durchgängig negativer Zusammenhang
zwischen der Unternehmensgröße und dem Beschäftigungswachstum festzustellen. In den USA hingegen bestand für die Periode 1990/1993 keine klare Beziehung zwischen Unternehmensgröße und Wachstum, und in der Periode
1993/1996, der Phase des starken Beschäftigungsanstiegs, war das Wachstum in
GU mit Abstand am höchsten.
1
Dieses Thema wurde auch im Dritten, Vierten und Fünften Jahresbericht des europäischen Beobachtungsnetzes für KMU behandelt.
2
Für eine Analyse des unterschiedlichen Beschäftigungswachstums in Europa und den
USA siehe den Fünften Jahresbericht des europäischen Beobachtungsnetzes für KMU.
63
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Tabelle 1.10
Beschäftigungswachstum nach Größenklassen, Europa-19, 1990-1996
1990/1993
Europa-19
1993/1996
USA
Europa-19
USA
Durchschnittliche jährliche Veränderung in %
KMU
-
Kleinst
Kleine
Mittlere
Gesamt
-0.8
-1.4
-2.0
-1.2
0.6
-0.4
-0.1
0.0
0.0
-0.1
-0.2
0.0
1.3
1.9
2.2
1.8
GU
-2.0
0.9
-0.2
3.1
Gesamt
-1.5
0.5
-0.1
2.5
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999; Small Business
Administration (Bureau of Advocacy).
Zahl der Unternehmen
Abbildung 1.7 stellt die Entwicklung der Unternehmenszahl ab 1988 dar. Am
Beginn der Beobachtungsperiode blieb das Wachstum der Zahl der Kleinstunternehmen gegenüber jenem der Unternehmenszahl insgesamt zurück. Dies stimmt
mit dem oben beschriebenen Phänomen überein, nach dem wachsende Kleinstunternehmen zu kleinen Unternehmen werden. Während der Rezession 19901993 war die Situation umgekehrt: Die Zahl der Kleinstunternehmen nahm zu, die
Zahl der größeren Unternehmen verringerte sich. Ab 1993 war in allen Größenklassen ein Wachstum zu verzeichnen, am stärksten jedoch bei den Kleinstunternehmen. Die Perioden 1988-1990 und 1993-2000 sind durch hohes Wirtschaftswachstum gekennzeichnet, und aus Sicht der Größenklasse der Kleinstunternehmen war in beiden Perioden die Zahl der ‘hinauswachsenden’ Unternehmen
Abbildung 1.7 Entwicklung der Zahl der Unternehmen, Europa-19, 1988-2000
120
Index: 1988=100
115
110
105
100
95
90
1988
1989
1990
Kleinst
Quelle:
64
1991
1992
1993
Kleine
1994
1995
1996
Mittlere
1997
1998
1999
2000
Große
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von
Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
höher als jene der „hineinschrumpfenden”. Somit kann die Tatsache, daß die Zahl
der Kleinstunternehmen von 1993-2000 so stark zugenommen hat, vermutlich auf
einen gestiegenen Saldo aus Unternehmenszu- und -abgängen zurückgeführt
werden.
Unternehmensdemographie: Zugänge und Abgänge
Wie oben gezeigt, hat die Zahl der Unternehmen während der 90er Jahre stark
zugenommen. Dieses Wachstum ist das Ergebnis mehrerer Faktoren:
• Neue Unternehmen treten in den Markt ein, andere beenden ihre Tätigkeit.
• Unternehmen können sich zusammenschließen oder auch in kleinere, unabhängige Einheiten teilen.
Natürlich haben während der letzten 10 Jahre beide Ereignisse stattgefunden. In
diesem Abschnitt wird der Prozeß der Zu- und Abgänge von Unternehmen näher
betrachtet1, 2.
Tabelle 1.11 faßt die über echte Zu- und Abgänge in Europa-19 verfügbaren
Daten für das Jahr 1995 zusammen. Im Jahr 1995 wurden fast 2 Millionen neue
Unternehmen gegründet. Andererseits beendeten über 1½ Millionen Unternehmen ihre Tätigkeit. Aufgrund des Saldos aus Zu- und Abgängen stieg die Zahl
der Unternehmen also um mehr als _ Million oder um 1 %. Es zeigt sich, daß das
Gesamtwachstum der Unternehmenszahl im Jahr 1995 in erster Linie durch Zuund Abgänge von Unternehmen bestimmt ist, während andere Ursachen für eine
Veränderung der Unternehmenszahl (z. B. Fusionen und Übernahmen) nur eine
geringe Rolle spielen. Hervorzuheben ist auch, daß die Nettoveränderung der
Unternehmenszahl das Ergebnis einer erheblichen Fluktuation ist: Die Zu- und
Abgänge betragen jeweils etwa 10 % des Gesamtbestandes an Unternehmen.
Zu- und Abgänge von Unternehmen bewirken eine Veränderung der Beschäftigung. Es stellt sich heraus, daß, trotz der gegenüber den Schließungen höheren
Zahl an Gründungen, sowohl mit den Zu- als auch den Abgängen eine Bruttoveränderung der Beschäftigung von jeweils über 2½ Millionen verbunden ist. Dies
steht in Übereinstimmung mit der Tatsache, daß die durchschnittliche Zahl an
Beschäftigten in neu gegründeten Unternehmen etwas geringer ist als in Unternehmen, die aufgelöst werden. Der direkte Effekt von Gründungen und
Schließungen auf die Beschäftigung ist somit sehr gering.
Eine erste vergleichende Analyse der Gründungen und Schließungen von Unternehmen in Europa-19, den USA und Japan ist in Tabelle 1.12 dargestellt. Es
bestehen allerdings erhebliche konzeptionelle und methodische Unterschiede
zwischen den Statistiken für Europa-19, die USA und Japan (Unterschiede, die zu
höheren Werten für Europa-19 führen). Daher ist bei der Interpretation dieser
Daten Vorsicht angebracht. Europa-19 scheint aber jedenfalls keine schwächere
Unternehmensfluktuation aufzuweisen als die beiden anderen Wirtschaftsräume.
Die Differenzen zwischen den gemessenen Zugangs- und Abgangsraten sind zu
hoch, als daß sie ausschließlich statistischen Unterschieden zugeschrieben werden
1
Wir verwenden eine eher enge Definition von Zugängen und Abgängen, die beispielsweise das Auftreten neuer oder den Abgang bestehender Unternehmen aufgrund von
Zusammenschlüssen oder Teilungen ausschließt. Die so definierten Ereignisse werden als
„echte” Zu- bzw. Abgänge bezeichnet. Darüberhinaus sind nunmehr Daten zu der mit Zuund Abgängen verbundenen Zahl an Arbeitsplätzen verfügbar. Die Verfügbarkeit dieser
Information bei Eurostat stellt einen wesentlichen Fortschritt dar.
2
Bereits im Vierten Jahresbericht wurde das Thema der Unternehmensgründungen und
-schließungen behandelt. Aufgrund der Verfügbarkeit neuer Daten von Eurostat können
nun genauere und detailliertere Informationen bereitgestellt werden.
65
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Tabelle 1.11 Schätzung der echten Zu- und Abgänge an Unternehmen, Europa-19,
1995
Variable
Einheit
Zahl der Unternehmen
Zahl der Unternehmen
Beschäftigungswirkung
Beschäftigungswirkung
Beschäftigte je Unternehmen
in
In
in
In
*
Zugänge
1 000
1 960
Prozent des Bestandes 11
1 000
2 650
Prozent des Bestandes 2
1
Abgänge
Saldo aus
Zugängen und
Abgängen*
1 690
9
2 650
2
2
270
1
0
0
0
Aufgrund von Rundungen lassen sich die Werte dieser Spalte nicht unmittelbar aus den Werten für die
Zu- und Abgänge ermitteln.
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von
Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht.
könnten. Andererseits weisen die verfügbaren Informationen darauf hin, daß die
Unternehmensfluktuation in den USA eine stärkere Beschäftigungswirkung hat als
in Europa. Diesen Schluß legt die in den USA deutlich höhere durchschnittliche
Größe der als Gründung erfaßten Unternehmen nahe. Dies und auch der
Ausschluß verschiedener Kategorien von Unternehmen bei der Ermittlung der
Gründungsrate in den USA läßt einen stärkeren Beschäftigungseffekt der Gründungen in den USA vermuten.
Tabelle 1.12 Echte Zu- und Abgänge an Unternehmen, Europa-19, USA und Japan,
1995*
Europa-19
Zugang an Unternehmen (in Prozent des Bestandes)
Abgang an Unternehmen (in Prozent des Bestandes)
Nettozugang (in Prozent des Bestandes)
Gesamtwachstum der Unternehmenszahl (%)
Durchschnittsgröße von Neugründungen
*
11
9
1
2
1
USA
2
1
1
2
5
Japan
4
4
0
0
n/v
Die Daten für Europa-19 sind mit jenen für die USA und Japan nicht unmittelbar vergleichbar, da die
europäischen Statistiken Kategorien enthalten, die in den Statistiken der anderen Länder nicht berücksichtigt werden. Der bedeutendste Unterschied liegt in der Außerachtlassung der Zu- und Abgänge von
Unternehmen ohne Beschäftigte in den Statistiken für die USA und Japan.
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999; Small Business
Administration (Bureau of Advocacy); Japanese Small Business Research Institute.
1.2.3 Größenklassenmuster nach Ländern
Tabelle 1.13 stellt das Größenklassenmuster der Entwicklung der realen Wertschöpfung, der Beschäftigung und der Rentabilität auf Ebene der einzelnen Länder
innerhalb von Europa-19 dar. Insgesamt war das Wachstum der realen Wertschöpfung in GU am höchsten. Auch auf Länderebene scheint dies allgemein gültig zu
sein, nur in drei Ländern (Griechenland, Irland und Island) weisen KMU ein deutlich höheres Wachstum der realen Wertschöpfung auf als GU. Auch das auf der
Europa-19 Ebene festgestellte Größenklassenmuster des Beschäftigungswachstums
66
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Table 1.13 Reale Wertschöpfung, Beschäftigung und Rentabilität nach Ländern,
Europa-19, 1988-2000
Real Wertschöpfung
KMU
GU
Beschäftigung
KMU
GU
Durchschnittliche jährliche
Veränderung
in %
Belgien
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Schweden
Spanien
Ver. Königreich
EU
Island
Norwegen
Schweiz**
Nicht-EU
Gesamt
1,9
2,4
2,7
1,1
1,4
3,0
9,8
1,4
4,0
2,1
2,0
3,3
1,0
2,4
2,0
2,0
3,6
3,3
1,6
2,2
2,1
2,2
2,5
3,1
1,2
2,2
2,0
9,0
2,0
4,1
2,2
2,1
3,4
0,3
2,7
2,0
2,3
0,0
4,1
1,7
2,5
2,4
Rentabilität*
KMU
GU
Durchschnittliche jährliche
Veränderung
in %-Punkten
0,0
0,0
-0,2
-1,7
0,0
1,7
2,8
-0,6
2,2
1,0
0,2
0,2
-1,9
1,0
-0,3
0,0
0,9
1,8
0,3
0,8
0,0
-0,2
0,2
-0,7
-1,6
0,3
1,2
2,6
-0,6
0,8
0,6
0,2
0,4
-2,0
1,0
-1,0
-0,4
0,2
1,8
0,0
0,4
-0,4
0,2
0,3
0,5
-0,1
0,2
0,0
0,8
0,5
0,1
0,1
0,0
1,1
-0,8
0,5
0,1
0,3
2,7
-0,1
0,5
0,9
0,4
0,2
0,6
0,7
-0,3
0,2
-0,3
0,8
0,7
0,4
0,2
0,1
-0,2
-1,5
0,5
0,1
0,3
0,3
-0,4
2,0
1,4
0,4
*
Differenz zwischen Wertschöpfung und der um den Unternehmerlohn korrigierten Arbeitskosten, in
Prozent der Wertschöpfung.
** Einschließlich Liechtenstein.
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
(d. h. höheres Wachstum in KMU) spiegelt sich auf der Länderebene wider. In nur
zwei Ländern (Dänemark und Frankreich) verzeichneten GU ein höheres Beschäftigungswachstum als KMU. In bezug auf die Rentabilität verlief die Entwicklung in
KMU und GU auf der Europa-19 Ebene gleichmäßig. Auf der Länderebene zeigt
sich jedoch ein uneinheitliches Bild: In fünf Ländern (Dänemark, Deutschland,
Italien, Luxemburg und der Schweiz) weisen GU die günstigere Rentabilitätsentwicklung auf, in sechs Ländern (Finnland, Griechenland, Portugal, Schweden,
Island und Norwegen) entwickelte sich die Rentabilität in KMU vorteilhafter. In den
übrigen Ländern sind die Unterschiede zwischen KMU und GU nur unwesentlich.
1.2.4 Größenklassenmuster nach Wirtschaftssektoren
Wie aus Tabelle 1.14 ersichtlich, verzeichneten die GU in jenen Sektoren, die eine
hohe Exportneigung aufweisen (d. h. im verarbeitenden Gewerbe und im Verkehr
und der Nachrichtenübermittlung), eine im Vergleich zu KMU günstigere Entwicklung der realen Wertschöpfung. Dies steht in Einklang mit dem hohen Wachstum
der Exporte und der höheren Exportneigung von GU. Auch im Bereich der konsumentenbezogenen Dienstleistungen erzielten die GU ein stärkeres Wachstum der
realen Wertschöpfung - hier scheinen technologische Veränderungen eine Rolle zu
67
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Tabelle 1.14 Reale Wertschöpfung, Beschäftigung und Rentabilität nach Wirtschaftssektoren, Europa-19, 1988-2000
Reale Wertschöpfung
KMU
GU
Beschäftigung
KMU
GU
Durchschnittliche järliche
Veränderung
in %
Bergbau
Verarbeitendes
Gewerbe
Baugewerbe
Großhandel
Einzelhandel
(inkl. Fahrzeuge,
Reparatur)
Verkehr, Nachrichtenübermittlung
Unternehmensbezogene Dienstleistungen
Konsumentenbezogene Dienstleistungen
Gesamt
*
Rentabilität*
KMU
GU
Durchschnittliche jährliche
Veränderung
in %-Punkten
2,3
1,9
1,7
2,6
-0,1-
0,4
2,4
1,5
2,3
3,1
0,8
2,2
-1,1
0,2
0,5
-1,3
-0,4
0,2
0,6
0,8
0,3
0,8
0,6
0,4
1,5
0,9
-0,1
-1,4
0,4
0,7
2,6
2,9
1,1
0,3
0,1
0,7
2,1
2,1
1,0
1,2
0,0
0,0
1,6
2,1
1,8
2,4
-0,2
0,0
-0,8
-0,4
0,4
0,4
0,6
0,4
Differenz zwischen Wertschöpfung und der um den Unternehmerlohn korrigierten Arbeitskosten, in
Prozent der Wertschöpfung.
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht. Weitere Quellen: Europäische
Wirtschaft, Beiheft A, Juni 1999, und OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni 1999.
spielen. Im Bergbau, im Baugewerbe und im Einzelhandel verzeichneten die KMU
ein stärkeres Wachstum der realen Wertschöpfung.
Das auf der Makroebene festgestellte Größenklassenmuster des Beschäftigungswachstums - KMU wachsen hier schneller - existiert auch auf Ebene der einzelnen Wirtschaftssektoren, nur im Bergbau entwickelte sich die Beschäftigung in GU günstiger.
In bezug auf die Rentabilität variiert das Größenklassenmuster zwischen den Wirtschaftssektoren sehr stark.
1.3
Zukünftige Entwicklung der KMU und GU in
Europa-19: Szenario-Analyse 2000-2005
In diesem Abschnitt wird ein mögliches Größenklassenmuster der zukünftigen
wirtschaftlichen Entwicklung erarbeitet. Dies erfolgt unter Verwendung der Szenariomethode1; konkret wird untersucht, wie sich die Größenklassenstruktur der
1
Es muß betont werden, daß die Ergebnisse dieses Abschnitts nicht als Prognose der
tatsächlichen Entwicklungen interpretiert werden sollten. Das Szenario beabsichtigt vielmehr die Auswirkungen der aktuellen Trends in der europäischen Wirtschaft zu analysieren.
Das Szenario könnte als Ausgangsbasis für politische Maßnahmen zur Verbesserung der
Lage und Wettbewerbsfähigkeit der KMU dienen.
68
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
europäischen Wirtschaft entwickeln wird, wenn die aktuellen Trends des
makroökonomischen Wirtschaftsumfeldes anhalten. Das Szenario berücksichtigt als
Trends die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft und die u. a. unter
dem Einfluß des Binnenmarktes und der Einführung des Euro fortschreitende
Konvergenz der nationalen Volkswirtschaften. Den Auswirkungen der Internationalisierung wird dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Das Szenario wurde
mit Hilfe des „SME in Europe Accounting Scheme” entwickelt (siehe Anhang I
dieses Kapitels). Dieses Modell verwendet das in Abschnitt 1.3.1 dargestellte
makroökonomische Szenario als Input. Im folgenden beleuchtet Abschnitt 1.3.2
das Größenklassenmuster der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf der Ebene
von Europa-191.
1.3.1 Makrökonomische Rahmenbedingungen des Szenarios
Die makroökonomischen Rahmenbedingungen für das Szenario wurden unter
Heranziehung der folgenden Annahmen entwickelt:
• Für die relevanten Hauptindikatoren wird sich die Entwicklung der 90er Jahre
fortsetzen.
• Mit der fortschreitenden europäischen Integration wird auch der Trend zunehmender Konvergenz anhalten. Dies wurde in der Weise operationalisiert, daß
für jene Länder, die ein relativ geringes Wachstum der Endnachfrage aufweisen,
ein kontinuierlicher Anstieg in Richtung des europäischen Durchschnitts angenommen wird.
• Die Inflation ist während der 90er Jahre kontinuierlich gesunken. Dieser Trend
wird fortgeschrieben, in keinem Land wird jedoch eine jährliche Inflationsrate
(gemessen am Verbraucherpreisindex) von unter 1% zugelassen. Die gleiche
Vorgangsweise gilt für die Import- und Exportpreise sowie für die Löhne.
Diese Annahmen sind in Tabelle 1.15 zusammengefaßt, die auch einen direkten
Vergleich mit den tatsächlichen Werten der 90er Jahre ermöglicht.
Der private Konsum wächst mit einer Jahresrate von 2,3%, also etwas stärker als in
der jüngeren Vergangenheit. Der öffentliche Konsum steigt schneller als in der
Periode 1993/2000, da die Notwendigkeit einer Verringerung der Ausgaben nicht
mehr in dem Maß gegeben ist wie noch unmittelbar aufgrund des Vertrages von
Maastricht. Die Bauinvestitionen werden etwa mit der gleichen Rate wie der private
Konsum wachsen. Das Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen wird sich in der
Prognoseperiode im Vergleich zum Zeitraum 1993/2000 verlangsamen. Dies
deshalb, da sich die Investitionen zu Beginn der letztgenannten Periode aufgrund
der vorangegangenen Rezession auf sehr niedrigem Niveau befanden und die Rückstände eben im Zeitraum 1993/2000 aufgeholt wurden. Da die Impulse aus der Vollendung des Binnenmarktes bereits weitgehend realisiert sind, nehmen wir an, daß
das Wachstumsdifferential zwischen internationalem Handel - der zu einem großen
Teil inner-europäischer Handel ist - und BIP abnimmt. Im Endergebnis wird das BIP
mit etwa der gleichen Rate wachsen wie in der Periode 1993/2000.
In bezug auf den Arbeitsmarkt kann davon ausgegangen werden, daß sich das
Wachstum der Arbeitsproduktivität im Vergleich zu den 90er Jahren verlangsamen
wird. Dies ergibt sich aus dem steigenden Anteil der Dienstleistungen. Folglich
wird die Beschäftigung weiter zunehmen, und die Arbeitslosigkeit könnte wesentlich abnehmen.
1
Siehe auch: Bosma, N., Kwaak, T., SICLASS - Forecasting the European Enterprise Sector
by Industry and Size class (SICLASS - Prognose für den europäischen Unternehmenssektor
nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen), EIM, Research Report 9812/E.
69
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Unter den Bedingungen geringerer Arbeitslosigkeit steigen die Arbeitskosten je
Beschäftigtem in etwa dem gleichen Ausmaß wie im Zeitraum 1993/2000. Der
angenommene Anstieg der Importpreise beträgt 1,3 % jährlich. Dieser Wert liegt
über jenem der Vergleichsperiode, der allerdings von einem einmaligen Rückgang
der Importpreise im Jahr 1998 beeinflußt wurde. Auf diesem Hintergrund steigen
die Verbraucherpreise in der Szenarioperiode nur langsam.
Es wird deutlich, daß die meisten Variablen Werte annehmen, die sich von jenen
des Vergleichszeitraumes nur wenig unterscheiden - das Szenario kann somit
zumindest als plausibel erachtet werden. Die Hauptmerkmale stellen die fortgesetzte Internationalisierung und die niedrige Inflation dar.
Tabelle 1.15
Makroökonomische Rahmenbedingungen des Szenarios, Europa-19
1988/1993
1993/2000
2000/2005
Durchschnittliche jährliche Veränderung in %
Reales Wachstum
-
Privater Konsum
Öffentlicher Konsum
Bauinvestitionen
Sonstige Investitionen
Exporte
Importe
BIP
1,7
1,4
1,2
-0,1
5,3
3,8
1,5
2,2
1,1
2,2
5,1
6,6
6,5
2,4
2,3
1,6
2,2
3,2
5,9
5,8
2,4
1,8
-0,3
10,5
1,9
0,6
9,1
1,6
0,7
8,3
6,3
1,9
4,5
3,3
1,1
2,2
3,2
1,3
1,7
Arbeitsmarkt
- Arbeitsproduktivität
- Beschäftigung
- Arbeitslosenrate*
Deflatoren
- Arbeitskosten je Beschäftigtem
- Importpreise
- Verbraucherpreisindex
* In Prozent des Arbeitskräfteangebots am Ende der Periode.
Quelle:
EIM Small Business Research and Consultancy.
1.3.2
Das Größenklassenmuster der makroökonomischen
Entwicklung in Europa-19
Umsatz
Tabelle 1.16 faßt die Ergebnisse des Szenarios in bezug auf den Umsatz zusammen.
Hinsichtlich des Inlandsumsatzes zeigen die kleineren Unternehmen eine bessere
Entwicklung als die großen Unternehmen, die Unterschiede sind jedoch gering.
Keine signifikanten Unterschiede ergeben sich zwischen KMU (insgesamt) und
großen Unternehmen bezüglich der Exporte. Die Bruchlinie liegt hier zwischen den
kleinen und den mittleren Unternehmen: Mittlere und große Unternehmen übertreffen die kleinen und die Kleinstunternehmen. Daraus resultiert ein positiver
Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Umsatzwachstum: Die
Umsätze der Kleinstunternehmen wachsen im Szenario um 2,5 % pro Jahr, jene der
großen Unternehmen jedoch im Durchschnitt um über 3 %.
70
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Tabelle 1.16 Ergebnisse des Szenarios für das reale Umsatzwachstum, Europa-19,
2000/2005
KMU
Kleinst
kleine
Mittlere
Gesamt
Große Gesamt
Durchschnittliches jährliches Wachstum in %
Inlandsumsatz
Exporte
Gesamtumsatz
2,3
5,5
2,5
2,2
5,8
2,8
2,1
6,8
2,9
2,2
6,2
2,7
2,0
6,3
3,1
2,1
6,3
2,9
0,8
1,2
2,0
1,1
1,3
2,4
0,7
1,2
1,9
1,4
1,3
2,7
1,0
1,2
2,3
Einfluß der Exporte auf den Gesamtumsatz
- Direkt
- Indirekt
- Gesamt
0,4
1,1
1,5
Quelle: EIM Small Business Research and Consultancy.
Obwohl dem Inlandsabsatz ein Anteil von mehr als 85 % am Gesamtumsatz
zukommt, scheint die Entwicklung der Exporte für das Größenklassenmuster des
Umsatzwachstums ausschlaggebend zu sein. Im unteren Teil von Tabelle 1.16 ist
der Einfluß der Exporte auf das Umsatzwachstum dargestellt. Es ist ersichtlich, daß
der direkte Einfluß der Exporte auf das Umsatzwachstum in kleineren Unternehmen am geringsten ist. Teilweise ist dies darauf zurückzuführen, daß die
Exporte in kleinen und Kleinstunternehmen am schwächsten wachsen. Von
größerer Bedeutung ist allerdings, daß der Anteil der Exporte am Gesamtumsatz in
KMU erheblich geringer ist als in großen Unternehmen. Die Exporte wirken auf das
Umsatzwachstum aber auch indirekt. Exportierende (große) Unternehmen
vergeben nämlich Leistungen an andere (kleine) Unternehmen. Tabelle 1.16 zeigt,
daß diese indirekten Wirkungen für KMU sehr bedeutend sind. Obwohl also KMU
aufgrund ihrer Ausrichtung auf den Inlandsabsatz in einer von zunehmender Internationalisierung bestimmten Umwelt benachteiligt sind, ist dieser Nachteil zwar
der entscheidende Faktor für das zukünftige Größenklassenmuster des wirtschaftlichen Wachstums, aber doch kleiner als ein erster Blick auf den Exportanteil am
Umsatz und den Wachstumsunterschied zwischen Inlandsnachfrage und Exporten
vermuten lassen würde. Daraus folgt auch, daß die Sicherung eines dynamischen
und effizienten KMU-Sektors von großer Bedeutung ist, da zwar KMU selbst keine
umfangreiche Exporttätigkeit entfalten, jedoch die Wettbewerbsfähigkeit eines
Landes indirekt entscheidend beeinflussen.
Wertschöpfung, Arbeitsproduktivität und Beschäftigung
Aus Abbildung 1.8 wird ersichtlich, daß das Größenklassenmuster des Wachstums
der realen Wertschöpfung jenem für das Umsatzwachstum entspricht: Das
Wachstum der Wertschöpfung und die Unternehmensgröße stehen in positivem
Zusammenhang. Auch das Wachstum der Arbeitsproduktivität ist mit der Unternehmensgröße positiv korreliert. Bis zu einem gewissen Grad ist dies das Ergebnis
eines schnelleren technologischen Wandels in großen Unternehmen. Zudem sind
kleine Unternehmen stärker auf den Dienstleistungsbereich ausgerichtet, in dem
die Arbeitsproduktivität unterdurchschnittlich wächst. Dies führt zu einem nur
wenig strukturierten Größenklassenmuster des Beschäftigungswachstums: Das
Beschäftigungswachstum variiert zwischen 0,4 % pro Jahr in Kleinstunternehmen
und durchschnittlich 0,6 % in großen Unternehmen.
71
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Abbildung 1.8 Ergebnisse des Szenarios für das Wachstum der realen Wertschöpfung,
der Arbeitsproduktivität und der Beschäftigung, Europa-19, 2000/2005
Durchschnittliche j ahrliche eränderung in %
3
2
1
0
Wertschöpfung
Kleinst
Arbeitsproduktivität
Kleine
Mittlere
Beschäftigung
Große
Gesamt
Quelle: EIM Small Business Research and Consultancy.
Rentabilität
In Abschnitt 1.1 wurde festgestellt, daß die Rentabilität mit der Unternehmensgröße zunimmt, und in Abschnitt 1.2 konnte gezeigt werden, daß diese Unterschiede bereits über einen längeren Zeitraum bestanden haben. Aus Abbildung 1.9
Abbildung 1.9 Rentabilität nach Größenklassen, Europa-19, 2000 und 2005
70
60
50
40
%
30
20
10
0
Kleinst
Kleine
2000
Quelle: EIM Small Business Research and Consultancy.
72
Mittlere
Große
2005
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
wird ersichtlich, daß die Rentabilitätsunterschiede zwischen den Größenklassen im
Szenario noch anwachsen werden: In Kleinstunternehmen wird die Rentabilität
unverändert bleiben, in kleinen, mittleren und großen Unternehmen jedoch
anwachsen. Dies ergibt sich aus dem Größenklassenmuster der Arbeitsproduktivität, die in GU am stärksten wächst, und daraus, daß kleinere Unternehmen in
Zukunft weniger Möglichkeiten vorfinden werden, Kostenanstiege über die Preise
weiterzugeben. Letzteres ist ein Resultat der zunehmenden Internationalisierung:
Wie schon während der 90er Jahre steigen die Exportpreise langsamer als die
Preise auf den Inlandsmärkten.
Zahl der Unternehmen
Wie Abbildung 1.10 zeigt, wird die Zahl der Unternehmen zwischen 2000 und
2005 laut Szenario um knapp 8 % zunehmen. Die Zahl der Kleinstunternehmen
wird in vergleichsweise geringem Ausmaß wachsen, was darauf zurückgeführt
werden könnte, daß einige bestehende Kleinstunternehmen in die Gruppe der
kleinen Unternehmen „hinaufwachsen”. Dies steht auch in Einklang mit dem überdurchschnittlichen Wachstum der Zahl der kleinen Unternehmen.
Abbildung 1.10 Ergebnisse des Szenarios für die Zahl der Unternehmen, Europa-19,
2005
112
110
Index: 2000=100
108
106
104
102
100
Kleinst
Kleine
Mittlere
Große
Quelle: EIM Small Business Research and Consultancy.
1.4
Die Lage des Handwerks und der Sozialwirtschaft
1.4.1 Die Lage des Handwerks
Das europäische Handwerk trägt zur Erhaltung traditioneller Wirtschaftskultur und
zur sozialen und ökonomischen Kontinuität bei, indem es berufliche Qualifikationen und Unternehmertum fördert. Dieser Abschnitt setzt die im Zweiten Jahres-
73
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
bericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU begonnene laufende
Beschreibung des Handwerks fort.
Da eine einheitliche Definition des Handwerks nicht existiert, werden nationale
Handwerks-Definitionen verwendet. In einigen Ländern wird diese Definition durch
nationale Rechtsakte getroffen. Die Definitionen können nach verschiedenen
Ansätzen klassifiziert werden: dem berufsbezogenen Ansatz (Definition nach dem
Kriterium des Berufs), dem Kunsthandwerks-Ansatz (die Bezeichnung Handwerk ist
ausschließlich künstlerischen Tätigkeiten vorbehalten) oder der Definition nach
Wirtschaftssektor und Unternehmensgröße (Handwerksbetriebe sind kleine
Betriebe in bestimmten Wirtschaftssektoren)1. In anderen Ländern wiederum
existiert keine gesetzliche Handwerksdefinition, und es muß auf andere Methoden
zur Schätzung der Größe des Handwerkssektors zurückgegriffen werden. Da sich
die Handwerks-Definitionen zwischen den Ländern stark unterscheiden, wird auf
den Versuch verzichtet, eine Schätzung des Umfangs des Handwerkssektors auf
gesamteuropäischer Ebene vorzunehmen2.
Die Tabellen 1.17 und 1.18 bieten einen Überblick über die Entwicklung der Zahl
der Unternehmen und der Beschäftigung im Handwerk in den 90er Jahren3. Im
folgenden werden die Entwicklungen gereiht nach den definitorischen Ansätzen,
denen die Länder zugeordnet sind, kommentiert:
• Länder mit Definition nach dem Kriterium des Berufs. In Österreich und Luxemburg blieb die Größe des Handwerkssektors im Zeitablauf weitgehend unverändert. In Deutschland stabilisierte sich die Entwicklung des Handwerks in den
letzten Jahren wieder, nachdem zwischen 1994 und 1997 ein Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen war. Für die restlichen Länder (Island, Liechtenstein)
erlauben die verfügbaren Daten keine verläßliche Beurteilung der Entwicklung
des Handwerks.
• Länder mit Definition nach den Kriterien Wirtschaftssektor/Unternehmensgröße. In
Frankreich sank die Beschäftigung in der ersten Hälfte der 90er Jahre, ab 1995
scheint allerdings eine kräftige Erholung eingesetzt zu haben. In Italien blieb die
Zahl der Handwerksunternehmen weitgehend unverändert. In den Niederlanden steigt sowohl die Zahl der Handwerksunternehmen als auch die Beschäftigung seit 1995 an.
• In Spanien erfolgt die Definition nach dem Kriterium Kunsthandwerk. Die Zahl der
Unternehmen zeigt sich sehr stabil. Nach einem Beschäftigungsanstieg zu
Beginn der 90er Jahre folgten allerdings einige Jahre mit Arbeitsplatzverlusten.
In der jüngeren Vergangenheit hat sich die Entwicklung jedoch wieder stabilisiert.
• Für Länder mit anderen definitorischen Ansätzen sind nur wenige Daten
verfügbar4. Die Zahlen für Irland zeigen ein stetiges Beschäftigungswachstum
seit 1993. Für die restlichen Länder erlauben die verfügbaren Daten keine
Analyse der Trends.
1
Die Klassifikation wurde erstmals im Vierten Jahresbericht aufgestellt.
Gegenüber dem Fünften Jahresbericht wurden nun Schätzungen für drei zusätzliche
Länder aufgenommen: Belgien, Finnland und Irland (Klassifikation der Definitionen unter
„sonstige Ansätze”).
3
Da für die einzelnen Länder unterschiedliche Handwerks-Definitionen verwendet
werden, sind die Daten zwischen den Ländern nicht vergleichbar. Auch ein Vergleich mit
den Daten in Abschnitt 1.1 ist nicht zulässig.
4
Wie erwähnt, besteht für diese Länder keine gesetzlich niedergelegte Definition des
Handwerks, wodurch die Festlegung statistischer Kriterien für die Messung der Größe des
Handwerkssektors sehr erschwert wird.
2
74
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Tabelle 1.17
Zahl der Handwerksunternehmen gemäß nationaler Definitionen (für
methodologische Anmerkungen siehe Anhang III dieses Kapitels)
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
Definition nach dem Kriterium des Berufs
Deutschland*
598
606
614
Island
5
5
6
Liechtenstein
1
n.v.
n.v.
Luxemburg
4
4
4
Österreich
42
42
42
594
6
n.v.
4
42
598
6
1
4
42
603
6
n.v.
4
42
605
n.v.
n.v.
n.v.
42
607
n.v.
n.v.
n.v.
43
608
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
Definition nach den Kriterien Wirtschaftssektor/Unternehmensgröße
Frankreich
854
857
831
811
821
828
823
819
Italien
1 140 1 209 1 260 1 272 1 326 1 333 1 325 1 338
Niederlande**
101
107
115
121
101
127
140
145
n.v.
n.v.
n.v.
In 1 000
Definition nach dem Kriterium Kunsthandwerk
Spanien
Sonstige Ansätze
Belgien
Finnland
Irland
Schweiz***
Ver. Königreich
14
15
15
15
15
15
15
15
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
58
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
17
n.v.
104
n.v.
n.v.
n.v.
54
n.v.
n.v.
57
19
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
164
n.v.
60
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
*
Aufgrund revidierter Berechnungen sind Werte ab 1994 mit jenen der vorangegangenen Jahre nicht
vergleichbar.
** Aufgrund des Ausschlusses nicht-aktiver Unternehmen ab dem Jahr 1995 sind Vergleiche zu den vorangegangenen Jahren nicht zulässig.
*** Für 1991 und 1995 Wechsel zur Noga Klassifikation.
Anmerkung: Aufgrund unterschiedlicher Handwerksdefinitionen zwischen den Ländern ist ein direkter
Ländervergleich nicht zulässig.
Tabelle 1.18
Beschäftigung im Handwerk gemäß nationaler Definitionen (für
methodologische Anmerkungen siehe Anhang III dieses Kapitels)
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
In 1 000
Definition nach dem Kriterium des Berufs
Deutschland*
4 516 4 670 5 018 6 872 6 409 6 296 6 170 6 171 6 171
Island
16
16
15
14
15
15
n.v.
n.v.
n.v.
Liechtenstein
5
n.v.
n.v.
n.v.
6
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
Luxemburg
41
43
43
43
44
43
n.v.
n.v.
n.v.
Österreich
288
290
288
294
292
293
293
292
n.v.
Definition nach den Kriterien Wirtschaftssektor/ Unternehmensgröße
Frankreich
2 245 2 205 2 165 2 010 2 063 2 305 2 307 2 757
Italien
3 112 3 097 3 011 3 108
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
Niederlande**
354
353
331
317
308
419
430
433
n.v.
n.v.
n.v.
Definition nach dem Kriterium Kunsthandwerk
Spanien
48
57
59
Sonstige Ansätze
Belgien
Finnland***
Irland
Schweiz****
Ver. Königreich
n.v.
27
99
351
n.v.
n.v.
n.v.
96
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
89
n.v.
n.v.
54
46
46
46
45
n.v.
n.v.
n.v.
97
n.v.
n.v.
519
20
99
335
n.v.
n.v.
n.v.
102
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
114
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
317
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
*
Aufgrund revidierter Berechnungen sind Werte ab 1994 mit jenen der vorangegangenen Jahre nicht
vergleichbar.
**
Aufgrund des Ausschlusses nicht-aktiver Unternehmen ab dem Jahr 1995 sind Vergleiche zu den
vorangegangenen Jahren nicht zulässig.
***
Die für 1991 ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1990.
**** Für 1991 und 1995 Wechsel zur Noga Klassifikation.
Anmerkung: Aufgrund unterschiedlicher Handwerksdefinitionen zwischen den Ländern ist ein direkter
Ländervergleich nicht zulässig.
75
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
1.4.2 Die Lage der Sozialwirtschaft
Der Vierte Jahresbericht beinhaltete einen Überblick über Genossenschaften,
Gegenseitigkeitsgesellschaften, Vereine und Stiftungen (GGVS; auch Sozialwirtschaft oder dritter Sektor genannt; Vereine und Stiftungen werden unter dem
Überbegriff „gemeinnützige Organisationen” zusammengefaßt). In diesem
Abschnitt werden die damals dargestellten quantitativen Informationen auf den
aktuellen Stand gebracht. Kapitel 7 bietet eine stärker qualitativ orientierte Analyse
der Vereine und Stiftungen. Der Ausgangspunkt der im vorliegenden Kapitel
präsentierten Daten über die gemeinnützigen Organisationen sind die registrierten
Vereine und Stiftungen. Diese Daten unterscheiden sich somit von den in Kapitel 7
verwendeten statistischen Schätzungen zu Größe und Struktur aller Arten von
Organisationen im gemeinnützigen Sektor.
Die Tabellen 1.19 und 1.20 fassen die verfügbaren Statistiken zur wirtschaftlichen
Bedeutung der GGVS zusammen. Es muß von Beginn an darauf hingewiesen
werden, daß sich die den statistischen Konzepten zugrundeliegenden rechtlichen
Bestimmungen zwischen den Ländern stark unterscheiden. Folglich ist ein
Vergleich der in diesem Abschnitt dargestellten Daten nicht nur mit jenen in
Abschnitt 1.1 unzulässig, sondern auch zwischen den Ländern bestehen regelmäßig große Unterschiede in bezug auf die verwendeten Definitionen1. Es wurde
deshalb auch nicht der Versuch unternommen, Schätzungen für die EU oder
Europa-19 zu erstellen. Darüberhinaus sind die Definitionen innerhalb einzelner
Länder Veränderungen im Zeitablauf unterworfen, so daß auch die Analyse zeitlicher Entwicklungen erschwert wird.
Die Daten zeigen, daß die Zahl der GGVS auf europäischer Ebene eine Größenordnung von etwa 5-10 % der Gesamtzahl der Unternehmen erreicht. Die
Beschäftigung im GGVS-Sektor entspricht etwas mehr als 5 % der Gesamtbeschäftigung in Europa.
1 Zu GGVS sind nur wenig Daten verfügbar. Einer der Gründe liegt darin, daß Verwaltungsregister oftmals nicht ausreichend Informationen über die Rechtsform dieser Organisationen beinhalten.
76
2 450
3 807
8 769
n.v.
24 415
7 446
713
38 194
17
4 106
2 403
1 569
n.v.
24 110
5 218
n.v.
n.v.
n.v.
13 858
30 179
4 139
11 043
794
23 000
n.v.
742
44 523
273
3 993
2 153
3 024
15 100
27 994
n.v.
65
9
638
14 338
1994
1
4
2
2
64
3
10
2
15
7
n.v.
799
243
767
235
864
760
425
n.v.
260
065
n.v.
n.v.
n.v.
633
n.v.
n.v.
872
n.v.
1998
1 505
100
2 195
n.v.
8 030
53
0
468
59
812
71
102
n.v.
467
107
n.v.
0
n.v.
0
1990
1 172
85
n.v.
118
6 622
n.v.
0
1 109
61
275
67
81
n.v.
400
n.v.
32
0
6
0
1994
n.v.
84
n.v.
352
3 405
3
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
67
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
0
1 419
0
1998
25
138
398
78
1
52
203
1994
1998
n.v. 50 773
n.v.
893
450
904
946
n.v.
n.v.
n.v.
n.v. 142 300
233 119 049 288 067
929
n.v.
3 354
297
259
210
280
n.v. 188 000
n.v.
n.v.
n.v.
831
821 28 015
142 87 853 96 288
458
1 529
n.v.
n.v. 11 100
n.v.
907 160 573
n.v.
000
n.v. 188 000
n.v.
680
n.v.
n.v.
600
n.v.
n.v.
n.v.
3 280
504 25 085
n.v.
1990
Gemeinnützige Organisationen
343
Gegenseitigkeitsgesellschaften
34
59
483
n.v.
404
14
20
246
2
84
59
36
n.v.
391
181
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1990
n.v.
58
531
67
n.v.
n.v.
29
n.v.
n.v.
116
57
n.v.
66
464
n.v.
3
n.v.
51
n.v.
1994
Genossenschaften
n.v.
n.v.
492
80
325
6
40
452
n.v.
n.v.
65
n.v.
n.v.
n.v.
68
n.v.
n.v.
43
n.v.
1998
12
0
50
n.v.
136
0
0
0
0
n.v.
n.v.
1
n.v.
5
28
n.v.
0
n.v.
0
1990
n.v.
0
n.v.
5
n.v.
n.v.
0
n.v.
0
7
n.v.
n.v.
n.v.
2
n.v.
500
0
n.v.
0
1994
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
105
1
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
72
n.v.
0
8
0
1998
209
14
1 018
32
628
0
2
418
2
16
n.v.
33
n.v.
n.v.
946
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1990
469
10
1 330
89
n.v.
n.v.
2
n.v.
n.v.
18
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
6
n.v.
n.v.
n.v.
1994
n.v.
18
n.v.
70
1 200
n.v.
1
690
n.v.
n.v.
144
n.v.
n.v.
n.v.
350
n.v.
n.v.
27
n.v.
1998
Gegenseitigkeitsgesellschaften Gemeinnützige Organisationen
Zahl der Beschäftigten (1 000)
Die für 1994 ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1995.
Die für 1998 ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1997; die für gemeinnützige Organisationen ausgewiesene Zahl der Beschäftigten bezieht sich ausschließlich auf Vereine; die für 1990
ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1991.
c Die für 1998 ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1997 (Niederlande: Die für Genossenschaften für 1997 ausgewiesenen Daten schließen Gegenseitigkeitsgesellschaften ein).
d Die für 1994 ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1993.
e Die für 1998 ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1996.
Anmerkung: Aufgrund zwischen den Ländern unterschiedlicher statistischer Definitionen von Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften und gemeinnützigen Organisationen ist ein
direkter Ländervergleich nicht zulässig; auch ein Vergleich der Werte verschiedener Jahre innerhalb eines Landes ist grundsätzlich nicht zulässig, da sich die Definitionen im Zeitablauf verändern können.
a
b
Belgiena
Dänemark
Deutschland
Finnlandb
Frankreich
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlandec
Österreich
Portugald
Schweden
Spaniena
Ver. Königreich
Island
Liechtenstein
Norwegene
Schweiz
1990
Genossenschaften
Zahl der Unternehmen
Tabelle 1.19 Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften und gemeinnützige Organisationen: Zahl der Unternehmen und Beschäftigten (in 1 000)
(für methodologische Anmerkungen siehe Anhang III dieses Kapitels)
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
77
78
4
2
1
8
20
2
n.v.
n.v.
387
161
n.v.
n.v.
895
107
n.v.
n.v.
545
n.v.
196
n.v.
n.v.
39
n.v.
n.v.
n.v.
8
3
2
7
20
2
16
n.v.
n.v.
428
257
800
363
400
148
n.v.
n.v.
026
n.v.
n.v.
n.v.
281
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1998
5 907
1 082
n.v.
n.v.
62 000
7
0
514
208
n.v.
58
677
5 216
n.v.
19 748
n.v.
0
n.v.
0
1990
n.v.
1 354
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
0
n.v.
0
n.v.
59
n.v.
2 000
n.v.
n.v.
n.v.
0
n.v.
0
1994
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
40 000
99
n.v.
306
n.v.
n.v.
58
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
0
n.v.
0
1998
7 834
2 007
37 528
n.v.
25 500
n.v.
1 263
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
523
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1990
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1 318
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1994
n.v.
n.v.
n.v.
3 700
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1998
Gemeinnützige Organisationen
37
21
98 000
n.v.
444
n.v.
7
0
0
96
10
4
13 444
n.v.
7 000
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1990
1998
n.v.
0
24
26
12 000 124 000
14
n.v.
n.v.
684
n.v.
6
11
n.v.
19
52
n.v.
n.v.
10
n.v.
10
n.v.
n.v.
n.v.
25 592
n.v.
13
n.v.
n.v.
7 800
1
n.v.
n.v.
n.v.
8 13 917
n.v.
n.v.
1994
Genossenschaften
11
0
18
n.v.
43
0
0
0
0
0
8
0
390
n.v.
20 000
n.v.
0
n.v.
0
1990
n.v.
0
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
0
n.v.
17
1
9
n.v.
962
n.v.
n.v.
n.v.
0
n.v.
0
1994
0
n.v.
n.v.
n.v.
45
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
11
n.v.
n.v.
n.v.
6 200
n.v.
0
713
0
1998
Gegenseitigkeitsgesellschaften
7
7
46
n.v.
28
0
5
0
n.v.
8
n.v.
0
n.v.
n.v.
32 000
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1990
1998
n.v.
n.v.
1
36
n.v.
n.v.
1 977
n.v.
n.v.
11
n.v.
n.v.
8
9
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1
n.v.
n.v. 3 340
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v. 19 749
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v. 2 728
n.v.
n.v.
1994
Gemeinnützige Organisationen
Die für 1998 ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1997; die für gemeinnützige Organisationen ausgewiesene Zahl der Beschäftigten bezieht sich ausschließlich auf Vereine; die für
1990 ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1991.
Die für 1998 ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1997.
Die für 1998 ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1996.
1 623
1 349
15 207
N.v.
14 229
983
1 276
5 798
23
n.v.
2 472
590
3 007
n.v.
10 041
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
1994
Gegenseitigkeitsgesellschaften
Zahl der Beschäftigten (1 000)
Anmerkung: Aufgrund zwischen den Ländern unterschiedlicher statistischer Definitionen von Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften und gemeinnützigen Organisationen ist ein
direkter Ländervergleich nicht zulässig; auch ein Vergleich der Werte verschiedener Jahre innerhalb eines Landes ist grundsätzlich nicht zulässig, da sich die Definitionen im Zeitablauf verändern können.
b
c
a
Belgien
Dänemark
Deutschland
Finnlanda
Frankreich
Griechenlandb
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Spanien
Schweden
Ver. Königreich
Island
Liechtenstein
Norwegenc
Schweiz
1990
Genossenschaften
Zahl der Unternehmen
Tabelle 1.20 Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften und gemeinnützige Organisationen: Zahl der Mitglieder (1 000) und wirtschaftlicher
Umfang (Mio. Euro) (für methodologische Anmerkungen siehe Anhang III dieses Kapitels)
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Anhang I:
Die in den Abschnitten 1.1 und
1.2 verwendeten Daten
Eine der Grundlagen der im Europäischen Beobachtungsnetz für KMU verwendeten statistischen Informationen ist „Unternehmen in Europa”1. Diese Publikation enthält harmonisierte
Daten über die Zahl der Unternehmen, die Beschäftigung, den Umsatz, die Wertschöpfung
und die Arbeitskosten für jedes der 19 Länder, gegliedert nach Wirtschaftssektoren (2-Steller
der NACE) und Größenklassen.
In verschiedenen Hinsichten stellt diese Publikation jedoch nicht alle, für eine umfassende statistische
Beschreibung des Unternehmenssektors in jedem Land erforderlichen, Informationen zur Verfügung:
•
Für einige Länder sind die Daten unvollständig, und es mußten entsprechende Schätzungen
durchgeführt werden (siehe Abschnitt I.2).
•
Die Daten des Sechsten Berichtes von Unternehmen in Europa beziehen sich in der Hauptsache auf das Jahr 19962, sind jedoch nicht immer mit früheren Daten vergleichbar. Um
dieses Problem zu lösen, wurden zusätzliche Schätzungen erstellt, die eine Beschreibung der
Entwicklungen zwischen 1988 und 1996 ermöglichen (siehe Abschnitt I.3).
•
Um zu einer Schätzung über die Entwicklungen in den letzten Jahren (1996-2000) zu gelangen,
wurde ein Berechnungsmodell3 entworfen, welches die Entwicklung aller in diesem Kapitel
verwendeter Variablen (Zahl der Unternehmen, Beschäftigung, Umsatz, Wertschöpfung und
Arbeitskosten), für jedes Land, gegliedert nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen, schätzt
(siehe Abschnitt I.3).
Dieser Anhang stellt in erster Linie die wesentliche statistische Datengrundlage dar, wie sie im
Rahmen des Beobachtungsnetzes verwendet wird. Vorweg werden allerdings die Klassifikation
der Wirtschaftssektoren und der Begriff der Unternehmensgröße erläutert.
I.1
Definitionen
I.1.1 Klassifikation der Wirtschaftssektoren
Alle in diesem Bericht dargestellten, KMU betreffende Daten beziehen sich auf den privaten nichtprimären Unternehmenssektor; von der Untersuchung ausgeschlossen sind öffentliche Unternehmen
(„privat”) und Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei („nicht-primär”).
1
Unternehmen in Europa - Sechster Bericht, erstellt von Eurostat und GD Unternehmen
(erscheint demnächst). Die in diesem Bericht verwendeten Daten sind in der EurostatDatenbank Newcronos, Domäne SME, verfügbar. Gemäß der Verordnung des Rates 58/97
betreffend die strukturelle Unternehmensstatistik werden die nach Größenklassen differenzierten Daten (KMU-Daten) demnächst in den von dieser Verordnung aufgestellten
gemeinsamen rechtlichen Rahmen integriert.
2
Dies gilt für 12 Länder: Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden, Vereinigtes Königreich. Für die
restlichen Länder sind im Vergleich zum Fünften Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU keine zusätzlichen Daten verfügbar.
3
SEAS: das ‘SME in Europe Accounting Scheme’; Bosma, N., Kwaak, T., SICLASS - Forcasting the European Enterprise Sector by Industry and Size class (SICLASS - Prognose für den
europäischen Unternehmenssektor nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen), EIM,
Research Report 9812/E, bietet eine ausführliche Erläuterung von SEAS.
79
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
In Kapitel 1 wurden die den privaten nicht-primären Unternehmenssektor umfassenden Wirtschaftszweige (unter Verwendung der NACE Rev.1) wie folgt klassifiziert1: Bergbau (inkl. Energieversorgung; NACE C, E); Verarbeitendes Gewerbe (NACE D); Baugewerbe (NACE F);
Großhandel (NACE 51); Einzelhandel (NACE 50, 52); Verkehr und Nachrichtenübermittlung
(NACE I); Unternehmensbezogene Dienstleistungen (NACE J, K); Konsumentenbezogene Dienstleistungen (NACE H, N, O).
I.1.2 Unternehmensgröße
Im vorliegenden Bericht wurde die Zahl der Beschäftigten als alleiniges Kriterium für die Bildung
von Größenklassen und die entsprechende Zuordnung der Unternehmen herangezogen.
„Unternehmen in Europa„ bietet die Möglichkeit für alle Wirtschaftssektoren und Länder
zwischen den folgenden Größenklassen zu unterscheiden:
•
Kleinstunternehmen: Unternehmen mit 0-9 Beschäftigten;
•
Kleine Unternehmen, die 10-49 Mitarbeiter beschäftigen;
•
Mittlere Unternehmen, in denen zwischen 50 und 249 Beschäftigte tätig sind;
•
Große Unternehmen, die 250 oder mehr Beschäftigte haben.
I.2
Eine umfassende statistiche Datenbasis über europäische
Unternehmen, 1993/1996
I.2.1 Einleitung
Der Bericht „Unternehmen in Europa” bietet für die Jahre 1992/1993 und/oder 1995/1996 für
jedes Land eine sehr detaillierte Datenbasis über den privaten nicht-primären Unternehmenssektor2. Um vollständige statistische Informationen nach Ländern, Wirtschaftssektoren und
Größenklassen zu gewinnen, mußten jedoch einige zusätzliche Schätzungen durchgeführt
werden. Diese zusätzlichen Schätzungen fanden auf einem relativ niedrigen Aggregationsniveau
statt (nach 2-Stellern der NACE und den oben erwähnten Größenklassen).
Die Darstellung der Daten im Bericht erfolgt aber grundsätzlich auf deutlich höherem Aggregationsniveau. Die Disaggregation im Schätzverfahren war notwendig, um alle verfügbaren Informationen aus den unterschiedlichen Quellen nutzen zu können.
Im Zuge des Aufbaus der Datenbasis stellte sich heraus, daß für einige Wirtschaftssektoren - und in
einigen Ländern sogar für die gesamte Wirtschaft - Daten über die Wertschöpfung und die Arbeitskosten nicht verfügbar waren3. Dieser Abschnitt erläutert, wie diese Probleme gelöst wurden.
Am Beginn des Schätzverfahrens stand eine von den ENSR-Partnern durchgeführte Bestandsaufnahme der verfügbaren Informationen über die Wertschöpfung nach Wirtschaftssektoren und
Größenklassen. In vielen Fällen konnten allerdings keinerlei Daten identifiziert werden, und es
mußte auf die sektoralen Wertschöpfungsdaten aus den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zurückgegriffen werden. Die Verteilung über die Größenklassen erfolgte entsprechend
dem Umsatz und den in anderen Ländern festgestellten Umsatz/Wertschöpfungs-Relationen4.
1
Siehe auch Anhang II dieses Kapitels, der eine detaillierte Beschreibung der verwendeten
Klassifikation enthält.
2
Daten für 1996 sind für 12 Länder verfügbar: Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland,
Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden, Vereinigtes
Königreich. Für die restlichen Länder sind nur Daten für frühere Jahre verfügbar.
3
Eurostat stellte EIM Small Business Research and Consultancy dankenswerterweise einige
zusätzliche Schätzungen zur Verfügung.
4
Der Umsatz versteht sich einschließlich dem Einkaufswert von Handelswaren sowie
verschiedener Subventionen und Steuern. Dies könnte insbesondere im Groß- und Einzelhandel Probleme aufwerfen.
80
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Bei der Schätzung der Arbeitskosten wurde, ausgehend von der Wertschöpfung, wie folgt vorgegangen:
•
Auf Ebene der Wirtschaftssektoren wurden Daten über den Anteil der Arbeitskosten an der
gesamten Wertschöpfung herangezogen. Daraus ließen sich die absoluten Arbeitskosten
nach Wirtschaftssektoren ermitteln.
•
Die Arbeitskosten in den Wirtschaftssektoren wurden schließlich entsprechend der Größenklassenverteilung der Wertschöpfung und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen
Arbeitskosten/Wertschöpfungs-Relationen in anderen Ländern auf die Größenklassen verteilt.
Auf jeder Stufe wurden Konsistenzprüfungen mit „Unternehmen in Europa” durchgeführt.
I.3
Schätzung der Entwicklung 1988-2000
Wie oben beschrieben, verfügt das Europäische Beobachtungsnetz für KMU über eine umfassende Datenbasis zu Größe und Struktur des privaten nicht-primären Unternehmenssektors in 19
Ländern. Diese statistischen Informationen erlauben allerdings nicht die Analyse von Entwicklungstrends. Es mußten deshalb zusätzliche Schätzungen durchgeführt werden, die in zwei
Stufen abliefen:
•
Die Entwicklung in der Periode 1988-1996 wurde auf Basis der verfügbaren statistischen
Daten geschätzt. Die Vorgangsweise wird in Abschnitt I.3.1 dieses Anhangs erläutert.
•
Für die letzten Jahre sind keine umfassenden Informationen über die Größenklassenstruktur
des privaten nicht-primären Unternehmenssektors verfügbar. Es mußten deshalb andere
Methoden eingesetzt werden, die in Abschnitt I.3.2 erläutert werden.
I.3.1 Entwicklung 1988-1993/1996
Die Daten aus „Unternehmen in Europa” für 1988, 1990, 1993 und 1996 sind untereinander
nicht vollständig vergleichbar. Dies ergibt sich aus der laufenden Berücksichtigung neuer und
besserer Informationsquellen durch Eurostat. Auch der Übergang von NACE 1970 auf NACE Rev.
1 behindert die Vergleichbarkeit. Die Einbeziehung neuer Informationsquellen hat sich insbesondere auf die ausgewiesene Zahl der Kleinstunternehmen ausgewirkt. Die Vergleichbarkeit
verschiedener Verhältniszahlen, wie durchschnittliche Unternehmensgröße, Umsatz je Unternehmen und Arbeitsproduktivität, scheint hingegen nicht stark von der Einbeziehung neuer
Quellen beeinflußt zu sein. Dies kann aus dem Umstand abgeleitet werden, daß diese Verhältniszahlen als nach Wirtschaftssektor und Größenklasse disaggregierte Schätzungen auf Basis
großer Stichproben aus der Grundgesamtheit der Unternehmen betrachtet, und somit wohl als
systematisch unverzerrte Schätzergebnisse für die Jahre 1988, 1990, 1993 und 1996 angesehen
werden können. Grundsätzlich wurden die folgenden Arbeitsschritte für die Berechnung der
Entwicklungen zwischen 1988 und 1993/1996 durchgeführt:
•
Schätzung des Wachstums der Unternehmenszahl;
•
Schätzung der Entwicklung der Beschäftigung unter direkter Verwendung der Daten zur
durchschnittlichen Unternehmensgröße aus „Unternehmen in Europa”1;
•
Schätzung der Entwicklung des Umsatzes und der Wertschöpfung unter direkter Verwendung der Daten zur (rechnerischen) Arbeitsproduktivität aus „Unternehmen in Europa”.
In diesem Abschnitt wird die Schätzung der Veränderung der Unternehmenszahl sowie einige
weitere Problemlösungen erläutert:
1
D. h., unter Heranziehung von „Unternehmen in Europa” und den für den Aufbau einer
umfassenden Datenbasis über die europäischen Unternehmen für die Jahre 1988, 1990,
1992 und 1996 erforderlichen zusätzlichen Schätzungen. Diese sind im Ersten, Zweiten,
Vierten und Fünften Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU
beschrieben; siehe dazu auch Anhang 1 von Kapitel 1 des Dritten Jahresberichtes des
Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU.
81
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
•
In der ursprünglichen Datenbasis für das Jahr 1988 wurden andere Größenklassen verwendet,
die nicht mit den in diesem Bericht verwendeten kompatibel sind.
•
Zur Schätzung der Entwicklung der Arbeitskosten: Da die Arbeitskosten eine neue Variable in
„Unternehmen in Europa” darstellen, ist eine Ermittlung ihrer zeitlichen Entwicklung aus
dieser Quelle nicht möglich und es mußten somit andere Methoden herangezogen werden.
Schätzung der Entwicklung der Zahl der Unternehmen
Es zeigt sich, daß die in den verschiedenen Berichten von „Unternehmen in Europa” für die Jahre
1988, 1990, 1993 und 1996 ausgewiesene unterschiedliche Zahl der Unternehmen lediglich
Unterschiede in den Erfassungsmethoden reflektiert, und weniger tatsächliche ökonomische
Entwicklungen.
Da die Arbeitskräfteerhebung (AKE)1 von Eurostat auf einer regelmäßigen, vergleichbaren Basis
durchgeführt wird, kann sie mit Daten aus „Unternehmen in Europa” kombiniert werden, um
die Entwicklung der Unternehmenszahl, gegliedert nach Wirtschaftssektor und Größenklasse, für
jene Länder zu schätzen, für die im Rahmen von „Unternehmen in Europa” die Informationsquelle gewechselt wurde. Grundsätzlich wird angenommen, daß die Plausibilität einer Schätzung des Wachstums der Unternehmenszahl mit Hilfe der Entwicklung der Selbständigen mit
sinkender Unternehmensgröße zunimmt. Größere Unternehmen werden vermutlich von „Unternehmen in Europa” besser erfaßt als kleine Unternehmen.
Weitere Disaggregation in der Datenbasis für das Jahr 1988
Die Datenbasis über den europäischen Unternehmenssektor für das Jahr 1988 weist in bezug auf
die Wirtschaftssektoren die gleiche Detaillierung auf wie jene für die anderen Jahre, in bezug auf die
Größenklassen ist sie jedoch weniger detailliert2. Insbesondere die Klassen 20-49 und 50-99, sowie
100-249 und 250-499 wurden nicht eigens unterschieden, sind jedoch für die Abgrenzung kleiner,
mittlerer und großer Unternehmen notwendig. Es mußten deshalb zusätzliche Disaggregationen in
der Datenbasis für 1988 durchgeführt werden. Das folgende Verfahren kam dabei zur Anwendung:
•
Die Disaggregation der Zahl der Unternehmen erfolgte mit Hilfe einer Schätzfunktion, die die
Größenklassenverteilung der Unternehmen beschreibt3. Die mathematische Aggregation
über die gewünschten Größenklassen liefert dann die Anteile der fehlenden Klassen.
•
Die gleiche Funktion kann auch für die Berechnung der durchschnittlichen Unternehmensgröße in den neuen Größenklassen verwendet werden. Davon ausgehend kann dann auch
die Beschäftigung problemlos ermittelt werden.
•
In bezug auf den Umsatz und die Wertschöpfung wurde die Annahme getroffen, daß die
Unterschiede in der (rechnerischen) Arbeitsproduktivität zwischen den neuen Größenklassen
jenen im Jahr 1990 entsprachen. Auf Grundlage dieser Annahme konnte dann eine entsprechende Disaggregation des Umsatzes und der Wertschöpfung durchgeführt werden.
Schätzung der Entwicklung der Arbeitskosten
Im Vierten Bericht von „Unternehmen in Europa” wurden erstmals Daten zu den Arbeitskosten
aufgenommen. „Unternehmen in Europa” kann deshalb nicht als Grundlage für eine Schätzung
der Entwicklung der Arbeitskosten herangezogen werden. Ersatzweise wurde die Veränderung
der Arbeitskosten, gegliedert nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen, mit Hilfe der
folgenden Daten berechnet:
1
Für Nicht-EU-Länder wurden die Labour Force Statistics der OECD herangezogen.
Siehe Anhang I des Ersten Jahresberichtes des Europäischen Beobachtungsnetzes für
KMU.
3
Die Größenklassenverteilung der Unternehmen kann etwa durch Anpassung einer exponentiellen oder einer Pareto-Funktion beschrieben werden. In unserem Fall wurde eine
Polynomial-Funktion dritten Grades als Annäherung verwendet.
2
82
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
•
Entwicklung der Beschäftigung nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen;
•
Veränderung der Lohnkosten je Beschäftigtem. Je nach Verfügbarkeit wurden entweder
makroökonomische Daten oder nach Wirtschaftssektoren disaggregierte Daten verwendet.
Dabei handelt es sich um den gleichen Ansatz, wie er im „SME in Europe Accounting Scheme”
zur Trendberechnung für den Zeitraum nach 1993/1996 angewendet wird.
I.3.2 Schätzung der Entwicklung 1993/1996-2000
Da die statistischen Quellen nur Informationen über die Entwicklung im Zeitraum von 1988 bis
1993/1996 enthalten, sind zusätzliche Instrumente zur Analyse von Trends in der jüngeren
Vergangenheit erforderlich. Dieses Instrument heißt SEAS: SME in Europe Accounting Scheme.
Zweck dieses Rechensystems ist die Schätzung von:
•
Umsatz und Wertschöpfung nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen (abgeleitet aus der
makroökonomischen Entwicklung);
•
Beschäftigung nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen, abgeleitet aus der Entwicklung
der Wertschöpfung und Veränderungen in Löhnen und Preisen;
•
Arbeitskosten, unter Berücksichtigung von Veränderungen in der Beschäftigung und der
Lohnkosten;
•
Zahl der Unternehmen auf Grundlage des Umsatzes und des allgemeinen Wirtschaftsklimas.
Diese Berechnungen wurden für alle Länder durchgeführt. Faktisch setzt sich SEAS somit aus 18
unabhängigen Ländermodellen zusammen1.
Die erste Version von SEAS wurde im Rahmen des Ersten Jahresberichtes des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU entwickelt. Seitdem wurde das System kontinuierlich erweitert, um die
zunehmende Zahl an Variablen (Wertschöpfung und Arbeitskosten wurden ab 1993 aufgenommen) und Ländern (Erweiterung um 6 Länder) zu integrieren.
Schätzung der Entwicklung des realen Umsatzes
Die Umsatzentwicklung nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen wird in SEAS in drei
Schritten ermittelt:
•
Makroökonomische Nachfrageindikatoren werden in eine nach Wirtschaftssektor und
Verwendungskategorie gegliederte Schätzung der Endnachfrage transformiert.
•
Mit Hilfe eines multi-sektoralen Input-Output-Modells wird der Output an intermediären
Gütern und Dienstleistungen und damit der Gesamtoutput berechnet.
•
Für jede Kategorie wird der Umsatz nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen bestimmt
(eine kurze Beschreibung der Datenbasis für den Umsatz, gegliedert nach Wirtschaftssektoren, Größenklassen und Verwendungskategorien, findet sich weiter unten).
Der erste Schritt von SEAS ist also die Berechnung der Entwicklung des Absatzes in jedem Wirtschaftssektor und für jede Endnachfragekategorie. Dabei werden die folgenden Kategorien
unterschieden: Konsumgüter, Investitionsgüter und Exporte.
Der Output an intermediären Gütern und Dienstleistungen je Wirtschaftssektor wird für jedes
Land mit Hilfe eines Input-Output-Modells abgebildet. Der Import von Intermediärgütern wird
dabei berücksichtigt.
Die Lagerveränderungen - die ebenso Teil der Bruttoproduktion sind - stehen in direktem
Zusammenhang mit dem Absatzwachstum.
Auf dieser Stufe ist somit der Absatz nach Wirtschaftssektoren und der Absatz nach Nachfragekategorien bekannt. Auf Basis dieser Informationen kann die Entwicklung des Umsatzes nach
Wirtschaftssektoren, Größenklassen und Nachfragekategorien ermittelt werden. Es wird unter-
1
Die Schweiz und Liechtenstein werden zusammengefaßt.
83
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
stellt, daß je Wirtschaftssektor und Nachfragekategorie im Durchschnitt das Umsatzwachstum
dem Nachfragewachstum entspricht1.
Alle Berechnungen werden auf Ebene des 2-Stellers der NACE Rev. 1 durchgeführt.
Basisjahr-Informationen über den Umsatz nach Wirtschaftssektoren, Größenklassen und
Verwendungskategorien
Daten über den Umsatz nach Wirtschaftssektoren, Größenklassen und Endnachfragekategorien
sind nicht direkt verfügbar und wurden deshalb geschätzt. Im wesentlichen wurde das folgende
Verfahren angewendet.
Für jedes Land und jeden Wirtschaftssektor ist, auf Grundlage von Input-Output-Daten und der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die Verteilung der Produktion über die makroökonomischen Verwendungskategorien bekannt. Der Umsatz schließt, neben dem Output, den Einkaufswert der bezogenen Güter mit ein. Unter der Annahme, daß das Verhältnis zwischen diesen
beiden Größen in jeder Größenklasse innerhalb eines Wirtschaftssektors gleich ist, kann der
Gesamtumsatz jeder Nachfragekategorie in jeder Größenklasse entsprechend der Verteilung des
Absatzes auf die Kategorien innerhalb der Wirtschaftssektoren zugeordnet werden.
Das Ergebnis dieses Verfahrens ist eine vorläufige Schätzung der Verteilung des Umsatzes über
die Kategorien. Für einige Länder ist die Verteilung des Umsatzes auf Exporte und Inlandsabsatz
bekannt. Diese Informationen werden für eine Anpassung der vorläufigen Schätzungen herangezogen.
Schätzung der Entwicklung der realen Wertschöpfung
Die Schätzung für die Entwicklung der realen Wertschöpfung wird in zwei Stufen durchgeführt.
Zunächst wird das Wachstum der realen Wertschöpfung je Wirtschaftssektor im sektoralen Teilmodell von SEAS ermittelt. Danach werden Unterschiede in bezug auf das Wachstum der Wertschöpfung zwischen den Größenklassen eines Wirtschaftssektors mit den entsprechenden Unterschieden in bezug auf den Umsatz gleichgesetzt.
Schätzung der Entwicklung der Beschäftigung und der Arbeitskosten
Im Gegensatz zur Berechnung des Umsatzes und der Wertschöpfung wird die Beschäftigung in
Form eines bottom-up Ansatzes abgebildet. Dies deshalb, weil grundsätzliche Unterschiede in
der Art und Weise bestehen, wie kleine bzw. große Unternehmen Arbeitnehmer einstellen und
entlassen.
Erstens reagieren KMU aufgrund notwendiger Sockelbeschäftigung, Mangel an Informationen,
etc. relativ spät auf Auslastungsänderungen. Zweitens ist die Lohnelastizität der Beschäftigung
aufgrund des größeren Anteils der Arbeitskosten (einschließlich des Unternehmerlohns) an den
Gesamtkosten in kleineren Unternehmen höher als in GU. Schließlich erfolgt die autonome Einsparung von Arbeit durch den technologischen Fortschritt in KMU langsamer als in GU.
Das Beschäftigungswachstum nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen ist abhängig vom
Wachstum der realen Wertschöpfung, der Reallöhne und einer negativen Konstanten, die die
autonome Einsparung von Arbeit durch technologischen Fortschritt repräsentiert.
Schätzung der Entwicklung der Zahl der Unternehmen
Auch das Wachstum der Unternehmenszahl wird mittels eines bottom-up Ansatzes berechnet.
Die Faktoren, die das Wachstum der Zahl der Unternehmen beeinflussen, können wie folgt
eingeteilt werden:
•
Faktoren, die auf die ‘Nachfrage nach unternehmerischer Tätigkeit’ wirken, insbesondere das
Wachstum der Güternachfrage. Eine Steigerung der realen Güternachfrage stellt einen Anreiz
zur Unternehmensgründung dar.
1
84
Der Umsatz umfaßt sowohl den Absatz als auch den Einkaufswert der Handelswaren.
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
•
Faktoren, die das ‘Angebot an Unternehmern’ beeinflussen: Bevölkerungswachstum und
Arbeitslosigkeit. Es ist offensichtlich, daß Bevölkerungswachstum, ceteris paribus, die Zahl
potentieller Unternehmer erhöht. Auch ein Anstieg der Arbeitslosigkeit sollte zu einer
Zunahme der Gründungen führen.
Schätzung der Entwicklung der Preise
Die Verkaufspreise und Umsätze werden unter Berücksichtigung aller für die Unternehmen relevanten Kosten, d. h. Kosten der Intermediärgüter (heimischer und ausländischer Produktion)
und Arbeitskosten, ermittelt.
Das Ergebnis wird mit der Entwicklung makroökonomischer Preise, etwa dem Verbraucherpreisindex und dem Index für Exportpreise, verglichen. Die geschätzten Preise werden dann so angepaßt, daß sie mit den makroökonomischen Preisentwicklungen konsistent sind.
Die preisliche Bewertung der Wertschöpfung wird in den sektoralen Teilmodellen entsprechend
der Definition der Wertschöpfung berechnet. Der Deflator der Wertschöpfung nach Größenklassen wird auf die gleiche Art und Weise geschätzt wie das Wachstum der realen Wertschöpfung nach Wirtschaftssektoren und Größenklassen.
Anwendung von SEAS
Grundsätzlich ist die Eingabe der exogenen Variablen1 ausreichend für eine Anwendung von
SEAS. In das System werden jedoch, wann immer möglich, neue und zusätzliche Referenzwerte
in Form neuer statistischer Informationen aufgenommen. So wurden z. B. Informationen über
die Exportleistung der Wirtschaftssektoren aus der Reihe ‘Industriekonjunktur’2 verwendet um
Referenzwerte für das Exportwachstum zu erhalten. Zudem werden Daten aus dem LFS zur
Beschäftigung und zur Zahl der Selbständigen herangezogen, um die Entwicklung der Beschäftigung und das Wachstum der Zahl der Unternehmen zu kalibrieren. Dadurch wird auch der
Konjunkturzyklus in jedem Land berücksichtigt. In bezug auf die Beschäftigung wurden Informationen aus ‘Europäische Wirtschaft’ berücksichtigt, um aktuelle Entwicklungen in breiten Wirtschaftssektoren zu schätzen.
Die Konzeption und Anwendung von SEAS integriert also sowohl Erkenntnisse über die Zusammenhänge und die Funktionsweise der Wirtschaft als auch statistische Informationen über
tatsächliche wirtschaftliche Entwicklungen in der Form, daß die Entwicklung der KMU zwischen
1996 und der Gegenwart für jedes Land geschätzt werden kann.
Die Prognosefähigkeit von SEAS
Um die Prognosefähigkeit von SEAS zu prüfen, wurde das Modell für den Zeitraum 1988-1996
berechnet und das von SEAS ermittelte Ergebnis in bezug auf die Größenklassenstruktur der
europäischen Wirtschaft im Jahr 1996 mit den tatsächlichen Daten für dieses Jahr verglichen3. In
diesem Abschnitt werden Ergebnisse auf folgenden Ebenen dargestellt:
•
Auf Länderebene. Die zentrale Frage war dabei, in welchem Ausmaß die geschätzte Größenklassenstruktur nach Ländern im Jahr 1996 von der tatsächlichen Größenklassenstruktur abweicht?
•
Auf Sektorebene. Die zentrale Frage war dabei, in welchem Ausmaß die geschätzte Größenklassenstruktur nach Wirtschaftssektoren im Jahr 1996 von der tatsächlichen Größenklassenstruktur abweicht?
1
Die exogenen Variablen werden entnommen aus: Europäische Wirtschaft, Beiheft A,
Nr. 5, Mai 1999, und - für Nicht-EU-Länder - aus OECD: Wirtschaftsausblick, Nr. 65, Juni
1999.
2
Eurostat: Industriekonjunktur - monatliche Statistiken (diverse Ausgaben).
3.
Normalerweise werden im Rahmen der Modellrechnung wie erwähnt teilweise zusätzliche,
aktuell verfügbare Daten berücksichtigt. Bei diesem Test wurde darauf jedoch verzichtet. Es
handelt sich somit um eine sehr strenge Überprüfung der Prognosefähigkeit von SEAS.
85
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Um die geschätzte mit der tatsächlichen Größenklassenstruktur im Jahr 1996 zu vergleichen,
wurden einfache Regressionen der folgenden Art gerechnet:
ai,j = αi ƒi,j + β,
wobei:
ai,j tatsächlicher Anteil der Größenklasse i in Land bzw. Wirtschaftssektor j (z. B. der tatsächliche Anteil kleiner Unternehmen an der irischen Gesamtbeschäftigung)
ƒi,j
prognostizierter Anteil der Größenklasse i in Land bzw. Wirtschaftssektor j (z. B. der prognostizierte Anteil der Kleinstunternehmen im Einzelhandel).
Im Fall einer perfekten Prognose würde a den Wert 1 und b den Wert 0 annehmen. Die Regressionsanalyse ermöglicht den Test, ob a und b signifikant von 1 bzw. 0 verschieden sind.
Die Analyse wurde für drei Variablen durchgeführt: Beschäftigung, Umsatz und Wertschöpfung.
Nachfolgend werden die Unterschiede zwischen den tatsächlichen und prognostizierten
Anteilen der Größenklassen für jede dieser Variablen diskutiert.
Die Regressionsergebnisse für die Beschäftigungsanteile sind in Tabelle I.1 dargestellt. Die
prognostizierten und tatsächlichen Umsatzanteile in Europa zeigt Tabelle I.2, Tabelle I.3 enthält
die entsprechenden Informationen in bezug auf die Wertschöpfungsanteile. Im allgemeinen sind
die Unterschiede zwischen den tatsächlichen und den prognostizierten Anteilen auf EuropaEbene (im absoluten Sinn) geringer als ¼ Prozentpunkt. In vielen Fällen sind die Schätzergebnisse für a und b signifikant von 1 bzw. 0 verschieden, dennoch sind diese Unterschiede sehr
klein. Sie resultieren lediglich aus dem sehr geringen Standardfehler der Regression. Daraus kann
die Schlußfolgerung gezogen werden, daß SEAS eine gute Beschreibung der Entwicklung der
Größenklassenstruktur des privaten nicht-primären Unternehmenssektors liefert.
Tabelle I.1 Regressionsergebnisse für die tatsächlichen und prognostizierten Beschäftigungsanteile (in Klammern: t-Werte für die Signifikanz in bezug auf die
Hypothesen-Werte)
Wirtschaftssektoren
Kleinst
Kleine
Mittlere
Große
Länder
Kleinst
Kleine
Mittlere
Große
α
β (%)
1,01
(3,1)
1,00
(1,3)
1,00
(0,4)
1,00
(1,2)
-0,05
(0,8)
-0,02
(0,5)
-0,02
(1,3)
-0,18
(1,9)
**
0,99
**
0,99
**
0,99
**
0,99
0,58
(1,3)
0,11
(0,4)
0,11
(1,5)
0,18
(0,4)
**
0,99
**
0,99
**
0,99
**
0,99
0,97
(1,98)
1,00
(0,0)
0,96
(1,4)
0,99
(0,4)
* Nicht verschieden von 1 (95 % Signifikanzniveau).
** Nicht verschieden von 0 (95 % Signifikanzniveau).
86
*
*
*
*
*
*
R2adj
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Tabelle I.2 Regressionsergebnisse für die tatsächlichen und prognostizierten
Umsatzanteile (in Klammern: t-Werte für die Signifikanz in bezug auf die
Hypothesen-Werte)
α
Wirtschaftssektoren
Kleinst
Kleine
Mittlere
Große
Länder
Kleinst
Kleine
Mittlere
Große
β (%)
R2adj
1,02
(5,7)
1,00
(1,3)
0,99
(3,0)
1,00
(2,0)
-0,01
(0,1)
* 0,03
(1,0)
0,03
(0,9)
-0,34
(4,1)
**
0.99
**
0.99
**
0.99
0,99
(0,8)
1,01
(1,2)
1,01
(1,8)
1,00
(0,4)
* 0,43
(1,1)
* -0,14
(0,7)
* -0,14
(1,5)
* 0,09
(0,2)
**
0.99
**
0.99
**
0.99
**
0.99
0.99
* Nicht verschieden von 1 (95 % Signifikanzniveau).
** Nicht verschieden von 0 (95 % Signifikanzniveau).
Tabelle I.3 Regressionsergebnisse für die tatsächlichen und prognostizierten
Wertschöpfungsanteile (in Klammern: t-Werte für die Signifikanz in bezug
auf die Hypothesen-Werte)
α
Wirtschaftssektoren
Kleinst
Kleine
Mittlere
Große
Länder
Kleinst
Kleine
Mittlere
Große
1,01
(2,5)
1,00
(0,7)
0,99
(1,3)
1,00
(0,4)
0,99
(0,3)
1,00
(0,3)
0,95
(1,95)
0,99
(0,7)
β (%)
*
*
*
*
*
*
*
0,03
(0,2)
0,02
(0,5)
0,02
(0,2)
-0,17
(1,2)
0,44
(0,8)
-0,01
(0,0)
-0,01
(1,5)
0,30
(0,4)
R2adj
**
0,99
**
0,99
**
0,99
**
0,99
**
0,99
**
0,99
**
0,99
**
0,99
* Nicht verschieden von 1 (95 % Signifikanzniveau).
** Nicht verschieden von 0 (95 % Signifikanzniveau).
87
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Anhang II:
Definition der
Wirtschaftssektoren
NACE-Code
Wirtschaftssektor
(Unter)Abschnitt
Bergbau (inkl. Energieversorgung)
C, E
• Gewinnung energieerzeugender Materialien
CA
— Kohlenbergbau und Torfgewinnung
— Gewinnung von Erdöl und Erdgas
• Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger
Bergbau
10
11
CB
— Erzbergbau
— Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau
• Energie- und Wasserversorgung
13
14
E
— Energieversorgung
— Wasserversorgung
40
41
Verarbeitendes Gewerbe
D
• Ernährungsgewerbe und Tabakverarbeitung
DA
— Ernährungsgewerbe
— Tabakverarbeitung
• Textil- und Bekleidungsgewerbe
Abteilung
15
16
DB
— Textilgewerbe
— Bekleidungsgewerbe
17
18
• Ledergewerbe
DC
19
• Holzgewerbe
DD
20
• Papier-, Verlags- und Druckgewerbe
DE
— Papiergewerbe
— Verlags- und Druckgewerbe, Vervielfältigung von
bespielten Ton-, Bild- und Datenträgern
21
22
• Kokerei, Mineralölverarbeitung, Herstellung und Verarbeitung
von Spalt- und Brutstoffen
DF
23
• Chemische Industrie
DG
24
• Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren
DH
25
• Glasgewerbe, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden
DI
26
• Metallerzeugung und -bearbeitung, Herstellung
von Metallerzeugnissen
DJ
— Metallerzeugung und -bearbeitung
— Herstellung von Metallerzeugnissen
27
28
• Maschinenbau
DK
• Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten
und -einrichtungen; Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik
DL
— Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten
und -einrichtungen
— Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung,
-verteilung u. ä.
29
30
31
Fortsetzung
88
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Fortsetzung
NACE-code
Wirtschaftssektor
(Unter)Abschnitt
— Rundfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik
— Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik
• Fahrzeugbau
Abteilung
32
33
DM
— Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen
— Sonstiger Fahrzeugbau
• Herstellung von Möbeln, Schmuck, Musikinstrumenten,
Sporteräten, Spielwaren und sonstigen Erzeugnissen; recycling
34
35
DN
— Herstellung von Möbeln, Schmuck, Musikinstrumenten,
Sportgeräten, Spielwaren und sonstigen Erzeugnissen
— Recycling
36
37
Baugewerbe
F
45
Handelsvermittlung und Großhandel
G
51
Einzelhandel (inkl. Fahrzeuge und Reparatur)
G
50,52
• Kraftfahrzeughandel; Instandhaltung und Reparatur
von Kraftfahrzeugen; Tankstellen
50
• Einzelhandel; Reparatur von Gebrauchsgütern
52
Verkehr und Nachrichtenübermittlung
I
• Landverkehr; Transport in Rohrfernleitungen
60
• Schiffahrt
61
• Luftfahrt
62
• Hilfs- und Nebentätigkeiten für den Verkehr; Verkehrsvermittlung
63
• Nachrichtenübermittlung
64
Unternehmensbezogene Dienstleistungen
J, K
• Kredit- und Versicherungsgewerbe
J
— Kreditgewerbe
— Versicherungsgewerbe
— Mit dem Kredit- und Versicherungsgewerbe verbundene Tätigkeiten
65
66
67
• Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen,
Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen K
—
—
—
—
—
Grundstücks- und Wohnungswesen
Vermietung beweglicher Sachen ohne Bedienungspersonal
Datenverarbeitung und Datenbanken
Forschung und Entwicklung
Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen
70
71
72
73
74
Konsumentenbezogene Dienstleistungen
H, N, O
• Gastgewerbe
H
55
• Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen
N
85
• Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen
Dienstleistungen
O
—
—
—
—
Abwasser- und Abfallbeseitigung und sonstige Entsorgung
Interessenvertretungen sowie kirchliche und sonstige religiöse Vereinigungen
Kultur, Sport und Unterhaltung
Erbringung von sonstigen Dienstleistungen
90
91
92
93
89
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Anhang III:
In Abschnitt 1.4 verwendete
Daten
Daten zum Handwerk (Abschnitt 1.4.1)
Quellen der Daten zur Unternehmenszahl
Österreich
Österreichisches Institut für Gewerbe- and Handelsforschung (IfGH)
Finnland
Käsiteollisuuden luonne, ongelmat ja toimenpide-ehdotuksia: työryhmän
muistio (Wesen und Probleme des Handwerkssektors und Maßnahmenvorschläge), Helsinki, 1995;
Pk-yritysbarometri 2/1998 (Barometer für den finnischen KMU-Sektor
2/1998); KTM, Kauppa- ja teollisuusminiteriö tutkimuksia ja raporteja
16/1998
Deutschland
Statistisches Bundesamt; Zentralverband des Deutschen Handwerks
Island
National Economic Institute
Liechtenstein
Amt für Volkswirtschaft
Luxemburg
Handwerkskammer
Frankreich
Minister für KMU, Handwerk und Handel, ausgenommen 1998: APCM
Italien
Infocamere; Movimprese
Niederlande
EIM Small Business Research and Consultancy
Spanien
Fundacion Espanola para el Fomento de la Artesania, IKEI
Irland
ESRI, Central Statistics Office
Schweiz
Bundesamt für Statistik
Ver. Königreich
Department of Trade and Industry
Quellen der Daten zur Beschäftigung
90
Österreich
Österreichisches Institut für Gewerbe- and Handelsforschung (IfGH)
Finnland
Käsityöyritysten tila. Vuoden 1998 barometri. (Die Lage des Handwerkssektors. Barometer für das Jahr 1998; Käsi- ja taideteollisuusliitto ry (Die finnische Handwerksorganisation), Helsinki, 1998
Deutschland
Statistisches Bundesamt; Zentralverband des Deutschen Handwerks
Island
National Economic Institute
Liechtenstein
Amt für Volkswirtschaft
Luxemburg
Handwerkskammer
Frankreich
Minister für KMU, Handwerk und Handel, ausgenommen 1998: APCM
Italien
Infocamere; Movimprese
Niederlande
EIM Small Business Research and Consultancy
Spanien
Fundacion Espanola para el Fomento de la Artesania, IKEI
Irland
ESRI, Central Statistics Office
Schweiz
Bundesamt für Statistik
Ver. Königreich
Department of Trade and Industry
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Daten zur Sozialwirtschaft (Abschnitt 1.4.2)
Anmerkung: Alle Daten wurden von den ENSR-Partnern aufbereitet. Wie ersichtlich, mußten in
vielen Ländern für die verschiedenen Jahre unterschiedliche Quellen herangezogen werden,
wodurch die Analyse zeitlicher Entwicklungen bedauerlicherweise beeinträchtigt wird.
Quellen der Daten zur Unternehmenszahl
Österreich
1994,
1998,
ÖSTAT: Statistisches Jahrbuch für die Republik Österreich, diverse
Ausgaben; die Daten zu Genossenschaften beziehen sich ausschließlich auf die Mitglieder von 4 NUOs; Vereine beinhalten auch Organisationen ohne Beschäftigte; keine Informationen zur Beschäftigung in Vereinen verfügbar; die für 1994 ausgewiesenen Daten für
Gegenseitigkeitsgesellschaften beziehen sich auf 1993; die für 1998
ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1997
Belgien
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Daten zu Genossenschaften: Belgian National Institute for Statistics,
1996; Gegenseitigkeitsgesellschaften: Craydon, 1996; S. Mertens, S.
Adam, J. Defourny, M. Marée, I. Vandeputte: De private non-profit
sector in België (Der private Non-profit Sektor in Belgien), Mai
1999; diese Daten beziehen sich auf 1995
1994
Genossenschaften: Danish Statistics: General erhvervsstatistik og
handel 1995:5 und 1995:8; Gegenseitigkeitsgesellschaften: Dansk
Forsikrings Arbog 1995; die für 1994 ausgewiesenen Daten
beziehen sich auf 1993
Dänemark
Finnland
Frankreich
Deutschland
Griechenland
Irland
und
Suomen patentti- jarekisterihallitus (Nationaler Rat für Patente und
Registratur), 1999
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
und
1994
Genossenschaften und Vereine: INSEE (Fichier SIRENE, 1996; die
Daten beziehen sich auf 1996); Daten zu Gegenseitigkeitsgesellschaften: GEMA, CNCMA, FNMF, MSA
1990
Eurostat:
Genossenschaften,
Gegenseitigkeitsgesellschaften
und
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996 (ohne Neue Bundesländer)
1994
DG Bank: Die deutschen Genossenschaften 1994 (Bericht)
1998
DG Bank: Die deutschen Genossenschaften 1998 (Bericht)
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1998
Department of Land Planning Engineers and Regional Development
(Thessalia University): Establishment and organisation of a national
union of Social Economy Organisations (Aufbau und Organisation
einer nationalen Vereinigung sozialwirtschaftlicher Organisationen),
Forschungsprojekt über Mitglieder und Aktivitäten in der griechischen Sozialwirtschaft und Entwicklung einer Datenbank, Volume A
(die Daten beziehen sich auf 1997)
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
(Die Daten beziehen sich auf 1995): erfaßte Genossenschaften
beschränken sich auf Mitglieder folgender NUOs: ILCU, ICOS, CDS,
IFWC, NABC; gemeinnütziger Sektor: Mitglieder von IBSA, ICSH
1998
Erfaßte Genossenschaften beschränken sich auf Mitglieder folgender
NUOs: ILCU, ICOS, CDS, IFWC, NABC; gemeinnütziger Sektor:
Mitglieder von IBSA, ICSH
und
und
91
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Italien
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
A. Prattichizzo, Universita Cattolica del Sacro Cuore, Piacenza, 1996;
die Daten beziehen sich auf folgende NUOs: UNCI, CCI, LEGA,
AGCI
1998
Italienisches Arbeitsministerium; IREF: L’imprenditorialità Solidale
(Rom, 1998); die Daten beziehen sich auf 1996
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften: STATEC; Gegenseitigkeitsgesellschaften: Higher
Council of Mutuals
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Register der Handelskammern
1998
P.H.M. Ruys: The enterprises and organisations of the Third System:
a strategic challenge for employment (Die Unternehmen und Organisationen des Dritten Sektors: eine strategische Herausforderung
für die Beschäftigung), National Report The Netherlands, Tilburg
University, September 1999; die Daten beziehen sich auf 1997
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften: IINSCCP; Gegenseitigkeitsgesellschaften und
Gemeinnützige Organisationen: Estrutura Empresarial, 1993; Datenbank des Ministeriums für Beschäftigung (alle Daten beziehen sich
auf 1993)
1990
Barea & Monzón: Las Cifras Clave de la Economica Social en España
(Schlüsselzahlen der Sozialwirtschaft in Spanien; CIRIEC-España,
Madrid, 1993)
1994
Confederación Empreserial Española (CEPES), auf Basis von Daten
des Arbeitsministeriums (Daten beziehen sich auf 1995 und beinhalten Gesellschaften mit beschränkter Haftung)
Schweden
1994
Genossenschaften: KOOPI (Daten beziehen sich auf 1995);
Gemeinnützige Organisationen: F. Wijkström (Stockholm Business
School; Daten beziehen sich auf 1992)
Vereinigtes
Königreich
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1998
UK Co-operative Union; UK Social Economy Forum; Charity
Commission
Luxemburg
Niederlande
Portugal
Spanien
Island
und
und
und
und
K. Sigurröson: The co-operative college of Iceland (Das Genossenschafts-Kolleg von Island), 1996
Liechtenstein
1994
Genossenschaften: Betriebszählung 1985, angepaßt für 1994;
Gemeinnützige Organisationen: auf Basis einer Vereinsliste, 1995;
Gegenseitigkeitsgesellschaften: IGW
Norwegen
1994
Statistics Norway
1998
Statistics Norway (Daten beziehen sich auf 1996)
1990
Genossenschaften: Statistisches Jahrbuch (SHAB)
1994
Genossenschaften: Statistisches Jahrbuch (SHAB)
Schweiz
92
und
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Quellen der Daten zur Beschäftigung
Österreich
1994,
1998
ÖSTAT: Statistisches Jahrbuch für die Republik Österreich, diverse
Ausgaben; die Daten zu Genossenschaften beziehen sich ausschließlich auf die Mitglieder von 4 NUOs; Vereine beinhalten auch Organisationen ohne Beschäftigte; keine Informationen zur Beschäftigung in Vereinen verfügbar; die für 1994 ausgewiesenen Daten für
Gegenseitigkeitsgesellschaften beziehen sich auf 1993; die für 1998
ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1997
Belgien
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften: Belgian National Institute for Statistics, 1996;
Gegenseitigkeitsgesellschaften: Craydon, 1996; S. Mertens, S.
Adam, J. Defourny, M. Marée, I. Vandeputte: De private non-profit
sector in België (Der private Non-profit Sektor in Belgien), Mai
1999; diese Daten beziehen sich auf 1995
Dänemark
1994
Genossenschaften: Danish Statistics: General erhvervsstatistik og
handel 1995:5 und 1995:8; Gegenseitigkeitsgesellschaften: Dansk
Forsikrings Arbog 1995; die für 1994 ausgewiesenen Daten
beziehen sich auf 1993
Finnland
1991
Hietala, Kari: Kolmas sektori potentiaalisena työllistäjänä (Der Dritte
Sektor als potentieller Arbeitgeber), Helsinki, 1997
1994
Helander, Voitto: Kolmas sektori: Käsiteistöstä, ulottuvuuksista ja
tulkinnoita (Der Dritte Sektor: Terminologie, Dimensionen und
Interpretationen), Saarijärvi, 1998
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften und Vereine: INSEE (Fichier SIRENE, 1996; die
Daten beziehen sich auf 1996); Daten zu Gegenseitigkeitsgesellschaften: GEMA, CNCMA, FNMF, MSA
1990
1990: Eurostat: The co-operative, mutual and non-profit sector in
the European Union, 1996 (excluding Neue Bundesländer)
1994
DG Bank: Die deutschen Genossenschaften 1994 (Bericht)
1998
DG Bank: Die deutschen Genossenschaften 1998 (Bericht); E. Priller,
A. Zimmer, H.K. Anheier: Der dritte Sektor in Deutschland, in: Aus
Politik und Zeitgeschichte, B9/99
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1998
Department of Land Planning Engineers and Regional Development
(Thessalia University): Establishment and organisation of a national
union of Social Economy Organisations (Aufbau und Organisation
einer nationalen Vereinigung sozialwirtschaftlicher Organisationen),
Forschungsprojekt über Mitglieder und Aktivitäten in der griechischen Sozialwirtschaft und Entwicklung einer Datenbank, Volume A
(die Daten beziehen sich auf 1997)
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
(Die Daten beziehen sich auf 1995): erfaßte Genossenschaften
beschränken sich auf Mitglieder folgender NUOs: ILCU, ICOS, CDS,
IFWC, NABC; gemeinnütziger Sektor: Mitglieder von IBSA, ICSH
1998
Erfaßte Genossenschaften beschränken sich auf Mitglieder folgender
NUOs: ILCU, ICOS, CDS, IFWC, NABC; gemeinnütziger Sektor:
Mitglieder von IBSA, ICSH
Frankreich
Deutschland
Griechenland
Irland
und
und
und
und
93
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Italien
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
A. Prattichizzo, Universita Cattolica del Sacro Cuore, Piacenza, 1996;
die Daten beziehen sich auf folgende NUOs: UNCI, CCI, LEGA, AGCI
1998
Legacoop und Confcooperative (die Daten beziehen sich auf 1997);
L’imprenditorialità Solidale (Rom, 1998; die Daten beziehen sich auf
1996)
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften: STATEC; Gegenseitigkeitsgesellschaften: Higher
Council of Mutuals
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Register der Handelskammern
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften: IINSCCP; Gegenseitigkeitsgesellschaften und
Gemeinnützige Organisationen: Estrutura Empresarial, 1993; Datenbank des Ministeriums für Beschäftigung (alle Daten beziehen sich auf
1993)
1990
Barea & Monzón: Las Cifras Clave de la Economica Social en España
(Schlüsselzahlen der Sozialwirtschaft in Spanien; CIRIEC-España,
Madrid, 1993)
1994
Confederación Empreserial Española (CEPES), auf Basis von Daten
des Arbeitsministeriums (Daten beziehen sich auf 1995 und beinhalten Gesellschaften mit beschränkter Haftung)
Schweden
1994
Genossenschaften: KOOPI (Daten beziehen sich auf 1995);
Gemeinnützige Organisationen: F. Wijkström (Stockholm Business
School; Daten beziehen sich auf 1992)
Vereinigtes
Königreich
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1998
UK Co-operative Union; UK Social Economy Forum; Charity
Commission
Luxemburg
Niederlande
Portugal
Spanien
Island
und
und
und
und
K. Sigurröson: The co-operative college of Iceland (Das Genossenschafts-Kolleg von Island), 1996
Liechtenstein
1994
Gegenseitigkeitsgesellschaften: IGW
Norwegen
1994
Statistics Norway
1998
Statistics Norway (Daten beziehen sich auf 1996)
1990
Genossenschaften: Statistisches Jahrbuch (SHAB)
1994
Genossenschaften: Statistisches Jahrbuch (SHAB)
Schweiz
und
Quellen der Daten zu den Mitgliedern
Österreich
94
1994,
1998
ÖSTAT: Statistisches Jahrbuch für die Republik Österreich, diverse
Ausgaben; die Daten zu Genossenschaften beziehen sich ausschließlich auf die Mitglieder von 4 NUOs; Vereine beinhalten auch Organisationen ohne Beschäftigte; keine Informationen zur Beschäftigung in Vereinen verfügbar; die für 1994 ausgewiesenen Daten für
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Gegenseitigkeitsgesellschaften beziehen sich auf 1993; die für 1998
ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1997
Belgien
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
KMO; Daten zu Genossenschaften: Belgian National Institute for Statistics, 1996; Gegenseitigkeitsgesellschaften und Vereine: Craydon,
1996
Dänemark
1994
Genossenschaften: Danish Statistics: General erhvervsstatistik og
handel 1995:5 und 1995:8; Gegenseitigkeitsgesellschaften: Dansk
Forsikrings Arbog 1995; die für 1994 ausgewiesenen Daten
beziehen sich auf 1993
Finnland
1991
Hietala, Kari: Kolmas sektori potentiaalisena työllistäjänä (Der Dritte
Sektor als potentieller Arbeitgeber), Helsinki, 1997
1994
Helander, Voitto: Kolmas sektori: Käsiteistöstä, ulottuvuuksista ja
tulkinnoita (Der Dritte Sektor: Terminologie, Dimensionen und
Interpretationen), Saarijärvi, 1998
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften und Vereine: INSEE (Fichier SIRENE, 1996; die
Daten beziehen sich auf 1996); Daten zu Gegenseitigkeitsgesellschaften: GEMA, CNCMA, FNMF, MSA
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften und
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996 (ohne Neue Bundesländer)
1994
DG Bank: Die deutschen Genossenschaften 1994 (Bericht)
1998
DG Bank: Die deutschen Genossenschaften 1998 (Bericht)
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1998
Department of Land Planning Engineers and Regional Development
(Thessalia University): Establishment and organisation of a national
union of Social Economy Organisations (Aufbau und Organisation
einer nationalen Vereinigung sozialwirtschaftlicher Organisationen),
Forschungsprojekt über Mitglieder und Aktivitäten in der griechischen Sozialwirtschaft und Entwicklung einer Datenbank, Volume A
(die Daten beziehen sich auf 1997)
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
(Die Daten beziehen sich auf 1995): erfaßte Genossenschaften
beschränken sich auf Mitglieder folgender NUOs: ILCU, ICOS, CDS,
IFWC, NABC; gemeinnütziger Sektor: Mitglieder von IBSA, ICSH
1998
Erfaßte Genossenschaften beschränken sich auf Mitglieder folgender
NUOs: ILCU, ICOS, CDS, IFWC, NABC; gemeinnütziger Sektor:
Mitglieder von IBSA, ICSH
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
A. Prattichizzo, Universita Cattolica del Sacro Cuore, Piacenza, 1996;
die Daten beziehen sich auf folgende NUOs: UNCI, CCI, LEGA, AGCI
1998
Legacoop und Confcooperative (die Daten beziehen sich auf 1997)
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
Frankreich
Deutschland
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
und
und
und
und
und
und
95
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
1994
Genossenschaften: STATEC; Gegenseitigkeitsgesellschaften: Higher
Council of Mutuals
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Register der Handelskammern
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften: IINSCCP; Gegenseitigkeitsgesellschaften und
Gemeinnützige Organisationen: Estrutura Empresarial, 1993; Datenbank
des Ministeriums für Beschäftigung (alle Daten beziehen sich auf 1993)
1990
Barea & Monzón: Las Cifras Clave de la Economica Social en España
(Schlüsselzahlen der Sozialwirtschaft in Spanien; CIRIEC-España,
Madrid, 1993)
1994
Confederación Empreserial Española (CEPES), auf Basis von Daten
des Arbeitsministeriums (Daten beziehen sich auf 1995 und beinhalten Gesellschaften mit beschränkter Haftung)
Schweden
1994
Genossenschaften: KOOPI (Daten beziehen sich auf 1995);
Gemeinnützige Organisationen: F. Wijkström (Stockholm Business
School; Daten beziehen sich auf 1992)
Vereinigtes
Königreich
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1998
UK Co-operative Union; UK Social Economy Forum; Charity
Commission
Niederlande
Portugal
Spanien
Island
und
und
K. Sigurröson: The co-operative college of Iceland (Das Genossenschafts-Kolleg von Island), 1996
Liechtenstein
1994
Gegenseitigkeitsgesellschaften: IGW
Norwegen
1994
Statistics Norway
1998
Statistics Norway (Daten beziehen sich auf 1996)
1990
Genossenschaften: Statistisches Jahrbuch (SHAB)
1994
Genossenschaften: Statistisches Jahrbuch (SHAB)
Schweiz
und
Quellen der Daten zum wirtschaftlichen Umfang
96
Österreich
1994,
1998
Belgien
1990
ÖSTAT: Statistisches Jahrbuch für die Republik Österreich, diverse
Ausgaben; die Daten zu Genossenschaften beziehen sich ausschließlich auf die Mitglieder von 4 NUOs; Vereine beinhalten auch Organisationen ohne Beschäftigte; die für 1994 ausgewiesenen Daten für
Gegenseitigkeitsgesellschaften beziehen sich auf 1993; die für 1998
ausgewiesenen Daten beziehen sich auf 1997
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften und
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften: Belgian National Institute for Statistics, 1996;
Gegenseitigkeitsgesellschaften und Vereine: Craydon, 1996
Dänemark
1994
Genossenschaften: Danish Statistics: General erhvervsstatistik og
handel 1995:5 und 1995:8; Gegenseitigkeitsgesellschaften: Dansk
Forsikrings Arbog 1995; die für 1994 ausgewiesenen Daten
beziehen sich auf 1993
Finnland
1994
Helander, Voitto: Kolmas sektori: Käsiteistöstä, ulottuvuuksista ja
tulkinnoita (Der Dritte Sektor: Terminologie, Dimensionen und
Interpretationen), Saarijärvi, 1998
Situation und Entwicklung der KMU in Europa-19
Frankreich
Deutschland
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Portugal
Spanien
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
und
1994
Genossenschaften und Vereine: INSEE (Fichier SIRENE, 1996; die
Daten beziehen sich auf 1996); Daten zu Gegenseitigkeitsgesellschaften: GEMA, CNCMA, FNMF, MSA
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften und
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996 (ohne Neue Bundesländer)
1994
DG Bank: Die deutschen Genossenschaften 1994 (Bericht) (einschließlich Neue Bundesländer)
1998
DG Bank: Die deutschen Genossenschaften 1998 (Bericht) (einschließlich Neue Bundesländer)
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1998
Department of Land Planning Engineers and Regional Development
(Thessalia University): Establishment and organisation of a national
union of Social Economy Organisations (Aufbau und Organisation
einer nationalen Vereinigung sozialwirtschaftlicher Organisationen),
Forschungsprojekt über Mitglieder und Aktivitäten in der griechischen Sozialwirtschaft und Entwicklung einer Datenbank, Volume A
(die Daten beziehen sich auf 1997)
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
(Die Daten beziehen sich auf 1995): erfaßte Genossenschaften
beschränken sich auf Mitglieder folgender NUOs: ILCU, ICOS, CDS,
IFWC, NABC; gemeinnütziger Sektor: Mitglieder von IBSA, ICSH
1998
Erfaßte Genossenschaften beschränken sich auf Mitglieder folgender
NUOs: ILCU, ICOS, CDS, IFWC, NABC; gemeinnütziger Sektor:
Mitglieder von IBSA, ICSH
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
A. Prattichizzo, Universita Cattolica del Sacro Cuore, Piacenza, 1996;
die Daten beziehen sich auf folgende NUOs: UNCI, CCI, LEGA, AGCI
1998
Legacoop und Confcooperative (die Daten beziehen sich auf 1997)
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften: STATEC; Gegenseitigkeitsgesellschaften: Higher
Council of Mutuals
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Register der Handelskammern
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1994
Genossenschaften: Instituto António Sérgio para o Sector Cooperativo (INSCCP); Gegenseitigkeitsgesellschaften und Gemeinnützige
Organisationen: Estrutura Empresarial, 1993; Datenbank des Ministeriums für Beschäftigung (alle Daten beziehen sich auf 1993)
1990
Barea & Monzón: Las Cifras Clave de la Economica Social en España
(Schlüsselzahlen der Sozialwirtschaft in Spanien; CIRIEC-España,
Madrid, 1993)
und
und
und
und
und
und
97
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
1994
Confederación Empreserial Española (CEPES), auf Basis von Daten
des Arbeitsministeriums (Daten beziehen sich auf 1995 und beinhalten Gesellschaften mit beschränkter Haftung)
Schweden
1994
Genossenschaften: KOOPI (Daten beziehen sich auf 1995);
Gemeinnützige Organisationen: F. Wijkström (Stockholm Business
School; Daten beziehen sich auf 1992)
Vereinigtes
Königreich
1990
Eurostat: Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften
gemeinnützige Einrichtungen in der EU, 1996
1998
UK Co-operative Union; UK Social Economy Forum; Charity
Commission
Island
98
K. Sigurröson: The co-operative college of Iceland (Das Genossenschafts-Kolleg von Island), 1996
Liechtenstein
1994
Gegenseitigkeitsgesellschaften: IGW
Norwegen
1994
Statistics Norway
1998
Statistics Norway (Daten beziehen sich auf 1996)
1990
Genossenschaften: Statistisches Jahrbuch (SHAB)
1994
Genossenschaften: Statistisches Jahrbuch (SHAB)
Schweiz
und
TEIL II DAS UNTERNEHMENSUMFELD UND DAS
VERHALTEN
DER KMU
2
Die Funktionsweise der Märkte für
Waren und Dienstleistungen
Koordination: EIM Small Business Research and Consultancy
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE
• Regulierungsreformen können sich auf unterschiedliche Gruppen von Unternehmen unterschiedlich auswirken, demnach können Regulierungsreformen auch
unterschiedliche Auswirkungen auf kleine und große Unternehmen haben.
• Spezifische Auswirkungen von Regulierungsreformen für KMU sind: Regulierungen können eine ihrer Stärken, die Flexibilität, einschränken; Regulierungen
können zu administrativen Belastungen führen, die für KMU überproportional
hoch sind; KMU sind mit schlechter qualifizierten Mitbewerbern konfrontiert,
wenn die Marktzutrittsbarrieren gesenkt werden, so daß Selbst-Regulierung
notwendig wird; oft sind Fusionen und Unternehmensübernahmen die Folge,
so daß KMU größeren Unternehmen mit mehr Marktmacht gegenüberstehen.
Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten für Einzelhandelsgeschäfte (Fallstudie einer kürzlich
durchgeführten Deregulierung)
• Die meisten Länder des EWR und der Schweiz deregulierten die Ladenöffnungszeiten für den Einzelhandel, einige Länder regulierten die bereits relativ
freien Öffnungszeiten.
• Die meisten Veränderungen haben im Lebensmittelbereich stattgefunden, in
dem sich das Wettbewerbsmuster stark geändert hat. Die Restrukturierung ist
noch nicht abgeschlossen.
• Große Geschäfte profitieren am meisten, kleine Betriebe leiden. Die Deregulierung scheint die Verringerung des Marktanteils von KMU zu beschleunigen.
• Einige wenige Länder fördern kleine Lebensmittelgeschäfte, indem sie ihnen
längere Öffnungszeiten ermöglichen als anderen Betrieben.
• In den meisten Ländern hat die Regulierungsreform im Bereich der Ladenöffnungszeiten, die eine Verbesserung der Konsumentenwohlfahrt zum Ziel hatte,
KMU negativ betroffen.
Öffnung des Marktes für das öffentliche Beschaffungswesen (Fallstudie einer kürzlich durchgeführten Regulierung)
• Ein Drittel der KMU innerhalb des EWR und der Schweiz ist über die Möglichkeiten öffentlicher Ausschreibungen für Unternehmen wie das ihrige informiert.
Ein Drittel sieht auch mehr Chancen durch die Öffnung des Marktes für das
öffentliche Auftragswesen.
• Ein beträchtlicher Teil der öffentlichen Ausschreibungen wird von europäischen
KMU gewonnen.
• Trotz der bereits getroffenen Maßnahmen gibt es nach wie vor zahlreiche
Barrieren für KMU.
101
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
• Der Mangel an Information ist das größte Problem, jedoch erscheint diese
Barriere weniger bedeutend, wenn ein Großteil der Beschäftigten in einem
Unternehmen direkten Zugang zum Internet hat.
• Sobald die Informationslücke geschlossen ist, treten andere Hindernisse auf: Die
Projekte sind zu groß für KMU, hohe administrative Belastungen und hohe
Kosten für die Erstellung eines Angebots.
2.1
Einleitung
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Regulierungsreformen
auf KMU. Im allgemeinen lassen sich drei Arten von Regulierungen unterscheiden:
wirtschaftliche, soziale und administrative1. Soziale Regulierungen schützen öffentliche Interessen wie Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und sozialen Zusammenhalt.
Administrative Regulierungen, die Schreibarbeiten und Verwaltungstätigkeiten
einschließen, sind Verfahren, durch die die Regierungen Informationen sammeln
und in individuelle wirtschaftliche Entscheidungen eingreifen können2. Sowohl
soziale als auch administrative Regulierungen wurden bereits in früheren Berichten
des Beobachtungsnetzes behandelt. Dieses Kapitel beschäftigt sich ausschließlich
mit wirtschaftlichen Regulierungen. Wirtschaftliche Regulierungen haben direkte
Auswirkungen auf Marktentscheidungen wie z. B. Preissetzung, Wettbewerb,
Marktzutritt oder -austritt. Wirtschaftliche Reformen zielen auf eine Steigerung der
ökonomischen Effizienz durch eine Reduzierung der Wettbewerbs- und Innovationsbarrieren ab, oft durch Deregulierung und effizienzfördernde Regelungen,
sowie durch eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für das Funktionieren und den Zugang zu Märkten3. In diesem Zusammenhang bezieht sich
der Begriff Deregulierung auf die Abschaffung von spezifischen Regulierungen.
Unangemessene Regulierungsmaßnahmen führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu
höheren Preisen, Fehlallokation von Ressourcen, höheren Kosten, Mangel an
Produktinnovation und schlechter Dienstleistungsqualität4.
Dieses Kapitel betrachtet die spezifischen Auswirkungen von Marktregulierungen
oder Deregulierungen auf KMU. Im einzelnen werden die folgenden Fragestellungen untersucht:
1. Was sind die Auswirkungen von Regulierungsreformen auf Betriebe im allgemeinen, und auf KMU im besonderen?
2. Welche Auswirkungen haben aktuelle Regulierungs- und Deregulierungsmaßnahmen auf KMU? Diese Frage wird anhand von zwei Fallstudien beantwortet.
3. Welche Schlußfolgerungen können für zukünftige politische Maßnahmen
gezogen werden?
1
OECD, Regulation and industrial competitiveness: a perspective for regulatory reform
(Regulierung und industrielle Wettbewerbsfähigkeit: Eine Perspektive für Regulierungsreformen), OECD Working Paper No. 74, Paris, 1997.
2
OECD, The OECD Report on regulatory reform: Synthesis Report (Der OECD Bericht zur
Regulierungsreform: Synthese), Paris, 1997.
3
Europäische Kommission, Wirtschaftsreform: Bericht über die Funktionsweise der
gemeinschaftlichen Produkt- und Kapitalmärkte, Von der Kommission vorgelegt, nach
Aufforderung durch den Europäischen Rat von Cardiff, KOM(99) 10 endg.; OECD, The
OECD Report on regulatory reform: Synthesis Report (Der OECD Bericht zur Regulierungsreform: Synthese), Paris, 1997.
4
OECD, The economy-wide effects of regulatory reform (Die gesamtwirtschaftlichen
Auswirkungen von Regulierungsreformen), Paris, 1997.
102
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
2.2 Auswirkungen von Regulierungsreformen
Regulierungsreformen können verschiedene Auswirkungen auf die Wirtschaft als
Ganzes, auf die Privatwirtschaft und auf KMU im besonderen haben. In diesem
Abschnitt werden diese verschiedenen Auswirkungen kurz diskutiert.
2.2.1 Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum
Es ist heutzutage weitgehend anerkannt, daß gut funktionierende Märkte für
Waren und Dienstleistungen zum Wirtschaftswachstum beitragen. Im Rahmen
einer empirischen Studie1 wurden Daten aus 11 europäischen Ländern herangezogen, um zu zeigen, daß eine Deregulierung sowohl der Waren- und Dienstleistungsmärkte als auch der Arbeitsmärkte positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum hat2. Die Deregulierung der Warenmärkte hat die größten
Auswirkungen: Ihr Einfluß auf das Wachstum ist etwa doppelt so groß wie der
einer Deregulierung der Arbeitsmärkte, und ihre statistische Signifikanz ist deutlicher. Folglich sind dynamische Warenmärkte ein wichtiger Faktor für eine gut funktionierende Wirtschaft.
Von Regulierungsreformen wird sowohl eine Verbesserung der statischen Effizienz
(Ressourcenallokation) als auch der dynamischen Effizienz (Innovation, neue
Produkte und Dienstleistungen) erwartet. In den USA werden bereits seit Jahrzehnten Regulierungsreformen durchgeführt. Die langfristigen Auswirkungen von
Regulierungsreformen in einigen Wirtschaftssektoren wurden genau untersucht.
Studien3 gelangen zu dem Schluß, daß sowohl Konsumenten als auch Produzenten von der Kombination aus gestiegenem Wettbewerb, verbesserter Produktivität, neuer Produkt- und Prozeßinnovationen, neuer Marktchancen und einem
beachtlichen Preisdruck profitiert haben. Es scheint eindeutig, daß sowohl die statische als auch die dynamische Effizienz gestiegen sind.
Eine Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen von Regulierungsreformen durch
die OECD4 zeigt, daß diese zu zusätzlichen (im Sinn von anderen Faktoren nicht
zuschreibbaren) Produktivitätssteigerungen führen. Die Auswirkungen auf das BIP
sind positiv, jene auf die Beschäftigung sind beinahe Null (obwohl der Arbeitskräfteumschlag dynamischer wird) und die Reallöhne steigen.
2.2.2 Auswirkungen auf die Unternehmen
Regulierungsreformen scheinen auf der makroökonomischen Ebene von Vorteil zu
sein, was für Auswirkungen haben sie aber auf die privaten Unternehmen? Regulierungsreformen können die Wettbewerbsposition privater Unternehmen auf
1
Koedijk, K., und J.J.M. Kremers, Market opening, regulation and growth in Europe
(Marktöffnung, Regulierung und Wachstum in Europa), Economic Policy, 23, 1996, 443467.
2
Dieses Ergebnis wird von einer Studie bestätigt, die statistische Modelle von 9 Ländern
vergleicht: Bergeijk, Peter van, Marktwerking en de macro-economie (Wettbewerb und die
Gesamtwirtschaft), Tijdschrift voor Politieke Ekonomie, 20, 2, 1997, 44-56.
3
Winston, Clifford, Economic deregulation: days of reckoning for micro economists (Wirtschaftliche Deregulierung: Tage der Abrechnung für Mikroökonomen), Journal of Economic
Literature, 1993, 1263-1289; Winston, Clifford, US industry adjustment to economic deregulation (Anpassung der US Industrie an wirtschaftliche Deregulierung), Journal of
Economic Perspectives, 12, 3, 1998, 89-110.
4
OECD, The OECD report on regulatory reform: Vol II – Thematic studies (Der OECD
Bericht zur Regulierungsreform: Bd. II – Thematische Studien), Paris, 1997.
103
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
unterschiedliche Arten beeinflussen. Sie können einen Einfluß auf den Marktzutritt
von Unternehmen (z. B. durch die Abschaffung von Berechtigungen), auf die Preissetzung (z. B. durch eine Liberalisierung der Preise), auf ihre Innovativität (z. B.
durch europäische Produktbestimmungen und Standardisierungen), auf ihre
Kosten (z. B. durch die Liberalisierung von Telekommunikations- und Energiepreisen) und auf ihren Umsatz (z. B. durch die Regulierung des öffentlichen
Beschaffungswesens) haben. Abhängig von der entsprechenden Regulierung oder
Deregulierung und der Stellung des Unternehmens im Markt können diese Auswirkungen positiv oder negativ für das Unternehmen sein.
Allerdings zielen nicht alle Regulierungen oder Deregulierungen auf eine Verbesserung der Wohlfahrt der Produzenten ab. Es gibt auch Regulierungen und Deregulierungen, die eine Stimulierung der Wohlfahrt der Konsumenten und des Wirtschaftswachstums im allgemeinen zum Ziel haben, wie beispielsweise die Liberalisierung
der Ladenöffnungszeiten. Solche Regulierungen oder Deregulierungen könnten, vor
allem kurzfristig, negative Auswirkungen auf die Unternehmen haben.
2.2.3 Spezifische Auswirkungen auf KMU
Im allgemeinen zielen Regulierungsreformen darauf ab, Hindernisse zu verringern, die Markttransparenz zu erhöhen, neue Möglichkeiten für Unternehmen
zu schaffen und Markteintritte, das Unternehmertum und das Wachstum von
KMU zu unterstützen. Spezifische Regulierungen und Deregulierungen können
jedoch unterschiedliche Auswirkungen auf große und kleine Unternehmen
haben, die auf dem gleichen Markt agieren. Einige spezifische Auswirkungen für
KMU sind:
• Die OECD stellt fest, daß Regulierungen oft die Wettbewerbsfähigkeit von KMU
hemmen, da die Flexibilität eine der Stärken von KMU darstellt und diese durch
die (unflexible) Regulierung nicht zum Tragen kommt.
• Regulierungen können zu administrativen Belastungen führen, die für KMU
überproportional hoch sind, da die meisten administrativen Belastungen Fixkosten darstellen.
• Eine Senkung der Marktzutrittsbarrieren für Waren- und Dienstleistungsmärkte
(Deregulierung) kann, auf kurze Sicht, negative Auswirkungen für bestehende
KMU haben, da sie mit zusätzlichen und/oder schlechter qualifizierten Konkurrenten konfrontiert werden. Als Reaktion darauf könnten sie sich gezwungen
sehen, Systeme der Selbstregulierung einzuführen.1
• Deregulierung führt oft zu einer Restrukturierung des betroffenen Wirtschaftssektors, im Laufe derer es zu vielen Fusionen und Unternehmensübernahmen
kommt2. Als Folge derartiger Rationalisierungen erhöht sich die Marktkonzentration und KMU stehen größeren Unternehmen mit mehr Markteinfluß
gegenüber als zuvor. Eine mögliche Reaktion von KMU stellt die Suche nach
einer Zusammenarbeit dar, was jedoch beachtliche Transaktionskosten für den
Unternehmer bedeutet.
Da spezifische Regulierungen und Deregulierungen sehr unterschiedliche Effekte
haben können, werden die Auswirkungen von Regulierungsreformen für KMU – im
Vergleich zu großen Unternehmen - anhand zweier Fallstudien genauer beschrieben.
1
De Boer, J. de, Markt, MKB en overheid (Markt, KMU und Regierung), Economisch-Statistische Berichten, 1998, 24-27.
2
De Boer (1998), Winston (1998) und De Jong, H.W., Meer markt, meer welzijn? (Mehr
Markt, mehr Wohlfahrt?), Economisch-Statistische Berichten, Dossier MDW, Juni 1998.
104
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
Die erste Fallstudie beschäftigt sich mit den Folgen einer Deregulierung, die auf eine
Verbesserung der Konsumentenwohlfahrt und auf Wirtschaftswachstum abzielt: die
Liberalisierung der Öffnungszeiten im Einzelhandel. Wie beeinflußt diese Regulierung
Unternehmen im allgemeinen und KMU im besonderen? Die zweite Fallstudie zeigt
die Auswirkungen einer Regulierung, die unter anderem auf eine Verbesserung des
Marktzutritts von Unternehmen und eine Erhöhung der Markttransparenz abzielt: die
Öffnung des Marktes für das öffentliche Auftragswesen.
2.3
Auswirkungen aktueller Deregulierungen auf
KMU: Liberalisierung der Öffnungszeiten im
Einzelhandel
In diesem Abschnitt wird die Liberalisierung, d. h. die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel, als Beispiel für Deregulierungen, die zur Zeit in vielen
Ländern des EWR und der Schweiz durchgeführt werden, näher betrachtet. Die Liberalisierung der Öffnungszeiten entspricht Anforderungen, die durch soziale Entwicklungen, wie z. B. den gestiegenen Anteil berufstätiger Frauen, veränderte Familienstrukturen, flexible Arbeitszeiten und die „24 Stunden-Wirtschaft”, entstanden ist.
Folglich wird angenommen, daß die Konsumentenwohlfahrt steigen wird, wenn die
Ladenöffnungszeiten erweitert werden.
Die Darstellungen und Ergebnisse, die in diesem Abschnitt vorgestellt werden,
basieren auf nationalen und internationalen empirischen (Evaluations-)Studien
über die Auswirkungen der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, sowie auf
Informationen aus Interviews mit je einem Experten für Ladenöffnungszeiten
von einer KMU-Vereinigung und einem Handelsverband sowie einem Unternehmer eines kleinen Lebensmittelgeschäftes, die in jedem der 19 an diesem
Bericht teilnehmenden Länder durchgeführt wurden. Folgende Fragen werden
in diesem Abschnitt beantwortet: Was sind die tatsächlichen Auswirkungen auf
KMU? Inwieweit profitieren die KMU von der Deregulierung? Bevor diese
Fragen beantwortet werden, wird ein Überblick über die jüngsten Veränderungen im Bereich der Ladenöffnungszeiten in den verschiedenen Ländern
gegeben.
2.3.1 Die Situation im EWR und der Schweiz
Schweden wurde lange als Beispiel für die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten
in Europa angesehen, da es bereits seit langer Zeit (seit 1972) ungeregelte
Öffnungszeiten erlaubt. Empirische und statistische Studien1 deuten darauf hin,
daß die Umsätze und Gewinne sowie die Beschäftigung und die Arbeitsproduktivität gestiegen sind, die Preise leicht gesunken sind, und der Anteil der Unternehmen, die ihre Öffnungszeiten ausgeweitet haben, über die Jahre zugenommen
hat. Der Einzelhandelssektor hatte Zeit, sich zu restrukturieren, allerdings wurde
die aktuelle Situation in den vergangenen zehn Jahren nicht umfassend untersucht.
1
Zum Beispiel: Gradus, R.H.J.M., The economic effects of extending shop opening hours
(Die ökonomischen Effekte einer Ausweitung der Ladenöffnungszeiten), Journal of Economics, 64, 1996, 247-263; Civil departement, Betänkande av 1989 ärs äffarstidsutredning
(Bericht des Komitees für Öffnungszeiten 1989), Stockholm, 1991; Pilat, Dirk, Regulation
and performance in the distribution sector (Regulierung und Wachstum im Handel, Economics Department Working Papers, 180, OECD, Paris, 1997.
105
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Tabelle 2.1
Kurzbeschreibung der jüngsten Veränderungen der gesetzlichen
Öffnungszeiten im Einzelhandel (in Klammer: Datum des neuen
Gesetzes), in den Ländern des EWR und der Schweiz
Land
Kurzbeschreibung (Datum des neuen Gesetzes)
Belgien
Keine Veränderungen seit 1977* (05.00-20.00 täglich); Sonntag nach wie
vor geschlossen
24 Std. pro Tag, Samstag nachmittag jetzt erlaubt, Sonntag nach wie vor
geschlossen; kleine Unternehmen haben vollkommen freie Zeiten (Juli
1995)**
Max. Anzahl der Std. gestiegen (von 83-94); 2 Std. mehr an Samstagen
und 1,5 Std. mehr von Montag bis Freitag; Sonntag nach wie vor geschlossen (Nov. 1996)
1 Std. später an Wochentagen; 1 Std. früher an Samstagen; Sonntag im
Sommer erlaubt (April 1997)
5 Sonntage pro Jahr (per Arbeitsgesetz Dez. 1993); andere Tage 24 Std.
(keine Veränderung seit 1936)
Jede Kategorie/Region spezifisch geregelt; im allgemeinen mehr Std. an
allen Tagen; Sonntag nach wie vor geschlossen (Juli 1994)
Keine Veränderung: es gibt keine Regelung: 24 Std. an 365 Tagen erlaubt
2 oder 3 Std. mehr täglich; Sonntag nach wie vor geschlossen (April 1999)
1 Std. später an Wochentagen im Winter; Sonntag Vormittag war bereits
erlaubt (Juni 1995)
3,5 Std. mehr an Wochentagen; 4 Std. mehr an Samstagen; jetzt 12 Sonntage pro Jahr (Juni 1996)
Max. Anzahl der Std. gestiegen (von 60 auf 66); Samstag nachmittag jetzt
erlaubt, Sonntag nach wie vor geschlossen (Januar 1997)***
Von 06.00 bis 24.00 Uhr täglich; auch an Sonntagen, aber große Unternehmen nur Sonntag Vormittag (Mai 1996)
Keine Veränderung: seit 1972 gibt es keine Regelung (24 Std. an allen
Tagen erlaubt)
Ursprünglich keine Regelung; jetzt max. 72 Std. pro Woche und 8 Feiertage und/oder Sonntage pro Jahr erlaubt (1996)
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Schweden
Spanien
Vereinigtes
Königreich
Island
Liechtenstein
Norwegen
Schweiz
24 Std. täglich erlaubt; auch an Sonntagen, aber große Unternehmen nur
6 Std. an Sonntagen (Aug. 1994)
Jetzt gibt es keine Regelung mehr (früher während der Nacht nicht erlaubt)
(Jan. 1999)
Max. Anzahl der Std. gestiegen (von 64,5 auf 90); 3 Std. mehr an Wochentagen; 0,5 Std. mehr an Samstagen; Öffnung an Sonntagen möglich (März
1992)
Jetzt auf regionaler Ebene geregelt; 1 Std. mehr an Wochentagen; Sonntag
nach wie vor geschlossen; Kleinstbetriebe dürfen Sonntag offen halten
(Januar 1994)
Verschiedene Deregulierungen in allen Kantonen (in einigen muß die
Bevölkerung darüber abstimmen); nach wie vor geschlossen an Sonntagen
(mit einigen Ausnahmen) (1998-1999)
* Es gab jedoch eine stärkere Regulierung der ‘Nachtgeschäfte’.
** Keine Beschränkungen für Betriebe mit einem Umsatz von weniger als 1,8 Millionen Euro und für
Lebensmittelgeschäfte.
*** Der Landeshauptmann kann über andere Öffnungszeiten verfügen, z. B. für kleine Familienbetriebe bis
zu 80 Stunden pro Woche.Quelle: ENSR-Partner, 1999.
Allgemeine Bemerkung:
106
Touristengeschäfte, Bäckereien, Restaurants, etc. dürfen an Sonntagen im allgemeinen geöffnet halten.
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
Erst vor kurzem wurde eine Erhebung durchgeführt: 43 % aller Lebensmittelhändler hatten mehr als 70 Stunden pro Woche geöffnet1.
Tabelle 2.1 bietet eine kurze Beschreibung der jüngsten Veränderungen in bezug
auf die gesetzlichen Öffnungszeiten im Einzelhandel in allen untersuchten
Ländern. Es wird deutlich, daß die Öffnungszeiten kürzlich in vielen Ländern
ausgedehnt wurden (ab 1992). In einigen Ländern, d. h. in Spanien und
Norwegen, wurden die Öffnungszeiten, die bereits relativ frei waren, jedoch
eingeschränkt. In einigen anderen Ländern (in Belgien, Irland und Schweden)
haben in letzter Zeit keine wesentlichen Veränderungen stattgefunden. In Irland
und Schweden waren die Öffnungszeiten bereits vollkommen liberalisiert. Dieses
Jahr stieß auch Island dazu, indem alle Regelungen in bezug auf die Öffnungszeiten aufgehoben wurden.
Es besteht also in den meisten Ländern die Tendenz, die Öffnungszeiten auszudehnen (Deregulierung), aber einige Länder, in denen die Öffnungszeiten bereits
sehr liberal waren, zeigen einen gegensätzlichen Trend (Regulierung). Dies hat
folgende Ursachen:
• Neue Arbeitsgesetze, Diskussionen mit und Druck von den Gewerkschaften
(Norwegen);
• Ein beachtlicher Rückgang des Marktanteils und der Zahl kleiner Einzelhändler2
und gleichzeitiges Entstehen großer Einkaufszentren (Spanien);3
• Der Versuch, die Nachteile für kleine Einzelhändler im Vergleich zu den großen
auszugleichen, indem kleinen Unternehmen größere Freiheiten in bezug auf die
Öffnungszeiten zugestanden werden (Norwegen). Ähnliche Regelungen sind,
gemeinsam mit einer allgemeinen Deregulierung, in Portugal, dem Vereinigten
Königreich und Dänemark in Kraft getreten: Große Unternehmen dürfen an
den Wochenenden/Sonntagen nur eine gewisse Anzahl von Stunden öffnen,
während kleine Geschäfte an diesen Tagen freie Öffnungszeiten haben.
‘24 Stunden-Shopping’ an Wochentagen war bereits in Frankreich, Irland,
Spanien und Schweden möglich und wurde durch Deregulierungsmaßnahmen
nun auch im Vereinigten Königreich, Island und Dänemark ermöglicht. Trotz der
jüngsten Deregulierungsmaßnahmen sind in den meisten Ländern die Geschäfte
an Sonntagen noch immer geschlossen (Ausnahmen sind etwa Tankstellen,
Bäckereien, Restaurants, Blumengeschäfte, Tourismus, Touristen-Städte bzw.
einige bestimmte Sonntage in Finnland, Frankreich, den Niederlanden und
Spanien).4 In Ländern wie Irland, Schweden, Island, Liechtenstein und Luxemburg (nur vormittags) können die Konsumenten ihre Einkäufe auch jeden
Sonntag erledigen.
1
Durchgeführt von Delfi Marknadspartner, zusammengefaßt in Svenska Dagbladet, Juli
1999.
2
Cruz, Roche I., und Orta O. Medina, Regulación de horarios de apertura: implicaciones
económicas (Regulierung der Öffnungszeiten: wirtschaftliche Implikationen), Informacion
Comercial Espanola, 739, März 1995.
3
1999 begannen in Frankreich neue Diskussionen über die Vielzahl sehr großer
Supermärkte, die negative Auswirkungen auf Kleinbetriebe haben. Es werden Maßnahmen
entwickelt, um das Entstehen neuer Supermärkte zu verhindern.
4
In beinahe allen Ländern ist die Öffnung an einer bestimmten Anzahl von Sonntagen,
die bei Feiertagen liegen, erlaubt.
107
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
2.3.2 Reaktionen der Unternehmen auf die neuen Möglickeiten
Ausweitung der Ladenöffnungszeiten an Wochentagen
In beinahe allen Ländern, in denen die Öffnungszeiten an Wochentagen erweitert
wurden, zeigt sich, daß die Auswirkungen im Lebensmittelbereich am größten
sind1, und der Anteil der Einzelhändler, die von den erweiterten Öffnungszeiten
Gebrauch machen, mit der Betriebsgröße steigt.2 Eine in den Niederlanden durchgeführte empirische Studie zeigt, daß es auch einen Bezug zur Rechtsform gibt:
Selbständige beteiligen sich weniger an den erweiterten Ladenöffnungszeiten als
Handelsketten.3
Es gibt nur wenige Evaluierungsstudien, die den Anteil der Einzelhändler, die die
erweiterten Ladenöffnungszeiten nutzen, darlegen. In Deutschland sind es 39 %,
in der Schweiz 44 %, in den Niederlanden 26 % und in Österreich 35 % der
Einzelhändler, die die neuen Öffnungszeiten nutzen4. Obwohl sich die Anteile in
den einzelnen Ländern unterscheiden, zeigt sich, daß der Großteil der Geschäfte
die Öffnungszeiten nicht erweitert hat.
Im allgemeinen machen Geschäfte in ländlichen Gebieten und kleinen Städten
weniger Gebrauch von den Möglichkeiten, länger geöffnet zu haben. Das hängt in
erster Linie mit dem lokalen Konsumentenverhalten zusammen, das nicht nach
verlängerten Öffnungszeiten verlangt.
Verlängerte Öffnungszeiten an Sonntagen
Im Sommer dürfen die Geschäfte in Finnland an Sonntagen geöffnet haben: 1998
machten 72 % der Einzelhändler von dieser Möglichkeit Gebrauch5. Viele Konsumenten scheinen „Erholungs-Shopping” zu betreiben. Kleine Einzelhändler
scheinen die neuen Öffnungszeiten an Sonntagen eher zu nutzen als jene an
Wochentagen. In Liechtenstein sind vor allem die Lebensmittelgeschäfte eine
Attraktion für die Sonntags-Einkäufer. In Portugal, wo die kleinen Geschäfte an den
Wochenenden länger geöffnet haben dürfen als große, beginnen die kleinen
Geschäfte langsam, diese Möglichkeit zu nutzen, es sind jedoch erst wenige.
1
In Großbritannien und den Niederlanden nutzen auch Do-it-Yourself-Märkte die verlängerten Öffnungszeiten sehr stark.
2
Unter anderem: Halk, Karin, und Uwe Täger, Neuer Ladenschluß: Reaktionen des
Handels, Ifo Schnelldienst, 52, Januar, 1999; Kajalo, Sami, Laajempien aukiolomahdollisuuksien käyttö päivittäistavarakaupassa (Nutzung flexiblerer Öffnungszeiten im täglichen
Konsumgütergeschäft), Studies and reports, Ministry of Trade and Industry, 2, 1999; KPMG
BEA und GfK Nederland, Effecten van de Winkeltijdenwet (Auswirkungen des Einkaufszeiten-Gesetzes), Hoofddorp, 1988; Beeckman, Duncan, Ben Crum und Cornelis van der
Werf, Effecten nieuwe Winkeltijdenwet op de detailhandel (Auswirkungen des neuen
Einkaufszeiten-Gesetzes auf den Handel), HBD, Den Haag, 1998; Inderbitzin, Werner, und
Martin Hoch, Wirtschaftliche Folgen der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten in der
Schweiz, Schlussbericht, BWA Schriftenreihe, Beiträge zur Arbeitsmarktpolitik, Nr. 11,
Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit, Bern, 1998; Burger, Christina, Auswirkungen der
Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, Wien, 1998.
3
KPMG, BEA und GfK Nederland, Effecten van de Winkeltijdenwet (Auswirkungen des
Einkaufszeiten-Gesetzes), Hoofddorp, 1988.
4
Siehe vorherige Fußnote für den Quellenverweis.
5
Kajalo, S., Laajempien aukiolomahdollisuuksien käyttö päivittäistavarakaupassa (Nutzung
flexiblerer Öffnungszeiten im täglichen Konsumgütergeschäft), Ministry of Trade and Industry, 1999.
108
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
2.3.3 Auswirkungen auf Umsatz und Beschäftigung in KMU
Die Auswirkungen der Liberalisierung der Öffnungszeiten auf die Umsätze und die
Beschäftigung im gesamten Einzelhandelssektor sind schwer zu erfassen. In einigen
Ländern (z. B. Finnland) wurden so gut wie keine Auswirkungen festgestellt. Der
Umsatz verteilt sich jetzt anders über die Woche, und da die Arbeitskosten verhältnismäßig stärker ansteigen (besonders an Sonntagen) als die Erlöse, setzen die
meisten Einzelhändler Familienmitglieder ein, anstatt Personal einzustellen (ein
sozialer Nachteil für die Einzelhändler und ihre Familien). In Deutschland gibt es
keine Evidenz dafür, daß die Umsatzveränderungen auf verlängerte Öffnungszeiten
zurückzuführen sind. Es ist eher die wirtschaftliche Lage, die Einfluß auf die Entwicklung der Umsätze hat.1 Eine empirische Studie in Österreich2 zeigt, daß der Umsatz
der Unternehmen, die die längeren Öffnungszeiten nutzen, stärker anstieg als jener
von Unternehmen, die diese Möglichkeiten nicht nutzen. In den Niederlanden
gaben 10 % der Unternehmen, die die neuen Öffnungszeiten nutzen, an, daß sie
dadurch zusätzliche Umsätze erzielen können.3 Bei dem Versuch, die Auswirkungen
für kleine Unternehmen zu bewerten, zeigen die Studien (unterstützt durch Interviews) eindeutig, daß kleine Unternehmen Marktanteile durch die Deregulierung
verlieren, und daß viele kleine Unternehmen aus dem Markt ausscheiden. In vielen
Ländern bestand diese Tendenz jedoch bereits vor der Deregulierung, besonders bei
Spezialitätengeschäften4, und wurde durch diese noch beschleunigt.
Die Verteilung der Beschäftigung verändert sich entsprechend der neuen Struktur
im Einzelhandelssektor. Im allgemeinen scheint es, daß kleine Unternehmen
Arbeitsplätze abbauen (kleine Unternehmen haben Schwierigkeiten, zusätzliche
Arbeitskräfte zu bezahlen, da die Kosten höher sind als die zusätzlichen
Einnahmen, was bedeutet, daß die Arbeitswoche für den Unternehmer und seine
Familie länger wird), daß größere (Lebensmittel-)Geschäfte mehr Arbeitskräfte
benötigen und daß mehr Teilzeitjobs geschaffen werden. Der Netto-Effekt dieser
Veränderungen für den gesamten Wirtschaftssektor ist schwer zu bewerten. Einige
Forscher haben es versucht: In der Schweiz wird der Gesamtanstieg der Beschäftigung auf 1,4 % geschätzt5, in Österreich wurde kein Einfluß auf die Gesamtbeschäftigung festgestellt und in den Niederlanden zeigt eine Studie, daß zwar die
Zahl der Vollzeitbeschäftigten im gesamten Einzelhandelssektor sinkt, dieser Rückgang allerdings durch eine steigende Zahl an Teilzeitmitarbeitern in jenen
Betrieben, die die erweiterten Ladenöffnungszeiten nutzen, mehr als ausgeglichen
wird. In Deutschland gilt ähnliches: Im Einzelhandelssektor insgesamt ist die
Anzahl der Arbeitnehmer gesunken, während die Anzahl der Beschäftigten
unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze (ohne Sozialversicherungsbeiträge) bis Ende
1998 gestiegen ist6. Seit 1999 müssen diese geringfügig Beschäftigten jedoch auf
1
Halk, Karin, und Uwe Täger, Wie wirkt der neue Ladenschluß auf den Einzelhandel? Erste
Ergebnisse einer Befragung des Ifo-Instituts, Ifo Schnelldienst, 52, Januar 1999.
2
Wirtschaftskammer Niederösterreich, Öffnungszeitenbefragung 1998, Wien, 1998.
3
Beeckman, Duncan, Ben Crum und Cornelis van der Werf, Effecten nieuwe Winkeltijdenwet op de detailhandel (Auswirkungen des neuen Einkaufszeiten-Gesetzes auf den
Handel), HBD, Den Haag, 1998.
4
Europäische Kommission, Retailing in the European Single Market 1993 (Der
Einzelhandel im europäischen Binnenmarkt 1993), Brüssel, 1993; Baily, M.N., Competition,
regulation and efficiency in service industries (Wettbewerb, Regulierung und Effizienz in
Dienstleistungssektoren), Brookings Paper on Economic Activity, Microeconomics, 2, 1993.
5
Inderbitzin, Werner, und Martin Hoch, Wirtschaftliche Folgen der Liberalisierung der
Ladenöffnungszeiten in der Schweiz, Schlussbericht, BWA Schriftenreihe, Beiträge zur
Arbeitsmarktpolitik, Nr. 11, Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit, Bern, 1998.
6
Müller-Hagedoorn, Lothar, Andreas Kaapke und Max R. Wenzlitschke, Ladenschlußgesetz - Was sagt der Fachhandel?, Mitteilungen des Instituts für Handelsforschung an der
Universität zu Köln, 3, März, 1997.
109
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Grund neuer gesetzlicher Regelungen Sozialversicherungsbeiträge entrichten, was
zu einem Rückgang der Anzahl der geringfügig Beschäftigten geführt hat.1
Kleine Geschäfte, die innerhalb von Einkaufszentren oder in der Nähe von
Bahnhöfen liegen, können von den neuen Öffnungszeiten profitieren.
2.3.4 Negative Auswirkungen und Chancen für KMU
Die nationalen empirischen Studien weisen auf die folgenden negativen Auswirkungen hin, die durch die Interviews mit Experten für die Liberalisierung von
Öffnungszeiten aus einer KMU-Vereinigung und einem Handelsverband sowie mit
einem Unternehmer eines kleinen Lebensmittelgeschäftes bestätigt wurden:
• Kleine Geschäfte sind gezwungen, ihre Öffnungszeiten zu verlängern, um ihre
Wettbewerbsposition und ihre Marktanteile gegenüber großen Unternehmen
zu halten.
• Es entsteht ein sozialer Nachteil für kleine Einzelhändler und ihre Familien, da
sie selbst länger arbeiten müssen.
• Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs und der sinkenden Rentabilität sind
kleine Unternehmen verschwunden oder wurden von großen Ketten übernommen, z. B. durch Franchising.2
• Große Unternehmen sind eher in der Lage, von den Vorteilen verlängerter
Öffnungszeiten zu profitieren, da sie über größere Managementkapazitäten
verfügen, wie zum Beispiel die Organisation von Job Rotation oder Pools von
Teilzeitmitarbeitern. Kleine Unternehmen können sich einfach keinen zusätzlichen Mitarbeiter leisten, und kleine Spezialitätengeschäfte können keine unerfahrenen, billigen Teilzeitarbeitskräfte (z. B. Studenten) anstellen, da eine
gewisse Erfahrung notwendig ist, um die Kunden korrekt zu bedienen.
2.3.5 Positive Auswirkungen und Chancen für KMU
Das neue Unternehmertum
Theoretisch könnte sich ein neues Unternehmertum unter den kleinen Geschäftsinhabern entwickeln, um die negativen Auswirkungen zu kompensieren: Zum Beispiel
Preissetzung oder Veränderung des Sortiments in Abhängigkeit von der jeweiligen
Tageszeit, Durchführung besonderer Veranstaltungen am Abend oder an den
Wochenenden (z. B. Modeschauen, Kochpräsentationen), Verkauf von Herrenkleidung zwischen 16.00 und 22.00 Uhr, Öffnung nur zur Mittags- und Abendzeit. Trotz
der Anregungen von KMU-Vereinigungen, mit neuen unternehmerischen Ideen auf
die neuen Entwicklungen zu reagieren, werden solche Möglichkeiten in der Praxis
nur selten ergriffen. Auch der theoretisch erwartete Marktzutritt ethnischen Minderheiten angehöriger Unternehmer scheint gemäß den nationalen und internationalen
Studien sowie den durchgeführten Interviews tatsächlich nicht zu erfolgen.
In den meisten Ländern wurde kein Markteintritt neuer Unternehmen festgestellt.
In Island jedoch, wo die Öffnung während der Nacht nun erlaubt ist, entstanden
1
Eine grobe Schätzung besagt, daß 100 000 Teilzeitjobs in der ersten Hälfte 1999
verloren gegangen sind. Siehe Huber, B., 630-DM-Verträge: Eine Reform gegen mehr
Beschäftigung, Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 29, 8, 1999.
2
Der anhaltende Trend des Rückgangs von Marktanteilen von KMU und Spezialitätengeschäften wird durch die Erweiterung der Ladenöffnungszeiten beschleunigt.
110
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
sogenannte „Clock-Shops”, diese öffnen spät am Abend und sind bis 10 oder 11
Uhr vormittags geöffnet.
Positive Diskriminierung kleiner Geschäfte
In Dänemark haben kleine Unternehmen größere Freiheiten bei der Festlegung
ihrer Öffnungszeiten an den Wochenenden als größere Unternehmen. Das
entsprechende Gesetz beabsichtigte, kleinen Unternehmen einen Vorteil
gegenüber großen zu schaffen. In der Tat scheinen kleine Betriebe von diesem
Gesetz zu profitieren. Etwa 70-85 % der kleinen Geschäfte nutzen die längeren
Öffnungszeiten an den Wochenenden, was zu einer Steigerung der Umsätze und
einem leichten Anstieg der Beschäftigung führt (geringfügig deshalb, da es sich
bei den meisten um Familienunternehmen handelt). Die zusätzliche Beschäftigung
bestand hauptsächlich aus Teilzeitjobs. Auch der Marktaustritt der kleinen Betriebe
ist von 9 % pro Jahr vor 1995 auf 6 % im Jahr 1999 gesunken. Neue Geschäfte
wurden als Mini-Märkte mit einem Umsatz unter 1,8 Millionen Euro gegründet.
Diese dürfen das ganze Wochenende geöffnet haben. Seit Inkrafttreten dieses
Gesetzes hat sich auch die Produktpalette dieser Mini-Märkte erweitert. Die
Auswirkungen auf die Spezialitäten- und Non-Food-Geschäfte sind wesentlich
geringer.
In Norwegen, wo sehr kleine Betriebe (mit weniger als 100 m2) relativ freie Öffnungszeiten haben, entstehen neue „Mini-Geschäfte“, um den Markt außerhalb der
regulären Öffnungszeiten abzudecken.
2.4
Auswirkungen aktueller Regulierungen auf
KMU: Die Öffnung der Märkte für das öffentliche Beschaffungswesen
In diesem Abschnitt werden die Auswirkungen einer erst kürzlich durchgeführten
Regulierung, der Öffnung des Marktes für das öffentliche Auftragswesen,
betrachtet. Seit einigen Jahren verlangen die gesetzlichen Regelungen der Gemeinschaft, daß Projekte im Auftrag lokaler, nationaler und europäischer Verwaltungseinrichtungen sowie öffentlicher Körperschaften, die eine gewisse Größe überschreiten, veröffentlicht werden müssen, so daß sich im Prinzip alle Unternehmen,
einschließlich KMU, an der Ausschreibung beteiligen können. Diese Öffnung des
Marktes für das öffentliche Auftragswesen gilt als ein Baustein für die Schaffung
eines europäischen Binnenmarktes.1 Daß der Markt für das öffentliche Auftragswesen von großer Bedeutung ist, wird dadurch unterstrichen, daß dieses Marktvolumen in der EU 1997 etwa 720 000 Millionen Euro betrug, das entspricht 11 %
des BIP. In den meisten Mitgliedstaaten der EU beläuft sich die öffentliche Beschaffung im Rahmen von Ausschreibungen auf etwa 10-15 % des BIP2.
Bei den Ausschreibungsverfahren kann zwischen offenen und nicht offenen
Ausschreibungen unterschieden werden. Für eine Kurzbeschreibung siehe
Kasten 2.1.
1
Europäische Kommission, Wirtschaftsreform: Bericht über die Funktionsweise der
gemeinschaftlichen Produkt- und Kapitalmärkte, Von der Kommission vorgelegt, nach
Aufforderung durch den Europäischen Rat von Cardiff, KOM(99) 10 endg., 1999.
2
Holden, Paul, und Carlo Dade, SMEs and public procurement: lowering transaction
costs to increase participation (KMU und öffentliche Ausschreibungen: Minderung von
Transaktionskosten zur Steigerung der Teilnahme), Enterprise Research Institute,
Washington DC, s.a.
111
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Kasten 2.1 Ausschreibungsverfahren
Offene Ausschreibungen
Wenn ein Auftrag zur offenen Ausschreibung gelangt, können alle Anbieter ein
Angebot abgeben. Die Ausschreibung muß im Amtsblatt der Europäischen Union (Official Journal of the European Communities, OJEC) veröffentlicht werden. Der Zeitraum
von der Veröffentlichung bis zum Abgabetermin für die Angebote muß 52 Tage
betragen. Unter bestimmten Bedingungen ist es erlaubt, ausgesuchte Unternehmen für
eine Angebotslegung einzuladen.
Nicht offene Ausschreibungen
Im Fall einer nicht offenen Ausschreibung können nur eingeladene Anbieter ein
Angebot legen. Eine Vorankündigung der Ausschreibung muß im OJEC veröffentlicht
werden, und den Anbietern müssen mindestens 37 Tage gewährt werden, um einen
Antrag auf Einladung zur Angebotslegung zu stellen. Die Liste der ausgewählten
Unternehmen (Auswahlliste) kann dann ohne Diskriminierung zusammengestellt
werden. Sobald die Liste erstellt ist, muß eine schriftliche Einladung an die
ausgewählten Anbieter gehen, und der Zeitraum bis zum Abgabetermin muß
mindestens 40 Tage betragen.
Verhandlungsverfahren
Verhandlungsverfahren sind nur dann möglich, wenn: (1) Offene oder nicht offene
Ausschreibungen bereits erfolglos waren, (2) bekannt ist, daß es nur einen Anbieter
gibt, (3) hoher Zeitdruck besteht, und dies nicht die Schuld des Auftraggebers ist, (4)
zusätzliche Leistungen auf Basis eines kürzlich vorhergegangenen Vertrages erforderlich
sind.
Anmerkung:
Die Ausschreibungen werden auch auf CD-ROM veröffentlicht und sind seit Januar
1999 kostenlos im Internet verfügbar: http://www.ted.eur-op.eu.int/index2.htm.
Die wichtigsten Ziele der Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens in
Europa waren, und sind auch heute noch, die effizientere Nutzung von Steuergeldern (Preis-Leistungs-Verhältnis), die Förderung des Zugangs von Unternehmen
zum Binnenmarkt und die Stimulierung des Wettbewerbs unter den europäischen
Unternehmen. Im November 1996 wurde ein Grünbuch über das öffentliche
Auftragswesen in der EU veröffentlicht, in dem einige Maßnahmen zur Verbesserung der Teilnahme der Mitgliedstaaten und Unternehmen an öffentlichen
Ausschreibungen diskutiert wurden.1 Im Grünbuch wurde festgehalten, daß die
Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen zum damaligen Zeitpunkt von den
Mitgliedstaaten nur ungenügend und unvollständig umgesetzt wurden, und
dadurch die wirtschaftlichen Auswirkungen deutlich eingeschränkt waren. Das
öffentliche Auftragswesen sollte Einsparungen für die Auftraggeber und neue
Möglichkeiten für die Unternehmen bringen. Desweiteren wurde die Frage aufgeworfen, wie sich die Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens mit der
KMU-Politik verbinden läßt. Anbieter, und insbesondere KMU, schienen über die
Marktmöglichkeiten, die sich durch das öffentliche Auftragswesen bieten, nicht
informiert zu sein. Das Grünbuch beinhaltet bereits Vorschläge für eine Verbesse-
1
Europäische Kommission, Grünbuch - Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen
Union: Überlegungen für die Zukunft, KOM(96) 583 endg., 1996.
112
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
rung der Situation: Überwachung der Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften
(durch die Mitgliedstaaten), Verbesserung des Zugangs zu Informationen und
Aufträgen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, Ausbildung der Verantwortlichen in Hinblick auf die Nutzung und Implementierung öffentlicher Aufträge und
die elektronische Verbreitung der Bekanntmachungen. Entsprechend den Reaktionen und Diskussionen zum Grünbuch entwickelte die Kommission 1998
Maßnahmen - im Rahmen derer KMU besondere Beachtung geschenkt wird1 -, zur
Verbesserung der Gesetzgebung, zur Verdeutlichung der Regeln für das öffentliche
Auftragswesen2 und zur Veröffentlichung der Bekanntmachungen auf CD-ROM
und im Internet3.
Die Auswirkungen der Liberalisierung der Märkte für das öffentliche Auftragswesen
sind in den Ländern des EWR und der Schweiz bisher noch nicht umfassend untersucht worden. In vielen Ländern sind derzeit keine Evaluierungsstudien verfügbar.
Das könnte darauf zurückzuführen sein, daß die Öffnung der Märkte für das öffentliche Beschaffungswesen relativ neu ist und/oder in manchen Ländern noch nicht
genügend Beachtung gefunden hat4. Die verfügbaren Studien geben wenig
Aufschluß über die Teilnahme und den Erfolg von KMU auf dem internationalen
Markt für das öffentliche Auftragswesen, insbesondere im Vergleich zu ihren
größeren Konkurrenten. Einige nationale Studien kamen jedoch zu interessanten
Ergebnissen, die sich in erster Linie auf die Hindernisse beziehen, mit denen sich
KMU konfrontiert sehen. Diese Ergebnisse werden im folgenden präsentiert. Da es
nur wenige Evaluierungen und nationale Studien gibt, basiert der Großteil der Informationen auf dem ENSR Enterprise Survey 19995. Im Rahmen dieser Erhebung
konzentrierte sich ein Teil der Fragen auf die Teilnahme und den Erfolg von KMU auf
dem Markt für das öffentliche Auftragswesen. Alle Zahlen stammen, wenn keine
anderen Quellen angegeben sind, aus dem ENSR Enterprise Survey 1999.
2.4.1 Bekanntheit der Ausschreibungsverfahren bei KMU
Die Ergebnisse des ENSR Enterprise Survey 1999 zeigen, daß 1999 durchschnittlich
30 % der KMU über die Möglichkeiten informiert waren, an Ausschreibungen für
Liefer-, Dienstleistungs- oder Bauaufträge von lokalen, nationalen und europäischen Verwaltungseinrichtungen sowie öffentlichen Körperschaften teilnehmen zu
können (siehe Tabelle 2.2).6 Es sollte jedoch angemerkt werden, daß der Großteil
der Unternehmen über diese Möglichkeiten noch nicht informiert ist. Der Bekanntheitsgrad steigt mit der Unternehmensgröße (siehe unterste Zeile der Tabelle 2.2).
Am besten informiert sind Unternehmen mit 50-249 Beschäftigten: Die Hälfte
dieser Unternehmen weiß über die Möglichkeiten der Teilnahme an öffentlichen
1
Europäische Kommssion, Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union,
KOM(98) 143 endg., 11. März, 1998.
2
Der Dialog auf http://europa.eu.int/business/de/topics/publicproc/index.html ist ein
gutes Beispiel.
3
Siehe http://www.ted.eur-op.eu.int/ojs/html/index.2.htm (Stand am 22. November
1999) für die Tenders Electronic Daily (TED) Datenbank.
4
Die Europäische Kommission stellt fest: ‘In diesem Bereich gibt es bisher keine einzige
Richtlinie, die von allen Mitgliedstaaten richtig und vollständig umgesetzt worden wäre.’
(Europäische Kommission, Wirtschaftsreform: Bericht über die Funktionsweise der gemeinschaftlichen Produkt- und Kapitalmärkte, Von der Kommission vorgelegt, nach Aufforderung durch den Europäischen Rat von Cardiff, KOM(99) 10 endg., 1999.
5
Siehe Anhang I dieses Berichts: Die Erstellung und Analyse des ENSR Enterprise Survey
1999.
6
Es scheint eine statistisch signifikante positive Korrelation zwischen der Bekanntheit von
öffentlichen Ausschreibungsverfahren und der Bekanntheit von Förderprogrammen bei
KMU zu existieren (siehe Kapitel 6).
113
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Ausschreibungsverfahren Bescheid. Es ist nicht überraschend, daß der Bekanntheitsgrad in Sektoren, in denen öffentliche Ausschreibungen eine wichtige Rolle
spielen, höher ist. Unternehmen im Bauwesen (41 %), im Kredit- und Versicherungswesen (37 %) und in der Sachgütererzeugung (37 %) sind am häufigsten
über die Möglichkeiten der Ausschreibungen informiert. Das Reparaturgewerbe
erzielt mit 20 % sehr niedrige Werte (siehe letzte Spalte der Tabelle 2.2).
Tabelle 2.2 Anteil der Unternehmen, die über die Möglichkeiten der öffentlichen
Ausschreibungsverfahren informiert sind, nach Wirtschaftssektor und
Unternehmensgröße, Europa-19
Anzahl der Beschäftigten
Wirtschaftssektor
0
Sachgütererzeugung
35
Bauwesen
31
Großhandel
20
Einzelhandel
15
Beherbergung/Gaststätten
n.v.
Reparaturgewerbe
20
Verkehr/Nachrichtenübermittlung
23
Kredit- und Versicherungswesen
n.v.
Unternehmensbezogene Dienstleistungen 27
Sonstige Dienstleistungen
20
Gesamt
24
1-9
10-49
50-249
35
54
32
31
24
15
40
31
39
29
34
46
52
43
42
31
n.v.
49
n.v.
53
32
45
50
73
45
31
43
n.v.
50
76
49
39
50
Gesamt
37
41
28
23
25
20
30
37
32
24
30
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Unternehmen, die in den Jahren 1997-1998 auf Exportmärkten aktiv waren, sind
besser über Ausschreibungsverfahren informiert als Unternehmen, die nicht exportieren: 44 % gegenüber 27 %. Selbstverständlich sind Unternehmen, die ihre
wichtigsten Kunden, gemessen am Umsatz, im öffentlichen oder gemeinnützigen
Bereich haben, am besten informiert (55 %).
Innerhalb der Länder des EWR und der Schweiz gibt es deutliche Unterschiede im
Bekanntheitsgrad der Ausschreibungsverfahren bei Unternehmen. 1999 liegt
Schweden mit 45 % der Unternehmen, die über die Vergabeverfahren informiert
sind, an erster Stelle. Andererseits gibt es einige Länder, in denen ein sehr großer Teil
der Unternehmen uninformiert ist: In Griechenland, Irland, Portugal und den Niederlanden sind 80 % oder mehr die Vergabeverfahren und -möglichkeiten nicht
bekannt. Das bedeutet, daß ein großer Anteil an KMU in den entsprechenden
Ländern nicht informiert ist und deshalb als großes Potential betrachtet werden
kann, das es in den kommenden Jahren zu informieren gilt. Die Unterschiede
zwischen den Ländern zeigen, daß die Informationsbereitstellung für KMU sehr
verschieden ist.
Da elektronische Ausschreibungen eine wichtige Rolle bei der Förderung der Transparenz und des Zugangs zu öffentlichen Ausschreibungen spielen sollen, erscheint
es interessant, zu analysieren, ob KMU, die einen direkten Zugang zum Internet
haben, besser über die Möglichkeiten von öffentlichen Ausschreibungen informiert
sind.1 Die empirischen Ergebnisse zeigen, daß Unternehmen, die keinen Internetzugang haben, deutlich weniger über die Möglichkeiten des öffentlichen Auftrag-
1
Siehe Kapitel 5 dieses Berichtes für weitere Informationen über KMU, Internet und elektronischen Geschäftsverkehr.
114
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
swesens wissen als Unternehmen mit einem direkten Zugang zum Internet. Diese
Ergebnisse deuten darauf hin, daß die Verfügbarkeit eines direkten Internetzugangs die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß ein Unternehmen über (neue) Möglichkeiten auf den Auftragsmärkten erfährt.
Mehr Möglichkeiten für KMU?
1999 sieht beinahe ein Drittel der KMU mehr Möglichkeiten durch die Liberalisierung der Märkte für das öffentliche Auftragswesen, 10 % sehen deutlich mehr
Möglichkeiten und 22 % sehen nur geringfügig mehr Möglichkeiten (siehe Abbildung 2.1).
Abbildung 2.1 Das Ausmaß in dem KMU zusätzliche Möglichkeiten durch die Öffnung
des Marktes für das öffentliche Auftragswesen sehen (Anteil an Unternehmen in Prozent), Europa-19
Weiß nicht
4%
Deutlich mehr
Möglichkeiten
10 %
Gerinfügig mehr
Möglichkeiten
22%
Keine zusätzlichen
Möglichkeiten
64%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Der Großteil der KMU-Unternehmer, d. h. 64 %, sah keine zusätzlichen Möglichkeiten für ihre Geschäftstätigkeit in Folge der Liberalisierung des Marktes für
öffentlichen Aufträge. Erwartungsgemäß entspricht dieser große Anteil beinahe dem
Anteil jener Unternehmen, die über die Möglichkeiten, die sich durch die Öffnung
des Marktes für das öffentliche Auftragswesen bieten, nicht informiert sind. Die
Ergebnisse stimmen großteils mit jenen einer Studie im Vereinigten Königreich
überein. 1998 wurde eine Erhebung über die Einstellung von 76 Auftraggebern und
168 Anbietern, die an einer öffentlichen Ausschreibung teilgenommen hatten, veröffentlicht.1 Ein Drittel der Anbieter war der Meinung, daß die neue Politik im öffentlichen Auftragswesen neue Möglichkeiten für die Unternehmen geschaffen hat.
1
EC rules receive mixed reactions (Unterschiedliche Reaktionen auf EG-Vorschriften),
Supply Management, London, Januar 1998.
115
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Die Möglichkeiten, die sich durch die Öffnung des Marktes für öffentliche Aufträge
ergeben, werden von den Unternehmen in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich beurteilt. 1999 sieht in Frankreich ein verhältnismäßig großer Anteil
(43 %) deutlich mehr Möglichkeiten. Auch in Belgien, Portugal, der Schweiz und
in Luxemburg sehen KMU deutlich mehr Möglichkeiten. Andererseits gibt es
Länder, in denen ein Großteil der Unternehmer (70 % oder mehr) keine zusätzlichen Möglichkeiten für sein Unternehmen sieht. Dies ist der Fall in den Niederlanden, Irland, Spanien und dem Vereinigten Königreich. Dieses Ergebnis ist für die
Niederlande und Irland nicht überraschend, da dort einem Großteil der Unternehmen die Möglichkeiten durch die öffentlichen Ausschreibungsverfahren gar
nicht bekannt sind. Für das Vereinigte Königreich erscheinen die Ergebnisse aus
dem Jahr 1999 etwas schlechter als jene aus der bereits erwähnten Studie des
Jahres 1998.
Mehr Möglichkeiten für Auftraggeber?
In Finnland wurde im Rahmen einer Studie die Auftraggeberseite bei öffentlichen
Ausschreibungsverfahren analysiert.1 Der Großteil der 79 Auftraggeber, die im
Supplement zum Amtsblatt und in der Official Gazette in Finnland annonciert
hatten, erhielten Angebote von neuen Anbietern. Insgesamt gaben die Auftraggeber an, daß der Wettbewerb und die administrativen Belastungen gestiegen
und die Preise nur für einen Teil der Angebote gesunken sind. Das KostenNutzen Verhältnis blieb gemäß 62 % der Antwortenden gleich, gemäß 13 %
verbesserte es sich und gemäß 26 % ist es gesunken. Die aufraggebenden
Stellen waren auch mit ungenügender Aufmerksamkeit und inadequaten Angeboten von potentiellen Anbietern konfrontiert. Eine Ausbildung von KMU für die
Bewerbung bei öffentlichen Ausschreibungsverfahren könnte nach Meinung der
Auftraggeber sinnvoll sein.2
2.4.2 Teilnahme von KMU in Vergabeverfahren
Europäische Ausschreibungen
Im ENSR Enterprise Survey 1999 wurde zwischen lokalen und nationalen
Ausschreibungen und Ausschreibungen von europäischen Verwaltungseinrichtungen und öffentlichen Körperschaften unterschieden3. Die Ergebnisse zeigen,
daß ein Sechstel (16 %) der Unternehmen, die von öffentlichen Ausschreibungen
wußten, in den letzten drei Jahren versucht haben, sich an europäischen Ausschreibungen zu beteiligen (siehe Tabelle 2.3). Mittlere Unternehmen haben am häufigsten versucht, teilzunehmen. Es wurde bereits dargelegt, daß 50 % der mittleren
Unternehmen über öffentliche Ausschreibungsverfahren informiert sind; 29 %
davon haben versucht, sich an solchen zu beteiligen.
1
Kärkkäinen, Hannu, Uusien hankintamenettelyjen toteutuminnen Suomessa (Anwendung von Vorschriften basierend auf den EU-Ausschreibungsrichtlinien), Studies and
reports, Ministry of Trade and Industry, 119, 1995.
2
Kärkkäinen, Hannu, Julkisiin hankintoihin osallistumista vaikeuttavat tekijät (Probleme bei
der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen), Studies and reports, Ministry of Trade
and Industry, 85, 1995.
3
In den folgenden Fragen wurde der Ausdruck ‘Europäische Ausschreibung’ verwendet.
In der Auffassung der Respondenten sind darunter sowohl Ausschreibungen europäischer
Institutionen, als auch ausländischer lokaler und nationaler öffentlicher Stellen zu
verstehen.
116
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
Tabelle 2.3 Anteil der KMU, die in den vergangenen drei Jahren versucht haben, an einer
europäischen Ausschreibung teilzunehmen (Anteil jener Unternehmen, die
über öffentliche Ausschreibungen informiert sind) und in den vergangenen
drei Jahren einen Auftrag erhielten (Anteil jener Unternehmen, die versucht
haben, teilzunehmen), nach Größenklassen, Europa-19
Versucht, teilzunehmen
(in % der Unternehmen,
die über öffentliche
Ausschreibungen informiert sind
Auftrag erhalten (in % der
Unternehmen,die versucht
haben, an einer öffentlichen
Ausschreibung teilzunehmen)
Größenklasse
Ja
Nein
Weiß nicht
Ja
Nein
Weiß nicht
0 Beschäftigte
1-9 Beschäftigte
10-49 Beschäftigte
50-249 Beschäftigte
Gesamt
15
15
24
29
16
73
82
76
67
77
12
3
1
4
6
42
62
56
67
53
58
36
44
33
46
0
2
1
0
1
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Von den 16 % der KMU, die in den letzten drei Jahren versucht haben, an einer oder
mehreren europäischen Ausschreibungen teilzunehmen, erhielten 53 % in der Folge
einen Auftrag (siehe Tabelle 2.3). Die Erfolgsrate von Unternehmen ohne Beschäftigte
beträgt 42 %, jene der mittleren Unternehmen liegt mit 67 % deutlich höher.
Insgesamt erhielten zwischen 2 und 3 % aller KMU in den vergangenen drei
Jahren Aufträge in Folge ihrer Teilnahme an europäischen Ausschreibungen1. Die
Ergebnisse des ENSR Enterprise Survey 1999 ermöglichen keine genaue Berechnung der absoluten Anzahl der Ausschreibungen, die von KMU gewonnen
wurden2, die verfügbaren Daten zeigen jedoch deutlich, daß ein beachtlicher
Anteil aller europäischen Ausschreibungen von KMU gewonnen wird.
Erläuterung
Nehmen wir eine Gruppe von 1 000 KMU an. Von diesen 1 000 KMU sind 300 über
die Möglichkeiten im Rahmen öffentlicher Ausschreibungsverfahren informiert.
• Von diesen 300 KMU haben in den vergangenen drei Jahren 48 versucht, sich an
einer europäischen Ausschreibung zu beteiligen, davon haben 25 einen Auftrag
erhalten.
• Von diesen 300 KMU haben in den vergangenen drei Jahren mindestens 138*
versucht, an einer lokalen oder nationalen Ausschreibung teilzunehmen, davon
haben 102 einen Auftrag erhalten (siehe unten).
*
„Mindestens” deshalb, weil die Unternehmen, die versuchten, an einer europäischen Ausschreibung teilzunehmen, nicht gefragt wurden, ob sie es auf lokaler oder
nationaler Ebene ebenfalls versucht haben. Somit beträgt das Minimum 138 und
das Maximum 186 KMU (=138 + 48).
1
Etwa 30 % aller KMU sind über Ausschreibungsverfahren informiert (entweder nationale
oder europäische), 16 % davon (das sind 5 % aller KMU) berichteten, daß sie in den
vergangenen drei Jahren an europäischen Ausschreibungsverfahren teilgenommen hatten.
54 % dieser KMU erhielten in Folge einen Auftrag. Das entspricht 2 bis 3 % aller Unternehmen.
2
Einer der Gründe ist die Tatsache, daß sich KMU oft gemeinsam mit anderen Unternehmen bewerben.
117
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Unternehmen, die ihre wichtigsten Kunden im öffentlichen Sektor haben, versuchten wesentlich häufiger, an Ausschreibungsverfahren teilzunehmen (28 %) als
andere Unternehmen (mit privaten Konsumenten 19 %; mit privaten Unternehmen 12 %). Allerdings erhielten Unternehmen, die hauptsächlich für private
Konsumenten (52 %) oder private Unternehmen (65 %) arbeiten, mehr Aufträge
als jene, die vor allem im öffentlichen Sektor tätig sind (41 %).
Zwischen den einzelnen Wirtschaftssektoren gibt es beachtliche Unterschiede in
den Teilnahmeraten der „informierten” KMU. Eine relativ hohe Rate erreicht der
Bereich Beherbergung/Gaststätten (47 %), vergleichsweise niedrige Raten das
Bauwesen (8 %), der Einzelhandel (6 %) und das Reparaturgewerbe (3 %). Die
Erfolgsrate der an sich eher geringen Anzahl der teilnehmenden Unternehmen im
Einzelhandel scheint sehr hoch zu sein (91 %), während sie in der Sachgütererzeugung, wo nur eine durchschnittliche Anzahl an Unternehmen teilzunehmen
versucht (22 %), am niedrigsten ist (35 %).
Exportierende Unternehmen (23 %) versuchten sich öfter an einer europäischen
Ausschreibung zu beteiligen als nicht-exportierende Unternehmen (14 %). Eine in
Griechenland durchgeführte Studie bestätigt dieses Ergebnis. Unternehmen, die
sich für internationale Aufrufe zur Angebotslegung interessieren, sind häufig
bereits in internationale Aktivitäten wie Export involviert.1 Entgegen den Erwartungen erhielten aber nicht-exportierende Unternehmen aus der Gruppe derjenigen, die in den vergangenen drei Jahren eine Teilnahme versuchten, genauso oft
Aufträge im Rahmen einer europäischen Ausschreibung wie exportierende Unternehmen.2
In einigen Ländern (Italien, Norwegen, Portugal und Schweden) liegt der Anteil
der Unternehmen, die eine Teilnahme versuchten, unter 10 %, während in Frankreich 45 % versuchten, sich an europäischen Ausschreibungen zu beteiligen. Etwa
ein Drittel der KMU in Belgien, der Schweiz und in Luxemburg versuchten eine
Teilnahme.3
Lokale und nationale Ausschreibungen
Mindestens 46 %4 der Unternehmen, die über öffentliche Ausschreibungen informiert sind, haben in den vergangenen drei Jahren versucht, an öffentlichen
Ausschreibungsverfahren auf lokaler oder nationaler Ebene teilzunehmen.
Demnach ist erwartungsgemäß das Teilnahmeniveau bei lokalen/nationalen
Ausschreibungen wesentlich höher als auf europäischer Ebene (16 %).
Die Teilnahme der Unternehmen ohne Beschäftigte hinkt hinter jener großer
Unternehmen nach. Die ‘informierten’ Unternehmen ohne Beschäftigte versuchten
es in 31 % der Fälle, die Kleinstunternehmen in 56 %, die kleinen Unternehmen in
63 % und die mittleren Unternehmen in 55 % der Fälle. Wie erwartet, sind im
1
Demel Co., The participation of SMEs in public procurement (Die Teilnahme von KMU
an öffentlichen Ausschreibungen), im Auftrag der Athens Chamber of Small and MediumSized Enterprises, 1994.
2
Diese Unterschiede könnten durch Unterschiede zwischen den Wirtschaftssektoren
verursacht sein.
3
Leider läßt die Stichprobengröße keine verläßlichen Rückschlüsse auf die Erfolgsrate der
Unternehmen nach Ländern zu, so daß sich keine Aussagen über die Wirksamkeit der
Versuche treffen lassen.
4
‘Zumindest’ deshalb, weil jene Unternehmen, die versuchten an einer europäischen
Ausschreibung teilzunehmen, nicht gefragt wurden, ob sie es auch auf lokaler oder nationaler Ebene versucht haben.
118
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
Einzelhandel die Teilnahmeaktivitäten an lokalen/nationalen Ausschreibungen
(63 %) wesentlich höher als bei europäischen Ausschreibungen (nur 6 %). Auch
die anderen Wirtschaftssektoren sind auf dem lokalen/nationalen Markt für öffentliche Ausschreibungen sehr aktiv (zwischen 38 und 48 %). Das international aktive
Kredit- und Versicherungswesen weist mit 16 % einen relativ niedrigen Anteil an
Betrieben auf, die eine Teilnahme auf lokaler/nationaler Ebene versuchten. Unternehmen, die überwiegend für den öffentlichen Sektor tätig sind, versuchten mit
68 % am häufigsten teilzunehmen.
In Frankreich (79 %) und Griechenland (89 %) versuchte in den vergangenen drei
Jahren ein relativ großer Anteil der Unternehmen, die über öffentliche Ausschreibungsverfahren informiert sind, sich an einer lokalen oder nationalen Ausschreibung zu beteiligen. Dieses Ergebnis für Frankreich wird auch durch nationale
Zahlen gestützt. 1997 zeigte eine französische Erhebung, daß 48 % der KMU
regelmäßig auf Basis öffentlicher Ausschreibungen für den öffentlichen Sektor tätig
sind (12 % eher fallweise).1 Die Größenklassenverteilung der als Hauptvertragsnehmer bei öffentlichen Ausschreibungen erfolgreichen Unternehmen in Frankreich zeigt, daß 81 % der Ausschreibungen von KMU mit bis zu 250 Beschäftigten
gewonnen werden. 96 % aller französischen Unternehmen sind KMU. Für den
Bereich Dienstleistungen und Waren liegt dieser Anteil etwas niedriger (bei 7273 %) und für Bauleistungen beträgt er 88 %.2
Entsprechend der Information von Experten für öffentliche Ausschreibungsverfahren in Luxemburg und Belgien, werden auch in diesen Ländern relativ hohe
Teilnahmeraten vermutet. In Luxemburg ist der Markt für öffentliche Ausschreibungen auf Grund des kleinen heimischen Marktes, auf dem sich die einzelnen
Teilnehmer untereinander gut kennen, sehr transparent.3 Dies wird durch die
empirischen Ergebnisse des ENSR Enterprise Survey bestätigt: Die Teilnahme in
Luxemburg liegt mit 65 % auf hohem Niveau. Anders stellen sich die belgischen
Ergebnisse dar, die zeigten, daß nur 33 % versuchten, teilzunehmen. Dennoch
‘haben KMU’, laut einem belgischen Experten, „keine Probleme in bezug auf den
Zugang zu dem Markt für öffentliche Ausschreibungen in Belgien„. Sie nehmen als
Subunternehmer in großen Projekten und als Hauptauftragnehmer in kleineren
Projekten teil.
Die Niederlande und das Vereinigte Königreich liegen mit nur 25 % und 28 % der
Unternehmen, die in den vergangenen drei Jahren eine Teilnahme versucht haben,
deutlich zurück.4
Ein Großteil (74 %) der Unternehmen in der gesamten Erhebung, die in den
vergangenen drei Jahren versucht haben, an einer oder mehreren lokalen oder
nationalen Ausschreibungen teilzunehmen, erhielten einen Auftrag.5 Der Anteil
variiert zwischen den unterschiedlichen Größenklassen. Die Unternehmen ohne
Beschäftigte waren mit 67 % weniger erfolgreich als Kleinstbetriebe mit 76 % und
kleine und mittlere Unternehmen mit 82 % bzw. 87 %.
1
BDPME, PME et Marchés publics (KMU und öffentliche Ausschreibungen), Enquête
BDPME, 1997.
2
Die angegebenen Werte wurden von Aprodi auf Basis von Daten des französischen Ministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten, Finanzen und Industrie, Commission Centrale
des Marchés (1996), berechnet.
3
Persönliche Interviews mit Experten für öffentliche Ausschreibungen der Ministerien und
Beratern von Berufsverbänden.
4
Die meisten niederländischen Unternehmen, die nicht versuchten, teilzunehmen, argumentierten, daß die Projekte zu groß waren. Im Vereinigten Königreich versuchten sie nicht
teilzunehmen, da sie in erster Linie private Unternehmen als Kunden haben.
5
Die entsprechende ‘Erfolgsrate’ der europäischen Ausschreibungen beträgt 53 %.
119
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Eine kürzlich durchgeführte irische Studie beinhaltet einige zusätzliche Daten.1
1998 wurde die Größe des irischen Marktes für das öffentliche Auftragswesen
untersucht, und auf Grund dieser Analyse ergibt sich, daß 57 % des Bedarfs auf
lokaler Ebene gedeckt wird, davon stammen nur 20 % von irischen Unternehmen
mit weniger als 50 Beschäftigten.
2.4.3 Hindernisse für KMU und ihre Gründe, nicht teilzunehmen
Einige nationale und internationale Studien2 über öffentliche Ausschreibungen – die
allerdings sehr unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen - liefern Informationen über
Hindernisse für KMU, die an öffentlichen Auftragsverfahren teilgenommen haben:3
• Wie bereits erwähnt, zeigte eine im Jahr 1997 in Frankreich durchgeführte
Studie, daß 48 % der KMU regelmäßig auf Basis öffentlicher Ausschreibungen
für den öffentlichen Sektor tätig sind und 12 % eher fallweise.4 Erstere Gruppe
befürwortet eine Vereinfachung der Regulierungen und Vergabeverfahren,
während ein Großteil der zweiten Gruppe zudem eine Verbesserung des Informationsflusses wünscht.
• In Schweden zeigt eine qualitative Studie, basierend auf Informationen von 28
schwedischen KMU und 7 auftraggebenden Behörden, daß nur eine kleine
Anzahl von KMU aktiv nach Möglichkeiten im Rahmen öffentlicher Ausschreibungsverfahren sucht.5 Die Bekanntheit des Amtsblattes und der TED-Datenbank ist gering.
• In den Niederlanden zeigte eine qualitative Studie6 im Herbst 1996, daß die
administrativen Belastungen sowohl auf der Auftraggeber- als auch Auftragnehmerseite beträchtlich gestiegen sind. Die Unternehmen klagten über die steigenden Kosten. Insbesondere KMU waren mit überproportionalen Kosten
konfrontiert. Es wurde auch erwähnt, daß die Informationen in den Ausschreibungsunterlagen unklar waren; dies lag oft an den komplizierten Formulierungen
(Fachjargon).
• Im Vereinigten Königreich waren die Auftraggeber im öffentlichen Sektor und
die Versorgungsunternehmen im allgemeinen über die Ausschreibungsrichtlinien der EU enttäuscht.7 Ihrer Meinung nach verhindern die Regeln Ausschrei-
1
Network Resources Limited, Small firms and public procurement in Ireland (Kleine
Unternehmen und öffentliche Ausschreibungen in Irland), im Auftrag des Department of
Enterprise, Trade and Employment and the Small Business Operational Programme
Committee, 1999.
2
In einigen Ländern wurden Experten für öffentliches Auftragswesen von den ENSR-Partnern interviewt, da nationale Studien nicht verfügbar waren.
3
Unter anderem: Holden, Paul, und Carlo Dade, SMEs and public procurement: lowering
transaction costs to increase participation (KMU und öffentliches Auftragswesen: Minderung von Transaktionskosten zur Steigerung der Teilnahme), Enterprise Research Institute,
Washington DC, s.a.; Scherling, Michael, Ökonomische Analyse der Änderungen im Vergaberecht durch die europäische Integration, Wirtschaftsuniversität Wien, Wien, 1995;
Europäische Kommission, Grünbuch - Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen
Union: Überlegungen für die Zukunft, KOM(96) 583 endg., 1996.
4
BDPME, PME et Marchés publics (KMU und öffentliche Ausschreibungen), Enquête
BDPME, 1997.
5
Tunved, L., Offentlig upphandling, en kvalitativ undersökning (Öffentliche Ausschreibungen: Eine qualitative Studie), Industriförbundet/Demoskop, Stockholm, 1998.
6
Schlangen, J.A.M., Nederlandse evaluatie van de Europese aanbestedingsrichtlijnen
(Niederländische Evaluierung der europäischen Richtlinie für öffentliche Ausschreibungen),
Nederlandse Vereniging voor aanbestedingsrecht, Jaarboek 1995/1996, Samsom, Alphen
aan den Rijn, 1997.
7
Nolan, Alexis, Watching the directives (Beobachtung der Richtlinien), Supply Management, London, 27. Februar 1997.
120
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
bungen nach bewährten Verfahren und bewirken wirtschaftliche Ineffizienzen.
KMU, die durch die Richtlinien zu grenzüberschreitendem Handel ermuntert
werden sollten, haben die angebotenen Möglichkeiten weitgehend ignoriert.
Wenn sie sich dennoch für grenzüberschreitende Aufträge bewerben, sind sie
mit einer zeitintensiven und teuren Bürokratie konfrontiert.
• Eine norwegische Studie, die die möglichen Auswirkungen für KMU analysiert,
erwähnt einige Faktoren, die KMU von Angebotslegungen abhalten: hohe
Qualifikationsanforderungen, Arbeitsaufwand für die Vorbereitung des Angebots, zunehmende Bedeutung des Preises, Informationsschwierigkeiten und
mangelnde Erfahrung im öffentlichen Sektor1.
• Die schwerwiegendsten Hindernisse für dänische Unternehmen, die im Ausland
tätig waren, sind: Die Ausschreibungsunterlagen bevorzugen nationale Anbieter
(über 50 %), die Auswahlkriterien werden nicht eingehalten (ca. 33 %), es
finden Absprachen statt, obwohl dies nicht erlaubt ist (ca. 33 %). Zusätzlich zu
diesen Barrieren, die unmittelbar mit den Ausschreibungsverfahren zusammenhängen, werden auch die Kosten für die Angebotslegung und Übersetzungsprobleme angeführt.
• In Italien wurde das Problem der steigenden administrativen Belastungen teilweise durch das Bassanini Gesetz2 gelöst, wodurch viele administrative Hindernisse abgeschafft wurden; beispielsweise können Unternehmen ihre Selbstzertifizierung („autocertificazione”) bei der Angebotslegung verwenden.
• In Luxemburg wurden die Anforderungen und Formulare standardisiert um die
administrativen Belastungen zu verringern. In der Praxis existieren jedoch
gewisse Barrieren für KMU, die zum Beispiel aus der Tatsache resultieren, daß
einige Behörden auf nicht offene Ausschreibungen zurückgreifen, in denen
bestimmte technische Spezifikationen nicht enthalten sind, so daß das Unternehmen selbst umfangreiche Vorarbeiten leisten muß, um ein Angebot legen
zu können, was sich in Anbetracht der dafür benötigten Zeit, Mitarbeiter und
Geldmittel nicht förderlich auf die KMU auswirkt.
• In Finnland zeigt eine Studie, daß die teilnehmenden Unternehmen vor allem
dadurch behindert werden, daß ausländische Auftraggeber lokale oder zumindest bereits bekannte Anbieter bevorzugen3.
• Gemäß einer Evaluierungsstudie über die Erfahrungen von 250 dänischen KMU
bei der Teilnahme an internationalen Ausschreibungsverfahren hatten beinahe
50 % Probleme, einen guten Überblick über den internationalen Markt für
öffentliche Ausschreibungen zu erhalten.4 Unternehmen, die mehr als 25 %
ihrer Umsätze im Export erzielen, haben weniger Probleme, diesen Überblick zu
1
Haver, Laderud und Schonning, Adgangsbarrierer pa de offentlige innkjopsmarkeder - et
SMB perspektiv (Barrieren für den Eintritt in den Markt für öffentliche Ausschreibungen die KMU Perspektive), FOU, 19, 1996.
2
Das sogenannte Bassanini Gesetz basiert auf einem Vorschlag des ehemaligen Ministers
für öffentliche Angelegenheiten (Herr. Bassanini), der im Mai 1999 angenommen wurde.
Dieses Gesetz zielt darauf ab, die öffentliche Verwaltung zu reorganisieren (Dezentralisierung der unterschiedlichen Funktionen) und die administrativen Belastungen durch eine
Vereinfachung der Beziehung zwischen Bürgern und Unternehmen sowie der öffentlichen
Verwaltung zu reduzieren.
3
Kärkkäinen, Hannu, Julkisiin hankintoihin osallistumista vaikeuttavat tekijät (Probleme bei
der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen), Studies and reports, Ministry of Trade
and Industry, 85, 1995.
4
DTI, Evaluation of the Subsidy Scheme Participation in International Public Procurement
(Evaluierung des Unterstützungsprogramms für die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen), Danish Agency for Trade and Industry, 1997.
121
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
bekommen. Die Unternehmen sehen sich beim Eintritt in den Markt mit drei
Hauptproblemen konfrontiert: finanzielle Risiken, ansässige Unternehmen werden
bevorzugt und mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei ausländischen
Partnern (insbesondere bei kleinen Unternehmen mit geringer Exporttätigkeit).
• In Spanien wurden Maßnahmen getroffen, um die Anforderungen von KMU
bei der Ausschreibung von Aufträgen besser berücksichtigen zu können. Es gibt
einen Vorschlag zur Modifizierung des bestehenden Gesetzes in bezug auf die
Finanzgarantien, den Zeitraum für die Erstellung der Angebote und auf die Frist
der Zahlungen des Hauptauftragnehmers an die Subunternehmer. Die KMU
reagierten eher negativ auf die Verkürzung des Zeitraums für die Vorbereitung
der Angebote, da ihre geringen Ressourcen für die bestehenden Anforderungen
für die Einreichung nicht ausreichen.
• In Luxemburg wird in einigen Fällen ein zeitlich begrenzler rechtsfähiger Verein
von KMU gebildet, um das Problem der Finanzgarantien lösen zu können. Es
existiert auch ein interessantes Programm, im Rahmen dessen die von den
Auftraggebern geforderten vertraglichen Garantien von der nationalen
Kautions- und Bürgschaftsgemeinschaft, die es für KMU im Handwerks- und
Bausektor gibt, bereitgestellt werden.
• In Griechenland zeigte eine Studie aus dem Jahr 1994, daß eines der Haupthindernisse für KMU in ihrer geringen Kapazität in Relation zu den in den
Ausschreibungen geforderten Aktivitäten zu liegen scheint1.
• Während eines Tiefeninterviews in Belgien wurde erwähnt, daß KMU dadurch
geholfen werden könnte, daß die öffentlichen Ausschreibungen in kleinere Lose
unterteilt werden, so daß sie nicht in die Rolle der Subunternehmer (mit niedrigeren Preisen, die zu geringerer Rentabilität führen) gedrängt werden.
• In Deutschland haben derartige Überlegungen zu einem speziellen Paragraphen
für KMU in den Ausschreibungsrichtlinien (Mittelstandsparagraph) geführt, der
besagt, daß KMU bei öffentlichen Ausschreibungen insofern berücksichtigt
werden müssen, als bevorzugt kleinere Lose angeboten werden; große Lose
müssen unterteilt werden.
Die identifizierten Barrieren für KMU auf dem Markt für öffentliche Ausschreibungen können wie folgt zusammengefaßt werden:2
• Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung;
• Mangelnde Kenntnisse über die Ausschreibungsverfahren;
• Die Größe der Aufträge;
• Zu wenig Zeit für die Vorbereitung des Angebots;
• Kosten für die Erstellung des Angebots (da es sich bei vielen Kosten um Fixkosten handelt, sind KMU mit überproportional hohen Kosten im Vergleich zu
großen Unternehmen konfrontiert);
• Zu hohe administrative Belastungen;
1
Demel Co., The participation of SMEs in public procurement (Die Teilnahme von KMU
an öffentlichen Ausschreibungen), im Auftrag der Athens Chamber of Small and MediumSized Enterprises, 1994.
2
Fast alle Studien beleuchten nur die Hindernisse, obwohl die Öffnung des Marktes für
öffentliche Ausschreibungen nicht nur negative Seiten für KMU hat. Es lassen sich auch
einige Vorteile nennen: mehr Möglichkeiten und daraus resultierendes Umsatzwachstum,
neue Kunden, neue Beziehungen zwischen Hauptauftragnehmern und Subunternehmern,
umfangreicheres Know-how und (internationale) Erfahrung.
122
Die Funktionsweise der Märkte für Waren und Dienstleistungen
• Der verwendete Fachjargon;
• Hohe Qualifikationsanforderungen und benötigte Zertifizierungen;
• Geforderte finanzielle Garantien;
• Diskriminierung ausländischer bzw. Bevorzugung lokaler oder nationaler Unternehmen;
• Das Finden von Kooperationspartnern im Ausland.
Gründe, nicht an Ausschreibungsverfahren teilzunehmen
Es ist bekannt, daß sich KMU mit mehr Hindernissen auf dem Markt für öffentliche
Ausschreibungen konfrontiert sehen als ihre großen Konkurrenten, und daß die
meisten Barrieren für KMU höher sind als für große Unternehmen. Der ENSR Enterprise Survey ermöglicht es, die bedeutendsten Barrieren für KMU im Jahr 1999 zu
identifizieren.
Der wichtigste Grund, der von Unternehmen genannt wurde, die nicht versucht
haben, an europäischen Ausschreibungen teilzunehmen (siehe Abbildung 2.2) liegt
darin, daß die Projekte zu groß für ihre eigenen Unternehmen sind (genannt von
27 %) und in dem Mangel an Information über öffentliche Ausschreibungen im
allgemeinen (22 %). Bei der Frage nach einem zweiten Grund antworteten die
Unternehmer, daß es zu schwierig war, in der vorhandenen Zeit die entsprechenden Informationen zu erhalten (16 %).
Abbildung 2.2 Drei wesentliche Gründe für KMU, an europäischen Ausschreibungen
nicht teilzunehmen (Anteil der Unternehmen, Mehrfachantworten
möglich), Europa-19
Projekte sind zu groß für
unser Unternehmen
Mangel an Information im
allgemeinen
Zu schwierig, spezifische
Informationen zu erhalten
0
5
10
15
20
25
30
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Wenn dies mit den Gründen verglichen wird, die Unternehmen davon abgehalten
haben, an lokalen oder nationalen Ausschreibungen teilzunehmen, sind nur geringe
Unterschiede erkennbar. Mangelnde Information und die Größe der Projekte
treten hier mit etwa 12 % gleich häufig als erstgereihter Grund auf. Als zweitgereihter Grund wird der Mangel an Information über öffentliche Ausschreibungen
123
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
im allgemeinen am häufigsten genannt (ebenfalls mit 12 %). Diese zwei Gründe
sind in allen Sektoren vorherrschend, mit Ausnahme des Kredit- und
Versicherungswesens bei europäischen als auch bei nationalen/lokalen Ausschreibungen, und des Reparaturgewerbes bei nationalen/lokalen Ausschreibungen. In
letztgenanntem Bereich ist der am häufigsten genannte Grund, daß die Kosten für
die Angebotserstellung zu hoch sind. Im Reparaturgewerbe werden auch, verglichen mit anderen Wirtschaftssektoren, die administrativen Belastungen sehr häufig
genannt.
Um einen tieferen Einblick in den Grund „Projekte sind zu groß für mein Unternehmen” zu erhalten, scheinen die folgenden Ergebnisse des ENSR Enterprise
Survey interessant. Eine natürliche Rolle für KMU in bezug auf die Teilnahme an
öffentlichen Ausschreibungen wird in der des Subunternehmers gesehen, da die
KMU für die meisten Projekte angeblich zu klein wären. Die Ergebnisse zeigen
jedoch ein gegensätzliches Bild, wenn die Position innerhalb des europäischen
Projekts, an dem die befragten Unternehmen am meisten interessiert waren
(gleichgültig ob sie beauftragt wurden oder nicht), betrachtet wird. Es scheint,
daß die Mehrzahl der Unternehmen, die versucht haben teilzunehmen, die
einzigen Vertragsnehmer waren, ohne andere beteiligte Partner (49 %). Die Position des Hauptauftragnehmers mit Subunternehmen und die Position des Subunternehmers erreichen nahezu gleiche Häufigkeit: 14 % bzw. 19 %.1 Bei nationalen/lokalen Ausschreibungen sind die Ergebnisse ähnlich: Fast die Hälfte der
Unternehmen (44 %) trat im Rahmen der Einreichung bei dem lokalen oder nationalen Projekt, für das sie sich am meisten interessierten, als der einzige Auftragnehmer auf. Mehr als ein Viertel (28 %) war Hauptauftragnehmer mit anderen
Subunternehmern und 20 % waren Subunternehmer. Demnach scheint dieser
spezielle Grund, der einige Unternehmen davon abhält, teilzunehmen, für andere
KMU kein Problem darzustellen, selbst bei europäischen Projekten nicht.
Mangelnde Information betrifft auf europäischer Ebene am stärksten die Unternehmen mit Beschäftigten, und wie erwartet sinkt das Ausmaß, in dem der Grund
„Projekte sind zu groß” genannt wird, mit der Unternehmensgröße. Das bedeutet
erstens, daß die Projektgröße vor allem für Kleinstunternehmen ein Problem
darstellt und weniger für größere KMU und zweitens, daß das Informationsproblem gravierender wird, wenn es sich um ein Unternehmen mit Beschäftigten
handelt. Der Mangel an Information auf lokaler/nationaler Ebene wird in den
verschiedenen Größenklassen unterschiedlich empfunden: die Unternehmen ohne
Beschäftige und die mittleren Unternehmen sind besser informiert. Letztere
verweisen relativ häufig darauf, daß die Kosten für die Erstellung eines Angebotes
und die administrativen Belastungen zu hoch sind.
Eine der im Grünbuch erwähnten Maßnahmen ist die Verbesserung des Informationsflusses zu den Unternehmen. Die Information, die es den Anbietern ermöglicht, sich für einen Auftrag zu bewerben, wird im Amtsblatt der EU publiziert, wo
die Anzahl der Bekanntmachungen von 12 000 im Jahr 1987 auf 95 000 im Jahr
1995 angestiegen ist. Die große Menge der Bekanntmachungen bedeutet, daß die
Auswahl der interessanten Ausschreibungen für die Unternehmer nicht einfach ist.
Eine elektronische Verbreitung der Ankündigungen über CD-ROM oder Internet,
sofern das Unternehmen einen Zugang hat, könnte die Handhabung dieses Übermaßes an Information erleichtern. Ein interessantes Ergebnis der Erhebung ist
deshalb, daß Unternehmen, die einem großen Anteil der Beschäftigten (75100 %) einen direkten Zugang zum Internet ermöglichen, einen geringeren Infor-
1
Sogar Unternehmen ohne Beschäftigte sind in 44 % der Fälle Hauptauftragnehmer, nur
13 % sind Subunternehmer.
124
Die Funktionsweise der Märkte für waren und Dienstleistungen
mationsmangel bezüglich europäischer Ausschreibungen aufweisen. Demnach
lassen sich die Barrieren, die durch mangelnde Information entstehen, durch das
Internet reduzieren.1 Für die nationale und lokale Ebene ist dieser Effekt bei Unternehmen, in denen 50-75 % der Beschäftigten direkten Zugang zum Internet
haben, am stärksten. Ein anderes wichtiges Hindernis tritt auf, wenn der Mangel
an Information behoben ist: das Finden eines Kooperationspartners.
2.5
Politische Empfehlungen
Regulierungsreformen, die auf eine Verbesserung des Funktionierens der Märkte für
Waren und Dienstleistungen abzielen, können unterschiedliche Wirkungen auf unterschiedliche Unternehmen haben und können daher zu höheren Barrieren für KMU
führen als für größere Unternehmen. Von der OECD wird dringend empfohlen:
• Es ist sinnvoll, eine Gesetzesfolgenabschätzung durchzuführen, um die positiven
und negativen Auswirkungen jeder neuen Regulierung oder Deregulierung,
insbesondere für KMU, zu analysieren.2
Zusätzlich zu dieser allgemeinen Empfehlung führen die Fallstudien über die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten und die Öffnung des Marktes für öffentliche
Ausschreibungen zu einigen speziellen politischen Empfehlungen.
Die Deregulierung der Ladenöffnungszeiten hat sich auf den Lebensmittel-Einzelhandelssektor stark ausgewirkt. Die großen Unternehmen scheinen am meisten zu
profitieren, während die kleinen Läden leiden. Eine Deregulierung beschleunigt
den Verlust der Marktanteile von KMU. Dies führt zu folgenden politischen
Vorschlägen für die nationalen Verantwortlichen, die von einigen Ländern bereits
umgesetzt wurden:
• Positive Diskriminierung sehr kleiner Lebensmittelgeschäfte, indem diesen
freiere Öffnungszeiten erlaubt werden als anderen Unternehmen.
• Die Fallstudie über die Öffnung des Marktes für öffentliche Ausschreibungen
zeigt, daß eines von drei KMU über die Möglichkeiten öffentlicher Ausschreibungsverfahren informiert ist. Um diesen Unternehmen dabei zu helfen, die
Chancen, die sich aus dem offenen Markt ergeben, zu nutzen:
• Ist mehr Information über öffentliche Ausschreibungen für KMU notwendig. Diese
Informationen können sowohl von den Regierungen als auch von intermediären
Organisationen oder Unternehmerverbänden zur Verfügung gestellt werden.
Im Rahmen des ENSR Enterprise Survey wurden auch Informationen über die Teilnahmerate von KMU erhoben, und es wurde deutlich, daß die Teilnahmerate von
KMU bei lokalen oder nationalen Ausschreibungen deutlich höher ist als bei
europäischen Ausschreibungen. Die Barrieren, die KMU davon abhalten, bei
lokalen und nationalen Ausschreibungen und bei europäischen Ausschreibungen
teilzunehmen, sind dennoch dieselben. Die Projekte sind zu groß für KMU, es herrscht ein Mangel an Informationen über öffentliche Ausschreibungsverfahren im
allgemeinen und es ist zu schwierig, spezifische Informationen pünktlich zu
erhalten.
1
Der Dialog auf http://www.europa.eu.int/business gibt Informationen über öffentliche
Ausschreibungen.
2
OECD, Regulatory Impact Analysis: Best Practices in OECD Countries (Gesetzesfolgenabschätzung: Beste Verfahren in den OECD-Ländern), Paris, 1997.
125
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Die augenscheinlichste Barriere liegt darin, daß die Projekte zu groß für die Unternehmen sind. Das könnte wie folgt gelöst werden:
• Überzeugung der Auftraggeber, große Aufträge in kleinere Lose zu zerteilen;
• Oder Stimulierung von KMU, gemeinsam mit anderen Unternehmen in einem
Konsortium einzureichen.
Ein anderes wichtiges Hindernis ist der Mangel an Information. Abgesehen von
bereits durchgeführten Maßnahmen, um die Informationslücke zu schließen, wie
etwa elektronische Verbreitung der Ausschreibungen, Veröffentlichung praktischer
Leitfäden für Auftraggeber und Anbieter und die Bereitstellung von Schulungen
und Beratungen für Unternehmen, muß auf folgendes geachtet werden:
• Vereinfachung und Standardisierung von Formularen, Verfahren und Zertifizierungen (wie bereits in einigen Ländern begonnen). Dadurch könnten die
Kosten für die Vorbereitung von Angeboten und die administrativen Belastungen (die für KMU überproportional hoch sind) gesenkt werden.
Es sollte festgehalten werden, daß KMU, wie in Abschnitt 2.4.2 diskutiert, bereits
einen großen Anteil am europäischen Ausschreibungsmarkt ‘halten’. Eine Verringerung der Barrieren könnte deshalb eher den Wettbewerb zwischen den einzelnen
KMU erhöhen, und damit zu dem Ziel einer bestmöglichen Verwendung von
Steuergeldern beitragen, als die Zahl der KMU als Auftragnehmer zu steigern. Bei
gegebener Anzahl der Ausschreibungen in Europa, wird der Zugang neuer KMU in
den Ausschreibungsmarkt die Erfolgsrate der KMU verringern.
126
3
Aspekte des Arbeitsmarktes
Koordination: das Danish Technological Institute
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE
• Fachkräftemangel hat schwerwiegende Auswirkungen auf KMU. Für fast 10 %
der KMU stellt der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften eine wesentliche
Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit dar. Lediglich der Zugang zur Finanzierung und administrative Vorschriften werden von einem bedeutenden Teil der
KMU als noch größere Beeinträchtigungen der Geschäftstätigkeit betrachtet.
• Im Laufe des letzten Jahres war fast ein Viertel der KMU häufig oder gelegentlich mit Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen konfrontiert. Ein
Drittel dieser KMU wurde aus diesem Grund in der Geschäftstätigkeit behindert.
Fast ein Fünftel dieser KMU hat den Versuch aufgegeben, die offenen Stellen zu
besetzen.
• Rekrutierungsprobleme in bezug auf ungelernte und angelernte Arbeitskräfte
sind genauso weit verbreitet wie in bezug auf Techniker und Ingenieure.
• Die Weiterbildung der bestehenden Mitarbeiter ist die allgemein von KMU
bevorzugte Strategie zur Überwindung von Problemen bei der Personalbeschaffung. Vor allem die kleinsten KMU - jene mit weniger als 10 Beschäftigten haben Schwierigkeiten, Maßnahmen zur Lösung von Rekrutierungsproblemen
zu setzen.
• Die meisten Länder sind im Monitoring des bestehenden Fachkräftemangels
aktiv, nur wenige aber setzen Maßnahmen, sich abzeichnenden Fachkräftemangel zu erkennen, bevor dieser zu einem Problem wird. Der Großteil der
Maßnahmen zur Überwindung von Rekrutierungsproblemen ist indirekter Art,
da deren Ziel darin besteht, einen flexiblen Arbeitsmarkt durch Aufwertung der
Qualifikationen und Fähigkeiten der Arbeitskräfte und Förderung hoher Mobilität und Transparenz sicherzustellen. Obwohl es Beispiele für Anstrengungen,
Fachkräftemangel in spezifischen Bereichen zu identifizieren, gibt, sind diese
doch eher selten anzutreffen.
• Das Ausmaß grenzüberschreitender Mobilität ist bislang noch relativ begrenzt,
und nach wie vor sind Hindernisse in diesem Zusammenhang zu beseitigen.
Das geringe Ausmaß der grenzüberschreitenden Mobilität weist darauf hin, daß
dies gegenwärtig nicht der am besten geeignete oder am weitesten verbreitete
Weg ist, um Rekrutierungsprobleme und Fachkräftemangel zu überwinden.
• Die Verringerung der Steuern auf Arbeit wird nicht in entsprechendem Ausmaß
eingesetzt, um als Strategie zur Überwindung des zunehmenden Fachkräftemangels gelten zu können. Sieben Mitgliedstaaten haben, im Gefolge der
Beschäftigungspolitischen Leitlinien 1998, das Steuersystem im Rahmen ihrer
Beschäftigungspolitik eingesetzt. In den meisten Staaten beinhalten die Steuerreformen sowohl eine allgemeine Senkung der Steuern auf Arbeit als auch eine
besondere Berücksichtigung der Besteuerung von gering entlohnten Arbeitnehmern.
127
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
3.1
Einleitung
Der Arbeitsmarkt ist ein wesentlicher Teil des wirtschaftlichen Umfelds von KMU.
Der Verfügbarkeit geeignet qualifizierter Arbeitnehmer kommt für alle Arten von
Unternehmen große Bedeutung zu, und wenn Unternehmen Schwierigkeiten
haben, ein ausreichendes Potential an Arbeitskräften zu finden, besteht oft das
Risiko, daß dies das Wachstum der Unternehmen beeinträchtigt.
Der Konjunkturaufschwung der letzten Jahre führte im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und in der Schweiz auch zu einer zunehmenden Nachfrage nach
Arbeitskräften. Ein gut funktionierender Arbeitsmarkt ist heute von noch größerer
Bedeutung als in den vergangenen Jahren, welche durch hohe Arbeitslosigkeit und
ein Überangebot an Arbeitskräften gekennzeichnet waren. Nach den Ergebnissen
der im Rahmen des Dritten Jahresberichts des Europäischen Beobachtungsnetzes
für KMU durchgeführten Analysen zeichnete sich damals der Arbeitsmarkt
aufgrund der wirtschaftlichen Rezession durch eine weit geringere Nachfrage nach
Arbeit aus. Obwohl die Arbeitsnachfrage geringer war, herrschte in den meisten
Mitgliedstaaten ein Fachkräftemangel, der allerdings noch keine schwerwiegende
Behinderung für die Unternehmen darstellte.
Die zunehmende Nachfrage nach Arbeitskräften bedeutet für Unternehmen die
Gefahr, Problemen in bezug auf die Verfügbarkeit von Arbeitskräften gegenüber zu
stehen, d. h. Problemen der Personalbeschaffung und Fachkräftemangel, insbesondere wenn der Arbeitsmarkt nicht richtig funktioniert.
3.2
Fachkräftemangel
In den letzten Jahren waren die KMU mit einer immer stärkeren Internationalisierung
konfrontiert. Dies hatte zunehmende Konkurrenz und sich schnell wandelnde Wettbewerbsfaktoren zur Folge. Die Unternehmen stehen heute steigenden Anforderungen in bezug auf Flexibilität und Veränderungsbereitschaft gegenüber. In diesem
Zusammenhang werden die Arbeitskräfte und ihre Qualifikationen zu zentralen Parametern des Wettbewerbs. Daher ist es wichtig, daß die bereits in den Unternehmen
tätigen Beschäftigten über die richtigen Qualifikationen verfügen und die Unternehmen in der Lage sind, Arbeitskräfte mit den benötigten Eigenschaften einzustellen.
Der Dritte Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU wies auf
einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in der Mehrheit der Mitgliedstaaten
hin. Zu jenem Zeitpunkt bedeutete dies jedoch noch kein wesentliches Problem für
die KMU. Desweiteren zeigte der Bericht eine allgemeine Verringerung des quantitativen wie qualitativen Defizits an Arbeitskraft im Zeitraum von 1991 bis 1994, vor
allem aufgrund der Konjunkturschwäche. Seit der Veröffentlichung des Dritten
Jahresberichts hat sich die Konjunktur verbessert, während gleichzeitig Hinweise
auf eine Verschärfung des Problems des Fachkräftemangels bestehen. Laut einem
kürzlich fertiggestellten Bericht blieben in der EU per Ende 1998 mehr als 500 000
Stellen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) wegen
Fachkräftemangel unbesetzt1.
Es stellt sich daher die Frage, ob KMU weiterhin über ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte verfügen können, oder ob ein Mangel an Fachkräften die Einstellung neuer
1
Europäische Kommission, Die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Informationsgesellschaft: Nutzung des Potentials der Informationsrevolution, Bericht an den Europäischen
Rat, KOM(98) 590 endg., Brüssel, 1998.
128
Aspekte des Arbeitsmarktes
Beschäftigter in KMU erheblich erschwert. Ziel dieses Kapitels ist es, die Bedeutung
des Fachkräftemangels für Unternehmen im EWR und in der Schweiz darzustellen,
und die Auswirkungen des Fachkräftemangels mit anderen Problembereichen von
KMU zu vergleichen. Schließlich sollen auch die Bemühungen und Maßnahmen der
einzelnen Mitgliedstaaten zur frühzeitigen Erkennung und Überwindung von Fachkräftemangel bzw. Problemen der Personalbeschaffung dargestellt werden1.
3.2.1
Probleme der Personalbeschaffung und Fachkräftemangel in
KMU
Vor einer Darstellung der Forschungsergebnisse soll der Begriff des Fachkräftemangels definiert werden: Fachkräftemangel tritt dann auf, wenn die Nachfrage nach
Fachkräften (bzw. deren Qualifikationen) das Angebot an Fachkräften (bzw. deren
Qualifikationen) übersteigt2.
In diesem Abschnitt wird der Fachkräftemangel aus der Perspektive der Unternehmen betrachtet. Wenn Unternehmen nicht in der Lage sind, ihren Bedarf an
Arbeitskräften mit bestimmten Qualifikationen zu decken, besteht ein Qualifikationsdefizit. Den Verfassern ist bewußt, daß ein theoretischer Unterschied zwischen
Fachkräftemangel und Problemen des Mismatch auf dem Arbeitsmarkt besteht.
Wenn Unternehmen Schwierigkeiten bei der Personalbeschaffung haben, kann
dies eine Folge von Mismatch-Problemen sein. Mismatch stellt das Unvermögen
des Arbeitsmarktes dar, die richtige Art des Arbeitsangebots mit der richtigen Art
der Arbeitsnachfrage zusammenzubringen3.
Der ENSR Enterprise Survey 19994 zeigt, daß Fachkräftemangel schwerwiegende
Folgen für KMU nach sich zieht:
• Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften stellt für fast 10 % der KMU eine
wesentliche Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit dar. Lediglich der Zugang
zur Finanzierung sowie administrative Vorschriften werden von einem bedeutenden Teil der KMU als noch größeres Problem betrachtet.
• Fast ein Viertel der KMU hatte in den letzten Jahren häufig oder gelegentlich
Schwierigkeiten, freie Stellen zu besetzen.
• Ein Drittel der KMU mit Schwierigkeiten bei der Besetzung freier Stellen wurde
aus diesem Grund in der Geschäftstätigkeit behindert.
• Fast ein Fünftel der KMU mit Problemen bei der Personalbeschaffung hat in der
Folge auf die Einstellung von Personal verzichtet.
Desweiteren zeigen die Ergebnisse, daß Probleme bei der Rekrutierung von ungelernten und angelernten Arbeitskräften ebenso weit verbreitet sind wie im Fall von
Technikern und Ingenieuren, die in anderen Studien als jene Berufsgruppen identi-
1
Gemäß früherer Studien - darunter etwa ROA, Skills Shortages in the 90s (Fachkräftemangel in den Neunzigern), Maastricht, 1994, und der Dritte Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU - wird Fachkräftemangel typischerweise mit dem
Einsatz beruflicher Weiterbildung begegnet. Für eine weitergehende Beschreibung dazu
siehe Kapitel 9 „Berufliche Bildung und KMU” dieses Berichts.
2
Research Centre for Education and the Labour Market, Skills Shortages in the 90s (Fachkräftemangel in den Neunzigern), EU Skills Shortages Update Project Synthesis Report,
Maastricht, August 1994.
3
Der Unterschied zwischen Fachkräftemangel und Problemen des Mismatch wird später
in diesem Kapitel noch ausführlicher behandelt. In bezug auf Maßnahmen zur Überwindung von Problemen der Personalbeschaffung in KMU muß zwischen Fachkräftemangel
und Problemen des Mismatch unterschieden werden, da unterschiedliche Probleme unterschiedliche Gegenmaßnahmen erfordern.
4
Eine ausführliche methodische Erläuterung zu dieser Erhebung findet sich in Anhang I
dieses Berichts: Die Erstellung und Analyse des ENSR Enterprise Survey 1999.
129
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
fiziert werden, in denen Fachkräftemangel am ehesten auftritt. Schließlich weisen
die Ergebnisse auch darauf hin, daß es insbesondere den kleinsten Unternehmen d. h. Unternehmen ohne Beschäftigte bzw. Kleinstunternehmen - schwerfällt,
Maßnahmen zur Überwindung von Problemen bei der Personalbeschaffung zu
ergreifen. Die Ergebnisse der Erhebung werden in den folgenden Abschnitten
ausführlicher dargelegt und diskutiert.
3.2.2 Die wesentlichen Hindernisse für die Geschäftstätigkeit
Die befragten Unternehmen wurden ersucht, die wesentlichen Hindernisse für ihre
Geschäftstätigkeit zu nennen. Jedes Unternehmen wurde gebeten, aus einer Liste
möglicher Hindernisse das bedeutendste auszuwählen. Tabelle 3.1 zeigt, daß 9 %
der Unternehmen den „Mangel an qualifizierten Arbeitskräften” als größte Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit betrachten.
Tabelle 3.1 Wesentliche Hindernisse für die Geschäftstätigkeit von KMU, nach
Unternehmensgröße, Europa-19
Anzahl der Beschäftigten
Wesentliche Hindernisse
Mangel an qualifizierten Arbeitskräften 4
Zugang zur Finanzierung
16
Einführung neuer Technologien
4
Änderung der Produktionsorganisation 1
Qualitätssicherung
1
Administrative Vorschriften
10
Infrastruktur
3
Einführung des Euro
0
Andere Faktoren
31
Keine Hindernisse
27
Weiß nicht/Keine Antwort
2
Gesamt
100
0
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
1-9
13
12
4
1
2
12
4
1
30
19
1
100
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
10-49
17
14
4
3
3
15
5
1
22
16
1
100
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
50-249
23
8
5
4
3
15
4
1
23
15
0
100
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Gesamt
9
14
4
1
2
11
3
1
30
23
1
100
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Es zeigt sich, daß nur zwei weitere Hindernisse von einem großen Teil der Unternehmen als noch wichtiger betrachtet werden: „Zugang zur Finanzierung” und
„Administrative Vorschriften”. Tabelle 3.1 verdeutlicht außerdem, daß der Anteil
der Unternehmen, die sich durch einen „Mangel an qualifizierten Arbeitskräften”
beeinträchtigt sehen, mit der Unternehmensgröße zunimmt.
Fast ein Viertel der mittleren Unternehmen nennen „Mangel an qualifizierten
Arbeitskräften” als wesentliche Beeinträchtigung - eine Zahl, der ein Anteil von nur
13 % bei den Kleinstunternehmen gegenübersteht.
Einerseits entspricht dieses Ergebnis den Erwartungen, da Unternehmen mit vielen
Beschäftigten häufiger neue Mitarbeiter aufnehmen müssen und sich daher öfter
Problemen mit der Besetzung von Stellen gegenübersehen. Andererseits ist das
Ergebnis überraschend, weil mittlere Unternehmen häufig Spezialisten für Personalangelegenheiten beschäftigen und deshalb eigentlich weniger Probleme bei der Personalbeschaffung haben müßten als kleine und Kleinstunternehmen. Außerdem wäre zu
erwarten, daß kleine Unternehmen mit geringeren Möglichkeiten zur internen
Umverteilung von Mitarbeitern kurzfristig stärker beeinträchtigt sind. In Abschnitt
3.2.4 werden die Folgen von Problemen der Personalbeschaffung in bezug auf die
Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit untersucht. Allerdings können keine signifikanten Unterschiede nach Unternehmensgröße festgestellt werden.
130
Aspekte des Arbeitsmarktes
In bezug auf die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Hindernisse in den
verschiedenen Größenklassen ist zu erwähnen, daß lediglich der „Mangel an qualifizierten Arbeitskräften” um so gravierender zu sein scheint, je mehr Arbeitnehmer
ein Unternehmen beschäftigt. Der „Zugang zur Finanzierung” ist gerade für die
kleinsten Unternehmen eine wesentliche Beeinträchtigung, während für die
anderen genannten Problembereiche keine signifikanten Unterschiede nach Unternehmensgröße zu erkennen sind1.
Eine nach Wirtschaftssektoren differenzierende Analyse zeigt die folgenden - eher
geringfügigen - Unterschiede (siehe Tabelle 3.2).
Tabelle 3.2 Anteil der KMU, die ‘Mangel an qualifizierten Arbeitskräften’ als größte
Beeinträchtigung nannten, nach Wirtschaftssektoren, Europa-19
Sektor
Unternehmen in Prozent
Sachgütererzeugung
Bauwesen
Großhandel
Einzelhandel
Beherbergung/Gaststätten
Reparaturgewerbe
Verkehr/Nachrichtenübermittlung
Kredit- und Versicherungswesen
Unternehmensbezogene Dienstleistungen
Sonstige Dienstleistungen
Sonstige Sektoren
Gesamt
9
20
7
6
16
11
7
5
6
7
9
9
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Im Bauwesen sowie im Bereich Beherbergung/Gaststätten wird der „Mangel an
qualifizierten Arbeitskräften” öfter als hauptsächliche Beeinträchtigung der
Geschäftstätigkeit genannt als in anderer Wirtschaftssektoren. Davon abgesehen,
scheinen jedoch keine bedeutenden Unterschiede zu bestehen. Im Bauwesen mag
dies auf die Tatsache zurückzuführen sein, daß sich diese Unternehmen in Phasen
des Wirtschaftswachstums und steigender Beschäftigung, die in vielen europäischen Volkswirtschaften in den letzten Jahren zu verzeichnen waren, üblicherweise
als erste Problemen mit der Personalbeschaffung gegenübersehen. Im Bereich
Beherbergung/Gaststätten könnte die Erklärung in den typischen Arbeitsbedingungen dieses Sektors liegen, d. h. problematische Arbeitszeiten und relativ
geringe Entlohnung. Außerdem ist sowohl das Bauwesen als auch der Bereich
Beherbergung/Gaststätten meist saisonalen Schwankungen unterworfen, was
Probleme der Personalbeschaffung insofern verschärfen könnte, als die Unternehmen öfter neue Mitarbeiter für einen begrenzten Zeitraum einstellen müssen.
Eine Analyse der Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern zeigt, daß in
Irland, Portugal, Luxemburg, Island und Dänemark sogar zwischen 15 und 20 %
der Unternehmen im „Mangel an qualifizierten Arbeitskräften” die größte Beein-
1
Dreißig Prozent - und damit der höchste Anteil - der Unternehmen nennen „andere”
wesentliche Beeinträchtigungen als die oben aufgezählten. Leider enthält die Erhebung
keine Informationen darüber, mit welcher Art von Hindernissen diese Gruppe konkret
konfrontiert ist.
131
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
trächtigung ihrer Geschäftstätigkeit sehen. Alle diese Länder hatten in den letzten
Jahren steigende Erwerbsraten zu verzeichnen, was im allgemeinen zu einem
verschärften Wettbewerb um Arbeitskraft beiträgt.
3.2.3 Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen
Wie Tabelle 3.3 zeigt, sahen sich im letzten Jahr etwa 14 % der Unternehmen
häufig Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen gegenüber:
Tabelle 3.3 Anteil der KMU, die sich im letzten Jahr Schwierigkeiten bei der Besetzung
offener Stellen gegenübersahen, nach Unternehmensgröße, Europa-19
Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen
Größenklasse
Häufig
0 Beschäftigte
1-9 Beschäftigte
10-49 Beschäftigte
50-249 Beschäftigte
Gesamt
7
22
29
30
14
%
%
%
%
%
Gelegentlich
7
10
17
25
9
%
%
%
%
%
Selten
Nie
4
7
12
14
6
78
60
41
30
69
%
%
%
%
%
Weiß nicht/ Gesamt
Keine Antwort
%
%
%
%
%
4
1
1
1
2
%
%
%
%
%
100
100
100
100
100
%
%
%
%
%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Es überrascht nicht, daß die Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen, mit der
Anzahl der Beschäftigten eines Unternehmens zunehmen. Je mehr Beschäftigte ein
Unternehmen hat, desto öfter befindet sich das Unternehmen in der Situation
neue Mitarbeiter einstellen zu müssen und damit auch Problemen bei der Personalsuche gegenüberzustehen. Mittlere Unternehmen haben die meisten Probleme,
nur 30 % der Firmen in dieser Größenklasse hatten im letzten Jahr keinerlei
Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen. Weniger gravierend ist das
Problem der Personalbeschaffung für kleine Unternehmen, immerhin hatte aber
fast die Hälfte dieser Firmen während des letzten Jahres häufig oder gelegentlich
mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Generell scheint die Personalbeschaffung für viele
KMU ein bedeutendes Problem darzustellen.
Tabelle 3.4 Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen, Verteilung auf Berufsgruppen in Prozent, Europa-19
Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen
Häufig
Ungelernte Arbeiter
Angelernte Arbeitskräfte
(z. B. Fahrer, Maschinisten)
Techniker, Ingenieure
Büroangestellte und Verwaltungspersonal
Mittleres Management, Meister
Geschäftsführer und Manager
Weiß nicht/Keine Antwort
Gelegentlich
Selten
37 %
28 %
24 %
32 %
35
29
8
9
5
2
37
30
16
9
1
1
29
27
9
7
2
8
35
29
10
9
3
3
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Da mehr als nur eine Antwort möglich war, kann die Spaltensumme 100 % übersteigen.
132
Gesamt
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Aspekte des Arbeitsmarktes
Tabelle 3.4 zeigt, daß die Besetzung offener Stellen für drei Gruppen von Mitarbeitern, nämlich „ungelernte Arbeiter”, „angelernte Arbeitskräfte” und „Techniker”, schwieriger ist als für andere. Es scheint, daß es stets die gleichen Mitarbeiterkategorien sind, die schwer anzuwerben sind. Obwohl einige Unterschiede
nach Unternehmensgröße festgestellt werden können, hat in allen Größenklassen
etwa ein Drittel der Unternehmen Schwierigkeiten, offene Stellen für „ungelernte
Arbeiter”, „angelernte Arbeiter” und „Techniker” zu besetzen. Unternehmen mit
10 oder mehr Beschäftigten haben darüber hinaus auch Probleme, Büroangestellte, anderes Verwaltungspersonal und Führungskräfte einzustellen.
Dieses Ergebnis ist etwas überraschend. Es konnte nicht erwartet werden, daß
KMU bei der Rekrutierung wenig qualifizierter Arbeiter ebenso große Schwierigkeiten wie bei Technikern und Ingenieuren haben würden.
Von den derzeit 17 Millionen Arbeitslosen in der Europäischen Union1 hat die
Mehrheit keine Berufsausbildung und ist nur gering qualifiziert. Die Arbeitslosigkeit
ist unter hochqualifizierten Personen, insbesondere solchen mit weiterführender
höherer Bildung, wesentlich niedriger. Die Internationalisierung der Wirtschaft
erhöht die Anforderungen an die Unternehmen, durch Qualität und Flexibilität
Wettbewerbsvorteile zu gewinnen, was wiederum zu einem zunehmenden Bedarf
an spezialisierten und hochqualifizierten Arbeitskräften führt. Aufgrund des technologischen Fortschritts und des vermehrten Einsatzes von Informations- und
Kommunikationstechnologien in den Unternehmen berichten die meisten Länder
über einen Mangel an Computertechnikern, Ingenieuren, etc. In Anbetracht dieser
Situation überrascht es, daß Unternehmen bei der Einstellung gering qualifizierter
Arbeitskräfte ebenso große Probleme haben wie in Zusammenhang mit qualifizierten und hochqualifizierten Mitarbeitern.
Der ENSR Enterprise Survey 1999 bietet keine Erklärungen für die Schwierigkeiten
der KMU bei der Personalbeschaffung. Grundsätzlich scheinen aber die Akquisitionsstrategien der Unternehmen nicht gegriffen zu haben und die Arbeitsmärkte
nicht so flexibel zu sein, wie dies zu wünschen wäre. Mögliche Erklärungen für die
ersichtlichen Schwierigkeiten der KMU bei der Rekrutierung gering qualifizierter
Arbeitskräfte sind z. B.:
• Zu stark eingeschränkte Personalsuche, z. B. macht es eine auf enge Adressatenkreise eingeschränkte Personalsuche einer großen Zahl von potentiellen
Bewerbern unmöglich, überhaupt über die freien Stellen zu erfahren;
• Mangel an Transparenz auf dem Arbeitsmarkt;
• Unzureichende Anreizstrukturen am Arbeitsmarkt, was zu geringer geographischer und beruflicher Mobilität der Arbeitskräfte führt.
Erklärungen können sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite
gefunden werden. Der Versuch, nur die Angebotsseite zu beeinflussen, ist mit
Vorsicht zu betrachten.
3.2.4
Probleme der Personalbeschaffung und ihre Auswirkungen
auf die Geschäftstätigkeit
Die Unternehmen wurden aufgefordert anzugeben, in welchem Ausmaß die
Probleme bei der Personalbeschaffung ihre Geschäftstätigkeit (im Sinne von
Produktion und/oder Umsätzen) beeinträchtigen, wobei die Antwortkategorien
„erheblich” (über 10 %), „mäßig” (unter 10 %) und „überhaupt nicht” zur
Auswahl standen.
1
Europäische Kommission, Beschäftigung in Europa 1999, Brüssel, 1999.
133
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Die Ergebnisse in Tabelle 3.5 zeigen, daß ein Drittel der Unternehmen, die im letzten
Jahr mit Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen konfrontiert waren, der
Ansicht ist, dadurch in der Geschäftstätigkeit ‘erheblich’ beeinträchtigt worden zu sein.
Tabelle 3.5 Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit durch Probleme bei der Personalbeschaffung, nach Unternehmensgröße, Europa-19
Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit durch Probleme bei der Personalbeschaffung
Größenklasse
0 Beschäftigte
1-9 Beschäftigte
10-49 Beschäftigte
50-249 Beschäftigte
Gesamt
Erheblich
(>10 %)
27
39
33
28
34
Mäßig
(<10 %)
%
%
%
%
%
62
40
46
51
48
Überhaupt
nicht
%
%
%
%
%
10
19
20
20
16
%
%
%
%
%
Weiß nicht/
Keine Antwort
1
2
1
1
2
%
%
%
%
%
Gesamt
100
100
100
100
100
%
%
%
%
%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Wie Tabelle 3.5 zeigt, wurden über 80 % der Unternehmen im letzten Jahr durch
Probleme bei der Personalbeschaffung in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt,
wobei nur geringe Unterschiede zwischen den verschiedenen Unternehmensgrößen bestehen.
3.2.5
Die Überwindung von Problemen der Personalbeschaffung
in KMU
Im Rahmen des ENSR Enterprise Survey 1999 wurden die Unternehmen gefragt,
welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um die Probleme der Personalbeschaffung zu lösen. Die Ergebnisse zeigen, daß Unternehmen, die im letzten Jahr
Schwierigkeiten mit der Besetzung offener Stellen hatten, am häufigsten auf die
Weiterbildung bestehender Mitarbeiter zurückgriffen.
Über ein Drittel aller Unternehmen mit Schwierigkeiten bei der Besetzung offener
Stellen hat bestehende Mitarbeiter entsprechend weitergebildet. Eine Differenzierung nach Größenklassen zeigt einen deutlichen Trend: Je höher die Zahl der
Beschäftigten, desto größer der Anteil der Unternehmen, die ihre Mitarbeiter
weiterbilden. Dieser Trend spiegelt die Tatsache wider, daß große und mittlere
Tabelle 3.6 Maßnahmen zur Überwindung von Schwierigkeiten, offene Stellen zu
besetzen, nach Unternehmensgröße, Europa-19
Anzahl der Beschäftigten
Weiterbildung bestehender Mitarbeiter
Einstellung geringer qualifizierter
Mitarbeiter
Umbesetzung von Stellen innerhalb
des KMU
Akquisitionsaktivitäten verstärken
Outsourcing von Tätigkeiten
Verzicht, die Stellen zu besetzen
Vermehrter Einsatz von Maschinen
Keine Maßnahmen
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
134
0
1-9
10-49
50-249
Gesamt
33 %
38 %
43 %
52 %
37 %
16 %
24 %
30 %
26 %
22 %
9
13
16
16
10
3
17
23
14
20
9
2
24
30
26
7
12
1
32
42
22
7
12
1
16
21
16
16
10
2
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
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Aspekte des Arbeitsmarktes
Unternehmen ihren Mitarbeitern im allgemeinen mehr Aus- und Weiterbildung
bieten als kleine und Kleinstunternehmen.
Die zweit- und dritthäufigste Strategie zur Überwindung von Problemen bei der
Personalbeschaffung besteht in der Aufnahme geringer qualifizierter Mitarbeiter
und in der Verstärkung der Akquisitionsaktivitäten. Beide Strategien werden jeweils
von etwa einem Fünftel der Unternehmen, die Probleme mit der Rekrutierung
hatten, eingesetzt. Eine Differenzierung nach Größenklassen zeigt auch hier einen
eindeutigen Trend: Je höher die Zahl der Beschäftigten, desto größer der Anteil der
Unternehmen, die ihre Akquisitionsaktivitäten verstärken und geringer qualifizierte
Mitarbeiter aufnehmen1. In Zusammenhang mit der Verstärkung der Akquisitionsaktivitäten zeigen dänische Studien, daß etwa die Hälfte der offenen Stellen für
Hilfs- und angelernte Arbeiter in privaten Unternehmen durch eingeschränkte
Personalsuche besetzt werden - zum Beispiel Rekrutierung über die Beziehungen
derzeitiger oder früherer Beschäftigter. Die Verwendung von Methoden eingeschränkter Personalsuche verringert die Transparenz des Arbeitsmarktes, so daß
eine große Zahl potentieller Bewerber von vielen offenen Stellen überhaupt nicht
erfahren. Bemühungen zur Förderung breiter Suchmethoden - regionale Arbeitsvermittlung, Zeitungsannoncen, Einsatz des Internet - werden dazu beitragen, den
Arbeitsmarkt transparenter zu gestalten und den Informationsgrad der Arbeitsuchenden bezüglich offener Stellen zu verbessern. Dort, wo Probleme bei der Personalbeschaffung eine Folge von Mismatch sind, scheint der verstärkte Einsatz breiter
Rekrutierungsmethoden ein sinnvoller Ansatz zu sein.
Etwa 16 % der Unternehmen mit Problemen in der Personalrekrutierung geben
an, die Besetzung der offenen Stellen aufgegeben zu haben. Hier ist es interessant,
daß dies vor allem auf Unternehmen ohne Beschäftigte und Kleinstunternehmen
zutrifft, insbesondere da diese Unternehmen weniger bereit sind, die oben angeführten Maßnahmen durchzuführen. Damit ergibt sich das Phänomen, daß insbesondere die kleinsten Unternehmen große Schwierigkeiten haben, Maßnahmen
zur Überwindung von Rekrutierungsproblemen umzusetzen.
3.2.6 Gegenmaßnahmen des öffentlichen Sektors
Wie der ENSR Enterprise Survey 1999 zeigt, stellen Probleme der Personalbeschaffung und der Fachkräftemangel für viele KMU im Europäischen Wirtschaftsraum
(EWR) und in der Schweiz eine Beeinträchtigung dar, die auch negative Folgen für
die Leistungsfähigkeit der Unternehmen hat. Die öffentliche Hand kann dem Fachkräftemangel auf verschiedene Art begegnen. In dieser Untersuchung werden
Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung, Prognose und Erfassung sich abzeichnenden Fachkräftemangels und Maßnahmen zur Beseitigung bestehenden Fachkräftemangels unterschieden.
Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung und Erfassung von Fachkräftemangel
Maßnahmen der frühzeitigen Erkennung bzw. Vorausschau wurden in praktisch
allen Ländern eingeführt. Nach einem Bericht der GD V aus dem Jahr 19962,
1
KMU mit 50-249 Beschäftigten weichen insofern leicht vom allgemeinen Trend ab, als
ein etwas kleinerer Anteil an Unternehmen geringer qualifizierte Mitarbeiter angestellt hat,
als dies bei KMU mit 10-49 Beschäftigten der Fall war.
2
Europäische Kommission, GD V, Instruments, tools and policies to anticipate the effects
of industrial change on employment and vocational qualifications (Instrumente, Methoden
und Politiken zur Prognose der Auswirkungen des industriellen Wandels auf Beschäftigung
und berufliche Qualifikationen), Brüssel, 1996.
135
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
setzen sich die Methoden zur Prognose der Auswirkungen des industriellen
Wandels auf die Beschäftigung aus ökonometrischen Methoden, Methoden der
Extrapolation, empirischen Erhebungen, qualitativen Methoden und Kombinationen aus ökonometrischen und anderen Instrumenten zusammen. In den
meisten Ländern werden drei bis vier, in einer geringeren Zahl von Ländern auch
nur ein bis zwei dieser Instrumente eingesetzt.
Diese Maßnahmen unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht, gemeinsam ist ihnen
jedoch meist, daß zukünftige Trends in der Beschäftigung auf sehr allgemeiner
Ebene prognostiziert werden. Die Ergebnisse solcher Prognosen bestehen beispielsweise aus Schätzungen der zukünftigen Beschäftigtenzahl in verschiedenen Wirtschaftssektoren, der erwarteten Arbeitsnachfrage seitens der Industrie, den
Aussichten für ein breites Spektrum von Berufen und (breiten) Ausbildungskategorien. Die Vorhersagen beruhen üblicherweise auf Prognose- und ökonometrischen
Modellen, die mit Projektionen historischer Daten über Beschäftigung und
Personen mit verschiedenen Ausbildungswegen arbeiten.
Dies erlaubt jedoch noch nicht die Identifizierung und Umsetzung konkreter
Maßnahmen, um das Auftreten von Fachkräftemangel zu verhindern. Die nach
Berufs- und Ausbildungskategorien differenzierten Prognosen mögen wichtige
Hinweise darauf geben, in welchen Bereichen vermutlich Defizite auftreten
werden, sie sind aber für sich alleine nicht ausreichend, um zukünftigen Fachkräftemangel zu erkennen.
Obwohl manche Länder zukünftige Beschäftigungstrends differenziert nach
verschiedenen Kategorien prognostizieren, muß doch betont werden, daß die
meisten Länder ihre Bemühungen auf die Erfassung von Defiziten und/oder
Verschiebungen betreffend berufliche Qualifikationen beschränken, und daß nur
wenige in der Prognose von Fachkräftemangel aktiv sind. Anders ausgedrückt,
geht es bei der Identifikation von Fachkräftemangel meist eher um die Feststellung
der gegenwärtigen Situation als um dessen frühzeitige Erkennung, noch bevor er
zu einem Problem für die KMU wird. Kurz, die derzeitigen Maßnahmen beschäftigen sich vor allem mit der gegenwärtigen Lage und versuchen nicht in ausreichendem Maße, zukünftige Erfordernisse zu berücksichtigen.
Betrachten wir ausschließlich die Maßnahmen der Erfassung und des Monitoring,
so scheinen zwei unterschiedliche Systeme zu dominieren. Beim ersten geht es um
die Analyse der gegenwärtig offenen Stellen, entweder mit Hilfe öffentlicher Register/Datenbanken oder von Erhebungen. Das zweite Monitoringsystem beruht auf
Erhebungen unter Unternehmen über zukünftige Trends im Bereich der Beschäftigung und den zukünftigen Personalbedarf.
Eine häufige Methode der Erfassung bestehenden Fachkräftemangels sind
Analysen auf Basis der offenen Stellen. Belgien, Österreich, Finnland, Luxemburg,
Schweden, Dänemark, Deutschland, die Schweiz und Norwegen verwenden dazu
Datenbanken der öffentlichen Arbeitsverwaltungen (AV). Von Unternehmen ausgeschriebene Stellen, die eine bestimmte Zeit lang unbesetzt geblieben sind, sind ein
Hinweis auf bestehenden Fachkräftemangel oder zumindest schwierig zu besetzende Stellen. Die AV-Datenbanken erlauben differenzierte Analysen nach Branchen, Unternehmensgröße und Berufsgruppen.
Das Monitoring auf Basis der öffentlichen Register kann nicht alle Formen von
Fachkräftemangel vollständig erfassen, da die Arbeitsverwaltungen nicht von allen
offenen Stellen in Kenntnis gesetzt werden. Es ist kaum möglich, alle Arten von
Fachkräftemangel zu erfassen, und die Arbeitsverwaltungen decken nicht die
gesamte Nachfrage nach Arbeitskräften ab. Darüber hinaus muß betont werden,
daß Daten über offene Stellen alleine keine Unterscheidung zwischen echtem
136
Aspekte des Arbeitsmarktes
Fachkräftemangel und anderen Problemen des Arbeitsmarktes zulassen und daher
auch keine Lösungsansätze für die Rekrutierungsprobleme der Unternehmen
aufzeigen können. Um Art und Ursache der Rekrutierungsprobleme bestimmen zu
können, müssen die Daten über offene Stellen mit Statistiken zur Arbeitslosigkeit
und qualitativen Analysen anderer Akteure am Arbeitsmarkt kombiniert werden.
In Schweden, Dänemark und Finnland, zum Beispiel, wird die quantitative Erfassung offener Stellen mit qualitativen Informationen von Arbeitgeberverbänden
kombiniert, wobei die Rohdaten durch qualitative Bewertungen ergänzt werden.
Diese Methode gibt gewisse Hinweise, ob die Schwierigkeiten, offene Stellen zu
besetzen, eine Folge von Fachkräftemangel sind oder Unvollkommenheiten des
Arbeitsmarktes widerspiegeln. Durch zusätzliche Vergleiche mit Statistiken zur
Arbeitslosigkeit und Differenzierungen nach Berufs-/Ausbildungskategorien kann
geklärt werden, ob Probleme des Mismatch oder ein grundsätzlicher Mangel spezifischer Qualifikationen vorliegt.
Nicht in allen Ländern stehen öffentliche Datenbanken oder Register für das Monitoring des Fachkräftemangels zur Verfügung. In Irland, den Niederlanden, Belgien,
Spanien, Schweden, Dänemark, Norwegen, dem Vereinigten Königreich, Österreich, Portugal und Griechenland werden daher Befragungen durchgeführt, um
potentiellen Fachkräftemangel zu erkennen und zu beschreiben. Die Erhebungen
unterscheiden sich in vieler Hinsicht, z. B. erstrecken sich einige nur auf bestimmte
Industriesektoren, während andere alle Wirtschaftssektoren abdecken. Einige
beschränken sich auf bestimmte Regionen, andere decken das ganze Land ab.
Auch die Untersuchungsziele unterscheiden sich: Manche Erhebungen konzentrieren sich auf schwer zu besetzende Stellen, andere befassen sich mit dem Ausund Weiterbildungsbedarf, wieder andere mit Problemen der Personalbeschaffung
im allgemeinen oder in verschiedenen Berufsgruppen. Einige Befragungen legen
das Schwergewicht auf die Rekrutierungsprobleme im jeweils vergangenen Jahr,
während andere den Personal- und Qualifikationsbedarf der Arbeitgeber für die
kommenden Jahre erheben. Auf dem Gebiet der Arbeitsmarktforschung ist eine
breite Palette von Organisationen tätig, wobei die Untersuchungen teilweise von
den lokalen/regionalen Verwaltungen in Auftrag gegeben werden, teilweise von
öffentlichen Institutionen, wie etwa Arbeitsministerien, und Unternehmerverbänden initiiert werden.
Aufgrund der wachsenden Beschäftigung und dem damit verbundenen Risiko des
Fachkräftemangels wurden in den letzten Jahren verschiedene neue Ansätze
entwickelt. Einige Länder haben auch spezielle Arbeitsgruppen zur Verhinderung
potentiellen Fachkräftemangels eingerichtet.
In Irland wurde Ende 1997 von der Regierung ein neue Struktur geschaffen, um
Strategien für die Identifizierung und den Umgang mit Fragen des Qualifikationsbedarfs zu entwickeln. Diese Einrichtung ist als das Business, Education and Training Partnership Forum (Forum für Wirtschaft, Aus- und Weiterbildung) bekannt.
Das Forum tritt ein- oder zweimal jährlich zusammen (seit Juni 1998), um einen
breiten Konsens aller interessierten Parteien über jene politischen Maßnahmen zu
erzielen, die zur Deckung des Qualifikationsbedarfs der Wirtschaft erforderlich sind.
Dem Forum gehören Vertreter der Wirtschaft, der zuständigen Regierungsstellen,
des Bildungswesens sowie anderer öffentlicher Einrichtungen an.
Im Jahr 1998 schuf die Regierung des Vereinigten Königreichs die Skills Task Force
(Arbeitsgruppe Qualifikation), um die Entwicklung einer National Skills Agenda
(Nationale Agenda zur Qualifikation) beratend zu unterstützen. Ziel der Agenda
ist, jene Qualifikationen bereitzustellen, die für den wirtschaftlichen Erfolg erforderlich sind. Die Skills Task Force behandelt derzeit Fragen wie Beschäftigungsfähigkeit, Schlüsselqualifikationen und Weiterbildung am Arbeitsplatz. Ihre
137
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Mitglieder setzen sich aus Arbeitgebern des öffentlichen und privaten Sektors, Ausund Weiterbildungseinrichtungen und Gewerkschaften zusammen.
An dieser Stelle sollte auch angemerkt werden, daß in Spanien kürzlich ein Nationales Institut für Qualifikationen (Instituto Nacional de Cualificaciones) geschaffen
wurde, dessen Ziel die Bereitstellung zentraler und unabhängiger Ressourcen für
die Erfassung bestehender Qualifikationen und die Ermittlung des zukünftigen
Qualifikationsbedarfs ist. Im Rahmen dieses Instituts wird eine Beobachtungsstelle
für Berufe und Qualifikationen eingerichtet werden.
In Zusammenhang mit Maßnahmen des Monitoring und der Erfassung von Fachkräftemangel soll abschließend betont werden, daß die am häufigsten eingesetzten Methoden im allgemeinen von den Problemen der Unternehmen, offene
Stellen zu besetzen, ausgehen. In manchen Ländern stammen die Daten aus
öffentlichen Datenbanken/Registern, während in anderen Ländern Befragungen
durchgeführt werden. Diese Art des Monitoring ist von quantitativer Art und
ermöglicht die Durchführung statistischer Analysen, es bleibt jedoch ein Bedarf
nach qualitativen Informationen bestehen. Diese Untersuchungen sind oftmals die
auf Faktenwissen beruhende Grundlage für Diskussionen zwischen Politikern und
den Akteuren am Arbeitsmarkt - d. h. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden
und Einrichtungen des Bildungswesens - über Fragen wie z. B.: Wie ist das Zahlenmaterial zu interpretieren, wie sehen die Herausforderungen der nächsten Jahre
aus, und welche Maßnahmen wären hier sinnvoll? In den letzten Jahren, in denen
das Risiko von Qualifikationsdefiziten in vielen Ländern zugenommen hat, wurden
spezielle Arbeitsgruppen eingerichtet, in erster Linie mit dem Zweck, die Beteiligung der Hauptakteure des Arbeitsmarktes zu sichern.
Maßnahmen zur Überwindung und Beseitigung bestehenden Fachkräftemangels
In diesem Kapitel wurde bislang von einer breiten Definition des Fachkräftemangels ausgegangen (siehe Abschnitt 3.2.1). Wenn Unternehmen nicht in der
Lage sind, Arbeitskräfte mit bestimmten Qualifikationen zu rekrutieren, deutet
dies darauf hin, daß der Arbeitsmarkt ein Defizit an Qualifikationen aufweist.
Bisher wurde in diesem Kapitel gezeigt, daß KMU in hohem Ausmaß mit
Problemen bei der Personalbeschaffung konfrontiert sind, und daß sich Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen oft negativ auf die Geschäftstätigkeit
der KMU auswirken.
Der nächste Schritt besteht in der Beschreibung von Maßnahmen der öffentlichen
Hand zur Bewältigung der festgestellten Rekrutierungsprobleme in KMU.
Probleme der Personalbeschaffung müssen nicht unbedingt die Folge von bestehendem Fachkräftemangel sein. Die Schwierigkeiten von KMU bei der Besetzung
offener Stellen können auch von einem Versagen des Arbeitsmarktes verursacht
sein. Ein Versagen des Arbeitsmarktes kann in vieler Hinsicht auftreten:
• Die Arbeitslosen/Beschäftigten verfügen über die geforderten Qualifikationen,
können aber nicht mit den offenen Stellen „zusammengebracht” werden, weil
sie in anderen Landesteilen leben, weit entfernt von den Unternehmen mit dem
entsprechenden Fachkräftebedarf.
• Die Arbeitslosen wollen - im allgemeinen oder für das Unternehmen mit den
offenen Stellen im besonderen (geringe Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen) - nicht arbeiten.
• Die Arbeitslosen/Beschäftigten haben, aufgrund geringer Transparenz des
Arbeitsmarktes etc., keine Kenntnis von den offenen Stellen und den Beschäftigungsmöglichkeiten.
138
Aspekte des Arbeitsmarktes
Obwohl es oft schwierig ist, Fachkräftemangel von Problemen des Mismatch oder
anderen Unvollkommenheiten nationaler Arbeitsmärkte abgrenzen zu können, ist
diese Unterscheidung wichtig, da die Art des Problems bestimmt, welche Gegenmaßnahmen hinreichend oder geeignet und erfolgversprechend sind. Großangelegte Ausbildungsprogramme mit langfristigen Zielsetzungen können nicht erfolgreich sein, wenn die Probleme des Arbeitsmarktes in unmittelbaren und akuten
Schwierigkeiten bei der Personalrekrutierung oder im Fachkräftemangel liegen,
was zeigt, daß bei gegensteuernden Maßnahmen auch die zeitliche Dimension zu
berücksichtigen ist.
Die Gegenmaßnahmen öffentlicher Stellen beruhen nicht immer auf fundierter
Kenntnis der tatsächlichen Art der Probleme. Daher gibt es verschiedene Arten von
Maßnahmen, wobei manche direkt auf Fachkräftemangel und andere auf eine
flexiblere Funktionsweise des Arbeitsmarktes abzielen. Dabei sind mehrere Strategien anwendbar, welche im folgenden dargestellt werden.
Aus- und Weiterbildung in Bereichen mit Fachkräftemangel
In einigen Ländern werden von öffentlichen Institutionen Aus- und Weiterbildungsprogramme innerhalb bestimmter Sektoren initiiert. Mit Hilfe von Erhebungen oder
sektoralen Studien werden ausgewählte Bereiche identifiziert, in denen die Unternehmen aufgrund von Fachkräftemangel mit großen Problemen bei der Personalbeschaffung konfrontiert sind. In der Folge werden spezielle Weiter- und/oder Ausbildungsprogramme zur Verbesserung der Qualifikationen/Fähigkeiten der Arbeitskräfte
entwickelt. Diese Art von Maßnahmen wird in Belgien, Irland, Italien, Schweden,
Norwegen, Dänemark und Liechtenstein eingesetzt.
Ein Beispiel: In Irland wird bei bestimmten Formen des Fachkräftemangels von
öffentlicher Seite vor allem über das Angebot geeignet qualifizierter Personen
gegengesteuert, primär mittels Ausweitung und Verbesserung entsprechender Ausund Weiterbildungskurse.
Beispielsweise führte die Feststellung eines spezifischen Fachkräftemangels im Jahr
1997 zu einem Qualifizierungs-Aktionsplan der Regierung, aufgrund dessen zusätzlich 3 200 Studenten höherer Lehrgänge eine Ausbildung zum Elektrotechniker,
Teleservicetechniker und Softwaretechniker erhielten. Als Reaktion auf den entstehenden Qualifikationsbedarf sah der Aktionsplan für Beschäftigung im Jahr 1998
weitere, umfangreiche Investitionen zur Förderung der Technologieorientierung im
Bildungswesen vor.
Auch in Schweden setzen die öffentlichen Stellen auf den Einsatz von Aus- und
Weiterbildung in bestimmten Bereichen mit Fachkräftemangel. Um eine bessere
Übereinstimmung zwischen Angebot und Nachfrage für bestimmte Qualifikationen zu erzielen, wurde die Zahl der Studienplätze in den betreffenden Gebieten
erhöht. Außerdem hat der Staat Stipendien für Personen finanziert, die eine Ausbildung in Bereichen mit einem Mangel an Fachkräften absolvieren. Diese
Maßnahmen waren auf die Ausbildung in den Bereichen der angewandten Technologien, der reinen Wissenschaften und der Informatik ausgerichtet.
Ein abschließendes Beispiel dieser Art von Maßnahmen stammt aus Dänemark1.
Regionale Erhebungen haben spezifische Bereiche akuten und potentiellen Fachkräftemangels identifiziert. Auf regionaler Ebene wurden spezielle Projekte entwickelt, in
denen KMU, regionale Bildungseinrichtungen und die regionalen Arbeitsverwaltungen begannen, die Qualifikationen arbeitsloser Personen zu verbessern, indem
1
In Belgien wurden ähnliche Aktionen durchgeführt.
139
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
diesen die Teilnahme an Kursen zur beruflichen Weiterbildung ermöglicht wird. Die
öffentlichen Arbeitsverwaltungen (AV) wählen die Personen aus, welchen solche
Kurse an einem regionalen Weiterbildungszentrum angeboten werden. Danach ist
diesen Personen ein mehrmonatiges Praktikum bei KMU mit Schwierigkeiten bei der
Besetzung offener Stellen garantiert, wobei eine gute Chance besteht, nach ein paar
Monaten Praktikum eine fixe Arbeitsstelle zu erhalten.
Allgemeine Weiterbildung1
Die oben erwähnten Beispiele stellen verschiedene Arten öffentlicher Maßnahmen
für bestimmte Bereiche dar, in denen akuter oder potentieller Fachkräftemangel
festgestellt wurde. Andere Maßnahmen zielen auf die Verbesserung von Qualifikationen/Fähigkeiten im allgemeinen, um bereits das Auftreten von Fachkräftemangel zu vermeiden. Diese Maßnahmen sind mehr indirekter Natur.
Diese Form der Weiterbildung wird in den meisten Ländern angewendet. Bei
einigen Programmen sind Arbeitslose die Zielgruppe, während andere auf bereits
Erwerbstätige ausgerichtet sind.
Weiterbildungsprogramme für Arbeitslose sind eine Standardinitiative zur Entschärfung der Probleme der Personalbeschaffung von Unternehmen. Das Ziel besteht in
der Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitslosen durch Verbesserung
ihrer Qualifikationen. In vielen Ländern sind Langzeitarbeitslose, junge Menschen
ohne Ausbildung, Behinderte, ältere Arbeitslose sowie „schwer vermittelbare”
Arbeitslose die Zielgruppen für Weiterbildungsprogramme der Arbeitsverwaltungen oder anderer öffentlicher Institutionen. Die Anhebung des Qualifikationsniveaus von Arbeitslosen (manchmal in bezug auf berufliche Grundkenntnisse,
manchmal in bezug auf soziale und persönliche Fähigkeiten), ist eine Strategie zur
Verhinderung zukünftiger Personalprobleme, die in fast allen Ländern des EWR und
in der Schweiz Anwendung findet.
Da KMU in vielen Ländern ihre Ausgaben für Weiterbildung einschränken, haben
die öffentlichen Stellen spezielle Programme zur Verstärkung der Weiterbildung
von bereits Erwerbstätigen entwickelt2. Meist tragen öffentliche Stellen einen Teil
der Weiterbildungskosten als Anreiz für die Durchführung von Maßnahmen in den
Unternehmen. Österreich ist insofern hervorzuheben, als die öffentliche Hand auch
steuerliche Anreize setzt. Die österreichische Regierung reagierte auf die geringen
Weiterbildungsaktivitäten in den Unternehmen mit der Einführung von Steuerbegünstigungen im Rahmen einer neuen Steuerreform, die am 1. Januar 2000 in
Kraft tritt. Die Steueranreize sollen die Weiterbildungsaktivitäten von Arbeitgebern
und Arbeitnehmern verstärken. Dabei wird ein steuerlich absetzbarer Betrag für die
Weiterbildung von Beschäftigten, ähnlich dem Absetzbetrag für Investitionen in
das Anlagevermögen, geschaffen. Außerdem werden weitere Berufsbildungsmaßnahmen auch für Arbeitnehmer steuerlich absetzbar, wenn die Weiterbildung in
Zusammenhang mit dem ausgeübten Beruf steht. Ein vergleichbares System
wurde in den Niederlanden eingeführt. Seit 1996 schafft eine steuerliche
Maßnahme Anreize für Arbeit und Weiterbildung kombinierende Programme für
alle Erwerbstätigen. Arbeitgeber erhalten nun für jede Weiterbildungsmaßnahme
1
An dieser Stelle werden durch den öffentlichen Sektor initiierte Weiterbildungsmaßnahmen beschrieben. Kapitel 9 dieses Berichts behandelt den Einsatz beruflicher Weiterbildung in KMU.
2
Eine öffentliche Kofinanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen für Erwerbstätige wird
aus Finnland, Irland, Spanien, Österreich, Portugal, Griechenland, Italien, Dänemark,
Belgien, Norwegen und Schweden gemeldet.
140
Aspekte des Arbeitsmarktes
eines Beschäftigten jährlich einen bestimmten Teil der Gehälter rückerstattet. Am 1.
Januar 1998 wurde eine Steuerbegünstigung zur Förderung der Weiterbildung am
Arbeitsplatz eingeführt; diese Maßnahme beinhaltet auch einen Steueranreiz für
ältere Arbeitnehmer.
Einige Maßnahmen kombinieren Weiterbildung von Arbeitsuchenden und bereits
Erwerbstätigen. Bei den in Dänemark entwickelten und von mehreren anderen
Ländern übernommenen sogenannten „Job-Rotation-Programmen”, sind verschiedene Modelle der Job-Rotation möglich. Allerdings ist das Hauptkennzeichen dieser
Programme, daß stets ein oder mehrere Arbeitslose den Arbeitsplatz übernehmen,
während ein oder mehrere Mitarbeiter des betreffenden Unternehmens an einem
Weiterbildungskurs teilnehmen. Die arbeitslose Ersatzkraft wird für die temporäre
Beschäftigung stets durch eine vorangehende Ausbildung vorbereitet. Das Job-Rotation-Modell hat sowohl für die Arbeitslosen als auch für die Beschäftigten und die
Unternehmen selbst mehrere Vorteile. Das Unternehmen sichert sich besser qualifiziertes Personal, und die Produktion läuft während der Teilnahme der Mitarbeiter an
den Kursen weiter - gleichzeitig halten die Unternehmen Kontakt mit potentiellen
Arbeitskräften, was die Besetzung freiwerdender Stellen grundsätzlich erleichtert.
Job-Rotation-Programme werden bis zu einem gewissen Grad in den meisten
Ländern Europas eingesetzt1. Ein diesbezügliches ADAPT-Projekt vereint 13
Projekte aus 11 Mitgliedstaaten und hat 5 000 Teilnehmer.
Stellenvermittlung
Die Vermittlung bzw. Zuweisung von Arbeitsplätzen ist eine weitere öffentliche
Maßnahme, um Probleme der Personalbeschaffung in KMU zu vermeiden. Dieses
System zielt primär darauf ab, arbeitslosen Personen Arbeitserfahrung in Unternehmen zu ermöglichen und damit zugleich Personalengpässe in den Unternehmen zu mildern. Die Unternehmen erhalten meist eine Lohnbeihilfe seitens der
öffentlichen Hand. Solche Systeme wurden in den Niederlanden, in Luxemburg,
Belgien, Schweden, Dänemark, Deutschland und Norwegen eingerichtet.
Beispielsweise wird in Luxemburg Arbeitsuchenden unter 30 Jahren eine Beschäftigung in einem Unternehmen für einen Zeitraum von höchstens 12 Monaten angeboten, für die ein Minimum von 80 % des Mindestgehalts2 rückerstattet wird. Der
Arbeitslose kann die Stelle nicht ablehnen. Wenn er dies doch tut, verliert er seinen
Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Unternehmer wiederum ist verpflichtet, im Fall
einer freiwerdenden Stelle den „auxiliaire temporaire” zu bevorzugen.
In Norwegen ist die Vermittlung bzw. Zuweisung von Stellen die wichtigste
Maßnahme der öffentlichen Arbeitsverwaltungen (AV) gegen Rekrutierungsprobleme. Die AV senken damit die Arbeitslosigkeit, reduzieren den Arbeitskräftemangel und mindern so den Druck auf den Arbeitsmarkt. Daher ist die Stellenvermittlung die Hauptaktivität der AV. Priorität wird dabei jenen Sektoren eingeräumt,
in denen die Probleme der Personalbeschaffung am gravierendsten sind. Das
Prinzip der Maßnahme besteht darin, zunächst die Engpässe zu beseitigen, indem
den Unternehmen das benötigte Schlüsselpersonal zur Verfügung gestellt wird.
Dadurch sollen in der Folge zusätzliches Wachstum und eine steigende Nachfrage
nach Arbeitskräften mit geringeren Qualifikationen, die dann leichter bereitzustellen sind, entstehen. Zum Beispiel ist es ein vorrangiges Ziel, den Unternehmen
1
Arbejdsmarkedsstyrelsen (Dänische Arbeitsmarktverwaltung), Jobrotation - afrapportering (Job Rotation - Ein Bericht), Kopenhagen, 1998. Veröffentlicht in Zusammenhang mit
der in Kopenhagen im November 1997 abgehaltenen Konferenz „Jobrotation 97”.
2
Plan d’Action National en faveur de l’Emploi (Nationaler Aktionsplan) - NAP.
141
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
qualifizierte Techniker mit speziellen Kenntnissen zur Verfügung zu stellen. Sobald
dies erreicht ist, ist es den Unternehmen möglich, ihre Produktivität zu steigern
und auch mehr ungelernte Arbeiter zu beschäftigen.
Einschränkungen für arbeitslose Personen
Um die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen und Probleme der Unternehmen bei der Personalbeschaffung zu verhindern bzw. zu überwinden, haben
viele Länder die Bestimmungen in Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit verschärft1.
Das Ziel dieser Einschränkungen ist die Steigerung der Zahl der Bewerber für
offene Stellen in den Unternehmen. Maßnahmen dieser Art beziehen sich üblicherweise auf die Erhöhung der zumutbaren täglichen Wegzeit zur und von der
Arbeit und/oder die Ausweitung der von den Arbeitslosen zu akzeptierenden Tätigkeitsarten. Weigert sich ein Arbeitsloser, eine geeignete Tätigkeit anzunehmen oder
einen Anreiseweg zum Arbeitsplatz in Kauf zu nehmen, kann die AV das Arbeitslosengeld für einen gewissen Zeitraum aussetzen. Darüberhinaus können die AV in
einigen Ländern (z. B. Italien, Norwegen und Dänemark) Personen, die zum Zweck
der Annahme einer offenen Stelle in einen anderen Teil des Landes ziehen, finanziell unterstützen (Umzugs- und/oder Reisebeihilfe).
Die staatlichen Stellen/AV erachten die Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen
des Arbeitsmarktes hinsichtlich Mobilität2 und Qualifikationen als ungenügend.
Gleichzeitig besteht eine hohe - geographisch unregelmäßig verteilte - Arbeitslosigkeit, und die unbesetzten Stellen in den Unternehmen werden als Konsequenzen der folgenden Tatsachen gesehen:
• Arbeitslose sind nicht zu einem Ortswechsel bereit, um eine Stelle zu finden.
• Arbeitslose sind nicht bereit, weit genug zu pendeln, um eine Stelle zu finden.
• Arbeitslose sind nicht bereit, einen neuen Beruf zu ergreifen oder verfügen nicht
über die nötigen Qualifikationen.
• Arbeitgeber sind oft nicht bereit, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen.
Außerdem zögern zahlreiche Unternehmen, weit entfernt lebende Personen zu
beschäftigen, und weisen Bewerber, die lange Strecken pendeln müßten, oftmals ab.
Die Unternehmen befürchten bei Pendlern Probleme bei der Flexibilität, da es für
diese schwieriger ist, falls erforderlich, Überstunden zu machen. Auch befürchten
Unternehmen, daß Personen mit langen Anreisewegen sich schließlich für Stellen in
der Nähe ihres Wohnorts bewerben werden. Die Tatsache, daß Unternehmen es
vorziehen, wenn ihre Mitarbeiter in der Nähe des Arbeitsplatzes wohnen, unterstreicht nur, wie wenig sinnvoll der Versuch ist, die Mobilität des Arbeitsmarktes zu
fördern, indem Druck auf Arbeitsuchende ausgeübt wird, lange Arbeitswege zu
akzeptieren.
Erhöhung der Transparenz auf dem Arbeitsmarkt
Im Zusammenhang mit Maßnahmen des öffentliche Sektors zur Überwindung von
Problemen der Personalbeschaffung müssen auch jene Initiativen betrachtet
werden, deren Ziel es ist, die Transparenz des Arbeitsmarktes zu verbessern. Die
zunehmende Verwendung auf enge Adressatenkreise eingeschränkter Suchmethoden durch die Unternehmen verringert die Transparenz des Arbeitsmarktes. In
1
Unter anderem Finnland, Deutschland, Norwegen, Schweden, Spanien und Dänemark.
In Abschnitt 3.3 wird die Frage der grenzüberschreitenden Mobilität ausführlicher
behandelt.
2
142
Aspekte des Arbeitsmarktes
allen Ländern decken die Arbeitsverwaltungen nur einen Teil der offenen Stellen
am Arbeitsmarkt ab. Die fehlende Transparenz des Arbeitsmarktes birgt die Gefahr
des Fachkräftemangels, da die unbesetzten Stellen für ein breites Spektrum von
Arbeitsuchenden unsichtbar bleiben.
In den meisten Ländern existieren Initiativen der öffentlichen Hand, die den
Arbeitsmarkt transparenter gestalten sollen. Es bestehen Aktivitäten zur:
• Förderung des Einsatzes des Internet in der Personalbeschaffung der Unternehmen;
• Ermunterung der Unternehmen, die regionalen Arbeitsverwaltungen beizuziehen;
• Ausschreibung offener Stellen über Computer, z. B. in Bibliotheken und
Einkaufszentren;
• Ausschreibung offener Stellen in Fernsehen und Radio;
• Ausschreibung offener Stellen in Zeitungen.
Seit 1997 bieten die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) in der Schweiz
in Kooperation mit privaten Arbeitsvermittlern die „Internet-Datenbank der Stellensuchenden” an, in der Arbeitsuchende offene Stellen auf Selbstbedienungsterminals, die in den RAV installiert sind, abrufen können. Zudem ist es den Arbeitgebern möglich, offene Stellen via E-Mail oder auf den Internet-Seiten der RAV
auszuschreiben.
In Island besitzen die einzelnen regionalen Arbeitsverwaltungen genaue Kenntnis
von der Arbeitsmarktsituation in ihrer Region und der Fluktuation der Arbeitsnachfrage in bestimmten Bereichen. Die regionalen Agenturen stellen Informationen
über Berufsausbildung, Arbeit und zukünftige Entwicklungen in der isländischen
Wirtschaft zur Verfügung, die es Arbeitslosen ermöglicht, sich genauer über Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten zu informieren.
Gegenmaßnahmen des öffentlichen Sektors: Zusammenfassung
Wie oben beschrieben, haben öffentliche Einrichtungen viele Maßnahmen
entwickelt, um Problemen der Unternehmen bei der Personalbeschaffung zu
begegnen und bestehenden Fachkräftemangel zu beseitigen. Zusammenfassend
gibt es folgende Ansätze:
• Die Bereitstellung von Aus- und Weiterbildung für Erwerbstätige und Arbeitslose
in Bereichen mit Fachkräftemangel, mit dem Ziel der Verbesserung spezifischer
Qualifikationen und Fähigkeiten der Arbeitskräfte, um den Qualifikationsbedarf
der Unternehmen zu decken;
• Die Bereitstellung und (Ko-)Finanzierung von Weiterbildung für Erwerbstätige
und Arbeitslose im allgemeinen, wodurch die Fähigkeiten und Qualifikationen
der Arbeitskräfte verbessert werden sollen;
• Eine Stellenvermittlung, bei der Unternehmen Beihilfen für die Beschäftigung
Arbeitsloser erhalten, wobei der Arbeitskräftemangel gemildert, das Qualifikationsniveau der Arbeitslosen erhöht und der Druck auf den Arbeitsmarkt reduziert
wird;
• Die Stimulierung Arbeitsloser zur Arbeitssuche, um deren Mobilität zu erhöhen
und einen flexiblen Arbeitsmarkt ohne Mismatch-Probleme sicherzustellen;
• Die Erhöhung der Transparenz des Arbeitsmarktes, um offene Stellen einem
breiten Spektrum von Arbeitsuchenden zugänglich zu machen und so die
Chancen der Unternehmen zu verbessern, diese Stellen zu besetzen. Auch hier
ist die Vermeidung von Mismatch-Problemen ein Ziel.
143
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Die meisten Maßnahmen zur Überwindung von Fachkräftemangel sind indirekter
Art, da das Ziel darin liegt, durch die Verbesserung der Fähigkeiten/Qualifikationen
der Arbeitskräfte und die Förderung der Mobilität und Transparenz einen flexiblen
Arbeitsmarkt sicherzustellen. Obwohl es Beispiele für Maßnahmen zur Erfassung
von Fachkräftemangel in spezifischen Bereichen gibt, sind diese doch eher selten.
Die oben erwähnten Maßnahmen der öffentlichen Hand sind nicht explizit auf
KMU ausgerichtet. Allerdings sind KMU wahrscheinlich die ersten, die davon profitieren, da ihre Rekrutierungs- und Weiterbildungsmethoden nicht so durchorganisiert sind wie jene großer Unternehmen, die über spezielle Abteilungen als zentrale
Einrichtung für die Personalbeschaffung verfügen. Andererseits sind große Unternehmen aufgrund der Institutionalisierung der Weiterbildung und Personalbeschaffung besser in der Lage, die administrativen Verfahren in Zusammenhang mit
öffentlichen Programmen und Kofinanzierung zu bewältigen.
3.3
Mobilität der Arbeitskräfte
Eine Möglichkeit für KMU, Probleme der Personalbeschaffung und Fachkräftemangel zu überwinden, besteht in der Beschäftigung von Arbeitskräften aus
anderen westeuropäischen Ländern (EWR und Schweiz). Die Mobilität der Arbeit
ist eines der Kernelemente des Binnenmarktes. Die Kommission hat in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen1, um verbleibende Barrieren zu
beseitigen, die die Freiheit der Menschen, in einem anderen Mitgliedstaat zu
arbeiten, einschränken. Das Ziel dieser Anstrengungen besteht vor allem darin, die
Beschäftigungsmöglichkeiten der Menschen in der gesamten Union auszuweiten
und Probleme des Fachkräftemangels in bestimmten Bereichen zu überwinden.
Allerdings wird das Potential für Migration und grenzüberschreitendes Pendeln
noch nicht voll genützt, und bestimmte Mechanismen behindern die Mobilität
von Arbeitskräften. Im Gegensatz zu den USA existiert in Europa grundsätzlich
keine „Kultur grenzüberschreitender Mobilität”. In den USA zögern die Menschen
nicht, für einen neuen Arbeitsplatz mit ihren Familien an einen tausende Kilometer
entfernt liegenden Ort zu ziehen. Außerdem ist die hohe Mobilität in den USA die
Folge einer gemeinsamen Sprache, gleicher Rechtsvorschriften und Zeugnisse. Für
die Wettbewerbsfähigkeit von KMU bedeutet diese begrenzte Mobilität eine
Einschränkung der Flexibilität der Unternehmen hinsichtlich des Zugangs zu Qualifikationen und daher ihrer Chancen, auf zunehmende Konkurrenz zu reagieren. In
einer Zeit wachsender Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten wird die geographische Mobilität der Arbeitskräfte von immer größerer Bedeutung, wenn Fachkräftemangel und andere Arbeitsmarktprobleme vermieden werden sollen.
3.3.1
Beschäftigung von Arbeitskräften aus anderen
westeuropäischen Ländern durch KMU
Grenzüberschreitende Mobilität kann die Form des Pendelns oder der Niederlassung in einem anderen Land annehmen. Das Ausmaß des internationalen Pendelns
ist sehr begrenzt, weniger als 0,8 % der Erwerbstätigen der einzelnen Länder der
EU sind Pendler aus anderen EU-Staaten. Eine Ausnahme ist Belgien, wo 1,5 % der
Beschäftigten Pendler aus anderen EU-Staaten sind2. In den meisten Ländern
1
Unter anderem durch die folgenden Initiativen/Programme: EURES, INTERREG, Socrates
und Leonardo.
2
Europäische Kommission, Beschäftigung in Europa 1996, Brüssel, 1997.
144
Aspekte des Arbeitsmarktes
stellen EU-Bürger aus anderen Staaten einen Anteil von etwa 1 bis 2 % der
Gesamtbevölkerung1. Die Ausnahmen sind Belgien, Liechtenstein, die Schweiz und
Luxemburg, wo EU-Bürger aus anderen EU-Staaten zwischen 5 % und 29 % der
Bevölkerung ausmachen. Obwohl diese Zahlen aus dem Jahr 1994 stammen und
sich auf die Gesamtbevölkerung und nicht auf die Beschäftigung beziehen, veranschaulicht dies doch die relativ geringe Mobilität.
Im ENSR Enterprise Survey 1999 wurden Fragen zur Beschäftigung von Personal
aus anderen westeuropäischen Ländern in den KMU gestellt. Die Ergebnisse der
Erhebung bestätigen die allgemeine Feststellung, daß die grenzüberschreitende
Mobilität innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und der Schweiz
sehr begrenzt ist. Tabelle 3.7 zeigt, daß etwa 4 % der KMU in den letzten drei
Jahren Mitarbeiter aus einem anderen westeuropäischen Land beschäftigt haben.
Tabelle 3.7 Prozentsatz der KMU, die in den letzten drei Jahren Mitarbeiter aus
anderen
westeuropäischen
Ländern
beschäftigt
haben,
nach
Unternehmensgröße, Europa-19
Beschäftigte aus anderen westeuropäischen Ländern
Größenklasse
Ja
0 Beschäftigte
1-9 Beschäftigte
10-49 Beschäftigte
50-249 Beschäftigte
Gesamt
2
5
11
27
4
%
%
%
%
%
Nein
95
94
88
72
94
Weiß nicht/Keine Antwort
%
%
%
%
%
3
1
1
1
2
%
%
%
%
%
Gesamt
100
100
100
100
100
%
%
%
%
%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Die Beschäftigung von Arbeitskräften aus anderen westeuropäischen Ländern ist
am häufigsten in mittleren Unternehmen anzutreffen, bei denen mehr als ein
Viertel auf die Frage, ob sie in den letzten drei Jahren ausländische Mitarbeiter
beschäftigt hätten, mit „Ja” antwortete.
Die Unterschiede zwischen den Ländern sind sehr groß. In Liechtenstein beschäftigten 30 % der Unternehmen Mitarbeiter aus anderen westeuropäischen Ländern,
gefolgt von der Schweiz und Luxemburg, wo in etwa 25 % der Unternehmen
Mitarbeiter aus anderen westeuropäischen Ländern tätig waren.
In Norwegen gilt dies für 12 % der Unternehmen, während in den restlichen
Ländern weniger als 6 % der Unternehmen Mitarbeiter aus anderen westeuropäischen Ländern beschäftigten. Naturgemäß sind die Voraussetzungen für die
Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter in Ländern mit nahen Nachbarstaaten
und in Ländern, in denen die Sprache kein allzu großes Hindernis darstellt,
besser. Im Fall von Norwegen weisen die Zahlen darauf hin, daß einer hohen
und steigenden Erwerbsquote in Verbindung mit Problemen bei der Personalbeschaffung bis zu einem gewissen Grad mit der Beschäftigung von Mitarbeitern
aus anderen Ländern begegnet werden kann. Anders ausgedrückt, ist die Nachfrage nach Arbeitskräften oft der - beinahe ausschließliche - Ausgangspunkt für
grenzüberschreitende Mobilität.
1
Eurostat, Wanderungsstatistik 1996, Luxemburg, 1997.
145
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
3.3.2
Barrieren für die Beschäftigung von Arbeitskräften aus
anderen westeuropäischen Ländern in KMU
Im Rahmen der Erhebung wurden jene Unternehmen, die Mitarbeiter aus anderen
westeuropäischen Ländern beschäftigen, auch gefragt, welche Probleme sie bei
der Anstellung dieser Mitarbeiter hatten. Tabelle 3.8 zeigt, daß das Hauptproblem
die administrativen Vorschriften betraf.
Tabelle 3.8 Anteil der KMU, die bei der Beschäftigung von Arbeitskräften aus anderen
westeuropäischen Ländern mit den folgenden Problemen konfrontiert
waren, nach Unternehmensgröße, Europa-19
Anzahl der Beschäftigten
Administrative Belastungen
Probleme mit Arbeitsgenehmigungen
Probleme mit Gewerkschaften
Probleme beim Verständnis ausländischer
Qualifikationen
0
1-9
10-49
50-249 Gesamt
34 %
22 %
13 %
24 %
24 %
11 %
25 %
12 %
7%
24 %
15 %
2%
26 %
21 %
10 %
14 %
5%
6%
5%
7%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Etwa ein Viertel der Unternehmen nannte die administrativen Belastungen als
größtes Hindernis für die Beschäftigung von Arbeitskräften aus anderen Ländern.
Desweiteren sah sich etwa ein Viertel der Unternehmen mit Problemen in bezug
auf Arbeitsgenehmigungen konfrontiert, während Gewerkschaftsfragen und
Schwierigkeiten beim Verständnis ausländischer Qualifikationen sich für weniger als
10 % der Unternehmen als Problem erwiesen. Die Unterschiede nach Unternehmensgröße sind gering.
3.3.3 Allgemeine Barrieren für grenzüberschreitende Mobilität
Obwohl die Hindernisse für grenzüberschreitendes Pendeln in den letzten
Jahren deutlich reduziert worden sind, existieren nach wie vor große Barrieren,
die die Menschen daran hindern, in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten1.
Dazu zählen die bekannten sprachlichen und kulturellen Barrieren, die in
verschiedenen Analysen und Studien dokumentiert sind2. Unter den weiteren
Hindernissen scheint das Problem der Anerkennung ausländischer Qualifikationen eine besonders schwerwiegende Behinderung in den verschiedenen
Ländern darzustellen.
Nach einem Bericht der Evaluation Unit des Europäischen Sozialfonds ist offenkundig, daß sich die nationalen Systeme für die Zertifizierung und Definition von
Befähigungsnachweisen stark voneinander unterscheiden. Es wird festgehalten,
daß die nationalen Systeme und Definitionen eng mit dem kulturellen Erbe und
den Werten der einzelnen Mitgliedstaaten verbunden sind, und daß die Aus- und
Berufsbildungsnachweise diese nationalen Unterschiede widerspiegeln. Obwohl
1
Europäische Kommission, Beschäftigung in Europa 1996, Brüssel, 1997.
Op. cit., und Evaluation Unit des Europäischen Sozialfonds, Konferenzbericht, Mobility
in the EU - Implications for the European Social Fund (Mobilität in der EU - Implikationen
für den Europäischen Sozialfonds), Irland, 1997.
2
146
Aspekte des Arbeitsmarktes
beispielsweise die Arbeit von CEDEFOP darauf abzielt, mehr Transparenz in bezug
auf die „Inhalte” der Aus- und Berufsbildungsnachweise zu schaffen, wird es eine
gewisse Zeit dauern, bis dies erreicht ist.
In Schweden und Italien zum Beispiel wird die Anerkennung ausländischer Qualifikationen als Haupthindernis für die grenzüberschreitende Mobilität betrachtet.
Dies betrifft sowohl die Schwierigkeiten der Arbeitgeber bei der Beurteilung der in
einem anderen Land erhaltenen Ausbildung als auch die Existenz restriktiver
Zugangsbeschränkungen in bestimmten Berufen. Arbeitgeber, die mit „ausländischen” Ausbildungen und Zeugnissen nicht vertraut sind, haben oft Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Fähigkeiten und Kenntnisse der Bewerber, und die
Bewerber gewinnen den Eindruck, daß sie zu Unrecht für Positionen abgelehnt
werden, für die sie tatsächlich qualifiziert sind.
Diese Sichtweise wird durch die Ergebnisse einer vom Schwedischen Unternehmerverband (SAF) in Auftrag gegebenen Studie bestätigt. Für diese Studie
wurden 401 schwedische Arbeitgeber befragt, welche Faktoren ihrer Meinung
nach die Hauptschwierigkeiten für die Beschäftigung von Ausländern
darstellten. Die beiden Hauptschwierigkeiten waren Probleme bei der Beurteilung ausländischer Ausbildungen sowie der Berufserfahrung ausländischer
Arbeitskräfte. Mehr als 80 % der Arbeitgeber betrachteten diese Faktoren als
problematisch.
Die Kommission ist sich der Probleme der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen bewußt. Die allgemeinen EU-Richtlinien1 sehen vor, daß jedermann das
Recht hat, seinen Beruf in allen EU/EWR-Ländern auszuüben, wobei jedoch in
gewissen Fällen bestimmte Bedingungen gelten:
A. Wenn das Aufnahmeland in der Lage ist, zu beweisen, daß wesentliche Unterschiede zwischen der absolvierten und der erforderlichen Ausbildung bestehen;
B. Wenn im Aufnahmeland Unterschiede in den von einem Beruf abgedeckten
Tätigkeiten bestehen und dieser Unterschied in einer Ausbildung in Fächern
besteht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die das Diplom des
Antragstellers abdeckt;
C. Wenn die Dauer der Ausbildung des Ausländers unter der im Aufnahmeland
geforderten liegt.
In bezug auf die anderen Hindernisse für eine stärkere grenzüberschreitende Mobilität seien auch die folgenden Punkte erwähnt:
• Unterschiede hinsichtlich z. B. der arbeitsrechtlichen Bedingungen sowie
Bestimmungen im Bereich des Arbeitsumfeldes;
• Unterschiede hinsichtlich Steuerrecht und Lohnniveau, die es erschweren, in
Ländern mit niedrigeren Gehältern zu arbeiten und in Ländern mit höheren
Steuern zu leben.
Schließlich muß auch die Frage der mangelnden Transparenz in den verschiedenen Arbeitsmärkten angesprochen werden. Es ist für Arbeitslose relativ
schwierig, Kenntnis über offene Stellen im Ausland zu erlangen. Um diesem
1
Richtlinie 89/48/EWG des Rates über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der
Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, sowie
Richtlinie 92/51/EWG des Rates über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung
beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG.
147
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Problem zu begegnen, schuf die Europäische Kommission das EURES1-Netzwerk,
das die Vermittlung ausländischer Arbeitskräfte unterstützt und einen Informationsservice über offene Stellen innerhalb und außerhalb der EU bereitstellt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die in diesem Abschnitt dargestellten Daten
zum grenzüberschreitenden Pendelverkehr und zur Niederlassung in anderen
Ländern zeigen, daß das Ausmaß grenzüberschreitender Mobilität noch relativ
gering ist und Hindernisse abzubauen sind. Die geringe grenzüberschreitende
Mobilität zeigt auch, daß dies gegenwärtig nicht der am weitesten verbreitete Weg
ist, Probleme der Personalbeschaffung und Fachkräftemangel zu überwinden. Es
muß daher betont werden, daß unbesetzte Stellen und ein großer Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften die besten Gründe für die Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität darstellen würden. In diesem Zusammenhang ist die Situation in
Norwegen, für dessen Arbeitsmarkt sich der Gemeinsame Nordische Arbeitsmarkt
als äußerst bedeutend erwiesen hat, ein interessantes Beispiel. Der Nordische
Arbeitsmarkt fungiert als eine Art Puffer und spielte eine wichtige Rolle in der Überwindung von Engpässen, insbesondere in der Bauwirtschaft und im Gesundheitswesen.
3.4
Das Steuersystem
Obwohl die gegenwärtige Wirtschaftslage in vielen Ländern besser ist als Mitte der
neunziger Jahre, hat diese Verbesserung doch nicht automatisch zu Beschäftigungsmöglichkeiten für alle geführt. Noch immer existiert eine Gruppe von
Personen, deren Qualifikationen begrenzt sind. Um diese Gruppe in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren und Beschäftigungsmöglichkeiten für sie zu schaffen,
müssen die gesamten Arbeitskosten für diese Personen gesenkt werden. Ein Weg
zur Senkung der Arbeitskosten auf ein angemessenes Maß im Verhältnis zur
Produktivität dieser Gruppe besteht darin, die Besteuerung der Arbeit sowie die
Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen zu senken.
In diesem Abschnitt liegt der Schwerpunkt auf den im EWR und in der Schweiz
unternommenen Anstrengungen, die Beschäftigung durch die Umsetzung neuer
Maßnahmen auf diesem Gebiet zu steigern. Auf Basis der Beschäftigungspolitischen Leitlinien 1998 hat nunmehr jeder Mitgliedstaat einen „Nationalen Aktionsplan” (NAP) zum Thema Beschäftigung erarbeitet und der Kommission vorgelegt.
Die Pläne wurden heuer entsprechend den Leitlinien 1999 überarbeitet.
Die Beschäftigungspolitischen Leitlinien bestehen aus vier „Säulen”. Die
Maßnahmen zur Beschäftigungssteigerung durch Reformen des Steuersystems und
eine Senkung der Mehrwertsteuer sind Teil der zweiten Säule, Entwicklung des
Unternehmergeistes. In bezug auf die Besteuerung fordert die Kommission eine
„Beschäftigungsfreundlichere Gestaltung der Steuersysteme und Umkehr des langfristigen Trends zu einer höheren Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeit”.
Jeder Mitgliedstaat ist aufgefordert, „... soweit erforderlich und unter Berücksichtigung des derzeitigen Niveaus, als Zielvorgabe eine schrittweise Senkung der
Steuer- und Abgabenbelastung insgesamt und, wo angemessen, der Steuerbelastung der Arbeit und der Lohnnebenkosten insbesondere hinsichtlich der niedrig
qualifizierten und schlecht bezahlten Arbeit fest, ohne dabei die Sanierung der
öffentlichen Haushalte und das finanzielle Gleichgewicht der Sozialversicherungs-
1
EURES (Netz der Europäischen Arbeitsverwaltungen) bietet Informationen über offene
Stellen in der EU und einigen anderen Ländern einschließlich der USA.
148
Aspekte des Arbeitsmarktes
systeme in Frage zu stellen. Dabei prüft er gegebenenfalls, ob die Einführung einer
Energiesteuer, einer Besteuerung der Schadstoffemissionen oder sonstiger steuerlicher Maßnahmen zweckmäßig ist und prüft - ohne daß dazu eine Verpflichtung
besteht -, ob der Mehrwertsteuersatz bei arbeitsintensiven Dienstleistungen, die
keinem grenzüberschreitenden Wettbewerb ausgesetzt sind, gesenkt werden
sollte”.
Ein wichtiger Grund für die Aufnahme des Steuersystems in die Beschäftigungspolitischen Leitlinien liegt darin, daß viele Arbeitsplätze in der Europäischen Union
aufgrund der derzeitigen Höhe der Arbeitskosten unbesetzt bleiben1. Der Wunsch
der Kommission, Anstrengungen dieser Art zu unterstützen, ist als Element einer
umfassenden Politik zur Beschäftigungssteigerung zu verstehen. Der Europäische
Beschäftigungsbericht 19972 stellt fest: „Dabei müssen die Anstrengungen zur
Verbesserung des Qualifikationsniveaus der Erwerbsbevölkerung mit dem kontinuierlichen Bemühen einhergehen, für eine ausreichende Flexibilität der Arbeitsmärkte und für eine der Schaffung von Arbeitsplätzen förderliche Gestaltung der
Arbeitskosten zu sorgen, damit auch Beschäftigungsmöglichkeiten für jene Arbeitnehmer bestehen, deren Qualifikation unabhängig von Art und Umfang der
Ausbildung ein bestimmtes Niveau gewöhnlich nicht überschreitet. Dies bedeutet,
daß die Gesamtarbeitskosten für diese Gruppe einschließlich der Lohnnebenkosten
im richtigen Verhältnis zur Produktivität stehen, und daß künstliche Hemmnisse für
die Schaffung von Arbeitsplätzen beseitigt werden müssen.”
3.4.1 Senkung der Arbeitskosten und der Steuern auf Arbeit
Die Steigerung der Beschäftigung und die Senkung der Arbeitslosigkeit stehen seit
langer Zeit an der Spitze der europäischen Agenda. Trotz der allgemein zunehmenden Nachfrage nach Arbeitskräften in den KMU haben viele Gruppen auf dem
Arbeitsmarkt nach wie vor Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Arbeitskosten könnten zu hoch sein, um die Beschäftigung bestimmter Gruppen rentabel
sein zu lassen. Eine Möglichkeit zur Senkung der Arbeitskosten auf ein Niveau, das
der Produktivität dieser Gruppen entspricht, ist - wie in den Beschäftigungspolitischen Leitlinien 1998 und 1999 beschrieben - die Senkung der Steuern auf Arbeit.
Als arbeitsmarktpolitische Maßnahme ist die Senkung der Steuern auf Arbeit eine
sehr breite Strategie und daher nicht leicht speziell auf benachteiligte Gruppen
auszurichten. Veränderungen in Steuersystemen haben komplexe Auswirkungen
und sind politisch sensibel, da sie Effekte auf viele andere Bereiche der nationalen
Wirtschaft haben. Sie beeinflussen die allgemeinen Anreizstrukturen (nicht nur den
Anreiz zur Arbeit) sowie den Rahmen für die Durchführung der Verteilungspolitik.
Die Beschäftigungspolitischen Leitlinien verlangen die Senkung des Steuerdrucks
auf Lohn- und Lohnnebenkosten insbesondere für relativ gering qualifizierte oder
niedrig entlohnte Arbeit, dennoch gibt es noch immer Hindernisse, die überwunden werden müssen.
Etwa anderthalb Jahre nach der Einführung der Beschäftigungspolitischen Leitlinien haben nun alle Mitgliedstaaten ihre Nationalen Aktionspläne für Beschäftigung der Kommission vorgelegt und mittlerweile revidiert. Nicht alle Maßnahmen
1
Dieses Thema wurde im Fünften Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für
KMU behandelt. In Kapitel 5 wurde festgestellt, daß die Beschäftigung durch eine Senkung
lohnbezogener Abgaben erhöht werden kann.
2
Europäische Kommission, Beschäftigung in Europa 1997, Zusammenfassung.
http://www.europa.eu.int/comm/dg05/elm/summit/de/papers/emploi1.htm (Stand am
25. September 1999).
149
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
der Beschäftigungspolitischen Leitlinien sind auch in allen NAP enthalten. Die
unterschiedlichen Situationen der Mitgliedstaaten in bezug auf die vier Säulen der
Leitlinien führten zu unterschiedlichen Lösungen und Schwerpunkten in den NAP.
Neun Staaten setzen nunmehr Elemente ihrer Steuersysteme ein oder führen
Maßnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten durch, um die Beschäftigung
anzukurbeln. Diese Länder sind Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland,
Irland, die Niederlande, Portugal, Spanien und das Vereinigte Königreich.
Die Steuersysteme der meisten EU- und EWR-Länder enthalten Elemente der
progressiven Besteuerung. Diese Form der Besteuerung soll Personen mit relativ
geringem Einkommen begünstigen und stellt für gering entlohnte Personen einen
Anreiz zur Arbeit dar. Wurde eine Steuerreform, die eine Verstärkung der Progression enthält (mit dem Ergebnis geringerer Steuern für niedrige Einkommen),
1998/99 eingeführt, wird diese in der Bewertung berücksichtigt.
Bei der Analyse der NAP finden sich unterschiedliche Elemente in den von den
neun Ländern eingeführten Initiativen. Ein Schlüsselelement der in den neun
Ländern durchgeführten Reformen (außer in Belgien) ist eine Senkung der Steuern
auf Arbeit im allgemeinen und/oder eine allgemeine Senkung der Lohnnebenkosten. Dies fördert generell die Beschäftigung, da Arbeit für die Unternehmen relativ
billiger wird.
In allen Ländern (außer Portugal und Deutschland) sehen die Steuersysteme spezielle Erleichterungen für gering entlohnte Arbeitnehmer vor, indem das Progressionselement verstärkt wurde oder die Senkung der Lohnnebenkosten im Bereich
der gering entlohnten Gruppen stattfand. Dies sollte die Schaffung von Arbeitsplätzen für diese Gruppe weiter stimulieren.
In Belgien, Luxemburg, Frankreich und den Niederlanden liegt der Schwerpunkt
auf der Reduktion der Lohnnebenkosten (Sozialversicherung und Steuererleichterungen für Arbeitgeber) und bei einer Förderung der Beschäftigung gering
entlohnter Arbeitskräfte durch eine Senkung der Arbeitgeberkosten für die Beschäftigung solcher Personen. In Deutschland existiert eine ähnliche Maßnahme für die
Beschäftigung Arbeitsloser. In Portugal gibt es eine Initiative, die speziell auf die
Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen unter 30 abzielt.
Die Reformen sind kaum speziell auf KMU ausgerichtet, und nur die Maßnahmen
zweier Länder enthalten eine explizite KMU-Orientierung. In Portugal zielt die
Steuerreform auf KMU-dominierte Sektoren ab, und in Belgien werden sehr kleinen
Unternehmen spezielle Erleichterungen gewährt, indem für den ersten, zweiten
und dritten Beschäftigten die Arbeitgeberversicherungsbeiträge reduziert wurden.
In allen anderen Ländern begünstigen die Reformen eher die Beschäftigten als die
Arbeitgeber und Unternehmen. Allerdings besteht kein Zweifel, daß in jenen
Ländern, welche Anreize für die Beschäftigung gering entlohnter Arbeitskräfte
eingeführt haben, viele KMU davon profitieren werden, da KMU generell arbeitsintensiver sind und geringere Löhne und Gehälter zahlen als GU1.
3.4.2
Senkung der Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive
Dienstleistungen
Die Senkung der Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen ist ein
weiteres Element in den Bemühungen, Beschäftigungsmöglichkeiten für gering
qualifizierte Personen zu schaffen. Diese Frage wird in den Beschäftigungspoliti-
1
ENSR, Europäisches Beobachtungsnetz für KMU, Fünfter Jahresbericht, Zoetermeer,
1997.
150
Aspekte des Arbeitsmarktes
schen Leitlinien nicht ausführlich behandelt. Den Mitgliedstaaten wird lediglich
empfohlen, die Sinnhaftigkeit einer Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf arbeitsintensive Dienstleistungen zu prüfen.
Die Senkung der Mehrwertsteuer wird nicht im gleichen Ausmaß eingesetzt wie
die Senkung der Steuern auf Arbeit im allgemeinen.
Untersuchungen des ENSR1 ergaben, daß, in Reaktion auf die Beschäftigungpolitischen Leitlinien 1998, nur Frankreich im Rahmen seiner Beschäftigungspolitik die
Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen herabgesetzt hat. Die Mehrwertsteuersenkung trat in Frankreich am 15. September 1999 in Kraft. Der Steuersatz wurde für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Renovierung von
Gebäuden sowie für zu Hause erbrachte persönliche Dienstleistungen von 20,6 %
auf 5,5 % abgesenkt. Es wird erwartet, daß dies vor allem den Marktzutritt sehr
kleiner Unternehmen, die Dienstleistungen für Endverbraucher (private Haushalte)
erbringen, bewirken wird. Allerdings beinhalten die Maßnahmen keine direkten
Vorkehrungen, die größere Unternehmen davon abhalten, in diesen Bereichen
tätig zu werden.
Es wird daher erwartet, daß KMU - und insbesondere sehr kleine Unternehmen am meisten von der Senkung der Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen profitieren werden.
Der sehr begrenzte Einsatz der Mehrwertsteuersenkung auf arbeitsintensive Dienstleistungen in der Beschäftigungspolitik könnte auf die Unsicherheiten in bezug auf
ihre Wirksamkeit zurückgeführt werden. Die Kommission hat ihre Bedenken über
das Potential für positive Auswirkungen wie auch unbeabsichtigte negative Folgen
dieser Maßnahme zum Ausdruck gebracht. Alle EU-Staaten sollten die Einführung
gesenkter Mehrwertsteuersätze auf arbeitsintensive Dienstleistungen vor
September 1999 erwägen, da eine neue Richtlinie2 dieses Datum als den letzten
Termin vorsieht, an dem die Absicht, diese Maßnahme in der Probefrist bis 2002
einzuführen, der Kommission mitgeteilt werden kann. Diese Richtlinie könnte den
Prozeß beschleunigen und weitere Länder bestärken, niedrigere Mehrwertsteuersätze auf bestimmte arbeitsintensive Dienstleistungen einzuführen.
3.4.3
Gründe für die begrenzte Anwendung der Strategien zur
Schaffung von Arbeitsplätzen
Die Gründe dafür, daß eine Absenkung der Steuern auf Arbeit und eine Senkung
der Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen nicht eingeführt werden,
sind je nach Land unterschiedlich, da auch die grundlegenden Kriterien für den
Einsatz dieser Strategien verschieden sind. Dafür können drei hauptsächliche
Erklärungen angeführt werden:
• Budgetrestriktionen;
• Geringe Arbeitslosigkeit;
• Zweifel an der Wirksamkeit dieser Strategien.
1
Quelle: Erhebung der ENSR-Partner auf Basis der NAP und anderer nationaler Quellen.
Einige Länder haben die Mehrwertsteuersätze verändert, es wurde aber lediglich die
Senkung der Steuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen mit dem Ziel der Beschäftigungssteigerung in diese Analyse aufgenommen.
2
Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich der Möglichkeit, auf arbeitsintensive Dienstleistungen
versuchsweise einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden, KOM(1999) 62 endg.,
Brüssel, 1999. Diese Richtlinie wurde 1999 angenommen; acht Mitgliedstaaten erhielten
die Befugnis, Mehrwertsteuersätze für spezifische Dienstleistungen zu senken.
151
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Budgetrestriktionen
Budgetrestriktionen sind ein allgemeines Hindernis für die Einführung von Steueranreizen und niedrigeren Mehrwertsteuersätzen auf arbeitsintensive Dienstleistungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Dies galt insbesondere für die letzten
Jahre, in denen sich die meisten Länder auf die Erfüllung der Maastricht-Kriterien
konzentrierten und auf Budgetdefizite und die Staatsausgaben achteten. Vor allem
in Griechenland und Italien scheint dies ein wichtiges Hindernis für die Einführung
einer Steuerreform im allgemeinen zu sein. In allen Ländern ist es jedoch ein
Thema, dem politische Entscheidungsträger große Aufmerksamkeit widmen.
Budgetrestriktionen könnten durch die Einführung von Steuerreformen überwunden werden, die Budgetneutralität gewährleisten. Die Kommission schlägt die
Erhöhung der Steuern in anderen Bereichen wie Energie und Umweltverschmutzung bei gleichzeitiger Senkung der Steuern auf Arbeit vor. Einige Länder (z. B.
Dänemark, Deutschland, Schweden und das Vereinigte Königreich) haben diese
allgemeine Verschiebung im Steuersystem eingeführt, wobei ein immer größerer
Anteil der Steuern auf Umweltsteuern entfällt. In Dänemark etwa hat der Anteil
der Umweltsteuern von 7 % des gesamten Steueraufkommens im Jahr 1993 auf
10 % im Jahr 1998 zugenommen1. Andere Beispiele stammen aus Deutschland,
wo die Mehrwertsteuer angehoben wurde, und Frankreich, wo die Grundlage für
die Finanzierung des nationalen Gesundheitswesens geändert wurde.
Geringe Arbeitslosigkeit
Manche Länder haben kein ernsthaftes Arbeitslosigkeitsproblem und keinen
Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten für gering qualifizierte Arbeitskräfte.
Diese Länder sehen daher keine Notwendigkeit, die genannte Art von
Maßnahmen einzuführen und tendieren dazu, spezifischere Instrumente der
Arbeitsmarktpolitik einzusetzen, die leichter auf bestimmte Zielgruppen auszurichten sind (solche Maßnahmen fallen unter die erste Säule, „Beschäftigungsfähigkeit”, der NAP). Dies gilt etwa für Island und Luxemburg.
Irland erwägt derzeit eine weitere Absenkung der Steuern auf Arbeit mit dem Ziel,
die Beschäftigung zu steigern. Da aber Irland eine lange Periode steigender
Beschäftigung zu verzeichnen hat, besteht die Besorgnis, daß weitere Steuersenkungen zu einer Überhitzung der Konjunktur führen könnten.
Zweifel an der Wirksamkeit
Dies ist ein grundsätzliches Problem in Zusammenhang mit der Senkung der
Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen. Wie bereits erwähnt, hat die
Kommission Zweifel bezüglich der Vorteile einer Mehrwertsteuersenkung und
Bedenken über mögliche unbeabsichtigte negative Auswirkungen. Diese
Bedenken finden sich in zahlreichen NAP wieder und haben die entsprechenden
Länder von einem weiteren Einsatz dieses Anreizes im Rahmen ihrer Beschäftigungspolitik abgehalten. Dies gilt etwa für Österreich, Luxemburg, Portugal,
Spanien und das Vereinigte Königreich. Der NAP des Vereinigten Königreiches für
1999 erklärt, daß die selektiven Senkungen der Mehrwertsteuer nicht zu einer
Steigerung der Beschäftigung führen und die Probleme des Arbeitskräfteangebots
1
Finansministeriet, Evaluering af grønne afgifter og erhvervene (Evaluierung von Umweltsteuern und Wirtschaft), Kopenhagen, 1999.
152
Aspekte des Arbeitsmarktes
nicht lösen würden. Letztere seien aber der Schlüssel zur Verbesserung der
Beschäftigungslage im Vereinigten Königreich.
Die von vielen Ländern zum Ausdruck gebrachten Zweifel betreffen die Frage, ob
eine Senkung der Mehrwertsteuer auf arbeitsintensive Dienstleistungen tatsächlich
zu niedrigeren Verbraucherpreisen und erhöhter Nachfrage (und folglich steigender Beschäftigung) führen würde, um die Kosten der Maßnahme wieder
auszugleichen. Einige Länder, z. B. Dänemark und Finnland, haben, anstatt die
Mehrwertsteuer zu senken, Subventionen für arbeitsintensive Dienstleistungen
eingeführt.
3.4.4 Erwartete Ergebnisse der durchgeführten Maßnahmen
Die meisten Länder, in denen die Steuern auf Arbeit gesenkt wurden, sehen es als
äußerst schwierig an, die Auswirkungen dieses Anreizes zu beurteilen1. Einige
Initiativen wurden erst kürzlich eingeführt und bislang konnten noch keine Auswirkungen beobachtet werden. In jenen Ländern, in denen Steuerreformen bereits
vor längerer Zeit durchgeführt wurden, bestehen Probleme bei der Messung der
direkten Auswirkungen auf die Beschäftigung. Dies gilt vor allem für jene Länder,
die umfassende Reformen ihrer Steuersysteme durchgeführt haben.
Mit der Gestaltung des Steuersystems wird auf die Lösung wesentlicher Strukturprobleme der nationalen Arbeitsmärkte abgezielt und versucht, beschäftigungsfreundlichere Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Bewertung der Effekte von
Steuerreformen wird durch die hohe Allgemeinheit dieser Maßnahme behindert,
da es außerordentlich schwierig ist, die Wirkungen der Steuerreform von den
Wirkungen anderer Maßnahmen und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in einem Land zu isolieren.
Irland ist dafür ein gutes Beispiel, da das Land bereits für einen längeren Zeitraum
eine reduzierte Steuer auf Arbeit zur Schaffung von Arbeitsplätzen anwendet. Der
irische Arbeitsmarkt ist sehr offen und stark mit dem britischen Arbeitsmarkt
verflochten. Daher kann die Situation auf dem irischen Arbeitsmarkt nicht unter
ausschließlicher Betrachtung der irischen Bedingungen und ohne Bezugnahme auf
die Entwicklungen im Vereinigten Königreich erklärt werden. Darüberhinaus haben
in Irland viele weitere begünstigende Faktoren zum Wirtschaftswachstum beigetragen, z. B. ein starker Zufluß ausländischer Direktinvestitionen und Beihilfen des
Europäischen Strukturfonds.
Jene Länder, welche die Lohnnebenkosten generell (oder die Arbeitgeberabgaben
für gering entlohnte Arbeitnehmer) gesenkt haben, sehen sich ebenso großen
Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Auswirkungen gegenüber. In Frankreich,
wo die Lohnnebenkosten für bestimmte Gruppen von Beschäftigten gesenkt
wurden, konnten weitgehend positive Effekte in bezug auf die Schaffung und
Sicherung von Arbeitsplätzen festgestellt werden2. Allerdings liegt keine KostenNutzen-Analyse dieses Modells vor, die einen Vergleich mit anderen Maßnahmen
zur Steigerung der Beschäftigung erlauben würde.
1
Siehe etwa Conseil Supérieur de l’Emploi, des Revenus et des Coûts, Rapport au Premier
Ministre. L’allègement des charges sociales sur les bas salaires (Bericht an den Premierminister. Die Senkung der Sozialabgaben auf niedrige Löhne), Hsg. La Documentation
Française, Paris, 1996, und Barry, F., Introduction (Einleitung), in Frank Barry (Hsg.), Understanding Ireland’s Economic Growth (Zur Erklärung des Wirtschaftswachstums in Irland),
London und New York: Macmillan Press und St. Martin’s Press, 1999.
2
Ministerium für Beschäftigung und Solidarität, Bilan de la politique de l’emploi en 1997
(Evaluierung der Beschäftigungspolitik im Jahr 1997), Les Dossiers de la DARES, Nr. 1-2, Ed.
La Documentation Française, Paris, Dezember 1998.
153
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Sowohl im französischen1 als auch im niederländischen2 Beispiel gibt es Hinweise,
daß insbesondere KMU von den steuerlichen Anreizen profitiert haben, da sie
mehr gering entlohnte Arbeitskräfte eingesetzt haben als GU. Es wurden jedoch
keine Evaluierungen durchgeführt, die detailliertere Informationen zu diesem
Thema hätten liefern können.
3.5
Politische Empfehlungen
Probleme bei der Personalbeschaffung und Fachkräftemangel haben schwerwiegende Auswirkungen auf KMU. Für fast 10 % der KMU stellt der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften eine wesentliche Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit
dar. Beinahe ein Viertel der KMU hatte in den letzten Jahren häufig oder gelegentlich Probleme mit der Besetzung offener Stellen, und zahlreiche KMU erlitten als
Folge erhebliche geschäftliche Einbußen. Einerseits sind die Probleme bei der
Personalbeschaffung am verbreitetsten in den größten KMU, da die Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen mit der Zahl der im Unternehmen Beschäftigten zunehmen. Andererseits sind größere KMU eher imstande, Rekrutierungsprobleme zu überwinden, während kleinere KMU weniger in der Lage sind,
Maßnahmen zur Überwindung des Problems unbesetzter Stellen zu ergreifen. Der
Anteil jener Unternehmen, die den Versuch, offene Stellen zu besetzen, aufgegeben haben, ist bei den kleinsten KMU signifikant höher.
Etwa ein Fünftel aller KMU mit Rekrutierungsproblemen geben den Versuch auf,
offene Stellen zu besetzen. Dies unterstreicht angesichts der 18 Millionen Arbeitslosen im Europäischen Wirtschaftsraum und in der Schweiz die Dringlichkeit der
Setzung von Maßnahmen zur Überwindung dieser Probleme und insbesondere
des Problems des Fachkräftemangels. Die EU und die einzelnen staatlichen
Behörden unternehmen zahlreiche Anstrengungen, um einen gut funktionierenden Arbeitsmarkt sicherzustellen, jedoch anscheinend ohne Erfolg.
Eine KMU-orientierte Politik im Bereich der Personalbeschaffung und des Fachkräftemangels sollte daher einige der folgenden Elemente berücksichtigen:
• Das System der Früherkennung von Fachkräftemangel sollte verbessert werden,
um Probleme bereits vorhersehen zu können anstatt eingetretene zur Kenntnis
nehmen zu müssen. Ein besseres Prognosesystem würde die Chancen erhöhen,
rechtzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen zu setzen. Eine Möglichkeit zur
Verbesserung der Früherkennung könnte darin bestehen, die KMU dazu anzuhalten, die öffentlichen Arbeitsverwaltungen frühzeitiger über ihren Personalbedarf zu informieren. Dies würde auch die Möglichkeiten erhöhen, die Ausrichtung auf die tatsächlichen Anforderungen und Probleme bestimmter Sektoren
und/oder in bestimmten Ausbildungsbereichen zu verbessern und damit eine
verläßlichere Grundlage für die Umsetzung spezifischer Maßnahmen schaffen.
1
Conseil Supérieur de l’Emploi, des Revenus et des Coûts, Rapport au Premier Ministre.
L’allègement des charges sociales sur les bas salaires (Bericht an den Premierminister. Die
Senkung der Sozialabgaben auf niedrige Löhne), Hsg. La Documentation Française, Paris,
1996; Demailly, D., und Le Minez, S., Les salariés à temps complet au voisinage du SMIC
de 1976 à 1996 (Vollzeit-Angestellte im SMIC-Rahmen von 1976 bis 1996), INSEE
PREMIERE, Nr. 642, April 1999.
2
Nes, P.J. van, Stotijn, E.A.M. und Velden, J.J. van, Evaluatie van het gebruik van de
afdrachtskorting lage lonen (Evaluierung des Einsatzes der spezifischen Senkung der Arbeitgeberabgaben für gering entlohnte Arbeitnehmer), NEI, Rotterdam, 1998, und Bewertung
des ENSR-Partners.
154
Aspekte des Arbeitsmarktes
• Zentrale und dezentrale öffentliche Einrichtungen sollten den Dialog mit den
Unternehmen intensivieren und die strategische Bedeutung der Personalbeschaffung betonen, die ebenso wichtig ist wie, zum Beispiel, Investitionen in die
berufliche Weiterbildung. Eine lokal beschränkte und kurzfristige Perspektive in
der Personalbeschaffung ist für viele KMU typisch. Wenn sie sich erst an regionale Arbeitsverwaltungen wenden, sobald alle andere Möglichkeiten der Personalrekrutierung gescheitert sind, haben diese nur wenige Möglichkeiten, den
KMU bei ihren Personalproblemen zu helfen.
• Zentrale wie dezentrale öffentliche Einrichtungen sollten in einem verbesserten
Dialog mit den Unternehmen den kleinsten KMU Priorität einräumen. Die kleinsten KMU haben nur eingeschränkte Möglichkeiten, Stellen innerhalb des
Unternehmens umzubesetzen, und sie verfügen nicht über vergleichbare institutionelle Strukturen für die Personalbeschaffung wie die größeren KMU, in
denen es häufig eine eigene Abteilung oder für die Personalbeschaffung zuständige Mitarbeiter gibt.
• Zentrale wie dezentrale öffentliche Einrichtungen sollten die KMU anhalten,
Methoden breiter Personalsuche (z. B. AV und Internet) zu nutzen, um offene
Stellen sichtbar zu machen und Transparenz auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen.
In diesem Zusammenhang erschiene es auch sinnvoll, die KMU aufzufordern,
EURES in Anspruch zu nehmen, um ihre Rekrutierungsmöglichkeiten zu erweitern und die grenzüberschreitende Mobilität zu fördern.
• Das Vorhandensein von Fachkräftemangel hängt in gewissem Ausmaß mit der
auf enge Adressatenkreise eingeschränkten Personalsuche von KMU und dem
daraus folgenden Mangel an Transparenz auf dem Arbeitsmarkt zusammen. Die
erwähnten Vorschläge für eine KMU-orientierte Politik im Bereich der Personalbeschaffung und des Fachkräftemangels beinhalten Bemühungen, Transparenz
auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen und die KMU anzuhalten, die Personalbeschaffung als strategischen Faktor zu betrachten, wodurch es möglich wird,
Fachkräftemangel bereits vor dem tatsächlichen Eintreten zu erkennen.
Dennoch steht zu erwarten, daß KMU weiterhin in gewissem Ausmaß eine
eingeschränkte Personalsuche betreiben werden - mit daraus folgenden Schwierigkeiten, Personen für die offenen Stellen zu finden. Ein Teil der Ausschreibungen bzw. unbesetzten Stellen wird für viele Arbeitsuchende weiterhin nicht
sichtbar sein. Es kann daher angenommen werden, daß eine Verbesserung des
Dialogs der regionalen Behörden mit den KMU nicht ausreicht. Gleichzeitig
sollten sie Arbeitsuchende (Arbeitslose und derzeit Erwerbstätige) bestärken,
direkte Kontakte zu Unternehmen im lokalen/regionalen Bereich aufzunehmen.
Da viele offene Stellen über eine eingeschränkte Personalsuche besetzt werden,
können Arbeitsuchende ihre Chancen, eine Beschäftigung zu finden, erhöhen,
indem sie Unternehmen direkt kontaktieren.
155
4
Zugang zu Finanzierung
Koordination: OBSERVA-Geneva
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE
• Die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens scheint eher vom Finanzierungssystem und den Finanzierungsgewohnheiten des Landes, in dem das Unternehmen tätig ist, abzuhängen, als von den Merkmalen des Unternehmens, wie
etwa Größe, Sektor, Alter oder auch Rentabilität.
• Je kleiner das Unternehmen ist, desto größer sind die internationalen Unterschiede in der Finanzierungsstruktur. Mit anderen Worten scheint es eine internationale Konvergenz in den Finanzierungsmustern großer Unternehmen zu geben.
• In nahezu allen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraumes und der Schweiz
gaben die Unternehmer den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten als eines
der größten Hindernisse für die Entwicklung des Unternehmens an.
• In diesem Kapitel werden vier Unternehmenskategorien unterschieden: neugegründete Unternehmen, kleine etablierte Unternehmen, hoch innovative Unternehmen
und expandierende (rasch wachsende) Unternehmen. Im Vergleich zu den anderen
Unternehmenskategorien betrachtet ein hoher Prozentsatz der neugegründeten
Unternehmen den Zugang zur Finanzierung als hauptsächliches Hindernis.
• Abgesehen von Bankkrediten sind informelle Quellen, wie z. B. Geld von
Freunden und Verwandten oder Business Angels, wichtige Financiers von
neugegründeten Unternehmen. Business Angels stellen nicht nur finanzielle
Mittel zur Verfügung, sondern auch kaufmännische Fähigkeiten, Unternehmenserfahrung und Know-how.
• Nur ein relativ kleiner Anteil der kleinen etablierten Unternehmen betrachtet
den Zugang zur Finanzierung als vorrangiges Problem. Im allgemeinen können
diese Unternehmen ihre Aktivitäten entweder durch Bankkredite oder durch
erzielte Gewinne finanzieren.
• Expandierende Unternehmen scheinen einen geringfügig besseren Zugang zu
Bankkrediten zu haben als neugegründete Unternehmen und hoch innovative
Unternehmen. Dies läßt vermuten, daß die Banken eher daran interessiert sind,
diesen Unternehmen Kredite zu gewähren - wahrscheinlich aufgrund ihres
dynamischen Unternehmensprofils.
• Es lassen sich drei Gründe dafür anführen, daß der Finanzsektor zögert, hoch
inovative Unternehmen auf traditionelle Weise zu finanzieren: die Unsicherheit
der zu erwartenden Gewinne, der Nutzen kann vollständig internalisiert werden
und die Unteilbarkeit der Investitionen.
• Abgesehen von Bankkrediten wird Risikokapital als eine wichtige Finanzierungsquelle für hoch innovative sowie expandierende (rasch wachsende) Unternehmen betrachtet.
• Nahezu alle Mitgliedstaaten haben Maßnahmen im Bereich der Finanzierung
von KMU entwickelt. Einige dieser Programme richten sich an die beschriebenen Zielgruppen.
157
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
4.1
Einleitung
Es herrscht weitestgehend Einigkeit über die spezifischen Probleme, denen kleine
und mittlere Unternehmen (KMU) in bezug auf den Zugang zu Finanzierungsmitteln gegenüberstehen. Aus der Sicht der Unternehmen stellt Finanzkapital ein
notwendiges Mittel dar, um produktive Aktivitäten zur Schaffung von Mehrwert zu
finanzieren, während das gleiche Finanzkapital aus der Perspektive der Finanzierungsinstitutionen einen Aktivposten bildet, der Einkünfte erbringt und, im Fall von
Krediten, zurückzuzahlen ist. Folglich geht es in der komplexen Problematik der
Unternehmensfinanzierung darum, die optimale Übereinstimmung zwischen dem
Angebot und der Nachfrage von Mitteln zu finden.
Die Bereitstellung der Mittel kann entweder intern, über einbehaltene Gewinne
und Rückflüsse aus Abschreibungen (Cash-flow), oder extern erfolgen. Externe
Quellen lassen sich nach der Art der Beziehung zwischen dem Gläubiger und dem
Schuldner der Finanzmittel (formell oder informell) und nach der Art des Vertrages
(Eigenfinanzierung oder Fremdfinanzierung) unterscheiden. Auf der Nachfrageseite gibt es im Prinzip zwei Gründe für den zusätzlichen Finanzierungsbedarf von
Unternehmen: Betriebsmittel und Investitionen. Folglich liegt die Aufgabe des
Finanzierungssystems darin, die bestmögliche Übereinstimmung zwischen den
Angebotsquellen von Finanzmitteln und den Arten der Nachfrage auf Seiten der
Unternehmen zu finden.
Die Vielfalt der möglichen Verträge läßt vermuten, daß das Finanzierungssystem
ausgesprochen fragmentiert ist. Dies ist jedoch nur der erste Eindruck. Das
Angebot an Mitteln für jedes Segment ist durch zwei Merkmale bestimmt: erwarteter Ertrag und Höhe des Risikos. Wenn das Finanzierungssystem effizient funktioniert, werden die Mittel so verteilt, daß die erwarteten Erträge unter Berücksichtigung der Risiken über alle Angebotskanäle identisch sind1. Dies ist jedoch eine sehr
theoretische und ausgesprochen idealisierte Ansicht.
Die Frage ist demnach, ob das Finanzierungssystem die von den KMU benötigten
Mittel in ausreichendem Maß zur Verfügung stellt. An dieser Stelle sei auf zwei
wesentliche methodologische Schwierigkeiten hingewiesen:
• Die oben erwähnte Klassifizierung der möglichen finanziellen Verträge erscheint
tatsächlich sehr einfach. Im Rahmen empirischer und vergleichender Studien
verschwimmt dieses Bild jedoch zusehends, aufgrund der Tatsache, daß sich die
gleiche Transaktion auf unterschiedliche Arten beschreiben läßt und aufgrund
der Vielfalt der nationalen institutionellen Rahmenbedingungen und Regulierungen.
• Die empirischen Daten erfassen im allgemeinen nur das Endergebnis, d. h. die
effektive finanzielle Transaktion. Jegliche, auf solchen Daten basierende Schlußfolgerungen über die Wahrnehmung der Risiken durch die Geldgeber und die
von den Unternehmen gewünschte Höhe der Finanzmittel (Nachfrage), sind
sehr vorläufiger Natur.
1
Siehe zum Beispiel: Brealey, Richard A., und Stewart C. Myers, Principles of Corporate
Finance (Grundlagen der Unternehmensfinanzierung), McGraw-Hill International Editions,
Singapur, 1988.
158
Zugang zu Finanzierung
4.2
Zugang zu Finanierung und Bankkrediten
4.2.1 Zugang zu Finanzierung als Hindernis
Im Rahmen des ENSR Enterprise Survey 19991 wurden die KMU aufgefordert
anhand einer Liste von acht möglichen Faktoren jenen Faktor zu identifizieren, der
die Geschäftstätigkeit im vergangenen Jahr am stärksten einschränkte2. Der Punkt
„Zugang zur Finanzierung” war einer dieser acht Faktoren.
Die Ergebnisse nach Ländern waren sehr unterschiedlich. Der Anteil der Unternehmen beispielsweise, der keine Hindernisse empfand, variierte von 9 % in
Portugal bis 41 % in den Niederlanden.
Die zweite Spalte in Tabelle 4.1 zeigt, daß mit Ausnahme von Irland der Zugang
zu Finanzierung aus Sicht der Unternehmer in allen 19 Ländern eine der drei wichtigsten Beeinträchtigungen (von acht möglichen) darstellt. Drei Gruppen von
Ländern lassen sich unterscheiden.
• Sieben Länder - in erster Linie nordische und südliche einschließlich dem Vereinigten Königreich - in denen der Zugang zu Finanzierung das größte Problem
darstellt;
• Sechs Länder - eher kontinental - in denen der Zugang zu Finanzierung die
zweitgrößte Einschränkung darstellt;
• Sechs Länder - vor allem kleine kontinentale Länder und Irland - in denen das
Hemmnis Zugang zu Finanzierung an dritter oder vierter Stelle steht.
Die dritte Spalte in Tabelle 4.1 zeigt den Anteil der KMU, die den Zugang zu Finanzierung als Haupthindernis identifizieren.
Ein alternatives Maß für die relative Bedeutung des Zugangs zu Finanzierung ist
der Anteil der Unternehmen, die den Zugang zu Finanzierung als Hauptproblem
nennen, in Relation zu allen Unternehmen, die einen der acht Faktoren als
Hindernis für ihre Geschäftstätigkeit nennen konnten. Spalte 5 in Tabelle 4.1
zeigt, daß dieses Maß in einer Reihung der Länder resultiert, die der in Spalte 2
sehr ähnlich ist.
Tabelle 4.2 präsentiert die gleichen Daten wie Tabelle 4.1, jedoch nach Größenklassen statt nach Ländern. Zwei vorläufige Schlußfolgerungen lassen sich hier
ziehen:
• Die absolute Bedeutung des Hindernisses Zugang zur Finanzierung sowie sein
Rang korreliert negativ mit der Unternehmensgröße: je kleiner das Unternehmen ist, desto bedeutender ist das Hindernis Zugang zur Finanzierung
(verglichen mit anderen Hemmnissen).
• Der Anteil der Unternehmen, die irgendeine wesentliche Beeinträchtigung
wahrnehmen, korreliert positiv mit der Größe, d. h. der Anteil der Unternehmen, die unter keiner Einschränkung leiden, verringert sich mit steigender
Größenklasse. Demnach läßt sich argumentieren, daß das Finanzierungsproblem, verglichen mit Unternehmen ohne Beschäftigte und kleinen Unternehmen, relativ gesehen für mittlere Unternehmen am geringsten ist.
1
Siehe Anhang I dieses Berichtes: Die Erstellung und Analyse des ENSR Enterprise Survey
1999.
2
Details nach Sektoren und Größenklassen werden in Tabelle 3.1, Kapitel 3 dieses
Berichtes dargestellt.
159
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Tabelle 4.1 Zugang zur Finanzierung als Haupthindernis für die Geschäftstätigkeit von
KMU, relativ und absolut, nach Ländern*
Rang des
Anteil der
Anteil der
Hindernisses Zugang Unternehmen mit
Unternehmen mit
zur Finanzierung
Zugang zur
einem anderen
Finanzierung als
Haupthindernis,
Haupthindernis, in %
in %
Griechenland
1
Vereinigtes Königreich 1
Dänemark
1
Italien
1
Schweden
1
Spanien
1
Norwegen
1
Portugal
2
Frankreich
2
Island
2
Schweiz
2
Deutschland
2
Finnland
2
Liechtenstein
3
Luxemburg
3
Österreich
3
Belgien
3
Niederlande
3
Irland
4
Europa-19
3
*
22
19
19
18
17
16
12
16
13
12
10
9
7
8
8
8
6
5
7
14
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
63
57
69
61
47
50
53
75
73
63
53
64
57
69
70
74
66
51
65
61
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Relative Bedeutung
des Zugangs zur
Finanzierung als
Haupthindernis
26
25
21
23
26
24
19
17
15
16
16
12
11
10
10
9
8
9
10
19
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Die Länder sind erstens nach dem Rang des Hindernisses „Zugang zur Finanzierung” gereiht (Spalte 2)
und zweitens nach dem Anteil der Unternehmen, die dieses Problem als wichtigstes Hindernis
wahrnehmen (Spalte 3).
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Tabelle 4.2 Zugang zur Finanzierung als Hindernis für Unternehmen, nach
Unternehmensgröße, Europa-19
Rang des
Hindernisses Zugang
zur Finanzierung
(1)
(2)
0 Beschäftigte
1
1-9 Beschäftigte
2
10-49 Beschäftigte
3
50-249 Beschäftigte 3
Gesamt
1
Anteil der
Unternehmen mit
Zugang zur
Finanzierung als
Haupthindernis,
in %
(3)
16 %
12 %
14 %
8%
14 %
Anteil der
Unternehmen mit
einem anderen
Haupthindernis,
in %
(4)
55 %
68 %
69 %
77 %
61 %
Relative Bedeutung
des Zugangs zur
Finanzierung als
Haupthindernis
(5) = (3) / (3 +4)
23 %
15 %
17 %
10 %
19 %
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Im allgemeinen stammt bei den meisten kleinen Unternehmen und bis zu einem
gewissen Grad bei den mittleren Unternehmen, das Eigenkapital von privaten und
informellen Quellen, während die Fremdfinanzierung vom Bankensektor zur Verfügung gestellt wird. In diesem Zusammenhang können Klagen über den Zugang zu
Finanzierung bedeuten, daß der Zugang entweder zu einer oder zu beiden der
erwähnten Finanzierungsquellen schwierig ist. Die dargestellten Ergebnisse geben
160
Zugang zu Finanzierung
einen ersten Hinweis auf die unbefriedigte Nachfrage der Unternehmen nach Finanzmitteln, sie identifizieren jedoch nicht die Art der Finanzierung, die die antwortenden
Unternehmer dabei im Sinn hatten (war es Fremdfinanzierung oder Eigenkapitalfinanzierung aus formellen oder informellen Quellen). Die Daten erlauben es ebenfalls
nicht, Schlußfolgerungen über die Gründe für diesen Zustand zu ziehen. Liegt es an
einem ungenügenden oder unpassenden Angebot an Finanzmitteln, an den ungeeigneten Bedingungen1 oder daran, daß die Finanzierungsinstitutionen die Nachfrage
nach Finanzmitteln durch die Unternehmen als zu risikoreich einstufen?
4.2.2 Rate der Kreditkunden
Bankkredite sind die häufigste und für viele Unternehmen die einzige externe
Finanzquelle. Banken gewähren Unternehmen üblicherweise drei verschiedene
Arten von Krediten: Investitionskredite, die üblicherweise langfristig sind, Betriebsmittelkredite und in einigen Fällen Stützungskredite, wie beispielsweise Überziehungsmöglichkeiten. Im Rahmen des ENSR Enterprise Survey 1999 wurden Informationen über den Anteil der Unternehmen erhoben, die derzeit über Bankkredite
verfügen, ohne dabei auf weitere Details einzugehen. Der Anteil der Unternehmen,
die über einen von der Bank zur Verfügung gestellten Kredit verfügen, wird hier als
„Rate der Kreditkunden” bezeichnet.
Die europäischen Banken haben eine unterschiedliche Gliederung ihrer Kunden,
zwei extreme Bereiche kommen jedoch häufig vor. Am unteren Ende Privatkundengeschäfte, bei denen es um die persönliche Finanzierung geht, und die in der
Praxis oftmals auch sehr kleine Unternehmen beinhalten, und am oberen Ende
Unternehmensfinanzierung für bedeutende und starke Unternehmen. Bei dieser
Segmentierung finden sich Kleinst- und kleine Unternehmen in einer Zwischenposition. Tabelle 4.3 zeigt die Rate der Kreditkunden für Kleinstunternehmen und
kleine Unternehmen nach Ländern.
Im allgemeinen wäre zu erwarten, daß die Rate der Kreditkunden in Ländern, in
denen der Zugang zur Finanzierung als großes Hindernis empfunden wird, niedrig
ist. Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein: Unternehmen in Norwegen und
Schweden beispielsweise fühlen sich in gleichem Maß von Einschränkungen in
bezug auf den Zugang zu Finanzierung betroffen, haben jedoch eine sehr unterschiedliche Rate von Kreditkunden. Das gleiche „Paradoxon” zeigt sich bei Liechtenstein und Österreich. Die Tatsache, über einen Bankkredit zu verfügen, hindert die
Unternehmen nicht daran, Einschränkungen in bezug auf den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten zu empfinden. Etwa 12 % der Unternehmen ohne Bankkredit
betrachten den Zugang zur Finanzierung als das Haupthindernis, verglichen mit fast
19 % der Unternehmen mit einem Bankkredit. Obgleich es länderspezifische Unterschiede gibt, betrachten in Frankreich, Belgien und Österreich Unternehmen mit
Bankkrediten den Zugang zur Finanzierung häufiger als Haupthindernis als Unternehmen ohne Bankkredite. In der Schweiz und Spanien sind diese Anteile der Unternehmen gleich hoch. Einerseits mögen Unternehmen mit Bankkrediten die Finanzierung noch immer als Hauptproblem betrachten, da das Kreditvolumen unzureichend
ist, oder wegen der unbefriedigenden Bedingungen oder der Laufzeiten, oder
aufgrund der Tatsache, daß das Unternehmen eher auf der Eigenkapitalseite der
Bilanz als auf der Fremdkapitalseite beeinträchtigt ist. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß die Unternehmen nur nach dem Haupthindernis gefragt wurden. Der
1
Eine kürzlich durchgeführte Studie hat gezeigt, daß die Kreditkosten für Unternehmen
zwischen 1993 und 1997 gesunken sind, was dem in den frühen 90er Jahren eingeleiteten
Trend auf den Weltmärkten entspricht. Grant Thornton International, The European
Business Survey - prospects and issues for SMEs (Die Europäische Unternehmenserhebung
- Aussichten und Aspekte für KMU), Nr. 7, London, Frühjahr 1999.
161
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Tabelle 4.3 Rate der Kreditkunden* nach Unternehmensgröße und Ländern**
Vereinigtes Königreich
Liechtenstein
Deutschland
Österreich
Island
Irland
Norwegen
Spanien
Belgien
Dänemark
Luxemburg
Finnland
Niederlande
Frankreich
Schweiz
Schweden
Portugal
Italien
Griechenland
1-9 Beschäftigte
10-49 Beschäftigte
Differenz
(1)
(2)
(2) - (1)
55
43
43
77
74
49
57
43
57
49
39
59
41
43
35
31
39
51
29
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
40
32
37
73
69
51
66
46
62
54
44
66
51
54
47
45
56
70
56
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
- 15 %
- 11 %
-5%
-4%
-4%
2%
3%
3%
5%
5%
5%
7%
10 %
11 %
11 %
14 %
17 %
19 %
27 %
*
Der Anteil der Unternehmen die über einen Bankkredit verfügen wird hier mit ‘Rate der Kreditkunden’
bezeichnet.
** Die Länder wurden gereiht nach der Differenz in den Raten der Kreditkunden.
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Zugang zur Finanzierung kann demnach zwar ein Problem darstellen, allerdings
kann es noch bedeutendere Einschränkungen geben.
Die Unterschiede in der Rate der Kreditkunden in den zwei Größenklassen, die in
Tabelle 4.3 dargestellt sind, variieren stark zwischen den Ländern die in diesem
Bericht behandelt werden. In den Ländern am oberen Ende der Tabelle ist die Rate
der Kreditkunden bei den Kleinstunternehmen (1-9 Beschäftigte) höher als bei den
kleinen Unternehmen (10-49 Beschäftigte). Dies gilt für das Vereinigte Königreich,
Deutschland, Liechtenstein, Island und Österreich. In diesen Ländern scheinen die
Banken die kleinen Unternehmen als ein spezifisches Marktsegment zu betrachten
und haben möglicherweise ad-hoc Finanzierungspakete entwickelt. Für die Länder in
der unteren Hälfte der Tabelle stellt sich die Situation umgekehrt dar: Banken
scheinen Kreditrahmen für sehr kleine Unternehmen nur sehr widerwillig zu
eröffnen.
4.2.3 Aspekte der Bilanzstruktur
Ein ergänzender Ansatz, das Problem des Zugangs zur Finanzierung, wie es von den
Unternehmen empfunden wird, zu verstehen, wäre die Bilanzstruktur der europäischen KMU zu betrachten. Eine derartige Analyse gibt einen tieferen Einblick in das
Ausmaß der Eigen- und Fremdfinanzierung1. Die BACH Datenbank (Datenbank
harmonisierter Unternehmensbilanzen) kann als Basis für verschiedene verglei-
1
Eigenkapital beinhaltet das Kapital des Eigentümers, nicht ausgeschüttete Gewinne und,
abhängig vom Land, spezifische Rücklagen oder Rückstellungen. Externe Mittel werden
von Dritten zur Verfügung gestellt: Handelskredite, alle Arten an Bankkrediten, Mittel, die
vom Eigentümer geliehen werden, etc.
162
Zugang zu Finanzierung
chende Analysen der Finanzstruktur oder der Rentabilität von Unternehmen, nach
Ländern, Sektoren, Größe oder Jahr dienen1. Sie beinhaltet allerdings in erster Linie
jene Unternehmen, die entsprechend ihrer nationalen Rechtsform verpflichtet sind,
Bilanzdaten zu veröffentlichen. Folglich konzentriert sich die BACH Datenbank auf
Kapitalgesellschaften und läßt Unternehmen ohne Beschäftigte und viele Kleinstunternehmen unberücksichtigt2. Trotz dieser Einschränkung ist die BACH Datenbank die einzige Datenbank, die ein europaweit vergleichendes Bild der Finanzstrukturen von Unternehmen bietet. Nur für sieben Länder bietet die BACH Datenbank allerdings eine Aufgliederung nach Unternehmensgröße, hier definiert in
bezug auf den Umsatz.
Eine erst kürzlich durchgeführte Studie, die auf der BACH Datenbank basiert3,
analysierte nicht nur die Finanzstruktur, sondern auch die finanzielle Flexibilität der
Unternehmen, d. h. die Kapazität der Unternehmen, Vorteile aus neuen Möglichkeiten zu ziehen und auf externe Schocks zu reagieren4. Die wichtigsten Ergebnisse
der Studie, die sich auf den Zugang von KMU zur Finanzierung beziehen, werden
in Tabelle 4.4 wiedergegeben.
In Belgien, Frankreich, Italien und Spanien - d. h. in vier der sieben EU-Mitgliedstaaten, die in die Studie einbezogen wurden - variiert die Höhe der Eigenmittel
nicht mit der Größe der Unternehmen, was bedeuten könnte, daß es in bezug auf
den Zugang zu Bankkrediten kaum Diskriminierung kleinerer Kapitalgesellschaften
gibt.
In Österreich, Deutschland und Portugal steigt die Höhe der Eigenmittel mit der
Größe der Unternehmen. Dies könnte zwei unterschiedliche Bedeutungen haben.
Einerseits haben die kleineren Unternehmen in diesen Ländern größere Schwierigkeiten, geeignete Eigenkapitalfinanzierung zu finden. Andererseits haben jedoch
diese kleineren Unternehmen keine Schwierigkeiten, Fremdmittel in ausreichender
Höhe zu erhalten.
Tabelle 4.4 Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme nach Unternehmensgröße
Größe
Österreich Belgien Frankreich Deutschland Italien Portugal Spanien
Umsatz unter 7 Millionen Euro
Umsatz zwischen 7 und 40 Millionen Euro
Umsatz ab 40 Millionen Euro
Alle Größen
Quelle:
13 %
27 %
31 %
28 %
40 %
38 %
39 %
39 %
34 %
35 %
35 %
35 %
14 %
22 %
31 %
30 %
26 %
25 %
28 %
27 %
31 %
40 %
51 %
42 %
42 %
43 %
37 %
38 %
Japan
20 %
25 %
39 %
32 %
Rivaud-Danset, D., Comparison between the financial structure of SME versus large enterprise
using the BACH databank (Vergleich der Finanzstruktur von KMU und großen Unternehmen unter
Verwendung der BACH Datenbank), Final report, Institutions et Dynamiques Historiques de
l’Economie (IDHE), Cachan, Juni 1998.
1
Europäische Kommission, GD II, Guide for BACH Data Users (Leitfaden für BACHAnwender), Part 1, II/137/98, Brüssel, Februar 1998.
2
Wie in Kapitel 1 dieses Berichtes beschrieben, haben 93 % der Unternehmen in der
Europäischen Union weniger als 10 Mitarbeiter.
3
Rivaud-Danset, D., Comparison between the financial structure of SMEs versus large
enterprise using the BACH databank (Vergleich der Finanzstruktur von KMU und großen
Unternehmen unter Verwendung der BACH Datenbank), Final report, Institutions et Dynamiques Historiques de l’Economie (IDHE), Cachan, Juni 1998.
4
Siehe auch Kapitel 7 des Fünften Jahresberichtes des europäischen Beobachtungsnetzes
für KMU.
163
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Die Schlußfolgerungen über den Problembereich Zugang zu Finanzierung innerhalb von Europa (siehe Abschnitt 4.2.1) sollten vor dem Hintergrund allgemeinerer
Schlußfolgerungen über Finanzierungsstrukturen betrachtet werden, die aus der
BACH Datenbank hervorgehen:
• Die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens hängt mehr vom Finanzierungssystem und den Finanzierungsgewohnheiten des Landes, in dem das Unternehmen tätig ist, ab als von anderen Unternehmensmerkmalen wie z. B. Größe,
Sektor, Alter und sogar Rentabilität.
• Je kleiner das Unternehmen ist, desto größer sind die internationalen Unterschiede
in der Finanzierungsstruktur. Mit anderen Worten, es scheint eine internationale
Konvergenz in der Finanzierungsstruktur bei größeren Unternehmen zu geben.
• Leistungsfähigkeit und Rentabilität hängen nicht, wie manchmal angenommen,
von der Höhe der Eigenmittel ab.
Die nächsten Abschnitte versuchen einen Einblick in die spezifischen Probleme des
Zugangs zur Finanzierung zu geben, indem speziell abgegrenzte Typen von Unternehmen betrachtet werden.
4.3
Analyse der Zielgruppen
Bei der Entwicklung finanzieller Unterstützungsmaßnahmen für KMU sollten auch
die Ergebnisse des Berichtes der Task Force Vereinfachung des Unternehmensumfelds (BEST)1, der der Europäischen Kommission im April 1998 vorgelegt wurde,
berücksichtigt werden. Wie in diesem Bericht hervorgehoben wurde, sind KMU
nicht homogen, und deshalb sollten verschiedene Unterstützungsmaßnahmen für
unterschiedliche Kategorien von Unternehmen entwickelt werden.
Für die Zwecke der vorliegenden Analysen wurde eine der BEST-Kategorien, kleine
Unternehmen und neugegründete Unternehmen, zweigeteilt: Neugegründete
Unternehmen und kleine etablierte Unternehmen. Folglich wird die Analyse für die
folgenden vier Kategorien von KMU durchgeführt:
• Neugegründete Unternehmen
• Kleine etablierte Unternehmen
• Expandierende Unternehmen
• Hoch innovative Unternehmen.
Im Rahmen des ENSR Enterprise Survey 1999 ließen sich diese vier Kategorien
weitestgehend identifizieren und ihre Situation in bezug auf den Zugang zu
verschiedenen Finanzierungsquellen analysieren2.
1
Europäische Kommission, Bericht der Task Force Vereinfachung des Unternehmensumfelds, BEST, Luxemburg, 1998.
2
Die vier Gruppen wurden aufgrund folgender Kriterien definiert: Neugegründete Unternehmen = Unternehmen, die jünger als fünf Jahre sind; Kleine etablierte Unternehmen =
Unternehmen, die älter als 20 Jahre sind und weniger als 10 Beschäftigte haben; Expandierende Unternehmen = Unternehmen mit einer Birch-Wachstumsrate des Umsatzes
größer als 1,5 und/oder einer Birch-Wachstumsrate der Beschäftigung größer als 1 (die
Birch-Wachstumsrate erhält man durch Multiplikation der herkömmlichen Wachstumsrate
mit der absoluten Differenz der Beschäftigten bzw. des Umsatzes; siehe Anhang I dieses
Berichtes); Hoch innovative Unternehmen = Unternehmen, die mehr als 7,5 % der Personalkosten für Weiterbildung ausgeben (dieses Kriterium wurde anstatt von Daten über die
F&E-Aktivitäten gewählt, unter der Annahme, daß Unternehmen, die mehr als 7,5 % der
Löhne für Aus- und Weiterbildung ausgeben, innovative Aktivitäten durchführen). Für den
Fall, daß sich ein Unternehmen zugleich für die letzten beiden Gruppen qualifizierte, wurde
es der Gruppe der hoch innovativen zugeordnet (siehe auch Anhang I).
164
Zugang zu Finanzierung
4.3.1 Vergleich der Zielgruppen
Tabelle 4.5 zeigt, daß verhältnismäßig mehr neugegründete Unternehmen,
beinahe eines von vier, den Zugang zur Finanzierung als das hauptsächliche
Hindernis nennen. Von den vier Kategorien werden kleine etablierte Unternehmen
am wenigsten durch den Zugang zur Finanzierung eingeschränkt. Der entsprechende Anteil ist in dieser Kategorie etwa halb so groß wie im Durchschnitt. Dies
ließe sich durch die Tatsache erklären, daß diese Unternehmen eine bereits seit
langem etablierte finanzielle Basis und langfristige Beziehungen zum Finanzsektor
haben. Folglich benötigen sie, strukturell gesehen, keine zusätzliche oder neue
Finanzierung.
Die Rate der Kreditkunden deutet darauf hin, daß hoch innovative und expandierende Unternehmen im großen und ganzen einen besseren Zugang zu Krediten
haben als das durchschnittliche europäische KMU. Dies wiederum deutet darauf
hin, daß Banken ein größeres Interesse daran haben, diese beiden Gruppen von
Unternehmen zu finanzieren - möglicherweise aufgrund des dynamischen Profils
der Unternehmen.
Tabelle 4.5 informiert auch über die Art der Sicherheiten, die den Banken von KMU
gegeben werden, um einen Kredit zu erhalten. Indirekt zeigt die Art der Sicherheit,
welches Risiko die Banken eingehen, wenn sie einen Kredit gewähren. Wenn zum
Beispiel privates Eigentum als Sicherheit verlangt wird, gewähren Banken den Kredit
nicht unter Berücksichtigung eines spezifischen Unternehmensrisikos, sondern
betrachten vor allem das Immobilienrisiko. In einem solchen Fall ist der Zugang des
Unternehmens zur Finanzierung proportional zu den Möglichkeiten, den Banken eine
Sicherheit zu geben und unabhängig von den geschäftlichen Aktivitäten.
Die Politik der Sicherheiten, die von den Banken bei der Kreditvergabe zugrundegelegt wird, variiert nach Zielgruppen. Die Häufigkeit, mit der Banken nach Sicherheiten fragen, insbesondere nach persönlichem Vermögen, ist bei den hoch innovativen und expandierenden Unternehmen signifikant höher als bei den beiden
anderen Gruppen.
Wenn vom Zugang zur Finanzierung gesprochen wird, so sollte bedacht werden,
daß die Bedürfnisse und Möglichkeiten in bezug auf die Finanzierung von Unter-
Tabelle 4.5 Zugang zur Finanzierung, Bankkredite und Sicherheiten, nach Zielgruppen,
Europa-19
Neugegründete
Unternehmen, die den Zugang
zur Finanzierung als
Haupthindernis betrachten
22 %
Unternehmen mit Bankkredit
(Rate der Kreditkunden)
Kleine
etablierte
Hoch
Expandierende
Alle
innovative
Unternehmen
8%
16 %
19 %
15 %
40 %
40 %
44 %
48 %
40 %
Unternehmen mit Bankkrediten, die
durch Sicherheiten gedeckt sind: 33 %
37 %
47 %
50 %
37 %
• Eigentum des Besitzers
oder von Verwandten
als Sicherheit
25 %
26 %
36 %
39 %
28 %
4%
5%
5%
7%
5%
• Anlagevermögen der
Unternehmen als Sicherheit
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
165
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
nehmen zu Unternehmen variieren. Die folgenden Abschnitte konzentrieren sich
auf den Bedarf und die entsprechenden Finanzierungsquellen, die für jede einzelne
der vier Gruppen spezifisch sind.
4.3.2 Zugang zu Finanzierung von neugegründeten Unternehmen
Per Definition besitzen neugegründete Unternehmen abgesehen von günstigen
Zukunftsperspektiven wenig, was sie Finanzierungsinstitutionen anbieten können.
Dies trifft vor allem auf Unternehmen zu, die sich noch in der Planungsphase
befinden. Sie benötigen Mittel um sowohl ihr Anlagevermögen als auch ihre
Betriebsmittel zu finanzieren. Der ENSR Enterprise Survey 1999 stellt Daten für die
wichtigsten Finanzierungsquellen zur Verfügung, die von Unternehmen, die
weniger als fünf Jahre alt sind, zum Zeitpunkt der Gründung in Anspruch
genommen wurden.
• Etwa zwei Drittel dieser Unternehmen begannen mit dem Kapital des Eigentümers als wichtigste Finanzierungsquelle;
• Etwa ein Fünftel nutzte Bankkredite als wichtigste Finanzierungsquelle;
• „Love Money”, d. h. Geld von Verwandten und Freunden sowie Risikokapital
wurden selten als Hauptfinanzierungsquelle genannt.
In diesem Abschnitt richtet sich das Hauptaugenmerk auf drei externe Finanzierungsquellen: Banken (Kredite), Love Money und Business Angels.
Bankkredite
Sind neugegründete Unternehmen einer restriktiven Kreditzuteilungspraxis im
Banksektor unterworfen? Die Antwort auf diese Frage kann nicht auf einem allgemeinen europäischen Niveau gegeben werden. Die Risikoaversion der Banken
gegenüber neuen Unternehmen bestätigt sich jedoch sowohl in der Praxis als auch
in empirischen Studien, zumindest in einigen Ländern. Dem Vorsitzenden einer
führenden französischen Finanzierungsinstitution zufolge sind Banken in Frankreich
besonders risikoavers: 8 von 10 Unternehmen werden außerhalb des Bankensystems finanziert1. Die Summen, die bei Neugründungen benötigt werden, sind
sehr niedrig: 83 % der sehr kleinen Unternehmen (weniger als fünf Beschäftigte)
werden mit weniger als 7 600 Euro gegründet. Es scheint für derartig geringe
Beträge eine Finanzierungslücke zu bestehen. Diese Beträge könnten zu niedrig
und zu riskant sein, um das Interesse von Banken zu wecken, wie die niedrige Rate
der Kreditkunden bei den Kleinstunternehmen in 14 von den 19 hier betrachteten
Ländern zeigt (siehe Tabelle 4.3). Gleichzeitig sind diese Beträge auch zu niedrig
für Garantien im Rahmen von Garantieprogrammen (wie z. B. SOFARIS in Frankreich). In anderen Ländern wurden ähnliche Erfahrungen gemacht. Es wird
behauptet, daß kleine und sehr kleine Darlehen (insbesondere für Frauen, Arbeitslose und ehemalige Studenten) für Banken nicht profitabel sind, da die Transaktionskosten, wie die Kosten für das Einreichen, die Entscheidungsfindung und die
Überwachung, oft die Erträge überschreiten. Kleinkredite, die oft in Partnerschaft
zwischen öffentlichen und privaten Sektoren bereitgestellt werden, könnten eine
Lösung für derartige Finanzierungsbedürfnisse darstellen.
Ein anderes Problem für neugegründete Unternehmen in Zusammenhang mit dem
Erhalt von Bankkrediten wurde im Rahmen einer norwegischen Studie identifiziert,
1
Lebègue, D. (Directeur général de la Caisse des dépots et des consignations -CDC-), En
finir avec l`exclusion financière (Die Ausgrenzung von der Finanzierung beenden), in Le
Monde, Paris, 1. Juni 1999.
166
Zugang zu Finanzierung
die feststellte, daß die Hälfte der befragten Unternehmen von Finanzierungsproblemen berichteten1. Das Problem hing in erster Linie mit der Verzögerung
zusammen, die die Banken für die Freigabe des Kredites benötigten.
Schließlich sind auch die Unterschiede zwischen langfristigen und kurzfristigen
Krediten hervorzuheben. Langfristige Finanzierungen gewähren ein gewisses Maß
an Unabhängigkeit und erlauben die Finanzierung von Investitionen, während
kurzfristige Mittel der Finanzierung der Betriebsmittel dienen. Der Mangel an langfristigen Finanzierungsmöglichkeiten versetzt das Unternehmen in eine unsichere
Lage hinsichtlich der Verfügbarkeit und der Kosten der Finanzmittel. Dieses
Problem wurde in Spanien, den Niederlanden und in Schweden identifiziert. Zahlreiche spanische Studien2 kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Autoren
betonen, daß es einen definitiven Zusammenhang zwischen Finanzierungsmerkmalen und der Unternehmensgröße gibt. Je kleiner das Unternehmen ist, desto
geringer ist der Umfang externer langfristiger Ressourcen. KMU leiden an unzureichender Bereitstellung langfristiger Kredite, was sie übermäßig abhängig von kurzfristiger Verschuldung macht. Folglich müssen KMU höhere Finanzierungskosten
tragen als große Unternehmen. Auf der anderen Seite haben deutsche KMU einen
guten Zugang zur Bankenfinanzierung. Das traditionelle Hausbankensystem
scheint stabile und langfristige Beziehungen zwischen dem Unternehmen und
seiner Bank zu fördern. Die Hypothese einer Diskriminierung junger oder kleiner
Unternehmen hinsichtlich der Kosten oder des Zugangs zu langfristigen Krediten
ließ sich im Fall Deutschlands nicht bestätigen3.
Love Money
Love Money beinhaltet informelle Finanzierungsmittel von Verwandten oder
Freunden, die einem persönlich bekannten Unternehmer - oft ein junges Familienmitglied - zur Verfügung gestellt werden, um eine Aktivität zu beginnen oder
weiter zu entwickeln. Das wichtigste Merkmal von „Love Financing” ist die persönliche Beziehung zwischen dem Geldgeber und dem Unternehmer. Darin liegt auch
der Unterschied zwischen Love Money und Business Angels. Business Angels
werden später diskutiert.
Entsprechend der Definition stellt Love Money Eigenkapital und nicht Fremdkapital
dar. Da es nicht zu den traditionell anerkannten Finanzierungsquellen zählt, sind
kaum Daten und Informationen über Love Money verfügbar4. In den meisten statistischen Analysen über die Finanzierung von Unternehmensgründungen wird Love
Money nicht als solches identifiziert, sondern ist vielmehr Teil der Restgröße
„Sonstiges” oder Teil der Ersparnisse des Unternehmensgründers. Trotz des
Mangels an quantitativen Daten scheint Love Money eine wichtige - aber nur
komplementäre - Finanzierungsquelle für Kleinstbetriebe zu sein.
1
Waagø, Start og etablering av småforetak i Norge: En undersøkelse av 101 iverksetteretableringer og 10 etableringer ved knoppskyting (Gründung kleiner Unternehmen in
Norwegen), Institutt for industriell økonomi og organisasjon, NTH, Rapport, Trondheim,
1979.
2
Marrero Cabrera, J.L., Primera Ponencia. Financiación (Erste Lektion: Finanzierung), in
Información Comercial Española, Nr. 771, Juni 1998, und Marato Ucìn, J.A., Estructura
financiera y crecimiento de las Pymes (Finanzierungsstruktur und Wachstum in KMU), in
Economía Industrial, Nr. 310, 1996.
3
Stöss, E., Die Finanzierungsstruktur der Unternehmen und deren Reaktion auf monetäre
Impulse, Eine Analyse anhand der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank,
Diskussionspapier 9/96, Frankfurt/M., 1996.
4
Dembinski, P., La finance informelle en danger (Informelle Finanzierung in Gefahr), in
Reflets et perspectives dans la vie économique, XXXVIII, Genf, 1999/3.
167
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Schätzungen, die auf den Statistiken über externe Finanzierung der Bank von
England beruhen, zeigen, daß sich „andere Finanzierungsquellen”, die Love
Money und andere informelle Finanzierungsarten beinhalten, auf 7 % der
gesamten externen Finanzierung für KMU belaufen1. Eine andere Studie, die im
Vereinigten Königreich durchgeführt wurde, zeigte, daß 6 % einer Stichprobe von
176 Unternehmen Darlehen und Geschenke von Freunden als eine der Finanzierungsquellen für die Gründung des Unternehmens angaben2. Aus der Studie ging
auch hervor, daß diese Art der Finanzierung häufiger in Unternehmen erfolgte, in
denen der Eigentümer unter 30 Jahre alt war. Die Studie zeigte auch, daß Unternehmen der Hochtechnologie weniger häufig Darlehen von Verwandten erhielten
als Unternehmen in anderen Sektoren.
Eine norwegische Erhebung bei neugegründeten Unternehmen unterstreicht die
hohe Bedeutung informeller Finanzierung durch Verwandte und Freunde bei der
Gründung eines neuen Unternehmens, jedoch sind auch hier keine quantitativen
Informationen verfügbar.3
In Spanien gibt es einige indirekte Hinweise zur Bedeutung von Love Money
aufgrund einer Analyse über die Präferenzen der Spanier in bezug auf die Investition ihrer Ersparnisse. Gemäß der Erhebung haben etwa 12 % der Antwortenden
einen Teil ihrer Ersparnisse in die Gründung eines eigenen Unternehmens oder das
eines Verwandten investiert4. Eine andere spanische Studie über das Finanzvermögen der spanischen Familien, die auf Informationen der Spanischen Zentralbank basiert, zeigt, daß bis zu 7,7 % des Familienvermögens aus Darlehen besteht,
die entweder dem eigenen Unternehmen oder dem eines Verwandten gewährt
wurden. Dieses Vermögen wird in der Bilanz unter der Kategorie „Sonstiges”
geführt. Eine interessante Entwicklung in diesem Zusammenhang ist die Tatsache,
daß „Sonstiges” als Finanzierungsquelle zwischen 1985 und 1995 einen deutlichen
Rückgang (von 12,5 % auf 7,7 %) zu verzeichnen hatte. Die Erklärung hierfür
könnte darin liegen, daß Unternehmen heute einen leichteren und günstigeren
Zugang zum Bankensystem haben, während zugleich die Zinssätze gesunken
sind5.
Eine in Deutschland durchgeführte empirische Studie über den Erfolg und die
Risiken neuer Unternehmen zeigte, daß 25 % der Unternehmen Kapital von
Verwandten oder Freunden6 erhalten haben und, daß auch neugegründete Unternehmen traditionellerweise einen verhältnismäßig guten Zugang zu Bankkrediten
in Deutschland haben.
1
Bank of England, Quarterly report on Small Business Statistics (Quartalsbericht zur Statistik über Kleinbetriebe), London, Dezember 1998.
2
Storey, D., und A. Strange, Entrepreneurship in Cleveland 1979-1989: A study of the
effect of the enterprise culture (Unternehmertum in Cleveland 1979-1989: Eine Studie über
die Auswirkungen der Unternehmenskultur), in DfEE Research Series, Nr. 3, 1993.
3
Waagø, Garnes, Bodsberg, Naustdal, Tveito und Weatherstone, Etablering av småbedrifter -et forprosjekt (Gründung von kleinen Unternehmen - ein Pilotprojekt), NTH, Institutt for industriell økonomi og organisasjon, rapport Nr. 21, Trondheim, 1978.
4
Alvira Martin, F., und J. García López, Actitud de los Españoles hacia el Ahorro (Einstellung der Spanier zum Thema Sparen), in Papeles de Economía Española, Nr. 70, 1997.
5
Garcia Tabuenca, A., La financiación de la Empresa en España: Pme e Intervención del
Estado 1975-1997 (Finanzierung von Unternehmen in Spanien: KMU und staatliche Interventionen 1975-1997), in Economía Española, Nr. 317, 1997.
6
Brüderl, J., P. Preisendörfer und R. Ziegler, Der Erfolg neugegründeter Betriebe. Eine
empirische Studie zu den Chancen und Risiken von Unternehmensgründungen, in
Betriebswirtschaftliche Schriften, Heft 140, Berlin, 1996.
168
Zugang zu Finanzierung
Im Allgemeinen zeigen die meisten der oben erwähnten Studien, daß Love Money
hauptsächlich in der Gründungsphase gewährt wird, obgleich eine Studie1 im
Vereinigten Königreich darauf hindeutet, daß derartige Finanzierung auch
verwendet wird, um Unternehmen in der Entwicklungsphase zu fördern. Eine
norwegische Erhebung in der Sachgütererzeugung fand heraus, daß informelle
Finanzierung durch Familie oder Verwandte für Investitionen in bereits etablierten
KMU so gut wie gar nicht existiert2.
Eine andere wichtige Dimension von Love Money ist das sogenannte virtuelle Love
Money, d. h. Bürgschaften, die von Verwandten oder der Familie für Bankkredite
gewährt werden. Bei dieser Art der Finanzierung finanzieren die Verwandten oder
Familienmitglieder das Unternehmen nicht direkt, sondern übernehmen ein Risiko
im Fall einer Insolvenz.
Business Angels
Business Angels sind eine andere informelle Finanzierungsquelle auf die neugegründete Unternehmen zurückgreifen können.
Business Angels sind wohlhabende Personen mit umfangreichen Erfahrungen im
Unternehmens- und Wirtschaftsbereich, die dazu bereit sind, sich an Unternehmen
zu beteiligen. Wenngleich sie in jeder Entwicklungsstufe einsteigen können, investieren Business Angels vor allem in Unternehmensgründungen und risikoreiche
Unternehmen in der Startphase. Sie sind nicht an einer Übernahme des Unternehmens interessiert, sondern vielmehr an innovativen Investitionen3. Business Angels
sind ausgesprochen selektiv und erwarten im allgemeinen, daß die Empfänger
ihrer Investitionen über ein hohes Wachstumspotential verfügen.
Die meisten Business Angels werden in erster Linie durch die Möglichkeit des Kapitalgewinns motiviert. Sie sind an potentiell stark wachsenden Unternehmen interessiert und suchen nach Projekten, die Renditen in Höhe von 30 % oder mehr pro
Jahr bei Neugründungen und zumindest 20 % bei Investitionen in etablierte
Unternehmen erzielen. Business Angels werden zudem durch nicht-finanzielle
Überlegungen motiviert, durch die sie „psychische Einkommen” erhalten, insbesondere durch die Möglichkeit, eine Rolle im Unternehmensprozeß zu spielen und
durch die Freude an informellen Investitionen. Sie empfinden eine persönliche
Genugtuung, wenn sie in die unternehmerischen Tätigkeiten eingebunden werden
und dem Unternehmen dabei helfen können, sich zu etablieren und zu wachsen,
und so zum Erfolg der Unternehmen, in die sie investiert haben, beitragen
können4. Colin Mason hat es so formuliert: Informelles Risikokapital ist ‘smart
money’, da Business Angels Mehrwert bringende Investoren sind. Sie tragen mit
ihren kaufmännischen Fähigkeiten, ihrer Unternehmenserfahrung, ihrem Knowhow und ihren Kontakten durch eine Vielzahl von aktiven Handlungen dazu bei,
verschiedenste strategische, überwachende und unterstützende Leistungen zu
1
Mulholland, K., The Family Enterprise and Business Strategies (Familienunternehmen
und Unternehmensstrategien), in Work, Employment and Society, Jg. 11, Nr. 4, 1997.
2
Kvinge und Langeland, Smått, men ikke bare godt. Lønnsomhet og soliditet i små industriforetak (Klein, aber nicht nur schön: Rentabilität und Kreditfähigkeit bei kleinen Gewerbebetrieben), FAFO-rapport 178, FAFO, Oslo, 1995.
3
Aernoudt, R., Business Angels Should they fly on their own wings? (Business Angels Sollten sie mit ihren eigenen Flügeln fliegen?), in Venture Capital, An international journal
of entrepreneurial finance, Jg. 1, Nr. 2, Taylor and Francis, 1999.
4
Mason, C., und R. Harrison, Business Angels - heaven-sent or the devil to deal with?
(Business Angels - Vom Himmel geschickt oder ein Handel mit dem Teufel?) in Mastering
Enterprise, Birley, S., und D.F. Muzyka, Financial Times Series, London, 1997.
169
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
liefern. Demzufolge läßt sich der Beitrag, den Business Angels bei neugegründeten
Unternehmen mit guten Wachstumschancen leisten, nicht nur in Geld messen.
Obwohl das Konzept der Business Angels in jedem Mitgliedstaat bekannt ist, ist es
noch nicht in jedem Land voll entwickelt. Die Steuersysteme in einzelnen Mitgliedstaaten beeinflussen die Möglichkeiten von Investitionen durch Business Angels,
indem sie entweder Anreize oder Hemmnisse für derartige Investitionen darstellen.
Für quantitative Daten über Business Angels kann nur auf Schätzungen zurückgegriffen werden. Eine von der Europäischen Kommission herausgegebene Studie
besagt, daß Anteile, für die private Anleger zeichnen, die sogenannten Business
Angels, das 4-bis 8-fache des Betrages von Risikokapitalfonds und Unternehmensbeteiligungskapitel ausmachen1. Das European Business Angels Network (EBAN)
schätzt die Zahl der aktiven Investoren in Europa auf 125 000 und die Zahl der
potentiellen Investoren auf 1 000 000. Das Investitionsvolumen von Business
Angels wird auf 3 000 Millionen Euro im Vereinigten Königreich, 1 500 Millionen
Euro in den Niederlanden, 300 Millionen Euro in Finnland und 20 Millionen Euro
in Irland geschätzt. Daten für andere Länder sind derzeit nicht verfügbar. Allerdings wird das Investitionsvolumen der Business Angels für die Europäische Union
laut EBAN-Schätzungen, die auf Bevölkerungshochrechnungen beruhen, auf
10 000 bis 20 000 Millionen Euro geschätzt2.
4.3.3
Zugang zu Finanzierung von kleinen etablierten
Unternehmen
Kleine etablierte Unternehmen leiden weniger stark unter einem Mangel an Finanzierungsquellen als ihre jüngeren Gegenstücke und als alle anderen Typen von
Unternehmen. Dem ENSR Enterprise Survey 1999 zufolge empfinden nur 8 %
dieser Gruppe den Zugang zur Finanzierung als das größte Hindernis für die
Entwicklung des Unternehmens. Dies entspricht weniger als der Hälfte im
Vergleich zu den anderen Gruppen (siehe Tabelle 4.5).
Eine erste naheliegende Erklärung für diese Beobachtung scheint die folgende zu
sein: Kleine etablierte Unternehmen dürften einfach weniger zusätzliche Mittel
benötigen, da sie weniger neue Projekte haben, die der externen Finanzierung
bedürfen. Ein anderer Grund liegt darin, daß ältere Unternehmen bereits einen
Leistungsnachweis erbracht und damit ihre Fähigkeit zu überleben bewiesen
haben, was das Risiko in den Augen der Finanzpartner reduziert. Üblicherweise
unterhalten die kleinen etablierten Unternehmen recht gute langfristige Beziehungen zu einer Bank. Nach einer Studie der OECD werden Unternehmen mit
einem langsamen Wachstum (was bei etablierten Unternehmen, die über die Jahre
hin klein geblieben sind, der Fall ist) von den Banken schnell wachsenden Unternehmen vorgezogen, da sie als weniger riskant betrachtet werden3. Unter diesen
Umständen wird, sofern auch eine Finanzierung durch einbehaltene Gewinne
möglich ist, externe Finanzierung in Form von langfristigen Bankkrediten in den
meisten Ländern leicht gewährt. In einigen Ländern, wie z. B. Deutschland und
Portugal, dominiert die langfristige Fremdfinanzierung, während in anderen
Ländern, wie z. B. in Schweden, Spanien oder der Schweiz, die interne Finanzierung dominiert.
1
Europäische Kommission, Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie: Bericht
1998, Luxemburg 1998.
2
Siehe: http://www.Eban.org/overview.htm (Stand am 27. September 1999).
3
OECD, SMEs, Job creation and Growth, Facts, Obstacles and Best Practices (KMU,
Arbeitsplatzschaffung und Wachstum, Fakten, Hindernisse und beste Verfahren), Paris,
1997.
170
Zugang zu Finanzierung
Eine in Spanien durchgeführte Studie über die Akkumulierung von Kapital in
kleinen Unternehmen weist auf interessante Ergebnisse hin, die für etablierte
Unternehmen von Bedeutung sind. Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen
neigen dazu, die Abschreibung ihres Anlagevermögens um mehr als 40 % bzw.
10 % zu unterschätzen. Deshalb dürften die KMU ihre Kosten unterbewerten und
künstlich ihre Gewinne erhöhen1. Dies würde implizieren, daß sich die KMU über
die Ausschüttung von Gewinnentnahmen und Steuern in einem Prozess der Entkapitalisierung befinden. Diese Tendenz könnte auch für andere Länder gelten und
würde ein spezifisches Problem darstellen, das sowohl die Finanzierung als auch
das Management von kleinen etablierten Unternehmen betrifft.
Als Folge haben kleine etablierte Unternehmen im Vergleich zu den anderen analysierten Gruppen einen besseren Zugang sowohl zur internen als auch zur externen
Finanzierung. In Ländern, in denen eine Diskriminierung gegenüber größeren
Unternehmen besteht, dürfte es jedoch Probleme geben. Wie in Tabelle 4.3 dargestellt wurde, könnte dies in Ländern der Fall sein, in denen kleinere Unternehmen,
unabhängig davon in welcher Phase des Lebenszyklus sie sich befinden, weniger
häufig einen Bankkredit haben: Griechenland, Italien, Frankreich, Portugal, die
Niederlande, Schweden und die Schweiz.
4.3.4 Zugang zu Finanzierung von hoch innovativen Unternehmen
Werden die Probleme, die sich auf die Finanzierung von Innovationen und innovativen Unternehmen beziehen, angesprochen, so wird ein Gebiet betreten, in dem
die Schwierigkeiten, das zukünftige Ergebnis einer Beteiligung oder eines Projektes
zu messen, am größten sind. Aus diesem Grund benötigen die Finanzierungsinstitute ein hohes Qualifikationsniveau für die Finanzierung von Innovationen. Drei
Hauptgründe lassen sich anführen, warum der Finanzsektor im Großen und
Ganzen zögert, innovative Unternehmen auf traditionellem Weg zu finanzieren2:
• Unsicherheit über die zu erwartenden Erträge: Das Finanzsystem weiß, wie
Risiken zu handhaben sind, nicht jedoch, wie mit Unsicherheit umzugehen ist.
Die Höhe und der Preis des Risikos lassen sich mit Hilfe von theoretischen
Berechnungen abschätzen, der Grad an Unsicherheit läßt sich jedoch nur durch
Erfahrungen oder Beobachtung einschätzen. Traditionelle Banken finanzieren
nur ungern Innovationen, da sie in unsicheren Situationen die Risiken nicht
einschätzen können und die Finanzierungskosten übermäßig anheben.
• Nicht alle Erträge aus Innovationen können vom Innovator einbehalten werden.
Die Möglichkeiten für ein innovatives Unternehmen, sich gegen Kopien und
Imitationen zu schützen, sind eingeschränkt. Meistens teilt das Unternehmen
unfreiwillig die Früchte seiner Innovation mit der Konkurrenz. Patente sind
aufgrund ihrer obligatorischen Bekanntmachung eines der am wenigsten effizienten Instrumente, um die Ergebnisse einer Innovation zu schützen. Aus Unternehmenssicht bedeutet das Teilen des Nutzens einer Innovation eine abnehmende Rentabilität.
• Die Unteilbarkeit der Investitionen, die mit Innovation verbunden sind: Die
Logik und die Funktionsweise des Finanzsystems machen es sehr schwierig, die
technologischen Investitionen auf verschiedene Projekte, von denen jedes eine
1
Illueca Munoz, M., und J.M. Pastor Monsalvez, Analisis Economico Financiero de las
empresas españolas por tamanos (Finanzwirtschaftliche Analyse spanischer Unternehmen
nach Unternehmensgröße), in Economia Industrial, Nr. 310, 1996.
2
OECD, National Systems for Financing Innovation (Nationale Finanzierungssysteme für
Innovationen), Paris, 1995.
171
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
eigene Finanzierungsquelle hat, aufzuteilen. Um die maximale Anzahl von
Projekten in einem Unternehmen finanzieren zu können, sollten die Finanzierungsinstitutionen idealerweise ausreichend differenziert sein, um eine breite
Palette parallel laufender Finanzierungsmöglichkeiten anzubieten.
Die oben erwähnte OECD Studie gelangt zu drei allgemeinen Schlußfolgerungen,
die erwähnenswert scheinen:
• Die Finanzierungsproblematik ist vor allem für jene innovativen KMU relevant,
die auf dem globalen Gütermarkt agieren und weltweiter Konkurrenz ausgesetzt sind, jedoch nicht von den Vorteilen des Zugangs zu globalen Kapitalmärkten profitieren.
• Die Finanzierung von konsumentenbezogenen Produktinnovationen wird von den
Geldgebern riskanter eingeschätzt als die Finanzierung einer Prozeßinnovation. Aus
der Sicht der Finanzwelt sind das Verhalten und die Stimmung der Konsumenten
schwieriger einzuschätzen als die technischen Probleme des Produzenten.
• Innovationen der Hochtechnologie sind paradoxerweise nicht am schlechtesten
gestellt. Niedrigere und mittlere technologische Innovationen leiden am häufigsten unter Finanzierungsengpässen. Sie vereinen in der Tat drei einschränkende
Faktoren: sie sind zu riskant für die Banken, sie bieten zu geringe Renditeerwartungen für Risikofinanciers und sie sind nicht interessant genug für öffentliche
Stellen und Regierungsbehörden1.
Viele nationale Studien, die vom ENSR gesammelt wurden, bestätigen die Schlußfolgerungen der oben erwähnten Analyse.
Eine Befragung bei 545 neuen, technologieorientierten Unternehmen in Schweden
zeigte, daß es für Unternehmen, die neue Technologien auf neuen Märkten
verwenden, aber auch für Unternehmen, die bekannte Technologien auf neuen
Märkten verwenden, besonders schwierig ist, eine Finanzierung zu erhalten. Andererseits haben Unternehmen, die neue Produkte mit bekannten Technologien für
bekannte Märkte entwickeln, seltener über Probleme bei der Finanzierung
berichtet2. Diese Befragung gibt Hinweise auf die Bewertung der unterschiedlichen
Unsicherheitskomponenten durch die Geldgeber. Der höchste Unsicherheitsgrad
wird dem Markt zugeteilt, die nächste Stufe betrifft das Produkt, während die
Technologie oder Innovation an dritter Stelle kommt.
Zahlreiche empirische Studien unterstreichen besonders die Probleme von Unternehmen, die sowohl neu gegründet, als auch innovativ sind. Diese Unternehmen
sind mit Problemen der Anfangsphase und gleichzeitig mit spezifischen Problemen
innovativer Unternehmen konfrontiert. Da diese als besonders wichtig für eine
funktionierende und dynamische Marktwirtschaft gesehen werden (eine Überlegung nach Schumpeter), richten sich viele öffentliche Maßnahmen an diese spezifische Gruppe von Unternehmen.
Der Finanzsektor hat auch ad hoc Instrumente entwickelt, um sich den Herausforderungen hoch innovativer Unternehmen zu stellen. Die meisten Bemühungen
beziehen sich auf die Eigenkapitalfinanzierung durch Risikokapitalfonds und nicht
auf die klassische, aber unter diesen Umständen ungeeignete, Fremdfinanzierung.
In dieser Hinsicht verdient die Entwicklung der Risikokapitalfinanzierung in Europa
einige Aufmerksamkeit.
1
OECD, National Systems for Financing Innovation (Nationale Finanzierungssysteme für
Innovationen), Paris, 1995.
2
Olofsson, C., und G. Lindström, New technology-based enterprises, NTBFs in early development stages (Neue technologiebasierte Unternehmen, NTBF in frühen Entwicklungsphasen), November 1998.
172
Zugang zu Finanzierung
Risikokapital
Die Entwicklung in der Risikokapitalfinanzierung zeigt, daß dieser Art der Finanzierung zunehmende Bedeutung zukommt (siehe Tabelle 4.6) und daß der Zugang
von innovativen Unternehmen zu Risikokapital gefördert wird. Laut European
Venture Capital Association (EVCA) erfuhr Europa während der vergangenen fünf
Jahre einen starken Aufwärtstrend bei Investitionen in High-Tech-Unternehmen in
der Anfangsphase. Die Beträge, die sowohl für Gründungs- als auch Technologieinvestitionen aufgebracht wurden, haben sich zwischen 1993 und 1997 mehr
als verdreifacht. Die Investitionen in den Technologiesektor stiegen um 75 % im
Jahr 1998 und um 71 % im Jahr 1997. Im Jahr 1997 stiegen die Beträge, die in
neugegründete Unternehmen investiert wurden, um 60 %, 1998 verdoppelte sich
das Volumen, das Unternehmen in der Anfangsphase oder in der Gründungsphase
zukam1.
Tabelle 4.6 Risikokapital (Volumen und Anzahl der Abschlüsse 1997-1998)
1997
Mio. Euro
Vereinigtes
Königreich
Deutschland
Frankreich
Niederlande
Italien
Spanien
Belgien
Schweden
Schweiz
Finnland
Norwegen
Irland
Österreich
Portugal
Dänemark
Island
Griechenland
Gesamt
4 428
1 326
1 248
780
603
262
179
55
351
113
170
36
19
63
22
5
16
9 858
1998
Mio. Euro
7
1
1
1
106
948
777
059
933
363
258
215
203
189
165
64
50
50
40
22
20
1 4461
Wachstum
60,5
46,9
42,4
39,3
54,7
38,7
44,6
291,8
-42,3
67,0
-2,8
77,1
164,0
-21,4
81,4
332,5
22,1
49,8
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
1997
Zahl der
Abschlüsse
1 686
1 067
1 551
425
234
244
189
47
120
193
170
66
40
79
55
54
32
6 252
1998
Zahl der Wachstum
Abschlüsse
2 018
1 518
1 544
707
267
244
233
86
11
274
161
108
83
68
50
120
29
7 628
19,7
39,2
-0,5
66,4
14,1
0,0
37,9
82,7
-4,2
42,0
-5,3
60,6
132,5
-13,9
-9,1
122,2
-10,4
22,0
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Quelle: EVCA, Yearbook 1999 (Jahrbuch 1999), European Venture Capital Association, Bruge, 1999.
Trotz dieser steigenden Tendenz und der steigenden Anteile innovativer Unternehmen bleibt die Anzahl der Unternehmen, die durch Risikokapital finanziert
werden, gering. Tatsächlich finanzieren Risikokapitalfonds nur einen kleinen Anteil
der Mittel, die von innovativen Unternehmen aufgenommen werden. Im Vereinigten Königreich, in dem innerhalb von Europa Risikokapital am besten
entwickelt ist, wurden nur 2,9 % der von KMU zwischen 1987 und 1990 aufgenommenen neuen Mittel von Risikokapitalinstitutionen aufgebracht. Gründe, die
1
EVCA, The Impact of Venture Capital in Europe (Die Auswirkungen von Risikokapital in
Europa), European Venture Capital Association, http://www.evca.com/pdf/economicimpact.pdf (Stand am 24. September 1999).
173
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
die weitere Entwicklung behindern, finden sich sowohl auf der Nachfrage- als
auch auf der Angebotsseite. Unternehmer könnten einen Verlust der Kontrolle
über ihr Unternehmen befürchten und auch nur ungern den Nutzen aus attraktiven und profitablen Projekten teilen, während sich Risikokapitalgeber über einen
Mangel an guten Projekten beklagen1.
Allerdings ist der Zugang zur Finanzierung nicht das Haupthindernis für die
Entwicklung von innovativen Unternehmen. Der ENSR Enterprise Survey 1999
zeigte, daß 16 % der hoch innovativen Unternehmen den Zugang zur Finanzierung als die größte Beeinträchtigung nannten, während 22 % den Mangel an
qualifiziertem Personal als Haupthemmnis für ihre Entwicklung empfanden.
4.3.5 Expandierende Unternehmen
Wie Tabelle 4.5 gezeigt hat, empfinden expandierende Unternehmen, auch
bekannt als rasch wachsende Unternehmen, einen starken Mangel an finanziellen
Mitteln. Ungefähr 19 % dieser Unternehmen betrachten den Zugang zur Finanzierung als Haupthindernis für die Entwicklung ihres Unternehmens. Ihr Finanzierungsbedarf sowohl für Investitionen als auch für Betriebsmittel ist hoch und übersteigt oft die innerbetrieblichen Finanzierungsmöglichkeiten.
Bankkredite bleiben die wichtigste Finanzierungsquelle, wie durch die relativ
hohe Rate der Kreditkunden in dieser Unternehmensgruppe ersichtlich wurde
(siehe Tabelle 4.5). Zusätzlich zu traditionellen Finanzierungsmöglichkeiten
haben stark wachsende Unternehmen, ähnlich wie ihre innovativen Gegenstücke, einen privilegierten Zugang zu anderen Instrumenten, wie z. B. Risikokapital oder Business Angels. Risikokapital ist eine wachsende Finanzierungsquelle,
wenn auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht noch unbedeutend. Die potentiell
hohen Erträge, 18,6 % kumulierter Nettoertrag pro Jahr laut EVCA, ziehen neue
Investoren an, die in expandierende Unternehmen investieren wollen. Eine Befragung unter Unternehmen, die Risikokapital erhielten, zeigte, daß diese Unternehmen während des Zeitraums 1991 bis 1995 Umsatzzuwächse in Höhe von
durchschnittlich 35 % pro Jahr und Beschäftigungszuwächse um 15 % pro Jahr
aufwiesen. Anlagen, Vermögen und Kapitalausstattung stiegen um durchschnittlich 25 % und die Exporte um 30 % pro Jahr. Die Ausgaben für F&E betrugen
durchschnittlich 8,6 % der Erlöse2.
In Finnland zum Beispiel, wo der Markt für Risikokapital noch jung ist, scheinen
hohe Beträge verfügbar zu sein, jedoch mangelt es an guten Projekten und interessierten Unternehmen. Der Grund dafür könnte darin liegen, daß Risikokapitalgeber zu hohe Erwartungen an die Erträge haben, aber auch in der Tatsache, daß
finnische, stark wachsende Unternehmen keine Beteiligung von Risikokapitalfonds
wünschen. Das ausgesprochen gute öffentliche Finanzierungssystem könnte eine
Erklärung dafür sein.
Expandierende Unternehmen werden von einem Mangel an Finanzierungsmitteln
negativ beeinflußt, verfügen jedoch, wie in einigen europäischen Studien festgestellt wird, über relativ vielseitige Finanzierungsmöglichkeiten. Sie haben Zugang
zu Krediten, aber auch zu Risikokapital und, bis zu einem gewissen Grad, zu
Business Angels.
1
OECD, Fostering Entrepreneurship (Förderung des Unternehmertums), The OECD Jobs
Strategy, Paris, 1998.
2
EVCA, The Impact of Venture Capital in Europe (Die Auswirkungen von Risikokapital in
Europa), http://www.evca.com/pdf/economicimpact.pdf (Stand am 24. September 1999).
174
Zugang zu Finanzierung
4.4
Hindernisse, die den Zugang zu Finanzierung
Erschweren
Dieser Abschnitt bietet eine Synthese der Informationen und Ergebnisse, die in den
vorangegangenen Abschnitten dargestellt wurden, und streicht die Hauptfaktoren, die
den Zugang zur Finanzierung erschweren, heraus: die Unternehmensgröße, die Phase
im Lebenszyklus und die Innovations- und Wachstumsperspektiven der Unternehmen.
Unter der Annahme, daß die professionellen Investoren, Bankiers, Risikokapitalgeber und andere Akteure rational handeln, werden sie nur dann investieren,
wenn sie erwarten, daß das Unternehmen das Kapital zurückzahlen wird und wenn
sie einen Kapitalgewinn antizipieren. Es ist ihre Aufgabe, Unternehmen und
Projekte hinsichtlich ihrer zu erwartenden Rentabilität zu bewerten. Die entscheidende Frage lautet deshalb: Haben einige Unternehmenstypen Schwierigkeiten,
das notwendige Kapital aufzubringen, obwohl sie potentiell rentabel sind?
Die Größenklassendimension
Die Unterschiede in der Rate der Kreditkunden nach Größenklasse in einem gegebenen nationalen, rechtlichen Kontext wurde als ein möglicher Indikator für die
Diskriminierung in bezug auf die externe Bankenfinanzierung herangezogen.
Tabelle 4.3 zeigte, daß die Situation in den einzelnen Ländern, die in diesem
Bericht behandelt werden, unterschiedlich ist. In einigen von ihnen ist die Rate der
Kreditkunden bei Kleinstunternehmen sogar höher als bei kleinen Unternehmen.
Dies ist in Österreich, Island, Liechtenstein, Deutschland und im Vereinigten Königreich der Fall. In diesen Ländern gibt es theoretisch keinen Grund für eine öffentliche Unterstützung von Unternehmen nur aufgrund ihrer Größe.
Im Gegensatz dazu berichten Kleinstunternehmen in anderen Ländern über
größere Schwierigkeiten in bezug auf die externe Fremdfinanzierung durch
Banken. Dies trifft auf die Länder am unteren Ende von Tabelle 4.3 zu. Der Zugang
zur Fremdfinanzierung für Kleinstbetriebe ist besonders schwierig in Griechenland,
Italien, Portugal, Schweden und in einem etwas geringeren Ausmaß in der
Schweiz, Frankreich und den Niederlanden.
Die Gründe, warum Kleinstunternehmen über weniger Bankkredite verfügen,
können zweifach sein. Wird die Nachfrageseite betrachtet, ist es möglich, daß kleinere Unternehmen freiwillig von Bankkrediten Abstand nehmen, entweder weil sie
Zugang zu alternativen Quellen haben, insbesondere zu informellem Kapital - in
diesem Fall wäre öffentliche Unterstützung nicht notwendig - oder weil die Kosten
für sie zu hoch sind. Wenn letzteres der Fall wäre, hätten öffentliche Unterstützungsmaßnahmen für die Reduzierung der Kosten positive Auswirkungen. Wird die
Angebotsseite betrachtet, so könnte die niedrigere Rate der Kreditkunden bei
Kleinstbetrieben ein Indikator für die Diskriminierung durch das Bankensystem
sein. Die Gründe dafür sind weniger klar. Wie bereits im Fünften Jahresbericht des
Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU gezeigt wurde, sind Kleinstunternehmen weniger anfällig für Insolvenzen und Fehlschläge als größere Unternehmen. Wenn auch absolut gesehen mehr kleine Unternehmen insolvent werden
als größere, sind diese Unternehmen in ihrer Größenklasse doch unterrepräsentiert. Werden demnach nur die relativen Risiken eines Fehlschlages betrachtet und
die Annahme der Rationalität aufrechterhalten, sollten Banken nicht abgeneigt
sein, diesen Unternehmen Kredite zu gewähren. Eine rationale Erklärung könnte
jedoch auch in den Kosten und der Zeit für die Abwicklung eines Kredites liegen.
Tatsächlich ist dieser Aufwand unabhängig von der Größe des Kredits etwa gleich
hoch, aber die Tatsache, daß kleine Kredite weniger profitabel sind als große,
schreckt Banken davor ab, dieses Marktsegment zu betreten.
175
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Die Lebenszyklusdimension
Unternehmen in einem frühen Stadium ihres Lebenszyklus, wie z. B. neugegründete und im besonderen Unternehmen in der Aufbauphase, könnten in ihrem
Zugang zur Finanzierung aus folgenden Gründen benachteiligt sein:
• Mangelnde Leistungsnachweise und die Tatsache, daß die Financiers in erster
Linie auf Basis vergangener Ergebnisse beurteilen, was die Frage der Informationsasymmetrie und der unzureichenden Information der Financiers aufwirft;
• Mangelnde Sicherheiten auf Seiten der Unternehmen oder der Eigentümer;
• Ihre eingeschränkten Möglichkeiten innerbetriebliche Finanzierung aufzubringen, aufgrund der Notwendigkeit großer Investitionen in den ersten Jahren,
kombiniert mit einer aufgrund des Produkt-Lebenszyklus eingeschränkten Zeitperiode, in der Gewinne akkumuliert werden müssen;
• Die benötigten Beträge sind häufig zu gering, um für eine Finanzierung interessant
zu sein, da mit der Abwicklung eines Darlehens Fixkosten verbunden sind.
Die Innovations- und Wachstumsperspektive
Die Gründe, warum innovierende und expandierende Unternehmen finanziellen
Engpässen gegenüberstehen, ergeben sich einerseits aus den finanziellen Mitteln, die
diese Unternehmen benötigen, um ihre Projekte zu realisieren, und andererseits aus
den Problemen, die Finanzierungsinstitutionen bei der Evaluierung dieser Projekte
haben.
Soweit innovative Unternehmen betroffen sind, lassen sich die Hauptprobleme wie
folgt zusammenfassen:
• Die Unsicherheit über die zu erwartenden Erträge;
• Die Gewinne lassen sich nicht vollständig schützen (internalisieren);
• Die Unteilbarkeit von Investitionen;
• Die Informationsasymmetrie (zwischen Kreditgeber und -nehmer);
• Das Problem der adversen Selektion1.
Die Gründe warum expandierende Unternehmen finanziellen Engpässen gegenüberstehen sind die gleichen wie bei neugegründeten Unternehmen. Ähnlich wie bei
neugegründeten Unternehmen können auch expandierende Unternehmen aufgrund
der Neuheit des Projektes, des Mangels an Erfahrung und Leistungsnachweisen, die
mit diesem Projekt in Zusammenhang stehen, und aufgrund der Tatsache, daß das
Projekt wichtige Finanzmittel benötigt, die innerbetrieblich durch einbehaltene
Gewinne nicht aufgebracht werden können, benachteiligt sein. Gleichzeitig sehen
sich expandierende Unternehmen aufgrund der Unsicherheit der zu erwartenden
Erträge mit den gleichen Problemen konfrontiert wie innovative Unternehmen.
Wenn das Projekt den Eintritt in neue Märkte und/oder die Entwicklung neuer
Produkte betrifft, sind die Probleme am größten. Eines von fünf expandierenden
Unternehmen wird durch finanzielle Engpässe am Wachstum behindert.
1
Das höhere Risiko für die Bank kann aufgrund der Informationsasymmetrie nicht durch
höhere Preise für den Kredit ausgeglichen werden. Die Unternehmen sind besser über die
Chancen eines Projektes informiert als die Financiers. Deshalb sind nur die sehr riskanten
Unternehmen bereit, höhere Finanzierungskosten zu akzeptieren. Schließlich findet eine
adverse Selektion in Richtung hoher Risiken statt.
176
Zugang zu Finanzierung
4.5
Ausgewählte Politische Maßnahmen
Ausgehend von den Hauptproblemen beim Zugang zur Finanzierung wurden
einige Unterstützungsprogramme europäischer Regierungen ausgewählt, die von
besonderem Interesse sein dürften, da sie einige der bereits beschriebenen Hindernisse zu beseitigen scheinen.
Neugegründete Unternehmen
DtA-Startgeld-Programm
Diese neue Maßnahme, die auf neugegründete Unternehmen ausgerichtet ist, wurde
im April 1999 von der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) eingeführt. Das Programm
nennt sich DtA-Startgeld-Programm. Ziel des Programms ist es, den Unternehmern zu
helfen, Kredite in der Höhe zwischen 25 000 und 49 000 Euro aufzunehmen. Banken
sind nicht daran interessiert, derartige Kredite zu gewähren. Dieses Programm wurde
insbesondere für die Förderung von Unternehmensgründungen geschaffen, aber
auch bereits etablierte Unternehmen können um einen Kredit ansuchen.
Tante Agaath regeling (Tante Agatha Programm)
Diese Maßnahme wurde 1996 in den Niederlanden eingeführt. Das Programm zielt
darauf ab, Privatpersonen anzuregen, neugegründeten Unternehmen Risikokapital
zur Verfügung zu stellen, entweder direkt oder indirekt durch spezielle Beteiligungsgesellschaften. Die Zinsen aus diesem Kredit sind einkommensteuerfrei (max.
2 500 Euro). Zusätzlich können die Verluste, wenn der Kredit nicht zurückgezahlt
werden kann, von der Steuer abgesetzt werden (max. 25 000 Euro). Aufgrund der
Obergrenze bei der Absetzbarkeit ist der Tante Agatha Vertrag nur für kleine Kapitalgeber interessant, die sich mit kleinen Beträgen an Unternehmen beteiligen. Im
Fall des direkten Darlehens resultiert die Absetzbarkeit des Zinseneinkommens im
allgemeinen in niedrigeren Finanzierungskosten für den Unternehmer.
Wenn dieses Programm auch relativ neu ist, konnten jedoch folgende Erfahrungen
gemacht werden. Für direkte Darlehen waren die Zinssätze wegen der Steuervorteile normalerweise niedriger als die marktüblichen Zinssätze. Für indirekte
Darlehen waren die Zinssätze nicht niedriger als die marktüblichen Zinssätze. Der
Großteil der indirekten Darlehen wurde im landwirtschaftlichen Sektor gewährt,
wobei hypothekarische Sicherheiten zum Einsatz kamen. In diesen Fällen wären sie
wahrscheinlich auch ohne die Maßnahme zustande gekommen.
Innovative und expandierende Unternehmen
SMART Programm
Das revidierte SMART Programm wurde 1997/98 vom Ministerium für Handel und
Industrie im Vereinigten Königreich eingeführt. Das Programm bietet finanzielle
Unterstützung um Machbarkeitsstudien für die Entwicklung neuer Produkte und
Prozesse durchzuführen. Der Zugang zu diesem Programm basiert auf einem
regionalen Wettbewerb zwischen Unternehmen. Die maximale Unterstützung
beträgt 75 % der Projektkosten.
Linea de Financiación para la Investigación y el Desarrollo Technológico (Finanzierungslinie
für Forschung und technologische Entwicklung)
Wie auch die vorangegangene Maßnahme, zielt dieses Programm darauf ab,
spanischen KMU bei der Finanzierung von F&E-Projekten zur Verbesserung und
177
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Entwicklung von Produkten und Produktionsprozessen zu helfen. In Zusammenarbeit mit den wichtigsten spanischen Banken und Finanzierungsinstitutionen wird
Unterstützung zu günstigen Zinssätzen gewährt.
Diese Maßnahmen wurden ausgewählt, da sie die Finanzierung von Projekten
unterstützen, die schwer zu finanzieren sind und sich dabei auf die risikoreichste
Projektphase richten (z. B. die Machbarkeitsstudie).
PME-Excelência (KMU-Excellence-Programm)
Dieses Programm wurde 1997 (ursprünglich 1992 unter dem Namen ‘Prestige’) in
Portugal gestartet und ist auf schnell wachsende und innovative Unternehmen
ausgerichtet. Um ausgewählt zu werden, muß der Nettogewinn im vorangegangenen Jahr um 20 % bis 40 % (je nach Sektor) gestiegen sein. Das Programm
beinhaltet mehrere finanzielle Begünstigungen: die Bereitstellung von langfristigen
Darlehen mit besonderen Zinskonditionen, Vorteile bei der Darlehensanalyse, die
sehr rasch durchgeführt wird und andere finanzielle Produkte und Dienstleistungen. Ein anderer Vorteil liegt in der Öffentlichkeitswirkung und Reputation, die
mit einer gewährten Unterstützung einhergehen. Dieses Programm wurde ausgewählt, da es eines der seltenen (wenn nicht das einzige) ist, das speziell auf rasch
wachsende Unternehmen ausgerichtet ist.
In politischer Hinsicht ist diese Gruppe von Maßnahmen sehr interessant, z. B. was
die Beschäftigung und das Wachstum betrifft, jedoch sind innovative Unternehmen schwierig zu identifizieren, da sie weder aufgrund größenspezifischer
noch sektoraler Merkmale abgrenzbar und ansprechbar sind. Innovative Unternehmen sind sogar noch schwerer zu identifizieren und anzusprechen, wenn sie
nicht in einem innovativen Sektor tätig sind.
4.6
Politische Empfehlungen
Wird Rationalität des Finanzsystems unterstellt und angenommen, daß das Finanzsystem genügend Mittel bietet, wenn das Projekt gemäß der durchgeführten
Evaluierung potentiell profitabel ist, dann lassen sich folgende Schlußfolgerungen
ziehen:
• Da es für Finanzierungsinstitutionen oft schwierig ist, die zu finanzierenden
Projekte zu bewerten, und es für die Unternehmen schwierig ist, den Institutionen ihre Projekte klar zu präsentieren und zu erklären, wären politische
Maßnahmen in diesem Bereich sehr wertvoll.
• Projekte, die nur geringe Finanzierungsbeträge benötigen, sind aufgrund der
Kosten für eine entsprechende Risikoeinschätzung sowie der administrativen
Kosten von vornherein für viele Banken uninteressant, außer wenn das Unternehmen Sicherheiten bieten kann. Kombinierte Garantie- und Mikrokreditprogramme, bei denen die Kosten durch die öffentliche Hand entweder reduziert
oder übernommen werden, stellen einen Versuch dar, um dieses Problem zu
lösen. Politische Entscheidungsträger wie auch Finanzierungsinstitutionen
sollten nach spezifischen Lösungen für die Probleme, die mit der Bereitstellung
kleiner Beträge verbunden sind, suchen.
• Für eine außenstehende Person, die nicht in das Unternehmensgeschehen
eingebunden ist, ist es sehr schwierig oder sogar unmöglich, ein neugegründetes Unternehmen oder ein neues Projekt eines expandierenden Unternehmens zu bewerten, da es noch keine Leistungsnachweise gibt. Dieses Problem
ließe sich beseitigen, indem der Kapitalgeber mehr Einblick in das Unter-
178
Zugang zu Finanzierung
nehmen bekommt und dem Management näher steht. In diesem Zusammenhang sind Steueranreize, die das Auftreten privater Investoren wie z. B. Business
Angels fördern, sehr interessant.
• Die Steuersysteme in den verschiedenen Mitgliedstaaten beeinflussen die
Möglichkeiten für Investitionen von Business Angels entweder durch positive
Anreize oder durch Hemmnisse für solche Investitionen. Die nationalen politischen Entscheidungsträger sollten sich auf diesem Gebiet Maßnahmen überlegen und Barrieren beseitigen.
• Die Bewertung von Unternehmen oder Projekten im Hochtechnologiebereich
erfordert profunde Kenntnisse der entsprechenden technischen und finanziellen
Faktoren. Aufgrund der sehr hohen Kosten für Evaluierungen durch Experten
sind Risikokapitalfonds oft auf bestimmte Sektoren oder Technologien spezialisiert. Auf diese Art können sie sich das notwendige Wissen über den Markt oder
die Technologie aneignen, was ihnen hilft, informierte Entscheidungen zu
treffen. In diesem Zusammenhang sind Programme, die die Entwicklung von
Risikokapital fördern, sehr wichtig. Auch Maßnahmen, die die Zusammenarbeit
zwischen Spezialisten von Universitäten und Kapitalgebern fördern, können
sehr hilfreich sein.
• Die meisten politischen Maßnahmen im Bereich Innovation und Technologie
beziehen sich auf die Hochtechnologie. Politische Entscheidungsträger sollten
aber auch daran denken, Unternehmen und Projekte, die sich im mittleren
technologischen Bereich befinden, anzusprechen, oder sie zumindest nicht von
den Maßnahmen auszuschließen, da diese Investitionen für Banken zu riskant
sind, die zu erwartenden Gewinne für die risikofreudigen Kapitalgeber nicht
hoch genug sind und weil sie für die öffentlichen Stellen nicht ‘schillernd’
genug sind.
• Das Argument der Unternehmensgröße ist nicht ausreichend, um die Implementierung politischer Maßnahmen in jedem Land zu rechtfertigen. Dies
scheint nur gerechtfertigt, wenn kleinere Unternehmen beim Zugang zu
externer Finanzierung diskriminiert werden. Wenn auch die Bedeutung der
Kreditfinanzierung von Land zu Land unterschiedlich ist, so ist sie doch eine
wichtige Finanzierungsquelle. Wenn kleinere Unternehmen einen schlechteren
Zugang zu externer Finanzierung haben, so ist dies ein Problem für die Wirtschaft als ganzes.
179
5
Elektronischer Geschaftsverkehr und
KMU
Koordination: Agder Research Foundation
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE
• 42 % der europäischen KMU haben Zugang zum Internet.
• Mehr als 20 % der europäischen KMU nutzen bereits das Internet, um Informationen über ihre Produkte oder Dienstleistungen zu präsentieren, und ca.
10 % nutzen es für die Entgegennahme von Aufträgen.
• Es wird erwartet, daß die Online-Bevölkerung in der EU im Jahr 2003 derjenigen in
den USA entspricht, während die derzeitige Verbreitung des Internet im privaten
Bereich bei etwa einem Drittel der Verbreitung unter den US-Konsumenten liegt.
• In Europa ist die Web-basierte Kooperation für das gemeinsame Anbieten von
Produkten und Dienstleistungen im Bereich der unternehmensbezogenen und
der sonstigen Dienstleistungen am weitesten, im Reparaturgewerbe am wenigsten fortgeschritten.
• Größere KMU greifen häufiger auf das Internet zurück als kleinere. Zudem
nutzen größere KMU das Internet häufiger für Geschäftsaktivitäten wie die
Verbreitung von Informationen über ihre Produkte oder für die Annahme von
Bestellungen als kleinere.
• Mehr als 40 % der europäischen KMU, die das Internet nicht für kommerzielle
Tätigkeiten verwenden, empfinden, daß der elektronische Geschäftsverkehr
nicht für ihre Unternehmen geeignet ist.
• Der Eindruck, daß der elektronische Geschäftsverkehr sich nicht auszahlt, stellt
für die meisten europäischen KMU eine wichtigere Barriere für seine Einführung
dar als das Vertrauen in die Technologie oder die Sicherheit.
• Es bestehen erhebliche Sprachbarrieren in Europa, die die Verbreitung des internationalen elektronischen Geschäftsverkehrs einschränken. Englisch ist die am
häufigsten gesprochene Fremdsprache in Europa. In einigen Ländern sind
jedoch weniger als 20 % der Bevölkerung der englischen Sprache mächtig.
• KMU können mittels elektronischem Geschäftsverkehr einen größeren Markt
erreichen, ohne dabei neue Verkaufsbüros eröffnen zu müssen. Die kleinen
KMU, ohne große Verkaufsorganisationen, haben gegenüber größeren Unternehmen Vorteile bei der Restrukturierung ihrer Organisation für die Nutzung
des elektronischen Geschäftsverkehrs. Allerdings werden viele KMU nicht sofort
Zugang zu dem benötigten qualifizierten Personal haben.
• In Finnland, Italien und Portugal wurden Förderprogramme für Schulungen in
internationalem Handel und Marketing, insbesondere für KMU, gestartet.
• KMU, die den elektronischen Geschäftsverkehr nutzen, exportieren häufiger als
jene, die nicht im elektronischen Geschäftsverkehr aktiv sind.
• Es ist zu erwarten, daß der elektronische Geschäftsverkehr das Konsumverhalten
ändern wird. Insbesondere im Einzelhandel können durch die Präferenzen der
Konsumenten Ertragsverluste für KMU entstehen.
181
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
5.1
Einleitung
Eine große Anzahl europäischer Unternehmen kann nun die internationalen
Märkte mit Hilfe des elektronischen Geschäftsverkehrs erreichen. Die Nutzung von
Internet-Technologie für die Unterstützung der Zusammenarbeit und den
Austausch von Information zwischen Unternehmen wird auch in KMU immer
häufiger. Dies kann den Zugang zu Märkten öffnen, die bisher nur größeren Unternehmen vorbehalten waren. Der elektronische Geschäftsverkehr kann zu sich
ändernden Wirtschaftsabläufen in allen Bereichen führen.
Elektronischer Geschäftsverkehr ist Inhalt der zweiten Leitaktion innerhalb des
Fünften Rahmenprogramms der Europäischen Kommission. Desweiteren wurden
Initiativen für die Verbreitung des elektronischen Geschäftsverkehrs ins Leben
gerufen. Beispiele hierfür sind INFO2000 und MIDAS NET, sowie der von der
Europäischen Kommission finanzierte ISPO Server, die allesamt der Nutzung des
elektronischen Geschäftsverkehrs Vorschub leisten. Ebenfalls wichtig sind engagierte Initiativen wie WeCan und Maßnahmen zur Steigerung der Bekanntheit des
elektronischen Geschäftsverkehrs unter KMU1. Mehrere Zusammenstellungen von
Fallstudien wurden angefertigt, z. B.: Business Transformation through Technology:
21 Striking Cases from Technologies for Business Processes (Transformation der
Wirtschaft durch Technologie: 21 herausragende Fälle von Technologien für
Geschäftsprozesse)2.
Der Dritte Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU beschrieb
IT-Anwendungen, die für KMU am vielversprechendsten erschienen. Dazu zählten
u. a. Fernunterricht, Telearbeit, elektronische Ausschreibungen und telematische
Netzwerke. Der Vierte Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für
KMU setzte sich mit der Nutzung und Erstellung KMU-bezogener Informationstechnologien auseinander. Im Vierten Jahresbericht wurde auch der elektronische
Geschäftsverkehr als wichtiges Marketinginstrument für KMU erkannt.
5.2
Was ist Elektronischer Geschäftsverkehr?
Es werden zahlreiche Definitionen für elektronischen Geschäftsverkehr vorgeschlagen3, die sich im allgemeinen auf Wirtschaftsaktivitäten beziehen, bei denen
physische Objekte und Transaktionen, wie etwa Geld und Zahlungen durch elektronische Gegenstücke, ersetzt werden. Die gehandelten Güter können entweder
elektronisch dargestellt werden oder nicht. Eine weiter gefaßte Definition bezieht
sich auf die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT),
die für den Informationsaustausch zwischen Marktteilnehmern verwendet werden.
Das Weißbuch Handel4, herausgegeben von der Europäischen Kommission,
schlägt folgendes vor:
1
http://www.ispo.cec.be/ecommerce/
(Stand
am
24.
September
1999),
http://www2.echo.lu/imo/en/imopapers.html (Stand am 24. September 1999).
2
Europäische Kommission GDXIII, Business Transformation through Technology: 21 Striking
Cases from Technologies for Business Processes (Transformation der Wirtschaft durch Technologie: 21 herausragende Fälle von Technologien für Geschäftsprozesse), Brüssel, 1998,
http://www.ispo.cec.be/ecommerce/publications.html (Stand am 24. September 1999).
3
OECD Committee for information, computer and communication policy, Measuring electronic commerce (Messung des elektronischen Geschäftsverkehrs), Paris, 1997.
4
Europäische Kommission GD XXIII, Weißbuch Handel, Brüssel, 1999,
http://europa.eu.int/comm/dg23/commerce/commerce-wp/lbde.pdf (Stand am 22. Februar
2000).
182
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
„Der elektronische Geschäftsverkehr umfaßt alle Formen geschäftlicher Transaktionen und verwaltungstechnischer Vorgänge, die mit Hilfe von Informations- und
Kommunikationstechnologie abgewickelt werden, sowie den Informationsaustausch, der sich dieser Technologien bedient. Aus Sicht der Unternehmen umfaßt
er einfache Einkaufssysteme ebenso wie komplexe Lösungen, die den gesamten
Handelskreislauf erfassen. Organisatorisch ermöglicht der elektronische Geschäftsverkehr ein integriertes Management der Ströme zwischen Unternehmen,
zwischen Unternehmen und Verbrauchern sowie Unternehmen und öffentlichem
Sektor. Darüber hinaus bringt der elektronische Geschäftsverkehr neue innovative
Formen der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen hervor, die diesen dabei
helfen werden, die Herausforderungen der Globalisierung zu bewältigen.”
Gegenstand dieses Kapitels ist in erster Linie elektronischer Geschäftsverkehr über
Internet. Themenstellungen, die sich auf Kreditkarten oder andere Formen digitalen Geldes beziehen, werden, sofern kein direkter Zusammenhang mit dem
Internet besteht, nicht behandelt.
In vielen Fällen können alle Handelstransaktionen, das Marketing, das Bestellwesen, Zahlungen, Zustellungen und der Kundenservice elektronisch abgewickelt
werden. Der elektronische Geschäftsverkehr kann die Geschäftsabwicklung in jeder
Hinsicht verändern. Die Front-Office-Aktivitäten, Ein- und Verkauf, können über
eine Homepage durchgeführt werden, aber auch Back-Office-Aktivitäten im
Bereich der Lagerhaltung, Logistik und Analyse des Kundenverhaltens, lassen sich
wesentlich effektiver durch die Integration einer Web-Anwendung durchführen.
Für den elektronischen Markt zwischen Unternehmen und Verbrauchern stellt das
Internet das am häufigsten verwendete Medium dar. Dieser Markt basiert auf ad
hoc, normalerweise kurzfristigen Beziehungen zwischen den potentiellen
Geschäftspartnern. In diesem Zusammenhang stellt das Internet das vielseitigste
Instrument dar, das derzeit zur Verfügung steht. Es ermöglicht kleineren Organisationen den Zugang zu größeren Märkten bei relativ geringen Kosten. So existieren
beispielsweise Reisebüros im Internet, die früher Kleinbetriebe mit lokalen Kunden
waren und heute national oder sogar international aktiv sind.
Zwischen Unternehmen kommt der elektronische Geschäftsverkehr in einigen
Sektoren, wie etwa der Auto- und der Elektronikindustrie, bereits seit einigen
Jahren zum Einsatz. Diese Unternehmensnetzwerke nutzen nicht zwangsläufig das
Internet. Spezialisierte Netzwerke können großteils Sicherheitsprobleme in Zusammenhang mit dem Internet ignorieren. Langfristige Geschäftsbeziehungen, wie sie
zwischen Unternehmen oft zu beobachten sind, können von der Nutzung des
Electronic Data Interchange (EDI)1 für die Abwicklung von Bestellungen und
Zahlungen profitieren. Die Grundidee für die Einführung von EDI ist die Verbesserung der Qualität der Dokumentation wirtschaftlicher Abläufe, indem eine Information nur einmal eingegeben werden kann, was zu einer erheblichen Reduktion
kostspieliger Fehler führt2. Dies wird durch die Nutzung standardisierter EDIFormate zur Darstellung von Unternehmensinformationen erreicht.
Der elektronische Markt zwischen Unternehmen und öffentlicher Verwaltung kann
zu einer höheren Teilnahme an Ausschreibungen und damit zu einem effektiveren
öffentlichen Auftragswesen beitragen. Das Internet ist als Überbringer aktueller
Informationen über Produkte und Ausschreibungen sowohl für den öffentlichen
Sektor als auch für KMU nützlich. Desweiteren wird die Teilnahme in diesem Markt
1
http://www.echo.lu (Stand am 24. September 1999).
ENSR, Das europäische Beobachtungsnetz für KMU, Dritter Jahresbericht 1995, Zoetermeer, 1995.
2
183
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
die Kooperation über Internet zwischen KMU fördern. Auch Verwaltungseinrichtungen beginnen bereits mit der Nutzung von EDI.
Die Internet-Aktivitäten entwickeln sich rasant, und neue Formen des Handels
entstehen. Beispielsweise erfreut sich seit kurzem ein Markt, in dem Konsumenten
direkt an andere Konsumenten verkaufen, steigender Beliebtheit. Dieser Markt ist
üblicherweise wie ein Online-Auktionshaus organisiert. Ein wesentlicher Unterschied zu traditionellen Auktionen liegt in dem wesentlich größeren Zeitraum, in
dem Gebote abgegeben werden können. Außerdem können mehrere Objekte
gleichzeitig versteigert werden.
Im folgenden werden Geschäftsaktivitäten und die Verwendung des Internet im
Zusammenhang mit dem elektronischen Geschäftsverkehr dargestellt. Die behandelten Aktivitäten umfassen das Marketing, das Bestellwesen, das Zahlungswesen
und den Vertrieb von Produkten. Zusätzlich wird auch auf die Nutzung des
Internet für Unternehmenskooperationen bezug genommen.
5.2.1 Marketing
Produkte können auf verschiedenste Art und Weise über das Web vermarktet werden.
Lediglich die Präsenz eines KMU im Web kann bereits Wirkungen zeigen, normalerweise sind jedoch zusätzliche Maßnahmen notwendig, um das Potential auszuschöpfen. Die beliebtesten Methoden sind derzeit Direct Mails, Werbung in traditionellen Medien mit Hinweis auf die Website und die Positionierung von Bannern auf
Suchmaschinen oder anderen häufig frequentierten Sites, damit die Website des
Unternehmens gefunden werden kann. Der wichtigste Unterschied zu traditionellen
Marketingmethoden, z. B. in Zeitungen, Magazinen oder im Fernsehen, ist, daß das
Marketing im Web vom Kunden erfordert, aktiv einem Link zu folgen oder einen
Universal Resource Locator (URL) einzugeben, um das Marketingmaterial zu erhalten.
Ein weiterer bedeutender Unterschied scheint darin zu liegen, daß die WebBotschaften, im Gegensatz zum TV-Marketing, das die selbe Botschaft ständig wiederholt, regelmäßig variiert werden müssen, um mehr Kunden zu erreichen.
Internet-Marketing kann die Botschaft an den Kunden anpassen, indem Informationen gesammelt werden, wenn jemand die Internet-Site besucht. Außer den
Informationen, die der Kunde durch das Ausfüllen eines Registrierungsformulars
selbst zur Verfügung stellt, können weitere Informationen automatisch gesammelt
werden. Effektiver Zugang zu billigen und ausführlichen Informationen über das
Kundenverhalten und -präferenzen kann genutzt werden, um das Marketing individuell abzustimmen. Um den Schutz persönlicher Daten zu gewährleisten, wird die
Erfassung und Verarbeitung persönlicher Daten durch die rechtlichen Rahmenbedingungen eingeschränkt. Die generelle Regel1 besagt, daß Daten nur dann verarbeitet werden dürfen, wenn die registrierte Person (Datensubjekt) dem zustimmt.
Offensichtlich wird dieser Regelung in einigen kommerziellen Anwendungen, die
im Internet zu finden sind und die detaillierte Informationen über Einkäufe automatisch in einem Kundenprofil ohne weitere Benachrichtigung abspeichern, keine
Beachtung geschenkt. Andererseits erlauben einige Sites den Kunden, die Einträge
in einem Profil zu betrachten und zu ändern.
Ein weiterer Unterschied zum traditionellen Marketing liegt in der Kostenstruktur. In
einer Zeitung wird der Preis einer Anzeige durch die Auflage, die vermutete Reichweite, die Positionierung und die Größe der Anzeige bestimmt. Im Internet konzentrieren sich die Bemühungen darauf, Besucher auf die Sites zu locken und ihr Inter-
1
Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995
zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum
freien Datenverkehr.
184
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
esse an diesen zu erhalten. Die Kosten für die Darstellung zusätzlicher Informationen
(größere Anzeige) sind sehr niedrig. Besonders für kleine Betriebe, die weniger Kapitalkraft haben und ein besseres Preis-Leistungsverhältnis benötigen, ist dies vorteilhaft. Viele Unternehmen nutzen jetzt eine Kombination, bei der traditionelle Kanäle
dazu verwendet werden, die Aufmerksamkeit auf die Internet-Site zu lenken.
5.2.2 Bestellung
Für Bestellungen im elektronischen Geschäftsverkehr werden im allgemeinen OnlineFormulare, ähnlich den bekannten Formularen im Versandhandel, verwendet. Nach
dem Ausfüllen des Formulars wird durch das Versenden des Auftrags (mittels Bestätigung des Anwenders per Mausklick) automatisch eine Nachricht, ein Fax oder ein
Datenbankeintrag mit den Informationen des Kunden generiert. Um ein Profil des
Kunden erstellen zu können, enthalten solche Formulare oft Eingabefelder für Daten,
die für die Geschäftstransaktion nicht unbedingt benötigt werden. Andere Bestellmöglichkeiten, wie beispielsweise eine handschriftliche Mitteilung, ein Telefonanruf
oder ein Fax, kommen ebenfalls zur Anwendung. Für neue Kunden im elektronischen
Markt können diese, eher traditionellen, Formen den Markteintritt erleichtern, indem
der anfängliche ‘Kulturschock’ abgeschwächt wird.
Bevor dem Kunden der Kauf bestätigt wird, muß der Verkäufer sicherstellen, daß
die Zahlung z. B. über eine Kreditkartenfirma oder eine Internet-Bank erfolgt.
Ausgeklügelte Lösungen übertragen zu diesem Zweck Informationen online zu der
autorisierten Organisation. Die Autorisierung kann auch offline durchgeführt
werden. Dafür läßt sich eine Nachricht an den Kunden mit der Bestätigung des
Auftrages erstellen. Abhängig vom Zahlungssystem, kann eine derartige Nachricht
lediglich den Auftrag bestätigen, den Nutzer dazu auffordern, ein Fax mit einer
Kreditkartennummer zu übermitteln, oder eine andere Handlung verlangen, um
sicherzustellen, daß der Verkäufer die Zahlung erhält.
5.2.3 Zahlung
Elektronische Bankdienstleistungen stellen für KMU, die ihr Bankkonto über einen PC
verwalten, oftmals den ersten Kontakt mit dem elektronischen Geschäftsverkehr dar.
Es wurden verschiedene Möglichkeiten entwickelt, um Geld digital darstellen zu
können. Diese Methoden können dazu genutzt werden, Produkte und Dienstleistungen, die über das Web bezogen werden, zu bezahlen. Digitales Geld kann,
ähnlich wie bei Kreditkarten, nachvollziehbar, oder wie echtes Bargeld anonym und
wiederverwendbar sein. Viele Online-Geschäfte akzeptieren unterschiedliche
Zahlungsmodalitäten, inklusive traditionellere Formen, wie Zahlung bei Lieferung
(Cash on Delivery, COD) oder die Belastung der Kreditkarte des Käufers nach Erhalt
einer unterschriebenen Bestellung per Fax.
Den meisten Modellen für den Geldtransfer ist gemein, daß eine dritte Partei involviert ist, die die Verifikation der Autorisation und die tatsächliche Zahlungstransaktion
durchführt. Dies gilt sowohl für ein virtuelles Bankkonto und eine Kreditkarte, als auch
für digitales Geld. Beispielsweise kann der Käufer mit einer elektronischen Geldbörse
ausgestattet sein, die wiederum an eine Kreditkarte oder ein Bankkonto gekoppelt ist.
Dies ist jedoch für den Verkäufer, der die Zahlung erhält, nicht sichtbar. Kreditkartenunternehmen haben den SET1 Standard (Secure Electronic Transaction) ins Leben
gerufen, um den Schutz persönlicher und finanzieller Daten zu gewährleisten.
1
Die von Mastercard und VISA entwickelte SET Spezifikation nutzt öffentliche Schlüssel
und Kryptographie, http://www.setco.org/ (Stand am 24. September 1999).
185
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Für die Autorisierung wurden verschiedene Modelle entwickelt. Der Konsument
kann sich in die Geldbörse „einloggen” oder eine Transaktion durch die Beantwortung einer E-Mail, die an sein persönliches Konto gesendet wurde, die Übermittlung eines PIN-Codes über Telefon etc., bestätigen. Auch ein digitaler Scheck wird
eingesetzt. Die digitale Version funktioniert ähnlich der Papierversion, nutzt jedoch
Verschlüsselungen, digitale Unterschriften sowie öffentliche und private Schlüssel.
Die Belastung für in Anspruch genommene elektronische Dienste erfolgt für registrierte
Nutzer einer kommerziellen Website auf besonders bequeme Art und Weise. Bei der
Registrierung wird eine Vereinbarung über die Zahlung zwischen dem Käufer und dem
Verkäufer getroffen. Die tatsächliche Zahlung kann zum Beispiel über ein Bankkonto
abgewickelt werden. Schließlich sind über Internet auch Übertragungen von einer
Bank zu einer anderen möglich. Eine besonders häufige Form der Autorisierung ist die
Verwendung einer Sicherheitskarte, die den Nutzer zur Eingabe eines PIN-Codes auffordert und anschließend einen neuen Code übermittelt, der in einem Feld der OnlineSite, die von der Bank zur Verfügung gestellt wird, eingegeben werden muß.
Die Einführung einer oder mehrerer dieser Zahlungsmethoden stellt für ein kleines
Unternehmen einen größeren „Sprung” dar als für ein größeres, in erster Linie
deshalb, weil die Fixkosten für den Start im Verhältnis zum Umsatz höher sind als für
ein größeres Unternehmen. Ein kleines Unternehmen, das noch nicht im Internet tätig
ist, wird Kompetenz zukaufen, Hard- und Software kaufen oder sich mit einer
Kompromißlösung zufrieden geben müssen. Die Kosten für die Implementierung der
Zahlungssysteme können für ein KMU im Verhältnis zum Umsatz bedeutend sein.
Abhängig von den Fernkontakten mit den Kunden und der Art der Geschäfte, kann
das Risiko nicht-zahlender Kunden steigen. Die Handhabung verschiedener
Währungen stellt für KMU ebenfalls eine erheblichere Kostenbelastung dar als für ein
größeres Unternehmen. Allerdings besteht noch immer die Möglichkeit, die tatsächliche Zahlungstransaktion offline abzuwickeln, z. B. mit Zahlung bei Lieferung.
5.2.4 Vertrieb von Produkten
Jedes digital dargestellte Produkt kann mit Hilfe des Internet transportiert werden.
Dies umfaßt alle Arten von Dokumenten, Tönen, Filmen und Software.
Natürlich lassen sich nicht alle handelbaren Produkte elektronisch transportieren.
In vielen Fällen ist ein Produkt oder eine Dienstleistung (noch) nicht elektronisch
abbildbar. Materielle Güter wie Autos und Kleidung müssen auf konventionelle
Weise transportiert werden. Allerdings schafft der elektronische Geschäftsverkehr
die Möglichkeit, einige Verbindungsglieder in der traditionellen Vertriebskette zu
eliminieren, in der der Produzent sich zunächst eines Großhändlers und anschließend eines Einzelhändlers bedienen würde, um schließlich den Konsumenten zu
beliefern. Die geringeren Transaktionskosten und die niedrigeren Kosten für die
Handhabung von Informationen im elektronischen Markt bestärken den Produzenten, seine Produkte direkt den Kunden anzubieten.
Die Transportmodalitäten werden sich für verschiedene Arten materieller Güter
ebenfalls unterscheiden. Lebensmittel und Blumen werden überwiegend direkt an
die Haustür geliefert und daher nur in urbanen Regionen erhältlich sein, während
Autos vom nächsten Hafen abgeholt werden können.
Bei vielen Dienstleistungen wird eine vollständig digitale Verkaufsstelle bequemer
sein, sowohl für Konsumenten als auch für die Dienstleistungsanbieter. Beispielsweise kann ein Reisebüro über das Web mehr Kunden zu flexibleren Arbeitszeiten
mit aktuelleren Informationen versorgen. Selbst für materielle Güter wie Blumen
kann der Online-Verkauf wertvoll sein. Tatsächlich ist der Blumenhandel einer der
ersten florierenden Geschäftszweige im Web gewesen, in erster Linie, weil sich die
Verkaufskosten deutlich senken lassen, selbst wenn das Produkt nicht über das
Web transportiert wird.
186
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
Während der letzten Jahre waren Initiativen zu beobachten, die den neuen Anforderungen an den Vertrieb gerecht zu werden versuchen. Online-Paketverfolgungssysteme werden häufiger. Diese Art des Kundenservice ist deutlich billiger als die
Beantwortung von Telefonanrufen.
5.2.5
Nutzung des Internet und der Technologien zur Unternehmensvernetzung für die wirtschaftliche Zusammenarbeit von KMU
Die Kooperation zwischen KMU in Netzwerken, die auf Internettechnologie basieren,
kann neue Märkte öffnen1. Von besonderem Interesse sind dabei Netzwerke, die es
kleinen Unternehmen ermöglichen, sich gemeinsam mit größeren Unternehmen auf
Märkten zu betätigen, die sonst nur großen Unternehmen vorbehalten sind. Das
öffentliche Auftragswesen ist hierfür ein gutes Beispiel2. Weitere Beispiele für Kooperationen finden sich im Einzelhandel, wo virtuelle Einkaufszentren existieren3. Eine
andere Form der Kooperation ist die Zusammenarbeit zwischen mehreren KMU der
gleichen Branche, wie beispielsweise von Weinproduzenten oder Druckern.
5.3
Stand des Elektronischen Geschäftsverkehrs
in Europa
In der einschlägigen Literatur werden zahlreiche Methoden vorgeschlagen, um die
Verbreitung des Internet zu messen. Das generelle Aktivitätsniveau im Internet läßt
sich beispielsweise mittels der Gesamtzahl der registrierten Domain-Namen oder
der Gesamtzahl der registrierten Server messen.
Abbildung 5.1 Anstieg der Anzahl der Internet-Server weltweit, 1989-2000
Anzahl der Server in Millionen
50
40
30
20
10
0
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
Jahr
Quelle: Internet Software Consortium.
1
Clusters in Electronic Commerce (Cluster im elektronischen Geschäftsverkehr),
http://www.ispo.cec.be/ecommerce/clusters/Welcome.html (Stand am 24. September 1999).
2
Siehe auch Kapitel 2 dieses Berichtes.
3
Electronic Mall Bodensee (Elektronisches Einkaufszentrum Bodensee), http://www.emb.net/
(Stand am 24. September 1999).
187
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Abbildung 5.1 zeigt das weltweite Wachstum, gemessen in registrierten Servern,
während der letzten 10 Jahre. Als Alternative kann die Anzahl der PCs, Modems
oder anderer Internetverbindungen je Einwohner verwendet werden. Ein ausführlichen Überblick bietet die OECD1.
Das Internet hat sich wesentlich schneller (etwa 10 Mal so schnell) verbreitet als
vergleichbare frühere Medientechnologien, wie beispielsweise das Radio. Das
Internet wurde 1991 für den kommerziellen Gebrauch zugelassen. Der elektronische
Geschäftsverkehr über Internet hat in Europa vor etwa drei Jahren begonnen. Der
amerikanische Anteil am globalen elektronischen Geschäftsverkehr betrug 1998 etwa
74 %2. Im Zuge des Wachstums des Nicht-US-Marktes wird der Nicht-US-Anteil von
26 % im Jahr 1998 auf 46 % der weltweiten Ausgaben im elektronischen Geschäftsverkehr im Jahr 2003 ansteigen. Der europäische Online-Marktplatz wird im Jahr
2003 mit 411 000 Millionen Euro einen beträchtlichen Anteil daran haben. Ein
anderer Bericht3 prognostiziert, daß bis zum Jahr 2002 die europäischen elektronischen Erlöse 55 % des US-Wertes erreichen werden, und daß die Online-Bevölkerung
in der Europäischen Union im Jahr 2003 der in den USA entsprechen wird.
In den folgenden Abschnitten wird der Stand des elektronischen Geschäftsverkehrs
in Europa nach Ländern, Unternehmensgrößen und Wirtschaftssektoren dargestellt.
5.3.1 Stand nach Ländern
Um den elektronischen Markt betreten zu können, müssen die Konsumenten und
KMU Zugang zu Terminals (derzeit PCs) für die Kommunikation über das Internet
haben. Die Anteile der Konsumenten und KMU mit Zugang ist in Abbildung 5.2
dargestellt. Die Abbildung stellt private Internetzugänge in allen Ländern der
Europäischen Union und den Zugang der KMU in allen Ländern, die durch diesen
Bericht abgedeckt werden, dar.
Die Verbreitung des Internet bei den Konsumenten4 ist vergleichsweise hoch in
Schweden (40 %), Dänemark (25 %), den Niederlanden (20 %) und in Finnland
(18 %). Der durchschnittliche Anteil mit Zugang liegt innerhalb der EU bei 8 %,
das ist weniger als ein Drittel des entsprechenden Durchschnittswertes in den USA
(26 %) für 19985. Eine attraktive Preisgestaltung für Ortsgespräche in Island6 hat
dazu beigetragen, daß dieses Land zum Jahresende 19987 unter der Bevölkerung
die höchste Internetdichte der Welt8 aufwies.
1
OECD, OECD Communications Outlook 1999 (OECD Kommunikationsausblick 1999),
Paris, 1999, und http://www.oecd.org/dsti/sti/stat-ana/index.htm (Stand am 24.
September 1999).
2
IDC, The globalization of eCommerce (Die Globalisierung des elektronischen Geschäftsverkehrs), 1999, http://www.idc.com (Stand am 24. September 1999).
3
Andersen Consulting, eEurope takes off (eEuropa hebt ab), 1999, http://www.ac.com/
(Stand am 24. September 1999).
4
Internetverbindungen, die auf privater Basis von Konsumenten in den EU-Mitgliedstaaten genutzt werden.
5
Ernst & Young, The second annual report, Ernst & Young Internet shopping study (Der
zweite Jahresbericht, Ernst & Young Studie zum Interneteinkauf), London, 1999.
6
OECD, OECD Communications Outlook 1999 (OECD Kommunikationsausblick 1999),
Paris, 1999.
7
Computer Industry Almanac Inc., Pressemitteilung, Arlington Heights IL, 1999,
http://www.c-i-a.com/199907ciaiu.htm (Stand am 24. September 1999).
8
Zum Jahresende 1998 benutzen 32 % der Bevölkerung in Island das Internet jede
Woche (vgl. Computer Industry Almanac). Zu beachten ist, daß die Prozentwerte in Abbildung 5.2 auch die Gelegenheitsnutzer beinhalten. Der Anteil der wöchentlichen Anwender
dürfte um 15 bis 30 % niedriger sein als in Abbildung 5.2 angegeben.
188
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
Figure 5.2 Anteil der Bevölkerung mit privatem Internetanschluß und Zugang von
KMU zum Internet
Belgium
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Schweden
Spanien
Ver. Königreich
EU-15
Island
Liechtenstein
Norwegen
EWR-18
Schweiz
Europa-19
0%
10 %
20 %
30 %
Konsumenten mit privatem Zugang
Quelle:
40 %
50 %
60 %
70 %
KMU mit Zugang
ENSR Enterprise Survey 1999 und INRA (EUROPE), Measuring Information society (Die Informationsgesellschaft messen), Eurobarometer 50.1, 1999 (deckt ausschließlich Konsumenten in EULändern ab).
Die Deregulierung und Reform des europäischen Telekommunikationsmarktes ist
derzeit im Gange, auch wenn dies ein langsamer Prozeß ist1. Der griechische Telekommunikationsmarkt bleibt bis 2003 ein staatliches Monopol, das österreichische
Monopol wurde 1998 aufgehoben. Eine interessante Entwicklung liegt darin, daß
einige europäische Internet Service Provider (ISP) begonnen haben, nicht nur freie
Internetzugänge anzubieten, sondern auch freie Telefonverbindungen. Dies wird
durch Kooperationen mit Telefonleitungsanbietern erreicht2.
Eine stärkere KMU-Präsenz im Web ohne eine entsprechende Präsenz der Bevölkerung, wie in Italien und Deutschland (siehe Abbildung 5.2), kann einen Hinweis für
einen besser entwickelten zwischenbetrieblichen Markt, eine Fokussierung auf
Exporte oder für eine nachhinkende Entwicklung auf Konsumentenseite darstellen.
Festzustellen ist, daß die Verbreitung unter den Konsumenten bei Einbeziehung
zusätzlicher Zugänge zu Hause - über Mobiltelefone etc. - steigen wird. Etwa 13 %
der europäischen Konsumenten haben Zugang zum Internet an ihrem Arbeitsplatz. Es gibt freilich Überlappungen zwischen der Gruppe mit privaten Internetanschlüssen zu Hause und der Gruppe mit Internetzugängen am Arbeitsplatz.
Elektronischer Geschäftsverkehr, der auf dem Wireless Application Protocol (WAP)
aufbaut, wird Erwartungen zufolge die Verbreitung des Internet drastisch erhöhen.
Wie der ENSR Enterprise Survey 19993 zeigt, haben 42 % aller europäischen KMU
Zugang zum Internet. Sowohl in Schweden als auch in Island haben ca. 70 % aller
1
OECD, OECD Communications Outlook 1999 (OECD Kommunikationsausblick 1999),
Paris, 1999.
2
Screaming net initiierte diese Aktion, und AOL hat die Implementierung eines ähnlichen
Dienstes angekündigt.
3
Siehe Anhang I zu diesem Bericht: Die Erstellung und Analyse des ENSR Enterprise
Survey 1999.
189
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
KMU Zugang zum Internet. In Finnland und Norwegen liegt die Zugangsrate bei
etwa 60 %. Die niedrigsten Anteile sind in Portugal und Griechenland zu finden,
in beiden Fällen jedoch immer noch über 20 %.
Tabelle 5.1 Nutzung des Internet durch die europäischen KMU für geschäftliche
Zwecke. Die Prozentwerte beziehen sich auf den Anteil der KMU, die
bestimmte Geschäftsvorgänge online abwickeln.
Nutzung des Internet
Verbr. Vertrieb v. Auftrags- Auftrags- Zahlung Erhalt v. Durchschn. Webvon Produkten annahme bestätigung
Zahlungen Zahl der KoProd. Info.
Vorgänge*operation
Belgien
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Schweden
Spanien
Ver. Königreich
EU
Island
Liechtenstein
Norwegen
Schweiz
Europa-19
15
20
32
21
24
11
22
22
28
21
33
6
34
17
15
21
31
26
24
38
21
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
7
9
14
10
3
1
3
7
6
8
13
3
15
2
5
7
13
8
7
8
7
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
8
12
15
13
7
4
9
11
5
11
16
3
25
5
8
10
23
9
16
9
10
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
9
9
9
11
4
1
9
9
4
11
14
3
27
3
7
7
21
6
14
8
7
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
5
7
7
21
2
0
1
3
3
7
7
2
21
2
3
4
20
4
15
7
4
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
7
5
5
8
3
0
1
3
2
3
5
0
8
1
4
3
12
2
10
3
3
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
1,4
1,8
1,7
1,7
1,3
1,4
1,5
1,7
1,3
1,8
2,2
1,5
2,1
1,2
1,8
1,6
2,3
1,5
2,0
1,5
1,6
13
10
19
12
25
4
12
9
15
7
26
1
21
4
6
11
12
16
13
22
12
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
* Die durchschnittlliche Zahl der Vorgänge wurde errechnet als die durchschnittliche Zahl der ersten sechs
Geschäftsvorgänge, für die das Internet von den KMU mit Internetzugang in jedem Land genutzt wird. Kooperationen für gemeinsame Waren- und Dienstleistungsangebote sind in diesem Durchschnitt nicht enthalten.
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Im Rahmen des ENSR Enterprise Survey 1999 wurde die Nutzung des Internet durch
die KMU analysiert. Einige der Resultate sind in Tabelle 5.1 widergegeben. Die durchschnittliche Zahl der Vorgänge (aus sechs möglichen), für die das Internet genutzt
wird, ist ein Indiz für die Fortschrittlichkeit der KMU in bezug auf die derzeitige
Nutzung des Internet für Geschäftsaktivitäten. Diesem Maß zufolge sind KMU in
Island (2,3), Österreich (2,2) und Schweden (2,1) die fortschrittlichsten.
Weiterhin zeigt Tabelle 5.1 den Anteil der KMU, die das Internet für die Verbreitung von Informationen über ihre Produkte und Dienstleistungen nutzen. Die
Schweizer und österreichischen KMU sind in bezug auf die Darstellung ihrer Waren
und Dienstleistungen im Web am aktivsten.
190
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
Fallstudie: Das französische Minitel Netzwerk
Das Minitel Netzwerk wurde in den frühen 80er Jahren eingeführt und zunächst durch
den öffentlichen Sektor finanziert. Die ersten Terminals wurden kostenlos verteilt. Im
Jahr 1994 haben 1,2 Millionen französische Haushalte das Minitel für eine Anschaffung
genutzt, während in den USA lediglich 800 000 Haushalte das Internet für den Einkauf
von mindestens einem Produkt verwendet haben. Im Jahr 1997 nutzten 80 % der
französischen Unternehmen das Minitel, und im Jahr 1998 waren ca. 22 % der
Bevölkerung daran angeschlossen. Eine bekannte und vertrauenswürdige Drittpartei,
die France Télécom, agiert als Vermittler zwischen Lieferanten und Konsumenten. Die
ursprüngliche Schnittstelle basierte auf einem monochromen, seitenweise scrollenden
Bildschirm, ohne Hypertext und ohne Möglichkeiten für das Abspeichern von Informationen. Das Internet, das auf offenen Standards basiert, entwickelte sich schneller,
sowohl in bezug auf die Technologie als auch auf die Anzahl der angeschlossenen
Nutzer. Das Minitel wird vermutlich mit dem Internet verschmelzen oder durch dieses
ersetzt werden.
Quelle:
OECD, France’s experience with the MINITEL: lessons for electronic commerce over the
Internet (Frankreichs Erfahrungen mit dem MINITEL: Lehren für den elektronischen
Geschäftsverkehr über das Internet), Paris, 1998, und INRA (EUROPE), für die GD XIII der
Europäischen Kommission, Measuring Information Society (Die Informationsgesellschaft
messen), Eurobarometer 50.1, 1999.
Die dritte Spalte in Tabelle 5.1 bezieht sich auf den Anteil der KMU, die ihre Produkte
oder Dienstleistungen über das Web verbreiten. Schweden und Deutschland sind
diesbezüglich die fortschrittlichsten Länder, gefolgt von Österreich und Island.
Etwa 10 % der europäischen KMU nehmen Aufträge über das Internet entgegen.
In drei Ländern erhalten die KMU Aufträge auf traditionellem Weg und bestätigen
diese teilweise über das Web: Belgien (8 % erhaltene Aufträge gegenüber 9 %
Auftragsbestätigungen), Schweden (25 % gegenüber 27 %) und das Vereinigte
Königreich (8 % gegenüber 7 %).
Viele europäische KMU zeigen sich gegenüber Zahlungen oder der Entgegennahme von Zahlungen über das Internet zurückhaltend. Im Durchschnitt aller
Länder führen ca. 4 % Zahlungen über das Internet durch, und etwa 3 % erhalten
Zahlungen in dieser Weise.
Finnland und Schweden (beide 21 %), sowie Island (20 %) liegen bei OnlineZahlungen klar voran. In den meisten Ländern wird das Web von KMU eher für die
Begleichung eigener Rechnungen als für den Erhalt von Zahlungen genutzt. Es sei
angemerkt, daß viele französische Unternehmen das Minitel1 Netzwerk zusätzlich
oder an Stelle des Internet verwenden (siehe Fallstudie).
Unter den europäischen KMU sind die österreichischen (26 %) und französischen
(25 %) KMU die häufigsten Nutzer des Internet für die Zusammenarbeit bei
gemeinsamen Produktangeboten. Mit mehr als 20 % folgen die KMU in Schweden
und in der Schweiz. In einigen Ländern sind KMU bei der Verwendung des Internet
für Kooperationen weiter fortgeschritten als bei der Verbreitung von Informationen
über ihre Produkte.
1
OECD, France’s experience with the MINITEL: lessons for electronic commerce over the
Internet (Frankreichs Erfahrungen mit dem MINITEL: Lehren für den elektronischen
Geschäftsverkehr über das Internet), Paris, 1998.
191
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Französische Unternehmen sammelten bereits früh Erfahrungen mit dem Minitel
Netzwerk. Dies ist möglicherweise die Ursache für ihre starke Position auf diesem
Gebiet. Die österreichische Vorreiterrolle kann ein Ergebnis der langen Tradition
der Zusammenarbeit von KMU im Tourismus sein. Ein deutlich sichtbarer Sektor,
wie der Tourismus, wird zur Verbreitung in anderen Sektoren beitragen. Tiscover1
ist die bekannteste österreichische Website für den Tourismus. Im Jahr 1998 erhielt
die Site 87 000 Buchungen und Informationsanfragen. Die Anzahl der Besucher
und Buchungen wächst stark.
Fallstudie: Ein spezialisiertes Kooperationsnetzwerk unter KMU im Druckgewerbe
Im Jahr 1994 entschlossen sich sieben unabhängige Druckereien an verschiedenen Orten
in Norwegen zu einer Zusammenarbeit für die Unternehmensentwicklung. Sie erhielten
nationale Fördermittel für die Entwicklung des Netzwerkes. Der Zweck des Netzwerks
‘Trykk i Nor A/S’ bestand in der Bildung eines gemeinsamen Unternehmensprofils, das die
Produktspezialisierung der einzelnen Mitglieder erhöht und in der Optimierung des Ressourceneinsatzes innerhalb des Netzwerkes, um insgesamt höhere Gewinne zu erzielen.
Alle teilnehmenden KMU haben 6-12 Beschäftigte. Ihre lokalen Märkte weisen keine
Überlappungen auf.
Das Netzwerk unterstützt zwei Arten der Flexibilität. Erstens wird die Kapazität für die
Auftragsverarbeitung erhöht, und zweitens wird das Spektrum der angebotenen
Produkte verbreitert. Im Jahr 1996 entschied sich das Netzwerk für die Einführung
eines Intranet für zwischenbetriebliche Geschäfte. Informationen über Kompetenzen
und Preise werden von allen beteiligten KMU benötigt. Die Anwendung basiert auf
standardisierten Formularen für die Kalkulation und die Bestätigung von Anfragen.
D. h., die Anfragen sind immer vergleichbar und vollständig. Das Netzwerk hat sich
für die teilnehmenden Partner als sehr nützlich erwiesen.
Quelle:
Olav R. Spilling (Ed.), Perspektiver på næringsutvikling (Perspektiven für die Unternehmensentwicklung), BI årbok, 1997.
Ein Netzwerk von Unternehmen, die ähnliche Produkte/Dienstleistungen anbieten,
kann für die Erhöhung der Verarbeitungskapazität und der Produktvariationen
genutzt werden. Ein Netzwerk von unterschiedlichen aber komplementären Unternehmen ist in der Lage, komplexere Produkte und Lösungen hervorbringen als ein
einzelner Betrieb. Das „Trykk i Nor A/S” Netzwerk ist eher der erstgenannten Art
von Netzwerk zuzurechnen. Eine ähnliche, größere Initiative in einem anderen
Sektor ist die niederländische Metacom Kooperation zwischen vierzig Unternehmen der Metallindustrie. Diese Zusammenarbeit bezweckt ein problemloses
Outsourcing.
Autolinkki2 ist ein spezialisiertes Netzwerk für den Handel mit Autoersatzteilen
zwischen finnischen Groß- und Einzelhändlern. Das System basiert auf EDI und
übermittelt über 15 000 Aufträge pro Monat. In Griechenland wurde ein anderes
spezialisiertes Netzwerk, Lambda S.A., installiert, das 65 regionale Geschäftspartner
miteinander verbindet. Das System wickelt Geschäftstransaktionen für den Vertrieb
von Autos und Autoteilen ab.
1
2
192
http://www.tiscover.com (Stand am 24. September 1999).
http://www.elma.net/ (Stand am 24. September 1999).
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
Sowohl in Frankreich als auch in Luxemburg kooperieren Weingärten, um ihre
Produkte anzubieten. Die französische Website1 ist kein Verkaufsgeschäft, sondern
ein Großhandelsunternehmen, das auch direkt an ausländische Kunden verkauft.
75 % des Umsatzes werden durch den Export erwirtschaftet. Beide Sites gibt es in
französischer und englischer Fassung. Die Site in Luxemburg2 bietet zusätzlich zum
Online-Weinverkauf auch weitere Dienste an, wie z. B. Tourismusinformationen,
ein Glossar für die Weinverkostung und Weinklubinformationen.
5.3.2 Stand nach Größenklassen und Wirtschaftssektoren
Die Ergebnisse des ENSR Enterprise Survey 1999 zeigen, daß in Gesamteuropa der
Anteil der KMU mit Internetzugang mit der Größe der Unternehmen steigt. Tabelle
5.2 zeigt, daß größere KMU das Internet für die meisten der angeführten Aktivitäten häufiger nutzen. Unter den KMU mit Internetanschluß gibt es in bezug auf
die durchschnittliche Anzahl von Geschäftsaktivitäten nur geringe Unterschiede
zwischen den Größenklassen.
Tabelle 5.2 Nutzung des Internet nach Unternehmensgröße, Europa-19
Anzahl der Beschäftigten
Durchschnittliche Zahl der Aktivitäten
(KMU mit Internetzugang)
Verfügbarkeit eines direkten Internetzugangs
Verbreitung von Produktinformationen
über das Internet
Vertrieb von Produkten über das Internet
Auftragsannahme
Auftragsbestätigung
Zahlung über Internet
Erhalt von Zahlungen über das Internet
Kooperation beim Angebot von Waren
und Dienstleistungen
0
1-9
10-49
1,7
33 %
1,6
49 %
1,6
67 %
1,8
86 %
1,6
42 %
14
6
8
6
4
3
27
7
10
9
5
3
42
9
15
12
8
4
59
13
20
16
9
7
%
%
%
%
%
%
21 %
7%
10 %
8%
4%
3%
29 %
12 %
%
%
%
%
%
%
9%
%
%
%
%
%
%
13 %
%
%
%
%
%
%
19 %
50-249 Gesamt
* Die durchschnittliche Zahl der Aktivitäten wird auf die gleiche Art ermittelt wie in Tabelle 5.1.
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Die Kooperation über das Internet wird von der Größe des Unternehmens beeinflußt. Außerdem ist ein Trend feststellbar, wonach ältere Unternehmen diese
Option häufiger nutzen als jüngere.
Die kommerzielle Nutzung des Internet unterscheidet sich nicht nur zwischen den
Ländern, sondern auch zwischen den Wirtschaftssektoren. Zu einem gewissen Teil
läßt sich dies auf die Natur des Geschäfts zurückführen. Abbildung 5.3 zeigt den
Anteil der KMU, die ihre Produkte über das Internet vermarkten und vertreiben,
differenziert nach Wirtschaftssektoren. Alle Sektoren nutzen das Internet für die
Präsentation ihrer Waren oder Dienstleistungen. Das Kredit- und Versicherungswesen ist führend in bezug auf die Nutzung des Internet für die Verbreitung von
1
2
http://www.chateaunet.com (Stand am 24. September 1999).
http://www.vinsmoselle.lu (Stand am 24. September 1999).
193
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Informationen über sein Dienstleistungsangebot (41 %). Die unternehmensbezogenen Dienstleistungen nutzen das Web am intensivsten für den Vertrieb von
Produkten (12 %).
In bezug auf Zahlungen und den Erhalt von Zahlungen stellen sich die sektoralen
Unterschiede anders dar. Alle Anteile sind wesentlich niedriger. Der Bereich Beherbergung/Gaststätten (weniger als 1 % nutzen das Internet für Zahlungszwecke)
muß seine Zahlungen nicht über das Internet abwickeln, da die Kunden physisch
an der Hotelrezeption erscheinen. Der Großhandel ist am fortschrittlichsten, hier
nutzen 8 % der KMU das Internet, um Zahlungen durchzuführen.
Abbildung 5.3 Anteil der KMU, die Produktinformationen und Produkte selbst über
das Internet verbreiten, Europa-19
Sachgütererzeugung
Bauwesen
Großhandel
Einzelhandel
Beherbergung/Gaststätten
Reparaturgewerbe
Verkehr/Nachrichtenübermittlung
Kredit- und Versicherungswesen
Unternehmensbezogene
Dienstleistungen
Sonstige Dienstleistungen
Europa-19
0
5
10
15
20
Verbreitung von Information
25
30
35
40
45
Vertrieb von Produkten
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Auch der Grad der Kooperation über das Internet variiert in den einzelnen Wirtschaftssektoren. In Gesamteuropa nutzen etwa 12 % der KMU das Internet, um
gemeinsam Waren oder Dienstleistungen anzubieten.
Das Kredit- und Versicherungswesen sowie die unternehmensbezogenen Dienstleistungen erreichen bezüglich Kooperationen über das Internet Werte von mehr als
15 %, und rangieren damit gleich hinter den sonstigen Dienstleistungen (20 %).
Auf diese Sektoren folgt der Sektor Beherbergung/Gaststätten mit 13 %. Im Reparaturgewerbe nutzt lediglich 1 % der KMU das Internet für das gemeinsame
Angebot von Dienstleistungen.
5.4
Möglichkeiten und Barrieren für die Nutzung
des Elektronischen Geschäftsverkehrs durch
KMU
KMU können sowohl als Käufer als auch als Verkäufer auf dem elektronischen
Markt auftreten. Abhängig davon, wer auf dem Markt aktiv ist, gibt es unter-
194
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
schiedliche Möglichkeiten und Hemmnisse. Beispielsweise wird ein Netzwerk, das
für die ganze Welt offensteht, mit Sicherheitsproblemen konfrontiert sein, die in
einem geschlossenen Netzwerk zwischen Unternehmen kaum vorhanden sind.
5.4.1 Der europäische Konsument im elektronischen Markt
Die Konsumenten im europäischen elektronischen Markt spielen eine sehr bedeutende Rolle. Ihr Verhalten und Vertrauen in diesen Markt bedarf jedoch genauerer
Analysen. Einige Untersuchungen wurden in Europa und in anderen Märkten
durchgeführt, und die Resultate von den anderen Märkten können zumindest teilweise für eine Prognose der europäischen Entwicklung herangezogen werden.
Einige spezifisch europäische Präferenzen und Eigenschaften können eine solche
Prognose verzerren. Die identifizierten Merkmale sind die folgenden:
•
Die Sprachbarriere in Europa ist nach wie vor bedeutend. Die meisten Konsumenten ziehen es vor, Geschäfte in ihrer Muttersprache abzuwickeln. Englisch ist
zwar die am weitesten verbreitete Fremdsprache in Europa, jedoch sind in einigen
Ländern weniger als 20 % der Bevölkerung der englischen Sprache mächtig1.
•
Die Telekommunikationskosten stellen noch immer eine Barriere für europäische
Konsumenten dar, während die Konsumenten in den USA bereits seit langer Zeit
kostengünstige oder sogar kostenlose Internetzugänge nutzen können.
•
Die kulturelle Vielfalt bedingt eine sorgfältigere Entwicklung, als eine bloße
Übersetzung der Texte, um andere Länder zu erreichen. Durch die Entwicklung
von Technologien und Strategien für dieses Problem der kulturellen Evolution
können sich die Länder einen wichtigen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
•
Die Pro-Kopf-Umsätze im Versandhandel sind etwa halb so hoch wie in den
USA, ein Indiz dafür, daß die Europäer an diesen Einkaufsmöglichkeiten
weniger Interesse haben2.
•
Zahlungen ohne Unterschrift auf einem Stück Papier sind im US-amerikanischen elektronischen Markt gängige Praxis. In vielen europäischen Ländern ist
dies nicht üblich.
•
Die Online-Bevölkerung in Europa ist etwas jünger als in den USA3. Für die
kommenden Jahre wird mit einem weiterhin steigenden Durchschnittsalter der
gesamten Online-Bevölkerung gerechnet4.
Die allgemeinen Vorteile für Verbraucher, die den elektronischen Geschäftsverkehr
nutzen, beinhalten u. a. aktuellere Produktinformationen, niedrigere Preise und ein
größeres Warenangebot von einer größeren Anzahl von Anbietern. Die meisten
Nischenprodukte werden in einem lokalen Geschäft nicht erhältlich sein. Zudem
lassen sich Geschäftstransaktionen wesentlich effizienter durchführen.
Eine im Jahr 1998 durchgeführt Studie5 unter Internetkäufern zeigt die relative
Bedeutung von vier Gründen für Online-Shopping (vgl. Tabelle 5.3).
1
Europäische Kommission GD XII/E/6, MLIS, Europa Multilinguis, Sprache und Wirtschaft,
Luxemburg, 1998.
2
OECD, The Economic and Social Impact of Electronic Commerce (Die ökonomischen
und sozialen Auswirkungen des elektronischen Geschäftsverkehrs), Paris, 1998.
3
GVU, GVU 10th WWW User Survery October 1998 (10. WWW Anwender Studie der GVU,
Oktober 1998), Atlanta Georgia, 1999, http://www.gvu.gatech.edu/user_surveys/survey1998-10/graphs/ (Stand am 24. September 1999).
4
eMarketer, Net User Demographics (Web Anwender Demographie), 1999,
http://www.emarketer.com/estats/demo_age.html (Stand am 24. September 1999).
5
Ernst & Young, Internet Shopping Survey 1997 (Erhebung zum Interneteinkauf 1997),
1998, http://www.ey.com/ (Stand am 24. September 1999).
195
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Tabelle 5.3
Reihung der Gründe für das Online-Einkaufen in den USA
Grund für das Online-Einkaufen
Bequemlichkeit
Wegen der größeren Auswahl
Um Geld zu sparen
Es macht mehr Spaß
Quelle:
53
46
45
25
%
%
%
%
Ernst & Young, Internet Shopping (Internet-Einkauf), 1998. Die Respondenten wurden unter
amerikanischen Konsumenten ausgewählt, die über das Internet einkaufen.
Eine weitere, im Jahr 1997 durchgeführte Erhebung1 bei Konsumenten zeigt ebenfalls, daß Bequemlichkeit der wichtigste Grund für das Online-Einkaufen darstellt.
Außerdem sind Zeitgewinn, Verkaufsinformationen und fehlender Druck seitens
des Verkaufspersonals wichtige Gründe. Die Ergebnisse für das Jahr 1998 zeigen
ein ähnliches Muster, nur mit einem höheren Grad an Zustimmung. In diesen
Studien wurden lediglich Personen befragt, die das Web bereits für den Einkauf
nutzen. Eine in Finnland durchgeführte Erhebung liefert Anhaltspunkte dafür, daß
das eingeschränkte inländische Angebot eine wichtige Barriere darstellt2.
Ein Merkmal des elektronischen Geschäftsverkehrs ist, ähnlich dem Versandhandel,
das Fehlen einer physischen Prüfungsmöglichkeit der Waren durch den Käufer.
Dies stellt, gemeinsam mit der einzurechnenden Zeit für die Lieferung, einen
Nachteil für den Verkauf bestimmter Warengruppen, wie beispielsweise frische
Früchte, dar. Dennoch existieren in Island bereits seit einigen Jahren zwei elektronische Auktionsveranstaltungen für frischen Fisch.
Traditionelles Einkaufen beinhaltet die persönliche Aufmerksamkeit des Verkaufspersonals. Dieses kann, bezogen auf die Informationsleistung, durch OnlineDiskussionsgruppen ersetzt werden, die andere Kunden und technische Experten
des Anbieters einbeziehen. Durch die Vorteile der asynchronen Kommunikation
kann ein KMU damit eine höhere Anzahl von Kunden mit weniger Personal
bedienen. Jedoch verlangen einige Kunden (und Waren) nach einer persönlichen
Beratung vor Ort. Beispielsweise bevorzugen die meisten Kunden noch immer,
einen Anzug persönlich zu kaufen. Die persönliche Seite des Geschäfts ist mit dem
Internet und seiner Beschränkung auf visuelle und akustische Reize schwer zu
vermitteln.
5.4.2 Möglichkeiten für KMU im elektronischen Markt
Die Markterweiterung ist einer der wichtigsten Gründe für KMU, in den elektronischen Geschäftsverkehr einzusteigen. Weitere Motivationsfaktoren sind eine
bessere Servicequalität für die Kunden und Wettbewerbsvorteile. Während das
neue Medium den Zeitaufwand für das Marketing im allgemeinen reduziert, ist
erfolgreiche Werbung und die Schaffung von Anreizen für Impulskäufe schwierig,
möglicherweise insbesondere im Internet aufgrund des permanenten Informationsüberangebots.
Das große Vertrauen, das eine bekannte Schutzmarke genießt, kann für KMU mit
einer Eintragung in bekannte Verzeichnisse ausgeglichen werden, die die Seriosität des
1
GVU, GVUs 8th WWW User Survey (8. WWW Anwender Studie der GVU), Atlanta,
Georgia, http://www.gvu.gatech.edu/user_surveys/ (Stand am 24. September 1999),
Antworten differenziert nach US-, europäischen und anderen Märkten.
2
Untersuchung der finnischen Gallup Web, http://www.gallupweb.com/press9.htm
(Stand am 24. September 1999, in Finnisch).
196
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
Unternehmens unterstreichen. Eine andere Möglichkeit sind regelmäßige Bewertungen. Im Vereinigten Königreich werden anerkannte Prüfer gegen Ende 1999 einen
„kitemark”-Service (Prüfzeichen) anbieten, der Nutzern die Integrität einer Site garantiert. Die Sites werden quartalsweise in Hinblick auf Sicherheit, Datenschutz und Integrität bewertet. Eine ähnliche Initiative wird derzeit in Norwegen umgesetzt1.
Die Präsenz im Netz kann dazu genutzt werden, die Kommunikation mit den
Kunden zu verbessern, was letztlich zu höherer Kundenzufriedenheit und besseren
Produkten führt. Indem notwendige Informationen zur Verfügung gestellt werden,
kann ein KMU sicherstellen, daß ein Käufer, der online bestellt, weiß, was er kauft,
bevor er das Verkaufspersonal kontaktiert, wodurch die Effizienz der Geschäftstransaktionen steigt. Online-Produktservice kann die Kosten des Kundendienstes
reduzieren und gleichzeitig die Qualität des Service steigern. Der elektronische
Geschäftsverkehr kann auch dazu dienen, KMU ein Profil zu geben.
Der Markt für das öffentliche Auftragswesen bleibt einzelnen KMU oft
verschlossen, obwohl diese mit größeren Unternehmen konkurrieren könnten,
wenn sie in diesem Markt kooperieren. Durch Kooperationen kann eine Gruppe
von KMU Waren und Dienstleistungen auf ähnliche Weise anbieten wie GU. Einige
wichtige Aspekte betreffen das Liefervolumen und die Lieferzeit. Auch die Fähigkeit, einen stabilen Kundendienst zur Verfügung zu stellen, kann bei Lieferungen
an öffentliche Einrichtungen sehr bedeutend sein. Kleine Unternehmen können
durch Kooperationen gemeinsam ihre Leistung in bezug auf diese Aspekte verbessern. Durch die Nutzung des Internet kann die Kooperation gestärkt und potentiellen Kunden demonstriert werden.
Für öffentliche Einrichtungen, die Ausschreibungen erstellen, ermöglicht der elektronische Geschäftsverkehr neue, effizientere Wege für den Vergleich mehrerer
Angebote. Tenders Electronic Daily (TED)2 beispielsweise ist eine Datenbank im
Internet, die von der Europäischen Kommission veröffentlichte Ausschreibungen
enthält. Nationale Verwaltungen haben ähnliche Systeme entwickelt, wie zum
Beispiel in Schweden. Die Verantwortlichen in Schweden berichten über beträchtliche Einsparungen durch eine effizientere Handhabung der Rechnungslegung3.
In Italien hat die Stadtverwaltung von Bologna in Kooperation mit der Telecom Italia
begonnen, Experimente mit verschiedenen interaktiven Systemen für die Auswahl
von Produkten und für Finanztransaktionen durchzuführen. Die Stadt stellt elektronische Möglichkeiten zur Begleichung von Schulgebühren, Steuern, Abgaben etc. zur
Verfügung. Ein Einzelhändler und ein Reisebüro bieten ihre Waren und Dienstleistungen ebenfalls in diesem System an. In Finnland wurde eine Initiative ergriffen,
um eine elektronische Identifikationskarte und einen elektronischen Personalausweis
zu entwickeln und die öffentliche Verwaltung leichter zugänglich zu machen sowie
eine Infrastruktur für den elektronischen Geschäftsverkehr zu schaffen4.
Die Nutzung einer Web-Schnittstelle für Geschäftsvorgänge kann zu besseren
Führungsinformationen und zu einer besseren Lagerkontrolle führen. Die Handhabung von Zahlungen und Geschäftspapieren läßt sich online wesentlich kosteneffektiver durchführen. Außerdem werden Aufzeichnungen über die Transaktionen
automatisch generiert.
Die Feinabstimmung einer Just-in-Time-Produktion kann die Kosten der Lagerhaltung meist deutlich verringern. Dies ist zwar nicht neu, jedoch sind die dafür
1
http://www.eforum.no/ (Stand am 24. September 1999, in Norwegisch).
http://ted.eur-op.eu.int/index2.htm (Stand am 24. September 1999).
3
http://www.linkoping.se/kommun/it_verksamhet/it_projekt/e_handel/default.asp (Stand
am 24. September 1999, in Schwedisch).
4
http://www.vn.fi/vm/english/public_management/eid.html (Stand am 24. September 1999).
2
197
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
benötigten Instrumente wesentlich effektiver, wenn sie im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs eingesetzt werden. Dies, in Kombination mit einer kleinen
Verkaufsorganisation, kann KMU einen Wettbewerbsvorteil gegenüber etablierten
größeren Unternehmen verschaffen. Interessanterweise zeigt der ENSR Enterprise
Survey 1999, daß sich größere KMU (typischerweise mit einer etablierten OfflineVerkaufsorganisation) eher Sorgen um den Zugang der Kunden zum elektronischen Markt machen als kleinere Betriebe (siehe auch Tabelle 5.4).
Traditionelle Formen des Handels werden an das Internet angepaßt und transformiert. Zum Beispiel erfreuen sich Auktionen,1 auf denen Konsumenten oder Unternehmen ihre Waren oder Überschüsse über eine dritte Partei der Öffentlichkeit
anbieten können, wachsender Beliebtheit. Eine andere aufstrebende Form stellen
„Informationssammler” dar, die Informationen über Produkte und Dienstleistungen,
die die Kunden interessieren, sammeln. „Informationssammler” konzentrieren sich
auf das Sammeln, nicht auf das Schaffen von Daten. Beispiele hierfür finden sich
u. a. im Bereich Chemie2, bei den Versicherungen oder im Bereich des Organisierens von Hochzeiten. Börsen stellen Kassamärkte für den Online-Handel mit Industriegütern zur Verfügung. Weitere Beispiele finden sich im Energiehandel3 und im
industriellen Emissionshandel. Diese und andere aufstrebende Formen eröffnen
Chancen für neue KMU in bezug auf den Eintritt in den elektronischen Markt.
Fallstudie: Ein Installateur mit einer neuen Idee
Brdr. A&O Johansen ist ein Großhändler, der unabhängige Installateure bedient. Da
Installateure generell am Ort des Kunden tätig sind, benötigen sie gut funktionierende mobile Werkstätten und Lager. Zur Lösung dieses Problems wurde von Brdr.
A&O Johansen ein Konzept basierend auf IKT entwickelt.
Brdr. A&O Johansen verkauft mobile Werkstätten, die mit Werkzeugen und einem
Grundangebot an Waren ausgestattet sind. Der Lieferwagen bietet gute Organisationsmöglichkeiten durch Regalsysteme und Kästen. Alle Waren sind mit Strichcodes
versehen, die verwendeten Teile werden mit einem Barcode-Stift erfaßt und im
Computer des Lieferwagens gespeichert.
Die Genialität dieses Systems besteht darin, daß Brdr. A&O Johansen anbietet, die
Bestände mit Hilfe eines auf IKT basierenden Lagerverwaltungssystems täglich, oder wann
immer der Kunde dies wünscht, wieder aufzufüllen. Das einzige, was der Installateur tun
muß, ist, ein entsprechendes E-Mail zu versenden. Dem Großhändler ist es gelungen,
einen Mehrwert zu seinen Dienstleistungen in Form eines Zusatzdienstes zu erbringen, so
daß für die Kunden kein Anreiz besteht, bei anderen Lieferanten einzukaufen.
Der Erfolg wird durch folgende Punkte bestimmt:
• Die Konstruktion des Lieferwagens fördert die Effizienz bei der täglichen Arbeit
durch ein sorgfältig organisiertes System, das sich in einem Lieferwagen nicht
immer leicht aufrechterhalten läßt.
• Die sofortige Registrierung der verwendeten Güter führt zu geringerem Abfallvolumen, da der Spielraum für Fehler signifikant reduziert wird.
• Der Strichcode und das Computersystem helfen dem Installateur bei der Verwaltung seines eigenen Lagerbestandes, inklusive einer effizienten Lagerentnahme
und Bestellung neuer Güter.
Quelle:
KRS-Consult, Coopers & Lybrand, DTI Industrial Analyses für die dänische Handelskammer,
Best Practice Manual for the Use of Internet and Electronic Commerce (Beste Verfahren
Handbuch für die Nutzung von Internet und elektronischem Geschäftsverkehr), 1998.
1
2
3
198
http://www.jubii.dk/, http://www.Quixell.com/ (Stand am 24. September 1999).
http://www.chemdex.com/ (Stand am 24. September 1999).
http://www.altranet.com/ (Stand am 24. September 1999).
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
5.4.3
Barrieren, die die Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs
behindern
Der elektronische Geschäftsverkehr hat sich in Europa bei KMU noch nicht richtig
durchgesetzt. Die Barrieren können unterschiedliche Ursprünge haben, nämlich die
KMU, die Konsumenten, die Technologie und die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Alle Handelstransaktionen setzen einen bestimmten Grad an Vertrauen zwischen
Käufer und Verkäufer voraus. Im elektronischen Geschäftsverkehr müssen alle
Beteiligten zusätzlich auch Vertrauen in die Technologie haben, um diese Form des
Geschäfts durchzuführen. Eine weitere Voraussetzung ist die vorhandene Infrastruktur. Es müssen PCs und andere Geräte zur Verfügung stehen und mit dem
Internet verbunden sein. Die Infrastruktur muß in der Lage sein, alle benötigten
Anwendungen zu ermöglichen. Im folgenden werden potentielle Barrieren in vier
Kategorien aufgelistet.
KMU-bezogene Faktoren
•
Auffassung, daß elektronischer Geschäftsverkehr für das Unternehmen nicht
geeignet ist
•
Schutz etablierter Verkaufskanäle
•
Sorgen bezüglich der Rentabilität
•
Erwartungen, die die Teilnahme von Konsumenten am elektronischen Markt
betreffen
•
Sprachbarrieren im internationalen Handel
•
Fehlendes Vertrauen in das Zahlungssystem
•
Fehlen notwendiger IT-Kompetenzen
Technische Faktoren
• Ausreichend schnelle Infrastruktur
•
Kein etabliertes Zahlungssystem
Konsumentenbezogene Faktoren
•
Unzureichende Kenntnis und Bekanntheit des elektronischen Geschäftsverkehrs
unter den Konsumenten
•
Gewohnheiten der Konsumenten und Stand des Einkaufens über Internet
•
Sprachbarrieren im internationalen Handel
•
Fehlendes Vertrauen in das Zahlungssystem
•
Kosten der Telekommunikation und der Endanwenderausstattung
•
Schutz persönlicher Daten
Rechtliche Faktoren
•
Konsumentenrechte
•
Sicherheitsfragen und Schutz persönlicher Daten
•
Schutz von Urheberrechten
•
Fiskalische Probleme (Mehrwertsteuer) und andere Regulierungen, die die
Nutzung des internationalen elektronischen Geschäftsverkehrs betreffen
Der ENSR Enterprise Survey 1999 zeigt, daß der wichtigste Grund für die NichtNutzung des Internet für den Verkauf von Waren und Dienstleistungen der
199
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Eindruck ist, daß dies für das Unternehmen nicht anwendbar ist (43 %) (siehe
Tabelle 5.4). Dieser Grund ist für kleine KMU bedeutender als für große. In Liechtenstein (20 %), Dänemark (23 %) und Österreich (24 %) findet sich diese Beurteilung seltener. Portugal (62 %), Griechenland (56 %) und Frankreich (54 %) sind
die Länder, wo dieser Standpunkt am häufigsten vertreten wurde. Diese Anteile
beziehen sich auf KMU, die das Internet nicht für geschäftliche Zwecke nutzen.
Mangelnde Information und Bekanntheit von guten Beispielen in bezug auf den
elektronischen Geschäftsverkehr können den Eindruck entstehen lassen, daß der
Verkauf von Waren und Dienstleistungen über das Internet für das Unternehmen
nicht geeignet ist. Für französische KMU könnte allerdings der Zugang zum Minitel
eine Alternative zum Internet darstellen.
Die hinter dieser Kategorie liegenden Gründe beinhalten die Wahrnehmung, daß
das Unternehmen für den elektronischen Geschäftsverkehr zu klein sei. Einige
gehen davon aus, daß dieses Medium für ihre Branche nicht relevant ist, wie z. B.
der Reinigungsbereich, andere denken, daß ihre Organisation oder ihre Klientel zu
konservativ ist, um sich mit den neuen Möglichkeiten anfreunden zu können. Die
bestehenden Verkaufskanäle funktionieren gut, also besteht keine Notwendigkeit
für neue.
Tabelle 5.4
Die wichtigsten Gründe für KMU, das Internet nicht für den Verkauf von
Waren und Dienstleistungen zu nutzen, in Prozent der Unternehmen, die
das Internet nicht für Geschäftsvorgänge verwenden, Europa-19
Anzahl der Beschäftigten
Barriere
Für das Unternehmen nicht geeignet
Bin nicht der Meinung, daß es rentabel wäre
Kein ausgebildetes Personal verfügbar
Kunden haben keinen ausreichenden
Zugang zum Internet
Telefonkosten sind zu hoch
0
1-9
10-49 50-249 Gesamt
44 %
10 %
8%
42 %
10 %
7%
36 %
11 %
6%
30 %
10 %
5%
43 %
10 %
7%
5%
6%
7%
4%
8%
2%
10 %
0%
6%
5%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Die nach der Einschätzung, daß der elektronische Geschäftsverkehr nicht geeignet
ist, drei wichtigsten Barrieren sind: Zweifel an der Rentabilität (10 %), Mangel an
ausgebildetem Personal (7 %) und ungenügender Zugang von Kunden zum elektronischen Markt (6 %).
Ausreichender Zugang der Kunden zum Internet stellt natürlich eine wichtige
Voraussetzung für den Handel zwischen Unternehmen und Konsumenten dar. Die
Wahrnehmung dieses potentiellen Hemmnisses unter den KMU ist in Tabelle 5.4
dargestellt. Siehe dazu auch Abbildung 5.2 über die Verbreitung des Internet
innerhalb der Bevölkerung und bei KMU. Diese Barriere kann auch mit der weitverbreiteten Meinung in Verbindung stehen, daß der elektronische Geschäftsverkehr für KMU nicht geeignet ist.
KMU, die bereits online sind, machen sich eher Sorgen über den Zugang von
Konsumenten zum Internet (11 %) als solche KMU, die noch keinen Zugang
haben (5 %). Der Zugang von Kunden zum Internet ist für 20 % der mittleren
Unternehmen, die bereits Zugang zum Internet haben, die wichtigste Barriere.
Einige KMU gehen nicht davon aus, daß sich der Einstieg in den Internetmarkt
auszahlen würde. Interessanterweise ist dies das wichtigste Argument gegen eine
200
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs in einigen der Länder, die gerade
darin am weitesten fortgeschritten sind, beispielsweise in Österreich, Finnland und
Schweden (alle mehr als 15 %) (siehe auch Tabelle 5.1). Allerdings reihen KMU in
Island diese Barriere an die letzte Stelle (weniger als 1 %).
Vor allem in Frankreich (16 %), Griechenland (12 %), Deutschland (10 %) und in
Schweden (9 %) sehen KMU im Mangel an ausgebildetem Personal den wichtigsten Grund für die Nicht-Nutzung des Internet.
Französische (16 %), italienische und österreichische (beide 9 %) KMU weisen in
bezug auf die Kosten für den Online-Zugang als Barriere die meisten Nennungen
innerhalb von Europa-19 auf. Die Internet-Hardware ist, verglichen mit der französischen Minitel-Hardware, teuer.
Die Telefonkosten werden von 11 % der spanischen und österreichischen KMU
und von 9 % der italienischen und isländischen KMU als größtes Hemmnis
genannt (obwohl in Island Internetzugänge von Konsumenten weltweit am
verbreitetsten sind). Eine attraktive Preisgestaltung verglichen mit analogen
Leitungen hat z. B. in Deutschland und Luxemburg die Installation von ISDNAnschlüssen beschleunigt. Telefonkosten sind für kleine Unternehmen ein bedeutenderes Hindernis als für größere (siehe Tabelle 5.4). Viele KMU sind bereits intensive Nutzer der Telekommunikation, woraus zu schließen ist, daß Verbindunsgentgelte für das Internet keine bedeutende Rolle spielen werden. Es ist anzunehmen,
daß sich die Telekommunikationskosten eher entscheidend auf die Teilnahme von
Konsumenten auswirken werden.
Fehlendes Vertrauen in die Technologie (1 %) und fehlende Sicherheit (weniger als
1 % in Europa) wurden von der Mehrheit der KMU in den meisten Ländern nicht
als die wichtigsten Barrieren identifiziert. Dennoch wählten 5 % der KMU in
Deutschland und 6 % in Norwegen fehlendes Vertrauen in die Technologie als
bedeutendstes Hemmnis. Mangelndes Vertrauen in die rechtlichen Rahmenbedingungen erhielt nur geringe Prozentwerte von den KMU in Europa-19. Möglicherweise stellt dies ein wichtigeres Anliegen für Konsumenten dar.
Zusätzlich zu den oben genannten Barrieren, bildet die Sprache auch heute
noch ein bedeutendes Hindernis für den internationalen Handel in Europa.
Beispielsweise zeigt eine Studie1, daß 60 % der Einwohner in den ‘alten’ EUMitgliedstaaten2 kein Englisch sprechen. In einigen Ländern sprechen weniger
als 20 % der Bevölkerung Englisch. Ähnlich stellt sich die Situation auf der
Angebotsseite dar. Innerhalb der Europäischen Union sind etwa 40 %3 aller
kommerziellen Websites nicht in Englisch verfügbar. Das Internet, in erster Linie
eine englischsprachige Arena, ist daher meist außer Reichweite für viele potentielle Konsumenten mit einer anderen Muttersprache. Die derzeitige Entwicklung wird verstärkt Sites in nationalen Sprachen hervorbringen. Es wird
erwartet, daß die nationale Nutzung des Internet an Bedeutung für die Wirtschaft gewinnt. Beispielsweise werden in Finnland die meisten Online-Einkäufe
im eigenen Land getätigt4. Einige Länder haben bereits Programme bereitgestellt, um Barrieren für den internationalen Handel abzubauen, z. B. in Finnland
1
Europäische Kommission GD XIII/E/6, MLIS, Europa Multilinguis, Sprache und
Wirtschaft, Luxemburg, 1998.
2
Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Portugal.
3
Europäische Kommssion GD XIII/A3, Studie GI 2.2196, von Databank Consulting, IDATE,
TNO, Brüssel-Luxemburg, 1997.
4
Untersuchung der finnischen Gallup Web, http://www.gallupweb.com/press9.htm
(Stand am 24. September 1999, in Finnisch).
201
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
und in Italien1. Das Finnish Institute for International Trade (Finnisches Institut
für Internationalen Handel - FINTRA) publiziert Handbücher und Sprachlernmaterialien, um Unternehmen bei ihren internationalen Operationen zu unterstützen. Das Italienische Institut für Außenhandel bietet insbesondere für KMU
Schulungen im Bereich internationaler Handel und Marketing an. Eine ähnliche
Initiative wurde von FORMEDIA in Portugal ins Leben gerufen.
In Hinblick auf zwischenbetriebliche Transaktionen und Transaktionen zwischen
Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung sind die Barrieren teilweise
dieselben wie im Bereich zwischen Unternehmen und Konsumenten. Ersteres
bezieht sich vor allem auf längerfristige Wirtschaftsbeziehungen zwischen
bekannten und vertrauensvollen Partnern, mit denen Transaktionen rationalisiert
werden können. Die Kosten für die Einführung von EDI bilden noch immer eine
Barriere für viele kleine Unternehmen. Der Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen wird auf ca. 70 %2 des gesamten Online-Handelsvolumens geschätzt.
Das interessanteste Potential für den elektronischen Geschäftsverkehr liegt
derzeit im Verhältnis zwischen Unternehmen und Konsumenten.
5.5
Die Auswirkungen des Elektronischen
Geschäftsverkehrs
Die Nutzung des Internet für Geschäftstätigkeiten hat die Wirtschaft bereits in
gewissem Maße verändert. Beispielsweise werden jetzt der Einkauf, der Kundendienst und die Produktwartung in der IKT-Industrie oft über Internet abgewickelt. Interaktivität ist eine der wichtigsten technischen Eigenschaften, die
Veränderungen ermöglichen. Es besteht das Potential für einige große Veränderungen in weiteren Wirtschaftssektoren.
5.5.1 Die globalen Auswirkungen auf den Markt
Abhängig von den Eigenschaften der gehandelten Waren und Dienstleistungen
und der Art, wie der Handel durchgeführt wird, lassen sich unterschiedliche
Auswirkungen des elektronischen Geschäftsverkehrs in bezug auf die Distributionsstruktur, die Größe und die Entwicklung von KMU erwarten. Beispielsweise
können Auktionen, die auf den Handel zwischen Konsumenten abzielen, ein
größeres Publikum erreichen, indem sie mehr lokale Sites zur Verfügung stellen
und dabei sprachliche wie kulturelle Unterschiede berücksichtigen, während Softwareverkäufer mit nur einer zentralen Geschäftsstelle auskommen. Jedoch
könnten auch Softwareverkäufer von nationaler und regionaler Spezialisierung
profitieren.
Derzeit experimentieren große Unternehmen, zum Beispiel in der Unterhaltungselektronik, mit Direktverkauf über das Web, zusätzlich zu traditionellen Verkaufskanälen. Dies kann langfristig Auswirkungen auf die Vertriebsstruktur haben.
Ein Beispiel für strukturelle Veränderungen ist zum Beispiel am schwedischen Immobilienmarkt zu beobachten. Viele Immobilienmakler sind im Internet vertreten. Allerdings
nutzen die meisten von ihnen nicht das volle Potential dieses Marktplatzes. Diese Site3
1
Europäische Kommission GD XIII/E/6, MLIS, Europa Multilinguis, Sprache und
Wirtschaft, Luxemburg, 1998.
2
EITO, European Information Technology Observatory 99 (Europäisches Beobachtungsnetz für Informationstechnologie), Frankfurt, 1999.
3
http://www.agarendirekt.se/ (Stand am 24. September 1999).
202
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
steht nicht nur Käufern offen, sondern auch Personen, die Häuser verkaufen. Indem das
Volumen erhöht wird, kann ein billigerer Service angeboten werden.
Neue Unternehmen, die ausschließlich auf virtuellen Aktivitäten basieren1, sind
bereits entstanden. Es handelt sich meist um Intermediäre in neuen Märkten. Redefinition, und in einigen Fällen auch Elimination von Vermittlungstätigkeiten,
stellen ebenfalls einen generellen Trend in der elektronischen Ökonomie dar2. Es
gibt keine technische Notwendigkeit für die Vertreibung von Waren über Intermediäre. Allerdings wird noch immer eine Rolle zu besetzen sein, um die begleitenden Maßnahmen vor und nach dem Verkauf durchzuführen. Zusätzlich
werden, als Ergebnis einer zuvor nicht vorhersehbaren Kombination aus Umfang
und Zugangsmöglichkeit des internationalen Marktes, neue Funktionen, wie z. B.
die eines Informationsbrokers, erforderlich. Amazon.com ist ein neuer Intermediär, der die neuen Medien umfassend nutzt. Der Bücherladen um die Ecke wäre
gut beraten, sich zu überlegen, welche Vorteile ein Kunde hat, wenn er das
Geschäftslokal physisch betritt und in realem Kontakt mit dem Händler und den
Waren steht. Welche zusätzlichen Dienste könnten Kunden dazu veranlassen,
immer wieder zu kommen, selbst wenn dieselben Bücher günstiger über das
Web bezogen werden können?
Die Natur der asynchronen Kommunikation erlaubt es einer kleineren Gruppe der
Belegschaft eine größere Anzahl von Kunden zu bedienen. Dies entspricht dem
Prinzip des Versandhandels, da eine Website den gesamten Markt versorgen kann,
und deshalb keine Notwendigkeit für die Eröffnung von Büros in jedem Land besteht,
in dem das Unternehmen aktiv ist. Jedoch ist in einigen Bereichen des Handels ein
engerer Kontakt zu den Marktteilnehmern von entscheidender Bedeutung. Beispielsweise ist die 1997 errichtete Website Quixell3, deren Inhalt eine Auktion unter Konsumenten ist, bereits in mehreren europäischen Sprachen verfügbar. Diese Site bietet
kleinen Unternehmen ein System an, um die Auktionsfunktionalität auf deren eigenen
Sites zu integrieren. Amazon.com eröffnet ebenfalls lokale Sites in Europa.
Es gibt einige potentielle Gefahren für KMU in Zusammenhang mit der Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs; insbesondere im Einzelhandel ist eine
Entwicklung, ähnlich wie sie bereits mit Entstehung der Einkaufszentren stattgefunden hat, denkbar. Einkaufszentren haben die Art verändert, in der Konsumenten ihre Einkäufe tätigen. Als Konsequenz mußten viele KMU negative
Auswirkungen auf ihre Umsätze hinnehmen.
Mehr und mehr werden kleine KMU aus anderen Sektoren als dem IKT-Sektor in
der Lage sein, diesen Markt zu erschließen, da die IKT-Produkte verbessert werden
und die Preise fallen. Die Nutzung von Sites für Geschäftsaktivitäten wird wahrscheinlich so gängig sein, wie die Verwendung eines Telefons. Natürlich gibt es
Beispiele von Firmen, für die der Eintritt in diesen Markt keinen Erfolg nach sich
gezogen hat. Deswegen sind Fallstudien zu besten Verfahren nützlich, und ist eine
gute Unternehmensstrategie von essentieller Bedeutung.
Erhöhte Interaktivität kann Kunden in einem größeren Ausmaß in die Produktentwicklung einbinden. Dadurch können Unternehmen auch ein besseres Verständnis
für ihre Kunden und deren Bedürfnisse und Präferenzen gewinnen. Dies stellt
einerseits eine Gefahr für den Datenschutz dar und liefert andererseits die Möglichkeit für eine maßgeschneiderte Produkterstellung.
1
http://www.yahoo.com/ (Stand am 24.September.1999) oder Digi http://w3.digi.no/
(Stand am 24. September 1999).
2
http://www.oecd.org/ (Stand am 24. September 1999).
3
http://www.quixell.com (Stand am 24. September 1999).
203
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Fallstudie: Buyonet - ein schwedischer Softwareeinzelhändler
Das Unternehmen hat sich aus einem kleinen schwedischen Softwarevertrieb heraus
entwickelt, das mit den physischen Aspekten der Zustellung von Software gekämpft
hat. Es erkannte das Potential des Internet als Zustellungssystem, erarbeitete ein
Konzept, das Zahlung, Lieferung und Verkaufsprotokollierung unterstützt und sprach
Beteiligungskapitalgeber für die Finanzierung des Handelssystems an.
Buyonet verkauft Software, die (zu einem gewissen Teil) in sechs europäischen Sprachen
präsentiert wird, auf elektronischem Weg. Die dargestellte Währung wird der Nationalität der Besucher automatisch angepaßt oder kann manuell ausgewählt werden.
Das Unternehmen verfügt über kein physisches Lager, schließt jedoch Verträge mit
Softwareproduzenten ab, die es ihnen ermöglichen, Kopien der Software zu erstellen
und über das Internet an Konsumenten zu vertreiben. Verkaufsberichte werden monatlich an jeden Softwareproduzenten versendet und Konten elektronisch abgeglichen.
Buyonet hat außerdem einen Kontrollmechanismus in das Handelssystem eingebaut,
der es den Softwareproduzenten ermöglicht, die Verkaufszahlen ihrer Produkte selbst
zu überprüfen. Das Unternehmen ging im Jahr 1997 online. Derzeit deckt das Unternehmen lediglich die Kosten der Mitarbeiter ab und erwartet nicht, in nächster Zeit
Gewinne zu erwirtschaften. Es investiert derzeit stark in den Aufbau seines Markennamens, als langfristige Basis für die Rentabilität des Unternehmens. Es beabsichtigt, das
amazon.com der Computersoftwarewelt zu werden. Derzeit befinden sich tausende
Softwaretitel auf seiner Liste, und sein Ziel ist es, jede existierende Software anbieten zu
können. Der elektronische Geschäftsverkehr hat praktisch alle Logistikkosten eliminiert
und ermöglicht es dem Unternehmen, Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen anzubieten. Standorte des Unternehmens sind Schweden und die USA.
Quelle: http://www.buyonet.com (Stand am 24. September 1999).
KMU mit Internetzugang sind häufiger im Export tätig und haben einen höheren
Exportanteil am Umsatz als jene, die keinen Zugang haben. Dies gilt für alle Größenklassen. Tabelle 5.5 zeigt, daß Unternehmen, die einen Zugang zum Internet haben
und den elektronischen Geschäftsverkehr für zumindest eine Geschäftsaktivität
nutzen, häufiger im Export tätig sind als jene, die nicht im elektronischen Geschäftsverkehr tätig sind. Außerdem zeigt die Tabelle, daß die Nutzung des elektronischen
Geschäftsverkehrs mit steigender Größe zunimmt. Nach einer Schweizer Studie1
verfügen 90 % der Schweizer KMU, die internationale Märkte bearbeiten, über einen
Internetanschluß, verglichen mit 40 % bei den regional ausgerichteten KMU.
Der Unterschied zwischen exportierenden und nicht-exportierenden Unternehmen
wird mit steigender Größe der KMU kleiner. Dies könnte darauf hinweisen, daß die
Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs insbesondere für kleine KMU den
Zugang zum internationalen Markt verbessert.
Tabelle 5.5 Verhältnis zwischen Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs und
Export im Zeitraum 1997 bis 1998, nach Unternehmensgröße, Europa-19
Größenklasse
Exportierende Unternehmen
0 Beschäftigte
1-9 Beschäftigte
10-49 Beschäftigte
50-249 Beschäftigte
27
55
59
71
%
%
%
%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
1
204
http://www.kmuinfo.ch/ (Stand am 24. September 1999).
Nicht-exportierende
18
29
49
69
%
%
%
%
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
Wenig Hinweise gibt es darauf, daß der elektronische Geschäftsverkehr Beschäftigungsverschiebungen verursacht. Kurzfristig wird möglicherweise eher das Gegenteil zu beobachten sein, als Folge davon, daß Unternehmen mit den neuen
Geschäftsformen experimentieren.
Der elektronische Geschäftsverkehr hatte bereits Auswirkungen auf die Preise. Fluggesellschaften wie SAS stellen beispielsweise zeitlimitierte Angebote ins Web, und
einige IT-Anbieter bieten einen Rabatt an, wenn über das Web gekauft wird. Die
Nutzung der geographischen Flexibilität, die in der vernetzten Wirtschaft besteht,
kann diese Entwicklung noch weiter treiben.
5.5.2 Die internen Auswirkungen auf KMU
Für Unternehmen, die im elektronischen Geschäftsverkehr aktiv sind, wird die
Geschäftsausweitung eher durch eine Systemaufwertung erreicht als durch die
Eröffnung neuer Verkaufsbüros. Beide Ansätze setzen Investitionen voraus. Allerdings ist das virtuelle Geschäft flexibler und in den meisten Fällen kostengünstiger
als der Aufbau eines physischen, neuen Geschäftes oder Verkaufsbüros. Der Eintritt
in den elektronischen Markt stellt für viele KMU einen natürlichen Weg dar, um
sich von einem regional zu einem national oder sogar international orientierten
Unternehmen zu entwickeln.
Für diese neue Art der Geschäftsstrategie sind zusätzliche Fertigkeiten erforderlich,
sowohl für die technische Entwicklung als auch für die Wartung einer kommerziellen Anwendung und manchmal auch für die Erschließung des Marktes in neuen
Regionen mit anderen Sprachen oder Kulturen.
Eine umfassende Einführung des elektronischen Geschäftsverkehrs in ein Unternehmen
verlangt die Koordination zwischen allen Unternehmensfunktionen. Dies kann z. B.
neue Formen der Kooperation zwischen den Marketing- und IT-Abteilungen erfordern.
Eine aktuelle Studie zeigt1 die Entstehung neuer Leitunternehmen: Unternehmen,
die den elektronischen Geschäftsverkehr ernst nehmen. Diese erkennen, daß es
sich hier nicht nur um eine zusätzliche Verantwortung für die IT-Abteilung handelt,
und stellen dafür ein zweckgebundenes Budget zur Verfügung.
Bis jetzt standen Sicherheit, Datenschutz und Kosten für die Infrastruktur im Mittelpunkt der Diskussion über den elektronischen Geschäftsverkehr2. Es ist jedoch allgemein bekannt, daß einige Produkte wie Magazine und Bücher nur dann in großen
Mengen verkauft werden können, wenn sie in der Muttersprache erhältlich sind. Den
meisten technischen Produkten liegt eine Bedienungsanleitung in mehreren Sprachen bei. Es gibt keine Gründe zu der Annahme, daß der elektronische Geschäftsverkehr eine Ausnahme dieser Regel in Europa darstellen wird. Deswegen müssen
sich europäische KMU, die auf dem europäischen Markt aktiv sein wollen, Gedanken
über die Ansprache potentieller Kunden machen, die unterschiedliche Sprachen
sprechen. Es werden Initiativen lanciert, die mehr oder weniger automatisierte
Lösungen zu diesem Problem liefern. Jedoch müssen KMU derzeit noch auf Personal,
das die Sprache des zu bearbeitenden Marktes beherrscht, zurückgreifen, um höhere
Marktanteile erzielen zu können. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die ihre
Kunden in einen Dialog für die Entwicklung neuer Produkte einbinden möchten.
Kulturelle Einblicke werden auch sehr wichtig für das Marketing sein.
1
KPMG, Electronic Commerce: Research Project 1998 (Elektronischer Geschäftsverkehr:
Forschungsprojekt 1998), pan-europäische Studie von 500+ Unternehmen.
2
Das Programm ‘Mehrsprachige Informationsgesellschaft’ (Multi Lingual Information
Society - MLIS) wurde von der Europäischen Kommission initiiert, um die Sprachenvielfalt
innerhalb der europäischen Informationsgesellschaft zu fördern.
205
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
5.6
Förderprogramme im Bereich des
elektronischen Geschäftsverkehrs
Es gibt einige bemerkenswerte Beispiele für nationale oder regionale Regierungen,
die die Einführung des elektronischen Geschäftsverkehrs unterstützen. Eines der
ersten war die französische Minitel-Initiative.
5.6.1
Nationale Programme zur Förderung des elektronischen
Geschäftsverkehrs
TEs gibt mehrere Möglichkeiten, derer sich nationale Regierungen bedienen
können, um einen Beitrag zur Beschleunigung der Einführung des elektronischen
Geschäftsverkehrs zu leisten. Diese beinhalten Förderungen und Vereinfachungen.
Entsprechende Maßnahmen sind:
•
Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs für das öffentliche Auftragswesen
•
Finanzierung von F&E-Programmen
•
Produktion von Mitteilungen
•
Bereitstellung von freiem Webspace
•
Zusammenstellung von Informationen über beste Verfahren
•
Ermöglichung des Zugangs zu Kursmaterialien
•
Bereitstellung eines förderlichen rechtlichen und infrastrukturellen Rahmens für
den elektronischen Geschäftsverkehr
•
Förderung von Web-Kooperationen
•
Verfolgung einer Bildungspolitik, die KMU und Konsumenten den Zugang zum
elektronischen Markt erleichtert.
In Schweden wurde eine Initiative für KMU in Form einer Kooperation zwischen
dem Industrieministerium und einer Privatstiftung1 ins Leben gerufen, um die
Wettbewerbsfähigkeit von KMU durch Kooperation und Internetnutzung zu
verbessern. Dabei sind Studenten damit betraut, KMU das Internet vorzustellen.
Die Sites stellen nützliche Informationen wie TED und Beratung für Produktentwicklungen zur Verfügung. Zusätzlich werden Diskussionsgruppen und Möglichkeiten für die Errichtung eines Extranet für KMU angeboten.
Im Jahr 1998 wurde in Italien ein regelmäßiges Beobachtungsnetz für den elektronischen Geschäftsverkehr eingeführt, um die Entwicklung zu überwachen und
politische Maßnahmen zu diskutieren. Ein Förderprogramm für KMU wird 1999
starten. Ähnlich den Unterstützungszentren im Vereinigten Königreich werden in
Italien „Technical Assistance Centres - TAC” (Technische Assistenzzentren) eingerichtet.
Einige europäische Länder haben hohe Ambitionen in bezug auf das Internet.
Beispielsweise haben die Regierungen Irlands, Finnlands, des Vereinigten Königreichs sowie der Niederlande Aktionspläne gestartet, um eine führende Rolle in
Europa zu übernehmen.
1
The Knut and Alice Wallenberg Foundation (die Knut und Alice Wallenberg Stiftung),
http://www.smelink.se (Stand am 24. September 1999).
206
Elektronischer Geschäftsverkehr und KMU
Fallstudie: Information Society Initiative (ISI)
Das UK Department for Trade and Industry begründete im Jahr 1996 die Information
Society Initiative - ISI (Informationsgesellschaftsinitiative), um Unternehmen darin zu
bestärken, die gesamten Vorteile der explosionsartigen Entwicklung neuer Wege des
Zugangs, des Sendens und der Verwendung von Informationen zu nutzen. Die Zielgruppe sind Unternehmen des Vereinigten Königreichs, insbesondere jene, die noch
wenig Erfahrung mit der Nutzung neuer Technologien haben. Viele der Initiativen
konzentrieren sich besonders auf die Bedürfnisse kleinerer Unternehmen in bezug auf
Entscheidungen über die Einführung von Informationstechnologien in ihren Unternehmen. ISI hat 100 ‘Local Support Centres’ (Lokale Unterstützungszentren) eingerichtet, um den elektronischen Geschäftsverkehr zu fördern und zu lenken. Weitere
31,74 Millionen Euro wurden zur Verfügung gestellt, um sicherzustellen, daß
folgende Ziele erreicht werden:
•
Vervollständigung des landesweiten Netzwerks von Unterstützungszentren in
England
•
Errichtung eines „E-commerce Resource Centre” im Internet
•
Hilfe bei der Entwicklung einer vom privaten Sektor angeführten Initiative zur
Unterstützung von Beratern für Kleinbetriebe - im öffentlichen Sektor, in Banken,
bei Wirtschaftstreuhändern und in anderen Bereichen innerhalb des Landes - um
hochqualitative, konsistente und integrierte Beratungsleistungen für das elektronische Geschäft zu liefern
•
Vergabe eines nationalen Preises für besondere Leistungen in der digitalen Wirtschaft.
Die Initiative läuft bis 2000.
5.7
Politische Empfehlungen
Der elektronische Geschäftsverkehr ist und bleibt ein wichtiges Thema für viele
europäische KMU. Mehr als 20 % der KMU nutzen bereits das Internet für die
Darstellung von Informationen über ihr Waren- und Dienstleistungsangebot. Die
Entwicklung im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs kann wesentliche
Änderungen im Konsumentenverhalten hervorrufen. Die Politik sollte es KMU
ermöglichen, diesen und ähnlichen potentiellen Änderungen am Markt entgegentreten zu können.
Basierend auf den Ergebnissen dieses Kapitels werden folgende Maßnahmen
vorgeschlagen:
•
Unterstützung der Entwicklung in Richtung niedrigerer Kosten für den
Anschluß an das Internet. Die Entwicklung in Island kann als gutes Beispiel
herangezogen werden. Dies könnte die Sorgen der KMU bezüglich des
Konsumentenzugangs zum Online-Markt beseitigen.
•
Das Verfolgen von bildungspolitischen Maßnahmen, um es Konsumenten zu
ermöglichen, an der Online-Gemeinschaft teilzuhaben und den elektronischen Geschäftsverkehr zu nutzen und auch um die Ausbildung von qualifiziertem Personal in diesem Bereich zu unterstützen.
•
Die vermehrte Einbindung von KMU in das öffentliche elektronische Auftragswesen. Der öffentliche Sektor könnte dazu herausgefordert werden, in diesem
207
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Bereich eine Führungsrolle zu übernehmen, indem er den elektronischen
Markt in größerem Ausmaß nutzt. Als Grundlage hierfür wäre eine Studie, die
die Opportunitätskosten im öffentlichen elektronischen Auftragswesen ermittelt, sinnvoll.
•
Die Förderung weitergehender Untersuchungen über die Auswirkungen des
elektronischen Geschäftsverkehrs auf die Leistungsfähigkeit von KMU. Bisher
wurden viele Projekte und KMU-Initiativen zum Einsatz des elektronischen
Geschäftsverkehrs oder die Errichtung von Online-Unternehmensnetzwerken
noch nicht in dieser Hinsicht evaluiert.
•
Die Bereitstellung von Beschreibungen unterschiedlicher Möglichkeiten für
KMU, den Online-Markt zu erschließen, basierend auf Modellen, die von Fallstudien abgeleitet werden. Eine systematische Beschreibung dessen, wie KMU
mit unterschiedlichen Voraussetzungen erfolgreich in den Online-Markt
eingetreten sind sowie zu vermeidender Fallen, könnte die Erfolgsrate der
KMU in bezug auf den Einsatz der Technologie erhöhen.
•
Bereitstellung eines einfacheren rechtlichen Rahmens, um Ländern, die ihre
rechtlichen Rahmenbedingungen noch nicht an die entsprechenden Richtlinien betreffend der Verarbeitung persönlicher Daten1 angepaßt haben, zu
helfen und die Harmonisierung der Konsumentenrechte voranzutreiben. .
1 http://europa.eu.int/comm/dg15/en/media/dataprot/law/impl.htm
16. September 1999).
208
(Stand
am
6
Zugang zu Programmen der
Gemeinschaft
Koordination: das Österreichische Institut für Gewerbe- und Handelsforschung (IfGH)
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE
• Der Anteil der Fördermittel, der im Rahmen der einzelnen Gemeinschaftsprogramme an KMU vergeben wird, variiert zwischen 10 % und 20 %. Während
beispielsweise 11,2 % der gesamten, von der Europäischen Investitionsbank zur
Verfügung gestellten, Kredite an KMU vergeben werden, werden 18,2 % der Strukturfondsmittel (ausgenommen der Zielgebiete 3, 4 und der Gemeinschaftsinitiativen) für Maßnahmen zur Förderung von KMU verwendet. Der Anteil am Gesamtbudget des 4. Rahmenprogramms für FTE, der an KMU vergeben wurde, belief sich
auf 11,1 %. Er blieb damit im Vergleich zum 3. Rahmenprogramm konstant.
• In den vergangenen fünf Jahren haben nur 9 % der KMU im Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz an einem regionalen, nationalen oder europäischen Förderprogramm im Bereich finanzielle Förderung, Aus- und Weiterbildungsunterstützung, Beratung und/oder Information teilgenommen. 69 %
haben niemals eine Antragstellung in Erwägung gezogen, da ihnen die Existenz
derartiger Förderprogramme nicht bekannt war. Weitere 22 % wußten zwar
von dem Bestehen solcher Programme, lehnten aber eine Teilnahme ab oder
erhielten keine Bewilligung für eine Teilnahme.
• Ein Fünftel der KMU, die über die Existenz europäischer Förderprogramme
informiert sind, jedoch noch nicht an solchen teilgenommen haben, gehen
davon aus, daß die Teilnahme an Programmen der Gemeinschaft zu kompliziert
ist. Weiteren 15 % fehlt es an Informationen über die entsprechenden Teilnahmemöglichkeiten. Immerhin 18 % geben an, daß es für sie auf europäischer
Ebene keine geeigneten Programme gibt.
• Für 50 % der KMU, die an Programmen der Gemeinschaft teilgenommen
haben, stellte die Informationsbeschaffung nach wie vor das größte Hindernis
dar. 30 % leideten unter der zeitlichen Verzögerung zwischen der Antragstellung und dem Projektbeginn und weitere 30 % empfanden die komplizierten
Antragsverfahren und administrativen Anforderungen als größtes Hindernis.
• Während nur 10 % der Unternehmen, die an Programmen der Gemeinschaft
teilgenommen haben, keine größeren Barrieren sahen, beträgt dieser Anteil im
Rahmen von regionalen oder nationalen Förderprogrammen mehr als 20 %.
• Während der Ausnutzungsgrad der Fördermittel innerhalb von ADAPT bis Ende
1998 recht hoch war (z. B. 95 % in Dänemark, 91 % in Deutschland, 92 % in Finnland und 100 % im Vereinigten Königreich), wurde innerhalb des gleichen Zeitraumes ein nur sehr kleiner Anteil der Mittel für die KMU-Initiative ausgeschöpft
(26 % in Dänemark, 55 % in Deutschland (Thüringen) und 47 % in Finnland).
• Barrieren für den Zugang von KMU zu den Gemeinschaftsinitiativen KMU und
ADAPT scheinen innerhalb der KMU-Initiative höher zu sein als bei ADAPT.
209
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Dennoch hindern Informationsbeschaffung, komplizierte Antragsverfahren und
administrative Anforderungen sowie die zeitliche Verzögerung zwischen Antragstellung und Projektbeginn KMU daran, an beiden Initiativen teilzunehmen.
6.1
Einleitung
Der Europäischen Union ist die Bedeutung von KMU für die Schaffung von Arbeitsplätzen und wirtschaftlichem Wohlstand bewußt. Daher ist es das Ziel der Koordinierung der Unternehmenspolitik für KMU, die im Integrierten Programm für die
KMU und das Handwerk1 festgehalten ist, zu gewährleisten, daß die KMU-Dimension bei der Ausarbeitung und Umsetzung der Gemeinschaftspolitik berücksichtigt
und die Beteiligung von KMU an den Gemeinschaftsprogrammen gesteigert wird.
Die Kommission betonte 1997 in ihrem Bericht über die Koordinierung der Gemeinschaftsmaßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und das Handwerk2,
daß sich der Zugang zu Programmen der Gemeinschaft für KMU verbessert hat.
Trotzdem könnte und sollte dieser weiter gesteigert werden. Daher schien es notwendig,
die Teilnahme von KMU an Gemeinschaftsprogrammen zu messen und jene Barrieren zu
identifizieren, die KMU daran hindern, sich an den europäischen Förderprogrammen zu
beteiligen. Es ist das Ziel dieses Kapitels, zu dieser Analyse beizutragen.
6.2
Teilnahme von KMU an Interventionen der
Gemeinschaft
Die Teilnahme von KMU an Interventionen der Gemeinschaft ist von Programm zu
Programm verschieden, wobei einige „KMU-freundlicher” sind als andere.
Aussagen in bezug auf den Zugang von KMU zu bestimmten Initiativen der
Gemeinschaft werden jedoch stark von der Art der zugrundeliegenden Indikatoren
beeinflußt. Die Analyse des Anteils der an einem bestimmten Programm teilnehmenden KMU aus unterschiedlichen Ländern kann zum Beispiel zu anderen Ergebnissen führen als die Analyse des Anteils von KMU pro Land, die an einem
bestimmten Programm teilnehmen. Die Auswahl des Indikators hängt dabei
sowohl von der Art des zugrundeliegenden Programms als auch von der Verfügbarkeit der Daten ab. Um einen umfassenden Einblick in diesen Untersuchungsgegenstand zu ermöglichen, werden in diesem Abschnitt unterschiedliche Indikatoren für die Analyse der Teilnahme von KMU an den verschiedenen Gemeinschaftsprogrammen verwendet. Die Bewertung wird für jene Interventionen
durchgeführt, die den vorgeschlagenen Maßnahmen im Dritten Mehrjahresprogramm für KMU3 entsprechen. Die Internationalen Kooperationsprogramme
werden dabei nicht betrachtet.
Europäische Investitionsbank (EIB)
Die Hauptaufgabe der Europäischen Investitionsbank (EIB) besteht darin, durch
ihre langfristigen Kredite zur Integration, ausgeglichenen Entwicklung und dem
1
Europäische Kommission, Integriertes Programm für KMU und das Handwerk, KOM(94)
207 endg., Brüssel, 3. Juni 1994, und KOM(96) 329 endg., Brüssel, 10. Juli 1996.
2
Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und
Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen, KOM(97) 610 endg., Brüssel, 1997.
3
Europäische Kommission, Drittes Mehrjahresprogramm für KMU in der Europäischen
Union (1997-2000), Brüssel, 9. Dezember 1996.
210
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in den Mitgliedstaaten der Union
beizutragen. Mit dem Ziel, KMU sowie kleine und mittlere Investitionsvorhaben zu
unterstützen, hat die EIB bereits 1968 ein dezentralisiertes Finanzierungskonzept in
Form von „Globaldarlehen”1 geschaffen. Diese werden zwischengeschalteten
Finanzierungsinstitutionen und Banken eingeräumt und von diesen zur Finanzierung von kleinen und mittleren Investitionsvorhaben in den Sektoren Industrie,
Dienstleistung, Gesundheit, Bildung und Infrastruktur vergeben. Gemeinden oder
Unternehmen, die weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigen, können von der
Vergabe dieser Kredite profitieren2.
Im Zeitraum 1994-1998 hat die EIB insgesamt 105 000 Millionen Euro für Kapitalinvestitionen in der Europäischen Union zur Verfügung gestellt. Von diesem
Betrag wurden etwa 11 600 Millionen Euro an 50 000 KMU in Form von
„Globaldarlehen”3 vergeben, was einem Anteil von 11,2 % an dem von der EIB
gewährten Gesamtfinanzierungsvolumen entspricht. Rund 8 000 Millionen Euro
kamen Vorhaben in der Industrie zugute, während 3 600 Millionen Euro den
Dienstleistungs- und insbesondere den Fremdenverkehrssektor betrafen. Eine
Analyse der begünstigten KMU unterstreicht dabei die Dominanz von Kleinbetrieben, 85 % des insgesamt vergebenen Betrages entfielen auf Unternehmen
mit weniger als 50 Beschäftigten4. Tabelle 6.1 zeigt eine Aufgliederung der von
der EIB im Zeitraum 1994-1998 an KMU vergebenen Globaldarlehen nach
Ländern.
Die Verteilung der Globaldarlehen läßt beträchtliche Unterschiede zwischen den
einzelnen Mitgliedstaaten erkennen. Beispielsweise wird in Österreich und Belgien
ein Großteil der EIB-Darlehen an KMU vergeben, was dazu führt, daß eine große
Anzahl von Betrieben von verhältnismäßig hohen Kreditbeträgen profitiert, dies
vor allem in Österreich, wo das Gesamtfinanzierungsvolumen pro Unternehmen
über dem EU-Durchschnitt liegt. Demgegenüber haben in Schweden, Portugal
und Luxemburg Globaldarlehen für KMU einen sehr geringen Anteil am Gesamtfinanzierungsvolumen der EIB. Diese Darlehen werden an nur wenige KMU
vergeben, da jedoch das EIB-Gesamtfinanzierungsvolumen pro Unternehmen in
diesen Ländern relativ hoch ist, führt dies zu entsprechend hohen Kreditvolumina,
vor allem in Luxemburg, wo der Finanzierungsbetrag pro Unternehmen der
höchste innerhalb der EU ist.
1997 hat die EIB für einige bewährte zwischengeschaltete Partnerinstitute ein
neues Konzept, den sogenannten „Portefeuille-Ansatz”, eingeführt. Bei diesem
Ansatz erfolgt die Finanzierung der Projekte nicht mehr auf individueller Basis,
sondern pauschal in Form einer Refinanzierung eines Teils der Kredite des betreffenden Instituts. 1998 wurden vier Operationen mit drei verschiedenen Partnerinstituten mit einem Gesamtbetrag von 1 640 Millionen Euro zur Unterstützung
kleiner und mittlerer Investitionsvorhaben sowie von KMU unterzeichnet. Parallel
dazu hat die EIB im Rahmen des Amsterdamer Sonderaktionsprogramms
gemeinsam mit dem Bankensektor die „KMU-Spezialfazilität” eingerichtet, die
auf die Entwicklung von Risikokapitalinstrumenten zur Finanzierung von hochtechnologie- und wachstumsorientierten KMU abzielt. Bis Ende 1998 wurden im
Rahmen der KMU-Spezialfazilität Verträge im Gegenwert von 393 Millionen Euro
1
Großprojekte (über 25 Millionen Euro) werden von der EIB durch ‘Einzeldarlehen’
finanziert, die mit Förderern sowohl aus dem öffentlichen als auch aus dem privaten Sektor,
inklusive der Banken abgeschlossen werden.
2
http://www.eib.org/loans/cbceu98.htm, Stand am 6. Juli 1999.
3
Die Definition von KMU beinhaltet hier auch Unternehmen mit 250 bis 500 Beschäftigten.
4
Europäische Kommission, 41. Jahresbericht der Europäischen Investitionsbank, Brüssel,
1999.
211
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Table 6.1 Verteilung der EIB Darlehen nach Ländern, 1994-1998
Traditionelle Globaldarlehen*
Anzahl der
Durchschnittlicher Betrag
begünstingen
per begünstigtem KMU
KMU per 100 000**
KMU (EUR 1 000)
A
B
DK
D
EL
E
F
FIN
IRL
I
L
NL
P
S
UK
EU
204
283
468
110
17
132
1 344
41
638
128
27
56
44
20
133
265
863
470
208
500
1 396
249
71
679
229
795
750
471
454
286
264
237
Anteil der
Globaldarlehen
an KMU***
23,4
27,0
5,8
11,2
4.3
5,4
15,6
3,9
9,0
18,3
1,0
6,0
2,1
0,5
9,4
11,2
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Finanzierungsbetrag der EIB per
Unternehmen****
(EUR)
7
4
16
4
5
6
6
7
16
5
19
4
9
9
3
5
500
900
700
900
600
100
100
000
000
500
300
400
400
500
700
600
*
1997 führte die EIB eine neue Form von Globaldarlehen ein, denen der Portefeuille-Ansatz zugrunde
liegt. Diese sind hier nicht berücksichtigt.
**
Anzahl der KMU, die Globaldarlehen erhalten haben, pro 100 000 Klein- und Mittelunternehmen.
*** Anteil der traditionellen Globaldarlehen für KMU am Gesamtfinanzierungsvolumen der EIB.
**** Gesamtfinanzierungsvolumen per Unternehmen aus dem nicht-primären Sektor.
Quelle: Europäische Kommission, 41. Jahresbericht der Europäischen Investitionsbank, Brüssel, 1999, und
http://www.eib.org/loans/cbceu98.htm (Stand am 6. Juli 1999); Berechnungen des IfGH.
für 16 Operationen unterzeichnet, welche auf Risk-sharing Vereinbarungen in 12
verschiedenen Ländern basieren.1
Europäischer Investitionsfonds (EIF)
Der Europäische Investitionsfonds ist eine Finanzierungsinstitution, die von der
Europäischen Union und den privaten und öffentlichen Finanzinstituten aller 15
Mitgliedsländer als Joint Venture ins Leben gerufen wurde. Das Ziel des EIF besteht
darin, die Integration der Union durch die Förderung mittel- und langfristiger Investitionen in zwei essentiellen Bereichen für die Entwicklung der europäischen Wirtschaft zu fördern: (1) Trans-Europäische Netze (TEN), welche die Bildung von Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor forcieren, sowie
(2) KMU, denen ein vereinfachter und günstiger Zugang zu Fördermitteln ermöglicht werden soll. Der EIF übernimmt Darlehensbürgschaften gegenüber Banken
und Finanzinstituten und unterstützt dadurch Investitionen in den förderwürdigen
Regionen. Von 1994 bis 1997 wurden Bürgschaften für KMU in Höhe von 613,5
1
Europäische Kommission, 41. Jahresbericht der Europäischen Investitionsbank, Brüssel,
1999.
212
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
Millionen Euro gezeichnet, dies entspricht 34 % aller vom EIF übernommenen
Bürgschaften.1
Strukturfonds (1994-1999)
Der Europäischen Union stehen vier Strukturfonds (SF) zur Verfügung, im Rahmen
derer sie finanzielle Unterstützung zur Verminderung von strukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen gewährt:
• Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE, 49,5 % der gesamten
Strukturfondsmittel), der auf die am meisten benachteiligten Regionen abzielt.
• Der Europäische Sozialfonds (ESF, 29,9 % der gesamten Strukturfondsmittel),
der sich auf Berufsbildungsmaßnahmen und Einstellungshilfen konzentriert.
• Der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL,
17,7 % der gesamten Strukturfondsmittel), der die Anpassung der Agrarstrukturen und Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums fördert.
• Das Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei (FIAF, 2,9 % der gesamten
Strukturfondsmittel), das die Anpassung der Fischereistrukturen fördert.2
Im Zeitraum 1994-1999 beliefen sich die Strukturfondsmittel auf 154 500 Millionen
Euro, was rund einem Drittel des Gesamtbudgets der Gemeinschaft entspricht.
Tabelle 6.2 liefert eine länderweise Schätzung des Anteils dieser Mittel, die in dem
entsprechenden Zeitraum für Maßnahmen zugunsten von KMU vergeben wurden.3
Tabelle 6.2 Schätzung der Strukturfondsausgaben (SF), 1994-1999
Durchschnittlicher Betrag
pro KMU* (EUR)
A
B
DK
D
EL
E
F
FIN
IRL
I
L
NL
P
S
UK
EU
68
26
201
491
409
377
235
45
851
231
131
166
41
972
242
209
Anteil der SF Ausgaben
zugunsten von KMU
15,0
13,5
51,6
44,5
13,0
17,3
24,4
10,0
11,0
21,2
30,5
30,4
4,5
72,3
34,2
18,2
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Gesamthöhe der SF
Ausgaben pro
Unternehmen** (EUR)
3 018
1 434
752
2 470
24 178
12 587
3 937
4 502
69 943
5 140
1 399
1 794
20 454
1 854
2 063
6 311
* Durchschnittliche Höhe der Strukturfondsausgaben zugunsten von KMU pro KMU.
** Gesamthöhe der Strukturfondsausgaben pro Unternehmen aus dem nicht-primären Sektor.
Quelle: Europäische Kommission, Thematic Evaluation of Structural Fund Impacts on SMEs (Thematische
Evaluierung der Strukturfondsauswirkungen auf KMU), Synthesis Report, Version 4, Brüssel, 1999.
1
Europäische Kommission, Maßnahmen für die KMU und das Handwerk, Brüssel, 1998.
http://www/inforegio.cec.eu.int/wbpro/prord/prords/prds1_de.htm, Stand am 4. Juli
1999, und http://www.inforegio.cec.eu.int/wbpro/prord/prords/fund/psff_de.htm, Stand
am 4. Juli 1999.
3
Europäische Kommission, Thematic Evaluation of Structural Fund Impacts on SMEs
(Thematische Evaluierung der Strukturfondsauswirkungen auf KMU), Synthesis Report,
Version 4, Brüssel, 1999.
2
213
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Die Analyse zeigt, daß 18,2 % der Strukturfondsmittel (ausgenommen der Zielgebiete 3, 4 und der Gemeinschaftsinitiativen) bzw. 21 300 Millionen Euro direkt für
Maßnahmen zugunsten von KMU vergeben wurden. Verglichen mit der Programmperiode 1989-1993 (in der etwa 10 000 Millionen Euro an KMU vergeben
wurden), stellt dies eine deutliche Zunahme der Mittel für die Förderung von KMU
dar. Die Situation ist jedoch sehr unterschiedlich in den einzelnen Mitgliedstaaten.
Beispielsweise erhält Portugal, ein Ziel-1-Gebiet, einen vergleichsweise hohen
Betrag der Strukturfondsmittel pro Unternehmen, der Anteil zugunsten von KMU
ist dabei jedoch sehr gering. Ähnliches gilt für Griechenland, Spanien und Irland,
wo die Höhe der Strukturfondsausgaben für KMU geringer ist als im EU-Durchschnitt (jedoch in vergleichsweise hohen Beträgen pro KMU resultiert). In den
skandinavischen Ländern wie Schweden und Dänemark werden hingegen mehr als
50 % der Strukturfondsmittel für KMU-fördernde Maßnahmen vergeben. Dies ist
möglicherweise eine Konsequenz der Vorrangigkeit von Investitionen in infrastrukturelle Maßnahmen in besonders entwicklungsschwachen Regionen.
Um Aktionen zu unterstützen, die zur Lösung von Problemen mit besonderer Bedeutung für die Gemeinschaft beitragen, hat die Kommission spezifische strukturpolitische Instrumente, die „Gemeinschaftsinitiativen”, ins Leben gerufen. Für den
Programmzeitraum 1994-1999 sind 13 Gemeinschaftsinitiativen mit einem Gesamtbudget von 13 460 Millionen Euro (9 % der gesamten Strukturfondsmittel) vorgesehen.1 KMU haben Zugang zu jeder dieser Gemeinschaftsinitiativen; da jedoch die
Mitgliedstaaten für die Einführung der Initiativen selbst verantwortlich sind, und die
Finanzierung der Gemeinschaftsinitiativen häufig über zwischengeschaltete Institutionen erfolgt, ist nur wenig Information über die Anzahl der teilnehmenden KMU
bzw. die Höhe der Fördermittel für KMU auf der Projektebene bekannt.
Dennoch beträgt, abgesehen von der KMU-Initiative, die speziell auf Klein- und
Mittelbetriebe ausgerichtet ist und über ein Budget von 1 100 Millionen Euro
verfügt, der KMU-Anteil in der Initiative BESCHÄFTIGUNG-NOW (496 Millionen
Euro, Chancengleichheit für Männer und Frauen), 50 % des Gesamtbudgets. Die
Förderung von Klein- und Handwerksbetrieben ist auch einer der wichtigsten
Aspekte innerhalb der LEADER II Initiative (1 755 Millionen Euro, Entwicklung des
ländlichen Raums) und entspricht etwa 20 % der bewilligten Mittel.2 Auch die
Initiative ADAPT (1 600 Millionen Euro, Anpassung der Erwerbstätigen an den
industriellen Wandel) richtet sich vor allem an Kleinbetriebe mit besonderer
Ausrichtung auf arbeitsorganisatorische Aspekte und Veränderungen durch die
Einführung neuer Technologien. Schließlich enthalten auch INTERREG II (3 472
Millionen Euro, Grenzregionen) und die Initiativen für die industrielle Diversifizierung KONVER (725 Millionen Euro, Diversifizierung der vom Rüstungssektor
abhängigen Gebiete), RECHAR II (453 Millionen Euro, Umstellung der vom Niedergang des Kohlebergbaus betroffenen Gebiete), RESIDER II (568 Millionen Euro,
Umstellung von Eisen- und Stahl produzierenden Gebieten) und RETEX II (596
Millionen Euro, Diversifizierung der vom Textil- und Bekleidungssektor abhängigen
Regionen) Maßnahmen, die sich an die spezifischen Bedürfnisse von KMU richten.
Trotz der Förderung wichtiger Inhalte für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sowie der erfolgreichen Einführung einer Großzahl dieser Konzepte,
wurden der Zusatznutzen und die Transparenz einiger Gemeinschaftsinitiativen
oftmals in Frage gestellt.3 Um diese eindeutiger zu definieren und die Effektivität
1
http://www.inforegio.cec.eu.int/wbpro/prord/guide, Stand am 28. Juni 1999.
Europäische Kommission, Die Strukturfonds in 1997, Neunter Jahresbericht, Brüssel, 1999.
3
Europäische Kommission, The Community Initiatives 2000-2006 (Die Gemeinschaftsinitiativen 2000-2006), Working document of the Commission Services, Commission Work
Programme No. 97/020, Brüssel, 1997.
2
214
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
der Initiativen zu steigern, hat die Europäische Kommission beschlossen, die
Anzahl der Gemeinschaftsinitiativen für die Programmperiode 2000-2006 auf die
folgenden vier zu reduzieren: INTERREG (4 875 Millionen Euro, grenzübergreifende, transnationale und interregionale Kooperation), EQUAL (2 847 Millionen
Euro, transnationale Kooperationen zur Bekämpfung jeglicher Form von Diskriminierung und Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt), LEADER (2 020 Millionen Euro,
Entwicklung des ländlichen Raums) und URBAN (700 Millionen Euro, wirtschaftliche und soziale Sanierung städtischer Problemviertel, mit Fokus auf die Förderung
nachhaltiger Städteentwicklung).1
Viertes Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung (1994-1998)
Das Vierte Europäische Rahmenprogramm (4. RP) für Forschung und technologische Entwicklung (FTE) umfaßte alle EU-finanzierten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im nicht-nuklearen Sektor für den Zeitraum 1994-1998. Um die
Teilnahme von KMU zu fördern und zu vereinfachen, hat die Kommission eine
Reihe spezifischer Maßnahmen eingeführt. Demzufolge konnten KMU auf zwei
wesentliche Arten am 4. Rahmenprogramm teilnehmen:2
• Wie jede EU-Rechtspersönlichkeit (Großunternehmen, Universitäten oder
Forschungsinstitute) hatten sie die Möglichkeit, an einem „kollaborativen
Forschungsprojekt” teilzunehmen, in dem jeder Partner einen Teil der
Forschungstätigkeit übernimmt und die Ergebnisse mit den anderen teilt. Die
Kommission unterstützte diese Projekte mit einer Förderung von 50 % der
Projektkosten jedes Partners.
• Sie konnten an den Technologiefördermaßnahmen für KMU (TFMU) teilnehmen, die innerhalb von 9 Programmen eingeführt wurden und zwei
Möglichkeiten für KMU boten:
- „Sondierungsprämien”, im Rahmen derer KMU Zuschüsse (bis zu 75 %) für
die erfolgreichere Ausarbeitung von Forschungsvorschlägen erhielten
(sowohl für kollaborative als auch für kooperative Forschungsprojekte).
- „Kooperative Forschungsprojekte (CRAFT)”, die es Gruppen von KMU, mit
ähnlichen technischen Problemen und unzureichenden eigenen Forschungskapazitäten gestatten, Dritte (sogenannte „FTE-Dienstleister”) mit der
Durchführung von Forschungsarbeiten in ihrem Auftrag zu betrauen. Die
Kommission unterstützte diese Forschungsprojekte mit einer Förderung von
bis zu 50 % der gesamten Projektkosten.
In Abbildung 6.1 ist die Anzahl der teilnehmenden KMU für beide Maßnahmen
dargestellt. Insgesamt nahmen 4 300 KMU aus der EU sowie Island, Norwegen
und der Schweiz an der TFMU teil3, was 23 KMU pro 100 000 Unternehmen innerhalb des entsprechenden Gebietes entspricht. Deutliche Unterschiede zeigen sich
jedoch nach Ländergröße. Während der Anteil der KMU, die an der TFMU teilnahmen, in Irland, Island und den Niederlanden vergleichsweise hoch ist, hinken
Länder wie Italien, Spanien und Deutschland nach. Auf der anderen Seite profitierte ein relativ großer Anteil von KMU aus den neuen Mitgliedstaaten Österreich,
Schweden und Finnland von den Technologiefördermaßnahmen.
1 Europäische Kommission, Schlußfolgerungen des Vorsitzes – Europäischer Rat Berlin, 24. und
25. März 1999, Brüssel, 1999, und http://www.inforegio.org/wbnews/reform/reform5_de.htm
(Stand am 29. Juli 1999).
2
Im Vierten Rahmenprogramm enthielt die Definition von KMU auch Unternehmen mit
250 bis 500 Beschäftigten.
3
Europäische Kommission, Framework Programme IV, SME Participation 1994-1998 (4.
Rahmenprogramm, Teilnahme von KMU 1994-1998), Entwurf, Brüssel, 1998.
215
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Abbildung 6.1 Teilnahme von KMU an der TFMU nach Ländern (Anzahl der unterzeichneten Verträge pro 100 000 Klein- und Mittelunternehmen),
1994-1998
140
120
100
80
60
40
20
0
A
B
DK
D
EL
E
F
FIN
IRL
I
L
Sondierungsprämien
Quelle:
NL
P
S
UK
IS
NO
CH
Kooperative Forschung
Europäische Kommission, Framework Programme IV, SME Participation 1994-1998 (4. Rahmenprogramm, Teilnahme von KMU 1994-1998), Entwurf, Brüssel, 1998, und ENSR, Das europäische
Beobachtungsnetz für KMU, Fünfter Jahresbericht, 1997; Berechnungen des IfGH.
Die Verteilung nach Größenklassen in Tabelle 6.3 zeigt, daß mehr als 60 % aller
KMU, die innerhalb des 4. Rahmenprogramms an kooperativen Forschungsprojekten teilgenommen haben, über weniger als 50 Beschäftigte verfügen. Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten stellen nur 6 % der Auftragnehmer und
gehören meist den eher traditionellen Sektoren wie Bauwesen, Nahrungsmittel,
Bergbau, Textil- und Holzgewerbe an.1
Tabelle 6.3 Verteilung der KMU, die am 4. Rahmenprogramm teilgenommen haben,
nach Größenklassen, 1994-1998
Größenklasse
Sondierungsprämie
1-50 Beschäftigte
51-100 Beschäftigte
101-250 Beschäftigte
251-500 Beschäftige
Gesamt
Quelle:
72,6
13,4
11,1
2,9
%
%
%
%
100,0 %
Kooperative Forschung
62,0
15,8
15,9
6,3
%
%
%
%
100,0 %
Europäische Kommission, 4. Rahmenprogramm, Teilnahme von KMU 1994-1998, Entwurf, Brüssel,
1998.
1
Europäische Kommission, 4. Rahmenprogramm, Teilnahme von KMU 1994-1998,
Entwurf, Brüssel, 1998
216
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
Durch die Einführung der Technologiefördermaßnahmen für KMU im Vierten FTERahmenprogramm sind die EU-Förderausgaben für KMU (1 115 Millionen Euro) absolut betrachtet - im Vergleich zum Dritten Rahmenprogramm (732 Millionen
Euro) deutlich gestiegen. Der Anteil der Förderausgaben für KMU am Gesamtbudget des 4. RP (11,1 %) blieb jedoch gegenüber dem 3. RP (Gesamtbudget:
6 600 Millionen Euro; EU-Förderausgaben für KMU: 732 Millionen Euro) konstant.
Tabelle 6.4 zeigt eine Aufgliederung der EU-Förderausgaben für KMU innerhalb
des 4. RP nach Programmen.
Tabelle 6.4 EU Förderausgaben für KMU nach Programmen im 4. RP, 1994-1998
Industrielle Technologien
Biowissenschaften
Umwelt
Erneuerbare Energie
Verkehr
Telematik
ACTS
ESPRIT
4. RP
Quelle:
Anzahl der
teilnehmenden
KMU
Durchschnittlicher
Betrag pro
teilnehmendem
KMU (EUR 1 000)
6 452
1 410
439
1 093
668
904
373
1 026
67
69
82
142
79
95
110
207
12 365
90
Anteil der
Fördermittel
für KMU
20,3
5,7
3,1
14,4
20,2
9,4
6,1
10,2
%
%
%
%
%
%
%
%
11,1 %
Anteil am
Gesamtbudget
des 4. RP
21,4
17,1
11,6
10,7
2,6
9,1
6,7
20,8
%
%
%
%
%
%
%
%
100,0 %
Europäische Kommission, 4. Rahmenprogramm, Teilnahme von KMU 1994-1998, Entwurf, Brüssel, 1998,
und http://www.cordis.lu/src/i_004_en.htm, Stand am 6. Juli 1999, Berechnungen des IfGH.
Im Zeitraum 1994-1999 nahmen 12 365 KMU am Vierten Rahmenprogramm für
Forschung und technologische Entwicklung teil (verglichen mit 5 424 im
Dritten Rahmenprogramm) und erhielten eine durchschnittliche Förderung in
Höhe von 90 000 Euro. Während jedoch einige der thematischen Programme
recht gut für KMU geeignet scheinen (z. B. Industrielle Technologien, Erneuerbare
Energie und Verkehr), beträgt der KMU-Anteil am Gesamtbudget innerhalb der
Programme Biowissenschaften oder Umwelt weniger als 6 %.
Um die Beteiligung von KMU an Forschungs- und technologischen Entwicklungsprogrammen der Europäischen Union stärker zu fördern, wird KMU im Fünften
FTE-Rahmenprogramm vermehrte Aufmerksamkeit gewidmet, wobei sie neben der
Sondierungsprämie und CRAFT von spezifischen KMU-Maßnahmen, wie eine
offene Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen, verbesserte Teilnahmebedingungen oder vereinfachte Antragsverfahren, profitieren können. Zusätzlich
wurde innerhalb des Fünften Rahmenprogramms ein zentraler KMU-Helpdesk
geschaffen.
LIFE
LIFE ist ein Finanzierungsinstrument für drei Hauptgebiete: Umwelt, Natur und
Drittländer. Während die Teilnahme von KMU an LIFE-Natur und LIFE-Drittländer
traditionell niedrig ist, werden KMU in erster Linie durch LIFE-Umwelt unterstützt.
Von 1993-1995 (die erste Phase von LIFE) wurden im Rahmen von LIFE-Umwelt
394 Demonstrationsprojekte in den Mitgliedstaaten durch EU-Fördermittel in Höhe
217
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
von 145,9 Millionen Euro kofinanziert. 1996 und 1997 wurden weitere 215
Projekte unterstützt. Schätzungsweise 250 dieser Projekte betrafen KMU, die etwa
40 % der Fördermittel innerhalb von LIFE erhielten.1
6.3
Barrieren für die Teilnahme von KMU an
Programmen der Gemeinschaft
Die Gründe für KMU, an bestehenden Förderprogrammen nicht teilzunehmen,
unterscheiden sich beträchtlich, wobei Barrieren und Hindernisse in bezug auf den
Zugang zu solchen Programmen nur einen Teil dieser Gründe darstellen. Um eine
genauere Vorstellung darüber zu erhalten, was unter „Barrieren” und „Hindernissen” zu verstehen ist (und dadurch diese Konzepte von anderen Gründen für
die Nicht-Inanspruchnahme der angebotenen Fördermittel unterscheiden zu
können), erscheint es hilfreich, zu betrachten, warum ein KMU oder ein Unternehmen im allgemeinen an einer bestimmten Fördermaßnahme nicht teilnimmt.
Selbstverständlich verfolgt jedes Programm eine politische Intention, die normalerweise nicht (ausschließlich) in der Förderung von Unternehmen per se liegt. Das
Anstreben eines bestimmten wirtschaftspolitischen Zieles bedingt auf der Programmebene meist die Konzentration auf eine bestimmte Gruppe von Unternehmen
(oder Projekten) und damit das Ausschließen anderer Unternehmen (oder
Projekte) von der Teilnahme. Mit anderen Worten, das Festlegen bestimmter
Grundvoraussetzungen für Unternehmen stellt eine notwendige Bedingung für das
Erreichen der Programmziele dar. Beispielsweise wird ein Programm zur Förderung
von Grenzregionen Unternehmen von der Teilnahme ausschließen, die sich außerhalb des Grenzgebietes befinden. Ein Programm, das für die Restrukturierung eines
bestimmten Industriezweiges entwickelt wurde, wird nur Unternehmen dieses
Industriezweiges offen stehen. Dementsprechend können Anforderungen, die für
die politische Absicht des Förderprogramms essentiell sind, der Grund für eine
niedrige Inanspruchnahme des Programms durch Unternehmen sein, sie lassen
sich jedoch nicht als Barriere oder Hindernis in bezug auf den Zugang zu dem
Programm definieren. Natürlich ist die Unterscheidung zwischen einer „essentiellen” und einer „nicht-esentiellen” Anforderung nicht immer eindeutig.
Das gleiche gilt im entgegengesetzten Fall: Ein Unternehmen ist möglicherweise
nicht an der Durchführung eines Projektes oder eines Vorhabens interessiert, das
die „essentiellen” Anforderungen des Programms erfüllt. Zum Beispiel, wenn ein
Unternehmen nicht bereit ist und/oder keinen Bedarf darin sieht, die Höherqualifizierung seiner Mitarbeiter sicherzustellen, so kann dies ein Grund für die Nicht-Teilnahme sein und darüber hinaus zu einer niedrigen Anzahl an Teilnehmern in dem
entsprechenden Förderprogramm führen. Eine solche Indifferenz gegenüber den
grundlegenden Inhalten der Unterstützung kann jedoch nicht als Barriere oder
Hindernis für die Teilnahme von KMU bezeichnet werden. Zusammenfassend gilt,
daß Barrieren in bezug auf den Zugang zu einem Programm nur für jene tatsächlichen/potentiellen KMU-Vorhaben oder KMU-Projekte bestehen können, die
bereits die „essentiellen” Vorraussetzungen des Förderprogramms erfüllen.
6.3.1 Bekanntheit und Teilnahme
Die erste Voraussetzung für die Teilnahme an einem regionalen, nationalen oder
europäischen Förderprogramm ist natürlich, daß sich die Unternehmen der
1
Europäische Kommission, Die Strukturfonds in 1997, Neunter Jahresbericht, Brüssel,
1999.
218
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
Existenz des Programms bewußt sind. Mit anderen Worten, die Unkenntnis einer
Unterstützungsmaßnahme ist logischerweise die erste Hürde, die es zu überwinden gilt. Selbst ein perfekt gestaltetes KMU-freundliches Programm ist ineffektiv, wenn das Programm nicht bekannt ist. „Man wird nicht nach etwas suchen
oder etwas nutzen, wenn man nicht weiß, daß es existiert.”
In welchem Ausmaß läßt sich eine niedrige Teilnahmerate (d. h. der Anteil der
KMU, die an einem Förderprogramm teilnehmen) auf einen geringen Bekanntheitsgrad (der Anteil der KMU, die von der Existenz des Programmes wissen)
zurückführen? Ergebnisse des ENSR Enterprise Survey 1999 zeigen, daß in den
vergangenen fünf Jahren nur 9 % der KMU in Europa-19 an einem von regionalen,
nationalen oder europäischen Institutionen angebotenen Förderprogramm im
Bereich finanzielle Unterstützung, Ausbildungsunterstützung, Beratung oder Information teilgenommen haben. Von 100 KMU haben 69 nie eine Beantragung in
Erwägung gezogen, da sie nicht einmal von der Existenz eines Programms
wußten. Weitere 22 Unternehmen, denen die Existenz eines Programms bewußt
war, lehnten eine Teilnahme ab oder erhielten keine Bewilligung für eine Teilnahme. Es blieben schließlich nur 9 KMU, die tatsächlich teilnahmen (siehe Abbildung 6.2).
Abbildung 6.2 Filterungsprozeß der Teilnahme von KMU an regionalen, nationalen
oder europäischen Förderprogrammen
100 KMU
Mangelnde Bekanntheit
31 KMU
Andere Gründe
9 KMU
Andere Gründe
Mangelnde Bekanntheit
Auf den ersten Blick scheint es, als wäre der niedrige Bekanntheitsgrad die bedeutendste Barriere, da er mehr als zwei Drittel aller KMU ausfiltert, während andere
Gründe nur für wenig mehr als ein Fünftel der potentiellen Antragsteller verantwortlich sind. Betrachtet man jedoch die 31 % der informierten KMU, so haben
wiederum nur etwa 30 % dieser Unternehmen an einem Förderprogramm teilgenommen. Aus dieser Perspektive ist es offensichtlich, daß einem niedrigen
Bekanntheitsgrad mehr oder weniger die gleiche Bedeutung zukommt wie
anderen Gründen, nicht an einem Programm teilzunehmen.1
Es ist darauf hinzuweisen, daß unter „andere Gründe” sowohl eine Reihe spezifischer Hindernisse (siehe folgender Abschnitt) als auch ein allgemeines Desinteresse
in bezug auf die Nutzung bestehender Unterstützungsmaßnahmen zusammenge-
1
Genaugenommen setzt diese Aussage voraus, daß die Teilnehmerrate der derzeit uninformierten Betriebe, wenn diese von der Existenz eines Förderprogrammes erführen,
wiederum ungefähr 30 % betragen würde.
219
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
faßt werden. Letzterer Faktor mag zwar keine Barriere oder Hürde in dem hier definierten Sinn darstellen, er führt jedoch trotzdem zu niedrigen Teilnahmeraten. In
bezug auf Programme der Gemeinschaft gab zum Beispiel jedes fünfte antwortende Unternehmen im Rahmen des ENSR Enterprise Survey 1999 „kein Interesse”
als Grund für die Nicht-Teilnahme an. Dies jedoch unterstreicht wieder die Bedeutung eines niedrigen Bekanntheitsgrades als Hindernis für höhere Teilnahmeraten
an Förderprogrammen.
Es gibt deutliche Hinweise darauf, daß sowohl die Teilnahmerate als auch der
Bekanntheitsgrad (oder, anders formuliert, die Wahrscheinlichkeit, daß einem
bestimmten Unternehmen die Existenz eines Förderprogramms bekannt ist und/oder
es daran teilnimmt) signifikant positiv von der Unternehmensgröße abhängt.
Während die Durchschnittsgröße in der gesamten Stichprobe des ENSR Enterprise
Survey 1999 5,1 Beschäftigte beträgt, beschäftigen Unternehmen, die über die
Existenz von Förderprogrammen informiert sind, durchschnittlich 7,1 Mitarbeiter
(siehe Tabelle 6.5). Die Durchschnittsgröße der Unternehmen, die bereits an derartigen Programmen teilgenommen haben, ist sogar noch größer (11,2 Beschäftigte).
Tabelle 6.5 Durchschnittliche Größe der KMU, die sich der Existenz von Förderprogrammen bewußt sind und an solchen teilnehmen (Anzahl der
Beschäftigten), Europa-19
Bekanntheit
Teilnahme
Ja
Nein
Gesamt
7,1
11,2
4,2
5,4
5,1
7,1
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Eine andere Darstellung des gleichen Phänomens zeigt Tabelle 6.6. Von den Unternehmen ohne Beschäftigte sind nur 28 % der Antwortenden von der Existenz bestehender Fördermaßnahmen informiert, und nur 22 % von ihnen haben tatsächlich an
einem solchen Programm teilgenommen (d. h. 6 % der Teil-Stichprobe „Unternehmen ohne Beschäftigte”). Im Vergleich dazu sind 58 % der Mittelbetriebe informiert und etwa 34 % haben tatsächlich teilgenommen. Demnach steigt die Bedeutung mangelnder Information und anderer Gründe für die Nicht-Teilnahme mit
sinkender Unternehmensgröße. Größere Unternehmen sind besser informiert und
eher in der Lage, bestehende Hindernisse zu überwinden.1 Bemerkenswerterweise
bleibt jedoch die relative Bedeutung des Bekanntheitsgrades und der entsprechenden
anderen Gründe (d. h. das Verhältnis zwischen „Teilnahmerate 1” und „Bekanntheitsgrad”) mehr oder weniger konstant über die Größenklassen.
Eine Differenzierung der Größenklassen nach Art des Programms zeigt, daß Teilnehmer an Programmen der Gemeinschaft im Durchschnitt deutlich größer sind
als Teilnehmer an Programmen, die von nationalen oder regionalen Regierungen
angeboten werden. Während die durchschnittliche Unternehmensgröße in
Programmen der Gemeinschaft 17,6 Beschäftigte beträgt, liegen die entsprechenden Werte für regionale und nationale Programme bei 9,4 bzw. 13,2. Hindernisse zu EU-Programmen, sei es der Bekanntheitsgrad oder andere Gründe,
scheinen demnach für kleinere Unternehmen besonders hoch zu sein.
1
Durch diese Tatsache läßt sich zum Teil auch die statistisch signifikante Korrelation
zwischen der Bekanntheit öffentlicher Ausschreibungsverfahren und der Bekanntheit von
Förderprogrammen bei KMU erklären. Auch die Bekanntheit von Ausschreibungsverfahren
ist bei größeren KMU höher (siehe auch Kapitel 2 dieses Berichtes).
220
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
Tabelle 6.6 Bekanntheitsgrad und Teilnahmerate in bezug auf Förderprogramme nach
Größenklasse (% der Unternehmen), Europa-19
Größenklasse
Bekanntheit
0 Beschäftigte
1-9 Beschäftigte
10-49 Beschäftigte
50-249 Beschäftigte
Gesamt
28
33
44
58
31
%
%
%
%
%
Teilnahmerate 1*
22
33
50
58
30
%
%
%
%
%
Teilnahmerate 2**
6
11
22
34
9
%
%
%
%
%
*
Teilnahmerate 1: Anzahl der Unternehmen, die von der Existenz eines Förderprogramms wissen, als
Bezugsgröße.
** Teilnahmerate 2: Gesamtanzahl der Unternehmen als Bezugsgröße.
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Zudem sind bei Betrachtung der von regionalen, nationalen oder europäischen
Institutionen angebotenen Förderprogramme signifikante Unterschiede im
Bekanntheitsgrad und der Teilnahmerate1 nach Ländern zu beobachten (siehe
Abbildung 6.3). Ein deutlicher Zusammenhang zwischen diesen beiden Konzepten
ist nicht erkennbar, jedoch zeigt sich eine leicht negative Korrelation. Dieses
Ergebnis erscheint aus mehreren Gründen plausibel. In Ländern, die eine Strategie
der Konzentration von Mitteln auf bestimmte Gruppen von Unternehmen
verfolgen, wird der Bekanntheitsgrad von Maßnahmen bei KMU im allgemeinen
niedrig sein. Gleichzeitig dürfte die Inanspruchnahme von Förderungen innerhalb
dieser Gruppe von Unternehmen eher hoch sein. Im Gegensatz dazu werden
Länder, die ihre Mittel breit streuen oder große Anstrengungen für die Bekanntmachung von Programmen unternehmen, hohe Bekanntheitsgrade bei gleichzeitig relativ niedrigen Teilnahmeraten aufweisen, beispielsweise aufgrund von
beschränkten Budgets.
Österreich, Spanien, Frankreich und Portugal zeigen gleichzeitig relativ hohe
Bekanntheitsgrade und mittlere Teilnahmeraten. Ein vergleichsweise niedriger
Bekanntheitsgrad ist in Norwegen, Griechenland und Island erkennbar. In Finnland
wird eine eher hohe Teilnahmerate von einem unterdurchschnittlichen
Bekanntheitsgrad begleitet.
Es ist davon auszugehen, daß fast jedes KMU durch irgendein Förderprogramm
angesprochen wird. Deshalb erscheint es sinnvoll, die obige Analyse basierend
auf KMU und Förderprogrammen im allgemeinen durchzuführen. Eine vergleichbare Analyse auf Basis spezifischer Programme ist wesentlich schwerer durchzuführen, da sie die Identifizierung der potentiellen Adressaten erfordern würde,
um valide Bekanntheitsgrade zu berechnen. Dennoch führen Evaluationsstudien
einzelner Programme wiederholt den niedrigen Bekanntheitsgrad als einen der
Hauptgründe für die geringe Teilnahme an den analysierten Maßnahmen an.
Beispielsweise gaben im Rahmen der „British Small Firms Training Loans - SFTL”
(Ausbildungskredite für britische Kleinbetriebe) 38 % der Antwortenden auf die
Frage, was ihrer Meinung nach der Grund für die niedrige Inanspruchnahme des
Förderprogramms durch Kleinbetriebe sei, an, daß den Betrieben die Existenz
von SFTL nicht bewußt wäre. Weitere 17 % verwiesen auf die fehlende Bekannt-
1
Berechnet mit der Anzahl der Unternehmen, die über die Existenz von Förderprogrammen informiert sind, als Bezugsgröße (Teilnahmerate 1).
221
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Abbildung 6.3 Bekanntheitsgrad und Teilnahmerate* von KMU in bezug auf Förderprogramme, nach Ländern (% der Unternehmen)
60
FIN
B
50
IRL
NO
CH
LI
40
AT
Teilnahmerate
F
P
GR
30
S
IS
I
DK
D
E
L
UK
20
NL
10
0
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
Bekanntheitsgrad
* Anzahl der Unternehmen, die über die Existenz von Förderprogrammen informiert sind, als Bezugsgröße.
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
machung und Werbung.1 Gemäß einer Untersuchung des Ministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten in den Niederlanden, identifizierten Unternehmer
von KMU die Tatsache, daß die Förderprogramme nicht bekannt sind, als eines der
Hauptprobleme. Die Ergebnisse einer Studie über EU-Finanzierung und Unternehmen in Finnland2 sind ähnlich: Der offensichtlichste Grund für die niedrige Teilnahme war die niedrige Bekanntheit der Fördermaßnahmen und der dadurch
gebotenen Möglichkeiten. Schließlich gaben in Zusammenhang mit einem
Programm zur Förderung von Unternehmensgründungen in Deutschland mehr als
25 % der befragten Unternehmensgründer in der Region Brandenburg an, daß
ihnen die Existenz des betreffenden Programms nicht bekannt war.3
6.3.2
Gründe für KMU, an Programmen der Gemeinschaft nicht
teilzunehmen
Wenn die Barriere der mangelnden Bekanntheit überwunden ist, kann es andere
Hindernisse geben, die KMU von der Teilnahme an Programmen der Gemeinschaft
abhalten. Diese können auf einer starken Ablehnung der betreffenden Programme
basieren, die zu der Entscheidung führt, nicht teilzunehmen, oder auf bestehenden
Vorurteilen in bezug auf eine Teilnahme, die KMU davon abhalten, sich an Gemeinschaftsprogrammen zu beteiligen. Einige dieser Hindernisse mögen jenen ähnlich
sein, die von KMU genannt wurden, die bereits teilgenommen haben. Jedoch
1
Maton, K., Evaluation of Small Firms Training Loans (Evaluierung der Ausbildungskredite
für Kleinbetriebe), DfEE Publications, UK Research Partnership Ltd, 1999.
2
Keskuskauppakamari, EU-rahoitus ja suomalaiset yritykset, kohtaavatko tavoitteet ja
tarpeet, Keskuskauppakamarin selvitys yritysten ja viranomaisten käsityksistä EU_n rakennepolitiikan ja tukiohjelmien toimivuudesta sekä tunnettuudesta (EU Finanzierung und Finnische Unternehmen: Entsprechen die Ziele den Bedürfnissen?), Helsinki, 1997.
3
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg,
Wirkungsstudie zu den Brandenburger Existenzgründungsprogrammen, Potsdam, 1996.
222
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
unterscheiden sie sich in ihrer Bedeutung und sind gewichtiger, wenn sie von KMU
erwähnt werden, die noch keine unmittelbare Erfahrung im Umgang mit
Programmen der Gemeinschaft haben. Da dies für einen Großteil der KMU zutrifft,
müssen besondere Anstrengungen unternommen werden, um diese Indifferenz zu
überwinden. Im Rahmen des ENSR Enterprise Survey 1999 wurden einige allgemeine Hindernisse in bezug auf die Teilnahme von KMU an Programmen der
Gemeinschaft identifiziert und in Abbildung 6.4 zusammengefaßt.
Obwohl Hindernisse, die sich auf die Eigenschaften der Unternehmen beziehen,
wie etwa mangelnde personelle oder finanzielle Ressourcen (12 % der Antworteten), KMU von der Teilnahme an Gemeinschaftsprogrammen abhalten, scheinen
sie im Vergleich zu Gründen, die die spezifischen Merkmale der GemeinschaftsAbbildung 6.4 Gründe für KMU, an Programmen der Gemeinschaft nicht teilzunehmen
(% der Unternehmen, denen die Existenz europäischer Förderprogramme
bekannt ist, die jedoch noch nicht teilgenommen haben), Europa-19
25
20
15
10
5
0
Teilnahme ist zu
Kompliziert
Kein geeignetes
Programm
Mangelnde
Ressourcen
Antrag wurde
abgelehnt
Mangelnde
Information über
Teilnahmeverfahren
Andere Gründe
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
programme betreffen, von nur untergeordneter Bedeutung zu sein. So gehen zum
Beispiel 22 % der Unternehmen, die von der Existenz europäischer Förderprogramme wissen, jedoch an solchen noch nicht teilgenommen haben, davon aus,
daß die Teilnahme zu kompliziert sei. Weiteren 17 % mangelt es an Information
über die entsprechenden Teilnahmeverfahren. Schließlich gaben 20 % der Unternehmen im Rahmen des ENSR Enterprise Survey 1999 an, daß es kein geeignetes
Programm für sie gäbe, wodurch die Notwendigkeit betont wird, KMU-relevante
Förderprogramme in geeigneter Weise zu bewerben und eine Bottom-up-Methode
bei der Entwicklung von Fördermaßnahmen für KMU anzuwenden. Länderspezifische Unterschiede müssen jedoch berücksichtigt werden: Während zum Beispiel
das Fehlen eines geeigneten Programms von mehr als 25 % der KMU, denen die
Existenz europäischer Förderprogramme bekannt ist, in Österreich, Belgien, Finnland, Deutschland, Island, Italien, Liechtenstein und Luxemburg als Barriere
genannt wurde, waren es weniger als 10 %, die in Schweden, Norwegen und
Spanien kein geeignetes Programm fanden. Die Gründe für KMU, an Programmen
der Gemeinschaft nicht teilzunehmen, unterscheiden sich demnach von Land zu
Land beträchtlich, wie aus Tabelle 6.7 hervorgeht.
223
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Mehr als 40 % der KMU in Frankreich und der Schweiz, die über europäische
Förderprogramme informiert waren, fanden die Teilnahme zu kompliziert, verglichen mit weniger als 10 % in den Niederlanden, Irland, Liechtenstein und
Norwegen. Allerdings läßt sich der vergleichsweise hohe Wert für die Schweiz zum
Teil dadurch erklären, daß die Teilnahme von Schweizer Unternehmen nicht an
allen Gemeinschaftsprogrammen erlaubt ist. Mehr als ein Viertel der KMU in
Table 6.7 Gründe für KMU, an Programmen der Gemeinschaft nicht teilzunehmen,
nach Ländern (% der Unternehmen, denen die Existenz europäischer Förderprogramme bekannt ist, die jedoch noch nicht teilgenommen haben)
Teilnahme Kein geeignetes Mangelnde Antrag wurde
Mangelnde
Andere
ist zu
Programm
Ressourcen abgelehnt Information über Gründe
kompliziert
Teilnahmeverfahren
Österreich
Belgien
Dänemark
Finnland
Frankreich
Deutschland
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Portugal
Spanien
Schweden
Vereinigtes
Königreich
Island
Liechtenstein
Norwegen
Schweiz
Europa-19
12
22
10
10
43
16
13
9
33
16
8
19
16
31
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
29
25
16
27
15
29
17
19
25
27
18
16
9
8
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
4
12
7
26
3
22
2
5
18
7
14
3
4
27
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
1
1
2
0
0
15
16
14
11
5
1
9
7
1
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
16
13
15
5
8
13
38
18
26
7
11
10
29
16
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
11
12
10
4
2
12
20
17
8
18
6
7
0
11
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
13
51
8
5
37
22
%
%
%
%
%
%
22
41
33
7
17
20
%
%
%
%
%
%
12
17
15
16
7
12
%
%
%
%
%
%
2
2
0
0
1
6
%
%
%
%
%
%
10
2
1
23
3
17
%
%
%
%
%
%
14
12
19
10
5
8
%
%
%
%
%
%
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
Griechenland, Italien und Spanien gaben mangelnde Information über die Teilnahmeverfahren als Barriere an, während nicht mehr als 5 % der KMU in Finnland, Island,
Liechtenstein und der Schweiz, denen die Existenz europäischer Förderprogramme
bekannt war, dies als Hindernis betrachteten. „Andere Gründe” faßt Faktoren
zusammen wie „zu viel Bürokratie”, „Bevorzugung nationaler Programme”, „Schwierigkeiten bei der Partnersuche”, etc.
6.3.3 Barrieren und Hindernisse
Während oben Barrieren und Hindernisse beschrieben wurden, die Unternehmen
daran hindern, an europäischen Förderprogrammen teilzunehmen, werden in
diesem Abschnitt Hindernisse identifiziert, die KMU, die innerhalb der letzten fünf
Jahre an einem regionalen, nationalen oder europäischen Förderprogramm teilgenommen hatten, erfahren haben. Ein Vergleich der Gemeinschaftsprogramme mit
den nationalen und regionalen Fördermaßnahmen zeigt, daß die relative Bedeutung der Probleme, denen die teilnehmenden Unternehmen gegenüberstehen,
innerhalb jeder Art der Förderprogramme ähnlich ist, unabhängig von der Finanzierungsquelle. Jedoch scheinen sich die Barrieren in bezug auf ihre Überwindbarkeit zu unterscheiden, wobei sie bei Gemeinschaftsprogrammen höher sind als bei
anderen (siehe Abbildung 6.5).
224
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
Informationsbeschaffung scheint auch hier wieder ein Hauptproblem in bezug auf
den Zugang von KMU zu Förderprogrammen darzustellen. Dies trifft besonders
auf die Programme der Gemeinschaft zu, bei denen dies von mehr als 50 % der
teilnehmenden Unternehmen als Hindernis bezeichnet wurde. Diese Beobachtung
wird auch von empirischen Ergebnissen gestützt, die im Rahmen mehrerer Evaluationsberichte gesammelt wurden. Zum Beispiel stellten die Evaluatoren des Ziel-2Programms in Finnland fest, daß eines der größten Probleme in Zusammenhang
Abbildung 6.5 Hindernisse, die KMU bei Teilnahme an Förderprogrammen erfahren
haben (% der teilnehmenden KMU)
60
50
40
30
20
10
0
Informationsbeschaffung
Finden
von Partnern
Antragsverfahren
Regionale Programme
Administrative Zeitliche Verzörgerung
Anforderungen zwischen Antragstellung
und Projektbeginn
Nationale Programme
Anforderungen für
die Berichtlegung
Keine Hindernisse
Europäische Programme
Quelle: ENSR Enterprise Survey 1999.
mit der Teilnahme von KMU in der unzureichenden Information über das
Programm lag, welche die Unternehmen zudem für unklar, inkonsistent und
schwer verständlich hielten.1 Ähnliche Ergebnisse wurden im Rahmen der
Evaluierung des Ziel-2-Programms in Schweden erzielt, wo viele teilnehmende
Unternehmen unvollständige Information über die förderbaren Kosten als Haupthindernis bezeichneten.2 Dasselbe gilt für die von der Europäischen Kommission
bereitgestellten Informationen über die Teilnahme an Leonardo-Projekten, was
insbesondere von den deutschen Evaluatoren betont wurde.3
Fehlende Verfügbarkeit und Unklarheit von Information stellen jedoch nicht das
einzige Problem im Rahmen europäischer Förderprogramme dar, wie Abbildung 6.5
zeigt. Selbst KMU, die an regionalen oder nationalen Fördermaßnahmen teilnehmen, leiden am meisten unter Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Informationsbeschaffung. Beispielsweise wurden 1999 vom Ministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten in den Niederlanden Seminare mit Unternehmern organisiert,
um den Zugang von KMU zu Förderprogrammen der Niederländischen Ministerien
1
Sisäasiainministeriö, Suomen tavoite 2-ohjelman 1995-1996 arviointi (Evaluation der
Finnischen Ziel-2-Programme), Sisäasiainministeriö, Aluekehitysosaston julkaisu 5/1997,
Helsinki, 1997.
2
Hallin, G., and Larson, S., Företagsutveckling Fyrstad och Företagsstart Frystad (Unternehmensentwicklung und Unternehmensgründung in Frystad), Nordregio WP 1998:6,
Schweden, 1998.
3
Bundesinstitut für Berufsbildung, Leonardo da Vinci in der Bundesrepublik Deutschland,
Zwischenbericht gemäß Ratsbeschluß Art. 10, Abs. 3, Berlin, 1999.
225
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
zu diskutieren. Unzureichende Informationsverbreitung wurde dabei unter anderem
als eines der Haupthindernisse von den Unternehmen identifiziert. In den Niederlanden gelang es jedoch, diese Barriere im Rahmen des 4. Rahmenprogramms, bei
dem die Teilnahme niederländischer Unternehmen die von anderen Ländern bei
weitem übertrifft, erfolgreich zu überwinden. Wie Abbildung 6.1 zu entnehmen ist,
haben aufgrund einer wirksamen Informationspolitik durch die nationalen Stützpunkte (EG Liaison) 1 228 niederländische KMU an diesen Fördermaßnahmen teilgenommen (siehe Kasten).
Die zeitliche Verzögerung zwischen Antragstellung und Projektbeginn scheint eine
weitere schwer zu überwindende Hürde für KMU in bezug auf die Teilnahme an
Gemeinschaftsprogrammen zu sein, die von 30 % der Unternehmen im Rahmen
des ENSR Enterprise Survey 1999 genannt wurde. Die Bedeutung dieses Hindernisses wird von den Ergebnissen zahlreicher Evaluationsberichte verschiedener
Programme der Gemeinschaft unterstrichen. So zählt etwa die ZwischenevaFallstudie: Informationsverbreitung im Vierten Rahmenprogramm für FTE in den
Niederlanden
Neben den Informationsdienstleistungen von EG Liaison durch das monatliche
Mitteilungsblatt ‘FTE in Europa’, einer jährlich herausgegebenen Publikation namens
‘Handbuch für europäische FTE’, dem Faxdienst und der Homepage sowie Kursen und
Arbeitsgruppen zu verwandten Themen der europäischen FTE-Programme (wie etwa
rechtliche und finanzielle Aspekte sowie Umgang mit den Cordis-Dienstleistungen),
hält EG Liaison auch persönliche Kontakte zu Managern von KMU, um sie über die
Möglichkeiten im Rahmen europäischer Fördermaßnahmen zu informieren. Zusätzlich
unterstützt EG Liaison KMU bei der Entwicklung von Projektvorschlägen, erteilt
rechtliche Beratung in bezug auf europäische FTE-Programme, unterstützt die Suche
nach geeigneten internationalen Kooperationspartnern und unternimmt Maßnahmen,
um die Verbreitung und Nutzung von Forschungsergebnissen zu fördern. Die Erfolgsfaktoren dieses Ansatzes liegen in der Organisationsstruktur von EG Liaison, die alle
entsprechenden Fachleute, wie Rechtsanwälte, Finanzexperten, Ingenieure, etc. unter
einem Dach vereinigt, sowie in deren Mitgliedschaft bei mehreren nationalen und
internationalen Netzwerken.
Quelle: EG Liaison.
luierung des Leonardo-Programms in Irland und Deutschland eine Reihe von
Schwierigkeiten auf, die teilnehmende KMU erfahren haben, wobei unter anderem
die Zeit für die Genehmigung von Projekten als zu lang empfunden wurde. Der
gleiche Faktor wurde innerhalb des Vierte Rahmenprogramms als strenge Barriere
betrachtet, beispielsweise in den Niederlanden und Portugal1, und wurde auch
von den Evaluatoren des Ziel-2-Programms in Finnland und Schweden2 betont.
Die zeitliche Verzögerung zwischen Antragstellung und Projektbeginn scheint auch
die Teilnahme von KMU an nationalen und regionalen Förderprojekten zu
betreffen, wo sie von 22 % bzw. 24 % der Unternehmen erwähnt wurde.
In engem Zusammenhang damit stehen die Komplexität der Antragsverfahren und
die administrativen Anforderungen, die 27 % bzw. 28 % der Unternehmen im
Rahmen europäischer Förderprogramme bemängeln. Zahlreiche Schritte sind auf
1
Persönliche Interviews mit je einem Experten von EG Liaison in den Niederlanden und
der ‘Science and Technology Foundation’ in Portugal.
2
Sisäasiainministeriö, Suomen tavoite 2-ohjelman 1995-1996 arviointi, Sisäasiainministeriö, Aluekehitysosaston julkaisu (Evaluation der Finnischen Ziel-2-Programme), 5/1997,
Helsinki, 1997, und Hallin, G., und Larson, S., Företagsutveckling Frystad och Företagsstart
Frystad (Unternehmensentwicklung und Unternehmensgründung in Frystad), Nordregio
WP 1998:6, Schweden 1998.
226
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
europäischer Ebene unternommen worden, um dieses Problem zu bekämpfen, das
von der Kommission bereits erkannt wurde. Dennoch ist es wichtig, sich weiterhin
auf eine Vereinfachung der bürokratischen Anforderungen zu konzentrieren, inklusive weniger anspruchsvoller Berichtlegungspflichten (die von 21 % der teilnehmenden Unternehmen als Hindernis genannt wurden), um die zukünftige Teilnahme von KMU an Programmen der Gemeinschaft zu erhöhen.
Die Tatsache, daß Barrieren in bezug auf den Zugang zu Gemeinschaftsprogrammen verhältnismäßig hoch sind, wird auch an dem relativ niedrigen Anteil
(10 %) von KMU deutlich, der keine Schwierigkeiten bei der Teilnahme an derartigen Maßnahmen hat. Im Rahmen von regionalen und nationalen Förderprogrammen beträgt dieser Anteil immerhin mehr als 20 %. Die Analysen nach
Größenklassen in Abschnitt 6.3.1 haben gezeigt, daß größere Unternehmen über
bessere Fähigkeiten verfügen, bestehende Hindernisse zu überwinden. Daher läßt
sich der Schluß ziehen, daß der Zugang zu Gemeinschaftsprogrammen, im
Vergleich zu regionalen oder nationalen Maßnahmen, für Kleinbetriebe besonders
schwierig ist. Tatsächlich wird diese Hypothese durch die, verglichen mit Teilnehmern an nationalen oder regionalen Programmen, deutlich höhere Durchschnittsgröße von Teilnehmern an Programmen der Gemeinschaft bestätigt.
6.4
Der Zugang von KMU zu den Gemeinschaftsinitiativen KMU und Adapt
6.4.1 Allgemeine Information
Entsprechend der Methoden und Verfahren, die den Strukturfonds zugrunde
liegen, ergänzen die Gemeinschaftsinitiativen KMU und ADAPT die Maßnahmen
des Integrierten Programms für KMU und das Handwerk. Die Maßnahmen von
ADAPT sind daher komplementär zu jenen der KMU-Initiative. Generell fördern
beide Programme die Anpassung an den industriellen Wandel. Das Augenmerk der
KMU-Initiative richtet sich dabei auf die Einführung neuer Produktions- und Organisationssysteme in Unternehmen, während ADAPT sich auf die Entwicklung des
unternehmensinternen Humankapitals durch Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen konzentriert.
Während die KMU-Initiative darauf ausgerichtet ist, die Anpassung von kleinen und
mittleren Unternehmen des Industrie- oder Dienstleistungssektors (vor allem in den
weniger entwickelten Regionen) an den Binnenmarkt zu fördern und sicherzustellen, daß sie international wettbewerbsfähig werden, zielt ADAPT darauf ab, den
europäischen Arbeitnehmern dabei zu helfen, auf die sich ändernden Bedürfnisse
des Arbeitsmarktes reagieren zu können. Da der Großteil der Arbeitnehmer in KMU
beschäftigt ist, richtet sich ADAPT in erster Linie an KMU. Im Gegensatz zur KMUInitiative bilden jedoch KMU nicht die einzige Zielgruppe von ADAPT. Tabelle 6.8
zeigt eine Aufgliederung der genehmigten Mittel im Rahmen dieser beiden Initiativen nach Ländern. Obwohl es schwierig ist, genaue Angaben über die Mittelvergabe an KMU innerhalb von ADAPT zu machen, wird geschätzt, daß sich mehr als
die Hälfte der ADAPT-Projekte direkt oder indirekt an KMU richtet.
Die Europäische Union beteiligte sich mit 1 600 Millionen Euro am Gesamtbudget
von ADAPT in Höhe von 3 340 Millionen Euro für den Zeitraum 1994-1999, und mit
1 079 Millionen Euro an der KMU-Initiative für denselben Zeitraum. Innerhalb beider
Initiativen wurde ein beträchtlicher Teil des Budgets an Ziel-1-Regionen vergeben, der
im Rahmen der KMU-Initiative 840 Millionen Euro (fast 80 %) betrug.
227
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Tabelle 6.8 Mittelvergabe innerhalb der KMU-Initiative und ADAPT nach Ländern
(% des Gesamtbudgets), 1994-1999
KMU-Initiative
Österreich
Belgien
Dänemark
Finnland
Frankreich
Deutschland
Griechenland
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Portugal
Spanien
Schweden
Vereinigtes Königreich
Gesamt
0,8
1,2
0,2
1,0
5,5
17,8
23,7
2,7
18,1
0,03
1,0
11,8
7,9
1,5
6,5
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
100,0 %
ADAPT
0,7
2,4
1,9
1,4
17,0
15,7
17,9
1,7
13,4
0,02
4,3
1,3
2,0
0,8
19,5
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
100,0 %
Quelle: Europäische Kommission, Die Strukturfonds in 1997, Neunter Jahresbericht,
Brüssel, 1999
Während der Ausnutzungsgrad der Fördermittel innerhalb von ADAPT bis Ende
1998 recht hoch war (z. B. 95 % in Dänemark, 91 % in Deutschland, 92 % in
Finnland und 100 % im Vereinigten Königreich, wo noch eine weitere (dritte)
Ausschreibung für Projekte durchgeführt wurde um sicherzustellen, daß alle
verbleibenden Mittel vergeben werden), wurde innerhalb des gleichen Zeitraumes
ein nur sehr kleiner Anteil der Mittel für die KMU-Initiative ausgeschöpft (26 % in
Dänemark, 55 % in Deutschland (Thüringen) und 47 % in Finnland). In vielen
Ländern, beispielsweise in Österreich, Finnland und Schweden, ergaben sich
beträchtliche Verzögerungen bei der Einführung der KMU-Initiative, die zu einem
verspäteten Projektbeginn führten, was den verhältnismäßig niedrigen Ausschöpfungsgrad erklären könnte.
6.4.2 Barrieren und Hindernisse
Barrieren und Hindernisse für die Teilnahme von KMU an den Gemeinschaftsinitiativen KMU und ADAPT können mit den unterschiedlichen Arten der Einbeziehung von
KMU in diese Programme zusammenhängen. Einerseits bilden KMU die Hauptzielgruppe der Projekte, die von lokalen und regionalen Stellen, sozialpartnerschaftlichen
Organisationen, Wirtschaftskammern, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, Dienstleistungsorganisationen, etc. getragen werden und können von der Teilnahme an
diesen Projekten profitieren (was der ursprünglichen Absicht beider Initiativen
entspricht). Andererseits können KMU aber auch Fördermittel als Projektträger beantragen, womit sie für die Durchführung der Projekte verantwortlich sind. Zum Beispiel
geben bei ADAPT einige Mitgliedstaaten (z. B. Belgien und Griechenland) Projekten
Vorrang, die von KMU getragen werden. Die Barrieren und Hindernisse, die im
Rahmen dieses Abschnitts behandelt werden, beziehen sich grundsätzlich auf die Teilnahme von KMU an den von den entsprechenden Institutionen implementierten
Projekten; ihre Rolle als Projektträger findet nur insofern Berücksichtigung, als sie
Mittel für ihre eigenen Bedürfnisse beantragen können (dies ist nicht in allen Ländern
möglich, wie beispielsweise bei der KMU-Initiative in Finnland).
228
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
Die Gründe für KMU, sich gegen eine Teilnahme an Projekten zu entscheiden, die
von intermediären Organisationen getragen werden, können mit den spezifischen
Charakteristika von KMU zusammenhängen. Mangel an Zeit und Ressourcen
aufgrund von „Anforderungen des Tagesgeschäftes”, beispielsweise, scheint ein
verbreiteter Grund für die Abneigung von Unternehmen gegenüber der Teilnahme
an Projekten zu sein, die im Rahmen der KMU-Initiative und ADAPT lanciert
werden, wie vor allem in Deutschland, Dänemark, Finnland und dem Vereinigten
Königreich erwähnt wurde. KMU neigen auch dazu, nur sehr ungern Mitarbeiter
für Weiterbildungszwecke, vor allem für langfristige Programme im Bereich der
Humanressourcenentwicklung freizustellen, die in ihren Augen keine unmittelbar
für die Geschäftstätigkeit umsetzbaren Ergebnisse liefern. In Deutschland lösten die
Projektträger dieses Problem dadurch, daß sie sowohl besonders langfristige Kurse
in kürzere Lerneinheiten und flexiblere Kurszeiten zerlegten, als auch externe
Seminare durch interne ersetzten, die in Zeiten, in denen die Kapazitätsauslastung
des Unternehmens gering ist, wahrgenommen werden können.
Insbesondere wenn man die Teilnahme von KMU an der Entwicklung von
Projekten betrachtet, stehen einige dieser „unternehmensbezogenen” Hindernisse
in engem Zusammenhang mit den spezifischen Besonderheiten bei der Durchführung des entsprechenden Programms, vor allem mit der zeitlichen Verzögerung
zwischen Antragstellung und Projektbeginn. Im Hinblick auf den Bottom-upAnsatz, der eigentlich ein spezifisches Merkmal beider Initiativen darstellt und eine
nachfrageorientierte Entwicklung von Projekten sicherstellen soll, erfordert diese
zeitliche Verzögerung eine langfristigere Planung auf Seiten der KMU-Manager für
die Entwicklung ihrer Ausbildungs- und Geschäftsziele und wirkt der Absicht
entgegen, Lösungen zu sehr unmittelbaren Problemen zu finden, was vor allem in
Dänemark, Finnland, Deutschland und den Niederlanden erwähnt wurde. Abbildung 6.6 verdeutlicht die relativ große Bedeutung dieses Hindernisses in beiden
Initiativen.
Während die meisten Probleme für die Teilnahme von KMU an Programmen der
Gemeinschaft (wie in Abschnitt 6.3.3 beschrieben) auch für die KMU-Initiative und
ADAPT gelten, unterscheiden sie sich beträchtlich in ihrer Bedeutung und Reihung
innerhalb dieser beiden Initiativen. Insbesondere im Rahmen der KMU-Initiative
scheint die Informationsbeschaffung ein Haupthindernis für die Teilnahme von
KMU darzustellen, was vor allem in Österreich, Deutschland, Griechenland und
Irland hervorgehoben wurde; aber auch in bezug auf ADAPT wurde in den meisten
Mitgliedstaaten mangelnde Kenntnis der Möglichkeiten, die die Initiative bietet,
identifiziert. Dieser Informationsmangel kann jedoch auch eng mit den nur
beschränkt verfügbaren Mittel für die Bewerbung und Vermarktung von Projekten
zusammenhängen, die die Teilnahme von KMU stimulieren könnte, wie vor allem
von Finnland betont wurde. In Spanien, beispielsweise, wird das Fehlen einer
verantwortlichen öffentlichen Stelle für die Bewerbung von Projekten als Hauptproblem angesehen.
Desweiteren scheinen die komplizierten Antragsverfahren und administrativen
Anforderungen vor allem im Rahmen der KMU-Initiative KMU daran zu hindern,
an diesem Programm teilzunehmen. Dies stellte eine besonders hohe Barriere in
Dänemark, Spanien, Portugal, Griechenland und Irland dar. In Deutschland ist es
den Programmverantwortlichen im Rahmen der KMU-Initiative in Thüringen, bei
der einer der Maßnahmenbereiche die Förderung von Umweltmanagement und
Öko-Audits vorsieht, gelungen, KMU fast vollständig von administrativen Aufgaben
zu befreien, indem diese Tätigkeit an Mitarbeiter des Umwelt-Innovation-Centers
(UIC) übertragen wurde, die die ökologischen Bedürfnisse interessierter KMU
analysieren und gegebenenfalls den Förderantrag in ihrem Auftrag stellen. Die
Berichtlegung und weitere administrative Tätigkeiten werden von den Beratern des
Rationalisierungskuratoriums der deutschen Wirtschaft (RKW) übernommen, die
229
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
KMU auch bei der Durchführung des Öko-Audits unterstützen. Da die UIC unter
Beteiligung der Industrie- und Handwerkskammern (IHK) und weiterer KMUVerbände gegründet wurde, bringen die KMU ihnen ein hohes Maß an Vertrauen
entgegen.
Trotz dieser Schwierigkeiten gibt es in beiden Initiativen Beispiele erfolgreicher
Projekte. Eines, ein ADAPT-Projekt im Textilsektor in Dänemark, ist in der folgenden
Fallstudie kurz beschrieben. Der Erfolgsfaktor dieses Projektes lag höchstwahrscheinlich in einem unmittelbareren Bedarf an neuen Qualifikationen innerhalb des betreffenden KMU sowie in der Tatsache, daß der Manager des KMU über Erfahrungen
und gute Kenntnisse im Umgang mit Förderprogrammen der Gemeinschaft verfügte.
Abbildung 6.6 Die Bedeutung der Schwierigkeiten für die Teilnahme von KMU an der
KMU-Initiative und ADAPT*
5
4
3
2
1
Informationsbeschaffung
Finden von Partner
Antragsverfahren
Administrative Anforderungen
Zeitliche Verzörgerung zwischen
Antragstellung und Projekbeginn
Berichtlegung
KMU-Initiative
ADAPT
* 1= von großer Bedeutung, 5= keine Bedeutung.
Quelle:
Persönliche Interviews mit den nationalen Verantwortlichen der KMU-Initiative und ADAPT in Österreich,
Belgien, Dänemark, Finland, Deutschland, Griecheland, Irland, Italien, den Niederlanden und Spanien.
Fallstudie: Ein erfolgreiches ADAPT-Projekt in Dänemark
Projektnehmer dieses ADAPT-Projektes war ein KMU aus dem Textilsektor, das seit
einigen Jahren mit zunehmender Konkurrenz aus den Niedriglohnländern konfrontiert
war. In Folge änderte das Unternehmen seinen Produktionsprozeß und stellt heute nur
noch Prototypen her, während es die hauptsächliche Produktion in Niedriglohnländer
auslagert. Während des Übergangs zu diesem System waren etliche strukturelle Änderungen innerhalb des Betriebes erforderlich. Beispielsweise wurden Mitarbeitern, die
zuvor in der Produktion tätig waren, andere Verantwortlichkeiten übertragen, die eine
regelmäßige Interaktion mit den Unterlieferanten erforderten. Diese Herausforderung
wurde in dem KMU durch die Einführung von Schlüsselelementen einer lernenden
Organisation und die Implementierung autonomer Arbeitsgruppen angenommen. Das
ADAPT Programm hat sich für dieses KMU als wertvoll erwiesen, da das Unternehmen
heute in der Lage ist, leichter Informationen über andere Kulturen zu beschaffen und
die Kommunikation mit den ausländischen Partnern zu verbessern.
Quelle: Arbejdsmarkedets Center for Internationale Uddannelsesaktiviteter (ACIU).
230
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
6.4.3
Maßnahmen, um die Teilnahme von KMU an der KMUInitiative und ADAPT zu verbessern
Es wurden zahlreiche Maßnahmen von den nationalen Verantwortlichen und
Evaluatoren der entsprechenden Programme vorgeschlagen, um die Teilnahme
von KMU an der KMU-Initiative und ADAPT zu stimulieren. Dabei ließen sich
einige Schlüsselfaktoren identifizieren, die in diesem Zusammenhang von größter
Wichtigkeit erscheinen, wobei sich einige vor allem auf ADAPT beziehen und
andere besondere Relevanz für die KMU-Initiative haben.
• In bezug auf die Gemeinschaftsinitiative ADAPT betonten viele Länder die Wichtigkeit der Einbindung von KMU und Institutionen, die mit der Geschäftsabwicklung
in KMU vertraut sind, in die Entstehungsphase von Projekten, um eine bedarfsgerechte Ausrichtung der Projekte sicherzustellen. Eigentlich hätte dies durch den
geforderten Bottom-up-Ansatz gewährleistet sein sollen. Diese Bedingung scheint
jedoch bei der Genehmigung und Durchführung von Projekten nicht strikt genug
befolgt zu werden, was zur Entstehung von angebotsorientierten Projekten führt,
die sich an jenen Dienstleistungen ausrichten, die von den jeweiligen Institutionen
angeboten werden können, anstatt sich auf die tatsächlichen Bedürfnisse und
Anforderungen von KMU zu konzentrieren. Insbesondere in kleineren Ländern wie
Österreich, Dänemark, Portugal und den Niederlanden scheint dies ein großes
Hindernis für die Teilnahme von KMU an ADAPT darzustellen. Daher könnte eine
verstärkte Ausrichtung an der Bottom-up-Bedingung bei der Genehmigung von
Projekten zu einer höheren Teilnahme von KMU an ADAPT-Projekten beitragen.
• In bezug auf die KMU-Initiative beschwerten sich viele Mitgliedstaaten, wie
beispielsweise Österreich, Irland, die Niederlande, Spanien, und bis zu einem
gewissen Grad auch Italien, über eine mangelnde Berücksichtigung der regionalen
Strukturen ihrer Länder von Seiten der Kommission bei der Festlegung der Richtlinien für die Einführung der Initiative. Dies stellte beispielsweise in Österreich auch
einen der Hauptgründe für den verzögerten Beginn der Projekte im Rahmen der
KMU-Initiative dar. Es wird davon ausgegangen, daß die Initiative von einer Dezentralisierung profitieren könnte, d. h. durch die verstärkte Vergabe von Kompetenzen an nationale und regionale Stellen in bezug auf die Auswahl der für ihre
Region am besten geeigneten politischen Maßnahmen. Zusätzlich wurde betont,
daß die Tatsache, daß nur KMU in bestimmten Regionen förderungsberechtigt
sind, die Durchführung von Projekten für Verbände und Arbeitnehmerorganisationen erschwert, da diese die Entwicklung von Projekten vorziehen, die sich an
alle ihre Mitglieder richten, nicht nur jene, die in einer bestimmten Region angesiedelt sind. Allerdings müssen Überlegungen in diese Richtung mit den politischen
Absichten der Initiative abgewogen werden.
• Weitere Vorschläge für die Steigerung der Teilnahme von KMU an beiden Initiativen beziehen sich auf zusätzliche Maßnahmen im Bereich der Informationsbereitstellung und Kommunikation über Fernsehen, Internet, Zeitungen und
regionale Informationsseminare oder Konferenzen. In Finnland wurde beispielsweise eine Homepage der KMU-Initiative eingerichtet, die Basisinformationen
über das Programm und die Antragsverfahren anbietet sowie erfolgreich
laufende Projekte unter den verschiedenen Maßnahmen präsentiert. In einer
Erhebung bei Projektträgern über den Bekanntheitsgrad der finnischen KMUInitiative wurden Broschüren und regionale Repräsentanten als die erfolgreichste Informationsquelle genannt.1 Im Rahmen des deutschen ADAPT
1
Small Business Institute, Turku School of Economics and Business Administration,
Suomen SME-yhteisöaloiteohjelman väliarvionnin loppuraportti (Evaluation der Finnischen
KMU-Initiative), Turku, 1999.
231
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
Programms erwiesen sich persönliche Gespräche zwischen Vertretern der Wirtschaftskammern oder Aus- und Weiterbildungsverbänden und KMU-Managern
als die effektivste Weise, um die Teilnahme von KMU zu fördern. In diesem
Zusammenhang wurde von den Mitgliedstaaten auch eine verstärke Einbindung der bestehenden Netzwerke von KMU-Intermediären (Sozialpartner,
KMU-Verbände und regionale und lokale industriepolitische Institutionen)
vorgeschlagen.
• Vor allem im Rahmen von ADAPT könnte eine Veränderung der Richtlinien in
Richtung geringerer Anforderungen in bezug auf die transnationalen Partner
(was auch zu einer Verringerung des Zeithorizonts führen würde) die Teilnahme
von KMU erhöhen, wie vor allem von Dänemark, Finnland, den Niederlanden,
Frankreich und Deutschland betont wurde. Diese Länder bezweifeln, daß der
Output durch große internationale Kooperationen die von den KMU dafür
eingesetzten Ressourcen rechtfertigt. Zusätzliche Probleme entstehen, wenn
KMU in einer bereits bestehenden Partnerschaft Fördermittel beantragen, die
Projekte jedoch nicht in allen entsprechenden Ländern genehmigt werden.
Ähnliche Überlegungen wurden in bezug auf die Anforderungen bezüglich der
‘Innovativität’ der Projektaktivitäten angestellt. Obwohl diese eines der wesentlichsten Merkmale von ADAPT darstellt, wird sie verstärkt als Barriere für die
Teilnahme von KMU betrachtet, da es vielen Beschäftigten in sehr kleinen
Unternehmen an Kenntnissen selbst in Basisbereichen wie etwa Word oder
Excel mangelt, wodurch es ihnen erschwert wird, offen für innovativere Ideen
zu sein. Dennoch sollte eine entsprechende Neugestaltung natürlich nicht den
politischen Intentionen des Programms entgegenwirken.
6.5
Beste Verfahren für die Förderung der Teilnahme von KMU an Programmen der
Gemeinschaft
Zahlreiche Elemente vorbildhafter Verfahren für die Verbesserung des Zugangs von
KMU zu Programmen der Gemeinschaft lassen sich in den einzelnen Ländern der
EU identifizieren. Zusätzlich zu den One-Stop-Shops, den Europäischen Informationszentren und den Sondierungsprämien, die innerhalb des Vierten und
Fünften Rahmenprogramms für FTE eingeführt wurden, beinhalten diese Elemente:
Vereinfachungen der Antragsverfahren, Informationsbereitstellung, Dezentralisierung auf die regionale/lokale Ebene und angemessene Bewerbung und Vermarktung der Programme. Einige gute Beispiele auf diesen Gebieten wurden bereits
erwähnt. Die beiden folgenden Fälle verdeutlichen dabei noch detaillierter die
Bedeutung dieser Faktoren für die Stimulierung der Teilnahme von KMU an
Programmen der Gemeinschaft.
Wachstums- und Umweltprogramm in Finnland1
Das Wachstums- und Umweltprogramm des Europäischen Investitionsfonds (EIF)
wurde eingeführt, um Umweltinvestitionen in Klein- und Mittelunternehmen
durch die Übernahme von Bürgschaften für Kredite an KMU zu fördern. Die Bürgschaften decken bis zu 50 % der von den Finanzinstitutionen der Mitgliedstaaten
(normalerweise Banken) gewährten Kredite. In Finnland wird dieses Programm von
Finnvera plc. verwaltet, die auf die Unterstützung von Wachstum und Entwicklung,
1
232
Quelle: Finnvera plc.
Zugang zu Programmen der Gemeinschaft
inländische Aktivitäten, Export und Internationalisierung finnischer Unternehmen
spezialisiert sind. Finnvera plc. bewirbt dieses Programm auf unterschiedliche
Arten: über Internet, Broschüren, sowie Werbung im Radio und in Zeitungen.
Außerdem hat Finnvera plc. 15 Büros in Finnland, in denen Unternehmen Informationen erhalten können. Dementsprechend war die Inanspruchnahme dieser
Kredite in Finnland sehr hoch. Insgesamt profitierten seit Januar 1998 38 KMU von
diesem Programm. Im Gegensatz dazu wurden bis dahin in Dänemark, wo das
Programm überhaupt nicht beworben wird und KMU nur dann Information
erhalten, wenn sie bewußt danach fragen, lediglich 5 Kredite bewilligt. Jedoch
erscheint der Mechanismus des Wachstums- und Umweltprogramms in Dänemark
selbst den für die Einführung verantwortlichen Institutionen nicht sehr interessant,
was in einer ebenfalls niedrigen Nutzung durch KMU resultiert.
Aids for Preparing Community Proposals – APC (Beihilfen für die Erstellung von
Projektanträgen für Gemeinschaftsprogramme) in Spanien1
Das Centre for Industrial Technological Development (CDTI) führt ein Programm
durch, das Fördermittel für die Erstellung von Antragsunterlagen für Europäische FTEProgramme vergibt. Das Ziel des APC-Programms ist es, die Teilnahme von Erstantragstellern für Projekte des Vierten Rahmenprogramms in internationalen Konsortien
zu fördern. Sobald die Ausschreibung im Amtsblatt veröffentlich ist, kann das an
einer Beteiligung interessierte Unternehmen CDTI kontaktieren, die Unterstützung
bei der Suche nach Partnern und der Vorbereitung und Finanzierung von
Vorschlägen anbieten. Das APC-Programm stellt in Folge zinslose Kredite zur Verfügung, die nur dann zurückzuzahlen sind, wenn der Vorschlag durch die Kommission
genehmigt wird. Förderbar sind spanische KMU, die zuvor noch nicht an Projekten
im Rahmen des 4. RP teilgenommen haben und eine Beteiligung im Umfang von
10 % oder mehr des gesamten Projektbudgets anstreben. Von 1995 bis Juli 1998
erhielt CDTI 1 307 förderbare Ansuchen von KMU, von denen 646 genehmigt
wurden. Die Europäische Kommission finanzierte schließlich 236 dieser Projekte. Die
verbleibenden 410 KMU mußten jedoch ihre Kredite nicht zurückzahlen. Erfolgsfaktoren des APC-Programms beinhalten sehr einfache Antragsverfahren (ein 2-seitiges
Informationspaket und 7 Seiten Antragsformulare, die Auskunft über den Antragsteller und den Projektvorschlag erfordern) sowie attraktive Zahlungskonditionen für
KMU (z. B. Auszahlung der Mittel innerhalb von 15 Tagen).
6.6
Politische Empfehlungen
Eine Vielzahl von Hindernissen, die KMU von einer Teilnahme an Europäischen
Förderprogrammen abhalten, wurde in diesem Kapitel identifiziert. Maßnahmen
für eine Verbesserung des Zugangs von KMU zu Programmen der Gemeinschaft
sollten deshalb darauf abzielen, KMU bei der Überwindung dieser Barrieren zu
helfen. Die Tatsache, daß die durchschnittliche Größe von Unternehmen, die an
Programmen der Gemeinschaft teilnehmen, höher ist als die jener, die an nationalen oder regionalen Förderprogrammen teilnehmen, veranschaulicht die
größeren Schwierigkeiten, die kleinere KMU haben, diese Hindernisse zu bewältigen. Das sollte bei der Festsetzung entsprechender Maßnahmen berücksichtigt
werden, beispielsweise durch das Ansprechen von vor allem Kleinst- oder Kleinbetrieben. In jedem Fall scheinen jedoch Vereinfachungen insbesondere in den
1
Quelle: Centre for Industrial Technological Development (CDTI).
233
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU — Sechster Bericht
folgenden Bereichen notwendig, um den Zugang von KMU zu Programmen der
Gemeinschaft zu erleichtern:
• Bekanntheitsgrad: Die mangelnde Bekanntheit hat sich als bedeutendste Barriere
für die Teilnahme von KMU an Förderprogrammen herausgestellt. In bezug auf
die Bekanntmachung sollte vermehrter Gebrauch von Medien wie Fernsehen,
Internet, Broschüren und bestehenden Netzwerken von KMU-Intermediären
(Wirtschafts- und Handelskammern, Banken und Interessenvertretungen)
gemacht werden. Auch hat sich die Bildung persönlicher Beziehungen zu
Managern von KMU auf regionaler oder lokaler Ebene in vielen Mitgliedstaaten
als eine sehr effektive Methode erwiesen, um die Bekanntheit zu erhöhen.
Zusätzlich scheint ein verstärkter Bedarf für die Bewerbung von Programmen zu
bestehen, die selbstverständlich zusätzliche Mittel für Werbung, Marketing, etc.
erfordert. Die Überwachung der Effizienz des gesamten Prozesses kann dabei
die ökonomischste Verwendung derartiger Budgets fördern.
• Informationsbereitstellung: Sobald Bekanntheit besteht, hat sich mangelnde
Information über die entsprechenden Teilnahmemöglichkeiten als die größte
Schwierigkeit (bei teilnehmenden sowie bei nicht teilnehmenden Unternehmen) erwiesen. Die Notwendigkeit, die Qualität der Informationen, die von
der Europäischen Kommission bereitgestellt werden, zu verbessern, wurde
weiter oben bereits erwähnt. Der Vorzug sollte dabei möglicherweise einem
einzigen Repräsentanten auf regionaler oder lokaler Ebene gegeben werden,
der in allen Phasen des Programms (Definition, Bewerbung, Durchführung und
Bewertung) eingebunden ist, um die Effektivität des Informationsverbreitungsprozesses zu erhöhen. Dies ließe sich in Form einer Partnerschaft mit den
Projektverantwortlichen durchführen. Desweiteren könnte die Einführung von
Erfolgsprämien einen zusätzlichen Impuls geben. In jedem Fall sollten die Informationen den Zielgruppen angepaßt werden und die Sprache der Adressaten
berücksichtigen.
• Antragsverfahren und administrative Anforderungen: Um die Antragsverfahren zu
vereinfachen, könnten Standardformulare auf unterschiedlichen Medien
verwendet werden. Kürzere und geeignetere Formulare würden es einer
größeren Anzahl von KMU ermöglichen, sich zu bewerben und die Zeit für
administrative Verfahren verringern sowie zu einer Reduktion der Bürokratie
beitragen. Zusätzlich wären laufende Projekteinreichfristen und technische Hilfe
für Antragsteller nützlich für KMU. Schlußendlich sollten die Erfordernisse in
bezug auf die Berichtlegung nicht zu detailliert sein und keine vertraulichen
Informationen von den Unternehmen verlangen.
234
7
Vereine und Stiftungen in der
Sozialwirtschaft
Koordination: Aprodi (Association pour la Promotion et le Développement Industriel)
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE
• Vereine, gemeinnützige Organisationen und Stiftungen sind überwiegend in
den Bereichen Gesundheits- und Sozialdienstleistungen, Erziehung und Ausbildung, Sport, Kultur, Menschenrechte und Umwelt tätig. Sie spielen eine zunehmend bedeutendere wirtschaftliche Rolle, insbesondere in bezug auf ihren
Anteil an der Beschäftigung.
• Zumindest ebenso bedeutend ist ihr Beitrag zur Entwicklung der Demokratie,
aktiver Bürgerbeteiligung und sozialer Kohäsion.
• In Europa-19 unterscheiden sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen und
Bestimmungen für Vereine und Stiftungen in den einzelnen Ländern deutlich
voneinander.
• Unterschiede bestehen auch hinsichtlich der allgemeinen politischen
Maßnahmen gegenüber diesem Bereich, die sich weitgehend aus den
grundsätzlichen Beziehungen zwischen Regierungen und Vereinen und Stiftungen entwickelt haben. Dies trifft insbesondere auf die Bereiche Erziehung,
Gesundheit und Sozialpolitik zu.
• In vielen Ländern setzen die nationalen oder lokalen Behörden spezifische
Instrumente ein, um Einkommen für Vereine und gemeinnützige Organisationen zu generieren und zu sichern. Solche Instrumente sind hauptsächlich
öffentliche Lotterien und Steuerbegünstigungen für private Spenden.
• Obwohl durchaus Bemühungen unternommen werden, Freiwilligenarbeit zu
fördern und zu empfehlen, fehlt in den meisten Ländern eine klare Definition.
• Jene europäischen Länder, die eine hohe Arbeitslosenrate haben, und wo die
Politik dem Potential der Sozialwirtschaft für die Schaffung von Arbeitsplätzen
sowie ihrer Bedeutung für die soziale Integration große Aufmerksamkeit
schenkt, haben spezifische Beschäftigungsinitiativen entwickelt, die sich nur
auf gemeinnützige Organisationen beziehen. Es muß aber betont werden, daß
in den meisten Fällen das primäre Ziel dieser Programme nicht die Unterstützung gemeinnütziger Unternehmen ist, sondern die Bereitstellung von
Beschäftigungs- und Ausbildungsplätzen für besondere Kategorien arbeitsloser
Personen.
• Im Durchschnitt scheinen öffentliche Mittel die hauptsächliche Einnahmequelle
für Vereine und Stiftungen darzustellen. Allerdings bestehen beträchtliche
Unterschiede zwischen einzelnen Ländern und Tätigkeitsbereichen, ebenso wie
zwischen Organisationen unterschiedlicher Größe.
• In den meisten Ländern haben notwendige Budgeteinsparungen, die
Einführung neuer Regeln für die Vergabe öffentlicher Mittel (wie z. B. das
235
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
System der Kofinanzierung), wie auch (in einigen Fällen) die Absicht der Organisationen, die eigene Unabhängigkeit zu bewahren, die gemeinnützigen Organisationen dazu gezwungen, sich um zusätzliche, private Finanzmittel zu
bemühen. In diesem Zusammenhang wurden neue Instrumente entwickelt, wie
z. B. das „Produits partage”, „ethische” Finanzierung oder Versuche, die Beziehungen mit privaten Spendern auf eine langfristige Basis zu stellen.
• Kleinere Organisationen haben erhebliche Schwierigkeiten bei der Sicherung
ihrer finanziellen Ressourcen. Dabei handelt es sich um Informationsmängel,
fehlende oder zu geringe jährliche finanzielle Unterstützungen durch die öffentliche Hand, Bürokratie, inkonsistente Regelungen, Verzögerungen beim Eingang
öffentlicher Mittel, zunehmende Konkurrenz um private Spenden und den
schwierigen Zugang zu Bankkrediten.
• Es haben sich eine Reihe von europäischen Partnerschaften und Netzwerken
gemeinnütziger Organisationen entwickelt, die sehr aktiv „Lobbying”
betreiben, Informationen austauschen, gemeinsame Forschungsprojekte durchführen und voneinander lernen (beste Verfahren).
• Nichtsdestoweniger bestehen noch viele Barrieren für grenzüberschreitende
Kooperation. Die bedeutendste Barriere ist die fehlende Harmonisierung von
Regelungen und Politiken für Vereine und Stiftungen in vielen Ländern.
7.1
Einleitung
Überall in Europa entwickeln Männer und Frauen mit vereinten Kräften, Wissen
und finanziellen Mitteln gemeinsame Aktivitäten für die Förderung von Zielen,
die dem Gemeinschaftsinteresse oder speziellen Gruppen benachteiligter
Menschen, wie Minderheiten, Behinderten, älteren Personen, Arbeitslosen,
Obdachlosen, etc. dienen. In allen Ländern des EWR und der Schweiz und
oftmals seit hunderten von Jahren haben Menschen solche Organisationen wie
Vereine, auf freiwilliger Mitarbeit aufgebaute, gemeinnützige Organisationen
und Stiftungen gegründet.
Es ist Ziel dieses Kapitels, in Übereinstimmung mit der Mitteilung der Euopäischen
Kommission zur Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine und Stiftungen1 und
auf der Basis der Ergebnisse früherer vergleichendender Studien Themen zu untersuchen, die von besonderer Bedeutung für diesen Teil der Sozialwirtschaft sind2.
Vereine und Stiftungen spielen eine wichtige Rolle in Europa, und insbesondere die
Erklärung, die dem Vertrag von Amsterdam beigefügt wurde, „erkennt an, daß die
freiwilligen Dienste einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der sozialen Solidarität
leisten”3.
1
Europäische Kommission, Die Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine und Stiftungen in Europa, KOM(97) 241 endg., 6. Juni 1997, Brüssel.
2
Sozialwirtschaft, definiert als der aus Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften,
Vereinen und Stiftungen (GGVS) bestehende Sektor, war bereits im Vierten Jahresbericht
des europäischen Beobachtungsnetzes für KMU Gegenstand eines eigenen Kapitels.
3
Europäische Gemeinschaften, Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über
die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der europäischen Gemeinschaften
sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Erklärung zu freiwilligen Diensten,
Luxemburg, 1997.
236
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
7.2
Die Bedeutung der Vereine und Stiftungen
geht weit über ihr wirtschaftliches Gewicht
hinaus
Vereine und (gemeinnützige) Freiwilligenorganisationen werden im Rahmen dieses
Berichtes als private Organisationen definiert, die die folgenden Hauptkriterien
erfüllen:
• Sie sind in erster Linie Vereinigungen von Personen und nicht von Kapital;
• Sie verfolgen ein anderes Ziel als die Erzielung von Gewinn;
• Sie sind unabhängig von öffentlichen und politischen Behörden1, und
• Sie beruhen auf freiwilliger Mitgliedschaft und einem zweckgemäßen, freiwilligen Beitrag.
Stiftungen sind hier definiert als private Organisationen, vollkommen unabhängig
von öffentlichen Behörden, die auf einer gemeinützigen Basis errichtet wurden und
die ihre Vermögenswerte auf Dauer einem öffentlichen Nutzen verschrieben haben2.
Vereine und Stiftungen sind in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft tätig. Obwohl
entsprechend der unterschiedlichen Geschichte, aus kulturellen und politischen
Gründen, Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern bestehen, kann gesagt
werden, daß im Durchschnitt in Europa Vereine und Stiftungen besonders in den
folgenden Bereichen wichtig sind: Gesundheitsdienste, soziale Dienste, Sport und
Erholung, Kultur, Erziehung und Ausbildung, Wohltätigkeit und Entwicklungszusammenarbeit, sowie in den Bereichen Umwelt, Menschen- und Bürgerrechte3. In
Frankreich wird geschätzt, daß jene 120 000 Vereine, die unselbständig Beschäftigte haben, Arbeitsplätze für 1 200 000 Menschen (das entspricht in etwa 800 000
Vollzeitarbeitsplätzen) bereitstellen, und daß 1995 ein Drittel aller neuen Arbeitsplätze im privaten Bereich durch Vereine geschaffen wurde4. In Island schätzte
man, daß im Jahr 1996 Vereine 4 % aller Arbeitsplätze bereitstellten5.
Wie eine französische Studie6 zeigt, gibt es im europäischen Durchschnitt rd. 4
Vereine je 1 000 Einwohner, wobei das Spektrum von 21 Vereinen je 1 000
Einwohner in Finnland, dem sogenannten Paradies der Vereine, bis zu nur 0,3 in
Luxemburg reicht.
Die Bedeutung der Vereine in einem Land kann auch daran gemessen werden,
wieviel Prozent der Bevölkerung Mitglied bei zumindest einem Verein sind. Dieser
1
Unabhängigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, daß Vereine und Stiftungen auf
die Initiative privater Personen hin gegründet und privat geführt werden. Öffentliche
Behörden greifen weder in ihre strategische Planung noch in die operative Führung direkt
ein. Dies heißt aber nicht, daß öffentliche Behörden nicht im Aufsichtsrat vertreten sind
oder diesen Organisationen keine Unterstützungen zukommen lassen können.
2
In vielen Ländern oder Studien, auch auf europäischer Ebene, werden Vereine und Stiftungen synonym u. a. als NGOs (Non-governmental organisations - Nicht-RegierungsOrganisationen), NPOs (Non-profit organisations - gemeinnützige Organisationen) oder
CSOs (Civil society organisations) bezeichnet.
3
Siehe auch: Europäische Kommission, Die Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine
und Stiftungen in Europa, KOM(97) 241 endg., 6. Juni 1997, Brüssel.
4
INSEE, UNEDIC und CNIS in DIES, Vie associative et associations. Etudes et données
(Vereinsleben und Vereine. Studien und Daten), Paris, 1999.
5
National Economic Institute of Iceland.
6
Französisches Außenministerium, L’Europe: Paradis de la vie associative? (Europa: Paradies für das Vereinswesen?), Paris, März 1999.
237
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Anteil beträgt in Schweden z. B. 90 %, in der Schweiz 65 %, in Frankreich 39 %
und in Italien 23 %1.
Das wachsende und erneute Interesse von Politikern und Forschern für Vereine und
Stiftungen in den letzten Jahren ist in erster Linie auf die wichtige Rolle, die dieser
Sektor als Teil der Volkswirtschaften spielt, zurückzuführen. Insbesondere die
Tatsache, daß dieser Bereich in vielen Ländern einen zunehmenden Anteil der
Arbeitsplätze bereitstellt, und daß die Beschäftigung in diesem Sektor ständig
zugenommen hat, während sie in anderen Sektoren zurückgegangen ist, hat das
Interesse an diesem Bereich erhöht. Das Johns Hopkins-Projekt (Johns Hopkins
Comparative Non-Profit Sector Project – JHCNP) hat die Bedeutung des
gemeinnützigen Bereichs am Beispiel seines Beitrags zum Bruttoinlandsprodukt
und zur Beschäftigung in westlichen, entwickelten Ländern demonstriert2 (siehe
Tabelle 7.1). Da in diesem Kapitel Vereine und Stiftungen neben anderen Kriterien
auch durch das Kriterium der „Nicht-Gewinn-Orientiertheit” definiert sind, können
Daten über den gemeinnützigen Sektor insgesamt sinnvolle Hinweise auf die
Bedeutung der Vereine und Stiftungen im Rahmen der Wirtschaft geben. Obwohl
die Definition im Johns Hopkins-Projekt nicht genau mit der „europäischen”
übereinstimmt und sich das Verständnis von Vereinen und Stiftungen in vielen
Ländern davon unterscheidet, ist das Johns Hopkins-Projekt eine der wichtigsten
Quellen für zwischen Ländern vergleichbare Daten. Das Johns Hopkins-Projekt definiert gemeinnützige Organisationen als: Organisationen (sie sind institutionalisiert
und verfügen über eine Struktur), privat (sie sind keine staatlichen Organisationen), „nicht gewinnverteilend” (Gewinne kommen nicht ihren Managern oder
Eigentümern zugute), selbstverwaltend (sie kontrollieren im wesentlichen ihre
eigenen Angelegenheiten) und freiwillig (Mitgliedschaft ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, und Mitglieder beteiligen sich mittels freiwilliger Zuwendungen in der
Form von Zeit oder Geld). Im Gegensatz zur Definition der Sozialwirtschaft und
des dritten Sektors schließt die Definition des gemeinnützigen Sektors im Johns
Hopkins-Projekt die meisten Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften,
aber auch Vereine aus. Wegen der wichtigen Rolle, die Vereine in vielen europäischen Ländern, insbesondere in Italien und im Vereinigten Königreich spielen, sind
sie in der Definition, die für dieses Kapitel gewählt wurde, miteingeschlossen. Es
muß betont werden, daß im Rahmen eines Forschungsprojektes eine bessere
Vergleichbarkeit von Daten zwischen den einzelnen Ländern vielfach durch
geringe Übereinstimmung mit der einzelstaatlichen Sichtweise erkauft wird.
Kapitel 1 dieses Berichtes enthält Daten über die Zahl von und die Beschäftigung
in Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften und gemeinnützigen Organisationen. Die im folgenden dargestellten Zahlen über gemeinnützige Organisationen basieren auf statistischen Schätzungen des Umfangs aller Arten von Organisationen im gemeinnützigen Bereich. Aus diesem Grund ergeben sich Unterschiede zu den Daten in Abschnitt 1.4, die auf registrierte gemeinnützige Organisationen Bezug nehmen.
1
Frankreich: Fourel, C., und J.P Loisel, Huit Français sur dix concernés par la vie associative (Acht von zehn Franzosen betrifft die Existenz der Vereine), CREDOC, Consommation
et modes de vie, No. 133, Paris, 20. Februar 1999; Italien, Schweden und Schweiz:
http://www.civicus.org (Stand am 13. Juli 1999).
2
Salamon, L.S., H.K. Anheier et al., The emerging sector revisited (Der aufstrebende
Sektor: Folgeuntersuchung), The Johns Hopkins University, Institute for Policy Studies,
Centre for Civil society studies, 1998, und Salamon, L.S., H.K. Anheier, S.W. Sokolowski et
al., The emerging sector: a statistical supplement (Der aufstrebende Sektor: eine statistische
Beilage), The Johns Hopkins University, Institute for Policy Studies, 1996. Siehe dazu auch
die nationalen Studien im Rahmen des JHCNP.
238
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
Tabelle 7.1 Beschäftigung im gemeinnützigen Bereich, absolut und in Prozent der
Gesamtbeschäftigung (Vollzeitäquivalente), in 11 europäischen Ländern,
Japan und den Vereinigten Staaten, 1990 und 1995
1990 (1)
Belgien
Deutschland
Finnland
Frankreich
Irland
Italien
Niederlande
Österreich
Schweden
Spanien
Vereinigtes Königreich
EU-9 Gesamt
Japan
Vereinigte Staaten
1995 (2)
Absolut
In % der
Gesamtbeschäftigung
Absolut
n.v.
1 017 945
n.v.
802 619
n.v.
418 128
n.v.
n.v.
82 558
n.v.
945 883
n.v.
1 440 228
7 130 823
n.v.
3,7 %
n.v.
4,2 %
n.v.
1,8 %
n.v.
n.v.
2,5 %
n.v.
4,0 %
n.v.
2,5 %
6,9 %
357 802
1 330 350
62 848
959 821
118 664
n.v.
642 323
143 637
n.v.
475 179
1 415 743
5 506 367
2 164 533
8 554 900
In % der
Gesamtbeschäftigung
10,5 %
4,5 %
3,0 %
4,9 %
11,5 %
n.v.
12,4 %
4,5 %
n.v.
4,5 %
6,2 %
6,9 %
3,5 %
7,8 %
Anmerkung: Prozentsätze wurden gerundet.
Quelle:
(1) Ausnahmen Italien (1991) und Schweden (1992); Salamon, L.S., H.K. Anheier und S.W. Sokolowski et al., The emerging sector: a statistical supplement (Der aufstrebende Sektor: Eine statistische Beilage), The Johns Hopkins University, Institute for Policy Studies, 1996; (2) Salamon, L.S.,
H.K. Anheier et al., The emerging sector revisited (Der aufstrebende Sektor: Folgeuntersuchung),
The Johns Hopkins University, Institute for Policy Studies, Centre for Civil society studies, 1998.
Im Jahr 1990 wurde geschätzt, daß gemeinnützige Organisationen in der Schweiz
3,7 % bzw. 147 800 Arbeitsplätze hatten1. Diese Zahlen für die Schweiz sind mit
den Ergebnissen des Johns Hopkins-Projekts vergleichbar, da sie auf der selben
methodologischen Grundlage beruhen.
Nichtsdestoweniger weisen Vereine und gemeinnützige Organisationen in Europa
regelmäßig darauf hin, daß sie nicht wirklich ‘Unternehmen’ sind und unterstreichen, daß ihr primäres Ziel nicht die Produktion von Gütern oder Dienstleistungen
oder die Schaffung von Arbeitsplätzen ist, sondern daß ihre wirtschaftlichen Aktivitäten den Zielsetzungen, für die sie gegründet wurden, dienen. Die Fallstudie des
BASTA-Projekts in Schweden ist eine gute Illustration für dieses Konzept.
Fallstudie: Das BASTA-Projekt in Schweden
BASTA begann 1992 als ein gemeinsames Projekt der National Association for Aid to Drug
Abusers (RFHL) und von vier Stadtverwaltungen. Ziel war die Schaffung einer Produktionsgenossenschaft, in der frühere Drogenabhängige die Rehabilitation von Drogenabhängigen
unterstützen. Prinzipien der Arbeit, Solidarität, Qualität, Ökologie, Unabhängigkeit und die
Bedeutung guten Beispiels bildeten die ideologische Basis. BASTA wird ausschließlich von
früheren Drogenabhängigen geleitet, ohne die Einbindung von professionellem Personal aus
dem Bereich der Drogenrehabilitation. Es ist eine Produktionsgenossenschaft, die Rehabilitation mit der Erzeugung von Produkten und Dienstleistungen für den privaten Markt verbindet.
Es ist beabsichtigt, daß die Institution zu einem späteren Zeitpunkt Gewinn erwirtschaftet, und
daß dadurch die Rehabilitation weniger von öffentlicher Förderung abhängig wird.
Quelle:
Hansson, J.H., und P. Wijkstrom, BASTA! Beskrivning och analys av Basta Arbetskooperativ (BASTA!
Beschreibung und Analyse der Basta Produktionsgenossenschaft), Sköndalsinstitutet, 1997.
1
Wagner, A., Profiling the civic sector: National report on Switzerland (Profil des Zivilsektors: Länderbericht Schweiz), http://www.civicus.org (Stand am 13. Juli 1999).
239
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Vereine und Stiftungen wollen, daß ihre Rolle in der modernen Gesellschaft in
vollem Umfang anerkannt wird, insbesondere hinsichtlich ihrer Bedeutung für
aktive Bürgerbeteiligung, die Entwicklung der Demokratie, die Verteidigung von
Gleichberechtigung und Chancengleichheit, die Förderung und die Unterstützung
von Beschäftigungsprogrammen und sozialer Kohäsion, sowie ihres Beitrags zur
Schaffung eines sozialen Europas und eines Europas der Bürger1. Die folgende Fallstudie ist ein gutes Beispiel für ihre gesellschaftliche Bedeutung.
Fallstudie: Die ONCE-Stiftung in Spanien
Mitte der 80er Jahre gelang es der nationalen spanischen Blindenorganisation (Organización Nacional de Ciegos de Espana: ONCE), mehr als 10 000 Menschen in die
Organisation zu integrieren, weil auch nicht-blinde Behinderte als Verkäufer von Lotterielosen (Blindenlotterie) einbezogen werden konnten. Die ONCE-Stiftung (Fundación
ONCE – Fundosa –) wurde 1988 gegründet. In der Stiftung sind die vier größten nationalen Behindertenorganisationen in Spanien vertreten.
Ziel der Stiftung ist es, die Zusammenarbeit und die soziale Integration behinderter
Personen durch Programme (die entweder selbst durchgeführt oder veranlaßt werden)
zu fördern und Menschen mit Behinderungen zu unterstützen. ONCE wird zu 93 % aus
dem Bruttoerlös des Verkaufs von Lotterielosen finanziert.
ONCE hat seit 1988 mehr als 540 Millionen Euro in Aktionen und Programme für die
Unterstützung der Behinderten investiert. Kürzlich wurde ein sehr wichtiges Projekt
gestartet: Der „Plan 5 000”, der darauf abzielt, 5 000 Behinderte in den Jahren 1997 bis
2000 anzustellen. Das Ziel, Behindertenarbeitsplätze zu schaffen, soll dadurch erreicht
werden, daß Arbeitsplätze in der Verwaltung sowohl des Fonds als auch seiner angeschlossenen Unternehmungen, in den Organisationen und Verwaltungen der Behindertenorganisationen, im INSERTA-Progamm, das auf ad hoc-Vereinbarungen mit privaten Unternehmungen beruht, in den öffentlichen Verwaltungen, entweder durch die Besetzung freier
Stellen oder indirekt durch (neue) Arbeitsplätze, die Behinderte dadurch schaffen, daß sie
entsprechende Güter und Dienstleistungen konsumieren und schließlich durch Selbständigkeit geschaffen werden. Nach Auskunft der Stiftung konnten bereits im ersten Jahr
der Umsetzung des Plans 1 500 Arbeitsplätze für Behinderte geschaffen werden.
Quelle:
7.3
IKEI.
Unterstützende Maßnahmen
In allen 19 Ländern, auf die sich dieser Bericht bezieht, wird die Freiheit der Vereine
entweder durch die Verfassung oder – manchmal ungeschriebene – Grundrechte anerkannt. Nichtsdestoweniger bestehen viele Unterschiede hinsichtlich der allgemeinen
Politik gegenüber dem „Sektor”, die hauptsächlich von der Art der Beziehung der
öffentlichen Verwaltung mit Vereinen und Stiftungen, insbesondere in den Bereichen
Erziehung, Gesundheit und soziale Dienste, abhängen. Der Spielraum reicht dabei vom
skandinavischen Konzept der Wohlfahrtsgesellschaft (der dritte Sektor ergänzt in
diesem Konzept in erster Linie öffentliche Dienstleistungen, abgesehen davon, daß er
(auch) Ausdruck demokratischer Verhaltensformen ist) bis zur Einstellung in Belgien
und Deutschland als Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips, wo im Gegensatz zum
Konzept der Wohlfahrtsgesellschaft öffentliche Dienstleistungen als Ergänzung der
gemeinnützigen Organisationen gesehen werden (siehe auch Abschnitt 7.4).
1
Siehe insbesondere die Dokumente der CEDAG (European Council for Voluntary Organisations) und der Platform of European Social NGOs.
240
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
Die hauptsächlichen politischen Instrumente auf nationaler Ebene zur Förderung
von Vereinen und Stiftungen sind:
• Spezielle gesetzliche Bestimmungen;
• Begünstigungen im Steuersystem, die den nicht auf Gewinn gerichteten
Charakter dieser Organisationen berücksichtigen;
• Finanzielle Unterstützung in der Form von direkten Zuwendungen (Subventionen, Darlehen) und, indirekt, Anreize für private Spender;
• Unterstützung, um Freiwilligenarbeit zu fördern;
• Unterstützung, um die Schaffung von Arbeitsplätzen anzuregen.
Darüberhinaus unterstützen die Behörden Vereine und Stiftungen indirekt durch die
Zurverfügungstellung öffentlicher Infrastruktur, wie z. B. Gebäude oder Sportplätze.
Diese Art von Unterstützung wird in erster Linie durch lokale Behörden gewährt.
Die Organisation von Unterstützungsmaßnahmen
In den meisten Ländern sind die wichtigen und zentralen Ministerien1 die für den
Sektor politisch zuständigen Behörden. Natürlich haben in Ländern, die stark dezentralisiert sind, wie z. B. Deutschland, Spanien oder die Schweiz, auch regionale und
lokale Behörden wichtige politische Kompetenzen in bezug auf Vereine und Stiftungen. Tatsächlich wurden nur in Frankreich, dem Vereinigen Königreich und Italien
spezielle Behörden für die Koordinierung der nationalen Politik für diesen Sektor
geschaffen.
• In Frankreich ist die DIES (Délégation Interministérielle à l’Economie
Sociale/Interministerieller Ausschuß für die Sozialwirtschaft), im Zuständigkeitsbereich des Premierministers, nicht nur für Vereine, sondern für die gesamte
Sozialwirtschaft zuständig. DIES wurde 1982 gegründet; 1998 wurden seine
Aufgaben ausgeweitet, um den gesamten Vereinssektor abzudecken.
• Im Vereinigten Königreich besteht die „Active Community Unit (ACU)” innerhalb
des Innenministeriums, das als zentrale Regierungsabteilung mit all jenen Angelegenheiten befaßt ist, die den gemeinnützigen Bereich betreffen. Die ACU wirkt als
Koordinator für gemeinnützige Organisationen und beobachtet die öffentlich
finanzierten Agenturen, wie die Flüchtlingsagentur, die Agentur zur Unterstützung von Opfern krimineller Aktivitäten, die Aktionsgruppe „Kinder in Armut”,
die „Low Pay Unit” (Einheit zum Schutz unterbezahlter Personen) und die nationale Vereinigung für die Betreuung und Rehabilitierung von Gesetzesübertretern.
• In Italien wurde durch das Gesetz 662/19962 festgelegt, daß vor dem 31.
Dezember 1997 eine Behörde für den dritten Sektor errichtet werden soll3.
1
D. h. Ministerien für Justiz, innere Angelegenheiten, Arbeit, Gesundheit, soziale Angelegenheiten, Unterricht, Kultur, Sport, Jugend etc. Quellen: ENSR Partner und Französisches
Außenministerium, L´Europe: Paradis de la vie associative? (Europa: Paradies für das
Vereinswesen?), Paris, März 1999.
2
Durch dieses Gesetz wird das Budget der Regierung für das nächste Jahr genehmigt. Es
enthält, neben anderen Themen, Aussagen zur regionalen Entwicklung und zum dritten Sektor.
3
Diese Behörde wird eine begleitende Funktion unter Aufsicht des Premierministers und
des Finanzministers ausüben. Sie soll durch Rat, Empfehlungen und detailliertere
Ausführungen sicherstellen, daß das Gesetz betreffend der Anforderungen und der
notwendigen Rahmenbedingungen für alle unter ONLUS (Organisazzione Non Lucrative di
Utilità Sociale) zusammengefaßten Organisationen in gleicher Weise angewendet wird.
Diese Institution soll dem Parlament einen jährlichen Bericht über die Entwicklung der
Sozialwirtschaft vorlegen. Es soll darüberhinaus Verhalten und Mißbräuche jener Organisationen, die durch Werbeeinschaltungen versuchen, Spenden zu sammeln, beobachten.
241
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Diese Behörde wurde noch nicht gegründet, und es wurde weder eine
Entscheidung über den Sitz noch die Mitglieder dieser Behörde getroffen. Eine
Entscheidung muß noch 1999 getroffen werden.
Die Zusammenarbeit mit Vertretern des Sektors zum Zweck der Diskussion politischer Fragen, die den Sektor betreffen, wurden nur in wenigen Ländern formalisiert: In Frankreich wurde durch Beschluß aus dem Jahr 1983 ein beratendes
Komitee, das CNVA (Conseil National de la Vie Associative/Nationaler Rat des
Vereinssektors) eingerichtet. Die 66 Mitglieder sind Vertreter von Vereinen aus allen
Bereichen. CNVA ist verantwortlich für die Erstellung einer jährlichen Bewertung
des Vereinssektors und führt Studien durch, die für die Entwicklung des Sektors
und allfällige Reformbemühungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen
nützlich erscheinen. Auch in Irland nehmen Vereine, die im sozialen Bereich tätig
sind, an der Entwicklung der Sozialpolitik aktiv teil.
7.3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen, Regulierungen und
Steuersysteme
Die beträchtlichen Unterschiede in den rechtlichen Rahmenbedingungen - Gesetzgebung für die Errichtung, mögliche Rechtsformen, Eintragungserfordernisse, etc. in den verschiedenen Ländern sind in erster Linie auf die unterschiedlichen Rechtstraditionen und Rechtsquellen zurückzuführen. Dabei sind Länder mit einer Tradition kodifizierten Rechts (wie z. B. Frankreich) und Länder mit einer Tradition des
gesprochenen Rechts (Gewohnheitsrechts), wie z. B. das Vereinigte Königreich
oder Norwegen, zu unterscheiden.
Diese Unterschiede wurden im Detail in verschiedenen vergleichenden Studien
untersucht, und sind insbesondere in einer Mitteilung der Europäischen Kommission1 gut dokumentiert. Dies trifft auch auf die Steuerpolitik zu, soweit sie Vereine
und Stiftungen betrifft. Aus diesem Grund werden im folgenden nur die Veränderungen, die seit Erscheinen dieser Mitteilung vorgenommen wurden, aufgezählt:
• Spanien: Das Ziel des Gesetzes/6 zur „Gemeinnnützigen-Bewegung” vom 15.
Januar 1996 ist es, die Beteiligung spanischer Bürger an privaten oder öffentlichen, gemeinnützigen, freiwilligen Organisationen zu unterstützen und zu
erleichtern. Zu diesem Zweck definiert das Gesetz, was unter einer gemeinnützigen Organisation zu verstehen ist. Dies insbesondere im Zusammenhang mit
jenen Tätigkeitsbereichen, die unter dem Gemeinnützigkeits- und Freiwilligenbegriff eingeordnet werden können. Das Gesetz definiert auch ausdrücklich den
Begriff des Freiwilligen zusammen mit den Rechten und Pflichten einer solchen
Person. Außerdem werden durch das Gesetz verschiedene Anreize für
gemeinnützige Organisationen und Freiwillige selbst geschaffen, wie Ermäßigungen im öffentlichen Transport oder bei der Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen. Im Gesetz ist ausdrücklich festgelegt, daß die öffentliche
Verwaltung die Schaffung von Unterstützungsprogrammen für solche Organisationen z. B. durch technische Hilfe, Ausbildungsprogramme oder Informationsdienste und Medienverbreitung fördern soll. Das Gesetz hat einen nationalen
Plan für die Unterstützung von freiwilligen Aktivitäten in der Periode von 1997
bis 2000 ermöglicht, dessen hauptsächliches Ziel es ist, allgemein verbindliche
Rahmenbedingungen festzulegen, innerhalb derer öffentliche Förderrichtlinien
1
Europäische Kommission, Die Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine und Stiftungen in Europa, KOM(97) 241 endg., 6. Juni 1997, Brüssel, und Französisches Außenministerium, L’Europe: Paradis de la vie associative? (Europa: Paradies für das Vereinswesen?),
Paris, März 1999.
242
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
und Koordinationsmechanismen für den spanischen gemeinnützigen Sektor
errichtet werden können1.
• In Belgien wurde 1996 eine neue Rechtsform eingeführt. Vereine2, die der
Sozialwirtschaft angehören, aber eine größere Zahl kommerzieller Aktivitäten
durchführen, können zu einer kommerziellen Rechtsform wechseln und
trotzdem ihr gemeinnütziges Ziel beibehalten: „Société Commerciale à Finalité
Sociale/Vennootschap met Sociaal Oogmerk” (SFS/VSO)’. In Wallonien wird
diese neue Rechtsform bereits allgemein genutzt. Mit der Einführung dieser
Rechtsform wird der spezielle Charakter von Unternehmen in der Sozialwirtschaft anerkannt. Belgien kann in dieser Hinsicht als Pionier bezeichnet werden.
Jene französischen Vereine, die bedeutende wirtschaftliche Aktivitäten haben,
verlangen ebenfalls die Einführung einer solchen Rechtsform (Unternehmen mit
einer sozialen Aufgabe: „l’entreprise à but social”)3.
• In Italien4 wurde eine neue Rechtsform, ONLUS (Organizzazioni Non Lucrative di
Utilità Sociale) durch die gesetzliche Verordnung 460/1997 geschaffen. Ziel war es,
einen klareren Bezugsrahmen für die Anwendung von steuerlichen Vorschriften zu
schaffen. Die Organisationen, die den ONLUS zugeordnet werden können, sind
Vereine, Stiftungen und Genossenschaften, die in den Bereichen Sozial- und
Gesundheitsdienstleistungen, Wohltätigkeit, Erziehung und Ausbildung, Breitensport, Förderung und Erhaltung künstlerischen und historischen Erbes, Bürgerrechte und wissenschaftliche Forschung tätig sind5. Der Verkauf von Dienstleistungen, die dem hauptsächlichen Ziel eines Vereines, der bestimmte soziale Ziele
verfolgt, dienen, werden demnach, im Gegensatz zu früher, nicht mehr als
kommerzielle Aktivitäten betrachtet. Gewinne aus solchen Aktivitäten, die direkt
mit dem sozialen Ziel verbunden sind, sind nicht steuerpflichtiges Einkommen6.
• In Frankreich7 wird ab Januar 2000 ein neues Steuergesetz wirksam, das die steuerliche Situation von Vereinen, insbesondere in bezug auf ihre wirtschaftlichen Aktivitäten, klarstellen soll. Das Gesetz bestätigt eindeutig, daß die Befreiung von
Vereinen von Unternehmenssteuern die Regel und eine Steuerpflicht die
1
IKEI.
Normalerweise dürfen Vereine keine wirtschaftlichen Aktivitäten durchführen, es sei
denn fallweise und unregelmäßig und nicht als ihre Hauptaufgabe. Dies bedeutet, daß die
meisten Vereine in der Sozialwirtschaft, deren Ziel es ist, Arbeitslose auszubilden oder in
den Arbeitsmarkt zu integrieren, indem ihnen regelmäßige wirtschaftliche Arbeitserfahrung
geboten wird, oder die gegen eine Gebühr ihr Wissen hinsichtlich der Wiedereingliederung
schwer anstellbarer Personen anbieten, in einer gesetzlichen Grauzone operieren.
3
Für mehr Informationen über SFS siehe http://www.econosoc.org. Die Rechtsform
SFS/VSO ist eine kommerzielle Rechtsform. Vereine, die zu dieser Rechtsform wechseln,
verlieren demnach ihre frühere Rechtsform als Verein und viele ihrer Steuervorteile, weil sie
ab diesem Zeitpunkt dem regulären Unternehmensbesteuerungssystem unterliegen. Dies
ist der Grund, warum der Vereinssektor nach wie vor eine geeignetere Rechtsform verlangt,
die es einer Organisation erlaubt, als Verein weiter zu bestehen und trotzdem wirtschaftliche Aktivitäten wie Handel und Produktion durchzuführen.
4
Centro Studi Cicogna, Bocconi University.
5
Gemeinnützige Organisationen und Genossenschaften mit sozialer Zielsetzung gehören
automatisch zu ONLUS.
6
Eine andere Neuigkeit ist die Vereinfachung der administrativen Verfahren für die
Annahme von Erbschaften und die Befreiung von Erbschaftsteuern. Diese Verordnung
wurde stark kritisiert, weil die Definitionen und die damit verbundenen Sachverhalte zu
kompliziert sind. Derzeit ist es noch nicht möglich, die methodischen Probleme, die
entstehen können, zu beurteilen, weil die Verordnung noch nicht eingeführt wurde. Es
muß aber darauf hingewiesen werden, daß diese Verordnung den Willen der Regierung
zeigt, die Regelungen für den dritten Sektor zu verbessern.
7
Premierminister, Circulaire relative au développement de la vie associative (Mitteilung
betreffend die Entwicklung des Vereinswesens), Paris, 16. September 1998, und Rede des
Premierministers vom 21. Februar 1999 zum Abschluß der „Assises Nationales de la Vie
Associative” (nationale Konferenz zum Vereinswesen), Paris, 1999.
2
243
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Ausnahme ist. Dieses Gesetz wurde erlassen, um kleine Vereine zu schützen und
sollte den Wünschen der Vertreter dieser Vereine entsprechen. Nichtsdestoweniger
sind die Vereine nicht gänzlich zufrieden, weil das Gesetz schwierig zu verstehen
und umzusetzen ist. Aus diesem Grund wurde seine Einführung von 1999 auf
2000 verschoben; im Rahmen des Finanzgesetzes 2000 wird dem Parlament ein
Vorschlag unterbreitet, der vorsieht, daß die zahlreichen Vereine, die neben ihrer
Haupttätigkeit nichtkommerzieller Art kleinere wirtschaftliche Aktivitäten haben
(mit einem Umsatz von maximal 38 125 Euro) von solchen Steuern befreit werden.
7.3.2 Spezifische Unterstützungsmaßnahmen im Bereich der
Finanzierung
Zusätzlich zu den üblichen Formen finanzieller Unterstützung für Vereine und
gemeinnützige Organisationen, wie z. B. Entschädigung für Dienstleistungen,
begünstigte Mehrwertsteuersätze, andere Steuerbefreiungen, Verteilung von
Zuschüssen, haben nationale oder lokale Behörden besondere Instrumente
geschaffen, um Vereine und gemeinnützige Organisationen zu finanzieren. Stark
verallgemeinernd kann man sagen, daß die Länder im Norden Europas private
Spenden durch öffentliche Lotterien fördern, während die südlichen Länder eine
Mischung spezieller Fonds und der Förderung privater Spenden durch Steuerbefreiung bevorzugen. In einer Zwischenposition befindet sich das Vereinigte Königreich, das alle möglichen Instrumente entwickelt hat, während Griechenland
kaum über Instrumente in diesem Bereich verfügt.
In nahezu allen Ländern von Europa-19 werden die Einkommen von nationalen
oder öffentlichen Lotterien und Glückspielen dazu verwendet, Wohltätigkeit,
Vereine, gemeinnützige Organisationen oder andere gute Zwecke zu finanzieren.
In einigen Fällen scheinen Lotterie- und Glückspielerlöse eine bedeutende Quelle
für die Finanzierung des dritten Sektors darzustellen. Dies ist insbesondere in Finnland der Fall, wo zwei Systeme angewandt werden: Erstens werden die Erträge der
nationalen Lotterie (Oy Veikkaus Ab) dem Unterrichtsministerium zur weiteren
Verteilung an Organisationen, die in den Bereichen Kunst (51 % der verfügbaren
Mittel), Sport (23 %), Forschung (20 %) und Jugendarbeit (6 %) tätig sind, übergeben (insgesamt 333 Millionen Euro für 1998, das waren 7,5 % des gesamten
Budgets des Ministeriums im Jahr 1999)1.
Zweitens gründete der finnische Staat 19382 zusammen mit acht Wohltätigkeitsorganisationen RAY (ein Glückspielautomatenverein), die ein gesetzliches Monopol als
Glückspielveranstalter hat, und deren grundsätzliche Aufgabe es ist, Mittel für die
Unterstützung gemeinnütziger Gesundheits- und Wohltätigkeitsorganisationen zu
beschaffen. Die Glückspielmaschinenverordnung legt fest, daß das Einkommen von
RAY an eingetragene gemeinnützige Organisationen und Stiftungen zu verteilen ist,
deren Zweck es ist, die allgemeine Gesundheit zu fördern, Unterstützung für die
Wohlfahrt von Kindern zu geben, die Pflege von Personen mit Behinderungen, die
Altenpflege, die Entwicklung von Jugendarbeit, den Schutz menschlichen Lebens,
Rettungsaktivitäten in Katastrophenfällen, die Beschaffung oder Haltung von allge-
1
Small Business Institute, Turku School of Economics and Business Administration und Finnisches Unterrichtsministerium, http://www.minedu.fi/ministry/finance (Stand am 21. Juli 1999).
2
Die ersten Glückspielautomaten wurden in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts in Finnland
aufgestellt und wurden anfangs von privaten Firmen betrieben. Wegen Klagen, daß private
Firmen in Ausnützung des „Spieltriebs” der Bevölkerung Gewinne erzielten, erließ der Staat
bereits 1933 eine Verordnung, die Wohltätigkeitsorganisationen das ausschließliche Recht
einräumte, solche Automaten zu betreiben. Die 1937 erlassene neue Verordnung, die zur Gründung von RAY führte, war eine Konsequenz der Konkurrenz zwischen den Wohltätigkeitsorganisationen. RAY, http://www.ray.fi/englishE/presse/press.htm (Stand am 21. Juli 1999).
244
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
meinzugänglichen Erholungseinrichtungen oder ähnlicher Erholungsmöglichkeiten
und die „Mäßigkeit” oder Pflege für Alkohol- und Drogenabhängige zu fördern.
1998 erreichte der Gewinn von RAY 302 Millionen Euro (das waren 65 % des
Umsatzes von RAY) der zu 76 % dazu verwendet wurde, Projekte von 1 009 Gesundheits- und Wohlfahrtsorganisationen zu finanzieren und zu 24 %, um die Betriebskosten von Pflegeheimen und die Rehabilitierung von Kriegsversehrten zu decken1.
In Belgien2 geht der gesamte Gewinn der Nationallotterie hauptsächlich an die
direkt vom Gesetz bezeichneten Nutznießer (wie z. B. Zusammenarbeit für die
Entwicklung von Unterstützungsprogrammen, die König Baudouin-Stiftung und
die ‘Caisse Nationale des Calamités’) und dient in zweiter Linie der Unterstützung
weiterer gemeinnütziger Zwecke3.
Demnach können gemeinnützige Organisationen Unterstützungen erhalten, wenn sie
in den folgenden Bereichen tätig sind: soziale und berufliche Integration von Behinderten, Schulen für behinderte Schüler, Unterbringung und Pflege von älteren
Personen, Kampf gegen Armut und Unterstützung für Obdachlose, Unterstützung
und Schutz Jugendlicher, Mutter-Kind-Schutz, Sport, Tourismus und Jugendaktivitäten, Entwicklung der Künste, Kinoförderung, Literatur und Kultur im allgemeinen,
Erhaltung von Denkmälern und historischen Erbes, Natur- und Umweltschutz, wissenschaftliche Forschung, Tierschutz, soziale und humanitäre Aktivitäten, soziale Integration von Einwanderern und poltitischer Flüchtlinge. 45,6 % der Lotteriegewinne des
Jahres 1998 (81 309,1 Millionen Euro) wurden für diese Zwecke ausgegeben.
Im Vereinigten Königreich4 wurde die nationale Lotterie 1994 durch das Parlament
eingeführt, ausdrücklich, um Geld für gute Zwecke zu beschaffen. Sechs solcher
guten Zwecke wurden definiert: Kunst, Sport, Wohltätigkeit, historisches Erbe, die
Millenniumsfeiern und die neuen Entwicklungen in den Bereichen Gesundheit, Erziehung und Umwelt5. 28 % des Einkommens der nationalen Lotterie wird für diese
sechs guten Zwecke verwendet. Der Betrag wird folgendermaßen verteilt: Kunst,
Sport, Wohltätigkeit und historisches Erbe erhalten jeweils 16,67 %, die Millenniumskommission 20 % und der „New Opportunities Fund” 13,3 %6. 1997/98 wurden
beispielsweise 519,38 Millionen Euro an Wohltätigkeitsvereine verteilt.
In Norwegen belaufen sich die Gewinne der norwegischen Nationallotterie, die an
Vereine verteilt werden, auf ungefähr 230 Millionen Euro7.
In der Schweiz erlaubt das Gesetz nur Lotterien, deren Gewinne vollständig an
gemeinnützige Organisationen verteilt werden. Es bestehen vier Dachorganisationen für Lotterien: die Interkantonale Landeslotterie (ILL) und die Seva Lotteriegenossenschaft Bern im deutschsprachigen Teil, die Lotterie Suisse Romande im
1
Small Business Institute, Turku School of Economics and Business Administration und
RAY: http://www.ray.fi/englishE/presse/press.htm (Stand am 21. Juli 1999).
2
Die belgische Nationallotterie, http://wwwloterie.national.be (Stand am 23. September
1999).
3
Siehe Gesetz zur Nationallotterie vom 22. Juli 1991 und die Novellierung durch das
Gesetz vom 21. Dezember 1994.
4
De Montfort University, The UK National Lottery, http://www.nationallottery.co.uk/causes/index.html (Stand am 13. Juli 1999) und the National Lottery Charities
Board, Annual Report 1997/98.
5
Es gibt zwölf Verteilerinstitutionen, die verantworlich für die Verteilung von Zuschüssen für
die guten Zwecke sind (die Arts Councils of England, Scotland, Wales and Northern Ireland, die
Sports Councils of England, Scotland, Wales and Northern Ireland, der National Charities Board,
der Heritage Lottery Fund, die Millennium Commission und der New Opportunities Fund).
6
Die Millennium Commission besteht bis zum 31. Dezember 1999, danach wird ihr
Anteil dem „New Opportunities Fund” zugeschlagen.
7
Französisches Außenministerium, L’Europe: Paradis de la vie associative? (Europa: Paradies für das Vereinswesen?), Paris, März 1999.
245
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
französischsprachigen Teil und die Swisslotto im Gesamtgebiet der Schweiz. Alle
Gewinne werden entweder direkt oder indirekt durch die Kantonsverwaltungen an
Vereine verteilt, die in den Bereichen soziale Dienstleistungen, Kunst, Kultur,
Umwelt oder Forschung tätig sind. 1998 wurden insgesamt 220,26 Millionen Euro
verteilt: 49,97 Millionen Euro der Lotterie Suisse Romande, 16 Millionen Euro der
Seva, 20,35 Millionen Euro der ILL und 133,94 Millionen Euro der Swisslotto.
In Frankreich, Italien, Spanien und dem Vereinigten Königreich wurden spezielle
Fonds für die Finanzierung gemeinnütziger Organisationen entwickelt.
Im Jahr 1982 wurde in Frankreich der „Fonds National Développement de la Vie
Associative” (FNDVA, Nationaler Fonds für die Entwicklung des Vereinssektors)
gegründet, der in erster Linie Ausbildung von Vereinsfunktionären und Freiwilligen
(ehrenamtlichen Mitarbeitern) finanziert. FNDVA wird finanziert aus einem
Aufschlag auf Pferdewetten (System PMU). Sowohl die französischen Vereine als
auch die Regierung sind der Meinung, daß das Budget der FNDVA (3,66 Millionen
Euro pro Jahr seit 1997) zu klein ist, und daß der Fond nicht effizient verwaltet wird.
Aus diesen Gründen hat der Premierminister am 16. September 1998 zunächst eine
Reform des Verwaltungssystems, und dann, im Februar 1999 eine Erhöhung des
Budgets (auf 6,1 Millionen Euro) bekanntgegeben1.
Ebenfalls in Frankreich wurde 1964 der FONJEP (Fonds de Coopération de la Jeunesse et de l’Education Populaire/Fonds für die Jugend- und Volksbildung)
gegründet. Dieser Fonds, der gemeinsam von Ministerien und Vereinen verwaltet
wird, finanziert einen Teil der Kosten der ständig Beschäftigten, die Koordinationsoder Managementaufgaben erfüllen und bei Jugendbewegungen und Vereinen,
die in den Bereichen öffentliche Bildung und soziale Aktion tätig sind, beschäftigt
werden. Im Jahr 1999 finanzierte das Ministerium für Jugend und Sport durch
FONJEP 3 215 Arbeitsplätze mit einem Gesamtbetrag von 22,056 Millionen Euro.
In Spanien wird seit 1979 ein kleiner Anteil (0,52 %) des Einkommensteueraufkommens für Kirchen und Vereine, die im sozialen Bereich tätig sind, zweckgebunden. Diese Mittel werden für die Finanzierung von Ausbildungsprogrammen
und die Unterstützung von gemeinnützigen Tätigkeiten verwendet. Schätzungen
zufolge belief sich der Betrag 1996 auf 195 Millionen Euro, von denen knapp 58 %
den Vereinen zugute kamen2.
In nahezu allen Ländern, mit der Ausnahme von Island und, bis zu einem bestimmten
Ausmaß, auch Schweden und Norwegen, wo Steuerbefreiungen nur in sehr eingeschränkter Form existieren, werden steuerliche Anreize eingesetzt, um private Spenden
an Vereine, gemeinnützige Organisationen und Stiftungen anzuregen. In einigen
Ländern (z. B. Frankreich) werden diese Steueranreize regelmäßig neu definiert (durch
das Finanzgesetz), in anderen Ländern (z. B. Portugal3) wurden sie kürzlich reformiert.
Aus diesem Grund und obwohl diese steuerlichen Anreize im Detail in der Mitteilung
der Kommission4 dargestellt wurden, wird diesem Kapitel eine diesbezügliche Übersichtstabelle als Anhang angefügt. Wie diese Tabelle zeigt, unterscheiden sich die
Systeme, Bestimmungen und Stärken der Anreize in den einzelnen Ländern deutlich.
1
Bericht des Senats zum Finanzgesetzvorschlag für 1999, Premierminister, Circulaire relative au développement de la vie associative (Mitteilung betreffend die Entwicklung des
Vereinswesens), Paris, 16. September 1998, und Rede des Premierministers vom 21.
Februar 1999 zum Abschluß der „Assises Nationales de la Vie Associative” (nationale Konferenz zum Vereinswesen), Paris, 1999.
2
IKEI und Französisches Außenministerium, L’Europe: Paradis de la vie associative?
(Europa: Paradies für das Vereinswesen?), Paris, März 1999.
3
Wohltätigkeitsspendengesetz 1997 (IAPMEI).
4
Europäische Kommission, Die Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine und Stiftungen in Europa, KOM(97) 241 endg., 6. Juni 1997, Brüssel.
246
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
Der Wirkungsgrad von Steueranreizen wird neben seiner direkten, formalen Definition auch von anderen Faktoren bestimmt.
Erstens spielt das allgemeine System der Einkommensteuersätze eine Rolle. In
Frankreich wirken die Steueranreize z. B. nur auf Personen mit einem relativ hohen
Einkommen, da nur 50 % der Haushalte Einkommensteuer bezahlen. In Irland
etwa werden Unternehmen durch die Anreize kaum motiviert zu spenden, weil der
Körperschaftsteuersatz für viele Unternehmen nur 10 % beträgt.
Zweitens müssen die Unterschiede, die hinsichtlich der Ansuchen für die
Gewährung der Steuererleichterung bestehen, berücksichtigt werden. Dies kann
an Hand der gegensätzlichen Beispiele von Griechenland bzw. dem Vereinigten
Königreich und Dänemark verdeutlicht werden.
In Griechenland scheint das Gesetz 2459/97 zur Abschaffung von Steuerausnahmen private Spenden zu komplizieren. Dieses Gesetz hat einen Steuerselbstbehalt von 20 % hinsichtlich von Geldgeschenken an gemeinnützige Organisationen
eingeführt und macht die Steuerbefreiung davon abhängig, daß die jährliche
Spende den Betrag von 306 Euro übersteigt1.
Im Vereinigten Königreich2 haben die Bürger verschiedene Möglichkeiten,
gemeinnützigen Organisationen Spenden zu geben und von Steuerbefreiungen zu
profitieren: die vertraglich vereinbarte Spende, das „gift aid”-Programm und schließlich „Payroll giving”. Das erstgenannte Programm bezieht sich auf Spender, die eine
rechtlich verbindliche Verpflichtung eingehen, für eine Periode von über drei Jahren
regelmäßig bestimmte Spenden für einen wohltätigen Zweck zu geben, wobei weder
ein minimaler noch ein maximaler Betrag vorgeschrieben ist. „Gift aid” ist ein
Programm für einmalige Spenden für einen gemeinnützigen Zweck, die ein Minimum
von 390 Euro übersteigen, wobei der Betrag auf einmal einbezahlt werden muß3.
Angestellte können das sogenannte „payroll giving” in Anspruch nehmen. Dies
bedeutet, daß sie ihren Arbeitgeber authorisieren, wohltätige Spenden von ihrem
Gehalt abzuziehen, wobei ein Maximum von 1 872 Euro pro Jahr nicht überschritten
werden darf. Der Arbeitgeber leitet die Spenden an eine Wohltätigkeitsagentur weiter,
die durch die Finanzbehörden authorisiert ist, und die ihrerseits diese Spenden jenem
wohltätigen Zweck zuweist, der von den Angestellten ausgewählt wurde4.
1
In diesem Fall müßte z. B. ein Rentner mit einem zu versteuernde Einkommen von 9 174
Euro, der 460 Euro an eine gemeinnützige Organisation gespendet hat, 90 Euro Steuer
bezahlen und mehrere Monate warten, bevor der Steuerrabatt von 70 Euro zurücküberwiesen wird. University of Piraeus.
2
Her Majesty’s Treasury, Review of charity taxation consultation document, London, März
1999.
3
Im Budget 1998 wurde zusätzlich eine spezielle Art von ‘Gift Aid’ eingeführt, das ‘Millennium Gift Aid’, zweckgebunden für Spenden an Wohltätigkeitsvereinigungen im Bereich
Erziehung und Armutsprojekten in den ärmsten Ländern der Welt. Das untere Limit für
solche Spenden beträgt 156 Euro, die in Raten bezahlt werden können, aber insgesamt bis
zum Jahresende 2000 einbezahlt sein müssen.
4
Das vertragliche Spenden und „Gift Aid” funktionieren auf ähnliche Weise, d. h., der
Betrag, der vom Spender bezahlt wird, wird als Nettobetrag nach Abzug des Basissatzes der
Einkommensteuer behandelt, den die Wohlfahrtsorganisation von den Finanzbehörden
einfordern kann. Zum Beispiel eine 1 000 Pfund Spende entspricht 1 000 Pfund plus dem
Basiseinkommensteuersatz von 23 %, dies entspricht daher 1 299 Pfund. Wenn der Spender
einen höheren Steuersatz (40 %) bezahlt, kann er eine höhere Rückvergütung in der Selbstveranlagung beantragen (in diesem Fall zusätzlich 220,83 Pfund bzw. 17 % von 1 299
Pfund). Spender, die weniger Steuer bezahlen als den Basissatz oder keine Steuer, müssen
dies der Finanzbehörde bekannt geben, so daß insgesamt der Betrag der Steuererleichterung korrekt wiedergegeben werden kann. Im Fall des „payroll giving” erhalten die spendenden Angestellten Steuererleichterungen jeweils im Ausmaß des von ihnen bezahlten
höchsten Steuersatzes, weil die Spenden abgezogen werden, bevor das zu versteuernde
Einkommen berechnet wird, und es gibt kein Risiko für die Spender, im Zusammenhang mit
der Spende gegenüber den Finanzbehörden steuerpflichtig zu werden.
247
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Auch in Dänemark können sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen langfristige Spendenverträge zugunsten von Vereinen abschließen, d. h., sich selbst (üblicherweise für 10 Jahre) dazu verpflichten, einen jährlichen Betrag zu spenden und
dadurch Steuerbefreiungen von maximal 15 % ihres steuerpflichtigen Einkommens
oder bis zu höchstens 2 018 Euro beanspruchen1.
7.3.3 Maßnahmen im Bereich der freiwilligen (ehrenamtlichen)
Mitarbeit2
Freiwillige, ehrenamtliche Tätigkeit stellt einen Schlüsselfaktor für die Entwicklung
der gemeinnützigen Organisationen dar. Tabelle 7.2 zeigt den Anteil der Bevölkerung, der in gemeinnützigen Organisationen mitarbeitet.
Tabelle 7.2 Anteil der Bevölkerung, der freiwillig (ehrenamtlich) in gemeinnützigen Organisationen mitarbeitet (in 13 europäischen Ländern,
Mitte der 90er Jahre)
Land
Anteil der Bevölkerung
Belgien
Dänemark
Deutschland
Frankreich
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Schweden
Spanien
Vereinigtes Königreich
Schweiz
32
28
30
23
25
13
17
25
13
36
13
48
Frauen: 41
Männer: 25
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%,
%
Keine Zahlen sind für Griechenland, Finnland, Portugal, Liechtenstein, Norwegen und Island verfügbar.
Quellen: Österreich und Schweiz: Profiling the civic sector, http://www.civicus.org (Stand am 13. Juli 1999);
Belgien, Dänemark, Irland und Schweden: Gaskin, K., und J.D. Smith, A new civic Europe? A study
of the extent and role of volunteering (Ein neues Europa der Bürger? Eine Studie über Ausmaß und
Bedeutung der Freiwilligenarbeit), Volunteer Centre, UK, 1995; Frankreich: ArchambauL, T. E., und
J. Boumendil J., Les dons et le bénévolat en France (Private Spenden und Wohltätigkeit in Frankreich), Fondation de France, Paris, 1997; Deutschland: Umfrage der IPSOS Mannheim (November
1997) zitiert in ETW, New solidarity in Europe (Neue Solidarität in Europa); Italien: IREF, Rapporto
sull’associazionismo sociale 1995 (Bericht zum sozialen Vereinswesen 1995), 1995; Luxemburg:
CEPS/INSTEAD, 1997; Niederlande: NOV, the Dutch Volunteer Centre, Utrecht, 1998; Vereinigtes
Königreich: Institute for Volunteer Research, 1997 national survey of volunteering in the UK (Erhebung der Freiwilligenarbeit im Vereinigten Königreich 1997), 1998.
1
Europäische Kommission, Die Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine und Stiftungen in Europa, KOM(97) 241 endg., 6. Juni 1997, Brüssel, und Französisches Außenministerium, L’Europe: Paradis de la vie associative? (Europa: Paradies für das Vereinswesen?),
Paris, März 1999.
2
Zusätzlich zu den Informationen, die die Partnerinstitute im ENSR zur Verfügung gestellt
haben, basiert dieser Teil vor allem auf: EUR-volunteer information pool, http://www.eurovolunteer.org/issues (Stand am 5. Juli 1999); A new civic Europe? A study of the extent and
role of volunteering (Ein neues Europa der Bürger? Eine Studie über Ausmaß und Bedeutung der Freiwilligenarbeit), Volunteer Centre, UK, 1995; Profiling the civic sector,
http://www.civicus.org (Stand am 13. Juli 1999); Halba, B., und M. Le Net, Bénévolat et
volontariat dans la vie économique, sociale et politique (Gemeinnützige Arbeit und Volontariat im wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Leben), La Documentation
Française, Paris, 1997.
248
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
Politische Maßnahmen, die auf eine Anerkennung, Ermöglichung und Verbesserung freiwilliger und gemeinnütziger Arbeit abzielen, sind von entscheidender
Bedeutung für den gemeinnützigen Sektor. Speziell in jenen Ländern, hauptsächlich im Süden Europas (einschließlich Frankreich), in denen der Freiwillige noch
nicht im vollen Umfang kulturell oder professionell anerkannt wird (im Gegensatz
zum Vereinigten Königreich und den skandinavischen Ländern). Verschiedene
Arten politischer Instrumente bestehen auf diesem Gebiet:
Ehrenamtliche Tätigkeit kann z. B. dadurch unterstützt werden, daß Angestellte,
freie (bezahlte) Tage für diesen Zweck erhalten (wie z. B. in Frankreich), oder
indem Aufwandsentschädigungen, die die Freiwilligen bei der Ausübung ihrer
Mission erhalten, steuerbefreit werden (wie z. B. in Deutschland im Sportbereich
und in den Niederlanden). Es wurden verschiedentlich Vorkehrungen dafür
getroffen, daß Arbeitslose Freiwilligenarbeit leisten können, soweit sie das nicht
von der Arbeitssuche abhält (z. B. in Frankreich und Deutschland).
In vielen Ländern werden freiwillige oder gemeinnützige Arbeiten durch die
Behörden unterstützt. In Dänemark wurden z. B. 50 Büros eingerichtet, die die
Aufgabe haben, die Möglichkeiten für Freiwilligenarbeit bekanntzumachen und
darzustellen. Diese Büros werden durch den Staat mit ungefähr 1,1 Millionen Euro
pro Jahr unterstützt. Darüber hinaus besteht ein Sozialprogramm auf Gemeinde- und
Bezirksebene, das denselben Zweck verfolgt und jährlich mit 13,5 Millionen Euro
unterstützt wird1. In verschiedenen Ländern, wie z. B. Frankreich, den Niederlanden,
Portugal und dem Vereinigten Königreich, bestehen nationale Zentren für Freiwillige.
In einigen Ländern2 gibt es auch Programme, die eine „Quelle” von Freiwilligen
für den gemeinnützigen Bereich darstellen. So können z. B. junge Männer in Finnland, Frankreich und Italien aus Gewissensgründen den Militärdienst ablehnen und
an seiner Stelle Sozialdienst leisten. Sowohl in Frankreich als auch in Italien war es
lange Zeit schwierig, den Militärdienst abzulehnen. In Italien3 muß ein junger
Wehrpflichtiger seit der Reform des Militärdienstes (Gesetz 230/1998) nunmehr
lediglich seine Anschauungen darstellen und bestätigen und wird in der Folge
automatisch von einer sozialen Organisation (anstelle des Militärs) beschäftigt.
Dies hat die Zahl von Freiwilligen für den dritten Sektor dramatisch erhöht. In
Frankreich, wo die Wehrplicht 2002 abgeschafft wird, haben junge Männer und
auch Frauen die Möglichkeit, sich freiwillig an einem öffentlichen Dienst zu beteiligen, entweder in Frankreich im Rahmen eines Vereins, der im Bereich soziale
Kohäsion oder Solidarität tätig ist, oder im Ausland bei einer französischen Organisation, die im Bereich Entwicklungszusammenarbeit oder humanitäre Hilfe4 tätig
ist. Im Vereinigten Königreich zielt die „New Deal” Maßnahme darauf ab, junge
Menschen, die sechs Monate oder länger arbeitslos waren, darin zu unterstützen,
eine geförderte Anstellung zu finden. Jeder der Ansuchenden erhält einen Berater,
der mögliche Anstellungen identifiziert. Wenn der Ansuchende solche Anstellungsmöglichkeiten ablehnt, ist er oder sie verpflichtet, in Umweltprojekten mitzuarbeiten oder Freiwilligenarbeit in der Gemeinde zu leisten.
1
DTI: Interview mit einem Abteilungsleiter des Ministeriums für Soziale Angelegenheiten.
Auch die Europäische Kommission hat ein Volontärsprogramm für junge Menschen
zwischen 18 und 25 Jahren eingeführt.
3
Centro Studi Cicogna, Bocconi University.
4
Dies hat aber viele Fragen unter den Vereinen aufgeworfen, insbesondere muß die
Entschädigung, die diesen Freiwilligen gebührt, von den Organisationen selbst aufgebracht
werden. Auch ist es fraglich, ob sich Vereine auf die Verfügbarkeit vieler Volontäre verlassen
können. Halba, B., und M. Le Net, Bénévolat et volontariat dans la vie économique, sociale
et politique (Gemeinnützige Arbeit und Volontariat im wirtschaftlichen, politischen und
gesellschaftlichen Leben), La Documentation Française, Paris, 1997.
2
249
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
7.3.4 Unterstützung im Bereich Arbeitsplatzschaffung
In jenen europäischen Ländern, die eine hohe Arbeitslosenrate haben und wo die
verantwortlichen Politiker dem Potential des dritten Sektors oder der Sozialwirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen große Bedeutung beimessen und ihre
Bedeutung hinsichtlich sozialer Integration anerkennen, wurden einige spezifische
Maßnahmen zur Arbeitsplatzschaffung entwickelt, die sich nur auf gemeinnützige
Organisationen beziehen. Es muß dabei betont werden, daß die Zielsetzung dieser
Maßnahmen in den meisten Fällen weniger die Unterstützung gemeinnütziger
Organisationen, als die Schaffung von Beschäftigung und Ausbildungsstellen für
bestimmte Kategorien von Arbeitslosen ist. In einigen Fällen, wie z. B. in Belgien
und Frankreich, zielen solche Maßnahmen auch auf die Entwicklung neuer Dienstleistungen bzw. die Befriedigung von Bedürfnissen, die durch gewerbliche Anbieter
nicht hinreichend gedeckt werden1.
In Finnland2 hat das Arbeitsministerium in den Jahren 1994 bis 1998 drei neue
Programme eingeführt, die speziell auf Vereine und Stifungen abzielen und versuchen, deren Beschäftigungskapazität zu erhöhen. In einem dieser Programme
(yhdistelmätuki) werden Organisationen unterstützt, die Langzeitarbeitslose
anstellen, um deren Qualifikationen zu entwickeln und verbessern. Die monatliche
Unterstützung von ungefähr 841 Euro wird für maximal zwölf Monate gewährt. In
einem anderen Programm (projektituki) können Projekte unterstützt werden, die
darauf abzielen, Beschäftigung zu schaffen und der sozialen Ausgrenzung von
Arbeitslosen entgegenzuwirken, indem Tätigkeiten für Arbeitslose angeboten
werden. Mit dieser finanziellen Unterstützung können Vereine und Stiftungen
Lohn- und Reisekosten von Projektmitarbeitern sowie Gebühren für externe
Experten und andere Verwaltungskosten decken. Die Unterstützung kann maximal
75 % der anerkannten Projektkosten betragen. Eingetragene Vereine und andere
nicht eingetragene Vereine und Stiftungen, die Arbeiten unterstützen, die auf
Initiativen von Arbeitslosen beruhen oder die andere Maßnahmen zur Schaffung
von Beschäftigung unterstützen, haben die Möglichkeit, eine Unterstützung für
sog. unabhängige Initiativen zu erhalten (omatoimisuusavustus). Der Zweck dieser
Unterstützung besteht darin, die Einführungskosten von Maßnahmen von
Vereinen und Stiftungen zu unterstützen. Die Unterstützung unabhängiger Initiativen kann z. B. dafür verwendet werden, Mietkosten und Ausbildungskosten und
die Gehaltskosten des Leiters zu decken. Die Beihilfe beläuft sich auf maximal 80 %
der anerkannten Gesamtkosten. Jedoch können die gesamten Gehaltskosten des
Leiters eines Vereines, der von Arbeitslosen gegründet wurde, finanziert werden.
In Frankreich3 sind verschiedene der Maßnahmen, die die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützen, für Dienstgeber des nicht-gewerblichen Sektors reserviert,
d. h. betreffen hauptsächlich gemeinnützige Vereine, Stiftungen, öffentliche
Einrichtungen und lokale Behörden. Der solidarische Arbeitsvertrag (Contrat
Emploi Solidarité/CES) fördert die berufliche Integration von Personen, die wegen
fehlender Qualifikationen Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche haben, durch
Vermittlung von Know-how und die Entwicklung von Maßnahmen, die der Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse dienen.
CES ist ein befristeter Teilzeitbeschäftigungsvertrag. Der Beschäftigte erhält den
Mindestlohn (SMIC) und der Staat übernimmt, teilweise oder zur Gänze, die
1
2
3
250
Siehe auch Kapitel 10 dieses Berichtes.
Small Business Institute, Turku School of Economics and Business Administration.
Französisches Ministerium für Beschäftigung und Solidarität.
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
Bezahlung des Lohns, je nachdem zu welcher Kategorie der Begünstigte gehört.
Desweiteren wird der Dienstgeber von der Bezahlung des Dienstgeberanteils zu
den Sozialabgaben (mit Ausnahme der Abgabe für die Arbeitslosenversicherung)
befreit. Der Staat kann außerdem die Bezahlung von Kosten für Ausbildungen
übernehmen, die der Angestellte außerhalb der Arbeitszeit besucht. Nach Beendigung des CES können jene Begünstigten, die die größten Schwierigkeiten haben
und denen keine alternative Beschäftigung oder Ausbildung offensteht, im
Rahmen eines sogenannten konsolidierten Arbeitsvertrages (Contrat Emploi
Consolidé/CEC) beschäftigt werden. Der CEC wird auf unbestimmte Zeit oder
zumindest für einen Zeitraum von zwölf Monaten abgeschlossen. Es kann sich
dabei um eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung handeln. Die Unterstützung des
Staates subventioniert einen Teil des Lohns, und der Arbeitgeber ist von einem Teil
der Sozialabgaben befreit. Sowohl CES als auch CEC werden durch den Europäischen Sozialfonds kofinanziert. Im Durchschnitt waren bei 37 % der CES-Verträge
und 44 % der CEC-Verträge die Dienstgeber Vereine. In der Periode 1993/97
machten die im Rahmen von CES- und CEC-Verträgen Angestellten einen Anteil
von 7 % der insgesamt von Vereinen angestellten Personen aus1.
In jüngerer Zeit wurden durch das Gesetz 97-940 sogenannte Jugendbeschäftigungsprogramme (‘emplois jeunes’) für die Entwicklung von Maßnahmen für die
Beschäftigung junger Menschen geschaffen. Es ist Ziel des Gesetzes, neu entstehende oder ungedeckte Bedürfnisse durch die Einführung von gemeinnützigen
Maßnahmen zu befriedigen, oder Maßnahmen in den Bereichen Kultur, Sport,
Umwelt und Nachbarschaftsdienste zu ergreifen, und 350 000 Arbeitsplätze für
junge Menschen zu schaffen. Das Programm schließt junge Arbeitslose bis zum
Alter von 26 Jahren, in bestimmten Fällen bis zu 30 Jahren, ein und ist im Prinzip
für junge Leute mit einem relativ niedrigen Ausbildungsniveau reserviert. Förderbare Dienstgeber sind lokale Behörden, öffentliche Einrichtungen, die nationale
Polizei (Innenministerium), das öffentliche Unterrichtswesen (Vorschule, Volks- und
Pflichtschulen) und private gemeinnützige Organisationen. Die Verträge können
auf unbestimmte Zeit oder auf fünf Jahre abgeschlossen werden. Das Gehalt muß
zumindest dem Mindestgehalt (SMIC) entsprechen. Die staatliche Unterstützung
besteht aus einer Subvention, die einen Teil des Bruttogehalts abdeckt. Per Ende
1998 stellten Vereine 60 % der Arbeitgeber, insbesondere wurden die Maßnahmen
von kleinen, lokalen Vereinen angewendet2.
In Belgien3 werden gemeinnützige Vereine (ASBL/VZW) auf verschiedene Weise
unterstützt, wenn sie Personen aus Risikogruppen anstellen, das sind Arbeitslose
mit einem niedrigen Ausbildungsniveau, Langzeitarbeitslose, junge und ältere
Arbeitslose, und gemeinnützige Aktivitäten, die soziale, öffentliche oder kulturelle
Bedeutung haben, entwickeln oder Bedürfnisse befriedigen, die anderenfalls nicht
befriedigt werden würden. Die Unterstützung besteht aus Gehaltssubventionen
durch die Bundes- bzw. regionale Regierungen und/oder einer Befreiung von lohnbezogenen Bundessteuern.
1
Französisches Ministerium für Beschäftigung und Solidarität, Bilan de la politique de
l’emploi en 1997 (Evaluierung der Beschäftigungspolitik 1997), Les Dossiers de la DARES,
No. 1-2, Ed. La Documentation Française, Paris, Dezember 1998.
2
Ministerium für Beschäftigung und Solidarität, Rapport au Parlement sur la mise en
œuvre de la Loi No. 97-940 du 16 octobre 1997 relative au développement d’activités
pour l’emploi des jeunes (Bericht an das Parlament zur Einführung des Gesetzes Nr. 97-940
vom 16. Oktober 1997, betreffend die Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung der
Jugendbeschäftigung), Februar 1999.
3
Die Programme: DAC, PBW, IBF, Gesco, BKO-gesco, WEP & WEP-gesco-plus, Sociale
Maribel-logistieke assistent, Sociale werkplaatsen, Tewerkstelling art 60.7 und PWA.
251
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
In Deutschland fördert die Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) die Schaffung zusätzlicher, zeitlich befristeter
Arbeitsplätze im gemeinnützigen Sektor. Die Aufgaben müssen öffentliche Dienstleistungen betreffen, z. B Maßnahmen in den Bereichen des Umweltschutzes oder
sozialer Dienste und dürfen nicht mit Arbeitsplätzen im gewerblichen Arbeitsmarkt
in Konkurrenz stehen. Um Anreize für Langzeitarbeitslose, die an den ABM teilnehmen, zur Rückkehr in den gewerblichen Arbeitsmarkt zu setzen, erhalten diese
normalerweise maximal 80 % des Gehaltes für vergleichbare, nicht-unterstützte
Tätigkeiten, wobei drei Viertel der Arbeitskosten durch die Bundesanstalt für Arbeit
finanziert werden und der Rest durch die jeweilige Organisation. ABM waren von
besonderer, wenngleich nunmehr abnehmender Bedeutung in den Neuen
Ländern: 1998 wurden 210 800 Personen im Rahmen von ABM angestellt,
151 800 davon in Ostdeutschland, und 66,2 % der Personen wurden durch
gemeinnützige Organisationen angestellt (in den Neuen Ländern 69,3 %).
In Irland organisiert das Ministerium für Unternehmen, Handel und Beschäftigung
Gemeindebeschäftigungsprogramme („Community Employment Schemes – CE
schemes”), deren primärer Zweck es ist, Ausbildung und Anstellungsmöglichkeiten
für Arbeitslose bereitzustellen. Teilnehmer der CE schemes können in Projekten von
gemeinnützigen und Gemeindeorganisationen eingesetzt werden.
7.4
Zugang zu Finanzmitteln
Entschädigungen für Dienstleistungen und Aktivitäten, Mitgliedsbeiträge, (lokale,
regionale, nationale oder internationale) Subventionen und Beihilfen und private
Spenden sind die wichtigsten Finanzquellen für Vereine. Entsprechend der in
diesem Kapitel verwendeten Definition, finanzieren sich Stiftungen in erster Linie
aus dem Einkommen aus der Veranlagung ihrer eigenen Mittel. Dennoch haben
auch für Stiftungen die Finanzierung durch Subventionen und private Spenden
Bedeutung. Es sind kaum quantitative Informationen zu diesem Thema verfügbar.
Für vier Länder liegen immerhin Informationen über den Anteil der Bevölkerung,
der Geld für wohltätige und gute Zwecke ausgibt, vor: Irland (85 %), Vereinigtes
Königreich (50 %), Frankreich (45 %) und Deutschland (43 %)1.
7.4.1 Die Bedeutung öffentlicher und privater Finanzmittel
Traditionellerweise versuchen Studien über die Finanzierung des gemeinnützigen
Sektors, die relative Wichtigkeit öffentlicher und privater Finanzmittel abzuschätzen. Das Johns Hopkins-Projekt (JHCNP) zeigt einige interessante
Vergleichsdaten für verschiedene europäische Länder, Japan und die Vereinigten
Staaten (siehe Tabelle 7.3).
Unter öffentlichen Finanzmitteln sind dabei nicht nur Subventionen zu
verstehen, sondern auch Entschädigungen für Aktivitäten, die Organisationen im
Rahmen subsidiärer Aufgaben oder aufgrund eines Vertrages mit dem Staat
durchführen.
1
Frankreich und Deutschland: Archambault E., und Boumendil, J., Les dons et le
bénévolat en France (Private Spenden und Wohltätigkeit in Frankreich), Fondation de
France, Paris, 1997; Irland: Profiling the civic sector, http://www.civicus.org (Stand am 13.
Juli 1999); Vereinigtes Königreich: NCVO, 1997.
252
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
Tabelle 7.3 Einnahmequellen des privaten, gemeinnützigen Sektors in 11 europäischen Ländern, Japan und den Vereinigten Staaten, 1990 und 1995
1990 (1)
1995 (2)
Öffentlicher Gebühren u. Private
Sektor
Beiträge
Spenden
Belgien
Deutschland
Finnland
Frankreich
Irland
Italien
Niederlande
Österreich
Spanien
Schweden
Vereinigtes Königreich
EU-9 Durchschnitt
Japan
Vereinigte Staaten
n.v.
68 %
n.v.
60 %
n.v.
40 %
n.v.
n.v.
n.v.
27 %
40 %
n.v.
38 %
30 %
n.v.
28 %
n.v.
34 %
n.v.
55 %
n.v.
n.v.
n.v.
64 %
48 %
n.v.
60 %
52 %
n.v.
4%
n.v.
7%
n.v.
5%
n.v.
n.v.
n.v.
9%
12 %
n.v.
1%
19 %
Öffentlicher Gebühren u. Private
Sektor
Beiträge
Spenden
77 %
64 %
36 %
58 %
78 %
n.v.
60 %
50 %
32 %
n.v.
47 %
56 %
34 %
30 %
18 %
32 %
58 %
35 %
15 %
n.v.
38 %
44 %
49 %
n.v.
45 %
37 %
62 %
57 %
5%
3%
6%
8%
7%
n.v.
2%
6%
19 %
n.v.
9%
7%
3%
13 %
Anmerkung: Prozentsätze wurden gerundet.
Quelle:
(1) Ausnahmen Italien (1991) und Schweden (1992); Salamon, L.S., H.K. Anheier und S.W. Sokolowski et al., The emerging sector: a statistical supplement (Der aufstrebende Sektor: Eine statistische Beilage), The Johns Hopkins University, Institute for Policy Studies, 1996; (2) Salamon, L.S.,
H.K. Anheier et al., The emerging sector revisited (Der aufstrebende Sektor: Folgeuntersuchung),
The Johns Hopkins University, Institute for Policy Studies, Centre for Civil society studies, 1998.
In Ergänzung zu Tabelle 7.3 kann auf Schätzungen für Norwegen verwiesen werden,
die zu dem Ergebniss kommen, daß Subventionen und Mitgliedsbeiträge jeweils
40 % des Einkommens der Vereine ausmachen, die verbleibenden 20 % stammen
aus Verkaufserlösen und anderen Aktivitäten, wie z. B. den privaten Lotterien1.
Die verfügbaren Zahlen zeigen, daß die Bedeutung öffentlicher Finanzmittel in den
einzelnen Ländern stark schwankt. Dies ist im wesentlichen auf zwei miteinander
verbundene Gründe zurückzuführen: einerseits die Verteilung der Vereine und Stiftungen über die Tätigkeitsbereiche, und andererseits die Unterschiede im allgemeinen Aufbau der politischen Maßnahmen. Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip sind öffentliche Mittel in der Form von Entschädigungen für die
entsprechenden Dienstleistungen in Belgien und Deutschland2 für Organisationen
im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen, Wohlfahrt und Erziehung (die den
Sektor dominieren) von großer Bedeutung.
Die hauptsächlichen Finanzquellen unterscheiden sich, je nachdem in welchem
Bereich eine Organisation tätig ist, beträchtlich. Sportvereine sind beispielsweise in
erster Linie von Mitgliedsbeiträgen (Privatmittel) abhängig, während Kulturvereine
1
Französisches Außenministerium, ‘L’Europe: Paradis de la vie associative?’ (Europa: Paradies fürs das Vereinswesen?), Paris, März 1999.
2
Ausgehend von der katholischen Soziallehre wurde nach dem 2. Weltkrieg das Prinzip der
Subsidiarität zum Leitmotiv für die Entwicklung des deutschen Wohlfahrtsstaates: Güter und
Dienstleistungen sollten im sozialen Bereich vorzugsweise nicht durch staatliche Organisationen, sondern komplementär durch die ‘Träger der freien Wohlfahrtspflege’ bereitgestellt
werden, die für diese Tätigkeiten im öffentlichen Interesse beträchtliche öffentliche Mittel
erhalten. Staatliche Behörden sollen auf jenen Gebieten keine eigenen Behörden einrichten,
in denen es schon ausreichend (private) gemeinnützige Wohlfahrtsorganisationen gibt.
253
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
in den meisten Fällen in einem hohen Maß mit öffentlichen Subventionen finanziert werden. Auch Tabelle 7.4 zeigt die Finanzierungsunterschiede zwischen den
einzelnen Ländern, aber auch innerhalb der Länder (auch wenn die methodologischen Unterschiede und die unterschiedlichen Informationsquellen die Vergleichbarkeit der Spalten in Tabelle 7.4 und auch die Vergleichbarkeit mit Tabelle 7.3
einschränken). Die Tabelle zeigt, daß Wohltätigkeit in den Niederlanden in erster
Linie durch private Quellen finanziert wird, ebenso wie die nicht-staatlichen
Entwicklungshilfeorganisationen in Frankreich. Gerade im letzteren Fall muß auch
darauf hingewiesen werden, daß ein großer Teil der Subventionen aus internationalen Quellen stammt, insbesondere dem europäischen ECHO-Programm.
Tabelle 7.4 Einkommensquellen des gemeinnützigen Sektors in 4 europäischen
Ländern, in Prozent
Frankreich (1996):
Private
Entwicklungshilfe
(NGOS)
Öffentliche Mittel
Davon: nationale Beihilfen
Regionale & lokale Beihilfen
Internationale Beihilfen
Gebühren und Verträge
(Nationale) Lotterien
Private Mittel
Davon: Individuelle Spenden
Andere private Beiträge
Gebühren & Erlöse (Verkauf)
Sonstiges
44
19
4
68
9
n.d.
56
66
8
15
11
Niederlande
(1997):
‘Gute
Zwecke
Vereinigtes
Königreich
(1997):
Allgemeine
Wohlfahrt
39
41
64
61
36
61
90
10
37
2
59
34
7
25
34
Vereinigtes
Königreich
(1996/97):
Top 500
Wohlfahrtsorganisationen
Schweiz (1992):
67 Wohlfahrtsorganisationen
48
12,5
17
9,5
57
4
52
63
36
n.d.
n.d.
n.d.
n.d.
n.d.
64
94
30
6,5
6
Quellen: Eigene Berechnungen durch APRODI auf der Basis von: Frankreich: Commission Coopération Développement, Argent et organisations de solidarité internationale (Geld und internationale Solidarorganisationen), Paris, November 1998; Niederlande: Consumentenbond, de Consumentengids
(Konsumentenführer), Den Haag, Dezember 1998; Vereinigtes Königreich: NCVO, The UK voluntary sector almanac 1998-99 (Almanach des gemeinnützigen Sektors im Vereinigten Königreich
1998-99), und Pharoah, C., Dimensions of the voluntary sector 1998 (Umfang des gemeinnützigen
Sektors 1998), Charities Aid Foundation, Juni 1998; Schweiz: Untersuchung zitiert in Wagner, A.,
Profiling the civic sector: National report on Switzerland (Profil des Zivilsektors: Länderbericht
Schweiz, (Stand vom 13. Juli 1999).
Die Bedeutung einzelner Finanzquellen hängt auch von anderen Faktoren wie z. B.
der Größe der Organisationen ab, wie die Finanzierung der britischen Wohlfahrt
zeigt.
Trotz der beschränkten Stichprobengröße bieten auch die Ergebnisse des ENSR
Enterprise Survey 19991 hinsichtlich der Finanzierung von Vereinen und Stiftungen
interessante und vergleichbare Informationen. Tabelle 7.5 zeigt, daß öffentliche
Mittel nur für 19 % der Vereine die Haupteinnahmequelle sind, wobei lokale bzw.
regionale Behörden die wichtigere Rolle spielen. Private Finanzierungsprogramme
sind für Stiftungen eine wichtige Finanzierungsquelle.
1
Siehe Anhang I zu diesem Bericht: Die Erstellung und Analyse des ENSR Enterprise
Survey 1999. Die Stichprobe umfaßt 74 Vereine und 75 Stiftungen.
254
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
Tabelle 7.5 Hauptfinanzierungsquellen für die Errichtung der Organisation, Europa-19
Hauptfinanzierungsquelle
Vereine
Eigene Mittel
Bankkredite
Mittel von Verwandten und Freunden
Mittel aus privaten Finanzierungsprogrammen
Mittel von lokalen/regionalen Regierungen
Mittel von nationalen Regierungen
Mittel aus europäischen Programmen
Gesamt (inklusive ‘keine Antwort’)
60
10
1
5
11
7
1
100
Quelle:
%
%
%
%
%
%
%
%
Stiftungen
46
1
1
39
4
8
0
100
%
%
%
%
%
%
%
%
Alle Befragten
71
21
3
1
1
0
0
100
%
%
%
%
%
%
%
%
ENSR Enterprise Survey 1999.
In den meisten Ländern sind die gemeinnützigen Organisationen durch Restriktionen der öffentlichen Budgets, neue Regeln für die Verteilung öffentlicher Mittel,
z. B. das System der Kofinanzierung, und bisweilen auch zum Schutz ihrer Unabhängigkeit gezwungen, mehr private Finanzquellen zu erschließen. Insbesondere
setzen mehr und mehr Organisationen spezifische Marketingmaßnahmen ein, um
Spenden von Einzelpersonen zu sammeln. Neben traditionellen Instrumenten, wie
Straßensammlungen und Mailings, wurden neue Instrumente entwickelt, von
denen angenommen wird, daß sie effizienter und mit niedrigeren Kosten arbeiten:
• Die großen Wohlfahrtsorganisationen im Vereinigten Königreich versuchen das
oben beschriebene „payroll giving” und die Akquisition von Spenden über
Internet weiterzuentwickeln.
• In Frankreich wird das sog. „produits partage” vermehrt angewendet: Vereine
und Stiftungen schließen Vereinbarungen mit Erzeugern/Händlern gut eingeführter Marken, denen zufolge ein Teil des Verkaufspreises dem Verein zugute
kommt. Generell versucht eine zunehmende Zahl von Organisationen, Spenden
von Unternehmen zu erlangen, weil hier größere Summen verfügbar sind bzw.
dadurch relativ langfristige Projekte finanziert werden können.
• In Belgien, Frankreich, Italien, Spanien und dem Vereinigten Königreich wird
das sog. „ethic finance” entwickelt. Die am weitesten verbreitete Form sind
sogenannte „Ethik Konten” und „Ethik-Fonds”. Im ersten Fall verzichtet der
Eigentümer eines Kontos auf einen Teil der Zinsen zugunsten einer gemeinnützigen Organisation. Im zweiten Fall besteht ein gemeinsamer Fonds, wobei
wiederum auf einen Teil der Zinsen (oder einen Prozentsatz des gesamten
Gewinnzuwachses) zugunsten einiger Organisationen, die durch die jeweilige
Bank oder Finanzinstitution gefördert werden, verzichtet wird.
7.4.2 Hauptprobleme im Bereich der Finanzierung
Eine Erhebung, die im Auftrag der Europäischen Kommission in Zusammenhang
mit ihrer Mitteilung1 bei gemeinnützigen Organisationen und Stiftungen durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, daß nahezu 80 % der Vereine und Stiftungen
einen Bedarf nach zusätzlichen Finanzmitteln haben.
Die Ergebnisse des ENSR Enterprise Survey 1999 (siehe Tabelle 7.6) zeigen, daß
der Zugang zu Finanzmitteln in der jüngeren Vergangenheit für 13 % der Vereine
und 5 % der Stiftungen die größte Barriere dargestellt hat. Daraus kann natürlich
nicht geschlossen werden, daß die übrigen Vereine keinerlei Probleme im Finanzierungsbereich hatten.
1
Europäische Kommission, Die Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine und Stiftungen in Europa, KOM(97) 241 endg., 6. Juni 1997, Brüssel.
255
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Tabelle 7.6 Hauptbeeinträchtigungen der Geschäftstätigkeit 1998/99, Europa-19
Hauptbeeinträchtigung
Vereine
Zugang zu Finanzierung
Mangel an qualifizierten Arbeitskräften
Administrative Vorschriften
Einführung neuer Technologien
Infrastruktur
Qualitätssicherung
Änderung der Produktionsorganisation
Einführung des Euro
Andere Faktoren*
Keine Hindernisse
Gesamt (inklusive „keine Antwort”)
13
8
33
0
0
0
0
0
20
26
100
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Stiftungen
5
1
10
0
2
1
0
0
2
79
100
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Alle Befragten
14
9
11
4
3
2
1
1
30
23
100
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
* Diese Gruppe wird in der Analyse nicht weiter aufgegliedert bzw. beschrieben.
Quelle:
ENSR Enterprise Survey 1999.
Die verschiedenen nationalen Dokumente und Expertenmeinungen1 machen deutlich, daß die Unterschiede hinsichtlich des Zugangs zu Finanzmitteln zwischen den
einzelnen Ländern beträchtlich sind: Verglichen mit der Situation für griechische
Vereine befinden sich beispielsweise britische gemeinnützige Organisationen in
einer beneidenswerten Situation. Zweitens unterscheidet sich die Situation auch
zwischen großen, weithin bekannten Vereinen wie z. B. das Rote Kreuz, die Caritas
oder große Wohlfahrtsorganisationen im Vereinigten Königreich, die nahezu keine
finanziellen Probleme haben, und kleinen, lokalen Vereinen, deren Tätigkeiten
bereits gefährdet werden, wenn erwartete (zugesagte) Mittel zu spät eintreffen.
Die Hauptschwierigkeiten für Vereine im Bereich der öffentlichen Finanzmittel
können wie folgt zusammengefaßt werden:
• Insbesondere kleinere Vereine haben Schwierigkeiten, Informationen über
verfügbare Finanzmittel zu erhalten.
• Viele Organisationen haben Schwierigkeiten, Programme zu planen und
Projekte zu organisieren, die durch jährliche Budgets finanziert werden. Finanzielle Unterstützung, die auf der Basis von Projektförderung, im Gegensatz zu
institutioneller Förderung, gewährt wird, führt zu Unsicherheiten hinsichtlich
des zukünftigen öffentlichen Geldflusses und behindert dadurch eine kontinuierliche, langfristige Planung.
• Komplizierte und zeitintensive Vorschriften für die Ansuchen werden häufig als
Problem genannt, ebenso die verspätete Auszahlung der Mittel bzw. allfälliger
Teilzahlungen.
• Ebenso wurden in einigen Fällen die folgenden Probleme genannt: fehlende klare
Kriterien von Regierungsabteilungen und Behörden in bezug auf die Anspruchs-
1
Neben den von den ENSR Partnern beigestellten Informationen, beruht dieser Abschnitt
vor allem auf: The Department of Social Welfare, Supporting Voluntary Activity: A Green
Paper on the Community and Voluntary Sector and its Relationship with the State (Unterstützung gemeinütziger Tätigkeiten: Grünbuch zum gemeinnützigen Sektor und seiner Beziehung zum Staat), Stationery Office, Dublin, 1997, und Donoghue, F., Researching Voluntary
Action in Ireland (Gemeinnützige Tätigkeit in Irland), in: Voluntary Action in Ireland, North
and South. Report of Research Symposium, Trinity College Dublin, 16. Mai 1997, Centre for
Voluntary Action Studies, University of Ulster, 1998; Lunaria, New employment opportunities
in the third sector (Neue Beschäftigungsmöglichkeiten im tertiären Sektor), 1999; Zimmer,
A., Vereine – Basiselement der Demokratie, 1996; Meyer, D., Das System der Freien Wohlfahrtspflege aus ordnungspolitischer Sicht, in: ORDO, Jg. 49, 1998.
256
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
berechtigung, was zu fehlender Transparenz führt, sowie unterschiedliche
Behandlung durch die einzelnen Behörden hinsichtlich der Berichtspflichten.
• In Irland ist in einigen Fällen unklar, welche Regierungsabteilung für bestimmte
gemeinnützige und Gemeindeaktivitäten zuständig ist. Wenn die Tätigkeitsbereiche über Abteilungsgrenzen hinausgehen oder keine eindeutige Beziehung
mit einer Abteilung besteht, wird der Zugang zu Finanzierungen schwierig.
• In Irland und im Vereinigten Königreich wird auch die Art der Verteilung der
Mittel aus der Nationallotterie kritisiert.
Auch bei privater Finanzierung betreffen die Probleme in erster Linie die kleineren
Vereine: Das Hauptproblem ist die zunehmende Konkurrenz der verschiedenen
Organisationen um private Spenden. Nur relativ große Organisationen verfügen
über die personellen und finanziellen Ressourcen, die notwendig sind, um die
entsprechenden Aktivitäten durchzuführen. Erfolge bei der Sammlung privater
Beiträge sind von oft arbeitsintensiven und umfangreichen Verhandlungen und
Kontakten mit privaten Einzelpersonen bzw. Unternehmen abhängig.
Nur in wenigen Ländern (z. B. Frankreich, Griechenland) wird der Zugang kleinerer
Organisationen zu Bankkrediten durch die Existenz besonderer Finanzinstitutionen,
die selbst Teil der Sozialwirtschaft sind und die Vereinen relativ einfache Finanzierungsmöglichkeiten für die Entwicklung ihrer Projekte anbieten, erleichtert.
Auch die Europäische Kommission unterstützt Vereine und Stiftungen. Neben der
früheren Generaldirektion XXIII, die die Zuständigkeit für die Sozialwirtschaft
insgesamt hatte, entwickelten viele Generaldirektionen Programme und/oder
boten gemeinnützigen Organisationen Zugang zu ihren Mitteln: die frühere GD V
beispielsweise für soziale, private Organisationen, die früheren GD I und VIII im
Rahmen der Programme LIEN, TACIS, PHARE und MEDA und für private Entwicklungshilfeorganisationen insbesondere ECHO (1998 standen 412,1 Millionen Euro
zur Verfügung), die frühere GD XI für Umweltschutzorganisationen (ungefähr 2,65
Millionen Euro, 1999), die frührere GD X im Bereich Sport und Kultur, die frühere
GD XXII für Jugendvereine und im Ausbildungsbereich (z. B. Leonardo) und die
frühere GD XXIV für Konsumentenvereine (7,14 Millionen Euro wurden 1999
zugesagt). Dennoch ist der Zugang zu Informationen1 bzw. zu den meisten
europäischen Programmen gerade für kleine Vereine schwierig. Diese leiden insbesondere unter der großen Bürokratie sowie den komplizierten Antragsformalitäten,
dem „EU-Jargon”, Zahlungsverzögerungen und den Berichtspflichten, die nicht
immer den eigenen Berichtspflichten bzw. Rechnungswesen entsprechen.
7.5
Grenzüberschreitende Kooperation2
Die Entwicklung von Kooperationsbeziehungen und grenzüberschreitenden Aktivitäten zwischen europäischen Vereinen und Stiftungen ist angesichts der Erweiterung der Europäischen Union, der Senkung der Arbeitslosigkeit und der Vermeidung sozialer Ausgrenzung ein wichtiges Thema. Dadurch sollten für Organisa1
Es muß in diesem Zusammenhang auf die ausgezeichnete Arbeit von ECAS hingewiesen
werden, die einen sehr verständlichen und vollständigen Führer herausgibt: Guide to European
Union funding for NGOs. Your way through the Labyrinth (Führer der EU-Finanzierungen für
nichtstaatliche Organisationen: Der Weg durch das Labyrinth), Brüssel, 5. Auflage, 1999.
2
Dieser Abschnitt beruht weitgehend auf Informationen, die die ENSR Partner im Rahmen
von Interviews mit Vertretern gemeinnnütziger Organisationen in ihren Ländern erhoben
haben.
257
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
tionen in der Sozialwirtschaft zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden, ihre
Aktionsradien auszuweiten, voneinander zu lernen (beste Verfahren) sowie einen
Beitrag zur Konvergenz und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu leisten.
Dies sollte auch zur Entwicklung eines Europas der Bürger beitragen.
Bedauerlicherweise sind Informationen über solche Aktivitäten nur in geringem
Ausmaß und unsystematisiert verfügbar. Nach unserem Informationsstand wurden
weder systematische Erhebungen noch Studien in diesem Bereich durchgeführt.
Die Ergebnisse einer Erhebung, die für die Europäische Kommission durchgeführt
wurde1, zeigen immerhin, daß 50 % der Antwortenden gemeinsame Aktivitäten
mit europäischen Partnern entwickelt hatten, und daß 46 % beabsichtigen, in
Zukunft solche Partnerschaften fortzusetzen oder zu beginnen. Die Ergebnisse des
ENSR Enterprise Survey 1999 zeigen, daß 32 % der befragten Vereine (aber nur
7 % der Stiftungen) in den letzten fünf Jahren ihre internationalen Beziehungen
weiterentwickelt hatten2.
Es ist schwierig, die Bedeutung grenzüberschreitender Kooperationen quantitativ
zu bestimmen, immerhin können aber die folgenden Schlußfolgerungen festgehalten werden:
• Viele Vereine und Stiftungen sind relativ groß. Einige können als internationale
Organisationen bezeichnet werden (wie z. B. das Rote Kreuz, die Caritas) und
andere haben Filialen in mehreren europäischen Ländern eingerichtet, wie z. B.
„Ärzte ohne Grenzen” oder „Handicap international”. Darüber hinaus üben viele
Vereine aufgrund ihres Zwecks europäische oder internationale Tätigkeiten aus.
• In Grenzregionen haben Vereine oftmals seit langer Zeit mit Vereinen jenseits
der Grenze zusammengearbeitet. Dies trifft vor allem auf Kultur- und Sportvereine zu, aber auch auf Vereine im Sozialbereich.
• Zusätzlich zu offiziellen Netzwerken, die im Rahmen der Arbeit der Europäischen
Kommission gegründet wurden – der Beratende Ausschuß Genossenschaften,
Gegenseitigkeitsgesellschaften, Vereine und Stiftungen, die European Platform of
Social NGOs, das EU Development NGOs Liasion Committee – gibt es eine
eindrucksvolle Zahl europäischer Netzwerke von Vereinen und Stiftungen, die
z. T. ihrereits wieder Mitglied der offiziellen Netzwerke sind. Es würde unmöglich
sein, alle bestehenden Netzwerke zu nennen, einige Beispiele sind: CEDAG (European Council for Voluntary Organisations), ECAS (Euro-Citizen Action Service),
EAPN (European Anti-Poverty Network), ESAN (European Social Action Network),
etc. Es wird bisweilen darauf hingewiesen, daß Vereine lange vor den normalen
Unternehmen europäische Partnerschaften und Netzwerke entwickelt haben.
Diese Netzwerke sind sehr aktiv im Lobbying, Austausch von Informationen,
gemeinsamen Forschungsprojekten, Austausch von besten Verfahren, etc.
• Andererseits ist der Tätigkeitsbereich vieler Vereine und kleiner Stiftungen lokal
beschränkt, und daher fühlen diese Organisationen weder die Notwendigkeit,
noch haben sie ein Interesse an einer Einbindung in „europäische” Aktivitäten.
Es muß darauf hingewiesen werden, daß die Europäische Kommission scheinbar die
einzige Behörde ist, die die Entwicklung von Kooperationen zwischen Vereinen und Stiftungen direkt oder indirekt fördert. Wie bei den KMU3, gibt es relativ wenige nationale
1
Europäische Kommission, Die Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine und Stiftungen in Europa, KOM(97) 241 endg., 6. Juni 1997, Brüssel.
2
In der Gesamtstichprobe betrug dieser Anteil 24 %.
3
Siehe Kapitel 3 „Grenzüberschreitende Kooperation zwischen KMU” im Fünften Jahresbericht des europäischen Beobachtungsnetzes für KMU.
258
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
Initiativen, abgesehen von jenen, die durch Dachorganisationen entwickelt wurden. Die
folgende Fallstudie beschreibt die Aktivitäten einer solchen Dachorganisation.
Fallstudie: Die Unterstützung der Finnish Federation for Social Welfare and Health
zur Entwicklung grenzüberschreitender Kooperationen
Die Finnish Federation for Social Welfare and Health (Finnische Vereinigung für soziale
Wohlfahrt und Gesundheit) hat in den Jahren 1990 bis 1996 eine Initiative namens
European Project for Social and Health Associations (Europäisches Projekt für Sozialund Gesundheitsvereine) entwickelt. Ziel des Projektes war es, Abläufe und Know-how
in Sozial- und Gesundheitsvereinen zu entwickeln, damit diese besser in der Lage sind,
mit der europäischen Integration umzugehen und den Vereinen zu helfen, grenzüberschreitende Aktivitäten zu entwickeln.
Im Rahmen des Projektes bot die Finnish Federation for Social Welfare and Health den
Vereinen Fortbildung, Beratung und Hilfe bei der Gründung von Partnerschaften. Das
Projekt hatte guten Erfolg. Es half vielen Sozial- und Gesundheitsvereinen, gemeinsame
Projekte, Informationsnetzwerke und Informationsaustausch mit europäischen Sozialund Gesundheitsvereinen zu entwickeln. Das Projekt wurde großteils im Rahmen von
RAY (80 %) und durch Einnahmen aus eigenen Aktivitäten (20 %) finanziert. Nach
1996, dem Projektende, setzte die Finnish Federation for Social Welfare and Health ihre
Aktivitäten zur Unterstützung grenzüberschreitender Kooperationen fort, und heute ist
dies eine ihrer Haupttätigkeiten.
Quelle:
Small Business Institute, Turku School of Economics and Business Administration.
Nach wie vor scheinen jene Barrieren und Hemmnisse die Entwicklung grenzüberschreitender Kooperationen zu behindern, die bereits im Rahmen einer Untersuchung für die Europäische Kommission1 festgestellt wurden. Dies sind:
• Schwierigkeiten bei der Suche nach einem adäquaten Partner. Wie für
„normale” Unternehmen, ist es auch für Vereine einfacher, gemeinsame
Projekte mit einem bereits bekannten Partner zu entwickeln.
• Die unterschiedlichen gesetzlichen, administrativen und steuerlichen Bestimmungen in den verschiedenen Ländern.
• Kulturelle Unterschiede und Kommunikationsprobleme. In kleinen Vereinen
fehlt es, wie in vielen KMU, an Sprachkenntnissen, insbesondere in einigen
Ländern, wie z. B. Frankreich, Italien, Portugal und Spanien.
• Fehlende Harmonisierung sozialer Konzepte und politischer Maßnahmen. So
werden z. B. behinderte Personen nicht in allen Ländern gleich definiert, was die
Zusammenarbeit zwischen den in diesem Bereich tätigen Vereinen erschwert.
• Fehlende Unterstützung für die Entwicklung solcher Aktivitäten in vielen Ländern.
• Fehlender Zugang zu Informationen über verfügbare europäische Förderungen,
die bereits erwähnten Schwierigkeiten mit der europäischen Bürokratie und den
Antragsformalitäten, ebenso wie die mangelnden Ressourcen kleiner Vereine für
die Teil- oder Vorfinanzierung von Projektkosten.
1
Europäische Kommission, Die Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine und Stiftungen in Europa, KOM(97) 241 endg., 6. Juni 1997, Brüssel.
259
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
7.6
Politische Empfehlungen
Vereine und Stiftungen sind zweifellos wichtige wirtschaftliche, gesellschaftliche
und politische Akteure. Obwohl ihre wirtschaftliche Bedeutung auf nationaler und
europäischer Ebene zunehmend anerkannt ist, wird ihre gesellschaftliche und politische Bedeutung noch nicht voll gewürdigt.
Vereine und Stiftungen könnten eine wichtige Rolle bei der Errichtung eines politischen und sozialen Europas spielen, die wiederum das Ziel eines vereinigten
Europas sind. Wenn Europa mehr als ein gemeinsamer Markt werden soll, sollten
die Vereine und Stiftungen, wie die politischen Repräsentanten und die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, in den europäischen politischen Entscheidungsprozeß einbezogen werden.
Vereine und Stiftungen sind auch wichtige Repräsentanten der einfachen Bürger.
Ihre Erfahrung im Kampf gegen Armut, Rassismus, soziale Ausgrenzung oder
hinsichtlich der Entwicklung von Demokratie und aktiver Bürgerbeteiligung sollten
verstärkt genutzt werden. Dies ist von besonderer Bedeutung angesichts der Erweiterung der Europäischen Union um die mittel- und osteuropäischen Länder, ist
aber auch wichtig, wenn die EU beabsichtigt, im Rahmen der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit eine bedeutende Rolle zu spielen.
Der Zugang zu Finanzmitteln und insbesondere öffentlichen Mitteln scheint in
vielen Ländern ein Problem zu sein und sollte erleichtert werden, vor allem durch
die Festlegung klarer politischer Grundsätze und Programme, die den besonderen
Charakter dieses Sektors berücksichtigen. Vor allem die Tatsache, daß Vereine und
Stiftungen soziale Innovationen durchführen, sollte anerkannt werden. Dies
bedeutet, daß sie nicht mit den selben Effizienzkriterien wie normale Unternehmen
arbeiten können. Wie bei innovativen KMU, muß das Risiko berücksichtigt, ausreichend Zeit für die Entwicklung der Projekte eingeräumt und ein „Recht auf Fehlschläge” anerkannt werden. Dies bedeutet u. a., daß Finanzierungen auf einer
mehrjährigen Basis entwickelt werden sollten.
Es müssen Lösungen für manche Widersprüchlichkeiten im Verhältnis zu den
Vereinen und Stiftungen gefunden werden. Es ist nicht logisch, von diesen Organisationen die Entwicklung neuer (nicht-kommerzieller) Dienstleistungen oder
einen Beitrag zur Senkung der Arbeitslosigkeit zu verlangen, ohne sie gleichzeitig
mit den entsprechenden finanziellen Mitteln auzustatten. Ebenso wenig sollten sie
dazu aufgefordert werden, die Qualität ihrer Dienstleistungen und ihre Rentabilität
zu steigern und gleichzeitig Arbeitsplätze für die am schwierigsten vermittelbaren
Gruppen von Arbeitslosen zur Verfügung zu stellen.
Ganz allgemein sollten Freiwilligenarbeit gefördert und berufliche Fertigkeiten, die
im Rahmen der gemeinnützigen Tätigkeit erworben wurden, anerkannt werden. Es
sollte auch betont werden, daß aktive Beteiligung in Vereinen ein sinnvoller Weg
zur Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten sein kann.
Die verschiedenen Behörden sollten auf nationaler und europäischer Ebene eine
kohärente Politik und einheitliche Kriterien gegenüber Vereinen und Stiftungen
anwenden.
Vereine und Stiftungen könnten noch stärker am europäischen Einigungsprozeß
teilnehmen, wenn sie die Möglichkeiten hätten, mehr grenzüberschreitende
Projekte und Tätigkeiten zu entwickeln. Tatsächlich könnten nicht nur finanzielle
Fragen, sondern auch andere Probleme, wie z. B. rechtliche Aspekte, durch die
Annahme des schon seit langem erwarteten Statuts über den „europäischen
Verein” gelöst werden.
260
Mindest-/Maximalbetrag: DKK 500 /
5 000 (67/670 Euro); Abzug von der
Einkommenssteuer
Abzüge vom steuerpflichtigen Einkommen;
Höchstbeträge schwanken zwischen 5 und
10 % je nach Begünstigtem
Berechtigte Organisationen
Liste der begünstigten Organisationen wird
jährlich durch das Finanzministerium
veröffentlicht
Registriert oder durch Gesetz bestimmt
Liste von Organisationen, die durch die
Steuerbehörde festgelegt wird
Öffentliche Dienste, die durch die Steuerbehörde anerkannt werden
Religiöse und wohltätige Organisationen,
registrierte Sport- und humanitäre Vereine,
Ausbildungsvereine, die Stipendien verteilen
Anerkannte öffentliche Dienstleistungen
Begünstigte
Einzelpersonen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
Einzelpersonen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
Land
A
B
DK
D
EL
E
Abzug von der Einkommenssteuer im maximalen Ausmaß von 20 % der Steuerbasis
Jährlicher Mindestbetrag per Organisation:
GDR 100 000 (306 Euro). Abzug vom steuerpflichtigen Einkommen
Mindestbetrag: BEF 1 000 (24,79 Euro);
Spenden können vom steuerpflichtigen
Einkommen bis zu 10 % und einem
Betrag von maximal BEF 10 Millionen
(255 530,5 Euro) abgezogen werden
Mindestbetrag: ATS 1 000 (72,67 Euro)
Maximal 10 % des steuerpflichtigen
Einkommens
Regelungen für Einzelpersonen
Steueranreize für private Spenden an Vereine und Stiftungen in 16 europäischen Ländern*
Überblick über Steueranreize
Tabelle 1
Anhang
Abzug von der Körperschaftsteuer mit
einem Limit von 10 % oder 30 % der
Steuerbasis
Spenden im Ausmaß von maximal 0,2 %
des gesamten Umsatzes plus der Lohnund Gehaltssumme
Mindest-/Maximalbetrag: DKr 500 / 5 000
(67/670 Euro); Abzug vom Gewinn vor
Steuer
Spenden können bis zu 5 % der Nettogewinne und bis zu einem maximalen
Betrag von BEF 20 Millionen (451 061,01
Euro) abgezogen werden.
Regelungen für Unternehmen
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
261
262
Abzug von der Körperschaftsteuer im
Ausmaß von FIM 5 000 bis zu 15 000
(840,94 bis 2 522,82 Euro)
Abzug vom steuerpflichtigen Einkommen,
Minimum/Maximum: IEP 100 / 10 000
(126,97 / 12 697,38 Euro)
Liste gemeinnütziger Vereine mit wissenschaftlichem oder kulturellem Charakter, die
von der Steuerbehörde anerkannt werden
Liste des Revenue Commissioner (Finanzminister) (Finance Act for 1998). Kunst und
Ausbildung nur für Einzelpersonen
Einzelpersonen: ONLUS (1); gesetzlich
anerkannte gemeinnützige Vereine und Stiftungen in der Erhaltung des historischen
Erbes und authorisiert durch das Kulturministerium (2); gesetzlich anerkannte
gemeinnnützige Vereine und Stiftungen im
Bereich Unterhaltung (3);
Unternehmen: (1); (3); Entwicklungshilfe
NGO (4); Ausbildung, Freizeit, Kultur,
Sozialhilfe, wissenschaftliche Forschung (5)
Anerkannte öffentliche Dienstleistungen
Unternehmen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
Einzelpersonen
und Unternehmen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
FIN
IRL
I
L
Minimum: LUF 5 000 (123,95 Euro);
Obergrenze: 10 % des Nettoeinkommens
und LUF 10 000 000 (255 530,5 Euro)
Abzüge betreffen die Einkommenssteuer;
maximale Beträge: 19 % for (1) & (2)
bzw. ITL 4 Millionen (2 065,83 Euro) für
(1), (2) und 2 % für (3)
Abzüge von der Einkommenssteuer: (1):
50 % der Spenden bis zu 6 % des steuerpflichtigen Einkommens; (2): 50 % der
Spenden, bis zu 1,75 % des steuerpflichtigen Einkommens; (3): 60 % der Spenden,
bis zu maximal FF 2 000 (304,90 Euro).
Anerkannte öffentliche Versorgungsbetriebe, religiöse und wohltätige (1),
gemeinnützige und Organisationen, die
neuen Unternehmern finanzielle Unterstützung gewähren (2), Organisationen, die
Essen, Krankenpflege, Unterkunft für Arme
und Obdachlose zur Verfügung stellen (3)
Einzelpersonen
und
Unternehmen
F
Regelungen für Einzelpersonen
Berechtigte Organisationen
Begünstigte
Land
Wie bei Einzelpersonen
Abzüge vom steuerpflichtigen Gewinn;
maximaler Abzug: 2 %
Für ONLUS: Maximum ITL 4 Millionen
(2 065,83 Euro) oder 2 % des Gewinns
Abzug vom steuerpflichtigen Gewinn Min./
Max.: IEP 100 / 10 000 (126,97/12
697,38 Euro); für Kunst & Ausbildung:
IEP 250 / 10 000
(317,43/12 697,38 Euro)
Abzug von der Körperschaftsteuer mit einem
Limit von 0,225 % des Umsatzes (2) bzw. mit
einem Limit von 0,325 % des Umsatzes (1)
Regelungen für Unternehmen
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Gemeinnützige Organisationen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
Einzelpersonen
und
Unternehmen
NL
P
UK
LI
CH
Abzüge vom steuerpflichtigen Einkommmen
Zusammenstellung von APRODI auf Basis von: Europäische Kommission, Die Förderung der Rolle gemeinnütziger Vereine und Stiftungen in Europa, KOM(97) 241 endg., 6. Juni 1997,
Brüssel; Französisches Außenministerium, ´L´Europe: Paradis de la vie associative? (Europa: Paradies für das Vereinswesen?), März 1999, und Informationen der ENSR-Partner.
Anmerkung: Informationen, die sich von jenen Informationen, die die Kommission im Anhang zu ihrer Mitteilung publiziert hat, unterscheiden oder die hier zusätzlich angeführt werden, sind
kursiv geschrieben.
Quelle:
Abzüge zur Gänze oder mit Obergrenzen,
von Kanton zu Kanton unterschiedlich.
Spenden an Vereine sind bis zu einer
gewissen Höhe wie Kosten abzugsfähig
Gleiche Bestimmungen
Abzug von der Einkommensteuer bei Spendenverträgen (deed of covenant) und
Spenden von mehr als GBP 250 (siehe
Hauptteil)
Abzüge vom steuerpflichtigen Einkommen
von CHF 100 bis 10 000 (62 to 6 200 Euro)
Spenden werden als Kosten betrachtet,
wenn sie 0,8 % (Art 2) und 0,5 % (Art 3)
des Umsatzes nicht überschreiten. Wenn
Spenden als besonders relevant für den
jeweiligen Zweck angesehen werden, gelten
die genannten Obergrenzen nicht
Minimum NLG 500 (226,89 Euro).
Abzüge beziehen sich auf den steuerpflichtigen Gewinn bis zu maximal 6 %
Regelungen für Unternehmen
Abzug von 25 %, aber maximal 15 % des
steuerpflichtigen Einkommens.
Minimum: 1 % des Einkommens vor
Steuern, oder NLG 120 (54,45 Euro)
Maximum: 10 % des Einkommens vor
Steuern
Steuerabzüge sind möglich im Fall von
jährlichen, gleich großen und notariell auf
mindestens 5 Jahre verbrieften Spenden
Regelungen für Einzelpersonen
* Schweden, Norwegen und Island sind nicht einbezogen, weil es in diesen Ländern keine derartigen Steueranreize gibt.
Öffentliche Dienstleistungen
Einzelpersonen: ausschließlich Wohltätigkeitsvereine; Unternehmen: alle Arten von
Vereinen
Wohltätigkeitsorganisationen
Organisationen, die im Maecenas Gesetz
bezeichnet sind (Art. 5 für Einzelpersonen,
Art. 2 und 3 für Unternehmen)
Berechtigte Organisationen
Begünstigte
Land
Vereine und Stiftungen in der Sozialwirtschaft
263
TEIL III
UNTERNEHMENSPOLITISCHE
MASSNAHMEN
8
Neue Entwicklungen
in der KMU-Politik
Koordination: Istituto Guglielmo Tagliacarne
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE
• Die neuen Entwicklungen in der KMU-Politik stehen in Zusammenhang mit der
allgemein anerkannten Fähigkeit der KMU, Wachstum und Beschäftigung zu
schaffen. Mehr noch als in der Vergangenheit scheinen die Probleme der KMU
eine breite Berücksichtigung zu finden, die sich in spezifischen Politiken in
bezug auf die Vereinfachung der Verwaltung, die Finanzierung, die Internationalisierung, die Förderung technologischer Innovation und die Verbreitung
unternehmerischer Kultur ausdrückt.
• Die Modernisierung der Verwaltung ist in den meisten Ländern eines der
Schlüsselelemente für die Förderung der Entwicklung von KMU. Es wurden
Maßnahmen gesetzt, um die Kostenbelastung durch den mit Steuerwesen,
Sozialversicherung und Statistik verbundenen Verwaltungsaufwand zu senken
und die Bürokratie in Zusammenhang mit der Gründung und Erweiterung von
Unternehmen zu vereinfachen. Dieser Prozeß umfaßt auch Maßnahmen zur
Dezentralisierung und Rationalisierung des Verwaltungapparats und zur
Entwicklung von ‘One-stop-shops’ für Dienstleistungen für Unternehmen.
• Die Schwierigkeiten der KMU hinsichtlich des Zugangs zu den Finanzmärkten erfordern politische Maßnahmen, welche die Gründung neuer Unternehmen unterstützen und das Kapital bestehender Betriebe durch den Rückgriff auf Finanzierungsinstrumente (Risikokapital, Startkapital, usw.) sowie steuerliche Anreize stärken.
• Die Internationalisierung der KMU wurde durch spezifische Maßnahmen zur
Bereitstellung von Informationsdiensten und Hilfestellung bei der Marktforschung
sowie durch Beihilfen und andere Fördermaßnahmen (häufig durch spezialisierte
Agenturen) begleitet, um Produkte und Unternehmen zu vermarkten und die
Suche nach Auslandspartnern und Auslandsinvestitionen zu unterstützen.
• Das sich aus der Globalisierung ergebende neue Wettbewerbsumfeld hat sich auf
die Maßnahmen zur Unterstützung von F&E sowie die Verbreitung von Innovationen unter den KMU ausgewirkt, obwohl die Programme in diesem Bereich sehr
häufig nicht speziell auf kleine Unternehmen ausgerichtet sind. Es existieren Instrumente, welche die Gründung innovativer KMU fördern sollen (Finanzierungsinstrumente und Gründerzentren) sowie direkte (Beihilfen) und indirekte Anreize
(Programme für Kooperation und Technologietransfer zur Belebung nationaler
Innovationssysteme) und schließlich Maßnahmen in bezug auf die Anwendung
innovativer Technologien. Darüber hinaus wurden – neben zahlreichen
Bemühungen, die Qualität des Humankapitals zu verbessern – rechtliche Veränderungen hinsichtlich des Einsatzes und der Kosten des Faktors Arbeit durchgeführt.
• Um die Wettbewerbsfähigkeit kleiner Unternehmen zu stärken und die Arbeitslosigkeit durch Begünstigungen für Selbständige zu senken, fördern viele
Länder unternehmerische Kultur und Kenntnisse durch die Einführung spezieller
267
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Lehrgänge innerhalb des Schulsystems sowie neues Unternehmertum in jenen
gesellschaftlichen Bereichen, die besonders von Ausgrenzung betroffen sind
(junge Menschen, Frauen und Arbeitslose).
8.1
Einleitung
Die Anstrengungen zur Erreichung der Maastricht-Kriterien haben für die Regierungen der EU-Länder den Spielraum auf dem Gebiet der KMU-Politik beträchtlich
eingeschränkt. Dies hat jedoch den Bedarf nach neuen, stimulierenden
Maßnahmen insbesondere für KMU nicht verringert und in einigen Fällen die Regierungen veranlaßt, den Rahmen ihrer Unternehmenspolitik zu erweitern. Gleichzeitig
lenkte die Notwendigkeit, die Effizienz der nationalen Maßnahmen zur Verbesserung des Unternehmensumfelds und zur Unterstützung der Unternehmen zu
erhöhen, die Aufmerksamkeit der Kommission darauf, die diesbezüglichen Erfahrungen auszutauschen und die Ergebnisse verschiedener Verfahren zu untersuchen.
Dieses Kapitel bietet einen Überblick nach Ländern über neue Entwicklungen1 in
der nationalen KMU-Politik, wobei bereits implementierte und geplante
Maßnahmen in den fünf Bereichen des Mehrjahresprogramms2 für kleine und
mittlere Unternehmen (KMU) in der Europäischen Union (1997-2000) (Unternehmensumfeld; Finanzielles Umfeld; Internationalisierung und Informationsdienste;
Innovation und F&E, Arbeitskräfte und Ausbildung; Förderung des Unternehmergeistes) analysiert werden. Es wurde auch der Versuch unternommen, auf der
Grundlage von Experteninterviews, Literaturanalysen und Evaluierungen beste
Verfahren in diesen fünf Maßnahmenbereichen zu identifizieren – eine Vorgangsweise, die bereits im Fünften Jahresbericht angewendet wurde.
8.2
Aktuelle Entwicklungen der Politik in KMUspezifischen Bereichen
Ein Bestandteil des Integrierten Programms für die KMU und das Handwerk3 sind
die „Konzertierten Aktionen” (dieser Ausdruck beschreibt den Konsultationsvorgang der Mitgliedstaaten untereinander und mit der Kommission), welche den
Austausch von besten Verfahren zwischen den EU-Ländern fördern. Die Konzertierten Aktionen sollen die Effizienz der Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur
Verbesserung des Unternehmensumfelds und zur Unterstützung von KMU durch
den Austausch von Erfahrungen und die Untersuchung der Ergebnisse verschiedener Verfahren erhöhen.
Daher ist es sehr wichtig für die Kommission, erfolgreiche Verfahren zu identifizieren und bekannt zu machen und das Endziel, nämlich die Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit des KMU-Sektors und die Stimulierung von Wachstum und
Arbeitsplatzschaffung, zu erreichen.
Der Austausch von besten Verfahren zwischen den Ländern wurde auch von der
Task Force Vereinfachung des Unternehmensumfelds (BEST) als Priorität erkannt,
1
In diesem Bericht des Beobachtungsnetzes werden nur Maßnahmen und Programme
berücksichtigt, die nach Mai 1997 eingeführt wurden. Frühere Zeiträume werden in den
vorhergehenden Berichten abgedeckt. Darüber hinaus behandelt dieser Bericht auch
geplante Maßnahmen, d. h. Maßnahmen, die bis Ende 1999 in Kraft treten sollen.
2
97/15/EG: Beschluß des Rates vom 9. Dezember 1996; Abl. Nr. L 006 vom 10/01/1997,
S. 25-31.
3
KOM(96) 329 endg.
268
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
deren Bericht1 festhält: „Auch das Verfahren, mit dem vorbildliche Beispiele ermittelt und ausgetauscht werden, wäre zu verstärken ...”.
Der im Rahmen der Konzertierten Aktionen gewählte Ansatz entspricht in hohem
Maß dem Ziel, unnötige Regulierung zu vermeiden und den Grundsatz der Subsidiarität zu achten. Im Zusammenhang mit den Konzertierten Aktionen wird Fortschritt eher durch Transparenz und Beispielwirkung erreicht als durch erzwungene
Vereinheitlichung und läßt so Raum für Flexibilität.
Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse wurde eine Analyse der Maßnahmen
und Programme für jedes Land durchgeführt, in der auf breiter geographischer
Ebene (d. h. auf EU-Ebene) gemeinsame Merkmale (und gleichzeitig auch Unterschiede) hervorgehoben werden. Angesichts der Komplexität und Vielfalt der
regionalen Maßnahmen für KMU beziehen sich die in diesem Kapitel beschriebenen neuen Entwicklungen ausschließlich auf Maßnahmen, die auf nationaler
und Bundesebene eingeführt wurden.
Seit der Veröffentlichung des Vierten und Fünften Berichtes hat sich die Ausrichtung der
KMU-Politik in den einzelnen Ländern leicht geändert. Dies dürfte nicht nur darauf
zurückzuführen sein, daß die sozioökonomischen Bedingungen einheitlicher geworden
sind, sondern wahrscheinlich auch darauf, daß in der EU eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber den Empfehlungen und Leitlinien der Kommission herrscht.
Wie in Tabelle 8.1 dargestellt, haben fast alle Länder neue Maßnahmen eingeführt,
bestehende modifiziert oder planen, dies jedenfalls zu tun.
Tabelle 8.1 Eingeführte und geplante nationale Maßnahmen nach Bereichen und
Ländern, Mai 1997 - Ende 1999
Unternehmensumfeld
Land
A
B
DK
D
EL
E
F
FIN
IRL
I
L
NL
P
S
UK
IS
LI
NO
CH
Quelle:
Finanzielles Umfeld
Administrative
Zahlungs-
Belastungen
rückstände
Finanzierung
Internationalisierung &
Arbeitskräfte, Ausbildung
Förderung
Information
& Innovation
des Unternehmer-
Internationalisierung
Information
Ausbildung
F&E
v. Arbeitskräften
Innovation
geistes
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Nur allgemeine Wirtschaftspolitik; keine Unterstützungsmaßnahmen direkt für KMU
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
ENSR, 1999. Anmerkung: X steht für eingeführte oder geplante Maßnahmen.
1
Bericht der Task Force Vereinfachung des Unternehmensumfelds, Teil I und II (1998).
269
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Maßnahmen zur Vereinfachung von Verwaltungsabläufen sind in praktisch allen
Ländern anzutreffen. Die Bemühungen aller Länder spiegeln eine besondere
Berücksichtigung von Aspekten des finanziellen Umfelds und der Steigerung der
Wettbewerbsfähigkeit des Industriesystems durch Technologie wider.
In den Ländern besteht auch eine etwas stärkere Ausrichtung auf die Förderung
der Internationalisierung, was auf die zunehmende Außenhandelsintegration
innerhalb der EU sowie auf das Erfordernis, neue Märkte außerhalb Europas zu
erreichen, zurückzuführen sein könnte.
8.3
Nationale Maßnahmen für KMU und
Handwerk
Dieser Abschnitt des Kapitels behandelt die neuen Entwicklungen auf nationaler
bzw. Bundesebene in den fünf Bereichen des Mehrjahresprogramms. Die neuen
Maßnahmen für KMU werden Land für Land vorgestellt, und gegebenenfalls wird
eine Beschreibung von besten Verfahren eingefügt.
Belgien1
Es wurden verschiedene Arten von Maßnahmen gesetzt, um die Finanzierungsstruktur der KMU zu stärken und die Eigenkapitalfinanzierung von Investitionen zu
fördern:
• Um die Eigenfinanzierung von Investitionen durch KMU anzuregen und ihre
Kreditfähigkeit zu verbessern, wurde 1997 eine Steuergutschrift für KMU und
selbständige Akademiker für Kapitalerhöhungen eingeführt2.
• Im Jahr 19973 wurde für professionelle Investoren ein neuer Markt für nicht an
der Börse notierende Anteile geschaffen, um KMU bei der Beschaffung von Risikokapital zu unterstützen. Um KMU anzuregen, sich auf den Aktienmarkt zu
wagen, wurden eine Senkung der Steuer auf Dividendenerträge von 25% auf
15% sowie die Befreiung von Eintragungsgebühren für jene KMU eingeführt,
die im Zuge des Einstiegs in den Aktienmarkt ihr Kapital erhöhen4.
1
Es wird darauf hingewiesen, daß die Politik in den Bereichen Aus- und Weiterbildung,
Arbeitslosigkeit (mit Ausnahme der Arbeitslosenunterstützung und Senkungen von Sozialabgaben), Innovation und Forschungsförderung in Belgien nunmehr in regionale Verantwortung übergegangen ist, und die Bundesebene auf diesen Gebieten nicht tätig werden
darf. Diese Politikbereiche werden in diesem Abschnitt nicht berücksichtigt, da an dieser
Stelle – wie schon in der Einleitung dargelegt – ausschließlich nationale und bundespolitische Maßnahmen behandelt werden.
2
Das Gesetz vom 20. Dezember 1995 enthält mehrere Bestimmungen finanzieller Natur.
Eine davon bezieht sich auf Erträge aus dem Jahr 1996 (Steuerjahr 1997) und stellt eine
Steuergutschrift für kleine und mittlere Unternehmen im Ausmaß von 7,5 % auf Kapitalerhöhungen (Nominale) im Vergleich zur Kapitalhöhe in den letzten drei Jahren (mit einem
Höchstbetrag von 19 831,48 Euro) bzw. eine Steuergutschrift für Einzelunternehmer und
Selbständige in akademischen Berufen von 10 % der Erhöhung des Nettovermögenswertes
im Vergleich zu den letzten drei Jahren (mit einem Höchstbetrag von 3 718,40 Euro) dar.
3
Gesetz vom 4. Dezember 1990 über Finanztransaktionen und -märkte, Gesetz vom 6.
April 1995 über Sekundärmärkte, Investitionsgesellschaften und Vermittler, ‘Arrêté royal’
vom 18. April 1997 über Institutionen, die in Unternehmen mit nicht börsennotierten
Anteilen und wachsende Unternehmen investieren. Gesetz vom 10. Februar 1998 zur
Förderung unabhängiger Unternehmen, Artikel 33 und 34.
4
Gesetz vom 10. Februar 1998 zur Förderung unabhängiger Unternehmen, Artikel 33 bis
36. ‘Arrêté royal’ vom 28. Mai 1999, worin das Inkrafttreten der Artikel 35 und 36 des
Gesetzes vom 10. Februar 1998 zur Förderung unabhängiger Unternehmen festgelegt wird.
270
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
• Seit Anfang 1999 sind Familienunternehmen nicht mehr zu Formen der Steuerhinterziehung verleitet, wenn sie den Betrieb auf die jüngere Generation übertragen wollen. Es wird nun eine Schenkungssteuer von 3 % angewendet, die
wesentlich niedriger ist als die üblichen Erbschafts- und Schenkungssteuern.
Voraussetzung ist dabei, daß das Unternehmen nach der Übertragung für
wenigstens 5 Jahre weitergeführt wird1.
• Ab Januar 1999 wird das Risiko für Kredite an Neugründungen, die in Anlagevermögen investieren wollen, zwischen den Finanzinstitutionen und dem
öffentlichen Beteiligungsfonds geteilt. Letzterer stellt eine Teilgarantie für derartige Kredite zur Verfügung, und es ist zu hoffen, daß dies die Banken ermutigen
wird, Neugründungen mehr Kredite zu gewähren2.
Die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren bedeutet eine beträchtliche Senkung
von verborgenen Kosten für KMU. Es wurde eine Behörde zur Vereinfachung von
Verwaltungsprozessen eingerichtet, deren Aufgabe es ist, die Kosten von administrativen Vorschriften zu berechnen und Möglichkeiten zu ihrer Senkung vorzuschlagen3.
Um die KMU bei der Einführung des Euro zu unterstützen und ihnen bei der
Anpassung an das neue Buchführungssystem zu helfen, wurde das interaktive
Multimediasystem ‘Eurochallenger’ entwickelt und bereitgestellt4.
Angesichts des Potentials der KMU zur Schaffung von Arbeitsplätzen wurden
einige spezielle Schritte unternommen, um eine Zunahme der Beschäftigung in
KMU zu fördern:
• Seit Januar 1997 erstreckt sich der reduzierte Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung für den ersten eingestellten (vorher arbeitslosen) Beschäftigten auch
auf den zweiten und dritten aufgenommenen Beschäftigten5. Diese Senkungen
gelten seit April 1999 ohne weitere Bedingungen auch dann, wenn der
Beschäftigungslose in den vorangegangenen 3 Monaten einen befristeten
Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber hatte6.
• Um die Kosten für KMU möglichst gering zu halten, wird das Recht von
Beschäftigten, eine Karrierepause einzulegen, auf KMU flexibler angewendet,
oder es wird eine Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung
1
Gesetz vom 22. Dezember 1998 über steuerliche und andere Beschlüsse.
Gesetz vom 10. Februar 1998 zur Förderung unabhängiger Unternehmen, Artikel 28;
‘Arrêté royal’ vom 1. Dezember 1998 zur Umsetzung von Artikel 74, Abs. 1,6° des Gesetzes
vom 28. Juli 1992 über Steuer- und Finanzierungsbestimmungen sowie ‘Arrêté royal’ vom
9. Dezember 1998 zur Festsetzung der Höchstgrenze des Beteiligungsfonds gem. Artikel
74, Abs. 1,6°.
3
Gesetz vom 10. Februar 1998 zur Förderung unabhängiger Unternehmen, Artikel 40 bis
44, sowie ‘Arrêté royal’ vom 23. Dezember 1998 über die Agentur für die Vereinfachung
der Verwaltung.
4
Ministère des Classes Moyennes et de l’Agriculture.
5
‘Arrêté royal’ vom 14. März 1997 betreffend spezifische Maßnahmen zur Förderung der
Beschäftigung in KMU gem. Artikel 7 des Gesetzes vom 26. Juli 1996 zur Förderung der
Beschäftigung und Sicherung des Wettbewerbs; Gesetz vom 13. Februar 1998 betreffend
Bestimmungen zur Beschäftigungsförderung.
6
Belgischer Aktionsplan für Beschäftigung 1998 und verschiedene Verordnungen (angenommen vom Ministerrat am 9. Dezember 1998) und Gesetz vom 26. März 1999 betreffend den Belgischen Aktionsplan für Beschäftigung 1998 und verschiedene Verordnungen,
Artikel 74 und 75.
2
271
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
gewährt1. Aus demselben Grund wurde das System des „Bildungsurlaubs” für
KMU modifiziert2.
• Um die Schaffung von Arbeitsplätzen für wenig qualifizierte Personen im allgemeinen und für ungelernte Arbeiter in stark dem Wettbewerb ausgesetzten
Branchen zu fördern, wurden die Senkungen der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung ab Juli 1997 verstärkt und auf weitere (kleinbetriebliche)
Sektoren ausgeweitet3. Im April 1999 wurden die Senkungen der Arbeitgeberbeiträge ein weiteres Mal modifiziert und sind jetzt von der Beschäftigungsart,
der Lohnhöhe und dem Arbeitsausmaß und nicht mehr von der Branche
abhängig4.
• Neue Steuervergünstigungen für Gewinne werden seit April 19985 gewährt,
wenn KMU mit weniger als 11 Beschäftigten gering qualifizierte Personen
zusätzlich einstellen, sowie auch, wenn zusätzlich ein Export- oder Qualitätsmanager aufgenommen wird (seit 19986).
Zahlreiche Maßnahmen wurden gesetzt, um die Anzahl erfolgreicher Unternehmensgründungen zu erhöhen. Ein Teil der Maßnahmen versucht, die Attraktivität
der Selbständigkeit in bezug auf den Sozialversicherungsstatus von Firmeneignern
und Geschäftsführern von Unternehmen zu steigern (z. B. größere Annäherung
der Sozialleistungen an jene der Arbeitnehmer7, Fortdauer des Rechts auf
bestimmte Sozialleistungen im Fall eines Konkurses8 bzw. auf Arbeitslosenunterstützung für Arbeitslose, die eine selbständige Tätigkeit begonnen haben9). Eine
zweite Gruppe von Maßnahmen soll die Erfolgsrate von Jungunternehmern durch
1
a) KMU mit weniger als 10 Beschäftigten müssen eine Person, die eine Berufsunterbrechung einlegt, nicht ersetzen (Belgischer Aktionsplan für Beschäftigung 1998,
angenommen vom Ministerrat am 9. Dezember 1998), in Kraft seit 1. Januar 1999.
b) In KMU mit weniger als 50 Beschäftigten sind normalerweise nur Vollzeit-Berufsunterbrechungen gestattet. Wünscht ein Beschäftigter eine Teilzeit-Berufsunterbrechung, benötigt er die Zustimmung des Arbeitgebers, der in diesem Fall eine
Senkung des Arbeitsgeberbeitrags zur Sozialversicherung für die Ersatzperson in
Anspruch nehmen kann, falls es sich dabei um einen Arbeitslosen handelt. In Kraft
seit 1. Januar 1999.
2
Gesetz vom 10. Februar 1998 zur Förderung unabhängiger Unternehmen, Artikel 26,
und ‘Arrêté royal’ vom 20. Juli 1998 zur Festlegung spezieller Regeln für Bildungsurlaube
von KMU-Beschäftigten. Im Fall von KMU müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dem
Weiterbildungskurs von höchstens 100 Stunden außerhalb der normalen Arbeitszeit
zustimmen. Der Beschäftigte erhält eine Vergütung, aber keine zusätzliche Arbeitsfreistellung (höchstens 1 660 Euro). Die Hälfte dieser Vergütung und die darauf entfallenden
Sozialabgaben werden vom Ministerium für Arbeit und Beschäftigung rückerstattet, wobei
diese Zahlung binnen 4 Quartalen nach Antragstellung erfolgen muß.
3
‘Arrêté royal’ vom 24. Dezember 1993, Gesetz vom 22. Dezember 1995, sowie ‘Arrêté
royal’ vom 8. August 1997.
4
Gesetz vom 26. März 1999 betreffend den Belgischen Aktionsplan für Beschäftigung
1998 und verschiedene Verordnungen.
5
Gesetz vom 10. Februar 1998 zur Förderung unabhängiger Unternehmen, Artikel 29,
und ‘Arrêté royal’ vom 19. März 1998.
6
Gesetz vom 27. Oktober 1997 betreffend steuerliche Anreize für Export und Forschung.
7
Das Pensionssparsystem erstreckt sich jetzt auch auf Zeiträume mit geringem
Einkommen sowie Ehefrauen von Selbständigen: Gesetz vom 25. Januar 1999 über Sozialverordnungen (in Kraft seit April 1999).
8
Im Fall eines Konkurses besteht seit dem 1. Juli 1997 eine Sozialversicherung, wodurch
das Recht auf Familienbeihilfe und Krankenversicherung für 4 Quartale verlängert wird; für
einen Zeitraum von zwei Monaten werden auch die Lebenskosten getragen. Diese Rechte
wurden durch das Gesetz vom 14. Januar 1999 (in Kraft ab 1. Januar 1999) auch auf
Selbständige in akademischen Berufen ausgedehnt.
9
‘Arrêté royal’ vom 12 März 1999, durch den Arbeitslose, die eine selbständige Tätigkeit
aufgenommen haben, ihr Recht auf Arbeitslosenunterstützung nach Einstellung dieser
Tätigkeit für den Zeitraum von 9 Jahren beibehalten.
272
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Erhöhung der Qualifikationsanforderungen1, eine neue „stagiaire indépendant”Bestimmung2 und eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge im entscheidenden vierten Betriebsjahr3 verbessern. In einigen Berufen und im Handel wurden
die Regeln modernisiert und transparenter gemacht (Berufsethik in einigen
Berufen, Praktikum, Berufszugang, Stellung von Berufsorganisationen; im Handel
die nächtlichen Öffnungszeiten4, das Betreiben von Ständen auf öffentlichen
Märkten5, gelegentlicher Privatverkauf von gebrauchten Gegenständen6).
Dänemark
Jüngst wurden energische Schritte unternommen, um bestmögliche Bedingungen
für wirtschaftliche Expansion zu schaffen und das Wachstum der KMU zu fördern.
Diese Initiativen beinhalten allgemeine Aspekte wie etwa die Verbesserung der
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Verwaltungsvereinfachungen sowie
spezifischere Maßnahmen, die auf die Steigerung von Know-how und Produktivität abzielen, wie etwa F&E, Innovationen in der Finanzierung und Kooperation
zwischen der Wirtschaft und Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen.
Maßnahmen zur Vereinfachung wurden durch das – nach einem Versuchszeitraum
1996/97 – im Herbst 1997 eingerichtete „Test Panel” ermöglicht. Dieses besteht
aus einer Auswahl von 500 Unternehmen, die durch eine Vorab-Prüfung von Gesetzesentwürfen dazu beitragen, administrative Belastungen und ihre Folgen für KMU
zu erkennen. Im Jahr 1998 richtete die EU auf Ersuchen Dänemarks ein ähnliches
Panel ein. Das dänische Panel wird in der Praxis von der Danish Agency for Trade
and Industry innerhalb des Danish Ministry of Business and Industry verwaltet.
Im Jahr 1998 wurde ein Pilotprojekt (Industrie-Service-Konzept) initiiert, um für 200
ausgewählte KMU einen Anreiz zu bieten, den Auslagerungsgrad von Dienstleistungen
zu erhöhen. Es wurde ein Gesetzesantrag betreffend eine staatliche Zulassung von
Industriedienstleistern eingebracht, der per Ende 1999 verabschiedet werden soll. Im
Jahr 1998 wurde eine Regulierungs-Checkliste eingeführt, um die Qualität von Normen
zu verbessern und die administrativen Belastungen zu reduzieren.
1
Gesetz vom 10. Februar 1998 zur Förderung unabhängiger Unternehmen, Artikel 3 bis
18, sowie ‘Arrêté royal’ vom 21. Oktober 1998 (ab 1. Januar 1999 müssen alle Gründer
Kenntnisse der Unternehmensführung nachweisen).
2
Gesetz vom 10. Februar 1998 zur Förderung unabhängiger Unternehmen, Artikel 19 bis
22; ‘Arrêté royal’ vom 10. August 1998; ‘Arrêté royal’ vom 30. Oktober 1998 setzt die
Mindestvergütung für den stagiaire fest.
3
‘Arrêté royal’ vom 28. September 1998 betreffend die Beiträge von Selbständigen,
wodurch der ‘Arrêté royal’ vom 19. Dezember 1967 abgeändert wird, welcher die soziale
Stellung der Selbständigen regelt: Im 4. Betriebsjahr wird, wenn die Ausgleichszahlungen
für das Vorjahr fällig werden, der Beitrag für vier Quartale um 15 % – bei einer Höchstgrenze von 123,9 Euro – gesenkt.
An dieser Stelle sei angemerkt, daß vor 1997 nur Jungunternehmer unter 35 Jahren nicht
bestraft wurden, wenn ihre Steuervorauszahlungen für die (erwarteten) gewerblichen
Einkünfte in den ersten 3 Jahren ihrer Geschäftstätigkeit im Verhältnis zu den tatsächlichen
gewerblichen Einkünften unzureichend waren. Seit 1997 erstreckt sich diese Bestimmung
auf alle Jungunternehmer (Gesetz vom 6. Juli 1997).
4
Gesetz vom 17. Dezember 1998 in Abänderung des Gesetzes vom 24. Juli 1993 betreffend die Festlegung der abendlichen Schließzeiten für Handels-, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe. ‘Arrêté royal’ vom 11. Juli 1999 zur Umsetzung des Gesetzes vom 17.
Dezember 1998.
5
‘Arrêté royal’ vom 29. April 1996 in Abänderung des ‘Arrêté royal’ vom 3. April 1995 zur
Umsetzung des Gesetzes vom 25. Juni 1993 betreffend den Straßenhandel und öffentliche
Märkte (in Kraft seit 19. Mai 1996).
6
‘Arrêté royal’ vom 30. April 1999 in Abänderung des ‘Arrêté royal’ vom 3. April 1995 zur
Umsetzung des Gesetzes vom 25. Juni 1993 betreffend den Straßenhandel und öffentliche
Märkte.
273
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Die Bemühungen zur Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds, in dem die KMU
tätig sind, konzentrierten sich auf eine Senkung der administrativen Kosten. Zu
diesem Zweck erstellte die Regierung einen Jahresbericht, der Möglichkeiten zur
Senkung dieser Kosten diskutierte.
In bezug auf Maßnahmen im Bereich der Finanzierung hat in den 90er Jahren ein
Übergang von direkten Unternehmensbeihilfen und Krediten zur Innovationsförderung mit Hilfe selektiven Einsatzes von Risikokapital zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der KMU stattgefunden. Besonderes Schwergewicht wird auf die Schaffung
eines Marktes für Risikokapital gelegt. „Business Development Finance” vergibt Risikokredite für KMU-Entwicklungsprojekte in bezug auf F&E, Internationalisierung und
Qualifikationsentwicklung. Außerdem verwaltet „Business Development Finance”
eine Anzahl von Entwicklungsgesellschaften, die in wachstumsorientierte, innovative
KMU investieren und diese beraten. Der Staat übernimmt eine Garantie für diese
Gesellschaften. Darüber hinaus unterstützt die Regierung die Entwicklung eines Kapitalmarkts für nachrangiges Fremdkapital und hat – mit Hilfe von Analysen – zur
Schaffung mehrerer autorisierter Märkte für nicht börsennotierte Anteile (d. i. eine
Alternative zum Aktienmarkt) beigetragen. Schließlich initiierte die Regierung eine
Marktanalyse für ein Netzwerk von Business Angels in Dänemark.
Die Internationalisierungspolitik sieht 35 verschiedene Maßnahmen vor, um das
Exportvolumen zu steigern und Auslandsinvestitionen dänischer Unternehmen zu
fördern (Export Development Programme, 1997). Die wichtigsten Maßnahmen
sind ein Exportgarantiefonds (deckt politische und wirtschaftliche Risiken der
Exporteure), ein Exportentwicklungsprogramm (dabei soll unerfahrenen Unternehmen das nötige Export-Know-how zur Verfügung gestellt werden) sowie das
„Private Sector Programme” (unterstützt die Kooperation zwischen Unternehmen)
in Zusammenhang mit dem dänischen Entwicklungshilfeprogramm.
Die Entwicklung und Verbreitung von Wissen und Fähigkeiten sind grundlegende
Elemente der dänischen Unternehmenspolitik im Innovationsbereich (obwohl nicht
speziell für KMU eingerichtet). Die beiden wichtigsten Elemente sind die „Technological Service Institutes” (GTS, siehe Kasten) und die „Centre Contracts“ (gemeinschaftliche Entwicklungsprogramme von F&E-Einrichtungen, GTS-Instituten und in
verschiedenen Branchen tätigen Unternehmen).
Bestes Verfahren in Dänemark: Das GTS-Netzwerk
Das GTS-Netzwerk ist ein Netz von 14 zugelassenen Technological Service Institutes
(Serviceeinrichtungen für Technologie), die dänische Unternehmen mit modernstem
Wissen und technologischer Beratung versorgen. Die Institute des GTS-Netzwerks
spielen eine entscheidende Rolle in der Innovationspolitik, indem sie den Informationsfluß zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen sicherstellen.
Im Zusammenhang mit dem GTS-Netzwerk wurde 1997 eine Initiative gestartet, die
KMU anregen soll, mehr technische Beratung in Anspruch zu nehmen, indem KMU ein
Rabatt für die erste Inanspruchnahme des GTS-Netzwerks gewährt wird.
Auch wenn diese Initiative nicht KMU-spezifisch ist, ist das GTS-Netzwerk doch von
besonderer Bedeutung für KMU. Eine im Jahr 1998 durchgeführte Erhebung zeigte,
daß 25 % aller KMU über die Existenz des GTS-Netzwerks Bescheid wissen und 20 %
der KMU das Netzwerk zumindest einmal in Anspruch genommen haben.
Das GTS-Netzwerk wird von der Danish Agency for Trade and Industry, Ministry of
Business and Industry, koordiniert.
274
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Es existieren auch Programme zur Erhöhung der Flexibilität der Unternehmensorganisation. Insbesondere werden Beratungen und Dienstleistungen zur Verbesserung
der Qualität, beruflichen Qualifikation, Managementkompetenz und Organisation in
KMU unterstützt (vgl. Increasing the Use of Technical Advice in SMEs [Steigerung der
Inanspruchnahme technischer Beratung in KMU], 1997; LOK, 1998).
Auf dem Gebiet der Förderung des Unternehmertums wurden im Frühjahr 1998
sechs neue Innovationszentren eingerichtet, die als Grundlage für die Erhöhung der
Unternehmenszahl in hochtechnologischen und hochproduktiven Branchen dienen
sollen. Die Innovationszentren dienen als Brücke zwischen F&E-Einrichtungen, innovativen Unternehmern und Finanzinstituten. Außerdem initiierte die Regierung ein
Programm zur Förderung des Unternehmergeistes und zur Unterstützung der
Entwicklung einer unternehmerischen Kultur in den dänischen Schulen aller Ebenen
sowie innerhalb eines breiten Spektrums von Ausbildungseinrichtungen.
Deutschland
Die deutschen Bundesländer haben starken Einfluß auf die KMU-Politik, obwohl
eine enge Verbindung zwischen den Unterstützungsprogrammen des Bundes und
der Länder besteht. Im Untersuchungszeitraum wies die KMU-orientierte Politik die
folgenden Hauptmerkmale auf: Aktionen der Bundes- und Länderregierungen zur
Erhöhung der Transparenz und Verbesserung der Koordination von Maßnahmen
für kleine Unternehmen, Abschaffung ineffizienter, Modifizierung bestehender
sowie Einführung neuer Maßnahmen und schließlich die „Vermarktung” KMUorientierter Politik.
Zur Verbesserung des Unternehmensumfeldes wurden Maßnahmen zur Deregulierung und Vereinfachung administrativer Verfahren im Bereich der Handwerksordnung sowie auch zur Verbesserung der steuerlichen Behandlung der KMU gesetzt.
Mit 1. Januar 1998 wurden lokale Steuern auf das Kapital abgeschafft.
Am 28. Oktober 1997 erfüllte die Bundesregierung in enger Zusammenarbeit mit
den Ländern eine Vereinbarung nach dem Koalitionsvertrag zwischen den damaligen
Regierungsparteien CDU/CSU und FDP betreffend eine Steigerung der Konsistenz
und Transparenz der Unterstützung für KMU. Eines der Ergebnisse war der Aufbau
einer Datenbank über KMU-Unterstützung, die im Internet veröffentlicht wurde1.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu erhöhen, wurden
per 1. Januar 1999 Senkungen der Steuern auf gewerbliche Einkünfte und Körperschaftsgewinne eingeführt, mit dem Versprechen, nach dem Jahr 2000 weitere
Reduzierungen folgen zu lassen.
Die Dezentralisierung führt zu größerer Transparenz und besserer Koordinierung
der KMU-Politik, wobei beabsichtigt ist, vermehrt gemeinsame Maßnahmen der
Bundes- und Länderregierungen durchzuführen. Ein Beispiel dafür ist das gemeinsame Programm des Bundes, des Landes Nordrhein-Westfalen, der Deutschen
Ausgleichsbank (DtA) und der Investitionsbank NRW für die Gründung neuer
Unternehmen (NRW-Gründungs- und Wachstumsprogramm) vom Mai 1998.
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz verursachen hohe administrative
Kosten für deutsche Unternehmen. Staatliche Behörden (vor allem auf Länder-
1
http://www.bmwi.de (Stand am 27. Oktober 1999). Diese Datenbank wird ständig
aktualisiert und enthält alle Informationen über Bundes-, Länder- und EU-Maßnahmen und
-Programme.
275
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
oder Regionalebene) sowie branchenspezifische Unternehmensverbände sind zu
Betriebsinspektionen berechtigt. Eine neue Rechtsnorm (das Arbeitsschutzgesetz vom
August 1996) sieht vor, daß die Unternehmen über Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen in Kenntnis zu setzen sind, und befreit Unternehmen mit weniger als 10
Beschäftigten von der Pflicht, Gesundheits- und Sicherheitsrisiken zu dokumentieren1.
Zur Unterstützung von Unternehmen mit 10-200 Beschäftigten halten die staatlichen
Gewerbeaufsichtsämter im Land Nordrhein-Westfalen eintägige, kostenlose Informationsveranstaltungen für Unternehmer ab und ermöglichen es ihnen so, den neuen
Gesetzen besser zu entsprechen (im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe).
Im April 1999 führte die Bundesregierung eine Umweltsteuer mit einer
Energieverbrauchsabgabe als Fixpunkt ein. Die Einnahmen aus dieser Steuer wurden
verwendet, um eine Senkung der Abgaben auf Lohnkosten zu kompensieren. Im
Endergebnis wurde eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge erreicht.
Die steigenden Insolvenzen unter deutschen Unternehmen veranlaßten das
Bundesministerium für Justiz im Januar 1999 zu einer Reform der Insolvenzordnung. Der Gesetzgeber erkennt nunmehr ausdrücklich an, daß in vielen Fällen die
Gläubigerinteressen am effektivsten geschützt werden, wenn das Unternehmen
erhalten wird, anstatt dieses zu liquidieren.
Maßnahmen sind geplant in bezug auf Zahlungsverzug, Finanzierung von Unternehmensgründungen sowie finanzielle Unterstützungen. Die erste Lesung des
neuen Gesetzes über Zahlungsverzug erfolgte Ende September 1999.
Einer der wichtigsten Punkte der KMU-Politik ist die von Institutionen des Bundes
wie auch der Länder angebotene finanzielle Unterstützung für Personen, die ein
Unternehmen zu gründen beabsichtigen (z. B. das EKH-Programm des Bundes).
Mehrere Länder haben Unterstützungsprogramme für KMU entwickelt, bei denen
Führungskräfte, die sich aus dem Berufsleben zurückgezogen haben, ihre Erfahrungen weitergeben. Ein landesweiter Internetservice wurde eingerichtet, um die
Zusammenarbeit zwischen Business Angels und neuen Unternehmen zu vereinfachen. Im Dezember 1996 startete das Land Nordrhein-Westfalen sein „Modellprojekt Gründercoaching”, das junge Unternehmen bei Inanspruchnahme von Beratungen durch vorher arbeitslose, qualifizierte Führungskräfte finanziell unterstützt.
Im Januar 1999 rief das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung das Programm „Public-Private Partnership: Co-operation With
German Enterprises” zur Förderung der Internationalisierung ins Leben.
Auch die einzelnen Länder unterstützen die Internationalisierung durch
Maßnahmen der Exportförderung. Außerdem werden Beratungsdienste für Marketing, Management, usw. angeboten. Darüber hinaus regen die Länder Auslandsinvestitionen an, indem Kredite und Kostenbeiträge für Unternehmen mit Investitionsprojekten in Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt werden. Die Bundesstelle für Aussenhandelsinformation unterstützt die transnationale Zusammenarbeit
zugunsten von KMU.
Im Jahr 1997 unterstützte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
(BMWi) die Marketingaktivitäten von Unternehmen in den Neuen Ländern. Klein-
1
Es besteht die Verpflichtung, eine Gefahrenevaluation durchzuführen, nicht jedoch,
diese zu dokumentieren.
276
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
unternehmen in diesen Ländern, die sich vorwiegend in Privatbesitz befinden
(mindestens zu 75 %), erhielten Zugang zu speziellen Beratungsdiensten für die
Errichtung von Filialen im Ausland. Um die Internetnutzung zu verbreitern, können
Unternehmen in den neuen Ländern eine Finanzierung für ihre Websites erhalten.
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fördert auch Kontakte mit ausländischen
Firmen und Investitionen im Ausland („KfW-Mittelstandsprogramm Ausland”). Seit
März 1999 unterstützt die Regierung Gründungsprojekte ausländischer, in Deutschland ausgebildeter Fachleute in ihren Heimatländern in Afrika, Asien, Südamerika
sowie in Mittel- und Osteuropa (die Programme werden durch die DEG, eine öffentliche Finanzierungs- und Beratungseinrichtung auf dem Gebiet der wirtschaftlichen
Zusammenarbeit, durchgeführt). Die Bundesstelle für Aussenhandelsinformation startete ein Hilfsprogramm für ausländische Unternehmen, die Handelsbeziehungen mit
deutschen Firmen pflegen.
Darüber hinaus erfolgt die Vermarktung der deutschen Wirtschaft auch über einen
virtuellen Markt, der über das Internet zugänglich ist.
Die deutsche Politik widmet auch Innovation und F&E große Aufmerksamkeit und
verfolgt hier mehrere Maßnahmen, wie etwa Programme zu Technologieförderung, Gründungshilfe, Information und Berufsausbildung.
Mit der Idee der „Leitprojekte” entwickelte das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) einen innovativen Ansatz zur Förderung der Kooperation im
Bereich F&E. Im Februar 1997 startete das BMBF einen Ideenwettbewerb in vier als
strategisch wichtig erkannten Technologiebereichen mit dem erklärten Ziel der
Entwicklung von Kooperationsnetzwerken zwischen Unternehmen, Universitäten
und Forschungszentren. Im Frühjahr 1998 wurden insgesamt 21 Gruppen ausgewählt und erhielten öffentliche Gelder in Höhe von etwa 305 Millionen Euro für
einen Zeitraum von fünf Jahren. KMU erhielten die Möglichkeit, an aus größeren
Unternehmen und Forschungseinrichtungen bestehenden Gruppen teilzunehmen;
schlußendlich waren 25,8 % der 365 an den 21 Projekten teilnehmenden Partner
KMU. Neben diesen 21 Projekten werden derzeit weitere 15 Vorhaben in drei
anderen Technologiebereichen ausgewählt.
Der Schutz geistigen Eigentums und der Erwerb von gewerblichem Eigentum sind
Teil eines Projekts zur Verbreitung von Innovationen in KMU. Die Länder haben
Schritte gesetzt, um den Zugang von KMU zu Industriepatenten zu verbessern. Das
Unterstützungsprogramm „INSTI” besteht aus sechs unterschiedlichen Bereichen:
Überprüfung des Stands der Technik, Analyse der Technologiekosten/-möglichkeiten,
Beratung, Unterstützung der Exploration, Rechtsberatung und Beratung zum Technologietransfer.
Um die Arbeitslosigkeit bei Personen unter 25 Jahren zu senken, wurde 1998 in
Deutschland ein Berufsausbildungsprogramm initiiert. Das Programm wurde
gemeinsam von der Bundesregierung, der Bundesanstalt für Arbeit und der
Europäischen Kommission finanziert.
Darüber hinaus wurden Programme („Exist”, „Junior”, „GO!” usw.) gestartet, um
die unternehmerische Kultur zu stärken und Grundkenntnisse für die unternehmerische Tätigkeit zu vermitteln. Diese Programme umfassen etwa Gründungsprojekte an Universitäten, Beratung von Studenten in den Bereichen Kommunikationswissenschaften und Kommunikationstechnologie sowie Unterstützungen.
277
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Finnland
Bis 1999 beruhte die KMU-Politik in Finnland auf dem SME Policy Programme
1996 (KMU-politisches Programm), das vom Ministerium für Handel und Industrie
(Ministry of Trade and Industry - MTI) durchgeführt wurde. Die allgemeinen Zielsetzungen sind (MTI 1996, KTM 1999):
• Verbesserung der Geschäftsbedingungen für KMU;
• Entwicklung der Arbeitsplatzbedingungen in KMU;
• Verbesserung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit von KMU.
Die neue Politik der Regierung soll die Methoden verbessern, nach denen die
Maßnahmen für Unternehmen evaluiert werden und gleichzeitig die Investitionspolitik zur Unterstützung kleiner Unternehmen modernisieren. Das im Regierungsprogramm enthaltene Projekt zum Unternehmertum wird vermutlich in Zukunft
auch Erklärungen und Empfehlungen zur finnischen KMU-Politik einschließen, da
kein eigenes Arbeitspapier zur finnischen KMU-Politik erstellt werden wird. Allerdings wird die finnische KMU-Politik vermutlich entsprechend der bestehenden
KMU-politischen Leitlinien fortgesetzt bzw. diese erweitern.
1996 initiierte Maßnahmen zur Verbesserung des Unternehmensumfeldes
umfassen etwa die Vereinheitlichung und Vereinfachung von Steuern, die Vereinfachung der Sozialversicherungsbeiträge sowie die Senkung der Lohnnebenkosten.
Ein Beispiel dafür ist das KMU-Service-Zentrum („Pientyönantajien palvelukeskus
Kymen työvoimapiirissä”), das 1995 als Pilotprojekt gestartet wurde, um Unternehmen – insbesondere Kleinstunternehmen – Beratungsdienste zu Fragen der
Beschäftigung und Veranlagung anzubieten.
Im Frühjahr 1999 begann das National Board of Patents and Registration and
Taxation Authorities mit der Vereinheitlichung von Verfahren betreffend von Unternehmen vorzulegende Anmeldungs- und Finanzunterlagen. Dieses Vorhaben sollte
per Ende 2000 abgeschlossen sein.
Im Herbst 1997 wurden die Regionalbüros der drei Ministerien für Handel und Industrie, Arbeit und Landwirtschaft zusammengelegt, was die Dezentralisierung der
KMU-Politik auf regionaler Ebene durch die Schaffung von 15 Zentren für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung („Työvoima ja elinkeinokeskukset”) stärkte. Die
Zentren fungieren als „One-stop-shops“, die Dienstleistungen für Weiterbildung,
Beratungen usw. anbieten und den Zugang zu öffentlichen Mitteln erleichtern.
„Kotitalouden tuki” (Beihilfen für Haushalte) ist ein Programm für das gesamte Jahr
1999, das jenen Familien steuerliche Erleichterungen gewährt, die Haushaltsdienstleistungen benötigen, und in den östlichen und westlichen Regionen einen
öffentlichen Beitrag für Unternehmen der Haushalts- und persönlichen Dienstleistungen leistet.
Eine Vermehrung des Risikokapitals wird durch öffentliche Fonds wie den Finnischen
Industrieinvestitionsfonds („Suomen Teollisuussijoitus Oy”) und Sitra (Finnischer
Nationalfonds für Forschung und Entwicklung) sichergestellt. Erstere Einrichtung ist
ein „Fonds für Fonds”, der Mittel an regionale Risikokapitalfonds weiterleitet. Die
zweite Einrichtung finanziert Unternehmensgründungen sowie die kommerzielle
Verwertung technologischer Innovationen. Im Mai 1998 schlug ein Ausschuß
mehrere Entwicklungsmaßnahmen für den Risikokapitalmarkt vor, wozu u. a. die
Idee zählt, Teile der Pensionsfonds in Risikokapitalfonds für KMU zu investieren.
278
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Eine Verbesserung auf dem Gebiet der Garantien ergab sich aus der Fusion zweier
wichtiger Einrichtungen in diesem Bereich – von Kera Ltd. und dem Finnish
Guarantee Board – zu Finnvera Plc. Die Programme „Finnvera takaus” (FinnveraGarantie) und „Pienyritystakaus” (Garantie für kleine Unternehmen) bieten Garantien für von KMU aufgenommene Darlehen, während das Programm „Pääomatakuu” (Kapitalgarantie für Investoren) aus dem Jahr 1996 technologische Innovationen in KMU fördern soll.
Bestes Verfahren in Finnland: Das Kleinkreditprogramm „Pienlaina”
Das Kleinkreditprogramm „Pienlaina” wurde 1996 unter der Verwaltung von Finnvera
Plc. gestartet. Dabei handelt es sich um einen zinsgünstigen Kreditplan für bestehende
KMU und Neugründungen, die Probleme mit dem Zugang zu regulären Finanzierungsinstrumenten haben, wobei das Programm speziell auf Unternehmen im Industrie- und Dienstleistungssektor mit weniger als 5 Beschäftigten ausgerichtet ist. Die
Ausgaben pro neuem Arbeitsplatz betrugen 3 350-5 050 Euro, wobei ein Beschäftigungseffekt von 1,2 neuen Beschäftigten je Kleinkreditprojekt erzielt wurde.1
Die Internationalisierungspolitik sieht Aktionen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der KMU vor. Mit der Hilfe öffentlicher Einrichtungen (Finpro – der
frühere Finnische Außenhandelsverband, das Ministerium für Handel und Industrie, Tekes – das Zentrum für Technologische Entwicklung, Finnvera Plc, Fintra –
das Finnische Institut für Internationalen Handel, der Finnische Exportkredit sowie
das Innenministerium) wurden Beihilfen bereitgestellt und Dienstleistungen für
KMU entwickelt, um deren Internationalisierungsstrategien zusammen mit einigen
Finanzierungsinstrumenten zu unterstützen.
Im Jahr 1997 richteten die Zentren für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung Web-Seiten zum Zweck der Informationsverbreitung ein.
Bestes Verfahren in Finnland: „TE-keskusten palvelupiste”
Das Programm „TE-keskusten palvelupiste” wurde 1999 unter der Führung der Zentren
für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung gestartet, um KMU mit maßgeschneiderten Informationen über Internationalisierung, Zugang zu EU-Finanzierungen und
Weiterbildung versorgen zu können. Die Zentren verfügen über Internetzugang, um auf
die Archive der National Boards of Patents and Registration zugreifen zu können.
KMU-Investitionen in Projekte der Produkt- und Verfahrensinnovation werden
durch Darlehen unterstützt (d. i. das 1996 unter der Leitung des Technologieentwicklungszentrums Tekes, einer Behörde des Ministeriums für Handel und Industrie, gestartete Programm „Tuotekehityslaina”).
1
Quelle: Stenholm, P., Evaluation of Micro loan and Micro loan for women entrepreneurs
(Evaluierung des Mikrokredits sowie des Mikrokredits für Unternehmerinnen), unpublished
research report, Small Business Institute – Turku School of Economics and Business Administration, Turku, 1999.
279
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Die Neufassung des Gesetzes über Arbeitsverträge („Työsopimuslaki”) sollte mit
Ende 19991 in Kraft treten und sieht für alle Unternehmen mehr Flexibilität im
Bereich der Beschäftigung vor. Ein anderes Programm („Työpaikkakoulustuki”)
wird Barrieren bei der Personalaufnahme durch bessere Möglichkeiten für die Ausund Weiterbildung der eingestellten Mitarbeiter reduzieren.
Zusätzliche Anstrengungen werden für KMU im Bereich der Förderung und Stärkung der unternehmerischen Kultur unternommen, wobei ein für die Gründung
neuer Kleinunternehmen günstiges Umfeld geschaffen werden soll (Jahrzehnt des
Unternehmertums, Programm 1995-2005).
Frankreich
Die französische Industriepolitik sieht auch Aktionen für KMU und das Handwerk vor.
Diese Aktionen betreffen alle Bereiche des Mehrjahresprogramms. Ein Ziel der französischen Politik ist es, Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und Einschränkungen
zu reduzieren, um die Beziehungen zwischen dem öffentlichen und dem privaten
Sektor zu verbessern („Faciliter la Vie des Petites et Moyennes Entreprises”, Das
Leben der KMU vereinfachen, 1997 unter der Führung des Ministers für KMU,
Handel und Handwerk gestartet). Das Hauptziel besteht darin, die Verfahren für KMU
zu vereinfachen und so Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu stimulieren. Die
Maßnahmen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Neugestaltung der
Anmeldung neuer Unternehmen, Vereinfachung von administrativen, buchhalterischen und steuerlichen Verfahren, vermehrter Einsatz von Minitel, EDI und Internet
zur Übermittlung von Verwaltungsdokumenten und Steuerveranlagungen.
Ein weiteres Programm vereinfacht die Übergabe kleiner Unternehmen von einer
Generation an die nächste („Faciliter la transmission d’entreprise”, 1998 unter der
Führung des Ministers für KMU, Handel und Handwerk ins Leben gerufen).
Um die Investitionen in neue, innovative Unternehmen zu erhöhen, sind
Maßnahmen geplant, die es Beschäftigten ermöglichen, Anteile an ihren Unternehmen zu erwerben, die das Finden von Business Angels2 erleichtern und die die
Verfügbarkeit von Risikokapital steigern sollen (die entsprechenden Programme
heißen „Bons de souscription de parts de créateurs d’entreprise/BSCPE”, „Report
d’imposition pour l’investissement dans le jeunes entreprises” und „Le fonds public
pour le capital risque”, unter der Verwaltung des Ministeriums für Wirtschaft,
Finanzen und Industrie). Um die Entwicklung von neuen Hochtechnologienunternehmen zu fördern, werden Mittel für neue Gründerzentren bereitgestellt, und im
Jahr 1999 wurde im Rahmen des Innovationsgesetzes zinsfreies Startkapital ermöglicht („Appel à propositions pour la mise en place d’incubateurs et de fonds
d’amorçage au profit d’entreprises technologiques”). Um den Zugang zu Krediten
für Handwerksbetriebe zu erleichtern, wurden das Darlehenssystem neugestaltet
und das Bürgschaftssystem vereinfacht („Faciliter l’accès au financement”, 1998 als
Teil der Initiative für Handwerksunternehmen unter der Führung des Ministers für
KMU, Handel und Handwerk ins Leben gerufen).
1
Unter den bereits beschlossenen Veränderungen findet sich die Bestimmung, daß ab 1.
Februar 1999 nicht organisierte Unternehmen (d. h. Unternehmen, die keiner Arbeitgebervereinigung angehören, vor allem KMU) berechtigt sind, bestimmte Regelungen betreffend Gehaltszahlungen während des Krankenstandes, Rücktrittsbestimmungen sowie
einige Regelungen betreffend den Jahresurlaub und diesbezügliche Gehälter und Studienurlaube, welche in den Kollektivverträgen enthalten sind, anzuwenden.
2
Investoren, die Unternehmen in der Gründungs- oder Wachstumsphase Kapital zur
Verfügung stellen.
280
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Um Auslandsinvestitionen anzuregen, wurden Garantien für Kapital und Bankkredite an Unternehmen bereitgestellt, die in ausgewählte Länder expandieren wollen
(„FASEP-Garantie”, angekündigt im Jahr 1999 und von „Agence Française de développement” sowie COFACE & SOFARIS verwaltet).
Darüber hinaus erhalten KMU Unterstützung für die Entwicklung von Kooperationspartnerschaften im Bereich Internationalisierung und für die Erschließung
neuer Märkte („Appel à projets/Partenaires pour gagner”, unter der Zuständigkeit
des Ministers für Industrie).
Ein im Juli 1998 begonnenes Zweijahresprogramm unterstützt Unternehmen – insbesondere KMU –, die Interesse an Instrumenten der Informationstechnologie wie z. B.
Internet zeigen, um ihre internationale Geschäftstätigkeit zu erweitern („Exportateurs
sur la toile”, unter der Zuständigkeit des Ministers für Außenhandel).
Seit 23. Oktober 1998 existiert eine spezielle Förderung, die auf eine Steigerung
der Exporte von Handwerksunternehmen abzielt („Aider les entreprises artisanales
à s’ouvrir au commerce extérieur”, 1998 als Teil des Nationalen Programms für
Handwerksunternehmen vorgelegt).
Mit dem Budget 1999 wurden für einen Zeitraum von fünf Jahren wieder Steuergutschriften für Forschungsausgaben eingeführt.
Im Mai 1998 wurden Bemühungen gestartet, um Innovationen1 in KMU der Sachgütererzeugung, welche Internettechnologien zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und zur Entwicklung neuer Märkte einsetzen, zu unterstützen. Das
Programm ist auf Projekte beschränkt, die von Gruppen von KMU oder Berufsverbänden, von Forschungseinrichtungen oder Handelskammern im Namen von
KMU vorgelegt werden. Einzelprojekte werden nicht unterstützt.
Im Januar 1999 legte das Ministerium für Bildung, Forschung und Technologie ein
Programm zur Förderung der Kooperation zwischen Privatunternehmen und
öffentlichen Forschungseinrichtungen vor („Développer les collaborations entre la
recherche publique et les entreprises“).
Im März 1999 setzte die französische Regierung eine Maßnahme zur Förderung
der technischen Entwicklung und der entsprechenden Schnittstellen, um den elektronischen Handel unter KMU zu unterstützen und auszuweiten („Espoirs du
commerce électronique”).
Im Oktober 1998 wurde ein Programm zur Unterstützung von Innovationen und
zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Handwerksunternehmen vorgelegt
(„Soutenir le développement des entreprises artisanales en matière d’innovation”).
Das Budget 1999 sieht die allmähliche Abschaffung der Steuer auf Honorare vor,
was sich auf die KMU günstig auswirken wird („Loi de Finances pour 1999”).
Auf dem Gebiet der Berufsausbildung werden Handwerksbetriebe, die verstärkt
Lehrlinge einsetzen wollen, unterstützt („Aider les entreprises artisanales à mieux
recruter en valorisant l’aprentissage”).
Seit 1999 werden bestimmte Gruppen von Personen (Arbeitslose unter 26 Jahren
und Langzeitarbeitslose) von den Regionalbüros des Arbeitsministeriums verstärkt
1
„Utilisation collective d’internet par les PME-UCIP”.
281
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
ermutigt, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Dabei werden zinsfreie Kredite
angeboten, die erst nach fünf Jahren rückzahlbar sind (EDEN). Ein anderes Programm
zur Erhöhung der Unternehmensgründungen bezieht sich auf Wissenschaftler im
öffentlichen Sektor („Faciliter la création de entreprise par les chercheurs”).
Im März 1999 wurde ein Programm gestartet, das neue Hochtechnologieunternehmen auf den Gebieten der Biotechnologie, Informationstechnologie und
Umwelttechnik fördern soll. Sieger regionaler Wettbewerbe erhalten bedingungslose Zuschüsse („Concours création d’entreprises de technologies innovantes”).
Griechenland
Das Programm „KMU in benachteiligten Gebieten” sieht Dezentralisierungen
zugunsten von KMU vor, um engere Kontakte zwischen Verwaltung und Unternehmen in den wirtschaftlich benachteiligten Gebieten des Landes sicherzustellen.
Dieses Programm unterstützt KMU der Sachgütererzeugung in diesen Gebieten
durch eine Subvention, welche auf der Grundlage eines von den Unternehmen
vorgelegten Geschäftsplans gewährt wird.
Die Maßnahme 1246/98 des Finanzministeriums bezieht sich auf nicht erfüllte
Verpflichtungen gegenüber staatlichen Finanzbehörden. Es besteht eine Höchstgrenze von 15 % für die Erhöhung diskontierter, nicht erfüllter Verpflichtungen.
Gilt der Schuldner als zuverlässig, erhält er zusätzliche Entlastungen.
KMU können über innovative Einrichtungen finanziert werden, z. B. Bürgschaftsgemeinschaften, Risikokapitalfonds und Kreditgenossenschaften. Die Bürgschaftsgemeinschaften (SMG) stellen Garantien für Kredite aus, während der Rückbürgschaftsfonds einen Teil des von der SMG eingegangenen Risikos unter der Aufsicht
der griechischen Nationalbank abdeckt.
Risikokapitalfonds sind für die Landwirtschaft, Industrie, den Bergbau und Handel
vorgesehen. Die Maßnahmen im Bereich des Risikokapitals zielen auf die Erhöhung
dieser Mittel durch die Finanzierung des Grundkapitals neuer Risikokapitalgesellschaften sowie bestehender Gesellschaften nach den Bestimmungen des Gesetzes
Nr. 2367/95 ab.
In städtischen Gebieten bieten Kreditgenossenschaften ihren Mitgliedern Darlehen,
Bürgschaften, bestimmte Versicherungen und andere Finanzdienstleistungen.
Beihilfen an Kreditgenossenschaften sollen diese in echte Genossenschaftsbanken
umwandeln und so stärken.
Die Kammern für kleine und mittlere Unternehmen bewerben KMU und ihre
Produkte sehr aktiv im Ausland. Diese Einrichtungen sollen u. a. die Geschäftsmöglichkeiten griechischer KMU in Osteuropa und auf dem Balkan durch die
Organisation von Seminaren, bilateralen Zusammenkünften, Marktstudien und
Strategievorschläge erhöhen. Die Kammer für kleine und mittlere Unternehmen
von Thessaloniki ist ein Gründungsmitglied des Europe CIRCLE-Netzwerks, das die
Kooperationsbemühungen von Unternehmen in verschiedenen Ländern koordiniert. Griechische KMU expandieren vor allem auf die Märkte Rumäniens, Albaniens, Bulgariens und des ehemaligen Jugoslawien.
Um KMU-Exporte stärken und effizienter gestalten zu können, wurden Freizonen
ebenso wie eine Exportförderungsorganisation geschaffen, die KMU der Sachgütererzeugung im Ausland unterstützt.
282
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Die Maßnahme ‘KMU-Netzwerk-Cluster’ entwickelt Netzwerke zwischen Unternehmen, um spezifische Probleme in den Bereichen Unternehmensführung,
Produktion, Marketing, Logistik und technologische Produkt- und Verfahrensinnovation zu lösen. 28 Netzwerke mit 315 Mitgliedsunternehmen wurden bereits
genehmigt. Staatliche Subventionen wurden zum Teil für die Ausbildung von
Führungskräften in den betreffenden KMU gewährt.
Bestes Verfahren in Griechenland: Das Netzwerk SOLARNET
Das Netzwerk SOLARNET besteht aus Unternehmen, die Heißwasserzisternen erzeugen,
die an Solarheizungen angeschlossen sind. Das Projekt ist auf wirtschaftliche, Handelsund Produktentwicklung in diesem Sektor ausgerichtet. Die acht teilnehmenden Unternehmen werden ein Programm abstimmen, um nötiges Know-how zu erwerben, neue
Produkte zu planen und Mitarbeiter einzustellen und auszubilden.
„Stärkung von Genossenschaften und unternehmerischer Kooperation” bezieht
sich auf Probleme von KMU beim Zugang zu Krediten und bei der technologischen Anpassung.
Im August 1998 wurden gesetzliche Maßnahmen beschlossen, die mehr Flexibilität
in der Beschäftigung hinsichtlich Arbeitsstunden und Teilzeitarbeit – teilweise
zugunsten der KMU – vorsehen. Die Maßnahmen betreffen auch die Gestaltung
von Arbeitsverträgen in bezug auf Arbeitszeit, Beihilfen für die Beschäftigung von
Personen in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit sowie die Errichtung privater Stellenvermittlungsbüros.
Das vom Ministerium für Entwicklung verwaltete Regionale Unternehmensprogramm soll die Organisation lokaler Produktionsstätten modernisieren. Die Unternehmen erhalten öffentliche Beihilfen für zwei Arten von Investitionsprojekten:
Erwerb von Ausrüstung zur Modernisierung von Produktionsverfahren sowie zur
Erhöhung der Sicherheit am Arbeitsplatz und Unterstützung für die Rationalisierung des Maschineneinsatzes. Das Programm ist für KMU in der Sachgütererzeugung, die seit wenigstens 3 Jahren aktiv sind, offen.
Maßnahmen für Jungunternehmer („Neol Epixeirimaties”) bieten Schulungen und
Informationen an und helfen bei der Gründung von KMU. Bislang wurden 620
Anträge angenommen.
Irland
In Irland ist die KMU-Politik grundsätzlich eine Kompetenz des Department of
Enterprise, Trade and Employment (Ministerium für Unternehmen, Handel und
Beschäftigung), das über eine spezielle Abteilung für kleine Unternehmen („Small
Business Services Division”) verfügt.
Die Vereinfachung administrativer Verfahren geht vor allem auf die Empfehlungen
der 1994 eingerichteten Arbeitsgruppe „Task Force on Small Business” zurück. Die
seit 1997 gesetzten Maßnahmen umfassen die Einsetzung eines neuen Parlamentsausschusses für kleine Unternehmen (Joint Oireachtas Committee), die Vereinfachung der Steuerbelastung für kleine Unternehmen, die Vereinheitlichung von
steuerlichen und Sozialversicherungsmitteilungen an Unternehmen, die Erleichte-
283
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
rung statistischer Berichtspflichten von Unternehmen und die Aufhebung der
gesetzlichen Buchprüfungspflichten für Unternehmen mit einem Umsatz von
weniger als 127 000 Euro. Im Juni 1999 nahm die irische Regierung ein Programm
zur Regulierungsreform an, das insbesondere die administrativen Belastungen
kleiner Unternehmen verringern soll.
Eine weitere wesentliche Entscheidung bestand in der Senkung der Steuern auf
Körperschaftsgewinne von 36 % auf 28 %. Gleichzeitig wurde die Steuer von 28 %
auf die ersten 63 500 Euro Gewinn auf jetzt 25 % für die ersten 127 000 Euro
Gewinn gesenkt.
„Enterprise Ireland”, eine neue, aus der Zusammenlegung dreier Behörden
entstandene Einrichtung, unterstützt Unternehmen in den Bereichen Investitionen,
Beschäftigung, F&E, Unternehmensentwicklung, Marketing und Ausbildung.
Im Jahr 1997 wurden gesetzliche Bestimmungen zum Zahlungsverzug im öffentlichen Bereich erlassen (Prompt Payment of Accounts Act).
Das Operational Programme for Industrial Development 1994-1999 (Programm
für die industrielle Entwicklung) umfaßte eine Maßnahme betreffend Startkapital
und Risikokapital.
Im Jahr 1997 wurde festgestellt, daß junge Unternehmen mit Finanzierungslücken
einen größeren Bedarf an Finanzdienstleistungen aufweisen, weshalb ein spezieller
Gründungsfonds, der Enterprise 2000 Fund, geschaffen wurde.
Auf dem Gebiet der Internationalisierung gewährt „Enterprise Ireland” finanzielle
und andere Formen der Unterstützung für Export, Kooperation, Vernetzung und
Informationsdienstleistungen. Im Jahr 1997 wurde ein Programm von Seminaren
und Informationsdiensten zur Exportförderung initiiert (New Exporter Programme
unter der Führung von „An Bord Trachtala”, eine der 1998 in „Enterprise Ireland”
aufgegangenen Behörden).
Das 1995 veröffentlichte Small Business Operational Programme sah u. a. 1997
begonnene Maßnahmen vor, die den Zugang kleiner Unternehmen (mit weniger
als 50 Beschäftigten) zum öffentlichen Auftragswesen vereinfachen sollten. Zwei
Leitfäden wurden veröffentlicht: Der erste trug den Titel „Starting Your Own
Business” (Die Gründung des eigenen Unternehmens), der zweite „Finance Your
Business” (Die Finanzierung des eigenen Unternehmens).
Auf dem Gebiet der Innovation und F&E erhalten KMU Finanzierungen und Unterstützung, wozu auch Hilfe bei Projekten, Unterstützung beim Erwerb von Technologien, Beihilfen für technologische Überprüfungen und für die Einstellung von
technischem Personal zählen.
Ein auf finanziellen Förderungen basierendes Programm (koordiniert von „Enterprise Ireland”) wurde 1997 gestartet, um Unternehmen mit F&E-Aktivitäten finanziell zu unterstützen (RTI).
Im Mai 1997 veröffentlichte die Regierung ein Weißbuch über die Entwicklung der
Humanressourcen. Darin wurde hervorgehoben, daß KMU wenig in Ausbildung
investiert hätten, und entsprechend ein Bedarf an Instrumenten für die Anregung
und Unterstützung der Ausbildung in den für KMU bedeutendsten Bereichen
bestünde.
284
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Das Programm „Small Firms Company Development Cluster” (Entwicklung von
Kleinunternehmensclustern) soll nunmehr kleinen Unternehmen helfen, ihre Wettbewerbsvorteile durch die Verbesserung ihrer Unternehmensführung zu vergrößern.
Das neue Pilotprogramm Training Networks (Ausbildungsnetzwerke) unterstützt
Unternehmen bei der Identifizierung und Deckung ihrer gemeinsamen Ausbildungserfordernisse. Dieses Programm ist auf die Identifizierung gemeinsamer Probleme
und den Austausch bester Verfahren zwischen großen und kleinen Unternehmen
ausgerichtet.
Seit einiger Zeit werden auf nationaler wie lokaler Ebene Programme verfolgt, die
den Unternehmergeist – insbesondere in der Jugend – fördern sollen (z. B. das
Programm „Young Entrepreneurs”, verwaltet von „Enterprise Ireland”). Die
‘National Enterprise Awards’ (nationale Unternehmerpreise) wurden 1997 eingeführt, um erfolgreichen Unternehmern Anerkennung zukommen zu lassen und das
Image kleiner Unternehmen zu heben.
Island
Neue wirtschaftsrechtliche Bestimmungen, im Zuge derer Genehmigungen abgeschafft und die Ladenöffnungszeiten liberalisiert wurden („Log um verslunarfrelsi”),
traten am 1. Januar 1999 in Kraft.
Mit dem Jahr 1999 wurden die Erfordernisse für Einzelfirmen für die Einreichung von
Steuererklärungen vereinfacht. Größere Unternehmen können ihre Erklärungen auf
elektronischem Weg übermitteln. Ab dem Jahr 2000 werden auch die Zollformulare
elektronisch gehandhabt.
Im Jahr 1997 wurden die Kollektivverhandlungen dezentralisiert, und zum Zweck
weiterer Vereinfachung werden die Sozialversicherungssätze für den Zeitraum
1997-2000 vereinheitlicht, was für KMU im Dienstleistungssektor von Vorteil ist.
Mit 1. Januar 1998 nahmen eine Handelsbank („Fjàrfestingarbanki atvinnulifsins”,
Isländische Investitionsbank) sowie ein Risikokapitalfonds („Nyskopunarsjoour
atvinnulifsins”) ihre Tätigkeit auf, mit dem Ziel, die Wirtschaft zu stärken und das
Wachstum und die Internationalisierung der isländischen Unternehmen zu fördern.
Der Fonds erwirbt Anteile, gewährt Darlehen und Garantien, unterstützt F&E und
beteiligt sich an Vorprojekten zu Investitionen.
Ein Informationstechnologiefonds wurde für Investitionen in neue Unternehmen
im ländlichen Raum sowie in Informationstechnologie- und Hochtechnologiesektoren geschaffen. Darüber hinaus wurde ein Fonds eingerichtet, der bei der
Entwicklung von Vermarktungsstrategien für Projekte und Produkte helfen soll.
Es bestehen spezielle Büros für Kreditgarantien, Schadenersatzansprüche, Dienstleistungen sowie Investitionen und Ausrüstungen für den Export von Produkten und
Dienstleistungen. Außerdem werden Garantien für Investitionen gewährt. Ein Pilotprojektfonds wurde 1997 eingerichtet, um Darlehen an Unternehmerinnen abzusichern („Lànatryggingarsjoour kvenna”).
Im März 1999 wurde IMPRA als „One-stop-shop” am Technology Institute of
Iceland eingerichtet, um Informations- and Beratungsdienste über Unterstützungsmaßnahmen im Bereich Innovation für KMU anzubieten. IMPRA veröffentlicht Leitfäden für junge Unternehmen und berät kleine Unternehmen hinsichtlich finanzieller und technologischer Machbarkeit. Auch hilft es Unternehmern bei der
285
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Aufbringung von Risikokapital für innovative Projekte, fördert Unternehmerinnen,
unterstützt Innovationen, betreibt spezielle Programme für Frauen und fördert die
Unternehmensgründung.
Die Universität Island unterstützt die Weiterentwicklung sowie spin-off-Produkte
der akademischen Forschung. Das Schwergewicht liegt auf der Kooperation
zwischen wenig F&E-orientierten Firmen und Wissenschaftlern in der Hochtechnologie. Ein Beispiel ist der Wissenschaftspark, in dem die Regierung neue Hochtechnologieunternehmen fördert.
Im Januar 1998 richtete die Regierung einen Ausschuß mit dem Hauptziel ein, die
Mittel für Aktivitäten des Handwerks zu erhöhen und ein Zentrum für Technik und
Marketing für diesen Sektor zu schaffen.
Seit April 1999 besteht auch ein Leichtmetallzentrum am Technology Institute. Es
wurde durch Aluminiumunternehmen und das Ministerium für Industrie und
Handel eingerichtet, um technologische Beratung anzubieten und ein Kooperationszentrum für die Industrie zu schaffen.
Italien
Mit dem Gesetz 266/97 entwickelte die italienische Regierung ein Projekt für die
Reorganisation aller Maßnahmen zur Förderung der Gründung und Entwicklung
von KMU und für die Verbesserung und gegenseitige Abstimmung der Verfahren
in bezug auf die Unterstützungsleistung, die Zielsetzung und die Definition der
Adressaten. Das Gesetz sieht auch vor, daß das Ministerium für Industrie eine jährliche Evaluierung über das Anreizsystem in Form eines Berichtes erstellt; dieser
wurde im Juni 1998 und Juni 1999 veröffentlicht.
Mehrere Maßnahmen wurden ergriffen, um das Rechtssystem zu vereinfachen und die
Verwaltungskosten für Unternehmen zu senken. Den Anfang machte das Gesetz
59/97, das die folgenden allgemeinen Ziele verfolgt: Reduzierung der Anzahl der Ministerien und der strukturellen Kosten zentraler Verwaltungsstellen, Dezentralisierung
von Aufgaben – wie etwa der Verwaltung verschiedener KMU-Fördermaßnahmen –
vom Staat auf die Regionen, Schaffung von „One-stop-shops” in ganz Italien, um
Unternehmen bei den Verwaltungsverfahren für neue Anlagen behilflich zu sein und
die erforderliche Zeit für die Erteilung von Genehmigungen drastisch zu verkürzen.
Bestes Verfahren in Italien: Gesetze 341/95 und 266/97 (Paragraph 8)
Die Gesetze 341/95 und 266/97 stellen Steuerbegünstigungen dar, die eine Steuergutschrift für Investitionen in neue Anlagen sowie für Modernisierungen, Restrukturierungen, Umwandlungen, Wiederinbetriebnahmen und Übertragungen bestehender
Anlagen vorsehen. Das Gesetz 341/95 richtet sich nicht nur an KMU, aber die meisten
betroffenen Unternehmen sind KMU. Dieses Gesetz sieht Gutschriften nur für Unternehmen vor, die in den Zielgebieten 1, 2 und 5b oder in 92.3.c-Gebieten tätig sind.
Das Gesetz 266/97, Par. 8, entspricht weitgehend dem Gesetz 341/95, richtet sich aber
ausschließlich an KMU, wobei die Gutschriften auf dem gesamten Staatsgebiet gewährt
werden. Diese Maßnahmen traten 1997 in Kraft.
Die Gestaltung dieser Maßnahmen entspricht sehr gut den Bedürfnissen der KMU. Das
Verfahren für die Antragstellung ist automatisiert und sehr einfach, und für das Investitionsprojekt muß kein Geschäftsplan vorgelegt werden. Die Rückmeldung wird sehr schnell
erteilt. Steuervergünstigungen sind eine Hauptanforderung der KMU gegenüber der Wirtschaftspolitik, da der Steuerdruck insgesamt bereits 43,6 % der Wertschöpfung beträgt.
286
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
In den letzten Jahren werden finanzielle Zuwendungen und automatische Anreize zur
Förderung der Unternehmensinvestitionen und der Kapitalbildung gewährt, die für
kleine Unternehmen höhere Maximalsätze der Beihilfen vorsehen. Das Gesetz 488/92,
das 1996 in Kraft trat und in den nachfolgenden Jahren zusätzlich dotiert wurde, sieht
Zuschüsse für Investitionsprojekte in den Bereichen Bergbau, verarbeitendes Gewerbe
und in einigen Dienstleistungssparten vor (nach 1999 insbesondere Tourismus).
Beihilfen sind für neue Anlagen und Investitionen in bestehende Anlagen in benachteiligten Gebieten vorgesehen, wobei jedoch das Investitionsprojekt zuerst von einem
Bankinstitut genehmigt werden muß. Projekte, die diese erste Hürde überwinden,
werden unter Zugrundelegung objektiver Indikatoren, die auf den Bilanzergebnissen
und dem Investitionsplan des Unternehmens beruhen, nach ihrem Nutzen gereiht.
Die Projekte werden dann entsprechend dieser Reihung finanziert, bis die vorhandenen Mittel erschöpft sind. Die Regeln sind für KMU besonders günstig, da sie einen
größeren Anteil der Unterstützung als größere Unternehmen beanspruchen können.
Außerdem können kleinere Investitionsprojekte vereinfachte Geschäftspläne vorlegen,
die Zuschüsse werden schnell gewährt, und das Auswahlverfahren ist transparent.
Auch im Bereich der Besteuerung gab es Bemühungen (Verordnung 466/97 über
doppelte Einkommenssteuer), um die Kapitalbildung in Unternehmen durch geringere Steuern auf reinvestiertes Kapital zu fördern. Eine neue Maßnahme (Gesetz
133/99) bietet zusätzliche Steuererleichterungen für die Reinvestition von Gewinnen
in den Jahren 1999 und 2000.
Es existiert ein zentraler Garantiefonds, der nach den Bestimmungen des Gesetzes
662/96 Anreize für KMU im verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor
bietet.
In den letzten Jahren wurden Maßnahmen zur Exportsteigerung unternommen.
Die Vermarktungsaktivitäten von ICE1 wurden mit zusätzlichen Finanzmitteln zur
Erweiterung des Netzwerks im Ausland verstärkt. Auch wurden Maßnahmen
gesetzt, um die Aktivitäten von SACE2 in bezug auf die Abdeckung neuer Arten
von Exportrisiken zu intensivieren und den Zugang für KMU zu erleichtern sowie
die Tätigkeit von SIMEST3 auf neue Formen der Unterstützung von Auslandsinvestitionen auszudehnen. Das Gesetz 1326/654, wie auch die Besicherung von
Exportkrediten, die Erweiterung des internationalen Leasing und der Einsatz von
Zuschüssen an Handwerksbetriebe zum Zweck der Internationalisierung5, wird
vermutlich auf ausländische Käufer ausgedehnt werden.
Bestes Verfahren in Italien: Das D.I.T.-Programm (Verbreitung Technologischer Innovation)
Dieses Programm wird vom Istituto G. Tagliacarne koordiniert und verwaltet und von
Unioncamere und dem Ministerium für Universitäten und wissenschaftliche und technologische Forschung gefördert. Über das Netz der Handelskammern in Süditalien führt das
Institut ein komplexes Maßnahmenbündel für Ausbildung, Information und technische
Hilfe durch, mit dem Ziel der Entwicklung innovativen Verhaltens seitens der KMU (insbesondere im Landwirtschafts- und Lebensmittelbereich) sowie der Stärkung qualifizierter
Organisationen auf diesem Gebiet (Universitäten und Zentren für Innovationstransfer). In
den beiden seit 1990 abgewickelten Phasen und in der derzeit laufenden dritten Phase
wurden mehr als 2 000 KMU bei der Umsetzung von Initiativen zur Entwicklung technischer und Marketinginnovationen unterstützt. Außerdem nahmen 3 000 Unternehmen an
Seminaren und Ausbildungskursen über Innovation im Produktionsprozeß und über
Produktqualität teil. Das Gesamtbudget des Programms beträgt 23,2 Millionen Euro.
1
2
3
4
5
Institut für Außenhandel.
Eine öffentliche Gesellschaft, die Firmen gegen Exportrisiken versichert.
Eine öffentliche Gesellschaft, die die Internationalisierung von Unternehmen unterstützt.
Dieses Gesetz schafft Anreize für Unternehmen, die neue Produktionsmaschinen erwerben.
Die Zuschüsse werden von Artigiancassa gewährt.
287
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Die Innovationstätigkeit wurde durch neue Instrumente wie das Gesetz 140/97
gefördert, das vom Ministerium für Industrie verwaltet wird und für KMU und große
Industrieunternehmen in ganz Italien Steuergutschriften für Investitionen in innovative Produkt-, Verfahrens- und Organisationsprojekte vorsieht. KMU können ihr Interesse an der Einbeziehung in die Entwicklung innovativer Verfahren bekunden, die
dann auf ihre Eignung für spätere Zuschüsse nach der Bereitstellung öffentlicher
Mittel geprüft werden. Das Gesetz 196/97 gewährt Zuschüsse für KMU, die Universitätsabgänger sowie Personen mit höherer akademischer Ausbildung auf Zeit für
Forschungsprojekte beschäftigen, und ermöglicht es auch, Forschungspersonal auf
Zeit von öffentlichen Forschungseinrichtungen abzustellen.
Der Lehrlingsvertrag ist das wichtigste Instrument, durch das KMU Jugendliche für
firmenspezifische, neben ihrer eigentlichen Arbeit laufende Ausbildungsprogramme
aufnehmen und damit erhebliche Vergünstigungen bei den Sozialversicherungsabgaben erlangen können.1
Bestes Verfahren in Italien: Unterstützung für die Entwicklung des Unternehmertums
Die Gesetze 95/95 und 215/92 sollen die Gründung neuer Unternehmen durch junge
Menschen bzw. die Gründung von vor allem von Frauen geleiteten Unternehmen fördern.
Das Gesetz 95/95 trat 1996 in Kraft und wird von I.G. SpA, einem Unternehmen des
Ministeriums für Finanzen, Budget und Wirtschaftsplanung verwaltet (das Unternehmen wurde kürzlich in „Sviluppo Italia”, eine neue Agentur für Regional- und
Unternehmensentwicklung, integriert). Das Gesetz sieht Kapitalzuschüsse, technische
Hilfe bei der Umsetzung von Geschäftsideen, Betriebszuschüsse für die ersten fünf
Geschäftsjahre sowie Informationsdienste für junge Menschen vor, die sich selbständig
machen wollen. In den letzten beiden Jahren wurden 150 Anträge mit insgesamt
24 350 neuen Arbeitsplätzen genehmigt.
Das Gesetz 215/92 sieht Kapitalzuschüsse (oder Steuergutschriften) und günstige
Darlehen für die Gründung neuer, vor allem von Frauen geführter Kleinbetriebe sowie
auch für den Erwerb von Echtzeit-Dienstleistungen für die unternehmerische Ausbildung, technische und Managementberatung usw., vor. In den letzten beiden Jahren
wurden 487 Anträge, denen voraussichtlich 10 609 neue Arbeitsplätze entsprechen,
genehmigt.
Das Gesetz 608/96 zielt auf die Förderung alternativer Beschäftigungsformen ab
und sieht Unterstützungen („Kredit auf Ehrenwort”) und technische Hilfe für junge
Menschen vor, die sich selbständig machen wollen.
Liechtenstein
Liechtenstein verfügt über keine direkten Unterstützungsmaßnahmen für KMU,
und die Regierung betreibt keine aktive KMU-Politik. Die Wirtschaftspolitik macht
keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Unternehmen, vielmehr werden
alle Unternehmen gleich behandelt.
1
Das Lehrlingssystem besteht offiziell seit 1955, wurde jedoch durch das Gesetz 196/97
grundlegend reformiert und real wirksam.
288
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Ein Beschluß eines Liechtensteinischen Gerichts (VBI)1, der 1999 in Kraft trat,
dürfte Auswirkungen in bezug auf die Vereinfachung des Unternehmensumfelds
haben. Das Gericht befand, daß es infolge des EWR-Vertrags nicht mehr nötig sei,
daß der Geschäftsführer eines EWR-Unternehmens seinen Wohnsitz in Liechtenstein haben müsse. Dies wird vermutlich zur Gründung mehrerer neuer Unternehmen im Land führen.
Luxemburg
Es wurde eine konzertierte nationale Initiative mit dem primären Ziel eingeleitet,
eine Reihe von administrativen Hindernissen zu beseitigen und so das Wachstum
der und die Kooperation zwischen KMU zu fördern. Die Regierung und die nationalen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter haben darüber hinaus für mehr
Flexibilität im Bereich Arbeit und Beschäftigung gesorgt, um neue unternehmerische Initiativen anzuregen. Verwaltungsbestimmungen wurden in dem Bemühen,
die Belastungen für KMU zu mildern, verbessert und vereinfacht. Einige Gesetze
wurden geändert oder sollen bald geändert werden (ein neues Insolvenzrecht,
neue Buchführungsregeln sowie ein Zentrum für Unternehmensbilanzen), und
einige Wirtschaftssektoren wurden liberalisiert (in bezug auf geringere Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Berufen).
Außerdem hat das „Comité de coordination tripartite” eine Strategie zur Steigerung der Beschäftigung durch spezielle Anreize für Arbeitgeber und Investitionen
entwickelt („Plan d’action national en faveur de l’emploi”).
Derzeit wird der „Nationale Plan zur Förderung der KMU” umgesetzt. Er umfaßt
10 Punkte, wozu auch die Förderung von Unternehmensgründungen und der
Übernahme bestehender Unternehmen, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
und die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren zählen. Als Teil dieses Plans
wurde 1998 ein Programm ins Leben gerufen, das alle Verwaltungseinrichtungen
verpflichtet, vorab eine Evaluierung der Auswirkungen von geplanten Gesetzen
und Verordnungen auf KMU zu erstellen.
Im März 1999 wurde mit der Einführung von zwei „One-stop-shops” („Centres de
formalités PME”) begonnen, um Unternehmen in der Gründungsphase im
Umgang mit Verwaltungsverfahren zu unterstützen. Das Projekt wird von der
Chambre des Métiers und der Chambre de Commerce in enger Zusammenarbeit
mit dem Ministère des Classes Moyennes und einem Netz öffentlicher, in die
betroffenen Verfahren involvierter Verwaltungseinrichtungen koordiniert.
Im Mai 1996 wurden Maßnahmen der Steuervergünstigung eingeführt, um Investitionen anzuregen; weitere Aktionen folgten 1997. Insbesondere wurden die
Gemeindesteuern auf Kapitaltransaktionen abgeschafft, die Gewinnsteuer gesenkt
und Freibeträge für reinvestierte Gewinne gewährt („Loi portant modifications de
certaines dispositions en matière d’impôts directs et indirects”).
Im Juni 1998 wurde die „Société luxembourgeoise de capital-développement pour
les PME (CD-PME)” geschaffen, um Unternehmen bei innovativen Projekten zu
unterstützen und neue Arbeitsplätze durch die Vergabe von Darlehen – ohne
direkte Einflußnahme auf die Geschäftsführung – zu schaffen. Diese Maßnahme ist
speziell auf KMU ausgerichtet.
1
GWK-Magazin, Gewerbe- und Wirtschaftskammer, April 1998.
289
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Seit Februar 1999 wurde das im Rahmen von LEADER II initiierte Projekt „Guichet
Unique PME” weiterentwickelt mit den Zielen, das Unternehmenswachstum durch
die direkte Beratung junger Unternehmen zu fördern, Wirtschaftstudien in Ziel-5bRegionen durchzuführen, finanzielle und technische Hilfe bei der Entwicklung
neuer Projekte zu leisten, den Austausch von Know-how zu fördern, Hilfestellung
bei der Entwicklung von Strategien für ländliche Gebiete und Informationen über
europäische Programme anzubieten.
Das Programm „Gemeinsame unternehmerische Initiative zur Förderung der KMU
im Ausland” wurde gleichfalls im Jahr 1999 unter der Aufsicht des Ministère des
Classes Moyennes entwickelt, um inländische Unternehmen und Produkte im
Ausland zu vermarkten.
Eine neue F&E-Agentur („Luxinnovation GIE”) wurde eingerichtet, um neue Synergien zur Durchführung innovativer Projekte zu erzeugen, Berufsausbildungsprogramme im Innovationsbereich zu aktualisieren und die Organisation in KMU zu
verbessern.
Niederlande
Im Zeitraum 1996-1999 beruhte die KMU-Politik auf dem politischen Programmdokument „Werk door ondernemen” (Arbeit durch Unternehmen). Dieses Dokument spiegelt eine Verlagerung von einer spezifischen KMU-Politik hin zu einer
Betonung des Unternehmertums, insbesondere der Unternehmensgründung und
des Unternehmenswachstums, wider. Der Grund für diesen neuen Ansatz bestand
darin, daß die KMU-Dimension und Größenaspekte bereits in die wichtigsten Politikbereiche wie Besteuerung, Arbeitsmarkt, Technologie- und Innovationspolitik
sowie die Regulierungsreform Eingang gefunden hatten.
Im September 1999 legte das Ministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten ein
neues Programmdokument mit dem Titel „De ondernemende samenleving” (Die
unternehmerische Gesellschaft) dem Parlament zur Annahme vor. In den nächsten
Jahren wird die Politik auf die Förderung des Wettbewerbs und eine Erleichterung
des Marktzugangs, die Verringerung der Regulierungen und administrativen Belastungen für Unternehmen, die Verbesserung der Qualität öffentlicher Dienste und
die Förderung eines produktiven Wirtschaftsklimas abzielen, insbesondere in den
Bereichen Technologie und Innovation, Finanzierung, Berufsausbildung, Arbeitsmarkt, lokale und regionale Entwicklung und Export.
In den letzten fünf Jahren wurden mehrere Maßnahmen ergriffen, um die administrativen Verpflichtungen von KMU zu mindern. Im Jahr 1998 wurde ein vom Statistischen Amt initiiertes Projekt eingeleitet, um Überschneidungen bei Unternehmenserhebungen zu vermeiden. Im selben Jahr wurde eine Kommission
(„Commissie Slechte”) eingesetzt, um Hindernisse bei Verwaltungsverfahren zu
identifizieren und die Anforderungen zu reduzieren. Ein weiterer wichtiger Schritt
war das Großprojekt „Marktwerking, Deregulering en Wetgevingskwaliteit
(MDW)” (Funktionieren des Markts, Deregulierung und Gesetzesqualität). Im
Rahmen dieses Projekts wurden die Auswirkungen aller bestehenden und neuen
Verordnungen und Gesetze auf den Wettbewerb bewertet. Die Ergebnisse fanden
Eingang in ein neues Wettbewerbsgesetz, das u. a. zu einer Liberalisierung bei
Genehmigungen und einer Verlängerung der Ladenöffnungszeiten führte.
Die bestehenden Steuervergünstigungen waren bereits vor dem hier gewählten
Untersuchungszeitraum in Kraft. Eine 1998 durchgeführte Evaluierung der steuerlichen Anreize führte zu mehreren Empfehlungen zur Steigerung der Effizienz und
290
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Senkung administrativer Hürden. Diese Empfehlungen wurden bei der Entwicklung
des neuen niederländischen Steuersystems berücksichtigt, welches 2001 in Kraft
treten soll.
Die wichtigste neue Entwicklung im Bereich Finanzierung ist die zusätzliche Zuteilung von Mitteln für das Garantieprogramm für KMU (BMKB).
Auf dem Gebiet der Internationalisierung werden zwei Arten von Maßnahmen
durchgeführt. Das 1998 gestartete und von den Handelskammern umgesetzte
Programm „Subsidieregeling exportmedewerkers MKB” gewährt staatliche
Subventionen für die betriebliche Weiterbildung der im Export beschäftigten
Mitarbeiter. Exportförderung ist die Aufgabe des 1999 ins Leben gerufenen Starters Buitenland-Programms, das Beihilfen für Exportberatung, Marktstudien und
die Teilnahme an Messen gewährt. Zwei Informationsorganisationen, die Institutes
for Small and Medium-sized Enterprises (IMK) und die Innovations Centres (ICs),
wurden zu einer einzigen Agentur namens Syntens zusammengeführt, die über
Regionalbüros verfügt, die KMU, insbesondere in der Gründungsphase, in Fragen
der Technologie und des Wachstums beistehen.
Verschiedene Maßnahmen wurden entwickelt, um F&E-Informationen und Unterstützung in den diversen Innovationsphasen (F&E, Produktion, Verbreitung und
Anwendung technologischen Know-hows) zur Verfügung zu stellen. Insbesondere
fördert das „Twinning”-Programm aus dem Jahr 1998 die Gründung neuer KMU
auf dem Gebiet der Informationstechnologie durch Beratungsdienste, fertig ausgestattete Räumlichkeiten, Darlehen und Beteiligungen am Kapital.
Das 1998 gestartete Programm „Voorlichting en doorlichting schoner produceren”
(Umweltfreundlichere Produkte: Information und Bewertung) gewährt Beihilfen für
Beratungs- und Unterstützungsorganisationen im Bereich der umweltfreundlichen
Produktion zugunsten von KMU.
Das 1998 gestartete „Energy Efficiency Programme” gewährt direkte Subventionen
an KMU, wenn diese Beratungen über ökologisch verträgliche Energienutzung und
Senkung der Umweltbelastung in Anspruch nehmen.
Norwegen
Neue Unterstützungsmaßnahmen für KMU sind vor allem im Rahmen des Aktionsplans für kleine Unternehmen der Regierung angesiedelt. Es wurde ein KMUAusschuß eingesetzt, dem 8 KMU-Manager und Unternehmer sowie 5 Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter angehören und dessen Aufgabe die Überwachung
des Aktionsplans und die Entwicklung von Ideen für neue Aktionen/Prioritäten ist.
Zu den Maßnahmen der norwegischen Regierung zählen Bemühungen zur Verbesserung des Unternehmensumfeldes. Das „Regnskapsloven” (Rechnungslegungsgesetz) senkt die Verwaltungskosten für kleine Unternehmen. Es wurde im Januar
1999 verabschiedet und steht in der Zuständigkeit des Ministeriums für Finanzen
und Zollangelegenheiten, aber die Einzelbestimmungen müssen erst noch angenommen werden.
Spezielle Maßnahmen wurden auf dem Gebiet der Finanzierung gesetzt, um die
Zusammenarbeit zwischen Norwegen, dem nordwestlichen Rußland und Mittelund Osteuropa zu fördern. Diese Maßnahmen beziehen sich auf die Finanzierung
von Projekten, wobei sowohl Unternehmensgründungen als auch die Entwicklung
bestehender Firmen unterstützt werden.
291
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Das im Mai 1998 eingeführte „Bedin-Projekt” wird vom Technology Institute for
Industry in Northern Norway (VINN) durchgeführt. Es bietet, den Plänen des Ministeriums für Handel und Industrie entsprechend, eine Telematik-Site im Internet
mit für Betriebe nützlichen Informationen.
Das „BIT-programmet” (sektorspezifische Informationstechnologie) entwickelt
branchenspezifische Softwarepakete und richtet sich damit an die KMU in den
verschiedenen Sektoren. Das Programm wurde 1994 gestartet und wird vom
Norwegian Research Council administriert.
Das „SMB-programmet” (KMU-Programm), das vom Norwegian Trade Council
verwaltet wird, bietet Unterstützungen für den Export durch KMU in Form von
Beratungsdiensten durch den Norwegian Trade Council in 40 Ländern. Außerdem
soll auch die „Norges Eksportskole” (Exportschule des Norwegian Trade Council)
Hilfestellungen leisten.
Bestes Verfahren in Norwegen: Das FRAM-Programm
Das FRAM-Programm (steht für „Focused, Realistic, Accepted, Measurable” – konzentriert, realistisch, angenommen, meßbar) wurde ursprünglich für den Zeitraum 19931997 geschaffen und ist Norwegens bestes Verfahren im Bereich der Berufsausbildung
und Unterstützung von KMU. 1 508 Unternehmen nahmen in diesem Zeitraum an dem
Programm teil, das nun bis 2001 verlängert wurde und weiterhin vom Norwegischen
Industrie- und Regionalfonds verwaltet wird. Das Ziel des Programms, das sich an
Unternehmen mit bis zu 100 Beschäftigten wendet, ist die Steigerung der Rentabilität
der Unternehmen durch eine Kombination bezahlter Seminare und Beratungsdienste
zu unternehmensspezifischen Problemen.
Das 1994 unter der Führung des Norwegian Research Council ins Leben gerufene
TEFT-Programm fördert den Austausch zwischen KMU und F&E-Einrichtungen durch
die Bereitstellung eines „technischen Attaché”-Dienstes sowie von Zuschüssen für
gemeinsame Technologieprojekte von Unternehmen und Forschungseinrichtungen.
Österreich
Die Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
beziehen sich vor allem auf die Modernisierung von Regulierungen. Die Gewerbeordnungsnovelle trat am 1. Juli 1997 in Kraft. Die Änderungen beinhalten eine
Verbesserung des Zugangs zu vielen Gewerben hinsichtlich der Qualifizierungserfordernisse, insbesondere durch die Einführung der „verbundenen Gewerbe” sowie
der „Teilgewerbe”. Ersteres ermöglicht es einem für ein bestimmtes Gewerbe
qualifizierten Unternehmer, Leistungen zu erbringen, die für ein anderes, verbundenes Gewerbe charakteristisch sind. Außerdem enthält die Novelle auch Vereinfachungen und Erleichterungen betreffend die Genehmigung von Betriebsanlagen.
Darüber hinaus wurden in jüngster Zeit mehrere Maßnahmen eingeführt bzw.
sollen in nächster Zukunft eingeführt werden, deren Ziel die Förderung der Gründung neuer KMU ist. Im August 1998 wurde durch eine Novelle zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz die Mindestbemessungsgrundlage für Beiträge von
Selbständigen an die Sozialversicherung für die ersten drei Betriebsjahre gesenkt.
Im Mai 1999 trat das Neugründungs-Förderungsgesetz in Kraft. Durch dieses
292
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Gesetz werden Jungunternehmer von staatlichen Gebühren in Zusammenhang mit
der Unternehmensgründung befreit und durch eine Senkung der Lohnnebenkosten im ersten Betriebsjahr begünstigt. Zur Erleichterung der Unternehmensübertragung wird schließlich für solche Fälle ab Januar 2000 ein Freibetrag zur
Erbschaftsteuer bis zu einer Bemessungsgrundlage von 363 364 Euro Substanzwert
eingeführt.
Eine weitere Maßnahme auf dem Gebiet des Unternehmensumfelds ist die Abänderung der Bestimmung, nach der KMU verpflichtet sind, statistische Informationen zur Verfügung zu stellen. Mit Januar 1998 trat eine Verordnung zum
Bundesstatistikgesetz in Kraft, die Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten
von der Übermittlung monatlicher Statistiken gänzlich befreit und Unternehmen
mit bis zu 19 Beschäftigten diesbezüglich Erleichterungen gewährt.
Die Verbesserung des finanziellen Umfelds für Unternehmen wird als Schlüsselelement in der KMU-Politik betrachtet. Österreich verfügt über ein sehr gut
entwickeltes System im Bereich der Fremdfinanzierung, wogegen Übereinstimmung besteht, daß auf dem Gebiet der Eigenfinanzierung weitere Verbesserungen
erforderlich sind. Die Eigenfinanzierung scheint insbesondere für die Finanzierung
schnell wachsender Unternehmen sowie technologieorientierter Gründungen
geeignet. Außerdem werden direkte finanzielle Unterstützungen aufgrund des
Umfangs der erforderlichen Geldmittel und beträchtlicher Mitnahmeeffekte als
weniger effizient betrachtet.
Daher sehen die Aktionen vor allem indirekte Unterstützung vor. Dazu zählen
folgende Maßnahmen:
• Erweiterung der von der Bürges und der ÖHT verwalteten Garantielinien für
KMU im Dezember 1998 (Novelle zum KMU-Förderungsgesetz).
• Einführung einer Eigenkapitalgarantie im Juli 1997 mit dem Ziel, die Investitionen in KMU zu erhöhen.
• Einführung des „Gewinnwertpapiers” im Juni 1999, das einen Gewinnanteil an
einem KMU darstellt. Die Investition des Käufers wird von der Bürges-Bank bis
zu einer Höhe von 18895 Euro durch eine Garantie abgesichert und senkt daher
das Risiko des Investors.
• Start des Programms „I2-Ideen X Investment”, das die Erfahrungen älterer
Unternehmer jungen Kollegen zugänglich machen und neue Unternehmen
finanzieren helfen soll. Das Programm wird von der Innovationsagentur durchgeführt und wurde im Dezember 1996 gestartet.
Im Rahmen der Internationalisierungspolitik soll die im Juli 1997 initiierte „Exportoffensive” die österreichische Exporttätigkeit verstärken. Die Maßnahme ist auf die
Verbesserung der finanziellen und institutionellen Rahmenbedingungen für Unternehmen ausgerichtet und wendet sich vor allem an drei Zielgruppen: Kooperationen, bereits exportierende Unternehmen und nicht-exportierende Unternehmen, die über Exportpotential verfügen. KMU-spezifische Maßnahmen sind
etwa: (1) strategische Beratung in der Erschließung bestimmter Exportmärkte und
(2) technische Hilfe bei der Bildung von KMU-Clustern zur Überwindung von
größenbedingten Nachteilen bei internationalen Aktivitäten.
Mehrere Schritte sind geplant, um Österreichs F&E-System zu verbessern und
Programme zur Förderung der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien
zu forcieren, wie etwa die „Technologieoffensive” (ein nicht speziell auf KMU
ausgerichtetes Programm, das von 1997 bis 2005 läuft). Die Technologieoffensive
293
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
fördert zum Beispiel die Errichtung sogenannter „Kompetenzzentren”, in denen
u. a. die Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft
verstärkt werden soll. Ein weiteres Beispiel ist die Initiative „Technology Marketing
Austria – TecMA”, die auf die Vermarktung österreichischen Know-hows und österreichischer Patente abzielt. Außerdem dienen einige dieser Maßnahmen dazu, die
Unterstützung von außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu intensivieren,
vermehrt Anreize für den Technologietransfer zu setzen und die Zahl neuer Hochtechnologieunternehmen zu steigern.
Im Zuge der „Lehrlingsoffensive” hat die österreichische Regierung die Rahmenbedingungen für die Lehrlingsausbildung durch mehrere Novellen zu verschiedenen
Gesetzen verbessert. Zum Beispiel ist es nun leichter, Lehrlingsausbilder zu werden.
Außerdem wurde ein Steuerfreibetrag eingeführt, und die Lohnnebenkosten
wurden gesenkt.
Die Umsetzung von Aktionen zur Verbesserung des Unternehmerimages im allgemeinen sowie zur Förderung von Unternehmensneugründungen („Gründungsoffensive”) sind Maßnahmen zur Stärkung des Unternehmertums. Der im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten im November 1997 eingerichtete
„Gründerservice“ bietet Zugang zu unterstützenden Dienstleistungen und hilft
Unternehmen in der Gründungsphase bei administrativen Fragen. Ein weiteres
wichtiges Element dieser Maßnahmen besteht in der Schaffung von Kontakten
zwischen Bildungseinrichtungen und der Wirtschaft.
Portugal
Im Rahmen des Entwicklungsplans für 1999 wurden Verwaltungsverfahren vereinfacht und modernisiert, um die Beziehungen zwischen dem privaten und öffentlichen Sektor zu verbessern. Das Ziel besteht in der Senkung des allgemeinen und
administrativen Aufwandes von Unternehmen, insbesondere KMU.
Die Hauptausrichtung besteht in der Beseitigung von administrativen Hindernissen, welche die Gründung neuer Unternehmen erschweren. Dabei wurden zwei
Maßnahmen ergriffen: zum einen Verfahrensvereinfachungen und zum anderen
die Bereitstellung von Informationen und Dienstleistungen zur Unternehmensgründung. Dies wurde durch die Einrichtung eines „One-stop-shop” („Centros de
Formalidades das Empresas”, CFE) realisiert, in dem Unternehmer eine komplette
Palette von Diensten für die Abwicklung administrativer Verfahren und die nötigen
Informationen zur Unternehmensgründung vorfinden.
Im April 1999 wurde mit einer Maßnahme begonnen, die KMU bei der Einführung
des Euro unterstützen soll.1
Die Steuerreform im Jahr 1997 war darauf ausgerichtet, das Steuersystem
gerechter und weniger anfällig für Steuerhinterziehung zu machen. Die Formulare
für einige Verbrauchssteuern wurden vereinfacht, und 1997 wurde ein SteuerOmbudsman bestellt. Seit 1998 ist eine Regelung in Kraft, die für unbeglichene
Geschäfte eine Rückvergütung der Mehrwertsteuer vorsieht.
Bemühungen zur Verbesserung des finanziellen Umfeldes führten auch zur Umsetzung von Maßnahmen zugunsten der KMU. Dies erfolgte im allgemeinen in
1
Novo Regime de Apoio à Adaptação das PME ao Euro e ao Ano 2000, Gesetzesentwurf vom
30. April 1999.
294
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Form von Garantien für Risikokapitalinvestitionen sowie durch steuerliche Anreize
für Eigenfinanzierung und Kapitalbildung. Gleichzeitig wurden Kombinationen aus
Sparen und Investition gefördert, um den Kontakt zwischen KMU und Finanzinstitutionen zu verbessern („PME Excelência”, siehe Kapitel 4).
Bestes Verfahren in Portugal: Elektronische Zahlung und Dokumentenübermittlung
Im Jahr 1998 wurden zwei Bestimmungen eingeführt, um die Beziehungen zwischen
Unternehmen und Verwaltung zu verbessern. Die erste ist ein neues System der elektronischen Zahlung für Gerichts-, Anmeldungs- und Notariatsgebühren sowie Geldstrafen im Zuge der Auflösung des Monopols der „Caixa Geral de Depósitos” (Nationalbank). Die zweite Bestimmung ermöglicht es Unternehmen, Urkunden und Dokumente, die bei Außenhandelsgeschäften von den Behörden benötigt werden, per
E-Mail zu übermitteln.
Mit Hilfe von KMU-Förderinstitutionen wurden die finanzielle Leistungsfähigkeit
und das strategische Potential der Unternehmen erhoben. Als Ergebnis erhielten
die Unternehmen wichtige Begünstigungen in bezug auf Finanzierung und Bedingungen im Zugang zu Finanzdienstleistungen und Beratern.
Zur Förderung der Rationalisierung und Modernisierung wurden Maßnahmen für
die Finanzierung von Wachstum und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit durch
Übernahmen und Zusammenschlüsse (SIRME, Plan zur Revitalisierung und Modernisierung von Unternehmen) geschaffen.
Seit 1999 umfaßt die Internationalisierungspolitik Informationsmaßnahmen, die
KMU die zusätzlichen Möglichkeiten auf neuen Märkten verdeutlichen sollen
(„Incentivo à Internacionalização das Empresas Portuguesas”).
Mehrere Schritte wurden gemacht, um KMU mittels Informationsdiensten zu
unterstützen, welche die Kontakte zwischen den Unternehmen fördern sollen
(„Programa de Dinamização do Acesso à Informação” – SinMPE).
Bestes Verfahren in Portugal: Das Contacto@ICEP-Programm
Das Contacto@ICEP-Programm wurde 1997 gestartet und 1998 und 1999 unter der
Aufsicht von ICEP („Investimentos, Comércio e Turismo de Portugal”) neu aufgelegt. Es
handelt sich um ein Lehrlingsprogramm für junge Menschen, das eine Ausbildung
außerhalb des Landes vorsieht, und bei dem der junge Arbeitnehmer dann von einem
Unternehmen eingestellt wird, das die außerhalb Portugals erworbenen Qualifikationen
nutzen kann.
NETFIN ist der Name einer Website, die KMU-Führungskräfte mit Neuigkeiten und
Informationen aus der Finanzwelt versorgt und die Möglichkeit bietet, Erfahrungen
auszutauschen und Online-Unterstützung zu erhalten.
Die Industriepolitik zielt darauf ab, die technologischen Kapazitäten der Unternehmen zu erhöhen und umweltverträgliches Wachstum durch reduzierten Ener-
295
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
gieverbrauch zu fördern. Es bestehen Anreize für Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungszentren mit dem Ziel der Erhöhung des Technologiegehalts der Produkte („Apoio à Inovação Tecnológica das PME”). Um mehr Unternehmen in F&E-Projekte einzubinden, wurde ein Konsortium von Unternehmen
und wissenschaftlichen Einrichtungen geschaffen. Außerdem wird „PME 2000 –
Preparação das empresas portuguesas para o século XXI” Kooperationsaktivitäten
zwischen Unternehmen und öffentlichen F&E-Einrichtungen anregen.
Die Berufsausbildung ist ein strategische Frage für lokale Unternehmen, und
Portugal hat einen nationalen und regionalen Plan für Beschäftigung, Berufsausbildung und Arbeitsplatzschaffung erstellt. Zu den Zielsetzungen zählt der Versuch,
junge Menschen in den Arbeitsmarkt einzubinden, die gesellschaftlich-berufliche
Integration zu fördern, die Langzeitarbeitslosigkeit und Ausgrenzung zu reduzieren
und laufende Berufsausbildungsprogramme für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu nützen („Medida Rotação Emprego-Formação”). Die 1999 gestartete
Maßnahme „Incentivo Fiscal à Criação de Emprego para Jovens” gewährt Steuervergünstigungen für Unternehmen, die junge Menschen unter 30 Jahren anstellen.
Politische Anreize im Bereich der Unternehmenskultur sind Aufgabe einer öffentlichen Einrichtung, die zur Unterstützung der KMU gegründet wurde (IAPMEI). Die
Zielsetzung liegt in der Förderung von neuen Geschäftszweigen, Firmengründungen und in der Unterstützung von Gründerzentren. Technische Hilfe und Beratung sollen jungen Menschen jene Kenntnisse und Qualifikationen vermitteln, die
sie als Unternehmer benötigen.
Schweden
Im Januar 1999 wurde eine Verordnung1 für ein System zur Evaluierung der
Auswirkungen geplanter Verwaltungsvorschriften auf Unternehmen eingeführt. Die
Regierung startete eine jährliche Erhebung unter KMU, um die Beziehungen
zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor zu untersuchen und Vorschläge zur
Vereinfachung von Verwaltungsverfahren zu unterbreiten.
Im Februar 1999 richtete die Regierung eine spezielle Abteilung im Ministerium für
Industrie, Beschäftigung und Kommunikation ein, um die Vereinfachung der
Verwaltung zu koordinieren.
Weitere Maßnahmen wurden im Bereich Arbeit getroffen. Zum Beispiel initiierte
die Regierung im Juni 1998 ein Projekt zur Einführung eines einzigen Anmeldungsformulars sowie einer einzigen Kontaktstelle für die Anmeldung einer Firma.
Im selben Monat begann die Regierung auch mit der Prüfung von Genehmigungsverfahren, mit dem Ziel, diese zu vereinfachen.
Darüber hinaus wurde eine Studie über die Möglichkeiten einer Vereinfachung des
derzeitigen Steuersystems durch vereinfachte Steuererklärungen für kleine, von nur
einem Eigentümer geführte Dienstleistungsbetriebe erstellt.2 Die Einkommenssteuererklärungen wurden in ein einziges Mehrwertsteuerformular integriert. Alle
Steuern werden mittels eines einzigen Abrechnungsdokuments beglichen.
Das National Council for Vocational Safety and Health, die zentrale Behörde für
Maßnahmen betreffend Arbeitplatz und Arbeitszeit, prüft alle seine Bestimmungen, um diese bis zum Jahr 2000 zu reduzieren und/oder zu vereinfachen.
1
SFS 1998: 1828.
Die Studie wurde vom Committee on Simplification of Taxation Rules for Small Enterprises erstellt.
2
296
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Das 1996 eingerichtete Right of Priority Committee unterstützt die Restrukturierung von Unternehmen, mit dem Ziel, Konkurse zu vermeiden.
Das Programm des Startkapitalfonds („Såddfinansiering”) bestand bereits vor 1997
und unterstützt die Vorstufen von technologieorientierten Entwicklungsprojekten
durch die Beteiligung an Risikokapitalinvestitionen für Neugründungen. Die
verantwortliche Institution ist das Swedish National Board for Industrial and Technical Development (NUTEK).
Das CapTech-Programm hilft kleinen und jungen Unternehmen bei der Suche
nach Risikokapital und leitet Ideen und Vorschläge an Business Angels, Risikokapitalgeber und Finanzierungsgesellschaften weiter.
Der Schwedische Exportrat („Exportrådet”) und die Handelskammern („Handelskammaren”) haben ein Dienstleistungspaket für kleine, am Export interessierte
Unternehmen entwickelt, das den Firmen Informationen und Leistungen anbietet,
um den Erfahrungsmangel der KMU auszugleichen.
Spezielle Zentren sollen helfen, die Unternehmens- und die universitäre Forschung
zu verbinden. Zum Beispiel ist das multidisziplinäre Zentrum am KTH, dem Royal
Institute of Technology, ein anwenderorientiertes Zentrum für technisches Design.
Im Bereich der Mobilität der Arbeitskräfte wurde jene gesetzliche Bestimmung
verändert, die vorsah, daß im Fall einer Unternehmenskrise die zuletzt eingestellte
Person zuerst entlassen werden müsse. Das Parlament modifizierte diese Bestimmung Ende April 1999 insofern, als kleine Unternehmen mit weniger als 10
Beschäftigten nun zwei Beschäftigte von diesem Grundsatz ausnehmen dürfen. Die
Zielsetzung besteht darin, die Beschäftigung jüngerer Menschen zu sichern. Diese
Novellierung wird in der ersten Hälfte des Jahres 2000 in Kraft treten.
Mit 1. Oktober 1999 erhalten Langzeitarbeitslose mehr Unterstützung. Arbeitgeber,
die Personen anstellen, die zumindest drei Jahre als arbeitslos gemeldet waren oder
an Arbeitsmarktprogrammen teilnahmen, erhalten eine öffentliche Subvention.
Im Frühjahr 1999 startete die Regierung Informationskampagnen, um das Allgemeinwissen über genossenschaftliche Unternehmen, insbesondere von Frauen,
Einwanderern und jungen Menschen, zu steigern.
Seit 1998 besteht ein umfangreiches Programm zur Förderung der unternehmerischen Kultur in der jungen Generation. Ein Projekt von NUTEK zur Förderung des
Unternehmergeistes in Schulen verfolgt das generelle Ziel, langfristige institutionelle Beziehungen zwischen dem Schulwesen und der Industrie aufzubauen.
Mehrere Universitäten bieten Kurse für angehende Unternehmer an.
Schweiz
Die geplanten Maßnahmen zur Vereinfachung von Verwaltungsverfahren zielen
auf die Beschleunigung von Verfahren, verbesserte zwischenbehördliche Koordination, erhöhte Transparenz der Gesetzgebung, weniger Vorschriften und eine stärkere Kundenorientierung ab und werden bis zum Jahr 2000 in Kraft treten.
Um die Kompatibilität geplanter Gesetze und Verordnungen mit einer effizienten
Verwaltung zu prüfen, wurde 1998 ein KMU-Forum (eine nationale Expertenkommission) eingerichtet, deren Mitglieder Eigentümer/Geschäftsführer von KMU sind.
297
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Dieses Forum kommentiert geplante Gesetze und Verordnungen und hält Kontakt
zu staatlichen Behörden, die Empfehlungen formulieren.
Im Jahr 1998 richtete das Staatssekretariat für Wirtschaft die „Task Force KMU” mit
dem Ziel ein, die Bevölkerung über die nationale KMU-Politik zu informieren, die
verschiedenen nationalen Politikbereiche zu koordinieren und ein Zentrum für
Expertise in für KMU besonders bedeutenden Bereichen zu schaffen. Die Hauptprojekte betrafen bislang die Finanzierung von KMU generell (einschließlich Risikokapital) sowie den Einsatz des Internet durch KMU.
Im Zuge der Reform der Körperschaftsteuer wurden proportionale Steuersätze eingeführt. Positive Auswirkungen für KMU ergaben sich im Rahmen der Gewinnbesteuerung, durch die Abschaffung der Vermögensteuer und die Senkung der Stempelgebühren1. Außerdem wurde die Grenze für die Mehrwertsteuerbefreiung erhöht.
Die „Bürgschaft 2000” trat Anfang 1999 in Kraft. Dabei handelt es sich um ein
neustrukturiertes Netzwerk mit einem Zentralbüro und einer Reihe unabhängiger
regionaler Genossenschaften, die durch Kooperationsverträge eng miteinander
verbunden sind. Die regionalen Bürgschaftsgenossenschaften sind berechtigt,
gegen Hinterlegung einer Besicherung für bis zu 93 780 Euro zu bürgen;
außerdem können sie ihr Zentralbüro ersuchen, einer möglichen Verlustübernahme bis zu weiteren 218 820 Euro zuzustimmen. Das Geld ist binnen eines Zeitraums von maximal zehn Jahren rückzuerstatten.
Ein Bundesbeschluß über Steuervergünstigungen für Risikokapitalgesellschaften
wurde vom Parlament angenommen und sollte neuen Unternehmen mit innovativen, international ausgerichteten Projekten auf dem Produktions- und Dienstleistungssektor den Zugang zu Risikokapital erleichtern.2
Die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung (OSEC) bietet KMU Hilfestellung
auf Auslandsmärkten. Das organisatorisch integrierte „Euro-Info-Centre” liefert
Informationen über die Märkte in der Europäischen Union.
Seit 1998 regt die Swiss Development Finance Corporation (SDFC) (Schweizerische Gesellschaft für Entwicklungsfinanzierung) private Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländer über Beteiligungen an joint ventures an.
Die KTI (Kommission für Technologie und Innovation) ist das Schlüsselinstrument
der eidgenössischen Technologiepolitik für KMU. Sie fördert Kooperationen
zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten oder
Polytechnika, teilfinanziert innovative Projekte, beteiligt sich an der Erstellung von
Machbarkeitsstudien und führt Ausbildungsprogramme durch.
Mit Hilfe der neuen Möglichkeiten der virtuellen Kooperation sind Unternehmer in der
Lage, ihre Unabhängigkeit zu erhalten und Kapital in strategische Bereiche zu investieren. Es bestehen mehrere etablierte wie auch Pilotprojekte auf diesem Gebiet.3
1
Bundesgesetz über die Reform der Unternehmensbesteuerung, in Kraft getreten am
1. Januar 1998.
2
Gesetz über Risikokapitalgesellschaften.
3
Dazu gehören die „Genossenschaft virtuelle Unternehmen der Region Basel”, die virtuelle Fabrik „Euregio Bodensee” und das Pilotprojekt „Virtuelles Unternehmen Haustechnik”
(das es kleinen Unternehmen auf dem Gebiet der Gebäudeerhaltung ermöglicht hat, in
einer Zeit, in der Übernahmen und Fusionen auf diesem Sektor vorherrschen, ihre Unabhängigkeit zu bewahren).
298
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Auf der Grundlage des Bundesbeschlusses über Maßnahmen zur Förderung von
Lehrstellen II wird die Eidgenossenschaft im Zeitraum 2000-2003 etwa 62,5
Millionen Euro zur Lösung quantitativer und struktureller Probleme des Lehrstellenmarktes bereitstellen. Dieser Beschluß zielt auf die Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten in anspruchsvolleren Berufen ab und soll für weniger qualifizierte
junge Menschen den Eintritt in den Arbeitmarkt erleichtern. Die Maßnahme ist
nicht speziell auf KMU ausgerichtet. Tatsächlich sind jedoch 75 % der Firmen, die
Lehrstellen anbieten, KMU.
Um die unternehmerische Kultur auf universitärer Ebene zu fördern, wurden Initiativen wie das Programm „Lust auf eine eigene Firma?” der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich entwickelt, die so zur Bildung des Unternehmergeistes
beitragen sollen.
Spanien
Kürzlich (1996) schuf Spanien unter der Zuständigkeit des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen ein Generaldirektorat für KMU-Politik, das zwei Hauptziele
verfolgt: Die Entwicklung einer horizontalen Politik und die Unterstützung des
Wachstums kleinerer Unternehmen1.
Verschiedene Veränderungen im Steuersystem haben die Steuerpflichten und -lasten
der KMU reduziert. Außerdem wurden Maßnahmen eingeführt, um Beschäftigung
und Unternehmensgründungen anzukurbeln. Diese Maßnahmen wenden sich insbesondere an Kleinst- und kleine Unternehmen ohne spezifische Rechtsform (Schätzung der Zielgrößen mit Hilfe von Indikatoren in der Einkommensteuer).
Zu den Vereinfachungen im Bereich der Besteuerung zählen die Beseitigung der
geschätzten Gewinnkennzahlen sowie eine Senkung des Einkommenssteuergrundtarifs und der Vermögenssteuer für KMU. Darüber hinaus dürfen KMU immaterielle
Vermögenswerte vorzeitig abschreiben und Doppelbesteuerung auf ausländische
Geschäfte absetzen (Erlaß des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen vom
Februar 1998 sowie Gesetz 67/97). Das Gesetz 67/97 sieht eine Vereinfachung der
Steuererklärungen für KMU vor. RD 37/98 gestattet einen Nachlaß bei der Mehrwertsteuer bei bestimmten Käufen von KMU.
Auf dem Gebiet der Vereinfachung des Unternehmensumfeldes ist vor allem der
Plan für administrative Vereinfachung zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit der
KMU (1999) zu nennen. Im Zuge dieses Plans wurde eine Reihe einzelner
„guichets” für Unternehmen eröffnet, die es gestatten, alle Gründungsformalitäten
an einem Ort durchzuführen. Erwähnenswert ist auch die Verbesserung der
Verwaltungsverfahren in Zusammenhang mit den Sozialversicherungspflichten für
KMU durch elektronische Dokumentenübertragung (RED-Projekt, 1997).
Im Jahr 1997 schuf DGPYME ein „SME Centre Information Area”, das Unternehmern und Führungskräften persönliche Beratung bietet und zu einer wichtigen
Quelle spezialisierter Informationen geworden ist. Die Dienste des Zentrums sind
im persönlichen Gespräch, über Fax, Post, E-Mail und Telefon verfügbar und
versorgen die KMU mit maßgeschneiderter Information, Hilfe und Beratung.
Die spanische Verwaltung ist sich der Herausforderungen der Umstellung auf den
Euro wie auch des Jahr-2000-Problems bewußt und führt landesweite Informa1
Direcciòn General de Politica de la Pyme (DGPYME).
299
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
tions- und Sensibilisierungskampagnen durch (Programm zur Sensibilisierung der
KMU für die Einführung des Euro, 1997, und Programm zur Sensibilisierung der
KMU für Y2K-Probleme im Bereich Informationssysteme, 1998-1999).
Bestes Verfahren in Spanien: Gesetz 1/1999
Das Gesetz 1/1999 legt den gesetzlichen Bezugsrahmen für Einrichtungen fest, die sich
an Risikokapital beteiligen, und definiert die Verfahren für entsprechende Genehmigungen, Kontrollen und Sanktionen. Zusammen mit dem ausdrücklichen Verbot an
diese Unternehmen, Anteile an Finanzierungsgesellschaften zu erwerben, wird dies das
Risikokapitalgeschäft auch für KMU erfolgreicher gestalten.
Bestimmte Finanzierungsinstrumente und -maßnahmen werden den Zugang von
KMU zu langfristigen Krediten verbessern. Dazu zählen etwa niedrigverzinste
Darlehen für die Finanzierung von Investitionsprojekten (ICO1-KMU-Linien, 19981999), Konsortialkredite und Beteiligungen an Risikokapital (Programm „Konsortialkredite” der ENISA2 sowie Gesetz 1/1999) und die Gewährung von Garantien für
KMU-Kredite (Bürgschaftsförderungsprogramm der Cersa3).
Die Programme GIEX und FIEX – gemäß Gesetz 67/97 – sehen Garantiefonds für
Investitionen von Unternehmen im Ausland vor. Das ähnlich gestaltete Programm
FONPYME ist speziell auf KMU ausgerichtet.
Für technische Forschung in Unternehmen (CDTI-Kredite, verwaltet vom Ministerium
für Industrie und Energie) sowie für die Entwicklung innovativen Designs (Programm
zur Entwicklung von Design und Innovation, 1997-1998) ist, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU Unterstützung in Form von Krediten vorgesehen.
Bestes Verfahren in Spanien: Das PIPE 2000-Programm
Das Programm soll spanische KMU auf dem internationalen Markt positionieren, indem
im Zeitraum 1998-2000 Auslandsinvestitionen und Exporte gefördert und spanische
Produkte im Ausland beworben werden. Geleitet von ICEX (dem Spanischen Institut für
Außenhandel), dem Obersten Rat der Handelskammern, autonomen Gemeinden und
Handelskammern, bietet das Programm Beratungen, Subventionen, Information,
Ausbildung und Vermarktungsförderung.
Das wichtigste Ausbildungsprogramm soll ein nationales System der Berufsausbildung schaffen, die Kooperation zwischen Unternehmen und Universitäten
anregen, das Ausbildungssystem an europäische Standards angleichen und Ausbildung in Bereichen anbieten, in denen besondere Probleme beim Zugang zum
Arbeitsmarkt bestehen (Nationales Programm für Berufsausbildung, Zeitraum
1998-2001, koordiniert vom Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten).
1
2
3
300
Instituto de Crédito Oficial.
Empresa Nacional de Inovaciòn.
Compañia Española de Refinanzamiento SA.
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Bestes Verfahren in Spanien: Das ATYCA-Programm
Dieses Programm ist das Instrument des Ministeriums für Industrie und Energie zur Unterstützung von Unternehmen im Bereich F&E. Es besteht aus drei Unterprogrammen, die
von der Förderung technologischer Innovationen in der Industrie, über Qualität und
Sicherheit bis zu F&E im Energiesektor reichen. Unter anderem werden Zuschüsse und
Darlehen zur Unterstützung von Maßnahmen, wie etwa gemeinsame Nutzung technologischer Infrastruktur, innovative Netzwerke, Verbreitung von Technologien und Berufsausbildung in KMU (Durchführung zwischen 1997 und 1999), gewährt.
Zahlreiche Maßnahmen sind geplant, um die Beschäftigung junger Menschen,
von Arbeitnehmern über 45, Frauen und benachteiligten Personen im allgemeinen
zu fördern. Es bestehen Regelungen, die den Unternehmen Anreize bieten, Teilzeitarbeitsplätze in Vollzeitstellen umzuwandeln (Gesetz 63/97). Auch die Bestimmungen für Teilzeitarbeit wurden geändert.
Bestes Verfahren in Spanien: Die KMU-Initiative
Die KMU-Initiative ist ein multisektorales Programm für KMU, das 1997-1999 unter der
Zuständigkeit des Generaldirektorats für KMU-Politik in Zusammenarbeit mit den autonomen Gemeinden umgesetzt wurde. Seine Ziele sind die Förderung von Kontakten
und Kooperationsnetzwerken unter KMU, die Entwicklung elektronischer/telematischer
Kommunikationsnetzwerke, die Förderung innovativen Designs, die Unterstützung des
Zugangs zu Krediten durch Finanzinstrumente wie Garantiefonds und Konsortialkredite
und die Schaffung eines Netzwerks von Intermediären für Innovationsdienstleistungen.
In Spanien sind mehrere Maßnahmen vorgesehen, um das Unternehmertum zu
stärken und die Gründung neuer kleiner Unternehmen zu fördern (Beschäftigungsplan, 1998, Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten). Die
Maßnahmen umfassen die Senkung der Verwaltungskosten und der Steuerbelastung, die Verbreitung bester Verfahren, die Bereitstellung spezieller Dienste für
technologische und Handelskooperationen sowie die Stärkung von unternehmerischen Projekten. Außerdem bestehen spezielle Maßnahmen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit in Form von Geldpreisen für die Verbreitung bester Verfahren in der
Unternehmensführung (Prinz-Felipe-Preis für hervorragende Leistungen von Unternehmen, 1998; Jungunternehmerpreis, dotiert vom Ministerium für Wirtschaft und
Finanzen, dem Ministerium für Industrie und Energie und dem Ministerium für
Arbeit und soziale Angelegenheiten) sowie in den Bereichen Ausbildung/Dienstleistungen (REDEPYME, 1997) und zwischenbetriebliche Kooperation (Lateinamerikanische Unternehmenskooperation, 1998).
Vereinigtes Königreich
Im Jahr 1999 legte die britische Regierung KMU als prioritäre Zielgruppe ihres
Plans, das Gesellschaftsrecht zu reformieren und deregulieren, fest und kündigte
die Schaffung der „Small Business Services” (SBS) mit drei Zielsetzungen an: a) den
KMU eine starke Stimme innerhalb der Regierung zu verleihen, b) die Kohärenz
und Qualität der Unternehmensförderung zu verbessern und c) kleinen Unter-
301
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
nehmen im Bereich der Regulierung behilflich zu sein. Eine Arbeitsgruppe (Better
Regulation Task Force) wurde 1997 bestellt, um die Rolle der KMU im Deregulierungsprozeß zu stärken, was u. a. zur Beseitigung von Einschränkungen im Sonntagsgeschäft und zur Veröffentlichung von Grundsätzen der Gestaltung staatlicher
Regulierung führte.
Im November 1997 wurde das „Direct Access”-Regierungsprogramm unter der
Zuständigkeit der „Better Regulation Unit” des Cabinet Office initiiert und eine
Internetsite mit einer Datenbank eingerichtet, um Unternehmer mit Informationen
und technischer Hilfe bei der Erfüllung administrativer Anforderungen zu
versorgen. Die Schaffung lokaler Partnerschaften als Gelegenheit für Kontakte
zwischen örtlicher Verwaltung und Unternehmen wurde gefördert, und „Business
Link”, das landesweite Netzwerk von Informationszentren, wird weiterhin von der
Regierung unterstützt. Eine weitere Maßnahme führte zur Vereinheitlichung der
Steuer- und Sozialversicherungsverwaltung ab 1999.
In den Budgets für 1998 and 1999 kündigte die Regierung Steuervergünstigungen
für KMU im Bereich der Gewinnsteuer, zeitliche Verschiebungen bestimmter Steuerzahlungen und Steuergutschriften für Investitionen in F&E an.
Darüber hinaus verbesserte die Regierung die Zahlungssituation durch ein 1998
angenommenes Gesetz über den Verzug bei der Begleichung von Geschäftsschulden. Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten können sich auf eine
Bestimmung berufen, die sie in bezug auf verspätete Zahlungen vor Großunternehmen und dem öffentlichen Sektor schützt.
Ein Vorschlag des Weißbuchs über Wettbewerb aus dem Jahr 1998 betraf die
Schaffung eines aus einem nationalen und einem regionalen Teil bestehenden
Unternehmensfonds, der den bestehenden Kreditgarantieplan für KMU (Loan
Guarantee Scheme, LGS) sowie neue Initiativen unterstützen soll.
Im Jahr 1998 wurde die Vereinheitlichung des Enterprise Investment Scheme
(Unternehmensinvestitionsplan) und der Kapitalgewinnsteuer angekündigt, um so
das Kapitalangebot für kleinere und risikoreichere Unternehmen zu verbessern.
Im Februar 1999 wurde das National Business Angels Network (NBAN) geschaffen,
um die Kontakte zwischen Business Angels und Unternehmen zu vereinfachen. Im
Rahmen des Projektes Business Connect, das 1996 in Wales eingeführt wurde und
von der Welsh Development Agency verwaltet wird, wurde ein Projekt namens
„Xenos” gestartet, um Business Angels zu finden.
Außerdem wurde der SMART-Plan 1997 wieder aufgelegt, um finanzielle Anreize
für ausgewählte innovative Projekte zu bieten. Dieses Programm wird vom Ministerium für Handel und Industrie verwaltet.
Das 1998 initiierte und vom Ministerium für Handel und Industrie durchgeführte
Programm „University Challenge Fund” bietet Universitäten im Rahmen eines
Wettbewerbs Geldpreise an, um es ihnen zu ermöglichen, eigene Gründungsfonds
zur kommerziellen Verwertung innovativer Ideen einzurichten.
Im Jahr 1999 wurde die Absicht angekündigt, alle Wirtschaftsförderungsaktivitäten
von DTI und FCO im Rahmen einer neuen, gemeinsamen Aktion mit dem Titel
„British Trade International„ zu verbinden. Einige Maßnahmen sollten Exporte
kleiner, unerfahrener Unternehmen in westliche Märkte (Programm „Export
302
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Explorer”) fördern, die Absatzmöglichkeiten auf dem US-Markt für innovative
Hersteller erhöhen (‘Export USA’), den Einsatz des Internet zur Entdeckung neuer
Chancen und neuer Absatzmärkte verstärken („Internet Based Leads Service”),
Handelsmissionen unterstützen und eine Sektor/Absatzgebiet-Matrix schaffen,
damit KMU effiziente Strategien zur Wahrnehmung der Chancen im Ausland
entwickeln können.
Initiativen wurden gestartet, um den Zugang zu Informationen über und den
Erfolg auf Auslandsmärkten zu verbessern. Im Jahr 1997 wurde eine Informationsund Beratungs-Site im Internet eingerichtet, die Informationen für KMU über
Finanzierungsfragen und Technologie wie auch Export enthält.
Das Programm „Information Society Initiative” (ISI), begonnen im Februar 1996
als Partnerschaft zwischen Industrie und Regierung, zielt darauf ab, das Wissen
über und den Einsatz von Informationstechnologien durch die Unterstützung von
Forschungsprojekten und Dienstleistungen für Unternehmen zu verbreiten. Ein
Schlüsselelement sind dabei die lokalen Unterstützungszentren, ein Netzwerk für
kleine Unternehmen, das ein Servicepaket anbietet (Beratung, Ausbildung usw.).
Die ISI Interforum and Commerce Awards sind Preise für beste Verfahren im Einsatz
des elektronischen Handels seitens kleiner Unternehmen.
Im Bereich Innovation und Ausbildung ist etwa die Stiftung „National Endowment for Science Technology and the Arts” (NESTA) hervorzuheben, die jene
unterstützt, die Mittel benötigen, um Geschäftsideen umzusetzen. Desweiteren
fördert „Women Into Science and Technology” (WISE) die Chancengleichheit,
und es wurden einige Finanzierungsprojekte, wie etwa das Programm „Investors
in People”, eingerichtet, um die Ausbildung und Beschäftigung junger
Menschen zu fördern. Außerdem sind die Finanzierung für laufende Ausbildungen in neuen Technologien zu nennen und ebenso die Einrichtung eines
Preises zur Stimulierung des Austausches zwischen Universitäten und Unternehmen und die finanzielle Unterstützung für KMU, die in Berufsausbildung
investieren. Wichtig sind auch die Koordinierung und Förderung von Gründerzentren in Form eines 1998 als Public-Private-Partnership initiierten Programms
(UK Business Incubation Centre) sowie ein Programm für die Entwicklung möglicher Zukunftsszenarios als Orientierung für die strategischen Entscheidungen
von KMU (Foresight Programme).
Das Projekt „University for Industry” ist für das Jahr 2000 geplant und soll den
Zugang zu Kursen und Ausbildungsprogrammen (auch für Telematik) erleichtern,
damit Betriebsleiter und Unternehmen ihre Ausbildungsbedürfnisse und deren
Deckung besser erkennen können.
Das „Teaching Company Scheme” bietet über hochqualifizierte Mitarbeiter
Zugang zu neuen Technologien für einen Zeitraum von zwei Jahren an. Im selben
Rahmen wurde ein Programm initiiert, das den Technologietransfer zwischen
Hochschulen und Unternehmen stimulieren soll („College-Business Partnerships”).
Ein Austauschprogramm (STEP, „Shell Technology Enterprise Programme”) zielt
darauf ab, das Interesse von Studenten technischer Studienrichtungen an einer
Arbeit in KMU zu steigern, indem sie angehalten werden, die Sommerferien für
eine erste Erfahrung in diesem Bereich der Arbeitswelt zu nutzen.
Darüber hinaus werden Neugründungen durch die Weitergabe von Kenntnissen
der Unternehmensführung an junge Menschen gefördert („Young Enterprise
Programme”).
303
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
8.4
Schlußfolgerungen
Die Tabellen 8.2, 8.3 und 8.4 wurden auf Grundlage der in den einzelnen Ländern
durchgeführten Maßnahmen erstellt1 und fassen die am weitesten verbreiteten
Zielsetzungen und politischen Instrumente zugunsten von KMU in den verschiedenen Ländern2 zusammen.
Tabelle 8.2 Wesentliche Zielsetzungen und wichtigste Instrumente aktueller Entwicklungen in der KMU-Politik auf dem Gebiet des Unternehmensumfelds
Zielsetzungen
Instrumente
Länder
Vereinfachung und Reduktion
administrativer Anforderungen an
Unternehmen, insbesondere in
bezug auf neue Anlagen und
Dokumente
Elektronische Abgabe von
Erklärungen und vereinheitlichte
Formulare und Dokumente
A, CH, E, F, FIN, I,
IS, P
Vereinfachung der statistischen
Berichtspflichten und von
Verwaltungsdokumenten
A, CH, D, DK, E, F,
FIN, I, IRL, IS, L, NL,
NO, P, S, UK
„One-stop-shops” für die Abwicklung administrativer Angelegenheiten, insbesondere für neue
Unternehmen
E, F, I, L, P
Bereitstellung von Informationen für
Unternehmen, insbesondere betreffend administrative Erfordernisse
„One-stop-shops” für Informationen, auch im Internet
A, CH, D, DK, E, F,
FIN, IRL, L, NO, P,
UK
Durchführung von Studien über
administrative Belastungen, um
politischen Entscheidungsträgern
Verbesserungsvorschläge machen
zu können
Öffentliche Forschung über die
Auswirkungen von Regulierungen
auf KMU und Vorschläge zur Verbesserung der Regulierungssysteme
B, CH, D, DK, E,
FIN, IRL, L, NL, NO,
P, S
Senkung und Befreiung von
Steuern und Sozialversicherungsabgaben für KMU
Gesetzesreform zur Vereinfachung
des Steuer- und Sozialversicherungssystems
E, F, FIN, I, IS, IRL, L,
P, S
Gesetzesreform zur Verringerung
der Steuer- und Sozialversicherungslasten, insbesondere
für Neugründungen
A, B, CH, D, E, FIN,
I, P, UK
Vereinfachung der Verwaltungsstrukturen
Reorganisation und Zusammenführung von Ministerien, öffentlichen Einrichtungen und Behörden
CH, F, FIN, I, IRL,
NO, UK
Milderung der Konsequenzen von
Insolvenzen auf die berufliche
Tätigkeit
Reformen des Insolvenzrechtes, die
es dem gescheiterten Unternehmer ermöglichen, ein neues
Unternehmen zu gründen oder
den Konkurs zu vermeiden
A, B, D, NL, P
Vereinfachung der Unternehmensübertragung
Gesetzesreformen, Steuererleichterungen oder Anreize für die Übergabe von Unternehmen
A, B, F, I
Quelle:
Quelle: ENSR, 1999.
1
Diese Tabellen berücksichtigen ausschließlich nationale und bundesweite politische
Maßnahmen. Aus diesem Grund sind regionale Maßnahmen (zum Beispiel in Belgien jene
im Bereich von Unterricht und Ausbildung, Arbeitslosigkeit, Innovation und Forschung)
hier nicht enthalten.
2
In einigen Ländern wurden entsprechende Maßnahmen bereits vor Mitte 1997 eingeführt. Solche Maßnahmen werden deshalb hier nicht aufgeführt.
304
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Tabelle 8.3 Wesentliche Zielsetzungen und wichtigste Instrumente aktueller
Entwicklungen in der KMU-Politik auf den Gebieten des finanziellen
Umfelds, der Internationalisierung und der Informationsdienste
Zielsetzungen
Instrumente
Länder
Finanzielles Umfeld
Entwicklung innovativer
Finanzierungsmechanismen für
Gründung und Wachstum von
KMU, insbesondere in den Bereichen Innovation und Kapitalbildung
Gesetzliche Maßnahmen; Einrichtung von und Anreize für Risikokapital- und Gründungskapitalfonds
oder Business Angels
A, CH, D, DK, E, EL,
F, FIN, IRL, IS, P, NO,
S, UK
Einrichtung von und Anreize für
Mezzaninfinanzierungen,
Konsortialkredite und -darlehen
A, D, DK, E, F, FIN, I,
L, NL, NO
Programme der Garantieleistung
für KMU-Verbindlichkeiten,
Umschuldung und zur Senkung
von Verbindlichkeiten
A, B, CH, D, E, F,
FIN, I, NL, UK
Maßnahmen bei Zahlungsrückständen
EL, I, IRL, UK
Nationale Programme zur direkten
Unterstützung von KMU
Finanzielle Anreize für KMUInvestitionen
A, B, D, E, EL, I, IRL,
P, UK
Institutionelle Reformen
Schaffung von Aktienmärkten für
nicht börsennotierte KMU
A, B, DK
Vereinfachter Zugang zu Krediten
für KMU und Verbesserung ihrer
Finanzierungsstruktur
Internationalisierung und Informationsdienste
Förderung der KMU-Präsenz auf
ausländischen Märkten
Incentive-Programme für Marktforschung und Beteiligung an Branchenmessen
A, CH, D, DK, E, EL,
I, IRL, L, NL, NO, UK
Einrichtung nationaler, privater
oder öffentlicher Agenturen zur
Förderung des Außenhandels
CH, EL, IRL, IS, NL,
UK
Finanzielle Anreize und technische
Unterstützung, oft durch
Marketingagenturen, bei der
Suche nach ausländischen Partnern und Abschluß von Verträgen,
joint ventures
A, CH, D, DK, EL, F,
I, IRL, L, NL, NO, P,
UK
Finanzielle Anreize für
Direktinvestitionen im Ausland
A, D, DK, E, F, FIN, I,
IS, NL
Verbreitung von Informationen
von speziellem Interesse für KMU
(Unternehmensführung, Handel,
Finanzen usw.)
Schaffung spezifischer
Informationsstellen und Websites
A, B, CH, D, E, F,
FIN, S, IRL, L, NO, P,
UK
Aufwertung der organisatorischen
Kapazität der Unternehmen zur
Bearbeitung ausländischer Märkte
Ausbildungsprogramme für
Führungskräfte, Beschäftigte oder
Unternehmer
A, B, D, DK, E, I, IRL,
L, NL, NO, P
Unterstützung internationaler
Kooperationsaktivitäten und Schaffung größerer Netzwerke für nationale KMU
Quelle:
ENSR, 1999.
305
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Tabelle 8.4 Wesentliche Zielsetzungen und wichtigste Instrumente aktueller
Entwicklungen in der KMU-Politik auf den Gebieten F&E,
Beschäftigung und Ausbildung, Förderung des Unternehmergeists und
der Unternehmerkultur
Zielsetzungen
Instrumente
Länder
Verbesserter Zugang zu F&E; Beschäftigung und Ausbildung
Gründung hochinnovativer neuer
KMU
Einrichtung von Gründerzentren
CH, DK, F, FIN, I, IS,
NL, UK
Finanzierungsinstrumente für die
CH, D, DK, F, FIN,
Schaffung von hochtechnologischen IS, L, NL, S
und hochproduktiven Branchen
(Gründungskapital, Risikokapital)
Unterstützung bestehender KMU
im Betreiben von F&E oder in der
Aufnahme von Innovationen von
außen
Verbesserung des nationalen
Forschungssystems zur Verbreitung
technologischer Innovationen,
u. a. an KMU
Verbesserung des Verhältnisses
zwischen Qualifikation und
Humankapitalkosten in KMU
Erleichterung des Zugangs zum
Arbeitsmarkt für Arbeitslose, insbesondere zu KMU
306
Kooperationsprogramme zwischen
KMU und öffentlichen Forschungszentren oder zwischen mehreren
KMU
A, CH, D, DK, E, EL,
F, FIN, IS, L, NL, NO,
P, S, UK
Finanzielle und steuerliche Anreize
für innovative Investitionen oder
Umsetzung von Systemen zur
Qualitätszertifizierung
A, D, DK, E, EL, F, I,
IRL, L, UK,
Innovationsprogramme des öffentlichen Sektors für bestimmte
Bereiche (IT und Internet, elektronischer Handel, Biotechnologie)
A, CH, F, I, NO, P
Incentive-Programme für die
kommerzielle Verwertung öffentlicher Forschungen
A, D, F, UK
Schaffung neuer Forschungs- und
Technologietransferstrukturen oder
Stärkung der Leistungsfähigkeit
bestehender Strukturen
A, E, FIN, I, IRL, IS, L
Förderungsaktivitäten, Ausbildung
oder Beratungsprogramme für die
Diffusion neuer Technologien
A, CH, D, DK, FIN, I,
IRL, IS, L, NL, P, UK
Berufsausbildungsprogramme zur
Deckung der Unternehmensbedürfnisse
B, CH, D, E, EL, F,
FIN, I, IRL, IS, L, NO,
UK
Senkung der Kosten für die Einstellung von Auszubildenden und
jungen Universitätsabgängern
A, CH, D, E, F, I, NL,
P, UK
Senkung der Kosten für die Einstellung von wissenschaftlichem
Personal oder qualifizierten
Führungskräften
B, D, DK, I
Modifizierung der nationalen
Arbeitsmärkte, um größere Flexibilität zu sichern
A, B, E, EL, F, FIN, I,
IS, L, P, S
Anreize für die Beschäftigung
Arbeitsloser
B, D, E, F, FIN, L, P,
S
Neue Entwicklungen in der KMU-Politik
Zeilsetzungen
Instrumente
Länder
Förderung des Unternehmergeists und der Unternehmerkultur
Weiterentwicklung des Trends zur
Selbständigkeit, insbesondere
unter jungen Menschen und
in gesellschaftlichen Bereichen, die
am stärksten von der Ausgrenzung
aus dem Arbeitsmarkt bedroht sind
Erhöhung des Wissensstandes
betreffend Unternehmensführung
und Arbeitnehmer, teilweise für
zukünftige Anstellung in Unternehmen
Anreize für die Gründung neuer
Unternehmen durch junge
Menschen, Frauen und Arbeitslose
B, D, DK, E, F, I, IS,
L, NL
Kurse für angehende Selbständige
A, CH, D, E, EL, FIN,
I, P, S, UK
Kurse zu betriebswirtschaftlichen
Themen, Praktika und Unternehmensplanspiele für Studenten
B, CH, DK, FIN, I
Quelle: ENSR, 1999.
Die Lösungen für vergleichbare Probleme sind oft ähnlich, wenn auch mit spezifisch nationalen Merkmalen, und reichen von Informationsinstrumenten, Rationalisierung der Beziehungen zwischen Unternehmen und öffentlicher Verwaltung,
Erhöhung der technologischen und Innovationsfähigkeit kleinerer Unternehmen
(teilweise zusammen mit öffentlichen Forschungseinrichtungen), Ausbildung und
Aufwertung der Humanressourcen bis zu innovativen Finanzinstrumenten für die
Entwicklung der KMU.
Die Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen für die Produktion und die
Schaffung von Arbeitsplätzen ist für die europäischen Volkswirtschaften so groß,
daß zahlreiche Maßnahmen, die das Wachstum der KMU fördern sollen, zu tiefgreifenden Veränderungen in den Systemen im allgemeinen führen: Strukturreform der öffentlichen Verwaltung, der nationalen Arbeitsmärkte sowie des Unterrichts-, Berufsausbildungs- und Forschungswesens.
307
TEIL IV SPEZIALTHEMEN
309
9
Berufliche Bildung und KMU
Koordination: IKEI, Instituto Vasco de Estudios e Investigación
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE
• Politische Entscheidungsträger, Arbeitgeber und Arbeitnehmer widmen der
lebensbegleitenden allgemeinen und beruflichen Bildung besondere Aufmerksamkeit. Der Erfolg der europäischen Wirtschaft hängt aufgrund der neuen
Herausforderungen durch den Wettbewerb in einer globalen Wirtschaft, der
Entwicklung der Informationsgesellschaft sowie des unaufhaltsamen wissenschaftlichen und technischen Fortschritts immer stärker von der Steigerung der
Qualifikation ihrer Arbeitskräfte ab.
• Die berufliche Weiterbildung (BWB) umfaßt alle Formen der nach der Erstausbildung empfangenen Ausbildung und des lebensbegleitenden Lernens, die
Berufstätige entweder auf eigene Initiative oder auf Initiative eines Unternehmens in Anspruch nehmen. Die Bereitstellung von beruflicher Weiterbildung
hängt direkt mit der Unternehmensgröße zusammen. Demnach wächst der
Anteil der Unternehmen, die ihren Beschäftigten Weiterbildung anbieten, mit
der Größe der Betriebe. Dieser Einfluß der Unternehmensgröße, der durch zahlreiche nationale und europäische Studien belegt wird, bezieht sich auch auf die
Art der Weiterbildung selbst, wobei sich zeigt, daß formell organisierte Weiterbildungsprogramme um so häufiger durchgeführt werden, je größer das betreffende Unternehmen ist.
• Trotz dieses Effekts der Unternehmensgröße zeigt sich, daß die Aufwendungen
für Weiterbildung, ausgedrückt in Prozent der gesamten Lohnkosten, in allen
Unternehmensgrößen ähnlich ist; die einzige Ausnahme stellen die Unternehmen ohne Beschäftigte dar. In jedem Fall hängt die Wirksamkeit von Investitionen in berufliche Weiterbildung nicht nur von der Menge der dafür bereitgestellten Ressourcen, sondern auch von anderen Faktoren, wie etwa einer gut
durchdachten und umgesetzten allgemeinen Unternehmensstrategie oder einer
kohärenten Weiterbildungspolitik ab.
• Berufliche Weiterbildung in KMU ist oft insofern informeller Art, als es sich um
interne Aktivitäten handelt, die von Beschäftigen des Unternehmens selbst
durchgeführt werden. KMU nehmen den externen Weiterbildungsmarkt dann
in Anspruch, wenn es darum geht, spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu
erwerben, die im Unternehmen nicht verfügbar sind.
• KMU sind eher an speziell auf sie zugeschnittenen, genau den Bedürfnissen des
Unternehmens entsprechenden, Kursen interessiert als an allgemeinen Veranstaltungen. Allerdings sind solche speziellen Kurse verhältnismäßig teurer und
werden daher von KMU, insbesondere von sehr kleinen Unternehmen, nicht als
erste Option betrachtet.
• Die von Arbeitgebern (Interessen des Unternehmens) und Arbeitnehmern (berufliche Mobilität, höhere Löhne) in der Weiterbildung verfolgten Zielsetzungen sind
oft sehr unterschiedlich. Dieser Konflikt stellt eine wesentliche Barriere für die
Finanzierung von Weiterbildungsaktivitäten durch das Unternehmen dar.
311
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
• KMU – insbesondere sehr kleine Unternehmen – sind durch spezifische interne
Barrieren behindert, die es ihnen erschweren, Weiterbildungsaktivitäten zu
entwickeln. Zu diesen internen Barrieren zählen die durch die Abwesenheit der
Arbeitnehmer während der Weiterbildung verursachten hohen Belastungen,
„mentale Widerstände” bei den KMU-Führungskräften, ein Mangel an Professionalität sowie Probleme bei der Erkennung und Definition der tatsächlichen
Weiterbildungsbedürfnisse.
• Diese Schwierigkeiten hängen mit dem Umstand zusammen, daß KMU sehr
häufig die Weiterbildung eher als Kostenpunkt denn als Investition betrachten,
was sich vor allem aus der Tatsache ergibt, daß die Zusammenhänge zwischen
Weiterbildung und Leistung insbesondere kurzfristig schwer zu messen und zu
erkennen sind. Die Weiterbildung ist eine Aktivität, die eine langfristige Perspektive und soziale Verantwortung erfordert.
• Darüber hinaus sind mehrere externe Hindernisse auszumachen, die die Durchführung von beruflicher Weiterbildung in KMU erschweren und einschränken. Zu
diesen Hindernissen zählen die hohen direkten und indirekten Kosten der Weiterbildung, Belastungen durch administrative Anforderungen sowie ein Mangel an
Transparenz hinsichtlich eines Großteils des europäischen Weiterbildungsmarktes.
• Externe finanzielle Unterstützung für die Weiterbildung wird als um so entscheidender betrachtet, je kleiner das betreffende Unternehmen ist.
• Unabhängig von der Unternehmensgröße steht die Teilnahme an externer
beruflicher Weiterbildung in direktem Zusammenhang mit dem bereits
erreichten Bildungsgrad der Beschäftigten.
• Die Weiterbildung von KMU-Führungskräften muß deren jeweiligen persönlichen
Bedürfnisse entsprechen, um attraktiv zu sein. Daher nehmen KMU-Führungskräfte
nur dann an Weiterbildungsmaßnahmen teil, wenn sie sich konkreten Problemen
gegenübersehen. Eine weitere Voraussetzung ist, daß die erworbenen Kenntnisse
und Ergebnisse schnell in der täglichen Arbeit umgesetzt werden können.
• Führungskräfte in KMU ziehen meist andere Methoden als formelle Weiterbildungsaktivitäten vor, um Kenntnisse und Kompetenzen zu erwerben, z. B. die
Inanspruchnahme externer Beratung, Vernetzung, Erfahrungsaustausch mit
anderen Führungskräften oder Unternehmervereinigungen.
• Die meisten KMU-Führungskräfte sehen sich bei der Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen Problemen gegenüber, die sich aus dem Delegieren von
Aufgaben und aufgrund von Zeitmangel ergeben, da sie nicht zu lange vom
Unternehmen abwesend sein können. Außerdem sind die meisten KMUFührungskräfte unsicher über den Fortgang der Geschäfte und wollen sich
daher nicht schon Monate im voraus für Weiterbildungsveranstaltungen
anmelden. Diese Schwierigkeiten schaffen einen klaren Bedarf nach kurzen und
flexiblen Kursen. Im Vergleich zu anderen Fragen wie Ort, Dauer oder Inhalt des
betreffenden Lehrgangs scheinen die damit verbundenen Kosten ein weniger
bedeutsames Hindernis für die Weiterbildung von KMU-Managern zu sein.
• Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eröffnen interessante Perspektiven im Bereich des lebensbegleitenden Lernens. Trotz dieser
Möglichkeiten legen die wenigen verfügbaren empirischen Daten den Schluß
nahe, daß KMU diese IKT derzeit nur sehr begrenzt für Weiterbildungszwecke
einsetzen. Hier stellen die allgemein geringe Nutzung von IKT durch KMU, die
geringe Geschwindigkeit der Kommunikation, die hohen IKT-Kosten, die
Schwierigkeiten in der Unterscheidung zwischen den unzähligen Anbietern, der
häufige Wandel der Technologien und schließlich der Mangel an Kenntnissen
Hindernisse für die erfolgreiche Nutzung des vollen IKT-Potentials dar.
312
Berufliche Bildung und KMU
• Die politischen Akteure in Europa widmen der Frage der beruflichen Weiterbildung in Unternehmen immer größere Aufmerksamkeit, vor allem durch die
Entwicklung von Unterstützungsmaßnahmen zur Förderung von Weiterbildungsaktivitäten für Arbeitnehmer. Dennoch kann gesagt werden, daß diese
Unterstützungsprogramme die spezifischen Bedürfnisse von KMU in bezug auf
berufliche Weiterbildung nicht ausreichend berücksichtigen, weshalb die Unternehmen keinen uneingeschränkten Nutzen daraus ziehen.
9.1
Einleitung
Investitionen in Humankapital werden heute in Europa als eines der wichtigsten
Mittel betrachtet, um die Herausforderungen durch den Wettbewerb in einer
globalen Wirtschaft, die Entwicklung der Informationsgesellschaft und den unaufhaltsamen wissenschaftlichen und technischen Fortschritt erfolgreich meistern zu
können1. Einerseits führt das Anwachsen der wissenschaftlichen Kenntnisse im
allgemeinen und ihre Anwendung in der Produktionstechnologie im besonderen
zu einem radikalen Wandel im Wesen der Arbeits- und Produktionsorganisation.
Andererseits übt die Beseitigung der Grenzen nicht nur im Handel und auf den
Finanzmärkten, sondern auch zwischen den Arbeitsmärkten immer größeren
Druck auf das „Europäische Sozialmodell” aus.
Diese Entwicklungen führen zu einer zunehmenden Bedeutung des menschlichen
Faktors sowie zu einer stärkeren Abhängigkeit des Erfolgs der europäischen Wirtschaft von der Qualifikation ihrer Arbeitskräfte2. Die europäische Strategie der
Produktion von qualitativ hochwertigen und wertschöpfungsintensiven Waren und
Dienstleistungen mit Hilfe von Produkt- und Verfahrensinnovationen, hoher Arbeitsproduktivität und hoher Löhne, kann nur durch die ständige Weiterentwicklung
bestens ausgebildeter und geschulter Arbeitskräfte aufrechterhalten werden. Nach
der Europäischen Kommission „kann eine Hochlohnpolitik nur erfolgreich sein,
wenn Möglichkeiten zur Reproduktion und ständigen Erhöhung der Qualifikation
der Arbeitskräfte gegeben sind”3.
Vom Standpunkt der Arbeitnehmer wird die Verbesserung von Kenntnissen und
Fähigkeiten nicht nur als Basis für neue Arbeits- und Karrieremöglichkeiten betrachtet,
sondern auch als hervorragende Absicherung gegen den Verlust des Arbeitsplatzes.
Einige Autoren sind der Ansicht, daß in Europa Arbeitslosigkeit vor allem für jene
Personen ein Problem darstellt, die nicht über die vom Arbeitsmarkt und der neuen
„Wissensgesellschaft” geforderten Qualifikationen oder Kenntnisse verfügen4.
In der Vergangenheit wurden allgemeine und berufliche Bildung als fixe Grundausstattung betrachtet, die im späteren Leben keiner Ergänzung mehr bedarf.
Dieses Bild der allgemeinen und beruflichen Bildung hat sich jedoch geändert in
Richtung einer Neudefinition der Ausbildung als lebensbegleitender Prozeß5. Nach
1
Europäische Kommission, Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung, Brüssel,
November 1995.
2
Einige Autoren haben dieses neue Modell als „Wissensgesellschaft” bezeichnet, in der die
Vermehrung von Wohlstand an die Produktion und Verbreitung von Wissen gebunden ist.
3
Europäische Kommission, GD III, Panorama der EU-Industrie 95/96, Brüssel, 1995, S. 92.
4
Münk, D., Lipsmeier, A., Objectives, Realisation and Organisation of Continuing Vocational Education and Training (Zielsetzungen, Umsetzung und Organisation von beruflicher
Aus- und Weiterbildung), in: CEDEFOP, Vocational Education and Training - The European
Research Field, Background Report, Thessaloniki, 1998, S. 53.
5
O’Connell, P. J., Adults in Training: An International Comparison of Continuing Education and Training (Erwachsene in der Weiterbildung: Ein internationaler Vergleich der Ausund Weiterbildung), OECD, Paris, 1999 [Ref. CERI/WD(99)1].
313
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Meinung der UNESCO führen die schnellen Veränderungen in der Produktion und
deren Organisation zu einem schnellen Verfall des erworbenen Wissens und zu
starken Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt. Nach Schätzungen der UNESCO
werden heutzutage 80 % des Wissenstandes einer Person binnen eines Jahrzehnts
obsolet, wodurch beispielsweise ein junger Akademiker gezwungen wäre, den
Inhalt seiner beruflichen Tätigkeit bis zu siebenmal im Laufe seines Lebens zu
verändern1. Darüber hinaus zeigt Kapitel 3 dieses Berichts, daß neue Arbeitsplätze
eher in wissens- und kenntnisintensiven Berufsfeldern des Dienstleistungs- und
Produktionssektors entstehen. Diese Tätigkeiten verlangen aber nach hohen Qualifikationen und entsprechenden Kenntnissen.
In Anbetracht dieser Entwicklungen ist es nicht verwunderlich, daß politische
Entscheidungsträger auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene den Fragen
der lebensbegleitenden allgemeinen und beruflichen Bildung immer mehr
Aufmerksamkeit schenken. Folglich wurde das Ziel des lebensbegleitenden Lernens
und der lebensbegleitenden Bildung ausdrücklich in den Amsterdamer Vertrag
aufgenommen, was die Entschlossenheit der Union widerspiegelt, durch breiten
Zugang zur Bildung und deren ständiger Aktualisierung das höchstmögliche
Ausbildungsniveau der Bürger Europas zu fördern. Außerdem enthalten die
Beschäftigungspolitischen Leitlinien für das Jahr 1998 eine Reihe von Empfehlungen, die die Förderung und Stärkung der Anpassungsfähigkeit von Unternehmen betreffen. Darin werden verschiedene Wege zur Erneuerung von Qualifikationen innerhalb von Unternehmen vorgeschlagen, wie etwa die Beseitigung
steuerlicher und anderer Hemmnisse, welche eine Steigerung der Investitionen in
Humanressourcen und unternehmensinterne Weiterbildung behindern2.
In unserer modernen Gesellschaft können Investitionen in Humankapital üblicherweise drei Formen annehmen. Die Hauptinvestition findet durch das formelle
Ausbildungsssystem eines Landes statt, das den wichtigsten Weg zum Erwerb
grundlegender analytischer und strategischer Fähigkeiten für Leben und Arbeit
darstellt3. Der zweite Weg besteht in der Weiterbildung nach Durchlaufen des
vorgenannten Ausbildungssystems. Diese Art der Bildung dient im wesentlichen als
Instrument für die Anpassung der vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse an die
sich verändernden Erfordernisse des Produktionssystems. Die dritte Form stellt
schließlich die praktische Weiterbildung am Arbeitsplatz dar, also die in der täglichen Arbeitspraxis erworbenen beruflichen Erfahrungen.
Vor dem Hintergrund dieses konzeptionellen Rahmens konzentriert sich dieses
Kapitel vor allem auf das Thema der beruflichen Weiterbildung (BWB) in KMU. Der
hier verwendete Begriff der beruflichen Weiterbildung umfaßt alle Formen der
nach der allgemeinen Ausbildung empfangenen Weiterbildung und des lebensbegleitenden Lernens (in organisierter und nicht-organisierter Form, im Rahmen
1
UNEVOC, Vocational Education and Training in Europe on the Threshold of the 21st
Century (Berufliche Aus- und Weiterbildung in Europa an der Schwelle zum 21. Jahrhundert), UNESCO, Berlin, 1999.
2
Dieser Vorschlag entspricht weitgehend den Schlußfolgerungen des Weißbuches zur
allgemeinen und beruflichen Bildung, das die Gleichstellung von materiellen Investitionen
und Investitionen in die Weiterbildung empfiehlt.
3
In diesem Sinne ist ein Blick auf die Unterschiede zwischen den Ländern in bezug auf
den Humankapitalstock – gemessen am erreichten Bildungsniveau oder direkt durch die
Erwachsenenalphabetisierung – sehr aufschlußreich. Für eine weitergehende Diskussion
dieses Themas auf europäischer Ebene siehe Europäische Kommission, Beschäftigung in
Europa 1998, Teil 1, Abschnitt 5, Brüssel, 1999, sowie für einen internationalen Vergleich:
OECD, Human Capital Investment: An International Comparison (Investitionen in Humankapital: Ein internationaler Vergleich), Paris, 1998.
314
Berufliche Bildung und KMU
einer Schule oder am Arbeitsplatz), welche in Unternehmen1 beschäftigte
Personen entweder auf eigene Initiative oder auf Initiative des Unternehmens hin
in Anspruch nehmen2. Diese Abgrenzung impliziert, daß andere zentrale, die
Berufsausbildung betreffende Fragen auf der politischen Tagesordnung Europas
wie z. B. die Ausbildung Langzeitarbeitsloser, die Beschäftigung Jugendlicher,
Ungleichgewichte zwischen den Geschlechtern, der Übergang von der Schule zum
Berufsleben, etc. in diesem Kapitel nicht behandelt werden3.
9.2
Weiterbildungsaktivitäten für Arbeitnehmer
in KMU
In diesem Abschnitt werden die Aktivitäten beruflicher Weiterbildung für Beschäftigte in europäischen KMU behandelt, ungeachtet der Funktion der Mitarbeiter
innerhalb des Unternehmens. Es werden verschiedene Themen angesprochen wie
etwa der Entwicklungsstand von beruflicher Weiterbildung in KMU (Prozentsatz
der im Bereich BWB aktiven Unternehmen; die Art der angebotenen Weiterbildung; Art des Personals, das ausgebildet wird; eingesetzte Ressourcen). Diese
Ergebnisse werden durch einen Überblick über die wesentlichen Charakteristika
der Weiterbildungsaktivitäten (formell/informell, maßgeschneiderte/allgemeine
Veranstaltungen, hauptsächliche Anbieter, etc.) sowie eine Zusammenschau der
wichtigsten Anreize und Barrieren, welche berufliche Weiterbildung in den
europäischen KMU fördern bzw. behindern, vervollständigt. Diese Informationen
werden (soweit möglich) nach Unternehmensgröße differenziert dargestellt.
9.2.1 Aktivitäten beruflicher Weiterbildung in KMU
Es gibt empirische Evidenz für einen deutlichen Größeneffekt in bezug auf die berufliche Weiterbildung, und zwar in dem Sinn, daß das Ausmaß der Weiterbildung in
kleinen Unternehmen geringer ist als in großen Unternehmen. Dieses, durch die Literatur auf nationaler wie internationaler Ebene bestätigte, Ergebnis unterstreicht das
Vorliegen spezifischer, unternehmensinterner wie -externer, größenbedingter
Probleme, die die Ursache für die eher begrenzten Weiterbildungsaktivitäten in KMU
darstellen. In der Folge werden detaillierte Ergebnisse aus dem ENSR Enterprise Survey
19994, der die aktuellsten vergleichbaren Daten zu diesem Thema liefert, präsentiert.
Wie der ENSR Enterprise Survey 1999 zeigt, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß
innerhalb eines KMU Maßnahmen beruflicher Weiterbildung für die Mitarbeiter
durchgeführt werden mit der Größe des Unternehmens (siehe Abbildung 9.1).
Etwa 30 % der europäischen KMU waren 1998 in Weiterbildungsaktivitäten für ihre
Beschäftigten engagiert, wobei dieser Prozentsatz von 19 % für Unternehmen
ohne Beschäftigte, 38 % für Kleinstunternehmen, 63 % für kleine Unternehmen bis
79 % für mittlere Unternehmen reicht.
1
Im Rahmen dieses Kapitels sind damit KMU gemeint.
Diese Definition entspricht weitgehend der Definition der Europäischen Kommission. Für
eine weitergehende Diskussion siehe: Europäische Kommission, Bericht über den Zugang
zur beruflichen Weiterbildung (Empfehlung des Rates vom 30. Juni 1993), KOM(97) 180
endg., Brüssel, 1997.
3
Das Thema Ausbildung und Humankapital wurde teilweise bereits in Kapitel 5, „Beschäftigung und Humankapital” des Zweiten Jahresberichts des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU behandelt. Außerdem finden sich auch in Kapitel 3 dieses Sechsten Berichts
Bezugnahmen zum Thema der beruflichen Weiterbildung.
4
Eine ausführliche methodische Erläuterung zu dieser Erhebung findet sich in Anhang I
dieses Berichts: Die Erstellung und Analyse des ENSR Enterprise Survey 1999.
2
315
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Tabelle 9.1 Anteil der KMU, die 1998 berufliche Weiterbildung für ihre Beschäftigten
anboten, nach Unternehmensgröße, in Prozent, Europa-19
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Unternehmen ohne
Beschäftigte
Quelle:
Kleinstuntemehmen
Kleine Unternehmen
Mittlere Unternehmen
ENSR Enterprise Survey 1999.
Dieser Einfluß der Unternehmensgröße wird auch durch andere europaweite
Studien zu diesem Thema bestätigt. Eine Erhebung von Eurostat1 zeigt, daß der
Anteil der Unternehmen, die ihren Beschäftigen Weiterbildung anbieten, von 52 %
bei kleinen Unternehmen kontinuierlich bis auf nahezu 100 % bei den größten
Unternehmen steigt. Eine Leonardo-Erhebung2 unter KMU kommt zu dem
Ergebnis, daß 56 % der europäischen KMU berufliche Weiterbildung für ihre
Beschäftigten anbieten, wobei dieser Prozentsatz von 27 % bei Kleinstunternehmen auf 56 % bzw. 84 % bei kleinen und mittleren Unternehmen ansteigt.
Beide Studien zeigen auch, daß der Anteil der an Maßnahmen der beruflichen
Weiterbildung teilnehmenden Beschäftigten unmittelbar mit der Unternehmensgröße zusammenhängt. So zeigt beispielsweise die Untersuchung von Eurostat,
daß der Prozentsatz der Beschäftigten, die an BWB-Veranstaltungen teilnehmen,
von 13 % bei kleinen Unternehmen auf bis zu 43 % bei Unternehmen mit mehr als
1.000 Beschäftigten ansteigt.
Dieser Einfluß der Unternehmensgröße wird auch durch zahlreiche empirische
Studien auf nationaler Ebene bestätigt (siehe Tabelle 9.1).
1
Eurostat, Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen 1994 (CVTS),
Luxemburg, 1994. Diese Erhebung wurde auf Basis einer repräsentativen Stichprobe von
Unternehmen mit 10 oder mehr Beschäftigen durchgeführt.
2
IKEI u. ENSR, Training Processes in SMEs: Practices, Problems and Requirements (Weiterbildungsprozesse in KMU: Maßnahmen, Probleme und Anforderungen), Projekt finanziert
durch das Leonardo-Programm, Donostia-San Sebastián, 1997. Diese Erhebung wurde
unter 840 KMU in 11 europäischen Ländern durchgeführt. Unternehmen ohne Beschäftigte wurden nicht berücksichtigt.
316
Berufliche Bildung und KMU
Tableau 9.1
Entwicklung beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen in KMU: Zusammenfassung von Ergebnissen aktueller nationaler Erhebungen und
Untersuchungen, die nach Unternehmensgröße differenzierte Informationen enthalten
Land und Quelle
Hauptergebnisse
Dänemark
Institut für Konjunktur-Analyse, „Det danske
kursusmarked.
Kompetenceudvikling
i
dansk erhvervsliv 1999” (The Danish Market
for Courses and Conferences. Competence
Development in Danish Businesses 1999),
Copenhagen, March 1999.
Der Prozentsatz der für berufliche Weiterbildung
aufgewendeten Lohnkosten nimmt mit der Unternehmensgröße zu. Kleine Unternehmen mit bis zu
19 Beschäftigten gaben 1998 großteils höchstens
6 700 Euro für Kurse und berufliche Weiterbildung
aus, während Unternehmen mit 20-99 Beschäftigten
meist bis zu 13 400 Euro aufwendeten. Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten hatten
Ausgaben von über 671 800 Euro. Die Beteiligung an
Kursen und BWB nimmt allgemein in allen Beschäftigtenkategorien mit der Unternehmensgröße zu,
wobei Angestellte grundsätzlich jene Beschäftigtengruppe sind, die in allen Unternehmensgrößen am
häufigsten an beruflicher Weiterbildung teilnimmt.
Deutschland
Düll, H., Bellmann, L., Betriebliche Weiterbildungsaktivitäten
in
Westund
Ostdeutschland, in: Mitteilungen aus dem
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2/1998, Nürnberg, 1998.
Der Anteil der Unternehmen, die berufliche Weiterbildung anbieten, hängt unmittelbar mit ihrer
Größe zusammen und reicht von 32 % bzw. 67 %
bei Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen
bis zu 93 % bei Unternehmen mit mehr als 500
Beschäftigten (Daten für Westdeutschland).
Finnland
Blomqvist, I., Niemi, H., u. Ruuskanen T.,
Adult Education Survey 1995. Participation
in Adult Education and Training in Finland
(Erhebung zur Erwachsenenbildung 1995.
Beteiligung an Aus- und Weiterbildung für
Erwachsene in Finnland), Education 1998/8,
Statistics Finland, Helsinki: Edita Oy, 1998.
Je größer ein Unternehmen ist, desto größer ist der
Anteil der Beschäftigten, die an vom Arbeitgeber
finanzierten
Weiterbildungsmaßnahmen
teilnehmen. In Unternehmen mit 500 oder mehr
Beschäftigten nehmen die Mitarbeiter fast doppelt
so oft an Weiterbildungsmaßnahmen teil als in
Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten.
Frankreich
AGEFOS-PME, Perspectives 99. L’emploi et
la formation dans les PME (Perspektiven
1999. Beschäftigung und Weiterbildung in
KMU), Paris, 1998.
In größeren Unternehmen sind Weiterbildungsprogramme stärker verbreitet als in kleinen Unternehmen. Für französische KMU sind elektronische
Datenverarbeitung (EDV) und technische Bereiche
die häufigsten Weiterbildungsgebiete.
Frankreich
CEREQ, Les très petites entreprises. Pratiques
et représentations de la formation continue
(Kleinstunternehmen: Methoden und Darstellungen in der beruflichen Weiterbildung),
Cereq Bref, Marseille, September 1996.
Unabhängig von der Stellung der Beschäftigten
nehmen der Weiterbildungsaufwand und die Beteiligung an beruflicher Weiterbildung mit der Unternehmensgröße zu. Unternehmen mit weniger als 50
Beschäftigten fallen nicht mehr unter eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung (siehe Abschnitt 9.5).
Irland
Fox, R., Company Training in Ireland 1993
(Betriebliche Weiterbildung in Irland
1993), Dublin FAS, 1995.
Die Studie enthält Schätzungen über das Angebot
an Weiterbildungsmöglichkeiten in 7 600 Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern, wobei diese
Unternehmen
insgesamt
496 000
Personen
beschäftigen. Das wichtigste Ergebnis in bezug auf
die Unternehmensgröße ist darin zu sehen, daß
kleine Unternehmen häufiger extern durchgeführte
Weiterbildungskurse in Anspruch nehmen, während
für größere Unternehmen das Gegenteil gilt.
Fortsetzung
317
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Fortsetzung
Land und Quelle
Hauptergebnisse
Island
Universität Island, The Situation of Vocational Training in Iceland (Zur Lage der
beruflichen Bildung in Island), Forschungsinstitut für Sozialwissenschaften, Reykjavik,
April 1999.
Weiterbildungsmaßnahmen sind in größeren Unternehmen häufiger als in kleineren. So erhielten in
Kleinstunternehmen 30,1 % der Beschäftigten Schulungen mit Bezug zu ihrer Tätigkeit, während der
entsprechende Prozentsatz bei kleinen Unternehmen
41,8 %, bei mittleren Unternehmen 43,5 % und bei
Großunternehmen 55,6 % betrug.
Niederlande
Statistics Netherlands, Bedrijfsopleidingen
1993 (Betriebliche Weiterbildung 1993),
Voorburg/Heerlen, 1995.
Der Anteil der geschulten Beschäftigten nimmt mit
der Unternehmensgröße zu und reicht von 10 % bei
Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten bis
zu 30 % bei Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten. Die Weiterbildungskurse verteilen sich gleichmäßig auf Veranstaltungen über allgemeine Unternehmensführung und Kurse mit einer spezifischeren
Orientierung auf die vom jeweiligen Unternehmen
angebotenen Produkte und Dienstleistungen.
Norwegen
NOU Ny kompetanse, Grunnlaget for en
helhetlig etter- og videreutdanningspolitikk. (Offizieller Norwegischer Bericht
1997:25, Neue Kompetenz. Grundlage für
eine ganzheitliche Politik der Fort- und
Weiterbildung), Oslo, 1997:25.
Die Gruppe der Unternehmen ohne Weiterbildungsmaßnahmen wird von kleinen Unternehmen (<50
Beschäftigte) dominiert. Formell organisierte Weiterbildungsprogramme nehmen mit der Unternehmensgröße zu. Externe Schulungen, die aufgrund der
Nachfrage der Beschäftigen durchgeführt werden,
sind um so häufiger, je kleiner das Unternehmen ist.
Österreich
Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen
IBW, Erhebung zur Weiterbildungsteil- Unternehmensgröße und betrieblicher Weiterbilnahme, Wien, 1997.
dung. So führen 61,5 % der Unternehmen mit
weniger als 6 Beschäftigten zumindest eine Weiterbildungsmaßnahme durch, während dieser Prozentsatz bei Unternehmen mit 30 bis 99 Beschäftigten
auf fast 98 % steigt (über 99 Beschäftigte: 100 %).
Portugal
Ministério para a Qualificação e Emprego Departamento de Estatística, Inquérito ao
Impacto das Acções de Formação Profissional nas Empresas – 1994/1996 (Erhebung über die Auswirkungen beruflicher
Weiterbildungsmaßnahmen in Unternehmen – 1994/1996), Lissabon, 1999.
Der Anteil portugiesischer Unternehmen, die im
Bereich der Weiterbildung aktiv sind, hängt unmittelbar mit der Unternehmensgröße zusammen. Je
größer die Unternehmen sind, desto höher ist dieser
Anteil. Ein Vergleich für den Zeitraum 1994-1996
zeigt, daß der Anteil der in BWB aktiven Unternehmen in allen Größenklassen und insbesondere
unter den größten Unternehmen zugenommen hat.
Beschäftigte großer Unternehmen erhalten sowohl
Schweden
Statistics Sweden’s Survey (Erhebung von in bezug auf den Zeitaufwand als auch in bezug auf
den Anteil der beteiligten Mitarbeiter mehr WeiterStatistics Sweden), Stockholm, 1998.
bildung als ihre Kollegen in kleinen Unternehmen.
So erhalten in Kleinstunternehmen 19 % der Belegschaft Weiterbildung, wobei diese Betriebe dafür
0,9 % der gesamten Arbeitszeit aufwenden. Bei
größeren Unternehmen steigen diese Prozentsätze
auf 40 % bzw. mehr als 3 %. Große Unternehmen
sehen auch längere Zeiträume für Schulungen vor.
Fortsetzung
318
Berufliche Bildung und KMU
Fortsetzung
Land und Quelle
Hauptergebnisse
Schweiz
Wüst, P., Betriebliche Weiterbildung in der
Schweizer Industrie, Chur/Zürich, Rüegger,
1998.
Diese unter 1 256 Schweizer Betrieben der Sachgütererzeugung durchgeführte Umfrage zeigt, daß
71 % der Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten in berufliche Weiterbildung investieren. In
der Größenklasse von 20-99 Beschäftigten steigt
dieser Anteil auf 89 %, während alle Unternehmen
mit mehr als 99 Beschäftigten BWB-Aktivitäten für
ihre Arbeitnehmer fördern oder durchführen.
Spanien
CEOE-CEIM, Necesidades de Formación
en las Empresas (Weiterbildungsbedarf in
Unternehmen), Madrid, 1996.
Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang
zwischen Unternehmensgröße und Weiterbildungsaktivitäten. Allerdings wenden spanische, in BWB
aktive Kleinunternehmen im Durchschnitt mehr
Stunden pro Person für solche Aktivitäten auf als
dies größere Unternehmen tun.
Vereinigtes Königreich
Cosh, A., and Hughes, A., Growth, Innovation and Public Policy in the Small and
Medium Sized Enterprise Sector 19941997 (Wachstum, Innovation und Wirtschaftspolitik in kleinen und mittleren
Unternehmen 1994-1997), ESRC Centre
for Business Research, Cambridge, 1998.
Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen
der Unternehmensgröße und dem Anteil der
Firmen, die ihren Beschäftigten Zugang zu Weiterbildung ermöglichen. Ältere, innovative und wachsende Unternehmen bieten eher Schulungen an als
junge, nicht-innovative und stagnierende/schrumpfende Betriebe. Die Aufwendungen von Kleinstunternehmen für Weiterbildung liegen - verglichen
mit jenen von kleinen und mittleren Unternehmen häufiger unter 1 % und relativ seltener im Bereich
zwischen 1 % und 3 % der gesamten Personalkosten. Aufwendungen von mehr als 3 % sind allerdings bei Kleinstunternehmen gleich häufig anzutreffen wie bei größeren KMU. Die Inanspruchnahme aller Arten von Weiterbildungsanbietern nimmt mit der Unternehmensgröße zu.
Quelle:
Durch das ENSR recherchierte Studien, Auswertung durch IKEI.
Dieser Einfluß der Unternehmensgröße scheint auch für die Erklärung der unterschiedlichen Methoden der beruflichen Weiterbildung in europäischen KMU relevant zu sein.
Gemäß der Ergebnisse des ENSR Enterprise Survey 1999 verfügt ein bedeutender Teil
der in BWB aktiven europäischen KMU über schriftliche Weiterbildungspläne (39 %),
demgegenüber erfolgt die Weiterbildung in 33 % bzw. 26 % der Unternehmen ohne
formellen Weiterbildungsplan auf Initiative der Mitarbeiter bzw. des Unternehmens1.
Bleiben die Unternehmen ohne Beschäftigte unberücksichtigt, ist festzustellen, daß
die Verbreitung formell organisierter Weiterbildung mit der Unternehmensgröße
zunimmt. Insofern sind formell organisierte Weiterbildungspläne häufiger in
größeren, in BWB aktiven Unternehmen anzutreffen2, während umgekehrt Weiter-
1
Es ist möglich, daß sich Beschäftigte in manchen Fällen auf eigene Initiative (d. h. auf
eigene Kosten) weiterbilden, ohne dies dem Arbeitgeber bekanntzugeben. Solche Fälle
sind im ENSR Enterprise Survey 1999 nicht berücksichtigt.
2
Ein ähnliches Ergebnis ergab sich für portugiesische Unternehmen in: Ministério para a
Qualificação e Emprego - Departamento de Estatística, Inquérito às Necessidades de
Formação Profissional das Empresas - 1996/1999 (Erhebung des Bedarfs an beruflicher
Weiterbildung aus Sicht der Unternehmen - 1996/1999), Lissabon, 1997.
319
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
bildung auf Initiative des Unternehmens oder der Beschäftigten (ohne formellen
Weiterbildungsplan) umso häufiger vorkommt, je kleiner die Unternehmen sind
(siehe Abbildung 9.2). So verfügen 36 % der in beruflicher Weiterbildung aktiven
europäischen Kleinstunternehmen im Vergleich zu 45 % bzw. 62 % der kleinen und
mittleren Unternehmen über einen formellen schriftlichen Weiterbildungsplan.
Hingegen führen 31 % bzw. 32 % der in BWB aktiven Kleinstunternehmen ihre
Weiterbildungsaktivitäten ohne formellen Plan entweder auf Wunsch des Unternehmens oder der Beschäftigten durch, während diese Prozentsätze bei mittleren
Unternehmen auf 18 % bzw. 20 % sinken.
Abbildung 9.2 Art der Weiterbildung in KMU, Europa-19
70
60
50
40
30
20
10
0
Weiterbildungsprogramm durch
Unternehmen initiiert, regelmäßig,
nach schriftlichem Weiterbildungsplan
Unternehmen ohne Beschäftigte
Weiterbildungsprogramm durch
Unternehmen unterstützt externe
Unternehmen intiiert, Anlaß-bezogen,
Lehrgänge nur auf Wunsch der
ohne schriftlichen Weiterbildungsplan
Beschäftigten
Kleinstunternehmen
Kleine Unternehmen
Mittlere Unternehmen
Anmerkung: Die Daten beziehen sich ausschließlich auf KMU mit BWB-Aktivitäten. Antworten der Kategorie
„Weiß nicht/Keine Angabe” wurden nicht berücksichtigt.
Quelle:
ENSR Enterprise Survey 1999.
Hinsichtlich der Aufwendungen für Weiterbildung zeigen die vorliegenden Daten
des ENSR Enterprise Survey 1999, daß in allen Größenklassen mit Ausnahme der
Unternehmen ohne Beschäftigte mehr oder minder ähnlich hohe Ressourcen für
Weiterbildungsmaßnahmen eingesetzt werden1 (siehe Tabelle 9.2). Immerhin
23 % der Unternehmen ohne Beschäftigte investieren mehr als 7,5 % ihrer
gesamten Lohnkosten in Weiterbildung, während dieser Anteil für die restlichen
Größenklassen deutlich kleiner ist2 (11 % für Kleinstunternehmen, 10 % für kleine
Unternehmen und 11 % für mittlere Unternehmen).
1
Es ist zu beachten, daß die Wirksamkeit jeglicher Investitionen in BWB nicht nur vom
Ausmaß der eingesetzten Ressourcen, sondern auch von anderen Faktoren wie etwa einer
gut durchdachten und umgesetzten allgemeinen Unternehmensstrategie oder einer
kohärenten Weiterbildungspolitik (Definition des Weiterbildungsbedarfs, Auswahl der Zielgruppe, Umsetzung, Evaluierung der Maßnahmen, etc.) abhängt. Siehe dazu etwa: Sáez,
F., Formación Continua: Una Evaluación de Estrategias (Weiterbildung: Eine Evaluierung
von Strategien), in: Ekonomi Gerizan, Nr. 6, S. 245-260, Federación de Cajas de Ahorro
Vasco-Navarras, Vitoria-Gasteiz, 1999.
2
Dieses Ergebnis könnte durch den Umstand beeinflußt sein, daß Unternehmer ohne Beschäftigte möglicherweise Probleme haben, den eigenen „Unternehmerlohn” zu bestimmen.
320
Berufliche Bildung und KMU
Tabelle 9.2
Für Weiterbildungsaktivitäten eingesetzte Ressourcen (in Prozent der
gesamten Lohnkosten), nach Unternehmensgröße, Europa-19
Größenklasse
Unternehmen ohne Beschäftigte
Kleinstunternehmen
Kleine Unternehmen
Mittlere Unternehmen
Gesamt
<3%
3-7.5 %
> 7.5 %
54
56
58
58
56
23
33
33
31
30
23
11
10
11
15
Anmerkung: Die Daten beziehen sich ausschließlich auf KMU, die BWB-Aktivitäten durchgeführt und ihre
Weiterbildungskosten quantifiziert haben.
Quelle:
ENSR Enterprise Survey 1999.
Interessanterweise bestehen bezüglich der Weiterbildungsaktivitäten nicht nur
Unterschiede nach Unternehmensgröße, sondern auch zwischen den einzelnen
Ländern (siehe Tabelle 9.3). Grundsätzlich ist der Anteil der KMU die berufliche
Weiterbildung anbieten in den nordischen und den Alpenländern (d. h. in Finnland, Norwegen, Liechtenstein, Österreich, Island, Schweden und der Schweiz) am
höchsten, während einige der südlichen Länder Europas (Italien, Portugal und
Tabelle 9.3
Anteil der KMU, die 1998 in beruflicher Weiterbildung für ihre
Beschäftigten aktiv waren, und damit verbundene Aufwendungen,
nach Ländern
Anteil der in der
beruflichen Weiterbildung
aktiven KMU,
in Prozent
Belgien
Dänemark***
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Irland
Island
Italien
Liechtenstein
Luxemburg
Niederlande
Norwegen
Österreich
Portugal
Schweden
Schweiz
Spanien
Vereinigtes Königreich
Gesamt
23
21
27
58
35
13
33
45
23
49
32
32
56
47
19
43
41
28
38
30
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
Anteil der KMU in Prozent,
die weniger als 3 % ihrer
Lohnkosten für
Weiterbildung aufwenden*
Anteil der in BWB aktiven
KMU, die über einen
formellen, schriftlichen
Weiterbildungsplan
verfügen, in Prozent**
49
68
38
66
55
86
44
82
65
56
63
56
53
67
57
51
62
75
49
56
36
32
41
15
57
28
37
20
26
16
34
23
39
24
36
21
46
49
41
39
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
%
*
Die Daten beziehen sich ausschließlich auf KMU, die BWB-Aktivitäten durchgeführt haben und ihre
Weiterbildungskosten quantifizieren konnten.
** Die Daten beziehen sich ausschließlich auf KMU mit BWB-Aktivitäten.
*** Gemäß ENSR Enterprise Survey 1999 ist in Dänemark im Vergleich zum Europa-19-Durchschnitt ein nur
kleiner Teil der KMU in der beruflichen Weiterbildung aktiv. Dieses Ergebnis steht nicht in Einklang mit
den Ergebnissen der Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS) von Eurostat,
die zeigt, daß dänische KMU in diesem Bereich besonders aktiv sind.
Quelle:
ENSR Enterprise Survey 1999.
321
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Griechenland) diesbezüglich den niedrigsten Anteil aufweisen. Diese Länderdifferenzen könnten Ausdruck unterschiedlicher Strukturen und Auffassungen in Bezug
auf die berufliche Weiterbildung sein1.
Diese länderspezifischen Unterschiede zeigen sich auch bei einem Blick auf den Anteil
jener in beruflicher Weiterbildung aktiven KMU, die weniger als 3 % ihrer Lohnkosten
für solche Maßnahmen aufwenden. Länder mit einem diesbezüglich relativ hohen
Anteil sind – in dieser Reihenfolge – Griechenland, Island und Spanien, während
umgekehrt die KMU im Vereinigten Königreich, in Belgien, Irland und Deutschland
vergleichsweise viel für Weiterbildung aufwenden. Formelle Weiterbildungspläne sind
relativ häufig in französischen, spanischen und Schweizer KMU anzutreffen,
vergleichsweise selten hingegen in Schweden, Island, Liechtenstein und Finnland.
Hinsichtlich der Mitarbeiterkategorien, die in der beruflichen Weiterbildung durch
ihre Unternehmen unterstützt werden, zeigt der ENSR Enterprise Survey 1999 eine
positive Beziehung zwischen dem Qualifikations- und Ausbildungsniveau und der
Teilnahme an Weiterbildung im Laufe der beruflichen Karriere. Die einzige
Ausnahme bildet hier die Kategorie „Geschäftsführung und Management”2 (siehe
Tabelle 9.4). Eine Erklärung für dieses in mehreren gesamteuropäischen3 und
nationalen Studien aus Spanien4, der Schweiz5 und dem Vereinigten Königreich6
bestätigte Ergebnis könnte darin liegen, daß gut ausgebildete Mitarbeiter eher
formell organisierte Schulungen in Anspruch nehmen, während geringer qualifizierte Arbeitskräfte häufiger informelle und innerbetriebliche Ausbildung erhalten7.
Eine weitere mögliche Erklärung zeigt eine Studie der OECD8, wonach die Teilnahme an allgemeiner und beruflicher Weiterbildung eng mit dem Niveau der
Erstausbildung zusammenhängt, da gut ausgebildete Personen Bildungsfragen
gegenüber aufgeschlossener sind als Menschen, die eine weniger gute Ausbildung
erhalten haben. Unabhängig davon zeigt eine nach Größenklassen differenzierte
Analyse des ENSR Enterprise Survey 1999, daß in allen Mitarbeiterkategorien die
Teilnahme an Weiterbildung mit der Unternehmensgröße zunimmt9.
9.2.2 Allgemeine Merkmale der Weiterbildung
Ziel dieses Abschnittes ist die Beschreibung der wesentlichen Merkmale der Weiterbildungsaktivitäten in europäischen KMU. Zu den hier analysierten Aspekten
zählen etwa die wichtigsten Anbieter von Weiterbildungsdienstleistungen, die Art
der durchgeführten Kurse (kundenspezifische/allgemeine Veranstaltungen) sowie
schließlich der Ort der Veranstaltungen.
1
Ähnliche geographische Muster zeigten sich auch in einschlägigen Eurostat- und
Leonardo-Erhebungen.
2
Dieses Ergebnis ergibt sich bei Betrachtung der einzelnen Größenklassen und unter
Außerachtlassung der Unternehmen ohne Beschäftigte (siehe Tabelle 9.4), die aus naheliegenden Gründen die Ergebnisse verzerren.
3
Eurostat, Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen 1994 (CVTS),
Luxemburg, 1994.
4
CEOE-CEIM, Necesidades de Formación en las Empresas (Weiterbildungsbedarf in spanischen Unternehmen), Madrid, 1996.
5
Wüst, P., Betriebliche Weiterbildung in der Schweizer Industrie, Chur/Zürich, Rüegger, 1998.
6
Curran, J., et al., Establishing Small Firms’ Training Practices, Needs, Difficulties and Use
of Industry Training Organisations (Ausbildungsmethoden, Bedarf, Schwierigkeiten und die
Inanspruchnahme von Bildungs-Organisationen in kleinen Unternehmen), DfEE Research
Studies RS17, HMSO, London, 1996.
7
Eine weitergehende Diskussion dieser Frage findet sich in Abschnitt 9.2.2.
8
O’Connell, P. J., Adults in Training: An International Comparison of Continuing Education and Training (Erwachsene in der Weiterbildung: Ein internationaler Vergleich der Ausund Weiterbildung), OECD, Paris, 1999 [Ref. CERI/WD(99)1].
9
Ähnliche Ergebnisse finden sich in anderen nationalen Studien (siehe dazu Tabelle 9.1).
322
Berufliche Bildung und KMU
Tabelle 9.4
Anteil der Beschäftigten die an Weiterbildung teilgenommen haben,
nach Mitarbeiterkategorie und Unternehmensgröße, Europa-19
Hilfsarbeiter,
ungelernte
Arbeitskräfte
Größenklasse
0 Beschäftigte*
1-9 Beschäftigte
10-49 Beschäftigte
50-249 Beschäftigte
Gesamt
*
14
26
33
33
23
Angelernte
Arbeitskräfte
%
%
%
%
%
13
31
39
47
27
%
%
%
%
%
Techniker,
Ingenieure
23
28
37
47
28
%
%
%
%
%
Büropersonal,
Verwaltungsangestellte
16
25
35
48
24
%
%
%
%
%
Vorarbeiter,
Werkmeister
13
16
27
40
17
%
%
%
%
%
Geschäftsführer
und Manager
41
20
23
31
28
%
%
%
%
%
Es könnte erwartet werden, daß in dieser Größenklasse ausschließlich „Geschäftsführer und Manager” zu
finden sind. Allerdings scheint es auch auf Grundlage der Ergebnisse plausibel, daß sich ein großer
Prozentsatz dieser Unternehmer selbst anderen Kategorien zuordnet.
Anmerkung: Die Daten beziehen sich ausschließlich auf KMU mit BWB-Aktivitäten. Die Zeilensumme kann
100 % übersteigen.
Quelle:
ENSR Enterprise Survey 1999.
Vorab muß hervorgehoben werden, daß Weiterbildung in KMU sehr häufig in
informeller Weise erfolgt1. Dieser informelle Charakter kann verschiedene Ausprägungen annehmen, wie z. B. „Learning by Doing”, Coaching, Mentoring, Lernen
durch Beobachten der Kollegen oder Job-Rotation2. Gemäß einer britischen
Studie3 ist für mehr als 50 % der KMU-Beschäftigten die im Zuge ihres Arbeitsverhältnisses erhaltene Weiterbildung vor allem informeller Natur. Dieses Ergebnis
entspricht weitgehend den empirischen Erhebungen auf europäischer Ebene. Eine
Umfrage im Rahmen des Leonardo-Programms4 zeigt, daß, nach Weiterbildungszentren bzw. -organisationen, die Beschäftigten des Unternehmens selbst der
zweithäufigste Anbieter für Weiterbildung in europäischen KMU sind, wobei diese
„interne” Weiterbildung im allgemeinen unternehmensspezifischer Art ist.
Eine umfassende britische Studie des ESRC Centre for Business Research5 zeigt, daß
Unternehmen am häufigsten ihre eigenen Mitarbeiter einsetzen, um angelernte
und ungelernte Beschäftigte auszubilden, während externe Weiterbildung vor
allem für technisches Personal und Facharbeiter, insbesondere für die am höchsten
qualifizierten, in Anspruch genommen wird. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt
eine Schweizer Studie6, die zusätzliche Informationen über die wichtigsten
internen und externen Weiterbildungsinstrumente bietet (siehe Tabelle 9.5). Dieses
Ergebnis deutet darauf hin, daß KMU dann den Weiterbildungsmarkt in Anspruch
nehmen, wenn sie spezialisierte Kenntnisse und Fähigkeiten benötigen, die im
Unternehmen selbst nicht verfügbar sind.
1
Metsä-Tokila, T., Tulkki, P., Tuominen, P., Ammattitaito, koulutus ja työ (Qualifikation,
Weiterbildung und Arbeit), ESR-julkaisut 37/98, Helsinki: Edita Oy, 1998.
2
Cambridge Small Business Research Centre, The State of British Enterprise (Die Lage der
britischen Unternehmen), Department of Applied Economics, University of Cambridge, 1992.
3
Curran, J., et al., Establishing Small Firms’ Training Practices, Needs, Difficulties and Use
of Industry Training Organisations (Ausbildungsmethoden, Bedarf, Schwierigkeiten und die
Inanspruchnahme von Bildungs-Organisationen in kleinen Unternehmen), DfEE Research
Studies RS17, HMSO, London, 1996.
4
IKEI u. ENSR, Training Processes in SMEs: Practices, Problems and Requirements (Weiterbildungsprozesse in KMU: Maßnahmen, Probleme und Anforderungen), Projekt finanziert
durch das Leonardo-Programm, Donostia-San Sebastián, 1997.
5
Cosh, A., Hughes, A., Growth, Innovation and Public Policy in the Small and Medium Sized
Enterprise Sector 1994-1997 (Wachstum, Innovation und Wirtschaftspolitik in kleinen und
mittleren Unternehmen 1994-1997), ESRC Centre for Business Research, Cambridge, 1998.
6
Sattes, I., et al. (Hrsg.), Erfolg in kleineren und mittleren Unternehmen, 2. Auflage, Zürich,
VdF Hochschulverlag AG, 1998.
323
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Tabelle 9.5
Instrumente interner und externer Weiterbildung in Schweizer KMU
Instrumente der internen Weiterbildung
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Interner Unterricht
Interne Job-Rotation
Ausbildung am Arbeitsplatz
Technische Literatur, Multimedia-Techniken,
Computer-Based Training (CBT)
Produktpräsentationen
Vorträge von Beschäftigten über neue
Entwicklungen in ihrer Tätigkeit
Gegenseitige Bewertung innerhalb einer Arbeitsgruppe
Einbeziehung von Beschäftigten in Projekte außerhalb
ihres üblichen Tätigkeitsfeldes
Verschiedene Formen interner Kommunikation
Quelle:
Instrumente der externen Weiterbildung
•
•
•
•
Externe Seminare oder Kurse
Konferenzen
Kunden- oder Lieferantenbesuche
Externe Job-Rotation mit Kunden
oder Lieferanten
• Besuch von und Teilnahme an Messen
• Ehemalige Beschäftigte
Sattes, I., et al. (Hrsg.): Erfolg in kleineren und mittleren Unternehmen, 2. Auflage, Zürich, VdF Hochschulverlag AG, 1998.
Hinsichtlich der von europäischen KMU in erster Linie in Anspruch genommenen
Art von Schulungsveranstaltungen zeigen die verfügbaren Informationen, daß
KMU stärker an speziell auf sie zugeschnittenen Kursen als an allgemeinen,
offenen Lehrgängen interessiert sind1. Verschiedene Studien belegen, daß KMU,
die Weiterbildungsleistungen zukaufen, nach Inhalten suchen, die genau auf ihre
Bedürfnisse zugeschnitten sind2. Dennoch sind maßgeschneiderte Kurse relativ
teuer und werden daher von KMU – insbesondere von den kleinsten Unternehmen – nicht als erste Präferenz betrachtet. Daher ist es nicht verwunderlich,
daß unter den in der Weiterbildung aktiven mittleren Unternehmen 45 % speziell
auf sie zugeschnittene Kurse einsetzen, während dies auf nur 37 % der Kleinstunternehmen zutrifft3.
In bezug auf den Ort der Weiterbildung sind Veranstaltungen außerhalb des
Betriebsgeländes – im Vergleich zur Weiterbildung auf dem Unternehmensareal –
die häufigere Form von Schulungsaktivitäten. Interessanterweise findet Weiterbildung umso eher auf dem Firmengelände statt, je größer das Unternehmen ist
(siehe Abbildung 9.3). Dieses Ergebnis kann zumindest teilweise sowohl durch die
größere Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins spezieller Einrichtungen oder
Weiterbildungsabteilungen in mittleren Unternehmen als auch durch die Tatsache
erklärt werden, daß größere Unternehmen über eine höhere Zahl von auszubildenden Personen verfügen und daher externe Anbieter von Weiterbildungsleistungen vermehrt innerhalb des Unternehmens tätig werden.
Schließlich zeigen die verfügbaren Untersuchungen über die Anbieter beruflicher
Weiterbildung, daß – abgesehen von unternehmensintern erbrachter Weiterbildung –
privatwirtschaftliche Organisationen und private Berater die diesbezüglich bedeu-
1
Bernard Brunhes Consultants, Le développement de la formation continue dans les
petites et moyennes entreprises. Analyse comparative des dispositifs allemands et français
(Entwicklung der beruflichen Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen. Eine
vergleichende Analyse deutscher und französischer Instrumente), La lettre du Groupe
Bernard Brunhes, Nr. 34, Paris, Mai 1997.
2
Metsä-Tokila, T., Tulkki, P., Tuominen, P., Ammattitaito, koulutus ja työ (Qualifikation,
Weiterbildung und Arbeit), ESR-julkaisut 37/98, Helsinki, Edita Oy, 1998.
3
IKEI u. ENSR, Training Processes in SMEs: Practices, Problems and Requirements (Weiterbildungsprozesse in KMU: Maßnahmen, Probleme und Anforderungen), Projekt finanziert
durch das Leonardo-Programm, Donostia-San Sebastián, 1997.
324
Berufliche Bildung und KMU
Abbildung 9.3 Verteilung der Unternehmen nach dem vorrangigen Durchführungsort der
Weiterbildungsaktivitäten, Anteile in Prozent, nach Unternehmensgröße,
Europa-19
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Kleinstunternehmen
Auf dem Gelände
Quelle:
Kleine Unternehmen
Außerhalb des Geländes
Mittlere Unternehmen
Beides in gleichem Maß
IKEI u. ENSR, Training Processes in SMEs: Practices, Problems and Requirements (Weiterbildungsprozesse in KMU: Maßnahmen, Probleme und Anforderungen), Projekt finanziert durch das
Leonardo-Programm, Donostia-San Sebastián, 1997.
tendsten externen Anbieter sind. Andere, für die Erbringung von Weiterbildungsdiensten bedeutsame Institutionen, sind darüber hinaus Unternehmens- und
Handelsverbände, Lieferanten von Anlagen und Technologiezentren/Universitäten1.
Dennoch müssen die großen Unterschiede hervorgehoben werden, die diesbezüglich zwischen den verschiedenen Ländern Europas bestehen. Diese spiegeln die
unterschiedlichen historischen und institutionellen Traditionen dieser Länder sowie
die unterschiedliche Finanzierungsstruktur der Anbieter von Weiterbildungsleistungen wider2. Beispielsweise scheinen öffentliche Einrichtungen vor allem in
Dänemark eine besondere Rolle als Anbieter beruflicher Weiterbildung zu spielen3,
während etwa in der Schweiz das Gegenteil der Fall zu sein scheint4. Gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Unternehmen sind hingegen die wichtigsten Anbieter
von Weiterbildungsleistungen für spanische KMU – ein Aspekt, der direkt mit der
Art und Weise zusammenhängt, in der die diesbezügliche Politik gestaltet und
1
Eurostat, Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen 1994 (CVTS),
Luxemburg, 1994, und IKEI u. ENSR, Training Processes in SMEs: Practices, Problems and
Requirements (Weiterbildungsprozesse in KMU: Maßnahmen, Probleme und Anforderungen), Projekt finanziert durch das Leonardo-Programm, Donostia-San Sebastián, 1997.
2
Cosh, A., Hughes, A., Growth, Innovation and Public Policy in the Small and Medium
Sized Enterprise Sector 1994-1997 (Wachstum, Innovation und Wirtschaftspolitik in kleinen
und mittleren Unternehmen 1994-1997), ESRC Centre for Business Research, Cambridge,
1998.
3
Statistics Denmark, Statistical Information on Education and Culture (Statistische Informationen zu Erziehung und Kultur), Kopenhagen, 1998:6. In Dänemark wird ein beträchtlicher Teil der gesamten Erwachsenen- und beruflichen Aus- und Weiterbildung öffentlich
finanziert, wobei Rahmen und Inhalte von den Behörden in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern geplant werden.
4
Wüst, P., Betriebliche Weiterbildung in der Schweizer Industrie, Chur/Zürich, Rüegger 1998.
325
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
umgesetzt wird1. In einigen Ländern (z. B. in Norwegen2) scheint eine klare Rollenverteilung zwischen öffentlichen und privaten Leistungserbringern zu bestehen.
Lehrgänge, die auf die Entwicklung individueller Fähigkeiten abzielen und die zur
Erlangung einer offiziellen Qualifikation führen, werden vor allem vom staatlichen
Bildungssystem bereitgestellt, während Weiterbildung, die sich auf praktische
Anwendung und stark arbeits- und berufsbezogene Inhalte konzentriert, meist von
unabhängigen privaten oder halb-privaten Organisationen angeboten wird.
9.2.3 Anreize und Barrieren für berufliche Weiterbildung in KMU
Anreize für berufliche Weiterbildung in europäischen KMU
Im allgemeinen kann gesagt werden, daß innerhalb der KMU sowohl Arbeitgeber
als auch Arbeitnehmer sich der Bedeutung der beruflichen Weiterbildung immer
stärker bewußt werden. Berufliche Weiterbildung wird als Instrument gesehen, das
nicht nur die in der Schulausbildung gewonnenen Kenntnisse vervollständigt,
sondern es vor allem auch ermöglicht, mit neuen technischen Entwicklungen,
zunehmendem Wettbewerb und organisatorischen Veränderungen, die die
Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens beeinflussen, Schritt zu halten3. Verschiedene in Dänemark4, Finnland5, Deutschland6, Island7 oder Spanien8 durchgeführte
nationale Studien belegen die positive Einstellung sowohl der Arbeitgeber als auch
der Arbeitnehmer gegenüber beruflicher Weiterbildung. Auch gesamteuropäische
Studien bestätigen diese Ergebnisse.
In einigen Ländern dürften interessanterweise die bestehenden gesetzlichen
Rahmenbedingungen im Bereich des Arbeitsmarktes für die Unternehmen einen
Anreiz bilden, ihre Aktivitäten in der beruflichen Weiterbildung zu verstärken. Dies
scheint etwa in Schweden der Fall zu sein, wo der eher restriktive Arbeitnehmerschutz sowie die Gestaltung der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen die
Möglichkeiten für Unternehmen einengen, Personalstand und Löhne an Veränderungen am Markt anzupassen. Daher ergibt sich für schwedische Unternehmen
der Anreiz, das Qualifikationsniveau ihrer Beschäftigten anzuheben und langfristig
deren Vielseitigkeit zu erhöhen. Deshalb stellt die Weiterbildung der Beschäftigten
eine der wichtigsten Maßnahmen dar, mit deren Hilfe sich schwedische Unternehmen an Veränderungen ihres wirtschaftlichen Umfelds anpassen9.
1
CEOE-CEIM, Necesidades de Formación en las Empresas (Weiterbildungsbedarf in spanischen Unternehmen), Madrid, 1996.
2
NOU Ny kompetanse. Grunnlaget for en helhetlig etter- og videreutdanningspolitikk
(Offizieller Norwegischer Bericht 1997:25, Neue Kompetenz. Grundlage für eine ganzheitliche Politik der Fort- und Weiterbildung), Oslo, 1997.
3
Nieuwenhuis, A.F.M., Steijvers, J.R.L., Opleiding en ontwikkeling (Ausbildung und
Entwicklung), 1995.
4
Dänisches Institut für Konjukturanalyse (Institut for Konjunktur-Analyse), The Danish
Market for Courses and Conferences. Competence Development in Danish Businesses
1999 (Der dänische Markt für Lehrgänge und Konferenzen. Qualifikationsentwicklung in
dänischen Unternehmen 1999), Kopenhagen, März 1999.
5
Suomen kuvalehti, 1999, Aikuiskoulutuksen outo yhtälö (Die bizarre Gleichung in der
Erwachsenenbildung), Nr. 3, Helsinki, 22.1.1999.
6
Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berichtssystem Weiterbildung VI, Integrierter Gesamtbericht zur Weiterbildungssituation in Deutschland, Bonn, 1996.
7
Universität Island, The Situation of Vocational Training in Iceland (Zur Lage der beruflichen Bildung in Island), Forschungsinstitut für Sozialwissenschaften, Reykjavik, April 1999.
8
Moreno, F., Los Empresarios ante la Formación Continua (Unternehmer und berufliche
Weiterbildung), in: Revista del Ministerio de Trabajo y Asuntos Sociales Economía y Sociología, Nr. 1, Madrid, 1997.
9
OECD, OECD Economic Surveys 1997-1998, Sweden. Special features: Education, training and labour market reform (OECD Wirtschaftsberichte 1997-1998, Schweden. Schwerpunktthemen: Aus- und Weiterbildung und Arbeitsmarktreform), Paris, 1998.
326
Berufliche Bildung und KMU
Barrieren für berufliche Weiterbildung in europäischen KMU
Obwohl wesentliche Anreize für berufliche Weiterbildung in KMU bestehen, zeigen
die empirischen Daten, daß der Anteil der Unternehmen, die ihre Beschäftigten
weiterbilden, direkt mit der Unternehmensgröße zusammenhängt1. Dieses Ergebnis
läßt vermuten, daß KMU – insbesondere die sehr kleinen Unternehmen – spezielle
Hindernisse vorfinden, die die Durchführung von Weiterbildungsaktivitäten
erschweren. Auf Basis der vorhandenen Literatur zum Thema können diese Barrieren
in „unternehmensinterne” und „unternehmensexterne” eingeteilt werden. In diesem
Zusammenhang sollte jedoch beachtet werden, daß berufliche Weiterbildung nicht
von allen KMU als grundsätzlich notwendig betrachtet wird. Der Großteil der in
Weiterbildung nicht aktiven KMU geben als Grund für diese Entscheidung an, mit den
bestehenden Qualifikationen ihrer Beschäftigten zufrieden zu sein2.
In bezug auf die „unternehmensinternen” Barrieren sind in der Literatur die
folgenden Ergebnisse zu finden:
• Wegen ihrer geringen Größe sind KMU nicht in der Lage, eine größere Anzahl
ihrer Mitarbeiter für Weiterbildungszwecke abzustellen, ohne beträchtliche
negative Auswirkungen auf den Betriebsablauf im Unternehmen hinnehmen zu
müssen. Mit anderen Worten: Die durch die Abwesenheit der Beschäftigten
während ihrer Weiterbildung – insbesondere bei Schulungen außerhalb des
Arbeitsplatzes – verursachten Belastungen sind zu hoch3. Wie eine finnische
Studie zeigt, kann die dadurch fehlende Arbeitsleistung unersetzlich sein, die
Güter- und Leistungserstellung stellt für Unternehmen jedoch stets die Hauptaufgabe dar4.
• Häufig wird argumentiert, daß KMU (und insbesondere die sehr kleinen Unternehmen) Weiterbildung eher als Kostenfaktor denn als Investition betrachten5.
Dies vor allem, weil der Zusammenhang zwischen Weiterbildung und Leistung
– insbesondere kurzfristig – schwer zu messen und zu erkennen ist6. So werden
Ausgaben für Ausbildung und Wissenskapital meist als laufende Betriebskosten
in Ansatz gebracht, da die Regeln der Finanzbuchhaltung und Rechnungslegung die Darstellung des Wertes des Lernens und Wissenskapitals als Aktivposten mit langfristigem Wert nicht zulassen7. Es überrascht nicht, daß KMU
häufig auf andere Mittel zur Beschaffung externen Wissens zurückgreifen, wie
etwa die Anstellung bereits voll ausgebildeter Mitarbeiter oder die Vergabe von
Aufgaben außer Haus8.
1
Für eine weitergehende Diskussion dieser Frage siehe Abschnitt 9.2.1.
Fox, R., Company Training in Ireland 1993 (Betriebliche Weiterbildung in Irland 1993),
Dublin, FAS, 1995.
3
Storey, D., und Westhead, Management Training and Small Firm Performance: A Critical
Review (Managementtraining und Entwicklung kleiner Unternehmen: Eine kritische Übersicht), Warwick Business School Centre for SMEs, Working Paper Nr. 18, 1994.
4
Metsä-Tokila, T., Tulkki, P., Tuominen, P., Ammattitaito, koulutus ja työ (Qualifikation,
Weiterbildung und Arbeit), ESR-julkaisut 37/98, Helsinki, Edita Oy, 1998.
5
CEREQ, Les très petites entreprises. Pratiques et représentations de la formation continue
(Sehr kleine Unternehmen. Praktiken und Darstellungen in der beruflichen Weiterbildung),
Cereq Bref, Marseille, September 1996.
6
Rensujeff, K., Nyyssölä, K., Ammattipassi painossa (Gram) (Paß zur Beschäftigung in der
Presse), ESR-julkaisut (ESF-Publikationen) 43/99. Työministeriö (Arbeitsministerium),
Helsinki, Edita Oy, 1999.
7
OECD, Technology, Productivity and Job Creation: Towards Best Policy Practice (Technologie, Produktivität und Schaffung von Arbeitsplätzen: Auf dem Weg zu besten Praktiken), Interim Report, Paris, 1997.
8
Ritsilä, J., Alueellisen osaamistarve-ennakoinnin kolme ulottuvuutta. HENKOOSTA-hankkeen välitaportti. (Drei Dimensionen der Prognose regionaler Qualifikationsbedürfnisse),
ESF-Publikationen 23/1998, Arbeitsministerium, Helsinki, Edita Oy, 1998.
2
327
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
• Mit dem vorhergehenden Punkt hängt der Umstand zusammen, daß die
meisten KMU kurzfristige Unternehmensstrategien verfolgen, die es sehr
erschweren, Weiterbildungsprogramme zu entwickeln, da dafür eine langfristige Perspektive und soziale Verantwortung nötig sind1.
• Verschiedene Studien weisen darauf hin, daß berufliche Weiterbildung um so
weniger professionell durchgeführt wird, je kleiner das Unternehmen ist2. So
zeigt der ENSR Enterprise Survey 1999, daß Weiterbildungspläne häufiger in
größeren Unternehmen anzutreffen sind, wobei etwa 61 % der europäischen
KMU über keinerlei Weiterbildungspläne verfügen. Dieser Mangel an Professionalität hängt mit dem Umstand zusammen, daß Weiterbildung in KMU – wie
bereits dargelegt – sehr häufig informeller Natur ist und unternehmensintern
erfolgt, wobei das Schwergewicht auf Weiterbildung „am Arbeitsplatz” und auf
„Learning by Doing” liegt.
• Einige KMU-Führungskräfte haben bedeutende „mentale” Barrieren in bezug auf
die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. So sind KMU-Arbeitgeber aufgrund der Gefahr,
daß der betreffende Beschäftigte leicht von der Konkurrenz „abgeworben” werden
könnte, häufig nicht bereit, in Mitarbeiter zu investieren3. Diese Zurückhaltung ist
um so größer, je häufiger es zu Personalwechseln innerhalb eines Unternehmens
kommt4. KMU haben aber die Möglichkeit, Maßnahmen zu setzen, die diese
Gefahr verringern. Zum Beispiel müssen die Mitarbeiter in 67,8 % der Schweizer
Unternehmen mit mehr als 99 Beschäftigten einen Teil der Kursgebühren rückerstatten, wenn sie das Unternehmen kurz nach einem Lehrgang verlassen5.
• Die mit der Weiterbildung verfolgten Ziele sind sehr häufig für Arbeitgeber und
Arbeitnehmer unterschiedlich6. So leiten die Arbeitgeber das letztendliche Ziel
der Weiterbildung von den Interessen ihres Unternehmens ab, während sich für
die Arbeitnehmer ihre Bereitschaft zur Teilnahme vor allem aus ihren eigenen
Interessen ergibt (Beruf, Mobilität, höhere Entlohnung, Weiterbildung während
der Arbeitszeit, etc.)7. KMU sind meist nicht daran interessiert, allgemeine
Fähigkeiten ihrer Beschäftigten zu verbessern, weshalb die erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen in engem Bezug zu den wahrgenommenen besonderen Bedürfnissen des Unternehmens stehen müssen8.
• Storey9 argumentiert schließlich, daß die Zurückhaltung kleiner Unternehmen
gegenüber Weiterbildung gleichermaßen die Einstellungen der Arbeitgeber wie
1
IKEI u. ENSR, Training Processes in SMEs: Practices, Problems and Requirements (Weiterbildungsprozesse in KMU: Maßnahmen, Probleme und Anforderungen), Projekt finanziert
durch das Leonardo-Programm, Donostia-San Sebastián, 1997.
2
Münk, D., Lipsmeier, A., Objectives, Realisation and Organisation of Continuing Vocational Education and Training (Zielsetzungen, Umsetzung und Organisation von beruflicher
Aus- und Weiterbildung), in: CEDEFOP, Vocational Education and Training - The European
Research Field, Background Report, Thessaloniki, 1998.
3
Curran, J., et al., Employment and Employment Relations in the Small Service Sector
Enterprise – A Report (Beschäftigung und Arbeitsbeziehungen in kleinen Dienstleistungsbetrieben – Ein Bericht), ESRC Centre for Research on Small Service Sector Enterprises, Kingston Business School, 1993.
4
Nieuwenhuis, A.F.M., Steijvers, J.R.L., Opleiding en ontwikkeling (Ausbildung und
Entwicklung), 1995.
5
Wüst, P., Betriebliche Weiterbildung in der Schweizer Industrie, Chur/Zürich, Rüegger, 1998.
6
Gids voor de Opleidingspraktijk (Führer für die Ausbildungspraxis), Van Loghum
Slaterus, Amsterdam, 1998.
7
De Koning, a.o., Bedrijfsopleidingen, omvang, aard, verdeling en effecten (Betriebliche
Weiterbildung, Ausmaß, Arten, Anteile und Wirkungen), RVE Adviescentrum Volwasseneneducatie, Rotterdam, 1991.
8
Metsä-Tokila, T., Tulkki, P., Tuominen, P., Ammattitaito, koulutus ja työ (Qualifikation,
Weiterbildung und Arbeit), ESR-julkaisut 37/98, Helsinki, Edita Oy, 1998.
9
Storey, D.J., Understanding the Small Business Sector (Kleine Unternehmen verstehen),
Routledge, London, 1994.
328
Berufliche Bildung und KMU
jene der Arbeitnehmer widerspiegeln dürfte. Karrierestufen sind in kleinen
Unternehmen seltener, weshalb ehrgeizige Arbeitnehmer eher dazu tendieren,
zwischen Unternehmen als innerhalb der Organisation zu wechseln. Nachdem
also der Arbeitnehmer in einem kleinen Unternehmen davon ausgeht, daß er
seine nächste Arbeitsstelle vermutlich in einem anderen kleinen Unternehmen
finden wird, schreibt er der Weiterbildung nicht jenen Mehrwert zu, den diese
für einen Beschäftigten eines großen Unternehmens hat, der eine Karriere
innerhalb dieser Firma plant.
Neben den besprochenen „unternehmensinternen” Barrieren können auch
verschiedene externe Hindernisse, welche die Umsetzung von Weiterbildungsaktivitäten in KMU behindern und erschweren, festgestellt werden. Zunächst sind die
hohen Kosten der Weiterbildung für die meisten KMU vermutlich eine der größten
Schwierigkeiten, insbesondere wenn man die traditionell schwache finanzielle
Ausstattung solcher Unternehmen berücksichtigt1. Beispielsweise stellen die hohen
Kosten für Lehrgänge die von den in der Weiterbildung aktiven europäischen KMU
bei weitem am häufigsten genannte Barriere dar2. Schätzungen für die Schweiz3
zeigen, daß die Pro-Kopf-Kosten für berufliche Weiterbildung (direkte Kosten wie
Kursgebühren, Reisespesen oder Unterrichtsmaterial sowie indirekte Kosten
aufgrund von Produktionsausfällen oder Kosten für den Ersatz von Arbeitskräften)
umso höher sind, je kleiner das Unternehmen ist (siehe Tabelle 9.6).
Tabelle 9.6
Kosten pro Person für berufliche Weiterbildung in Schweizer Unternehmen, nach Unternehmensgröße (in Euro)
Unternehmen
mit bis zu 20 Beschäftigten mit 20-99 Beschäftigten
Direkte Kosten
Indirekte Kosten
Gesamtkosten
Quelle:
343
243
586
237
250
487
mit 100 oder mehr Beschäftigten
275
212
487
Wüst, P., Betriebliche Weiterbildung in der Schweizer Industrie, Chur/Zürich, Rüegger, 1998.
Es ist daher nicht verwunderlich, daß manche Autoren der Ansicht sind, viele
kleine Unternehmen seien ohne Unterstützung kaum in der Lage, ihre Weiterbildungskosten zu tragen4. Dieses Ergebnis wird auch durch eine Untersuchung im
Rahmen des Leonardo-Programms bestätigt, die zeigt, daß externe Finanzhilfen
umso stärker als entscheidender Faktor angesehen werden, je kleiner das Unternehmen ist5 (siehe Abbildung 9.4).
1
Achermann, S., et al., KMU Weiterbildungsförderung, KTI-Projekt, Muttenz 1997. Siehe
auch Hauser, H.-E., Das statistische Gewicht des Mittelstandes in Deutschland 1996, in:
Jahresschrift 1998 des Instituts für Mittelstandsforschung, Bonn, 1997.
2
IKEI u. ENSR, Training Processes in SMEs: Practices, Problems and Requirements (Weiterbildungsprozesse in KMU: Maßnahmen, Probleme und Anforderungen), Projekt finanziert
durch das Leonardo-Programm, Donostia-San Sebastián, 1997.
3
Wüst, P., Betriebliche Weiterbildung in der Schweizer Industrie, Chur/Zürich, Rüegger,
1998.
4
Welch, B., Developing Managers for the Smaller Business: A Report on Training and
Development Needs (Ausbildung von Managementpersonal für kleine Unternehmen: Ein
Bericht über Schulungs- und Entwicklungsbedarf), Institute of Management, 1996.
5
IKEI u. ENSR, Training Processes in SMEs: Practices, Problems and Requirements (Weiterbildungsprozesse in KMU: Maßnahmen, Probleme und Anforderungen), Projekt finanziert
durch das Leonardo-Programm, Donostia-San Sebastián, 1997.
329
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Abbildung 9.4 Bedeutung externer Unterstützung für die Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen, nach Unternehmensgröße*
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Kleinstunternehmen
Kleine Unternehmen
Mittlere Unternehmen
* Nur Unternehmen mit Weiterbildungsaktivitäten.
Von 0 (Unterstützung hat keine Bedeutung) bis 100 (Unterstützung hat sehr große Bedeutung).
Quelle:
IKEI u. ENSR, Training Processes in SMEs: Practices, Problems and Requirements (Weiterbildungsprozesse in KMU: Maßnahmen, Probleme und Anforderungen), Projekt finanziert durch das
Leonardo-Programm, Donostia-San Sebastián, 1997.
Dieses Kostenproblem wird zum Teil dadurch verstärkt, daß KMU das bestehende
Weiterbildungsangebot als zu theoretisch und kaum KMU-orientiert betrachten
und daher zunehmend nach speziell auf sie zugeschnittenen Angeboten suchen
(die offensichtlich wesentlich teurer sind als standardisierte Lehrgänge)1.
Weitere bedeutende externe Barrieren sind etwa der Verwaltungsaufwand2 und
der Mangel an Transparenz auf dem Großteil der europäischen Märkte für Ausund Weiterbildung. Diese sind durch eine Vielfalt von Institutionen und Lehrgängen gekennzeichnet, die es KMU, die nicht über die Ressourcen oder die
Zeit für eine entsprechende Analyse verfügen, erschwert, den nötigen Überblick
zu gewinnen3. Dieses Problem wird durch den Umstand verstärkt, daß KMU
häufig Schwierigkeiten haben, ihren Weiterbildungsbedarf und ihre Anforderungen an Kurse oder ein Weiterbildungsprogramm vorherzusehen und genau
zu definieren. KMU sind deshalb in Bezug auf die Weiterbildung eher reaktiv als
1
Bernard Brunhes Consultants, Le développement de la formation continue dans les
petites et moyennes entreprises. Analyse comparative des dispositifs allemands et français
(Entwicklung der beruflichen Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen. Eine
vergleichende Analyse deutscher und französischer Instrumente), La lettre du Groupe
Bernard Brunhes, Nr. 34, Paris, Mai 1997.
2
AGEFOS-PME, Perspectives 99. L’emploi et la formation dans les PME (Perspektiven
1999. Beschäftigung und Weiterbildung in KMU), Paris, 1998.
3
Keep, E., Mayhew, K., The British System of Vocational Education and Training: A Critical
Analysis (Das britische System der beruflichen Aus- und Weiterbildung: Eine kritische
Analyse), Oxford: Oxford University Press, 1995.
330
Berufliche Bildung und KMU
proaktiv1. Diese Haltung weist auf die Notwendigkeit externer Beratung und Anleitung bei der Formulierung des Bildungsbedarfs in KMU hin2.
9.3
Weiterbildungsaktivitäten für Manager und
Eigentümer von KMU
Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit beruflicher Weiterbildung von KMU-Managern und Eigentümern3. Dieser Punkt ist insofern von Interesse, als üblicherweise
der beruflichen Weiterbildung der Arbeitnehmer die größte Aufmerksamkeit
gewidmet wird. Tatsächlich sind die verfügbaren empirischen Informationen zur
Weiterbildung von KMU-Führungskräften auf europäischer Ebene sehr begrenzt.
Allerdings sollte die Schlüsselrolle nicht übersehen werden, die der Unternehmer –
sehr häufig ist dieser zugleich Eigentümer und Geschäftsführer – für die Entwicklung des KMU4 spielt. Es ist kaum überraschend, daß gemäß einer niederländischen Untersuchung die Teilnahme von KMU-Arbeitnehmern an beruflicher
Weiterbildung in hohem Maß von der Qualifikation der Unternehmer abhängt,
insbesondere von deren unternehmerischen und Managementfähigkeiten5.
Die verfügbaren empirischen Untersuchungen6 deuten zunächst darauf hin, daß
Führungskräfte von KMU in geringerem Ausmaß an Weiterbildungsaktivitäten
beteiligt sind als andere Beschäftigtenkategorien. Der ENSR Enterprise Survey 1999
zeigt weiterhin, daß der Anteil weitergebildeter Führungskräfte direkt mit der
Unternehmensgröße zusammenhängt, wobei dieser Anteil 19 % in den europäischen Kleinstunternehmen, 23 % in den kleinen und 33 % in den mittleren Unternehmen beträgt (siehe Abbildung 9.5).
Im allgemeinen scheinen Führungskräfte von KMU gegenüber ihrer eigenen Weiterbildung eine positive Einstellung zu haben. Einige Beispiele: Schweizer Manager
vertreten die Ansicht, daß Weiterbildung für Managementpersonal auf dem Gebiet
der Unternehmensführung von höchster Bedeutung sei, um bestehende Stärken zu
erhalten oder zu verbessern7. Für 75 % der britischen geschäftsführenden
Eigentümer ist Management-Fortbildung wichtig für den Unternehmenserfolg8, und
mehr als die Hälfte einer Stichprobe irischer Unternehmen erachtet Management-
1
Bernard Brunhes Consultants, Le développement de la formation continue dans les
petites et moyennes entreprises. Analyse comparative des dispositifs allemands et français
(Entwicklung der beruflichen Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen. Eine
vergleichende Analyse deutscher und französischer Instrumente), La lettre du Groupe
Bernard Brunhes, Nr. 34, Paris, Mai 1997.
2
Dänische Agentur für Industrie und Handel, The Role and Opportunities of the CVT
System in the Danish Innovative System (Rolle und Chancen des Systems der beruflichen
Weiterbildung für das dänische Innovationssystem), Kopenhagen, Juli 1997.
3
In diesem Abschnitt fallen Unternehmenseigentümer ebenfalls unter die Bezeichnung
„Manager” bzw. „Führungskräfte”.
4
Eine Diskussion dieses Themas findet sich in Kapitel 5 des Vierten Jahresberichts des
Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU.
5
Van den Tillaart, H., Warmerdam, J., Sectoral training policies towards small and
medium-sized enterprises (Sektorale Weiterbildungspolitik für kleine und mittlere Unternehmen), ITS, Nijmegen, 1997.
6
Siehe dazu die Literaturverweise in Abschnitt 9.2.
7
Aschoff, U., Nutzung von Weiterbildungsangeboten und Implementierung von Weiterbildungsinhalten für KMU Führungskräfte im internationalen Vergleich, Dissertation,
Universität St. Gallen, 1995.
8
Barclays Bank Small Business Survey (Untersuchung der Barclays Bank über kleine Unternehmen), London, Mai 1998.
331
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Abbildung 9.5 Anteil der europäischen KMU mit Weiterbildungsaktivitäten für deren
Führungskräfte, in Prozent, nach Unternehmensgröße, Europa-19
35
30
25
20
15
10
5
0
Kleinstunternehmen
Kleine Unternehmen
Mittlere Unternehmen
Die Daten beziehen sich ausschließlich auf Unternehmen mit BWB-Aktivitäten.
Quelle:
ENSR Enterprise Survey 1999.
training als bedeutend für den Erfolg des Unternehmens1. Allerdings könnte diese
positive Einstellung gegenüber der Weiterbildung in gewisser Weise vom Bildungshintergrund abhängen. So meinen „Selfmade-Unternehmer” meist, ihr Wissen durch
praktische Arbeit und Erfahrung zu erwerben2, zeigen jedoch im Vergleich zu
Führungskräften und Unternehmern mit hohem Ausbildungsniveau eine geringere
Bereitschaft, auf externe Weiterbildung zurückzugreifen3.
Weiterbildung für Unternehmer und Führungskräfte von KMU muß Rücksicht auf
deren spezifische persönliche Bedürfnisse nehmen, um wirklich attraktiv zu sein. So
haben KMU-Führungskräfte eine eher kurzfristige Perspektive in bezug auf die
Weiterbildung, da die schnelle Umsetzung der erworbenen Kenntnisse und Ergebnisse in der täglichen Arbeit eine Voraussetzung für ihre Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme ist4. Daten deutscher Weiterbildungseinrichtungen weisen
darauf hin, daß KMU-Führungskräfte mehrheitlich nur dann an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, wenn sie sich konkreten Problemen gegenübersehen5.
1
Burke, T., Management Development: Final Report (Managemententwicklung: Endbericht), EU Structural Funds Industry Evaluation Unit, Dublin, 1996.
2
Cannon, F., Business Driven Management Development: Developing Competencies
which Drive Business Performance (Unternehmensorientierte Managemententwicklung:
Entwicklung von Kompetenzen zur Steuerung des Unternehmenserfolgs), Journal of European Industrial Training, 19:2, 1995, und Gibb, A.A., Small Firms’ Training and Competitiveness - Building Upon the Small Business as a Learning Organisation (Weiterbildung und
Wettbewerbsfähigkeit kleiner Unternehmen - Der Ansatz des kleinen Unternehmens als
lernende Organisationen), International Small Business Journal, 15:3, 1997.
3
CEDEFOP, Estrategias para el Acceso de los Empresarios de las Pyme a la Formación
(Strategien für den Zugang von KMU-Führungskräften zur Weiterbildung), Berlin, 1994.
4
Aschoff, U., Nutzung von Weiterbildungsangeboten und Implementierung von Weiterbildungsinhalten für KMU-Führungskräfte im internationalen Vergleich, Dissertation,
Universität St. Gallen, 1995.
5
O.V., Paßgenaue Konzepte sind gefragt, Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, in: idw
Nr. 5 vom 4.2.1999.
332
Berufliche Bildung und KMU
Dieser kurzfristige Ansatz führt in einigen Ländern (z. B. Finnland) zu immer stärker
maßgeschneiderten Inhalten und Programmstrukturen, um den Bedürfnissen eines
bestimmten Teilnehmers bzw. einer bestimmten Organisation zu entsprechen1.
Darüber hinaus weisen mehrere französische Studien2 darauf hin, daß für KMU-Unternehmer auch andere Methoden als formell organisierte Weiterbildung bedeutend
sind, um Kenntnisse und Kompetenzen zu erwerben, so z. B. die Inanspruchnahme
externer Beratung, Netzwerke und Unternehmervereinigungen. Dieses Ergebnis wird
durch Untersuchungen im Vereinigten Königreich3 und in den Niederlanden4
bestätigt, nach denen geschäftsführende Firmeneigentümer gerne aus dem Erfahrungsaustausch mit anderen Führungskräften lernen. Diese informellen Methoden, sei
es im Austausch mit Kollegen aus der gleichen oder aus anderen Branchen, werden
von Unternehmern und Führungskräften von KMU sehr geschätzt5.
Geschäftsführende Eigentümer von KMU sehen sich bei der Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen Schwierigkeiten und Hindernissen gegenüber, die die
geringere Häufigkeit der Inanspruchnahme von – insbesondere formell organisierter
– Weiterbildung durch diese Personengruppe erklären könnten. Diese Barrieren
lassen sich ebenso wie im vorhergehenden Abschnitt in „unternehmensinterne”
und „unternehmensexterne” aufteilen.
Innerhalb der unternehmensinternen Barrieren bezieht sich das vielleicht größte
Hindernis auf die zentrale Rolle, welche die meisten Führungskräfte und Unternehmer für ihre Organisation spielen. Die meisten Unternehmer und Führungskräfte von KMU haben Schwierigkeiten mit dem Delegieren von Aufgaben und
aufgrund von Zeitmangel6, da sie dem Unternehmen nicht zu lange fernbleiben
können. Beispielsweise haben Schweizer KMU-Manager mit Arbeitsüberlastung –
durchschnittlich 55,8 Arbeitsstunden pro Woche – zu kämpfen7. Es überrascht
daher nicht, daß Schweizer Führungskräfte ihre Weiterbildungsaktivitäten, wenn
möglich, auf die Wochenenden beschränken.
Diese mit der Delegation von Aufgaben und mit Zeitmangel verbundenen Probleme,
bestätigen sich bei einem Blick auf die Anzahl der Tage, die geschäftsführende Firmeneigentümer im Vereinigten Königreich der externen Weiterbildung widmen
(siehe Tabelle 9.7). Die Daten zeigen, daß diese Führungskräfte um so mehr Tage für
externe Weiterbildung nützen, je größer das betreffende Unternehmen ist8.
1
Hytti, U., Yliopistollisen täydennyskoulutuksen strategiat ja kilpailuvaltit (Strategien und
Wettbewerbsvorteile in der Weiterbildung durch Universitäten), Publikationen der Turku
School of Economics and Business Administration, C 3/1999, Turku, 1999.
2
Diese Studien sind zusammengefaßt in Ducheneaut, B., Les dirigeants de PME (KMUFührungskräfte), Ed. MAXIMA, Paris, 1996.
3
Stanworth, J., Gray, C. (Hrsg.), Bolton 20 years on (20 Jahre Bolton), in: The Small Firm
in the 1990s (Das Kleinunternehmen in den neunziger Jahren), Paul Chapman Publishing,
London, 1991.
4
Nieuwenhuis, A.F.M., Steijvers, J.R.L., Opleiding en ontwikkeling (Ausbildung und
Entwicklung), 1995.
5
The Foundation for Manufacturing and Industry et al., The Middle Market - How They
Perform: Education, Training and Development (Der ‘mittlere’ Markt - wie er sich entwickelt:
Ausbildung, Weiterbildung und Entwicklung), Gemeinschaftsbericht der Foundation for
Manufacturing and Industry, Coopers & Lybrand und Warwick Business School, 1997.
6
Ducheneaut, B., Les dirigeants de PME (KMU-Führungskräfte), Ed. MAXIMA, Paris, 1996.
7
Füglistaller, U., KMU und ihre Dienstleistungen, Schweizerisches Institut für gewerbliche
Wirtschaft, St. Gallen, 1998.
8
Curran, J., et al., Establishing Small Firms’ Training Practices, Needs, Difficulties and Use
of Industry Training Organisations (Ausbildungsmethoden, Bedarf, Schwierigkeiten und die
Inanspruchnahme von Bildungs-Organisationen in kleinen Unternehmen), DfEE Research
Studies RS17, HMSO, London, 1996.
333
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Tabelle 9.7
Zahl der für externe Weiterbildung geschäftsführender Firmeneigentümer
in den letzten 12 Monaten genutzten Tage, Verteilung der Unternehmen
in Prozent, nach Unternehmensgröße, Vereinigtes Königreich
Anzahl der Beschäftigten
1-9 Beschäftigte 10-24 Beschäftigte 25-49 Beschäftigte 50-199 Beschäftigte
1 Tag oder weniger
2-5 Tage
6-15 Tage
Mehr als 15 Tage
Weiß nicht/Keine Angabe
Quelle:
23 %
48 %
20 %
4%
6%
26 %
39 %
36 %
9%
1%
10 %
48 %
29 %
13 %
0%
8%
48 %
34 %
8%
2%
Curran, J., et al., Establishing Small Firms’ Training Practices, Needs, Difficulties and Use of Industry Training Organisations (Ausbildungsmethoden, Bedarf, Schwierigkeiten und die Inanspruchnahme von
Bildungs-Organisationen in kleinen Unternehmen), DfEE Research Studies RS17, HMSO, London, 1996.
Außerdem können die meisten Unternehmer und Führungskräfte von KMU die
Geschäftsentwicklung nicht mit Sicherheit vorhersehen, und sind daher selten bereit,
sich Monate im vorhinein für einen Lehrgang einzuschreiben1. Dies führt offensichtlich zu einer Nachfrage nach kurzen und flexiblen Veranstaltungen, die – wenn
möglich – innerhalb des Unternehmens stattfinden. So zeigt beispielsweise eine 1996
unter geschäftsführenden Firmeneigentümern im Vereinigten Königreich durchgeführte Erhebung2, daß 75 % der Führungskräfte in den letzten 12 Monaten an Weiterbildungsveranstaltungen teilgenommen hatten. Diese Veranstaltungen erfolgten
meist im Unternehmen, nur 33 % der Eigentümer besuchten externe Kurse.
Es gibt noch einige weitere interne Barrieren, die es Führungskräften erschweren,
Management-Fortbildung in Anspruch zu nehmen. Diese haben vor allem mit der
persönlichen Einstellung der Unternehmer und Manager zum Thema Weiterbildung
– wie sie bereits weiter oben in diesem Kapitel dargelegt wurde – zu tun. Beispiele
für solche internen Barrieren sind etwa bereits gemachte negative Erfahrungen,
Skepsis bezüglich des Nutzens der Weiterbildung oder das vermeintliche Risiko, daß
die geschulten Führungskräfte von anderen Unternehmen abgeworben werden3.
Schließlich sind KMU-Führungskräfte auch von einigen der externen Barrieren, die
den Zugang von Arbeitnehmern zur Weiterbildung behindern, betroffen. Beispiele
dafür sind etwa der Mangel an Information für die Auswahl geeigneter Kurse oder der
Mangel an für KMU relevanten Veranstaltungen und geeigneten Anbietern4. Dagegen
scheinen die Kosten als Barriere für die Weiterbildung von Führungskräften weniger
relevant (obwohl zweifellos wichtig) zu sein. So weisen empirische Untersuchungen in
Deutschland darauf hin, daß für Unternehmer und Führungskräfte von KMU Dauer
und Ort der Lehrgänge entscheidender sind als der Preis der Veranstaltungen5. Für
1
Aschoff, U., Nutzung von Weiterbildungsangeboten und Implementierung von Weiterbildungsinhalten für KMU-Führungskräfte im internationalen Vergleich, Dissertation,
Universität St. Gallen, 1995.
2
Curran, J., et al., Establishing Small Firms’ Training Practices, Needs, Difficulties and Use
of Industry Training Organisations (Ausbildungsmethoden, Bedarf, Schwierigkeiten und die
Inanspruchnahme von Bildungs-Organisationen in kleinen Unternehmen), DfEE Research
Studies RS17, HMSO, London, 1996.
3
Burke, T., Management Development: Final Report (Managemententwicklung: Endbericht), EU Structural Funds Industry Evaluation Unit, Dublin, 1996.
4
Storey and Westhead, Management Training and Small Firm Performance: A Critical
Review (Managementtraining und Entwicklung kleiner Unternehmen: Eine kritische Übersicht), Warwick Business School Centre for SMEs, Working Paper Nr. 18, 1994.
5
O.V., Nicht alle sind wissensdurstig, Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, in: idw Nr.
13 vom 1.4.1999, Köln.
334
Berufliche Bildung und KMU
niederländische Manager und Unternehmer ist außerdem auch bedeutsam, daß in
dem Lehrgang berufsspezifische Themen angesprochen werden und/oder der
Trainer über praktische Erfahrung im betreffenden Beruf verfügt1.
9.4
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und Weiterbildung in KMU
Die Entwicklung und immer weiter verbreitete Anwendung der sogenannten Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ist wahrscheinlich eines der
Hauptmerkmale unserer modernen Gesellschaft, obwohl, wie die Europäische
Kommission hervorhebt, die Geschwindigkeit, mit der diese Technologien eingeführt werden, in den verschiedenen Ländern, Regionen, Sektoren, Branchen und
Unternehmen sehr unterschiedlich ist2.
Die IKT haben verschiedene, tiefgreifende Auswirkungen auf die allgemeine und
berufliche Bildung:
• Einerseits verändern die IKT die Arbeitsorganisation innerhalb der Unternehmen
sowie die Struktur der Fähigkeiten und Qualifikationen, die heute von den
Unternehmen benötigt werden3. Unser durch ständige Innovation gekennzeichnetes gegenwärtiges technologisches Umfeld verlangt Arbeitgebern wie
Arbeitnehmern permanente Lernfähigkeit ab, was auch dazu führt, daß gewisse
nicht ausreichend qualifizierte Gruppen Gefahr laufen, allmählich aus dem
Arbeitsmarkt und somit aus der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden4.
• Andererseits bieten IKT neue Chancen als Instrumente der Weiterbildung.
Beispiele für diese neuen Chancen sind etwa gemeinschaftliches und interaktives
Lernen mit multimedialen Unterrichtsinstrumenten oder die Möglichkeit des weltweiten Zugriffs auf große Informationsmengen über Datennetzwerke5. Außerdem
werden IKT heute als wirkungsvolles Weiterbildungsinstrument für Gruppen
betrachtet, die nur schwer Zugang zu gängigen Lernmethoden finden6. Beispiele
für solche Gruppen sind etwa Behinderte, Kranke oder in anderer Form an das
Haus gebundene Menschen, schlecht qualifizierte Jugendliche, Menschen in
abgelegenen Gebieten oder – was interessant aus der Sicht von KMU ist –
Beschäftigte in Unternehmen, die nicht über firmeninterne Weiterbildungseinrichtungen verfügen7, sowie KMU-Führungskräfte, die wenig Zeit für Weiterbildung
haben.
1
Nieuwenhuis, A.F.M., Steijvers, J.R.L., Opleiding en ontwikkeling (Ausbildung und
Entwicklung), 1995.
2
Europäische Kommission, Grünbuch - Leben und Arbeiten in der Informationsgesellschaft: Im Vordergrund der Mensch? KOM(96) 389 endg., Brüssel, 1996.
3
Europäische Kommission, Eine europäische Informationsgesellschaft für alle. Abschlußbericht der Gruppe hochrangiger Experten, Brüssel, April 1997.
4
Europäische Kommission, Die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Informationsgesellschaft: Nutzung des Potentials der Informationsrevolution, Bericht an den Europäischen
Rat, KOM(98) 590 endg., Brüssel, 1998.
5
Europäische Kommission, Working Document on the Social and Societal Aspects of the Information Society (Arbeitspapier über die sozialen und gesellschaftlichen Aspekte der Informationsgesellschaft), Brüssel, 1995. Siehe auch Europäische Kommission, Technologies for Knowledge and Skills Acquisition, Proposal for a Research Agenda (Technologien zur Aneignung von
Wissen und Fähigkeiten, Vorschlag für ein Forschungsprogramm), Oktober 1997. Dieses Dokument ist unter: http://www2.echo.lu/telematics/education/en/interact/bul_5th2.html#tech2
(Stand am 24. Juli 1999) zu finden.
6
UNEVOC, Vocational Education and Training in Europe on the Threshold of the 21st
Century (Berufliche Aus- und Weiterbildung in Europa an der Schwelle zum 21. Jahrhundert), UNESCO, Berlin, 1999.
7
Wie in einem der vorhergehenden Abschnitte ausgeführt, ist der Mangel an unternehmensinternen Einrichtungen für Weiterbildung typisch für die meisten europäischen KMU.
335
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Der Einsatz von IKT bietet enorme Chancen für Unterrichtende und Lernende, nicht
nur in traditionellen Kursformen, sondern insbesondere für Menschen in anderen
Lernumfeldern wie etwa im Fernunterricht (siehe Tabelle 9.8). In letztgenanntem
Bereich kann eine Vielzahl von IKT eingesetzt werden, wie etwa sprachbasierte
Technologien (Echtzeit, Voice-Mail), Videotechnologien (Bänder, Live-Übertragung,
Kabelfernsehen, Telekonferenzen), CD-ROMs und interaktive Instrumente auf
Compact-Disk, computergestützte Technologien und schließlich das Internet1.
Tabelle 9.8
Die wichtigsten Vor- und Nachteile des Fernunterrichts für Unternehmen
Die wesentlichsten Vorteile:
• Organisatorische Aspekte wie flexible Zeiteinteilung, Dezentralisierung des Lernprozesses
außerhalb des Unterrichtsorts, ständige Verfügbarkeit der Lehrgänge oder die Möglichkeit,
auch geographisch verstreute Teilnehmergruppen zu erreichen;
• Geringere Kosten aufgrund des geringeren Zeitaufwandes für Reisen von und zum Unterrichtsort, niedrigerer Transferkosten (Reise, Unterkunft, etc.) und der Möglichkeit, eine große
Zahl an Personen auf Basis einer fixen Investition in das Design des Kurses weiterzubilden. Zu
diesem Zweck sollte sich freilich der Inhalt nicht ändern und der Kurs von einer großen Anzahl
von Unternehmen genutzt werden.
• Unterrichtsbezogene Aspekte wie die gleichzeitige Vermittlung der Inhalte an alle Teilnehmer,
Anpaßbarkeit an unterschiedliche Gewohnheiten und Lernrhythmen, Möglichkeit einer auf
den Lernenden zugeschnittenen Form des Unterrichts und des Eingehens der Trainer auf den
einzelnen Teilnehmer.
Die wesentlichsten Nachteile:
• Schwierigkeiten beim vertiefenden Studium bestimmter Lerninhalte;
• Schwierigkeiten beim Gedanken- und Ideenaustausch sowie Isolationsprobleme. Diese
Probleme werden teilweise durch die neuen Kommunikationstechnologien beseitigt.
• Schwierigkeiten bei der Schaffung von Feed-back-Mechanismen;
• Schwierigkeiten in der Erreichung von Lernzielen im Bereich von sozialen oder praktischen
Fähigkeiten;
• Schwierigkeiten gering qualifizierter Arbeitskräfte und schwach motivierter Teilnehmer, mit
dem Lernstoff Schritt zu halten;
• Die gegenwärtig nur geringe Menge an Unterrichtsmaterialien, die auf die Weiterbildungsbedürfnisse von Unternehmen zugeschnitten sind. Daraus entsteht die Notwendigkeit maßgeschneiderte, aber kostspielige Lernmaterialien anzuschaffen.
Quelle:
AECS (Association of European Correspondence Schools), XV European Congress of Distance Training, Minutes Book (XV. Europäischer Kongreß für Fernunterricht, Konferenzdokumentation),
1996, entnommen aus: Rubio Hurtado, M., und Escofet Roig, A., La Formación a Distancia en la
Pequeña y Mediana Empresa. Usos y Posibilidades (Fernunterricht in KMU, Anwendungen und
Möglichkeiten), in: Capital Humano, Nr. 118, 1999.
Darüber hinaus führt die Verschmelzung zwischen Multimedia- und Telekommunikationstechnologien zu vielfältigen Möglichkeiten im Bereich des Fernunterrichts
wie etwa interaktive Klassen, laufende Aktualisierung der Lernmaterialien, auf dem
Fernweg abgehaltene Prüfungen, etc2. In den letzten Jahren wurden beträchtliche
1
Neue Entwicklungen im IKT-Bereich werden auch in Kapitel 5 dieses Berichts behandelt.
Auch die Europäische Kommission hat sich mit den von den IKT im Weiterbildungsbereich
eröffneten Möglichkeiten befaßt. So hat die Kommission innerhalb des 4. Rahmenprogramms
für Forschung und technologische Entwicklung das Programm „Telematikanwendungen”
eingerichtet. Eine der wichtigsten Aktionslinien war das Teilprogramm „Aus- und Weiterbildung”, das das Ziel verfolgte, die Verbesserung des Zugangs zum lebensbegleitenden Lernen
für Unterrichtende, Lernende, Ausbilder und Auszubildende gleichermaßen durch den Einsatz
der neuen Technologien zu unterstützen. Das 5. Rahmenprogramm (1998-2002) beinhaltet
die Leitaktion III, „Multimedia-Inhalte und -Werkzeuge”, mit denselben Zielsetzungen.
2
336
Berufliche Bildung und KMU
Fortschritte in der Quantität und Qualität des Angebots an Multimediaprodukten
und -dienstleistungen für die allgemeine und berufliche Bildung gemacht1, wobei
diese Produkte in einigen Fällen auch von den KMU selbst entwickelt wurden2.
Fallstudie eines KMU, das erfolgreich neue, interaktive Lernprodukte entwickelt
Boxer Technology AS in Kristiansand, Norwegen, ist ein Unternehmen mit 40 Beschäftigten, das auf die Entwicklung von IT-gestützten Programmen für interaktives Lernen
spezialisiert ist. Der Ausgangspunkt waren speziell für Großunternehmen in der
Ölbranche, Schiffahrt und Luftfahrt entwickelte Simulationsprogramme. Das gegenwärtige Produktsortiment enthält auch standardisierte Lernprogramme für Softwareanwendungen, die von großen wie kleinen Unternehmen eingesetzt werden.
Quelle:
Agder Research Foundation.
Es liegen nur wenige veröffentlichte Informationen bezüglich des Einsatzes von IKT zu
Weiterbildungszwecken in KMU vor, wobei der Großteil dieser Informationen als „theoretisch” bezeichnet werden kann3. Dennoch haben sich verschiedene Studien mit dem
Thema auch aus empirischer Perspektive beschäftigt. Daten aus Dänemark zeigen, daß
die Nutzung von IKT für Fernunterricht und Selbststudium direkt mit der Unternehmensgröße zusammenhängt, wobei der Einsatz von IKT für die Weiterbildung mit der
Firmengröße zunimmt4. Die Mehrzahl der dänischen Unternehmen stellte fest, daß
ihre Erwartungen an die Anwendung von IKT für die Weiterbildung erfüllt wurden.
Mehrere österreichische und britische Studien zeigen, daß KMU stark daran interessiert sind, Computer-Based Training (CBT) in ihren Unternehmen einzuführen.
So sind gemäß der österreichischen Studie 74 % der befragten KMU an CBT interessiert (vor allem wegen der Vorteile im Zusammenhang mit Fernunterricht),
obwohl nur 18 % in der Stichprobe CBT bereits verwendet und erst 7 % CBT an
ihrem Firmenstandort eingesetzt haben5.
Der Größeneffekt ergibt sich zum Teil aus der Tatsache, daß Kleinunternehmen
beim Einsatz von IKT als Hilfsinstrument6 im allgemeinen zurückliegen, wobei die
meisten KMU Informations- und Kommunikationstechnologien lediglich für grundlegende Funktionen wie Textverarbeitung oder Finanzverwaltung einsetzen. Die
Mehrzahl der KMU zieht daher Weiterbildung durch IKT zwar theoretisch in Erwägung, wendet es in der Praxis aber kaum an. Außerdem muß auf die bestehenden
1
SCIENTER, Multimedia Educational Software Observatory (MESO), Final Report - European
Overview (Multimedia Lern-Software, Endbericht - Überblick Europa), GD XXII, Brüssel, 1998.
2
Fournet, M., Bedin, V., L’Ingénierie de Formation entre Traditionalisme et Modernisme
(Gestaltung der Bildung zwischen Traditionalismus und Moderne), Formation Emploi, Nr.
63, Paris, 1998.
3
Siehe dazu etwa Straka, G., Stöckl, M., New Learning Formats and Venues in the Context
of Information and Communication Technologies (Neue Muster und Orte des Lernens im
Kontext der Informations- und Kommunikationstechnologien), in: CEDEFOP, Vocational Education and Training - The European Research Field, Background Report, Thessaloniki, 1998.
4
Information technology for training purposes in private enterprises (Informationstechnologie für Weiterbildung in der Privatwirtschaft), Erhebung durchgeführt von IFKA für Centre
for Technology Supported Learning, Februar 1999. Diese Fragebogenerhebung wurde
unter einer repräsentativen Auswahl dänischer Privatunternehmen durchgeführt.
5
„Tele-Lernen”, unveröffentlichter Bericht, Dezember 1996 - November 1997, TelelernenProjekt, S. 11.
6
Für eine ausführliche Diskussion dieses Themas siehe Kapitel 8 über Informationstechnologien in KMU im Vierten Bericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für KMU, Zoetermeer, 1996.
337
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
nationalen Unterschiede hinsichtlich des Zugangs zu Computern hingewiesen
werden1, ein Aspekt der deren Einsatz für die Weiterbildung natürlich beeinflußt.
KMU führen mehrere Barrieren für den Einsatz von IKT für Fernunterricht und
Selbststudium ins Treffen. Für die österreichischen KMU2 scheinen neben den technischen Schwierigkeiten in Zusammenhang mit den Lernprogrammen insbesondere
die Probleme der sozialen Isolation und des Mangels an menschlichen Kontakten3
große Bedeutung zu haben. Hingegen sehen die britischen KMU4 vor allem in den
hohen Kosten von IKT, der schwierigen Unterscheidbarkeit zwischen den vielen
Anbietern5 und den häufigen technologischen Veränderungen6 die größten Hindernisse. Umgekehrt geben dänische KMU, die IKT nicht für Weiterbildungszwecke
eingesetzt haben, an, daß ihre Entscheidung eine in hohem Maß bewußte Wahl
darstelle, da ihre Weiterbildungsbedürfnisse besser auf andere Art und Weise abgedeckt würden und wirtschaftliche Hindernisse nicht entscheidend seien7.
Portugiesische Fallstudie zum erfolgreichen Einsatz von IKT in der KMU-Weiterbildung
Die Initiative ‘Formação à Distância’ (Fernunterricht) im Rahmen des Unterprogramms
‘Formação PME’ (KMU-Weiterbildung), das von AIPortuense (Industrieverband Porto)
betreut wird, ist eine interessante Fallstudie über den erfolgreichen Einsatz der Informationstechnologie für Weiterbildungszwecke in KMU.
Die eine Vielzahl von Themen (z. B. Zeitmanagement, Verkauf, Finanzverwaltung,
Qualitätssysteme oder Arbeitsbedingungen) umfassenden Lehrgänge, werden jeweils rund
um eine Teilnehmergruppe organisiert. Die Lehrgänge beinhalten eine Einführungsveranstaltung, bei welcher der Lehrgang vorgestellt und die Formen der Teilnahme und
Kommunikation erklärt werden, eine Online-Konferenz zwischen Teilnehmern und Trainer,
ein Kommunikationssystem zwischen Trainer und Teilnehmern sowie eine Abschlußveranstaltung mit Kursevaluierung. Das Kommunikationssystem ermöglicht Rückmeldungen im
Unterrichtsprozeß mittels elektronischer Post. Jeder Lehrgang enthält eine interaktive
Multimedia-CD-ROM, ein Lernvideo und ein Lehrbuch als Unterrichtsmaterialien.
Quelle: Associação Empresarial de Portugal.
1
Eine ausführliche Diskussion dieser Frage findet sich in: OECD, Information Technology
Outlook 1997 (Informationstechnologie - Ein Ausblick), Paris, 1997. Auch Kapitel 5 des
vorliegenden Berichtes befaßt sich mit einigen Aspekten dieses Themas.
2
Thum-Kraft, M., Einsatz neuer Medien in der betrieblichen Weiterbildung, in: Institut für
Bildungsforschung der Wirtschaft, Lebensbegleitendes Lernen - Aktuelle Beiträge zur beruflichen Weiterbildung in Österreich, Wien, 1997.
3
Dieser Punkt ist insofern bedeutsam, als ein Hauptvorteil der neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien mit der Erwartung verbunden ist, daß Form, Ausmaß und
Radius der möglichen Sozialkontakte dadurch zunehmen sollten. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die persönliche Interaktion durch „parasoziale Interaktion” in den neuen
Medien ersetzt werden kann. Diese Überlegung findet sich in Straka, G., Stöckl, M., New
Learning Formats and Venues in the Context of Information and Communication Technologies (Neue Muster und Orte des Lernens im Kontext der Informations- und Kommunikationstechnologien), in: CEDEFOP, Vocational Education and Training - The European Research Field, Background Report, Thessaloniki, 1998.
4
Howard, K., IT Means Business? A Survey of Attitudes in Smaller Businesses to Information
and Technology (Bedeutet IT geschäftlichen Erfolg? Eine Erhebung über die Einstellung kleinerer Unternehmen zu Information und Technologie), Institute of Management, 1997.
5
Dieses Ergebnis wird auch in Kailer, N. (Hrsg.), Innovative Weiterbildung durch Computer
Based Training - Ergebnisse einer europaweiten Studie, Wien, Signum, 1998, bestätigt.
6
Es überrascht daher nicht, daß bis zu 21 % der britischen KMU meinen, die sich aus IT
ergebenden Vorteile würden überschätzt.
7
Information technology for training purposes in private enterprises (Informationstechnologie für Weiterbildung in der Privatwirtschaft), Erhebung durchgeführt von IFKA für Centre
for Technology Supported Learning, Februar 1999.
338
Berufliche Bildung und KMU
Isländische Daten weisen auf mehrere bedeutende Barrieren für die Verbreitung
von IKT im allgemeinen hin1. Diese Hindernisse umfassen etwa den eingeschränkten Zugang und die begrenzten Kenntnisse der Kunden in technischen
Fragen, die bestehenden technischen Schwierigkeiten in bezug auf die Geschwindigkeit der Kommunikation, die Verfügbarkeit der geeigneten Infrastruktur, die
hohen Kosten des IKT-Einsatzes, den geringen Umfang an Lehrbüchern und
schließlich den Mangel an Lehrkräften. Desweiteren weisen andere Autoren auf die
Hindernisse in Zusammenhang mit dem Erwerb der erforderlichen Kenntnisse für
die erfolgreiche Nutzung von IKT (als Teilnehmer wie als Lehrkraft) hin2.
Der ENSR Enterprise Survey 1999 liefert einige interessante Informationen über den
Einsatz von IKT zu Weiterbildungszwecken. Hauptsächlich werden traditionelle
Instrumente wie schriftliche Unterlagen und Bücher von den europäischen KMU zur
Weiterbildung ihrer Mitarbeiter verwendet, während andere, neue und innovativere
Instrumente weniger verbreitet sind (siehe Tabelle 9.9). Bis zu 66 % der befragten, in
beruflicher Weiterbildung aktiven europäischen KMU verwenden schriftliche Unterlagen für die Weiterbildung, während dieser Prozentsatz bei anderen, innovativeren
Medien wie Videos, CD-ROMs oder Internet weit geringer ist (24 %, 25 % bzw.
22 %)3. Allerdings scheinen die neuen innovativen Medien wie Internet und CDROMs, aus der Perspektive der Entwicklungsdynamik, im Vergleich zu den traditionellen Weiterbildungsinstrumenten immer mehr an Bedeutung zu gewinnen4.
Tabelle 9.9
Einsatz verschiedener Medien durch KMU für die Weiterbildung,
Europa-19
Größenklasse
Internet
0 Beschäftigte
1-9 Beschäftigte
10-49 Beschäftigte
50-249 Beschäftigte
Gesamt
20
22
26
23
22
%
%
%
%
%
CD-ROM
24
25
30
34
25
%
%
%
%
%
Video
16
26
32
39
24
%
%
%
%
%
Schriftliche
Unterlagen
65
66
65
66
66
%
%
%
%
%
Weiß nicht/
Keine Angabe
24
15
15
12
18
%
%
%
%
%
Anmerkung: Die Daten beziehen sich lediglich auf KMU, die BWB-Aktivitäten durchführen. Die Zeilensumme
kann 100 % übersteigen.
Quelle:
ENSR Enterprise Survey 1999.
Andererseits ist es interessant, daß mit Ausnahme des Internet und herkömmlicher
schriftlicher Unterlagen eine positive Beziehung zwischen der Unternehmensgröße
und dem Einsatz der Medien für die Weiterbildung, etwa bei CD-ROMs oder
Videos, besteht. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, daß KMU in der Anwendung
des Internet heute nicht mehr so wie noch vor einigen Jahren hinter den Großunternehmen nachhinken.
1
VMA (Verkmenntaskólinn á Akureyri), Hör∂ur Ágústsson, Reykjavik, April 1999.
Roberts, J.M., Keough, E.M. (Hrsg.), Why the Information Highway? Lessons from Open
and Distance Learning (Warum der Informations-Highway? Lehren aus dem offenen und
dem Fernunterrricht), Trifolium Books Inc, Toronto, 1995.
3
Dieses Ergebnis wird auch durch eine spanische Studie bestätigt, die zeigt, daß fortschrittliche Telematik-Instrumente für den Fernunterricht von spanischen Unternehmen
kaum eingesetzt werden, während schriftliche Unterlagen weit verbreitet sind. Der geringe
Entwicklungsgrad des CBT-Angebots wird hier als Hauptursache dafür angegeben. Eine
ausführliche Diskussion findet sich in Rubio Hurtado, M., und Escofet Roig, A., La Formación a Distancia en la Pequeña y Mediana Empresa. Usos y Posibilidades (Fernunterricht in
KMU, Anwendungen und Möglichkeiten), in: Capital Humano, Nr. 118, S. 42-48, 1999.
4
Howard, K., IT Means Business? A Survey of Attitudes in Smaller Businesses to Information
and Technology (Bedeutet IT geschäftlichen Erfolg? Eine Erhebung über die Einstellung kleinerer Unternehmen zu Information und Technologie), Institute of Management, 1997.
2
339
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Für diesen Abschnitt kann abschließend die Schlußfolgerung gezogen werden, daß
die neuen Technologien bedeutende Perspektiven für das lebensbegleitende
Lernen und die lebensbegleitende Bildung eröffnen können, falls so viele
Menschen wie möglich Zugang zu ihnen erhalten und sie zu nutzen vermögen.
Allerdings passen sich, wie die Studiengruppe Allgemeiner und Beruflicher Bildung
betont1, die europäischen Aus- und Weiterbildungssysteme nur sehr langsam an
diese neuen Anforderungen und technologischen Innovationen an, insbesondere
soweit KMU betroffen sind. Deshalb muß Europa in den nächsten Jahren verstärkte
Bemühungen und Anstrengungen unternehmen, um den Entwicklungsstand in
anderen fortgeschrittenen Gebieten der Welt wie den USA oder Japan aufzuholen.
9.5
Politische Maßnahmen zur Förderung
beruflicher Weiterbildung in KMU
Die Vielfalt der bestehenden Maßnahmen und Systeme beruflicher Weiterbildung
in Europa ist so groß, daß es äußerst schwierig ist, sich einen klaren allgemeinen
Überblick zu verschaffen2. Diese Vielfalt ergibt sich aus dem Bestehen oder Fehlen
verschiedener Elemente wie gesetzlicher Rahmen und Institutionen, Finanzierungsquellen oder politischer Programme, die auf die Förderung beruflicher Weiterbildung in Unternehmen abzielen. In Anbetracht dieser Situation betont Artikel 127
des Unionsvertrages, daß die EU ihre Aktivitäten auf die Unterstützung der nationalen Politiken der Mitgliedstaaten beschränken sollte. Der Artikel erklärt ausdrücklich, daß die Maßnahmen der Gemeinschaft in keiner Weise die Harmonisierung
der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten vorsehen, deren
Zuständigkeit für die Inhalte von Programmen und die Organisation der Weiterbildung bestätigt wird.
Trotz dieser Unterschiede können verschiedene Trends ausgemacht werden, die
den nationalen Systemen der beruflichen Weiterbildung gemeinsam sind3. Zu
diesen zählen etwa:
• Die Verbindung zwischen beruflicher Erst- und Weiterbildung wird zunehmend
verstärkt – ein Trend, der sich darin widerspiegelt, daß Berufsbildungseinrichtungen vermehrt in beiden Bildungsformen tätig werden.
• Der Anrechnung von Qualifikationen und der Zertifizierung von Kompetenzen
wird verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet, was sowohl die Qualität von
Bildungssystemen erhöhen als auch die Anerkennung von Titeln und Ausbildungen innerhalb und zwischen den europäischen Staaten fördern soll.
• Es besteht der Trend, die Bedeutung des Staates für Finanzierung und Angebot
von Weiterbildungsaktivitäten zu vermindern und die Verantwortung der Sozialpartner und des einzelnen erwachsenen Lernenden zu erhöhen. Zuständigkeiten
und Verantwortung für BWB werden also stärker zum Privatsektor verlagert. Ein
gutes Beispiel dafür ist der Fall Spaniens, wo die Verwaltung der Budgets für BWB
1
Studiengruppe Allgemeiner und Beruflicher Bildung, Europa verwirklichen durch die
allgemeine und berufliche Bildung, Europäische Kommission, Luxemburg, 1997.
2
Eine umfassende Darstellung der bestehenden nationalen Systeme der beruflichen Weiterbildung in den EU-Mitgliedstaaten findet sich in: Europäische Kommission, Continuing Vocational Training: Europe, Japan and the United States of America (Berufliche Weiterbildung:
Europa, Japan und die Vereinigten Staaten von Amerika), Luxemburg, 1997.
3
Münk, D., Lipsmeier, A., Objectives, Realisation and Organisation of Continuing Vocational Education and Training (Zielsetzungen, Umsetzung und Organisation von beruflicher
Aus- und Weiterbildung), in: CEDEFOP, Vocational Education and Training - The European
Research Field, Background Report, Thessaloniki, 1998.
340
Berufliche Bildung und KMU
seit 1993 in der Verantwortung der FORCEM-Stiftung liegt, welche sich aus dem
wichtigsten spanischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaften zusammensetzt.
• Es besteht eine starke Tendenz zur Dezentralisierung und Regionalisierung vor
allem durch die Übertragung von Kompetenzen und Verantwortung von der
zentralen auf die regionale bzw. lokale Ebene. Durch diesen Regionalisierungsprozeß sollen die bestehenden Bildungsangebote und -maßnahmen an die
Bedürfnisse der lokalen Wirtschaft angepaßt werden.
• In Zusammenhang mit dem vorgenannten Punkt steht schließlich, daß die
Systeme der beruflichen Weiterbildung zunehmend auf die Bedürfnisse von
KMU eingestellt werden. So empfiehlt auch die Europäische Kommission, die
KMU in allen Mitgliedstaaten an die Spitze der politischen Agenda zu setzen1.
In ganz Europa besteht eine Anzahl von politischen Programmen und Initiativen zur
Förderung von allgemeiner beruflicher Weiterbildung unter besonderer Berücksichtigung der KMU. So startete die Europäische Kommission 1994 auf europäischer Ebene
das Programm ‘Leonardo da Vinci’ für einen Zeitraum von fünf Jahren, 1995-1999.
Das Programm ‘Leonardo da Vinci’ ist heute das Dachprogramm für die Bildungspolitik der EU. Sein wichtigstes Ziel besteht in der Unterstützung der Entwicklung von
politischen Maßnahmen und innovativen Aktionen in den Mitgliedstaaten, insbesondere von transnationalen Partnerschaften zwischen verschiedenen im Bildungswesen
engagierten Organisationen. Das Programm enthält fünf strategische Prioritäten, und
zwar i) den Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten; ii) die Schaffung engerer
Verbindungen zwischen Schulen und Unternehmen; iii) den Kampf gegen Ausgrenzung; iv) die Förderung von Investitionen in Humanressourcen und schließlich v) den
Einsatz der Informationstechnologie für den Aufbau der Lernenden Gesellschaft.
Auf gesamteuropäischer Ebene sollten zudem die Aktivitäten von CEDEFOP in
Thessaloniki (Griechenland) und der Euröpäischen Stiftung zur Förderung der
beruflichen Bildung (European Training Foundation-ETF) in Turin (Italien) erwähnt
werden. CEDEFOP (Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung) ist
seit 1976 mit der Förderung und Entwicklung der Berufsbildung junger Menschen
und der Weiterbildung Erwachsener befaßt, vor allem durch die europaweite Koordination von Analyse- und Forschungsaktivitäten. Die Euröpäische Stiftung zur
Förderung der beruflichen Bildung soll die Zusammenarbeit und die Koordinierung
der Hilfestellungen in Zusammenhang mit der Reform der Berufsbildungssysteme
in Mittel- und Osteuropa, den Neuen Unabhängigen Staaten und der Mongolei
und seit Juli 1998 in den Ländern des MEDA-Programms fördern.
Im Dezember 1999 hat die Europäische Kommission zwecks Erforschung, Formgebung und Umsetzung des BENE-Netzes (Business Education Network) einen Vertrag
unterzeichnet. BENE soll ein pan-europäisches Netz von Bildungsorganisationen,
einschließlich bestehender Netze, werden, das sich direkt entweder der Lehre des
Unternehmertums oder der Ausbildung von Unternehmern widmet, mit dem Ziel der
Förderung des Erfahrungsaustausches, des Kultur-übergreifenden Lernens, komparativer Analysen und – soweit relevant – der Identifizierung von besten Verfahren.
Auf nationaler Ebene werden in den Staaten Europas ebenfalls verschiedene politische Strategien zur Förderung der beruflichen Weiterbildung in KMU entwickelt. In
einigen Fällen (z. B. Frankreich, Norwegen) sind alle Unternehmen (auch Selbständige und Freischaffende) verpflichtet, sich an der Finanzierung der Berufsbildung
von Arbeitnehmern zu beteiligen.
1
Europäische Kommission, Bericht über den Zugang zur beruflichen Weiterbildung
(Empfehlung des Rates vom 30. Juni 1993), KOM(97) 180 endg., Brüssel, 1997.
341
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Zu diesem Zweck müssen etwa französische Unternehmen einen bestimmten
Prozentsatz ihrer Bruttolohnsumme für die Finanzierung von berufsbildenden Aktivitäten zugunsten von Arbeitnehmern aufwenden, wobei die Höhe dieser gesetzlichen Verpflichtung von der Größe des Unternehmens abhängt. Wird der Betrag
nicht für Weiterbildungszwecke ausgegeben, muß er in entsprechender Höhe
jedenfalls in eine gemeinsame Kasse (OPCA und FONGECIF) einbezahlt werden,
aus der die berufsbildenden Aktivitäten anderer Unternehmen im Rahmen des
sogenannten Systems des „wechselseitigen Weiterbildungsfonds” finanziert
werden. Auch ist interessant, daß Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten
gesetzlich verpflichtet sind, ein schriftliches Dokument zur Darstellung ihrer jährlichen Aktivitäten in der beruflichen Weiterbildung vorzulegen. In Norwegen wird
eine ähnliche Bestimmung durch ein Rahmenübereinkommen zwischen den
Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen geregelt.
Andere europäische Länder haben unterschiedliche politische Konzepte zur Unterstützung beruflicher Weiterbildung in KMU entwickelt. Für Irland ist hier etwa das „Training
Support Scheme” (TSS) zu nennen. Das TSS soll die Fähigkeiten von irischen KMUBeschäftigten auf allen Ebenen, vom Arbeiter bis zum Manager, verbessern. Die Unterstützung wird in Form von Beihilfen für anspruchsberechtigte Unternehmen gewährt,
damit diese ihren Weiterbildungsbedarf auf dem Markt decken können. Am TSS teilnehmende Unternehmen müssen zu Beginn belegen, daß ihr Weiterbildungsbedarf klar
definiert wurde und an einen Unternehmensplan oder eine Unternehmensstrategie
gekoppelt ist. Die Höhe der Beihilfen hängt von der Unternehmensgröße ab, wobei
Rahmenquoten festgesetzt wurden, um sicherzustellen, daß 50 Prozent der Mittel
Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten zugute kommen.
In anderen Ländern (z. B. den Niederlanden) wird Unterstützung durch Steuererleichterungen gewährt. Die niederländische „Extra scholingsaftrek in de winstsfeer” (Sondersteuerermäßigung vom Gewinn) soll einen Anreiz zu beruflicher
Weiterbildung für Beschäftigte1 geben, wobei die Beschäftigten in KMU besonders
berücksichtigt werden. Aus diesem Grund umfaßt diese Unterstützung eine zusätzliche Möglichkeit des Steuerabzugs neben dem üblichen Steuerabzug für Bildungszwecke. Es ist geplant, daß in Österreich mit der „Steuerreform 2000” ähnliche
steuerliche Anreize eingeführt werden, wodurch Investitionen in Humankapital den
gleichen Begünstigungen unterlägen wie andere Kapitalinvestitionen.
Andere Länder haben Netzwerke zur Unterstützung beruflicher Weiterbildung eingerichtet. Im Fall Portugals soll durch das „Programa Piloto Formação PME” (Pilotprogramm für KMU-Weiterbildung) ein Bildungs- und Beratungsnetzwerk zur Unterstützung des Managements kleiner Unternehmen aufgebaut werden, mit dem Ziel die
Wettbewerbsfähigkeit dieser Betriebe und das Qualifikationsniveau ihrer Beschäftigten zu verbessern. Dieses staatliche Programm bietet ein für Unternehmen kostenloses, kombiniertes Qualifikationsprofil aus Trainern und Beratern an. Eine ähnliche
Idee wurde bereits früher im Vereinigten Königreich mit der Schaffung des National
Centre for Vocational Qualification (NCVQ) (Nationales Zentrum für berufliche Qualifikation) und der im Jahr 1991 folgenden Einrichtung eines Netzwerks regionaler
Training and Enterprise Councils (TECs) (Rat für Ausbildung und Unternehmen) realisiert. Diese sind verantwortlich für die Weiterbildung in kleinen Unternehmen und
sollen die Umsetzung von Weiterbildungsaktivitäten administrieren.
Trotz der gegenwärtigen Entwicklungen im Bereich politischer Maßnahmen, die
auf direkte oder indirekte Förderung beruflicher Weiterbildung in KMU abzielen,
1
Die Definition der Teilnehmer an beruflicher Weiterbildung in den Niederlanden umfaßt
sowohl Beschäftigte als auch Personen auf Arbeitssuche.
342
Berufliche Bildung und KMU
zeigen die nur begrenzt verfügbaren empirischen Daten zu diesem Thema, daß in
dieser Hinsicht noch viel Raum für Verbesserungen besteht. KMU erachten den
Wert bestehender staatlicher Unterstützung für berufliche Weiterbildung als gering,
was auch ihre nur begrenzte Nutzung der Programme erklären könnte. Eine in 11
europäischen Ländern durchgeführte Studie1 kommt zu dem Ergebnis, daß nur drei
von zehn in beruflicher Weiterbildung aktiven europäischen KMU öffentliche Hilfe auf
diesem Gebiet in Anspruch genommen haben. Die befragten europäischen KMU
bewerteten die bestehenden staatlichen Programme zur Unterstützung beruflicher
Weiterbildung im Durchschnitt mit 37,4 auf einer Skala von 0 (sehr schlecht) bis 100
(sehr gut). Diese Bewertung nahm mit der Größe der Unternehmen ab.
9.6
Politische Empfehlungen
Entscheidungsträger in der Politik widmen dem Thema berufliche Weiterbildung
zunehmende Aufmerksamkeit, vor allem durch die Entwicklung von Unterstützungsprogrammen zur Verbesserung der Qualifikation und der Beschäftigungschancen der
Erwerbstätigen. Trotz dieses steigenden politischen Interesses können KMU keinen
uneingeschränkten Nutzen aus diesem Hilfsrahmen für Bildungsaktivitäten ziehen.
Dieses Kapitel hat gezeigt, daß KMU mit speziellen Barrieren im Bereich der Weiterbildung konfrontiert sind, die bei der Gestaltung einer erfolgreichen, KMU-orientierten Weiterbildungspolitik berücksichtigt werden müssen.
Folglich sollte eine KMU-orientierte Weiterbildungspolitik, unabhängig von den
bestehenden Unterschieden in den gesetzlichen und kulturellen Rahmenbedingungen innerhalb des Europa der 19, die folgenden Elemente in ausreichendem
Maß berücksichtigen:
• Vor allem müssen die staatlichen Stellen massive Anstrengungen zur Verbesserung der grundlegenden Qualifikationen unternehmen, die das allgemeine
Bildungssystem vermittelt. Diese Fähigkeiten stellen die Basis sowohl für die
Beschäftigungschancen als auch für das weitere lebensbegleitende Lernen dar.
• Entscheidungsträger sowohl aus dem öffentlichen als auch aus dem privaten
Bereich sollten die Idee der Aus- und Weiterbildung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer als lebenslanges strategisches Instrument der Unternehmensführung unterstützen.
• Investitionen von KMU in die Qualifikationsentwicklung und Weiterbildung
müssen von den öffentlichen Stellen speziell angeregt und stimuliert werden,
da externe Unterstützung – wie in diesem Kapitel gezeigt wurde – als entscheidend für die Durchführung von Weiterbildungsaktivitäten betrachtet wird,
insbesondere wenn es sich um kleinere Unternehmen und weniger qualifizierte
Arbeitnehmer handelt. Diese Empfehlung kann auch auf jene Länder ausgeweitet werden, in denen über die Bildungsausgaben von den Sozialpartnern auf
Sektor-/Branchenebene entschieden wird.
• Berufliche Weiterbildung sollte vom Staat genauso wie jede andere Sachinvestition behandelt werden, damit könnten Bildungsmaßnahmen durch bestehende
Anreize (z. B. Steuererleichterungen) gefördert werden.
• In Zusammenhang mit dem vorhergehenden Punkt ist es von größter Wichtigkeit, bessere Methoden zur Bewertung langfristiger, immaterieller Vermögens1
IKEI u. ENSR, Training Processes in SMEs: Practices, Problems and Requirements (Weiterbildungsprozesse in KMU: Maßnahmen, Probleme und Anforderungen), Projekt finanziert
durch das Leonardo-Programm, Donostia-San Sebastián, 1997.
343
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
werte (z. B. von Unternehmen durchgeführte Weiterbildungsaktivitäten) zu
entwickeln. Während die Anschaffung neuer Maschinen nach den heutigen
Methoden des Rechnungswesens als Investition betrachtet wird, gilt der Erwerb
neuer Fähigkeiten und Kenntnisse zur Bedienung dieser Maschinen häufig als
Kostenfaktor, dessen Wert „unsichtbar” bleibt. Diese Frage ist insofern entscheidend, da sie auch die Art und Weise der externen Unternehmensbewertung
durch potentielle Investoren und Gläubiger beeinflussen kann.
• Jede auf KMU ausgerichtete Unterstützung sollte nicht nur die direkten Kosten
berücksichtigen, die mit der Weiterbildung verbunden sind (Kursgebühren,
Unterrichtsmaterial, Reisekosten), sondern auch die indirekten Kosten (d. h.
Kosten aufgrund von Produktionsausfällen oder für Ersatzarbeitskräfte), da
solche Kosten für KMU besonders relevant sind.
• Die Unterstützung von Beratungsdienstleistungen wurde in der Entwicklung von
politischen Maßnahmen bislang meist ignoriert. Dieses Kapitel hat jedoch
gezeigt, daß die Mehrzahl der KMU externe Beratung und Anleitung benötigen,
um ihren Weiterbildungsbedarf erkennen und formulieren zu können.
• Um die Weiterbildung von Unternehmern und Führungskräften von KMU zu
fördern, sollten staatliche Stellen auch andere Maßnahmen als formelle Schulungsformen unterstützen. Dieses Kapitel hat gezeigt, daß Firmeneigentümer
und Manager von KMU vorzugsweise aus dem Erfahrungsaustausch mit
anderen Führungskräften lernen. Die Schaffung solcher Unternehmervereinigungen und Foren für den Erfahrungsaustausch könnte eine wertvolle Hilfestellung für Weiterbildungszwecke darstellen.
• Die staatlichen Stellen sollten die Nutzung der durch die Informations- und
Kommunikationstechnologien (IKT) eröffneten Möglichkeiten für die Weiterbildung unterstützen. Zu diesem Zweck sollte der Verbesserung der bestehenden
IKT-Infrastruktur und der Kenntnisse der Bevölkerung im Umgang mit Computern sowie der Senkung der Kosten für entsprechende Ausrüstung von Schulen
besondere Aufmerksamkeit zukommen.
• Öffentliche Unterstützung für berufliche Weiterbildung muß auf die administrativen Belastungen und Verwaltungskosten bedacht sein, da KMU dadurch
besonders beeinträchtigt werden. Außerdem sollte der Wissens- und Informationsstand der KMU über die verfügbaren Weiterbildungsprogramme und maßnahmen erhöht werden.
• Die öffentlichen Einrichtungen müssen Methoden zur Evaluierung des bestehenden Weiterbildungsangebots entwickeln bzw. verbessern, damit dessen
Qualität laufend erhöht und an die aktuellen Bedürfnisse und Anforderungen
der Unternehmen angepaßt werden kann. Zudem muß sichergestellt werden,
daß starke Anreize für die Anbieter von Weiterbildungsleistungen bestehen,
laufend Innovationen im Bildungsbereich zu entwickeln.
• Die Anbieter von Weiterbildungsleistungen müssen danach trachten, ihr
Angebot an die tatsächlichen Bedürfnisse der KMU anzupassen, da ansonsten
jegliche staatliche Unterstützungsmaßnahme zur Intensivierung der beruflichen
Weiterbildung in KMU vermutlich nur von geringem Erfolg gekrönt sein wird.
• Schließlich sollte auch die Unterstützung einzelner Beschäftigter, die ihre
eigenen Kenntnisse unabhängig vom Bedarf des Unternehmens auf den neuesten Stand bringen wollen, nicht vergessen werden. Das neue Paradigma des
Wettbewerbs fordert vom Einzelnen, für die eigene Weiterbildung und die
Aktualisierung der erworbenen Kenntnisse selbst verantwortlich zu sein. Spezielle Aufmerksamkeit sollten dabei Gruppen mit besonderen Schwierigkeiten im
Zugang zu beruflicher Weiterbildung erhalten, d. h. Personen, die für Kinder
sorgen müssen, ältere Beschäftigte oder behinderte Arbeitnehmer.
344
10 Neue Dienstleistungen
Koordination: CREA ‘Furio Cicogna’, Bocconi University
DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE
• Die Mehrheit der neuen Unternehmen ist im Dienstleistungssektor entstanden
und über 80 % aller neuen Arbeitsplätze, die in den letzten zehn Jahren in Europa
geschaffen wurden, sind ebenfalls dem Dienstleistungssektor zuzuordnen.
• Technologische Faktoren, wirtschaftliche Entwicklungen, soziokulturelle, soziodemographische und institutionelle Faktoren schaffen neue Bedürfnisse und
ändern die Art und Weise, in der Geschäfte abgewickelt werden. Die dadurch
entstehenden neuen Dienstleistungen bestimmen die Entwicklung des
gesamten Dienstleistungssektors. Diese neuen Dienstleistungen sind aber
aufgrund der hohen Entwicklungsdynamik statistisch schwer zu erfassen.
• Neue Dienstleistungen und neue Formen bestehender Dienstleistungen spielen
eine wichtige Rolle bei der Entwicklung unternehmerischer Qualifikationen
sowie bei der Schaffung von Arbeitsplätzen.
• Zwei Veränderungen wirken sich besonders stark auf den Bereich der neuen
Dienstleistungen aus. Erstens hat die Entwicklung der Informations- und
Kommunikationstechnologie (IKT) die möglichen Charakteristika von Dienstleistungen und ihre räumlichen und zeitlichen Abhängigkeiten tiefgreifend verändert und Chancen für Innovationen bei neuartigen und erneuerten Dienstleistungen geschaffen, die oft mit einem Übergang von Dienstleistungen, bei
denen das Wissen beim Anbieter liegt, zu solchen Dienstleistungen, bei denen
ein gewisser Wissensgrad beim Konsumenten liegt, bzw. mit einem Übergang
von arbeitsintensiven zu fast arbeitsfreien Dienstleistungen, verbunden ist.
Zweitens steigt die Nachfrage nach persönlichen Dienstleistungen aufgrund
verschiedener sozioökonomischer Veränderungen, wie etwa Einschränkungen
bei vielen staatlichen Dienstleistungen, Entstehen von Familien mit Doppeleinkommen, einer zunehmend älteren Bevölkerung sowie des Trends zu einer auf
Wissen aufgebauten Wirtschaft. Einige dieser Phänomene erzeugen ein Überangebot gering qualifizierter Arbeitskräfte mit relativ niedrigen Löhnen, die –
manchmal mit Unterstützung staatlicher Maßnahmen – zu Tätigkeiten auf dem
Gebiet der persönlichen und Haushaltsdienstleistungen wechseln könnten.
• Die dargestellten Veränderungen wirken sich stark auf die Nachfrage nach
Dienstleistungen aus. In diesem Sinn waren der nicht marktbestimmte Dienstleistungssektor, die unternehmensbezogenen Dienstleistungen sowie die
Dienstleistungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie in
bezug auf Beschäftigungswachstum und Unternehmensgründungen die dynamischsten Gruppen des Dienstleistungssektors in den letzten zehn Jahren.
• Nach Meinung der nationalen Experten sind die hauptsächlichen Barrieren für
Start und Wachstum neuer Dienstleistungen in der Reihenfolge ihrer Bedeutung: Zugang zu Finanzierung, administrative Belastungen und Vorschriften,
Absatzhemmnisse, Mangel an Qualifikationen, Hemmnisse beim Erwerb von
Betriebsmitteln und schließlich kulturelle Widerstände. Administrative Bela-
345
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
stungen und Absatzhindernisse werden bei den persönlichen Dienstleistungen
als die wichtigsten Barrieren betrachtet, während für die technologieorientierten neuen Dienstleistungen finanzielle Schwierigkeiten und der Mangel an
Qualifikationen als besonders relevant angesehen werden.
• Im allgemeinen bestehen keine spezifischen politischen Maßnahmen, die
Anreize für neue Dienstleistungen schaffen sollen, allerdings haben einige Politiken eine indirekte Wirkung in diesem Zusammenhang. Es sind einige generelle
Trends in der Gestaltung politischer Maßnahmen auszumachen, welche die
Entwicklung neuer Dienstleistungen beeinflussen, wie z. B. die Reduktion von
administrativen Belastungen und bildungspolitische Offensiven, wodurch die
Computerkenntnisse der Bevölkerung verbessert werden sollen. Im Fall der
persönlichen Dienstleistungen berücksichtigt die Beschäftigungspolitik insbesondere die Selbständigen, und zur Förderung der Nachfrage nach persönlichen und Haushaltsdiensten werden auch einige Beihilfen gewährt. Bei jenen
neuen Dienstleistungen, die wissensintegriert und wissenssepariert sind, gelten
geistige Eigentumsrechte zum Schutz neuer Ideen und Systeme der Dienstleistungsdistribution als entscheidend.
10.1
Einleitung
Es ist Ziel dieses Kapitels, einen allgemeinen Überblick sowohl über die Rolle der
neuen Dienstleistungen für die Entwicklung der europäischen Volkswirtschaften als
auch über die Rolle der Unternehmen bei der Schaffung und Verbreitung neuer
Dienstleistungen in den verschiedenen Ländern Europas zu vermitteln.
Politische Entscheidungsträger in Europa widmen ihre Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit dem Dienstleistungssektor gegenwärtig zwei wesentlichen Politikbereichen:
• Dienstleistungen werden derzeit als wirksames Instrument zur Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums neuer und bestehender Unternehmen, sowohl der Sachgütererzeugung als auch der Dienstleistungsproduktion, angesehen.
• Die europäischen Regierungen versuchen, alle durch verschiedene Dienstleistungsaktivitäten eröffneten Chancen zur Schaffung von neuen Beschäftigungsmöglichkeiten zu nützen. Mehr als 80 % aller in den letzten zehn Jahren in
Europa neu geschaffenen Arbeitsplätze sind dem Dienstleistungssektor zuzuordnen1. Beispiele für diese positive Haltung gegenüber den Dienstleistungen
finden sich in den Beschäftigungspolitischen Leitlinien für 1998, im Rahmen
derer die Mitgliedstaaten versuchen, Maßnahmen umzusetzen, die das Potential für die Schaffung von Arbeitsplätzen auf lokaler Ebene sowie in neuen Aktivitätsbereichen, die durch noch nicht vom Markt gedeckte Bedürfnisse ermöglicht werden, voll nützen sollen2.
1
Europäische Kommission, GD V, Beschäftigung in Europa 1997, Brüssel, 1997.
Im selben Rahmen richtete die Kommission 1997 eine neue Pilotaktion, ‘Drittes System
& Beschäftigung’ ein. Diese Aktion sollte das Beschäftigungspotential des Dritten Systems
mit einem Schwerpunkt in den Bereichen der Sozial- und Nachbarschaftsdienste, Umwelt
und Kunst sowie deren Verbreitung in der gesamten Europäischen Union untersuchen und
erhöhen. Das Dritte System umfaßt den Bereich der Genossenschaften, Gegenseitigkeitsgesellschaften, Vereine und Stiftungen zusammen mit allen lokalen Beschäftigungsinitiativen, die durch die Erbringung von Waren und Dienstleistungen auf Bedürfnisse reagieren,
die derzeit weder vom öffentlichen noch vom marktorientierten Sektor gedeckt werden.
Mehr Informationen über den dritten Sektor bzw. die Sozialwirtschaft finden sich in Kapitel
7 dieses Berichtes.
2
346
Neue Dienstleistungen
10.2
Neue Dienstleistungen: Definition und
wichtigste Trends
Es muß betont werden, daß die Analyse des Dienstleistungssektors aufgrund der
gegenwärtigen Verlagerung von der physischen Produktion zur Dienstleistungserbringung innerhalb von Unternehmen in anderen Sektoren (verarbeitendes
Gewerbe, Bauwesen, Transport usw.) mit erheblichen statistischen Problemen zu
kämpfen hat. Daher beruht die Analyse in diesem Abschnitt vor allem auf statistischen Daten über den Dienstleistungssektor insgesamt1.
10.2.1 Struktur und Entwicklung des europäischen Dienstleistungssektors
Die europäische Wirtschaft kann als durch den Dienstleistungssektor dominiert
bezeichnet werden, obwohl freilich bedeutende nationale Unterschiede bestehen.
Im Jahr 1998 stellte der Dienstleistungssektor 75 % der bestehenden Unternehmen
und war für 63 % der Gesamtbeschäftigung sowie für 73 % der Bruttowertschöpfung verantwortlich2. Die marktorientierten Dienstleistungen stellen wiederum den
größten Anteil innerhalb der Dienstleistungen insgesamt, insbesondere in bezug
auf Beschäftigung und Wertschöpfung (siehe Tabelle 10.1).
Tabelle 10.1
Globale Sektorstruktur* in Europa-19 (privater nicht-primärer Sektor),
1998
Zahl der
Unternehmen
(1 000)
Verarbeitendes Gewerbe
Baugewerbe
Dienstleistungen; davon:
• Marktbestimmte
Dienstleistungen
• Nicht marktbestimmte
Dienstleistungen
Gesamt
*
Beschäftigung
(1 000)
Bruttowertschöpfung
(Mio. EUR)
Bruttowertschöpfung
je Beschäftigtem
(EUR)
2 262
2 777
14 812
32 392
10 664
73 910
1 624 406
352 791
5 324 885
50 148
33 082
72 046
12 235
61 239
5 006 265
81 750
2 577
19 851
12 672
116 967
318 621
7 302 083
25 144
62 429
Der Dienstleistungssektor umfaßt folgende Teilsektoren: Einzelhandel, Großhandel, Reparaturgewerbe,
Bankwesen, Versicherungswesen, Transport, Kommunikation, Tourismus, unternehmensbezogene Dienstleistungen, persönliche Dienstleistungen.
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von
Eurostat/GD XXIII: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht, Brüssel/Luxemburg (erscheint
demnächst).
Im Vergleich zur Lage in den USA und Japan scheint Europa eine Zwischenposition
einzunehmen. Unter Heranziehung der Beschäftigung als Indikator zeigt sich, daß
der Anteil des Dienstleistungssektors an der Beschäftigung in den USA 75 %
beträgt, während dieser Prozentsatz in Japan niedriger ist als in Europa (59 %)3.
1
Eurostat, Dienstleistungen in Europa, Luxemburg, 1999.
Daten für Europa-19. Die Bezugsgrößen enthalten weder den primären Sektor noch
öffentliche Unternehmen.
3
Daten für die USA beziehen sich auf 1994, jene für Japan auf 1995.
2
347
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Die Sektorstruktur unterscheidet sich auch zwischen den einzelnen europäischen Ländern sehr stark1. Länder wie das Vereinigte Königreich, Schweden, die
Niederlande und Belgien weisen die höchsten Anteile von im Dienstleistungssektor beschäftigten Personen auf (Anteile von mehr als 71 % der Gesamtbeschäftigten in der Privatwirtschaft), während Länder wie z. B. Portugal, Griechenland oder Irland sich durch die niedrigsten Anteile auszeichnen (unter
58 %). Auch die relative Bedeutung von markt- bzw. nicht marktbestimmten
Dienstleistungen unterscheidet sich stark zwischen den Ländern. Marktorientierte Sektoren sind besonders in Ländern wie den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und Luxemburg von Bedeutung (die marktorientierten
Dienstleistungen machen hier mehr als 75 % aller Dienstleistungsbeschäftigten
aus), während die nordischen Länder wie Schweden, Dänemark oder Finnland
und, interessanterweise, auch Griechenland am anderen Ende des Spektrums zu
finden sind (weniger als 56 % der Dienstleistungsbeschäftigung ist marktbestimmten Tätigkeiten zuzuordnen).
Abbildung 10.1 Verteilung der Beschäftigung im privaten Sektor in den 15 Mitgliedstaaten der EU, 1995
A
B
DK
D
EL
E
F
FIN
IRL
I
L
NL
P
S
UK
EU
0%
20 %
40 %
Landwirtschaft, Verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe
Quelle:
60 %
Marktbestimmte Dienstleistungen
80 %
100 %
Nicht marktbestimmte Dienstleistungen
Eurostat, Dienstleistungen in Europa, Luxemburg, 1999.
Innerhalb des im weitesten Sinn definierten Dienstleistungssektors können die
folgenden Teilsektoren unterschieden werden:
• Einzelhandel, Reparatur von Gebrauchsgütern: 18 % der Beschäftigten;
• Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen: 16 % der
Beschäftigten;
1
Die in diesem Absatz angeführten Daten beziehen sich lediglich auf die Mitgliedstaaten
der Europäischen Union und wurden entnommen aus: Eurostat, Dienstleistungen in
Europa, Luxemburg, 1999. Die Daten beziehen sich auf alle Wirtschaftssektoren (einschließlich des primären Sektors).
348
Neue Dienstleistungen
• Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen: 11 % der Beschäftigten;
• Großhandel und Handelsvermittlung: 11 % der Beschäftigten;
• Gastgewerbe: 9 % der Beschäftigten.
Eine Analyse der zeitlichen Entwicklung kann interessante Aufschlüsse in bezug auf
jene Sektoren vermitteln, die in diesem Jahrzehnt ein stärkeres Wachstum verzeichneten. Wie Tabelle 10.2 zeigt, verzeichneten die nicht marktbestimmten Dienstleistungen das stärkste Beschäftigungswachstum im Laufe dieses Jahrzehnts (20 %),
deutlich über den marktbestimmten Dienstleistungen und dem Sektor verarbeitendes Gewerbe/Baugewerbe (3 % bzw.-9 %).
Tabelle 10.2
Beschäftigung (in 1 000) im privaten nicht-primären Sektor, Europa-19
1988
Verarbeitendes und Baugewerbe
Marktbestimmte Dienstleistungen, davon:
Handel
Gastgewerbe
Verkehrsdienstleistungen
Nachrichtenübermittlung
Finanzdienstleistungen
Sonstige marktbestimmte Dienstleistungen
Nicht marktbestimmte Dienstleistungen
Quelle:
47
59
24
6
6
2
4
14
10
463
214
575
839
032
482
794
492
544
1998
43
61
24
6
6
2
5
15
12
056
239
075
849
584
436
351
944
672
Wachstum 1988/1998 in %
-9
3
-2
0
9
-2
12
10
20
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy auf Grundlage von: Eurostat, Arbeitskräfteerhebung, Luxemburg.
Innerhalb der marktorientierten Dienstleistungen weisen die Teilsektoren Finanzund sonstige marktbestimmte Dienstleistungen1 die größten Beschäftigungszuwächse auf (12 % bzw. 10 %), während andere Teilsektoren ein deutlich geringeres
oder sogar negatives Wachstum verzeichneten, wie etwa das Gastgewerbe, die
Nachrichtenübermittlung (vor allem Postdienstleistungen) und der Handel (0 %,
-2 % bzw. -2 %).
Es ist bekannt, daß KMU im Dienstleistungssektor eine wesentliche Rolle spielen.
Dies wird auch durch empirisches Datenmaterial bestätigt. Mit Ausnahme von
sechs Teilsektoren (Schiffahrt, Forschung und Entwicklung, Kreditgewerbe, Versicherungsgewerbe, Luftfahrt und Nachrichtenübermittlung) beträgt der Anteil der
KMU an der Gesamtbeschäftigung in allen Teilsektoren jeweils mehr als 60 %, in
manchen Fällen beläuft sich dieser Anteil sogar auf mehr als 80 % (siehe Tabelle
10.3, Daten für 1998).
Marktbestimmte Dienstleistungen scheinen eine viel höhere Produktivität aufzuweisen als nicht marktbestimmte Dienstleistungen (81 800 bzw. 25 100 Euro pro
Beschäftigtem), was nicht nur unterschiedliche Produktivitätsstrukturen, sondern
auch unterschiedliche Arbeitsbedingungen (in bezug auf Löhne und Gehälter)
1
Dieser Sektor umfaßt eine Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten, vor allem unternehmensbezogene Dienstleistungen (Forschung und Entwicklung, Datenverarbeitung und
Datenbanken, Unternehmensberatung usw.) zusammen mit Miet- und Immobiliendienstleistungen.
349
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
Tabelle 10.3
Klassifikation der Teilsektoren im Dienstleistungsbereich nach dem
Anteil der KMU an der jeweiligen Gesamtbeschäftigung, Europa-19,
1998
Über 80 %
•
•
•
•
•
•
•
Grundstücks- und Wohnungswesen
Kraftfahrzeughandel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen
Erbringung von sonstigen Dienstleistungen
Interessenvertretungen a. n. g.
Mit dem Kredit- und Versicherungsgewerbe verbundene Tätigkeiten
Gastgewerbe
Handelsvermittlung und Großhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen)
Zwischen 70 % und 79 %
•
•
•
•
Vermietung beweglicher Sachen
Kultur, Sport und Unterhaltung
Datenverarbeitung und Datenbanken
Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen
Zwischen 60 % und 69 %
•
•
•
•
•
Einzelhandel, Reparatur von Gebrauchsgütern
Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen
Landverkehr; Transport in Rohrfernleitungen
Hilfs- und Nebentätigkeiten für den Verkehr; Verkehrsvermittlung
Abwasser- und Abfallbeseitigung und sonstige Entsorgung
Zwischen 30 und 59 %
• Schiffahrt
• Forschung und Entwicklung
Zwischen 10 und à 29 %
• Kreditgewerbe
• Versicherungsgewerbe
• Luftfahrt
Weniger als 10 %
• Nachrichtenübermittlung
Quelle:
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von
Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht, Brüssel/Luxemburg
(erscheint demnächst).
widerspiegelt. Die Unterschiede zwischen den Teilsektoren innerhalb der jeweiligen
Bereiche sind, wie zu erwarten, sogar noch größer. So weist innerhalb der marktbestimmten Dienstleistungen das Kredit- und Versicherungsgewerbe (einschließlich verbundener Tätigkeiten) eine Produktivität von 735 200 Euro pro Beschäftigtem auf, während das Gastgewerbe lediglich eine Produktivität von 20 800 Euro
erreicht (siehe Tabelle 10.4).
10.2.2 Definition und Bezugsrahmen für die Analyse
Shostack1 hat einen ersten Ansatz für einen gemeinsamen, marktorientierten
Bezugsrahmen zur Analyse von Waren und Dienstleistungen entwickelt. Er reiht
1
Shostack, G. L., Breaking Free from Product Marketing (Lösung vom Produktmarketing),
Journal of Marketing, April 1977.
350
Neue Dienstleistungen
Tabelle 10.4
Produktivitätsniveaus im Dienstleistungssektor, Europa-19, 1998
Teilsektor
Bruttowertschöpfung je
Beschäftigtem (EUR 1 000)
Kreditgewerbe
Mit dem Kredit- und Versicherungsgewerbe verbundene Tätigkeiten
Versicherungsgewerbe
Luftfahrt
Vermietung beweglicher Sachen
Schiffahrt
Grundstücks- und Wohnungswesen
Nachrichtenübermittlung
Hilfs- und Nebentätigkeiten für den Verkehr; Verkehrsvermittlung
Handelsvermittlung und Großhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen)
Datenverarbeitung und Datenbanken
Landverkehr; Transport in Rohrfernleitungen
Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen
Kraftfahrzeughandel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen
Forschung und Entwicklung
Einzelhandel, Reparatur von Gebrauchsgütern
Gastgewerbe
Marktbestimmte Dienstleistungen gesamt
Kultur, Sport und Unterhaltung
Abwasser- und Abfallbeseitigung und sonstige Entsorgung
Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen
Interessenvertretungen a. n. g.
Erbringung von sonstigen Dienstleistungen
Nicht marktbestimmte Dienstleistungen gesamt
Dienstleistungen gesamt
Quelle:
735,2
278,6
197,4
136,4
77,4
65,9
62,2
58,2
56,9
55,9
42,2
35,8
33,5
30,4
25,6
23,8
20,8
81,8
46,6
45,9
20,9
20,6
19,6
25,1
76,4
Schätzung von EIM Small Business Research and Consultancy; Ausgangsdaten stammen von
Eurostat/GD Unternehmen: Unternehmen in Europa, Sechster Bericht, Brüssel/Luxemburg
(erscheint demnächst).
diese auf einer Skala von hochgradig materiell – z. B. Salz, das man lagern kann –
bis hochgradig immateriell – z. B. Unterricht, der nur gegeben oder erfahren, aber
nicht gelagert werden kann. Die Hauptmerkmale zur Unterscheidung von Dienstleistungen und Waren sind die folgenden:
• Immaterialität;
• Heterogenität (Verschiedenheit), z. B. speziell auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene Banktransaktionen, da alle Banktransaktionen Geldbewegungen mit sich
bringen, jedoch jeder Kunde eine andere Art von Geldbewegung wünschen kann;
• Vergänglichkeit des Produkts: Dienstleistungen können nicht gelagert werden,
obwohl automatische Bankschalter die Relevanz dieses Punktes für das Bankwesen reduziert haben;
• Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum (Koproduktion), z. B. ist im Gesundheitswesen normalerweise die Begegnung zwischen Arzt und Patient unverzichtbar;
• Stärkere Einbeziehung des Kunden in den Produktionsprozeß1.
1
Allerdings produziert das verarbeitende Gewerbe Waren (materielle Gegenstände), während
der Dienstleistungssektor die nötigen Tätigkeiten erbringt (Stufen und Abfolgen eines
Prozesses), um die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Shostack, G.L., How to design a Service
(Wie gestaltet man eine Dienstleistung), in The European Journal of Marketing, Jg. 16, Nr. 1,
1982, und Pellicelli, G., Il marketing dei servizi (Dienstleistungsmarketing), UTET, Turin, 1997.
351
Das Europäische Beobachtungsnetz für KMU - Sechster Bericht
‘Neue’ Dienstleistungen können als eine Form der Innovation betrachtet werden.
Im allgemeinen wird ein Unternehmen, das nach seiner Gründung auf dem Markt
einen unverwechselbaren Platz für

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