Porträt_MRP-Traeger_Abel_Barrera_Tlachinollan_Guerrero

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Porträt_MRP-Traeger_Abel_Barrera_Tlachinollan_Guerrero
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PRESSEINFORMATION
ABEL BARRERA UND DAS ZENTRUM TLACHINOLLAN:
TRÄGER DES 6. MENSCHENRECHTSPREISES VON
AMNESTY INTERNATIONAL IN DEUTSCHLAND
„WIR WISSEN, WAS UNGERECHTIGKEIT IST UND DASS WIR ETWAS DAFÜR TUN MÜSSEN, DASS SO ETWAS NIE
WIEDER GESCHIEHT.“ ABEL BARRERA
Abel Barrera Hernández – Mitbegründer und Leiter des Menschenrechtszentrums
Tlachinollan – engagiert sich seit vielen Jahren für die Rechte der indiginen Gemeinden
im mexikanischen Bundesstaat Guerrero. Tlachinollan recherchiert und dokumentiert
unter anderem Fälle von „Verschwindenlassen“ und Übergriffe durch das Militär. Trotz
des grossen persönlichen Risikos kämpfen Barrera und die Tlachinollan-Mitarbeiter
friedlich und unermüdlich für die Rechte der Menschen in dieser ausgegrenzten und
extrem armen Region und für ein Ende der strukturellen Menschenrechtsverletzungen.
Amnesty International in Deutschland zeichnet Barrera und das Zentrum Tlachinollan
dafür mit dem 6. Menschenrechtspreis aus. Die Verleihung findet am 27. Mai 2011 in
Berlin statt. Barrera wird den Preis beim „Fest für die Menschenrechte“ zum
50. Jubiläum der Gründung der Menschenrechtsorganisation im Haus der Kulturen der
Welt entgegennehmen. „Barrera und die Tlachinollan-Mitarbeiter setzen sich
unermüdlich und unter gefährlichen Bedingungen für die Rechte der Indigenen ein.
Dank der strategischen Arbeit wirkt Tlachinollan über Guerrero hinaus und trägt zur
Stärkung der Menschenrechte in ganz Mexiko bei“, begründet Amnesty die
Auszeichnung.
Zur Person
Barrera wurde am 10. April 1960 in Tlapa de Comonfort im mexikanischen Bundesstaat
Guerrero geboren. Mit 13 Jahren schickten ihn seine Eltern aufs Priesterseminar, dann
folgten Studienjahre in Mexiko-Stadt. Nach Abschluss eines Theologie- und eines
Anthropologiestudiums kehrte er 1991 in seine Heimat ­zurück. In den Folgejahren
machte er anthropologische Untersuchungen in indigenen Gemeinden der Bundesstaaten
Puebla, Veracruz und Guerrero. 1994 gründete er mit fünf Mitstreitern das
Menschenrechtszentrum Tlachinollan. Sechs Jahre lang war die Organisation im Hotel
von Barreras Vater untergebracht, bis sie in ein neues Gebäude umzog. Heute hat das
Zentrum 25 Mitarbeiter. Barrera hat zahlreiche Artikel und Forschungsarbeiten über
Geschichte, Mythologie und Kultur sowie Menschenrechtsverletzungen an indigenen
Völker veröffentlicht
Seit 50 Jahren leisten gewöhnliche Menschen Außergewöhnliches. Amnesty International, die größte Menschenrechtsorganisation der Welt,
kämpft gegen Unterdrückung, Gewalt und Folter. Zum 50jährigen Jubiläum lädt Amnesty zum Mitmachen ein. So heißt es am 28. Mai und am
10. Dezember 2011 in Berlin und das ganze Jahr bei etwa 200 Veranstaltungen bundesweit: Sei dabei. Mit Deiner Unterschrift. Deiner Spende.
Deinem Einsatz. www.50Jahre.amnesty.de
PRESSEINFORMATION
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Die Arbeit von Barrera und Tlachinollan
Tlachinollan recherchiert, dokumentiert und veröffentlicht Menschenrechtsverletzungen
und bietet Opfern Rechtsbeistand sowie psychologische Betreuung. Mehrere Fälle von
Vergewaltigung und Misshandlung durch Soldaten haben die Anwälte des Zentrums
bereits bis vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht – so
zum Beispiel die Fälle von Inés Fernández Ortega und Valentina Rosendo Cantú.
Férnandez und Rosendo, zwei Frauen vom Volk der Me’phaa, waren von Soldaten der
mexikanischen Armee vergewaltigt worden. Tlachinollan brachte die Fälle zunächst vor
mexikanische Gerichte, dann bis vor den Interamerikanischen Gerichtshof für
Menschenrechte. Dieser fällte im Oktober 2010 ein Urteil zugunsten der Klägerinnen:
Die Richter verurteilten Mexiko zur Entschädigung. Sie erkannten Vergewaltigungen als
Folter an und stellten fest, dass die Ureinwohner in Guerrero Opfer „institutionalisierter
Verfolgung“ durch die Streitkräfte sind. Mexiko wurde zudem verpflichtet, die Verfahren
gegen die Soldaten von der Militär- an die Ziviljustiz zu übergeben. Doch auch nach dem
Urteil leben die Frauen in Angst.
Auch Barrera und seine Mitarbeiter erhalten immer wieder massive Drohungen. 1998
erhielt Barrera Todesdrohungen wegen der Verteidigung von „Verbrechern“ (in Mexiko
ein geläufiger Ausdruck für Menschenrechtsaktivisten). 2001 ließen ihn Unbekannte
wissen, „dass es Menschen gibt, die versuchen einen Killer zu engagieren, um dich zu
töten“. Vor dem Zentrum Tlachinollan wurden Leichen von Lehrern aufgefunden, die
gefoltert und ermordet worden waren. Bis Anfang 2009 unterhielt die Organisation auch
ein Büro in der Küstenregion Costa Chica, das jedoch wegen Drohungen geschlossen
werden musste. Keine Drohung, keine Folterung, kein Mord ist bisher aufgeklärt worden.
Keine Anzeige führte je zu einer strafrechtlichen Verfolgung. Zur Begründung hieß es
meist, die Drohungen seien nur kleinere Vergehen.
Menschenrechtsverletzungen in Guerrrero
Das Bergland und die östliche Küstenregion von Guerrero sind eine extrem
marginalisierte und hoch militarisierte Region. Indigene machen 17 Prozent der
Bevölkerung und leiden unter ständigen Menschenrechtsverletzungen durch Polizei,
Militär und Behörden. In ihrem Entwicklungsstand vergleichen die Vereinten Nationen
die Region mit afrikanischen Staaten wie Ruanda oder Mali. Fehlende Infrastruktur,
extreme Armut, Analphabetismus und Unterernährung bei Kindern prägen die ländlichen
Regionen.
Obwohl die meisten Bauern noch ihren traditionellen Anbaumethoden folgen, sind auch
sie teilweise dem Einfluss rivalisierender Drogenkartelle ausgesetzt. Die Drogenbanden
versprechen den Bauern lukrative Geschäfte, die das Zehnfache des Anbaus von Mais
oder Bohnen erwirtschaften sollen. Tlachinollan fördert deshalb den alternativen Anbau
von Grundnahrungsmitteln oder anderen marktfähigen Produkten, um die Bauern vor der
drohenden Abhängigkeit zu schützen.
Je stärker Indigene ihre grundlegenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte
einfordern, desto mehr geraten sie mit den Behörden in Konflikt. Sie werden
kriminalisiert, verfolgt, schikaniert und bedroht. Mitglieder von indigenen Bewegungen
werden als Mitglieder des organisierten Verbrechens und von Drogenkartellen oder als
Sprachrohr der Guerilla diffamiert. Politisches und soziales Engagement führt oft zu
Drohungen, Verhaftungen und Übergriffen bis hin zu Folter und Mord.

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