Die SchatzinSel 9+ - Theater an der Parkaue
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Die SchatzinSel 9+ - Theater an der Parkaue
Die Schatzinsel 9+ von Robert Louis Stevenson in einer Fassung von Albrecht Hirche BEGLEITMATERIAL ZUM STÜCK D ie S c h atzi n sel 2 Es spielen Matthias Bernhold Birgit Berthold Stefan Kowalski Johannes Hendrik Langer Hagen Löwe Florian Pabst Thomas Pasieka Andrej von Sallwitz Matthias Bernhold, Stefan Kowalski, Johannes Hendrik Langer, Florian Pabst Andrej von Sallwitz, Stefan Kowalski Hagen Löwe, Matthias Bernhold, Johannes Hendrik Langer Florian Pabst, Matthias Bernhold Matthias Bernhold Johannes Hendrik Langer, Matthias Bernhold Stefan Kowalski Matthias Bernhold, Birgit Berthold, Florian Pabst, Hagen Löwe Ganzes Ensemble Albrecht Hirche Kathrin Krumbein Matthias Bernhold Karola Marsch Chiara Galesi Anne Richter Jutta Rutz Eddi Damer Marc Lautner Rainer Pagel Sebastian Köster Jens Blau Ilonka Schrön Marit Buchmeier Konstantina Dacheva Premiere: 14. Juni 2013 Bühne 1 ca. 145 Minuten mit Pause Premierenklasse: 7c der Georg-BüchnerOberschule Berlin-Lichtenrade Black Dog, Rafael Morgan Long John Silver Vater, Kapitän Alexander Smollett Dr. Livesey Bill Bones, Betrunkener Steuermann, Ben Gunn Black Spot, Israel Hands Jim Hawkins Squire Trelawney Chor der Mitarbeiter des THEATER AN DER PARKAUE Die Band: Akustische Gitarre Akustischer Bass Schlagzeug Maultrommeln Flöten, Rassel, Bühnengewichte Singender Spachtel Zimbel Solo-Gesang Chor Regie Bühne + Kostüme Musik Dramaturgie + Theaterpädagogik Regieassistenz Inspizienz Soufflage Technischer Direktor Bühnenmeister Licht Ton- und Videotechnik Requisite Maske Mitarbeit Theaterpädagogik Ausstattungsassistenz Film- und Fotoaufnahmen während der Vorstellung sind nicht gestattet. Wir danken Wolfgang Crom, Leiter der Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin, für die Nutzung der historischen Karten. D ie S c h atzi n sel Inhalt Einführung 4 Über den Autor 6 Zur Geschichte der Piraterie 7 Die Kolonialisierung Amerikas durch Spanien und Portugal 8 Frankreich und England im Kampf um die Schätze 9 Wirtschaftliche und politische Funktionen des Seeraubs 11 Piratenleben, Piratenordnung, Piratensymbole 13 Leben unter Piraten 13 Die zehn Gebote der Piraten 15 Die Flaggen der Piraten 15 Schatzinseln, Piratenschätze 16 Unterrichtsprojekt: Mythos Schatz 18 Unterrichtsprojekt: Gemeinschaften auf engstem Raum 20 Kritik: Neues Deutschland, 27. Juli 2013 21 Quellenangaben 22 Hinweise für den Theaterbesuch 23 Impressum 24 3 D ie S c h atzi n sel 4 Einführung „Ein jeder kennt sie, die säbelschwingenden, bunt gewandeten Glücksritter, die den Stoff für so viele Abenteuerromane und Hollywood-Streifen lieferten. Piraten besitzen nach wie vor eine seltsame Anziehungskraft, denn malerische Segelschiffe auf azurblauer See, waghalsige Entermanöver und jaulende Kanonenkugeln unter tropischer Sonne, vergrabene Schätze auf einsamen Inseln und wilde Zechgelage in finsteren Kaschemmen rufen bei vielen Menschen den Traum von einem abenteuerlichen, freien und ungebundenen Leben wach.“, so beginnen Marco Carini und Flora Macallan ihr sehr lesenswertes und informatives Buch „Piraten. Die Herren der sieben Weltmeere“. (Im Folgenden sind sehr viele Textpassagen zur Piraterie, dem Piratenleben und -alltag entnommen, die Quelle ist am Ende angegeben.) Und ja, wir möchten ihnen in allen Punkten zustimmen. Auch auf uns im THEATER AN DER PARKAUE haben die Piraten und vor allem Robert Louis Stevensons Geschichte „Die Schatzinsel“ seit langem eine große Faszination ausgeübt: Die mit Abenteuern gespickte Salzluft des Meeres, durchtriebene Machenschaften, ein Kampf auf Leben und Tod – das ist, was uns die Helden fiebrig verfolgen lässt. Allen voran war es Jim Hawkins, der unser Interesse erweckte. Im Zentrum von Stevensons Geschichte steht der Junge auf Beobachtungsposten, um herauszufinden, was in der Erwachsenenwelt um ihn herum vor sich geht. Doch sehr schnell ist er gezwungen, seine Distanz aufzugeben. Der alte Seemann Billy Bones zieht ihn mitten hinein in das Geschehen um alte Rechnungen und Kämpfe, Jagden und vergrabene Schätze. Und jetzt schlägt Jims Stunde. Er wird aktiv und handelt. Ohne Jim keine Schatzkarte, keine Enttarnung von Käptn Long John Silver, keine Begegnung mit dem ausgesetzten Ben Gunn, keine Hispaniola, dem abenteuerumwehten Segelschiff dieser Reise. Es ist eine Emanzipations- und Initia- tionsgeschichte, die Stevenson 1881 als Mehrteiler in der Zeitschrift „Young Folks“ begann. Während die Sqires und Käptains in ihren Verhaltensmustern verharren, unterwandert Jim Hawkins die Konstellationen. Die Fronten brechen, Sieg und Niederlage werden neu verteilt. Das ist natürlich ein Stoff, der unbedingt auf eine Bühne gehört, die dafür steht, Theaterkunst für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Mit Albrecht Hirche haben wir einen Regisseur und Bearbeiter des Stoffes gefunden, der sehr eindringlich den dem Roman innewohnenden Situationen und Kräfteverhältnissen zwischen den Figuren nachspürt. So steht neben Jims Geschichte, der die Ereignisse durch seine Erzählhaltungen und Erzählperspektiven zusammenhält, sehr stark der Machtkampf zwischen Piraten und Offizieren einerseits und Long John Silvers und seiner Mannschaft andererseits im Zentrum. Über welche Fähigkeiten und charismatischen Eigenschaften muss ein Kapitän verfügen, um seine Leute dazu verleiten zu können, dem Goldschatz bis zum Letzten, bis zum Kampf auf Leben und Tod hinterherzurennen? Dass ein Junge ihm dabei in die Quere kommen und alles ins Wanken bringen würde, ist nicht, womit John Silver gerechnet hat. Es ist eine äußerst spannungsgeladene Theaterinszenierung, in der das Abenteuer der Schatzsuche nur der Anlass ist, über die Fallhöhen menschlichen Verhaltens in außergewöhnlichen und extremen Situationen zu verhandeln. Wie verhalte ich mich angesichts der Aussicht auf einen unermesslichen Schatz, der Reichtum, Auskommen und Erfüllung aller Wünsche verspricht; wie die Gier verbergen; wie auf den Schatz verzichten, wenn er in unerreichbare Ferne rückt; ab wann ist ein Mensch käuflich und welchen Preis ist er für die Aussicht auf einen Schatz zu bezahlen bereit? D ie S c h atzi n sel Wir wünschen Ihnen und Ihren Schülern einen bewegenden und aufregenden Theaterbesuch. Für Ihre Fragen, Ihre Anmerkungen, Ihr Lob, Ihre Kritik erreichen Sie mich unter [email protected]. Mit freundlichen Grüßen, Karola Marsch Dramaturgin und Theaterpädagogin Tel. 030 – 55 77 52 -30 [email protected] Thomas Pasieka, Hagen Löwe 5 D ie S c h atzi n sel 6 Über den Autor Robert Louis Stevenson wurde am 13. November 1850 in Edinburgh als Sohn einer Ingenieur- und Leuchtturmbauerfamilie geboren. Zu gern hätte der Vater seinen Sohn in seinen Fußstapfen gesehen, aber Robert Louis Stevenson litt Zeit seines Lebens an Lungenkrankheiten und Tuberkulose. Das schottische Klima setzte ihm zu und die Krankheit fesselte ihn immer wieder ans Bett. Auf Wunsch des Vaters begann er ein Technikstudium, brach es aber aufgrund seines Gesundheitszustandes ab und wechselte zur Rechtswissenschaft. Aber eigentlich fesselte ihn die Literatur. Der Vater akzeptierte den Wunsch des Sohnes Schriftsteller zu werden nur unter der Bedingung, wenn dieser eine abgeschlossene Ausbildung vorlegen könne. 1875 legt er die Abschlussprüfung ab und kann sich nun an Anwalt vor den Obergerichten nennen. Die Übertragung von Fällen lehnt er allerdings ab und widmet sich dem Schreiben. Und entdeckt seine Leidenschaft fürs Reisen. „For my part, I travel not to go anywhere, but to go. I travel for travel‘s sake. The great affair is to move.“ („Ich für meinen Teil, ich reise nicht, um irgendwohin zu gehen, sondern um zu gehen. Ich reise um des Reisens willen. Die große Sache ist, sich zu bewegen.“) 1878 lernt er in Frankreich die amerikanische Malerin Fanny Osbourne kennen, die allerdings verheiratet ist. Er folgt ihr in die Vereinigten Staaten. Aufgezehrt durch die lange Reise und die erneut ausbrechende Krankheit, langt er mit Müh und Not in San Francisco an. Fanny Osbourne hat zwei Kinder, ihren Sohn Lloyd und ihre schon erwachsene Tochter Belle. Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann werden Robert Louis und Fanny ein Ehepaar. Sie reisen zu seinen Eltern und verbringen einige Zeit in Europa. In einem kleinen Hochlanddorf in Schottland landen sie schließlich. Als er sich hier eine starke Erkältung zuzieht und keine Wanderungen unternehmen kann, verbringt er viel Zeit mit Lloyd und beginnt die Karte einer Insel zu malen. Diese Insel erregt seine Phantasie außerordentlich. Er sieht Hafenplätze vor sich, ein Gewimmel von Matrosen und Seeleuten, eine abenteuerliche Reise. Sein Held soll in Lloyds Alter sein und so schafft er den Jungen Jim Hawkins. Jeden Tag schreibt er ein Kapitel, das er am Abend der Familie vorliest. Alle verfolgen gespannt den Hergang, entzünden sich selbst an der Geschichte, spekulieren über Wendungen. Dann ereilt Stevenson eine Schreibhemmung. Erst ein Kuraufenthalt in den Schweizer Bergen nach einem Schwächeanfall bringt die nötige Schreibenergie zurück und hier vollendet er den Roman. Zunächst erschien er als Fortsetzungsroman in einer Jugendzeitschrift. 1883 erschien er dann als gebundene Ausgabe. Er wurde ein Bestseller und verkaufte sich bereits nach wenigen Jahren mit 75000 Exemplaren. Am 28. Juni 1888 verlässt Robert Louis Stevenson mit seiner Familie Europa in Richtung Südsee in der Hoffnung, dort ein besseres Klima für sein Leiden zu finden. 1891 lassen sie sich auf Samoa nieder. Hier stirbt Robert Louise Stevenson am 3. Dezember 1894. Zu seinen wichtigen Werken gehören neben der „Schatzinsel“ u.a. auch „Der schwarze Pfeil“, „Entführt. Die Abenteuer des David Balfour“, „Dr. Jekyll und Mr. Hide“ und zahlreiche Erzählungen wie „Der Selbstmörderclub“, „Der Pavillon in den Dünen“ und „Die Tür des Sire Malétroit“. D ie S c h atzi n sel 7 Andrej von Sallwitz, Thomas Pasieka, Johannes Hendrik Langer Zur Geschichte der Piraterie Die Geschichten der Seefahrt und des Seeraubs sind seit 5000 Jahren untrennbar miteinander verknüpft, denn seit Waren über die Meere verschifft werden, versuchen Piraten, ihrer habhaft zu werden. In dieser langen Zeit haben sich natürlich die Waffen, die Strategien und die Schiffe der jeweiligen Entwicklung angepasst, das Ziel jedes Seeraubs blieb aber über alle Ländergrenzen und Epochen hinweg das gleiche, denn bis heute ist der Wunsch nach schnellem Reichtum die Haupttriebfeder für die oft blutigen Überfälle auf hoher See. Piraterie erblüht vor allem dort, wo Seehandelsrouten durch Meerengen und an Küsten vorbei führen, ob im Mittelmeer oder in der indonesischen Inselwelt, am Persischen Golf oder auch in der Karibik. Und dort, wo – wie zu Beginn der Neuzeit in den überseeischen Kolonien Europas – auf staatlichen Auftrag hin Bodenschätze und andere Reichtümer ausgebeutet wurden, die man dann über die Ozeane in die Mutterländer schaffte, gingen auch Piraten gern auf Beutezug. [...] Im frühen 17. Jahrhundert bildete sich die Kari- D ie S c h atzi n sel bik als konkurrenzloses Zentrum der Seeräuberei heraus – Vergleichbares hatte es in der Geschichte der Piraterie bis dahin nicht gegeben. Geografischer Mittelpunkt war dabei zunächst die Insel Hispaniola, die heute in die Staaten Haiti und Dominikanische Republik geteilt ist. Eine besondere (und besonders heikle) Form der Seeräuberei war das Kaperwesen – bis weit in die Neuzeit hinein bedienten sich die über Jahrhunderte in Kriege verstrickten europäischen Staaten immer wieder gern der Unterstützung von Seeräubern, um ihren jeweiligen Gegnern zu schaden. Könige, Fürsten und Gouverneure stellten bereitwillig Kaperbriefe aus, die es den Piraten gestatteten, mit amtlicher Billigung feindliche Schiffe zu überfallen und zu plündern. Kaperbriefe waren sehr lange Bestandteil des internationalen Rechts und schützten ihre Besitzer in ihren Herkunftsländern vor Anklage, Verurteilung und Galgen. Die mit der Lizenz zum Töten und Rauben versehenen Freibeuter mussten allerdings im Gegenzug große Teile ihrer Beute an die Amtsträger abführen, die sie unterstützten. Für alle großen Seefahrernationen stellten Piraten eine billige Ergänzung ihrer Kriegsmarinen dar, wodurch die rechtlichen und moralischen Grenzen zwischen Seekrieg und Seeraub, zwischen militärischen oder seemännischen Glanzleistungen und verabscheuungswürdigen Verbrechen verschwommen. Denn von den Seinen bisweilen als Kriegs- und Freiheitsheld gefeiert, war der Kaperfahrer für die Gegenseite meist nur ein Räuber und Mörder, der den Tod verdiente. Die Bezeichnung Bukanier (Frz. „Boucanier“) bedeutet soviel wie „Fleischräucherer“ und leitet sich vom indianischen Wort „buccan“ oder auch „mukem“ ab. So bezeichneten die karibischen Ureinwohner Hispaniolas, die ArawakIndianer, ein Räucherhaus, in dem sie in Streifen geschnittenes Fleisch räucherten, um es haltbar 8 zu machen. Diese Technik wurde von den europäischen Einwanderern übernommen. Von den Spaniern wurden die Bukanier auch Flibustier genannt. Der Name lehnt sich an das französische Wort „Fibot“ an, was soviel wie „kleines Boot“ bedeutet, und verweist auf die wendigen Piraguas, mit denen die Küstenbewohner vorbeifahrende Schiffe kaperten. Die Kolonialisierung Amerikas durch Spanien und Portugal Nach Entdeckung der Neuen Welt im Jahr 1492 verbanden Europas Händler, Siedler, Herrscher und Glücksritter immense Erwartungen mit den unerforschten Territorien, machten doch Nachrichten von unvorstellbaren Schätzen an Gold und Silber die Runde – der Goldschatz Moctezumas ist noch heute ein Begriff. Kolumbus‘ Entdeckung hatte zur Folge, dass der neue Kontinent rücksichtslos geplündert wurde. Alte Hochkulturen wie die der Inka und Azteken wurden in kürzester Zeit zerstört und die indianische Bevölkerung versklavt, um Bodenschätze abzubauen. Zuerst gierten die Konquistadoren nur nach den bereits vorhandenen Goldwaren, doch schon in den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts versiegten diese indianischen Quellen, und die Goldwirtschaft musste auf den teuren Bergbau ausweichen. Ein anderes Edelmetall rückte nun mehr und mehr in den Vordergrund: Silber – die Mine in der Stadt Potosi lieferte 1550 mehr Silber als der Rest der Welt zusammen. Spanien und Portugal teilten die Neue Welt unter sich auf und wurden durch die Reichtümer Amerikas zu Weltmächten, was die europäischen Nachbarn mit Neid und Missgunst registrierten; da sie sich aber vorerst keinen offenen Krieg gegen die iberischen Staaten leisten konnten, schickten sie gegen sie inoffiziell ihre Freibeuter in See, die insbesondere den spa- D ie S c h atzi n sel nischen Schatzflotten und Kolonien schweren Schaden zufügten. Das spektakulärste Unternehmen der sogenannten Conquista – der Eroberung und Erschließung des mittel- und südamerikanischen Festlands – war die Vernichtung des Aztekenreichs durch Hernán Cortés. Den aus einer wohlhabenden spanischen Adelsfamilie stammenden und auf Kuba zu Vermögen gelangten Cortés verlockte die Kunde vom sagenhaften Goldschatz des Aztekenherrschers Moctezuma dazu, eine unter dem Kommando des Gouverneurs von Kuba, Diego de Velázquez, stehende Expedition zu verlassen und mit seinen Getreuen im Februar 1519 zum mexikanischen Festland aufzubrechen. Dort gründete er zunächst die Stadt Veracruz, wo er sich von seinen Männern zum Obersten Richter wählen ließ, um sich der Befehlsgewalt von Velázquez zu entziehen. Nach Betreten des Festlands soll er seine Boote verbrannt haben, um eine Umkehr unmöglich zu machen. Von diesem Moment an blieb den wenigen Spaniern nur noch die Eroberung des fremden Landes. Ein Großteil des Aztekenschatzes, den Cortés geraubt hatte, wurde 1523 von dem französischen Korsaren Jean Fleury erbeutet, der die Schatzschiffe auf ihrem Weg nach Spanien aufbrachte. Unzählige Kisten und Säcke mit Goldschmuck, Edelsteinen, Silber und indianischen Schmuckgegenständen gaben den Berichten über die unermesslichen Schätze der Neuen Welt weitere Nahrung. Frankreich, England und die Niederlande Die drei aufstrebenden Seemächte Frankreich, England und die Niederlande wollten nach der Entdeckung Amerikas eine spanisch-portugiesische Alleinherrschaft über die Neue Welt verhindern. Andererseits widerstrebte es ihnen, mit den iberischen Kolonialherren Handel zu treiben 9 – zumal Spanien und Portugal erzkatholische, England und die Niederlande hingegen (sowie Frankreich zeitweilig) protestantische Länder waren. Offen konnten diese drei Nationen wenig gegen die übermächtigen Iberer ausrichten – inoffiziell hingegen sehr viel, indem sie den unerklärten Krieg in die Hände von Freibeutern legten, die zwar ohne formelle Freibriefe ihrer Herkunftsländer unterwegs waren, hinter den Kulissen jedoch für ihre Taten gefeiert und gedeckt wurden. Vom Ende des 16. Jahrhunderts an begann die Macht Spaniens auf den Meeren allmählich zu schwinden und französische, niederländische und später vor allem englische Freibeuter überfielen immer häufiger die schwerfälligen spanischen Schatzschiffe und griffen sogar große Hafenstädte wie Cartagena, Maracaibo und Portobello an. Die von 1558 bis 1603 regierende Königin Elisabeth I. sanktionierte die Beutezüge der englischen Seefahrer durch geheime Freibriefe, doch schon zuvor hatten Überfälle durch englische Schiffe stattgefunden, die von der Krone oder dem Adel ausgerüstet worden waren; die Finanziers erhielten dafür einen fest vereinbarten Teil der Beute. Aber es war ein Vabanquespiel: Der Gewinn konnte gewaltig ausfallen, zugleich war das Risiko eines Totalverlustes enorm, denn viele Schiffe verschlang die See und etliche Freibeuter endeten in spanischen Kerkern, auf dem Scheiterhaufen oder als Sklaven auf Plantagen und in Bergwerken. Die Angriffe der englischen Piraten richteten sich weniger gegen die spanischen Schiffe, als gegen die reichen Hafenstädte Westindiens, wie man die Karibik damals nannte. Angesichts der immensen wirtschaftlichen und politischen Bedeutung überseeischer Territorien ging es dem Königshaus darum, die spanische Vormacht D ie S c h atzi n sel in Amerika zu brechen – um damit zugleich das große Gewicht Spaniens in Europa zu schmälern, das auf den Schätzen aus der Neuen Welt beruhte. Die von der Krone geduldeten Kaperfahrten der „Sea Dogs“ – so nannte man die Freibeuter, deren bekannteste Drake, Raleigh und Hawkins waren – sorgten für 10 – 15 Prozent der auswärtigen Einnahmen Englands. Während des 17. Jahrhunderts war der karibische Raum zwischen den Kolonialmächten hart umkämpft, denn Engländer, Franzosen und Holländer versuchten mit bewaffneten Expeditionen, aber auch mithilfe einheimischer Piraten, die Vorherrschaft Spaniens in der Region zu brechen, um hier eigenen wirtschaftlichen Interessen nachzugehen. Immer wieder kam es zu großen Seeschlachten und kleineren Scharmützeln zwischen den Kolonialmächten, wobei Westindien besonders umkämpft war, jene karibische Inselgruppe, zu der die Antillen/ Kuba, Jamaika, Hispaniola und Puerto Rico), die Bahamas sowie Trinidad und Aruba zählen. Da die Spanier zu wenige Streitkräfte hatten, um die gesamte karibische Inselwelt zu verteidigen, gelang es den anderen Staaten immer wieder, einzelne Inseln zu erobern und dort Stützpunkte für den Seehandel und von ihnen geduldete Schmuggelaktivitäten einzurichten. Die Engländer nahmen zunächst Barbados (1625) und Jamaika (1655) in Besitz, die Franzosen 1636 Guadeloupe, Martinique und die Westhälfte Haitis, während es den Niederländern 1634 gelang, auf Curacao Fuß zu fassen. Durch ihre zügellosen Raubzüge wurden die Bukanier für Frankreich und England bald zum willkommenen Verbündeten im Kampf gegen die Vorherrschaft Spaniens in der Neuen Welt. In den letzten zwei Dritteln des 17. Jahrhunderts nutzten die beiden Mächte die Piraten als militärische Hilfstruppe, um die Spanier durch Überfälle und Plünderungen zu schwächen. 10 Als Erste spannten die Franzosen die Freibeuter für ihre Ziele ein, denn nachdem sie 1636 auf mehreren Inseln der Kleinen Antillen Fuß gefasst hatten, führten sie einen fortwährenden Seekrieg gegen die spanische Kolonialmacht. Viele der Gouverneure, die Frankreich in der karibischen Inselwelt einsetzte, gingen bald dazu über, nicht nur ihre eigenen Freibeuterflotten mit Kaperbriefen auszustatten, sondern entsprechende Blankovollmachten auch an bukanische Piraten zu verteilen. So machten sie die „Brüder der Küste“ zu ihrer maritimen Hilfstruppe und schickten sie auf Kaperfahrt. Es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Die Überfälle der Bukanier waren nun rechtlich abgesegnet, während die französischen Gouverneure einen Teil der erbeuteten Frachten erhielten – einige brachten es so zu ungeheurem Reichtum. Dabei kümmerten sie sich kaum darum, ob die Piraten tatsächlich über Kaperbriefe verfügten, solange sie nur französischen (oder eigenen) Interessen dienten. Selbstverständlich wussten sich auch die Engländer der Flibustier zu bedienen und schlossen mit ihnen, nachdem eine vom englischen Diktator Oliver Cromwell ausgesandte Expeditionstruppe 1655 die Karibikinsel Jamaika von den Spaniern erobert hatte, einen Pakt: Jeder Pirat, der bereit war, spanische Schiffe oder Siedlungen zu überfallen, wurde umstandslos mit entsprechenden Kaperbriefen ausgestattet. Damit wuchs sich der Seeraub in den karibischen Gewässern – unterstützt durch Kaufleute und Kolonialbeamte – zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig und zu einem wichtigen Instrument der Kolonialpolitik aus. Denn während die englische Regierung sich offiziell den Anschein gab, das Verhältnis zu Spanien entkrampfen zu wollen, deckten ihre Gouverneure in den karibischen Kolonien die Beutezüge der Bukanier gegen die Handelsschiffe der Iberer. Zunehmend D ie S c h atzi n sel zerflossen so die Grenzen zwischen Kaperei und Piraterie, Recht und Unrecht. Tatsächlich ging der Plan der englischen Regierung überraschend schnell auf und führte zu einer folgenreichen Spaltung der Piratenbruderschaften. Viele Seeräuber, darunter selbst berüchtigte Kapitäne wie Henry Jennings und Ben Hornigold, nahmen das Amnestieangebot an und entsagten dem Seeraub, während andere, wie etwa Charles Vane, ihr Jagdrevier einfach an die nordamerikanische Küste oder nach Westafrika und in den Indischen Ozean verlegten. Jene Seeräuber aber, die in ihren angestammten Gebieten ihre Aktivitäten fortsetzten, mussten erleben, dass man ihnen nun konsequent nachstellte, wozu die Briten auch private Kopfgeldjäger engagierten, die gegen hohe Prämien bereit waren, die Räuber der Meere zu jagen. Wirtschaftliche und politische Funktionen des Seeraubs Nützlich waren Piraten den Kaufleuten vor allem darin, die staatlichen Handelsbeschränkungen und Zölle, die den Warenaustausch zwischen den Kolonien und ihren Mutterländern hemmten, zu unterlaufen. So wurde der Warenverkehr mithilfe der Seeräuber zu einem großen Teil auf profitable Schmuggelwege umgelenkt und einflussreiche Händler scheuten sich nicht, dazu mittellosen Piraten Kredite für die Ausrüstung ihrer Unternehmungen zu gewähren, wenn sie sich im Gegenzug verpflichteten, bis zu einem Viertel ihrer Beute an ihre Kreditoren abzutreten. Daneben blühte ein reger Handel mit den Seeräubern, die ihr Diebesgut verkaufen wollten und umgekehrt zuverlässige Abnehmer kolonialer Güter, etwa alkoholischer Getränke, waren. Da die Gewinnspannen in den Geschäften mit den Piraten extrem hoch waren, kamen viele dieser dubiosen Kaufleute in kürzester Zeit zu 11 einem Reichtum, der ihnen auch Zugang zur besseren Gesellschaft, zu Adelstiteln und begehrten Ämtern verschaffte. Manche Gouverneure wiederum stellten nicht nur großzügig Kaperbriefe aus, für die sie im Gegenzug an der Beute beteiligt wurden, sondern ließen sich ein weiteres Mal bezahlen, wenn die Seeräuber ihre Fracht in den Kolonialhäfen ungehindert entladen wollten. Und wo immer sich in den Kolonialgebieten ein freier Hafen zu einem florierenden Seeräubernest entwickelte, waren dort bald auch selbstständige Kaufleute und Agenten von Handelshäusern anzutreffen, die nicht allein die Gesetzlosen mit Waffen, Munition, Schiffsausrüstung und Kleidung versorgten, sondern in deren Hochburgen wie New Providence oder Madagaskar sogar Umschlagplätze für den überaus lukrativen Sklavenhandel einrichteten, für den Seeräuber die menschliche Ware beschafften. Das ausufernde Treiben der Seeräuberbanden brachte den regulären Handel in den karibischen, westindischen und nordamerikanischen Gewässern fast zum Erliegen. Deshalb wurde die Piraterie schließlich selbst für die Engländer, die die Kaperei jahrzehntelang gefördert hatten, politisch und wirtschaftlich ein unakzeptables Ärgernis. Der englische König Georg I. unterzeichnete am 5. September 1717 eine Generalamnestie, den sogenannten „Act of Grace“, der jedem Seeräuber, der bereit war, binnen eines Jahres der Piraterie abzuschwören, Straffreiheit für seine bisherigen Taten zusicherte, während all jene, die ihr Gewerbe nicht aufgeben sollten, eine gnadenlose Verfolgung und der Tod durch den Strang angedroht wurde. Die Umsetzung beider Maßnahmen legte man auf Betreiben einiger einflussreicher Londoner Kaufleute und Reeder in die Hände des bekannten ehemaligen Freibeuters und Weltumseglers D ie S c h atzi n sel Woodes Rogers, den der König 1718 zum neuen Gouverneur der Bahamas ernannte. Zugleich wurden Kolonialbeamte, die nicht entschlossen gegen die Seeräuber vorgingen, durch andere ersetzt, die sich dem Act of Grace verpflichtet sahen. Aus: Marco Carini & Flora Macallan: Piraten. Die Herren der sieben Weltmeere. Parragon Books Ltd Bath, UK. Ohne Angabe des Jahres. Matthias Bernhold, Birgit Berthold 12 D ie S c h atzi n sel 13 Piratenleben, Piratenordnung, Piratensymbole Leben unter Piraten Während das Bukanierleben an Land von anarchischer Gesetzlosigkeit geprägt war, gab es für die Bedingungen, unter denen ein Raubzug stattfand, genaue Regeln. So einigten sich zu Beginn einer Kaperfahrt alle Teilnehmer auf einen Kapitän, auf das Ziel der Fahrt und die Aufteilung des Proviants; die Verteilung der künftigen Beute wurde ebenfalls verbindlich abgesprochen, bevor die Schiffe ablegten. Vom Schiffsjungen bis zum Kommandeur wusste also jedes Besatzungsmitglied, mit welchen Anteilen es rechnen konnte. Der Anführer erhielt dabei in der Regel vier- bis sechsmal so viel Beutegut wie ein gewöhnlicher Matrose. Diese strengen Regeln – „chassepartie“ genannt – galten aber stets nur für einen einzigen Raubzug und wurden vor jeder Fahrt neu ausgehandelt. Jeder Bukanier musste einen Bibelschwur auf dieses „Gesetz der Küste“ ablegen, und Verstöße wurden mit drakonischen Strafen geahndet. So wurden die Küstenbrüder, die Beutegut unterschlugen oder gar Kameraden bestahlen, laut Exquemelin „für immer aus der Gemeinschaft der Seeräuber ausgeschlossen“ oder, nur mit etwas Trinkwasser und Munition sowie einer Waffe ausgestattet, auf einer unbewohnten Insel ausgesetzt. Eine solche Verbannung war gefürchteter als eine Hinrichtung, weil sie meist einen qualvollen, langsamen Tod durch Verdursten oder Verhungern bedeutete. Mit der Todesstrafe wurde bedacht, wer sich im Kampf feige oder „unehrenhaft“ verhielt – die Strafe wurde von der Bordgemeinschaft des Piratenschiffes verhängt und meist an Ort und Stelle vollstreckt. Man band dazu den Verurteilten an einen Mast, und ein Kumpan, den er selbst auswählen konnte, erschoss ihn. Um Kumpane, die auf Beutezügen verletzt wurden, zu unterstützen, führten die Bukanier eine Mischform aus Krankenversicherung und Berufsunfä- higkeitsrente ein. Von der geraubten Beute wurde jeweils ein eil für versehrte Piraten zurückgelegt. Verlor zum Beispiel ein Bukanier im Kampf seinen rechten Arm, standen ihm 600 spanische Silbermünzen oder sechs Sklaven zu. Der linke Arm brachte nur 500 Geldstücke oder fünf Sklaven ein, während der Verlust eines Beins mit 400 – 500 Silberlingen und bis zu fünf Sklaven entschädigt wurde. Ein verlorenes Auge sicherte den Anspruch auf 100 Münzen oder einen Sklaven. Während das Gemeinschaftsleben der Bukanier durchaus Züge einer demokratischen und gleichberechtigt organisierten Gesellschaft aufwies, ließen die Piraten Außenstehende nicht in den Genuss dieser Vorzüge kommen: Knechte, Sklaven und die indianischen Ureinwohner beuteten sie gnadenlos und brutal aus, und auch Frauen besaßen bei ihnen lange keinerlei Rechte, während Gefangene einer kaum vorstellbaren Grausamkeit ausgeliefert waren. Auf den meisten Piratenschiffen herrschte eine weitgehende Mitbestimmung, denn die Besatzungen wählten ihren Kapitän und die Offiziere selbst, legten gemeinsam Strafen für mögliche Vergehen an Bord fest und teilten die Beute nach zuvor genau festgelegten Anteilen unter sich auf. Bei der Wahl des Kapitäns besaß jedes Mitglied der Mannschaft eine Stimme, und der auf diese Weise ernannte Kommandant hatte zwar bei der Verfolgung eines Beuteschiffs und im Kampf die Befehlsgewalt inne, genoss ansonsten aber keine besonderen Privilegien und musste sich den Mehrheitsbeschlüssen an Bord beugen. „Sie erlauben ihm, Kapitän zu sein, unter der Bedingung, dass sie auch Kapitän über ihn sind“, kommentierte ein Zeitgenosse diese Rätedemokratie, zu der auch gehörte, dass der Kommandant eines Schiffs an Bord nicht besser verpflegt wurde oder untergebracht war als seine Leute – Meutereien, die auf regulären Schiffen ein großes Problem darstellten, erübrigten sich unter diesen D ie S c h atzi n sel Voraussetzungen auf Piratenschiffen weitgehend. Außer durch ihre Vollversammlung beschränkte die Mannschaft die jeweils befristeten Machtbefugnisse ihrer Führung noch durch einen ebenfalls gewählten Rat, dem die höchste Autorität an Deck zufiel, sowie durch den von ihr bestimmten, ungemein wichtigen Quartiermeister, der den Proviant verwaltete, Strafmaßnahmen leitete und schließlich die Beute verteilte. Diese gewissermaßen demokratischen Mitbestimmungsrechte waren ein wesentlicher Grund dafür, Florian Pabst, Birgit Berthold 14 dass insbesondere zahlreiche Seeleute zu den Piraten überliefen, denn auf den Handelsfahrern und Kriegsschiffen des 17. und 18. Jahrhunderts waren die Mannschaften einer gnadenlosen Disziplin unterworfen, während sie auf den Piratenschiffen, wo schwarze Sklaven mit Arabern und Europäern unter einer Flagge fuhren, als freie Männer die Hierarchie an Bord selbst kontrollierten; ungeachtet ihrer Hautfarbe, Religion und Herkunft erlebten sie hier statt eines fraglosen Systems von Befehl und Gehorsam weitgehend demokratische Regeln. D ie S c h atzi n sel 15 Die zehn Gebote der Piraten Die Flaggen der Piraten Die folgenden – leicht gekürzten – Regeln, die sich eine Mannschaft gab, die unter der Führung des berühmten Piraten Bartholomew Roberts auf Beutezug ging, erlauben interessante Einblicke in den Seeräuberalltag und die Organisation an Bord; sie wurden durch die 1724 erschienene „General History of the Pyrates“ von Charles Johnson überliefert. Die bekannteste aller Piratenflaggen, die im englischsprachigen Raum „Jolly Roger“ oder „Black Jack“ hieß, sollte dem Gegner vor allem Furcht einflößen, denn wurde der Jolly Roger gehisst, war das für ihn die Aufforderung, sich unverzüglich kampflos zu ergeben. Piraten wählten für ihre Flaggen häufig Motive, die ihren Opfern schon aus der Distanz signalisierten, welches Schicksal sie erwartete – so drohte ihnen ein Totenkopf mit darunter befindlichem Stundenglas an, dass ihre Zeit abgelaufen sei und sie der Tod erwarte, sofern sie nicht alsbald kapitulierten; und wenn die Verfolgten kein schwarzes, sondern ein blutrotes Banner erspähten, hieß das, dass die Angreifer keine Gefangenen machen und ihren Opfern keine Gnade gewähren würden. Die französischen Bukanier nannten das blutrote Banner, das den auserkorenen Opfern signalisierte, dass sie nicht mit Gnade zu rechnen hätten, „la Joli(e) rouge’re“ – die hübsche Rote. Die Engländer sollen daraus dann Jolly Roger gemacht haben, wenngleich einige Forscher den Namen auf den indischen Piraten Ali Rajah (König der See) zurückführen, den die Briten „Olly Roger“ aussprachen. Nicht wenige Seeräuber (und auch Piratenjäger) nutzten Flaggen gelegentlich taktisch, indem sie sich ihren Opfern zunächst unter einer falschen harmlosen Fahne näherten, um erst dann, wenn der Gegner nicht mehr entkommen konnte, die gefürchtete Piratenflagge zu setzen. 1. Jeder Mann hat bei allein anstehenden Entscheidungen Stimmrecht, und jeder hat das gleiche Anrecht auf frischen Proviant und Schnaps. 2. Jeder Mann, der seine Kameraden bestiehlt, soll ausgesetzt werden. 3. Niemand darf um Geld spielen, weder mit Karten noch mit Würfeln. 4. Die Lichter und Kerzen müssen um acht Uhr abends gelöscht werden. Wenn Mitglieder der Besatzung nach dieser Zeit noch trinken wollen, sollen sie dies an Deck tun. 5. Gewehre, Pistolen und Entermesser sind jederzeit sauber und gefechtsbereit zu halten. 6. Es darf keine Frau und kein Junge an Bord sein. Wer eine Frau an Bord lockt und verkleidet mit auf See nimmt, hat sein Leben verwirkt. 7. Wer im Gefecht das Schiff oder seinen Posten verlässt, wird mit dem Tode oder Auspeitschen bestraft. 8. Raufereien sind an Bord verboten. Alle Streitigkeiten werden an Land ausgetragen. 9. Jeder, der ein Körperglied während eines Kampfes verliert, erhält einen Extraanteil der Beute. 10. Der Kapitän und der Quartiermeister erhalten je zwei Teile an der Beute, Maat, Hauptkanonier und Bootsmann 1 ½ Teile, Offiziere 1 ¼ Teile, alle anderen Besatzungsmitglieder je einen Teil. Aus: Marco Carini & Flora Macallan: Piraten. Die Herren der sieben Weltmeere. Parragon Books Ltd Bath, UK. Ohne Angabe des Jahres. D ie S c h atzi n sel 16 Schatzinseln, Piratenschätze Die legendären Schatzverstecke von Piraten beschäftigten seit jeher die Phantasie von Schriftstellern, Lesern und Glücksrittern, obgleich bislang nur von drei Seeräubern bekannt ist, dass sie tatsächlich einen Teil ihrer Reichtümer vergraben haben. Statt es mühselig zu verstecken, machten die meisten Piraten ihr Raubgut an Land möglichst schnell zu Geld, das sie oft in kürzester Zeit wieder verschleuderten. Vergraben haben dagegen weit häufiger die von Piraten bedrohten Küstenbewohner ihr Hab und Gut, um es vor den Räubern in Sicherheit zu bringen. Aus der Blütezeit der Piraterie ist lediglich von William Kid (1645 – 1701) belegt, dass er einen Schatz auf einer Insel verbarg und sogar eine Karte über das Versteck anfertigte. Unbeirrt von den Ergebnissen der historischen Forschung hoffen aber nach wie vor etliche Glücksritter, durch einen Schatzfund reich zu werden, und suchen etwa auf der Ostseeinsel Rügen nach den vermeintlichen Schätzen des norddeutschen Vitalienbruders Klaus Störtebeker (ca. 1360 – 1401). Auch die Kokosinsel, ein kleines Eiland vor der Küste Mittelamerikas, wird unter Schatzsuchern als wahrer Geheimtipp gehandelt, und in der Tat ist bezeugt, dass der Bukanierkapitän Edward Davis (ca. 1702 gestorben) dort einen Schatz versteckt hat, ebenso wie der Pirat „Benito Benito“, von dem man sogar weiß, dass er keine Gelegenheit fand, seine Beute wieder abzuholen. In ihrem Buch „Das Geheimnis der Schatzinsel. Robert Louis Stevenson und die Kokosinsel – einem Mythos auf der Spur“ beschreibt die promovierte Botanikerin und Filmproduzentin Ina Knobloch, wie sie mit dem Virus der Schatzsuche infiziert wurde. Bereits ihr Vorwort gibt das auf wunderbare Weise wieder: Immer wieder ist die Schatzinsel aus Robert Louis Stevensons gleichnamigem Roman mit der costaricanischen Kokosinsel in Verbindung gebracht worden. Als ich vor über zwanzig Jahren für eine wissenschaftliche Reportage in Costa Rica war, sagte mir meine Intuition, dass die Kokosinsel Stevenson tatsächlich als Vorlage gedient haben musste. Noch bevor ich einen Fuß auf die Insel gesetzt hatte, packte mich das Schatzfieber wie ein Grippevirus. Wobei mich die Vermutung, auf Stevensons Schatzinsel zu wandeln, mindestens genauso fesselte wie die gigantischen Schätze an sich, die noch auf ihre Entdeckung warteten. Der Gedanke, dass beides in direktem Zusammenhang miteinander stehen musste, ließ mich nicht mehr los. Es begann eine Jagd auf den Spuren Robert Louis Stevensons und der Piraten und Schatzjäger, die ihr Glück auf der Kokosinsel versucht hatten; sie führte mich fast um den ganzen Globus. Unzählige lose Enden der Schatzlegenden um die Kokosinsel und Geschichten um Stevenson hielt ich in den Händen, bis ich die richtigen Verbindungen fand und sie zu meiner Theorie verknüpfen konnte. Zwanzig Jahre nach meinem ersten Besuch auf der Kokosinsel, im Sommer 2008, saß ich in Südfrankreich am Rande eines duftenden Lavendelfeldes unweit der Chauvet-Höhle. Hätte mich ein paar Wochen zuvor jemand gefragt, was Südfrankreich mit der Kokosinsel verbindet, ich hätte keine Antwort darauf gewusst. Ich betrat die Höhlenausstellung nahe dem Ufer des Wildwasserflusses Ardèche, ohne auch nur einen Gedanken an die Schatzinsel zu verschwenden. Doch es fiel mir wie Schuppen von den Augen, als ich einen Text las, der etwa wie folgt lautete: „Zehntausende von Jahren blieb diese Höhle unentdeckt und verbarg die einzigartigen Schätze unserer Vorfahren… Archäologen haben den da Vinci der Steinzeit gefunden…“ Die Höhlenmalereien, die vor noch nicht einmal fünfzehn Jahren im Tal der Ardèche am Rande des überfüllten Touristenortes Vallon-Pont-d’Arc entdeckt wurden, sind die ältesten Kunstwerke der Welt – sie entstanden vor 30 000 bis 33 000 Jahren. Hunderte von Archäologen haben vor der spektakulären Entdeckung in der Region schon nach Höhlen D ie S c h atzi n sel gesucht und zum Teil auch gigantische Gewölbe unter der Erde gefunden. Solche Höhlen musste es auch auf der Kokosinsel geben. Ein Lavastrom aus Basalt hatte die Insel geformt – genau wie die Region der Ardèche. Archäologische Expeditionen waren bislang auf der Kokosinsel noch nicht durchgeführt worden, aber alle Schatzkarten und –beschreibungen, die ich gefunden hatte, wiesen auf Höhlen hin, alle bisher erfolgreichen Schatzjäger beschrieben Höhlen. Vermutet wird dort noch immer der größte Piratenschatz aller Zeiten – der Kirchenschatz von Lima. Und es gab noch etwas, das mich stutzig machte: Fast alle Schatzsucher umwehte der Hauch des Todes. Wer nicht an mystische Flüche glaubt, kann nur zu einem Schluss kommen: Das Gold liegt noch auf der Insel und die Gier ist tödlich. Nach diesem Sommer in Südfrankreich bin ich mir sicherer denn je, dass der Schatz noch auf der Insel verborgen liegen muss. In den vergangenen zwanzig Jahren haben mich drei Expeditionen zur Kokosin- 17 sel, Reisen nach Neufundland, Kalifornien, Schottland und in die Schweiz und unzählige Stunden in Archiven auf die Spur gebracht, warum die zahlreichen Schatzjagden auf der Insel fast alle erfolglos geblieben sind. Meine über die Jahre gewonnenen Erkenntnisse bis hin zu meinem Schlüsselerlebnis im Sommer 2008 führten zu der Idee, dieses Buch zu schreiben. Hingegen zitiert Alex Capus in seinem Buch „Reisen im Licht der Sterne“ Stevenson im Gespräch mit einem Reporter des Sydney Morning Herald auf dessen Frage „Haben Sie die Schatzinsel je besucht?“ wie folgt: Robert Louis Stevenson (lächelt vergnügt): „Die Schatzinsel liegt nicht im Pazifik. In der Tat wüsste ich selbst gern, wo sie zu finden ist. Als ich das Buch schrieb, habe ich sehr darauf geachtet, keine Hinweise auf ihre Lage zu geben, damit sie nicht von Schatzsuchern überfallen wird. Wie auch immer, die meisten Leute glauben, sie liege in der Karibik.“ Johannes Hendrik Langer, Andrej von Sallwitz, Stefan Kowalski, Birgit Berthold D ie S c h atzi n sel 18 Unterrichtsprojekt: Mythos Schatz Das Wort Schatz allein übt bereits eine übergroße Anziehungskraft aus. Bei Wikipedia können wir lesen, ein „Schatz („thesaurus“) oder auch Schatzfund ist nach der Legaldefinition des § 984 BGB eine bewegliche Sache, die so lange verborgen war, dass sich ihr Eigentümer nicht mehr ermitteln lässt“. Etwas ohne Eigentümer ruft förmlich danach, zu jemandem gehören zu sollen. Warum also nicht zu mir? Ein Schatz verspricht eine abenteuerliche Suche, einen nicht berechenbaren Wert, etwas Unermessliches, Wertvolles, das es nur äußerst selten gibt und also ebenso selten gefunden werden kann. Auch ein geliebter Mensch wird so bezeichnet. Dabei ist nicht immer klar, ob es der Schatz selbst ist, den wir finden wollen und der diesen nebulösen Glanz auf uns ausübt oder ob es nicht eher die Suche nach ihm ist, die Hindernisse, die sich auftürmen und die es zu überwinden gilt, um an ihn zu gelangen, die uns quälen und umtreiben. Was passiert, wenn wir ihn dann haben, den Schatz? Wie lange bleibt er attraktiv? Und wenn er uns entwischt? Was dann? In Vorbereitung auf die Inszenierung schlage ich Ihnen folgende Übung vor. Auf diese Weise nähern sich die Schüler dem Thema der Geschichte, wenn ihnen der Stoff nicht bekannt ist. Lassen Sie die Schüler an einer leeren Packpapierwand unter der Überschrift SCHATZ assoziieren: Was fällt euch alles zu diesem Begriff ein? Was gehört dazu? Was muss aufgeschrieben sein, um unter die Kategorie Schatz zu fallen? Für ca. 20 Minuten läuft die Kommunikation ausschließlich über diese Packpapierwand, laut geredet, erklärt werden darf nicht, nur wenn die Schrift nicht entzifferbar ist. Immer nur ein Schüler darf an der Wand schreiben, so dass jeder verfolgen kann, wie die Wand sich füllt. Wenn es stockt, können Sie durch Nachfragen die Assoziationen neu anschieben. Anschließend teilen Sie die Schüler in kleine Gruppen von 4 – 5 Schülern auf. Alle bekommen die selbe Aufgabe: Ausgangssituation ist, dass die Gruppe gemeinsam einen Schatz sucht: Für welchen Schatz lohnt es sich loszugehen? Was wolltet ihr schon immer einmal finden? Ist es ein materieller Schatz? Oder ein anders gearteter? Ab wann lohnt es sich, etwas dafür zu tun, einen Schatz zu bekommen? Wie viel muss der Schatz wert sein? Was würdet ihr alles tun, um den Schatz zu bekommen? Aufgabe ist es, dafür eine Geschichte zu erfinden, die durch einen oder mehrere Erzähler in der Rückblende erzählt und/oder gespielt wird. Klärende Fragen für die Arbeit an der Situation/Geschichte können sein: Wer kommt alles mit? Was brauchen wir, um den Schatz zu bekommen? Wie lange dauert die Suche? Gibt es einen Chef in der Gruppe der Schatzsucher? Ziehen alle an einem Strang? Geht der Plan auf oder wurde etwas vergessen? Welche Probleme tauchen auf? Funktioniert die Gruppe oder gibt es Streit? Gibt es Gegenspieler? Schließlich braucht es eine Entscheidung: Kommt man ans Ziel und findet den Schatz oder scheitert man? Wie schaut man rückblickend auf das Erlebte? Nachdem die einzelnen Gruppen ihre Geschichten erzählt oder gespielt haben, sprechen Sie mit den Schülern über das Dargestellte. Die Reflexion darüber ist ein wichtiger Kommunikationsbaustein. Die einen zeigen etwas, die anderen sehen/hören zu, gemeinsam spricht man darüber. Zuerst die, die es gesehen haben. Sie versuchen zu beschreiben, was vorgegangen ist. Erst am Ende dessen können D ie S c h atzi n sel sie eine Bewertung vornehmen. Das aber ist nicht das Spannende, sondern das, was die Schüler beim Vorspiel gesehen haben. Anschließend können die Spieler sagen, was ihre Absicht gewesen war, ob sie sich mit dem deckt, was die Zuschauer beschrieben haben. Andrej von Sallwitz, Stefan Kowalski, Johannes Hendrik Langer 19 D ie S c h atzi n sel 20 Unterrichtsprojekt: Gemeinschaften auf engstem Raum Im vorliegenden Material gibt es viele Hinweise auf das Piratenleben und den Alltag der Piraten. Interessant daran ist nicht nur, dass sie über Monate, sogar Jahre in den immer selben Gruppen unterwegs waren und das auf engstem Raum auf einem Schiff, sondern auch, dass sie sich Regeln gaben, wie sie in diesen Lebenssituationen möglichst gerecht miteinander auskommen konnten. So ist es erstaunlich, dass, ähnlich wie wir es aus dem Tierreich von Rudeln kennen, sich der Kapitän immer wieder beweisen musste. Und wenn er nicht mehr stark genug oder gerecht genug, zu seinem Vorteil und zum Nachteil der Mannschaft agierte, wurde er abgesetzt. Meuterei ist das Wort, das dabei sofort im Ohr liegt. Jede Gemeinschaft ist von Regeln, Normen, Hierarchien, Miteinander und Arbeitsteilungen geprägt. Alles in unterschiedlichen Maßen. Das Bedürfnis nach nichthierarchischen, aber gleichberechtigten und partnerschaftlichen Strukturen und Beziehungen zwischen Menschen wächst. Diese Entwicklung ist eine Antwort auf die zunehmende Abkopplung der Menschen von den politischen Entscheidungen in unserer westlichen Zivilisation einerseits und andererseits dem Bedürfnis nach Verantwortungsübernahme der Bürger angesichts der anstehenden globalen Probleme wie Klimawandel, Ökokatastrophe, Finanzkrise, Überwachung und dem gläsernen Menschen im digitalen Zeitalter. Wer bestimmt, woran man wie beteiligt ist, beteiligt sein darf? Wer verschafft die Zugänge zur Mitgestaltung am öffentlichen Leben? Schon eine Schulklasse ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Wer hat welchen Platz und wie wird das täglich neu austariert? Wer darf welchen Platz beanspruchen? Wer stellt die Kriterien für Top oder Flop auf? Wer oder was entscheidet darüber, ob einer anerkannt ist oder ausgegrenzt wird? Welches Spiel wird gespielt? Im Folgenden versuche ich, eine Anregung für eine Art Planspiel zu geben. Lassen Sie die Schüler eine Situation suchen, in der die gesamte Klasse zusammenhält. Gibt es die? Wäre das möglich? Was müsste passieren, dass die Schüler gemeinsam, geschlossen handeln würden und dies auch öffentlich verteidigen würden? Aus welchem Anlass? Wenn dies gefunden ist, bleibt die Frage, wie sich die Gruppe/Klasse organisiert. Wer spricht für sie? Einer? Eine Gruppe von Leuten? Wie werden sie ausgesucht? Nach welchen Maßstäben, Kriterien? Wer übernimmt welche Aufgaben? Interessant an solchem Experiment, das man gut durchdenken muss, ist, dass man Einblicke in das gemeinschaftliche Interesse einer Gruppe bekommt. Ist es überhaupt von Interesse für die Schüler, gemeinsam einen Ort, eine Situation zu gestalten, zu handeln, aktiv zu werden, auch innerhalb eines spielerischen Rahmens? Wenn Sie es ausprobieren, wäre ich an Ihren gemachten Erfahrungen überaus interessiert. Mögliche Arbeitssschritte: • Kleine Gruppen überlegen eine Situation, in der alle geschlossen auftreten • Die Klasse diskutiert die unterschiedlichen Ideen und einigt sich auf eine • Die Klasse entwirft ein Szenario: Warum müssen sie zusammenhalten? Wofür? Wogegen? Wie müssen sie sich formulieren? Wer vertritt die Interessen der Klasse nach draußen? Wie findet die Kommunikation in die Klasse zurück statt? Wer darf Entscheidungen treffen? Eine Dokumentation hält die Phasen dieses Spiels fest und rekapituliert Anfang, Ablauf und Ausgang. D ie S c h atzi n sel 21 K r i t i k Neues Deutschland, 27. Juli 2013 Ahoi! Es geht um Leben und Tod „Die Schatzinsel“ im Theater an der Parkaue von Lucia Tirado Volle Kraft voraus. Begehrtes Ziel ist „Die Schatzinsel“. Regisseur Albrecht Hirche bleibt mit seiner Fassung von Robert Louis Stevensons Roman im Jungen Staatstheater Berlin zwar nah am Original, treibt aber die Handlung den Ereignissen auf See entgegen. Zügig stellt er die Handelnden vor, bringt die Aufzeichnungen des alten Seemanns Bill ins Spiel, hinter denen Spießgesellen her sind. Zunächst einmal aber gelangen sie in die Hände des jungen Jim Hawkins und ihm Gutgesonnener. Viel wissen sie auf den ersten Blick nicht mit der Inselskizze anzufangen. „Wo ist Kopf und wo ist Schwanz?“, rufen sie aus. Hals über Kopf jedenfalls wird Jim Schiffsjunge auf dem Schoner Hispaniola. Er muss bei den folgenden Ereignissen herausfinden, in welcher Gestalt ihm das Böse, das Kaltblütige, das Hinterhältige begegnet. Erleben ist das bessere Wort, denn darüber nachzudenken, bleibt ihm keine Zeit. Was es an Niedertracht gibt, prasselt auf ihn ein. Nur das kann Thomas Pasieka in Hirches Fassung als Erzählender und durch die Geschichte Führender wiedergeben. Allerdings kann er in der zweistündigen Inszenierung mit gutem Ende zeigen, wie Jim dabei über sich hinauswächst. Spannend ist es allemal. Raubeinig, wie es sich für eine Geschichte gehört, die den Piratengesetzen folgt. Prügeleien werden nach den Regeln an Land ausgetragen, was ausgiebig geschieht, kann man in der Pause sehen. Dafür ist bei Matthias Bernhold (auch für die Musik verantwortlich), Hagen Löwe und Florian Pabst ohne Schonung in verschiedenen Rollen viel Kraft im Spiel. Kapitän Smollet hat davon in seinem Leben schon das meiste hergegeben, weiß Stefan Kowalski zu zeigen. Birgit Berthold wiederum meistert lauernd die zwiespältige Persönlichkeit des Schatzjägers Long John Silver. Aus ganz anderem Holz und dem kaum gewachsen sind der Friedensrichter und der Arzt. Andrej von Sallwitz und Johannes Hendrik Langer machen an Deck herumstolzierend deutlich, dass diese beiden kaum ahnten, worauf sie sich bei der von ihnen angezettelten Reise zur Schatzinsel einlassen. Ahoi! Hier geht es um Leben und Tod. Maskierte dunkle, blind scheinende Gestalten deuten das schon vor der Vorstellung und am Ende der Pause an. Mit ihren weißen Stöcken auf den Boden klopfend drängen sie die Zuschauer in den Saal. Hirche verzichtet auf allerlei Requisiten. Er baut auf die Vorstellungskraft des Publikums. Die Schauspieler »nutzen« unsichtbare Gegenstände. Jedes Kind weiß doch, dass der Arzt eine Tasche trägt, dass man Krüge und Becher braucht. „Hispaniola!“ Von Kindern laut ausgerufen lässt Hirche den Namen des Schiffes immer wieder hören. Auch einen Chor der Mitarbeiter des Theaters bringt er ins Spiel. Eine gute Idee, die jedoch verpufft. Schräg ansteigende Planken gehören zum fantastischen Bühnenbild von Kathrin Krumbein und sind zunächst Boden des Wirtshauses der Eltern, in dem Jim lebt. Die Drehbühne im Hintergrund ist als Schiffsbug bebaut. Durch das Umstecken des Steuerrades wird sie schnell zum Heck. Die frei arbeitende Ausstatterin, die schon zahlreichen Bühnen in Deutschland ihr Bild gab, vollzog die beim Schiffsbau unerlässliche Zweckmäßigkeit vortrefflich nach. Auch die Kostüme schuf sie. Man sieht grüne und pinkfarbene Piratenbärte. Die Auswahl für den Romanstoff, der mehr als 20 Mal verfilmt wurde, ist ein Treffer für die Bühne. So wird das Stück – die letzte Premiere vor der Sommerpause – auch in der kommenden Spielzeit den Kindern gefallen. Schließlich heißt es, die Idee für den Roman sei dem schottischen Schriftsteller 1881 gekommen, als er seinem Sohn beim Malen einer Schatzkarte half. Für ihn allein erfand er zunächst die Geschichte. D ie S c h atzi n sel Quellenangaben Marco Carini & Flora Macallan: Piraten. Die Herren der sieben Weltmeere. Parragon Books Ltd Bath, UK. Ohne Angabe des Jahres. Alex Capus: Reisen im Licht der Sterne. btb Verlag München 2007. Ina Knobloch: Das Geheimnis der Schatzinsel. Robert Louis Stevenson und die Kokosinsel – einem Mythos auf der Spur. mareverlag Hamburg 2009. 22 D ie S c h atzi n sel 23 Hinweise für den Theaterbesuch Liebe Lehrerin, lieber Lehrer, viele Kinder und Jugendliche besuchen zum ersten Mal ein Theater oder haben wenig Erfahrung damit. Wir bitten Sie, im Vorfeld eines Besuches sich mit Ihrer Klasse die besondere Situation zu vergegenwärtigen und die nachfolgenden Regeln zu besprechen. Damit eine Vorstellung gelingt, müssen sich Darsteller und Zuschauer konzentrieren können. Dafür braucht es Aufmerksamkeit. Alle Beteiligten müssen dafür Sorge tragen. Wer die Regeln nicht einhält, beraubt sich selbst dessen, wofür er Eintritt gezahlt hat – und natürlich auch alle anderen Besucher. Folgende Regeln tragen zum Gelingen eines Theaterbesuchs bei: 1. Wir bitten, rechtzeitig im Theater einzutreffen, so dass jeder in Ruhe den Mantel und seine Tasche an der Garderobe abgeben und ohne Eile seinen Platz aufsuchen kann. Unsere Garderobe wird beaufsichtigt und ist im Eintrittspreis enthalten. 2. Während der Vorstellung auf die Toilette zu gehen, stört sowohl die Darsteller als auch die übrigen Zuschauer. Wir bitten darum, sich entsprechend zu organisieren. In unseren Programmzetteln lässt sich auch nachlesen, ob es eine Pause in der Vorstellung gibt. 3. Es ist nicht gestattet, während der Vorstellung zu essen und zu trinken, Musik zu hören und Gespräche zu führen. Mobilfunktelefone und mp3-Player müssen vollständig ausgeschaltet sein. Während der Vorstellung darf weder telefoniert noch gesimst oder fotografiert werden. 4. Der Applaus am Ende einer Vorstellung bezeugt den Respekt vor der Arbeit der Schauspieler und des gesamten Teams unabhängig vom Urteil über die Inszenierung. Wem es gut gefallen hat, der gibt mehr Beifall – wem nicht, entsprechend weniger. Wichtig ist, erst nach dem Ende des Applauses den Saal zu verlassen. Unser Einlasspersonal der ARTService GmbH steht den Zuschauern als organisatorischer Ansprechpartner am Tag der Vorstellung zur Verfügung. Wir sind an den Erfahrungen des Publikums mit den Inszenierungen interessiert. Für Gespräche stehen wir zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich direkt an die stückbetreuende Dramaturgin / Theaterpädagogin, an den stückbetreuenden Dramaturgen / Theaterpädagogen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch. Ihr THEATER AN DER PARKAUE Impressum Spielzeit 2012/2013 THEATER AN DER PARKAUE Junges Staatstheater Berlin Parkaue 29 10367 Berlin Tel. 030 – 55 77 52 -0 www.parkaue.de Intendant: Kay Wuschek Redaktion: Karola Marsch Gestaltung: pp030 – Produktionsbüro Heike Praetor Fotos: Christian Brachwitz Titelfoto mit Thomas Pasieka Abschlussfoto mit Johannes Hendrik Langer Kontakt Theaterpädagogik: Karola Marsch Telefon: 030 – 55 77 52 -30 [email protected] 24