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Betonkrebs zerfrisst Ost-Autobahnen – Manuskript des Beitrages Betonkrebs zerfrisst Ost-Autobahnen Bericht: Anja Riediger, Alexander Roth Das tut weh! Die Autobahn ist hinüber - obwohl sie noch 15 Jahre halten sollte. Jetzt werden zehn Kilometer der A14 zwischen Leipzig und Dresden abgerissen. Diagnose: der sogenannte Betonkrebs. Burkhard Zscheischler vom Autobahnamt zeigt uns die Symptome. O-Ton: Burkhard Zscheischler, Autobahnamt Sachsen "Das sieht aus wie so ein abgeplatztes Teil. An den Kanten, an den Fugen merkt man das zuerst. Und der Beton löst sich mehr oder weniger auf. Das ist für eine Fahrbahn, wo mit 150 Kilometern pro Stunde drüber gefahren wird, äußerst gefährlich." Alkali-Kieselsäure-Reaktion nennen die Fachleute die Betonkrankheit. Der alkalische Zement reagiert mit bestimmten Gesteinsmischungen, wenn Feuchtigkeit eindringt. Es entsteht ein Gel, das den Beton von innen heraus sprengt. Ein millionenschweres Bau-Desaster. Weit über 300 Kilometer Richtungsfahrbahn sind deutschlandweit vom Betonkrebs zerfressen worden. Am stärksten betroffen ist der Osten. Das ist ein geologisches Phänomen. Denn hier kommen besonders viele Gesteine vor, die den Betonkrebs auslösen können. Zur Bauzeit der meisten Autobahnen habe man das aber noch nicht so genau gewusst. O-Ton: Burkhard Zscheischler, Autobahnamt Sachsen "Die Stoffe, die hier verwendet wurden, waren in den 90er Jahren komplett unverdächtig." Unverdächtig? Tatsächlich waren Fachleute in der DDR schon vor 30 Jahren gezwungen, das Problem zu lösen. Grund: Alkalischäden an Plattenbauten; auch an der sogenannten NordAutobahn bröselt es. Aber die größte Katastrophe war die Selbstzerstörung von Eisenbahnschwellen. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 1 Betonkrebs zerfrisst Ost-Autobahnen – Manuskript des Beitrages Der Ingenieur Günter Schiering leitete bis 2001 ein Betonwerk in Sachsen-Anhalt. Eisenbahnschwellen aus seiner Produktion versagten schon nach wenigen Jahren Liegezeit 60 Jahre sollten sie halten. O-Ton: Günter Schiering, ehemals Bahnschwellenwerk Güsen "Die waren hier an der Oberfläche zerbröselt. Sie waren im Kopfbereich auseinandergebrochen. Sie hatten Ausbrüche hier unten in den Belastungsbereichen." Das war 1982. Eine Überprüfung der Bahnstrecken ergab: jede dritte Schwelle - Ausschuss. Aber nach eingehender Fehleranalyse produzierte man mit neuen Betonrezepturen Schwellen, die halten. Einer der Wissenschaftler, die an der Lösung des Problems arbeiteten, war Gerhard Hempel. Der Geologe hat jahrzehntelang an der heutigen Materialforschungsund Prüfanstalt Weimar die schädlichen Reaktionen im Beton untersucht. Er warnt 1992 vor Problemen mit reaktiven Baustoffen Mitteldeutschlands. Im Bundesverkehrsministerium nimmt man das ernst, empfiehlt der DEGES, die im Auftrag des Bundes die Autobahnen baut, die Weimarer Fachleute einzubeziehen. Doch es passiert erst einmal nichts. O-Ton: Dr. Gerhard Hempel, Geologe "Da möchte ich rückblickend sagen: Das Gebiet hätten wir beherrschen können. Leider ist es dazu nicht gekommen." Erst als schon während des Baus tatsächlich erste Schäden auftreten, wendet man sich doch an Hempel. Der kann an einer Brücke mit Beton arbeiten, der nach einem von ihm entwickelten Verfahren getestet wurde. So sieht sie heute aus. Im Vergleich zu einer ebenso alten Brücke, bei der der ursprüngliche Beton liegen blieb. O-Ton: Dr. Gerhard Hempel, Geologe "Weder Ausplatzungen, noch Netzrisse. Keinerlei Veränderungen. Der Beton hat sich bewährt bei gleichem Winterdienst, bei gleichem Eintrag von Taumitteln, von alkalihaltigen Taumitteln. Das erfüllt mich mit Stolz und Freude." Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 2 Betonkrebs zerfrisst Ost-Autobahnen – Manuskript des Beitrages Wir wollen von der DEGES wissen, warum es trotzdem zu den massiven Schäden kommen konnte. Wir bekommen kein Interview. Schriftlich teilt man uns mit: "Es wurde seitens DEGES in jeder Zeit nach den gültigen Vorschriften und den anerkannten Regeln der Technik geplant und gebaut." Der Grünen-Verkehrsexperte Anton Hofreiter glaubt, dass sich die Verantwortlichen hinter veralteten Bauvorschriften verstecken. Was die Praxis schon jahrelang lehrte, wurde einfach ignoriert. O-Ton: Anton Hofreiter, verkehrspolitischer Sprecher Bündnis90/Die Grünen "Ich würde sagen, es ist symptomatisch, dass die DEGES nicht auf die Angebote aus Weimar eingegangen ist. Weil man eben der festen Überzeugung war, man kann das schon, kriegt das alles schon hin. Und außerdem sollte alles möglichst schnell, möglichst unkompliziert gehen. Und man wollte sich da mit Bedenkträgerei überhaupt nicht mehr abgeben." Den Firmen kann es recht sein. Sie bauen einfach noch mal auf Kosten des Bundes. Denn sie haften nur fünf Jahre lang für Schäden an den Autobahnen. Der Betonkrebs tritt aber meist erst später auf. Fünf Jahre Gewährleistung für ein Bauwerk, das 30 Jahre halten soll, ist Markus Brämer vom Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr zu kurz. Angesichts der immensen Kosten will er die Frist auf zehn Jahre verdoppeln. O-Ton: Markus Brämer, Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr "Damit die Auftragnehmer auch nicht aus ihrer Verantwortung kommen und stärker mit eingebunden sind. Wir haben der Öffentlichkeit gegenüber die Verpflichtung, mit Steuergeld sinnvoll und insbesondere nachhaltig umzugehen. Und wir können uns einfach nicht leisten, dass uns nach fünf, sechs Jahren die Oberflächen schon um die Ohren fliegen." In den nächsten Wochen wird Brämer mit seinen Kollegen aus den anderen Bundesländern beraten, ob das bundesweit durchzusetzen ist. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 3 Betonkrebs zerfrisst Ost-Autobahnen – Manuskript des Beitrages Mittlerweile werden hier in Sachsen die letzten Laster voll Bröselbeton von der A14 abtransportiert. Die Brocken werden zu Kies geschreddert und wieder verbaut – hoffentlich nicht auf Autobahnen. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 4