7. August Harald Feller, München
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7. August Harald Feller, München
7. August Harald Feller, München Johann Sebastian Bach (1685 - 1750) Ich hatte viel Bekümmernis (arr. F. Liszt) Adagio (arr. F. Liszt) Franz Liszt (1811 - 1886) Präludium und Fuge über BACH Richard Wagner (1813 - 1883) Pilgerchor aus Tannhäuser (arr. F. Liszt) Franz Liszt Evocation à la Chapelle Sixtine Julius Reubke (1834 - 1858) Sonate c-Moll (Der 94. Psalm) Präludium und Fuge über B-A-C-H Das meistgespielte Orgelwerk Liszts hat eine recht komplizierte Entstehungsgeschichte: Begonnen als Auftragswerk für die Einweihung der Merseburger Domorgel (Ladegast, IV/81) am 26. September 1855, wurde Präludium und Fuge über BA-C-H nicht rechtzeitig fertig und erlebte seine Uraufführung durch den Widmungsträger Alexander Winterberger erst am 13. Mai 1856 auf jener Orgel. (Zur Orgeleinweihung spielte Winterberger stattdessen Liszts Ad nos-Fantasie.) 1859 erschien das Werk bei De Vletter in Rotterdam. Die heute meist zu hörende revidierte Version des Stücks allerdings stammt von 1869 und erschien erstmals 1870 bei Schuberth in Leipzig; ferner kam diese Version im Jahre 1871 auch in einer Klavierfassung heraus, von der wiederum 1872 eine überarbeitete Nouvelle Edition gedruckt wurde (jeweils bei Siegel in Leipzig). Auch die Urfassung von 1855/56 ist es wert, studiert und gespielt zu werden. Während ihr Gesamtverlauf bereits der späteren Fassung entspricht, weicht sie von dieser in zahlreichen Details ab und sollte schon deshalb ernst genommen werden, weil die Erstellung mehrerer Versionen für Liszts Schaffensweise typisch ist: Er publizierte etwa die Faust- sowie auch die Dante-Symphonie mit je zwei verschiedenen Schlüssen. Eine gründliche Analyse des musikalischen Materials beider Fassungen und der daraus erwachsenden Konsequenzen hat Peter Schwarz geliefert (siehe Literatur). Aus seiner Studie wird deutlich, dass das Präludium nicht etwa im Sinne eines quasi improvisato zufällig gefügt, sondern wohlüberlegt komponiert ist. Die zunächst rätselhafte Tonfolge ges-f-as-g (T. 81f.), welche nicht mehr zum Präludium und noch nicht zur Fuge gehört, deutet Schwarz als melodisch-tonale Artikulation der Tonalitätsebenen von Präludium und Fuge. Was dann folgt, ist weder Fugato noch Scheinfuge (oder wie sonst dieser Abschnitt pejorativ schon bezeichnet wurde), sondern eine Diskussion der Fugenform anhand des zur Verfügung stehenden Materials, der Tonfolge B-A-C-H. Das Ergebnis hat alles Recht auf seiner Seite, sucht man in ihm nicht die Zeichen einer vergangenen, nicht mehr einzubringenden Zeit. Julius Reubke Sonate Der 94. Psalm Grave. Larghetto Herr Gott, des die Rache ist, erscheine. Erhebe Dich, Du Richter der Welt; vergilt den Hoffärtigen, was sie verdienen. Allegro con fuoco Herr wie lange sollen die Gottlosen prahlen? Witwen und Fremdlinge erwürgen sie und töten die Waisen und sagen: der Herr sieht es nicht und der Gott Jacobs achtet es nicht. Adagio Wo der Herr mir nicht hülfe, so läge meine Seele schier in der Stille. Ich hatte viel Bekümmernis in meinem Herzen, aber deine Tröstungen ergötzen meine Seele. Allegro Aber der Herr ist mein Hort und meine Zuversicht. Er wird ihnen Unrecht vergelten und sie um ihre Bosheit vertilgen. 2 In dieser formal genauestens durchkalkulierten Sonate folgt Reubke dem Liszt'schen Formmodell der Mehrsätzigkeit in der Einsätzigkeit, das sich bereits bei Schubert und Schumann angekündigt hatte. Es ist relativ einfach, sowohl die Dreisätzigkeit der Sonate zu erkennen als auch konventionelle Gliederungsprinzipien innerhalb der drei Sätze zu finden. Die Exposition des ersten Satzes (im Grave beginnend) umfasst 107 Takte. Das Seitenthema (Larghetto) erscheint in T. 53-63, die Takte 88ff. leiten bereits zur Durchführung über. Schon in der Exposition ergeben sich durchführungsartige Momente: Dieses Übergreifen von (hier leitmotivisch gehandhabten) Durchführungsstrategien auf die Exposition (und die Reprise) gehört zum hochentwickelten Sonatenhauptsatz nach Beethoven, der in dieser Hinsicht bahnbrechend war und das überkommene Schema in eine jeweils einmalige und unwiederholbare Prozessualisierung des Gesamtablaufs auflöste. Der der klassischen Durchführung entsprechende Teil beginnt in T. 108 (Allegro con fuoco) und reicht mit einer Zäsur nach T. 136 bis T. 170; die Reprise umfasst die Takte 171 - 202 (sie enthält in T. 175 - 188 eine weitere Durchführungsphase); in T. 203 beginnt die Coda. Eine Sonatenhauptsatzform haben wir auch im zweiten Satz (Adagio): In T. 233 beginnt ein erstes, in T. 243 ein zweites Thema; beide werden durchführungsähnlich weitergesponnen und paraphrasiert. In zwei Wellen folgt die Durchführung ab T. 254 bzw. T. 263. Die Reprise setzt in T. 272 ein und mündet mottoartig in das Zitat der ersten Takte des Werkes. Die Fuge schließlich gliedert sich in zwei Abschnitte: Dem ersten Teil (Allegro; T. 317-356) folgt ein Durchführungszwischenspiel; in T. 430 (Più mosso) beginnt der zweite Teil. Mit T. 504 setzt die Stretta (Allegro assai) ein. Die drei zäsurlos ineinander übergehenden Sätze bilden also eine Folge von 232 + 84 + 214 Takten. Interessanter als dieser Nachweis von Formstrukturen ist aber die Beziehung zwischen Musik und Text, richtiger: die plastische Redemächtigkeit des Ganzen. Die Versuche Gailits (siehe Literatur), bestimmten Zeilen des vorangestellten 94. Psalms (abgedruckt sind die Verse 1-3, 6, 7, 17, 19, 22 und 23) einzelne Themen im Verlauf der Sonate zuzuordnen, sind zwar verführerisch, zumal sich Sprachrhythmus und musikalischer Rhythmus so verblüffend zu decken scheinen, bleiben aber dennoch Spekulation. Außerdem hätte Reubke, wäre dem tatsächlich so, seinen Lehrer missverstanden, denn Liszt wollte etwas anderes: Ihm ging es nicht etwa um das Nacherzählen einer Handlung in Tönen, sondern im Gegenteil darum, die Musik selbst sprechend (nicht nachsprechend!) zu machen. Wesentliche Momente seines Komponierens, nämlich die leitmotivartige Themenbehandlung als Voraussetzung der Komposition einer vom Text ausgelösten Folge von Seelenzuständen (Liszt) und die von daher ins Große getriebene Logik des Formkonzeptes insgesamt, greift nun Reubke in seiner Sonate auf. Dass er sich dabei in Details an Liszts Sonate h-Moll und in der Formgebung 3 an der Ad nos-Fantasie seines Lehrers orientierte, ist nebensächlich: Reubkes Sonate bleibt ein hinreißendes Stück Musik. Harald Feller (geboren 1951 in München) studierte an der Münchner Musikhochschule die Fächer Orgel (Franz Lehrndorfer) und Kirchenmusik. Es folgten weitere Studien in Paris (Marie Claire Alain). Feller war Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Aus verschiedenen nationalen und internationalen Interpretationswettbewerben in München, Berlin und Nürnberg ging er als Preisträger hervor. 1979 wurde ihm der Förderpreis für Musik des Bayerischen Staates zuerkannt und 1983 gewann er den international renommierten Improvisationswettbewerb in Haarlem (Holland). 1978 erhielt Feller einen Lehrauftrag an der Musikhochschule in München. Ab 1980 arbeitete er als Dozent an der Fachakademie für kath. Kirchenmusik und Musikerziehung Regensburg, bis er 1983 einen Ruf als Professor an die Musikhochschule in München erhielt, wo er seither eine eigene Orgelklasse betreut. Seine jahrelange pädagogische Arbeit wird ergänzt durch eine rege Konzerttätigkeit in Europa, USA und Südkorea, zahlreiche Rundfunk- und CD-Aufnahmen (1983 Grand Prix international du disque Liszt) und Filmmusik (Schlafes Bruder). Das breite Spektrum des Musikers zeigt sich u. a. in seinen über das Instrumentale hinausgehenden Aktivitäten als Chorleiter und Komponist (u. a. mit Werken für Chor, Orgel, Orchester und Kammermusik). 4