RECHT FÜR WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLER I

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RECHT FÜR WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLER I
RECHT FÜR WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTLER I
Verfasst und editiert von Dr.-Ing. Olaf Kintzel, Stand 2006/2007
Vorwort
Diese Zusammenschrift erfolgte auf Basis der Kurseinheiten 1 bis 8 des Kurses Recht für
Wirtschaftswissenschaftler I der FernUni-Hagen (früher Prof. Dr. Ulrich Eisenhardt und
verschiedene Koautoren, Stand 2006). Außerdem wurden manche Themengebiete nicht ohne
erhebliche Unterstützung der kommerziellen Bücher zu diesem Gebiet, namentlich:
-
Das Skript BGB AT, Hartmut Braunschneider, 10. Auflage, Stand 2004, AchSo! Verlag,
Das Skript Schuldrecht AT, Hartmut Braunschneider, 4. Auflage, Stand 2004, AchSo!
Verlag,
BGB leicht gemacht, Hans-Dieter Schwind, Helwig Hassenpflug, Heinz Navratil, 29.
Auflage, Stand 2006, Ewald von Kleist Verlag
BGB, 57. Auflage, Stand 2006, Beck-Texte im dtv
aufbereitet. Sollte es also hier und da zu gewissen Übereinstimmungen kommen, möchte der
Autor dies entschuldigen. Die Copyright-Bestimmungen gelten entsprechend. Daher weist der
Autor ausdrücklich darauf hin, dass diese Zusammenschrift nicht kommerziell vervielfältigt
werden darf, da möglicherweise die Urheberrechte der oben genannten Autoren verletzt
werden könnten. Der Autor hofft, dass es den ein oder anderen geben wird, dem diese
Zusammenschrift eine gute Hilfe für das Studium des BGB für Anfänger sein kann. Der Autor
hat keine weiteren Vorbildungen auf dem Gebiet des Zivilrechts als oben ausdrücklich
aufgezeigt. Daher will der Autor auch keine Gewähr für möglicherweise inkorrekte Inhalte
geben. Diese Zusammenschrift ersetzt also keineswegs gleichwertige kommerzielle
Angebote. Es handelt sich hier um eine sehr komprimierte, aber hoffentlich leicht
verständliche Darstellung des Themengebietes aufbauend auf den Kurseinheiten der FernUni
Hagen. Dem Autor lag insbesondere daran, übergreifendes Verständnis zu schaffen, um das
System hinter den Paragraphen erkennbar werden zu lassen. Die Idee zu dieser
Zusammenschrift ergab sich als direkte Folge einer eher langatmigen, ungeordneten und
teilweise inkonsistent übergenauen als auch teilweise eher unbefriedigenden Darstellung des
Lehrgebietes in den Kurseinheiten der FernUni Hagen, die eher Faktenwissen schaffen als das
dahinter stehende System erkennbar werden zu lassen. Um es kurz zu sagen: Um einfach mal
wieder Land in Sicht zu bekommen!!
Ich wünsche allen Interessenten viel Vergnügen.
Hagen, den 18.03.2007
Olaf Kintzel
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Allgemeines
1.2 Pflichten aus einem Schuldverhältnis
1.3 Abstraktionsprinzip
1.4 Zwingendes und dispositives Recht
1.5 Allgemeine Grundsätze
1.6 Allgemeines Vorgehen
2 BGB AT
2.1 Die Willenserklärung (§§ 116)
2.2 Die Geschäftsfähigkeit (§§ 104)
2.3 Abgabe und Zugang von Willenserklärungen (§§ 130, §§ 145)
2.4 Die Stellvertretung (§§ 164)
2.5 Die Anfechtung (§§ 119)
2.6 Verstoß gegen eine gesetzliche Regelung (§ 125, § 134, § 138)
2.6.1 Verstoß gegen die Form (§ 125)
2.6.2 Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134)
2.6.3 Verstoß gegen die Sittlichkeit; Sittenwidrige Geschäfte (§ 138)
2.6.4 Teilnichtigkeit (§ 139)
2.7 Einrede der Verjährung (§§ 194)
3 Schuldrecht AT
3.1 Erfüllung eines Rechtsgeschäfts
3.1.1 Allgemeines
3.1.2 Stück- oder Gattungsschuld (§ 243)
3.1.3 Leistungs- und Erfüllungsort (§ 269)
3.1.4 Leistungszeit (§ 271)
3.1.5 Erlöschen eines Schuldverhältnis (§§ 362)
3.1.6 Aufrechnung (§§ 387)
3.1.7 Hinterlegung (§§ 372)
3.1.8 Rücktritt (§ 323, §§ 346)
3.1.9 Kündigung
3.1.10 Widerruf
3.1.11 Erlass (§ 397)
3.1.12 Leistungsverweigerungsrechte (§§ 273, §§ 320)
3.1.13 Vertragsstrafe (§§ 339)
3.2 Leistungsstörungen (§§ 275, §§ 323)
3.2.1 Allgemeines
3.2.2 Vertretenmüssen
3.2.3 Unmöglichkeit
3.2.4 Leistungsverzögerung und Schuldnerverzug
3.2.5 Gläubigerverzug
3.2.6 Positive Vertragsverletzung (p.V.V.)
3.2.7 Culpa in contrahendo (c.i.c., Verschulden beim Kontrahieren) (§ 311 II, III)
3.2.8 Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313)
3.2.8.1 Äquivalenzstörungen
3.2.8.1.1 Geldentwertung
3.2.8.1.2 Entwertung der Sachleistung
3.2.8.1.3 Leistungserschwerungen
3.2.8.1.4 Wertsteigerung bei Geld- und Sachleistungen, Leistungserleichterungen
3.2.8.1.5 Rechtsänderung
3.2.8.2 Störungen des Verwendungszwecks (Zweckverfehlung)
3.2.8.3 Gemeinschaftlicher Irrtum
3.3 Treu & Glauben (§ 242)
3.3.1 Unredlicher Erwerb der eigenen Rechtsstellung
3.3.2 Verletzung eigener Pflichten
3.3.3 Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses
3.3.4 Geringfügige Interessenverletzung; Unverhältnismäßigkeit
3.3.5 Widersprüchliches Verhalten; Verwirkung
3.4 Schuldverhältnisse mit Dritten
3.4.1 Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328)
3.4.2 Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
3.4.3 Vertragsbeitritt (§ 311)
3.4.4 Schuldbeitritt (§ 311)
3.4.5 Schuldübernahme (§§ 414, 415)
3.4.6 Erfüllungsübernahme (§§ 415 III, 329)
3.4.7 Vertragsübernahme (§ 311)
3.4.8 Gläubiger- und Schuldnermehrheiten (§§ 420)
3.4.9 Abtretung (§§ 398)
4 Schuldrecht BT – Ausgewählte Vertragstypen
4.1 Der Kaufvertrag (§§ 433)
4.1.1 Allgemeines
4.1.2 Sach- oder Rechtsmangel (§§ 434)
4.1.3 Übernahme einer Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantie (§ 443)
4.1.4 Verjährung der gesetzlichen Sachmängelansprüche (§ 438)
4.1.5 Besonderheiten beim Handelskauf (§ 377 HGB)
4.1.6 Der Kauf von Rechten (§ 453)
4.1.7 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) (§§ 305)
4.1.8 Die Produzentenhaftung und die Produkthaftung nach dem ProdHaftG
4.2 Der Verbrauchsgüterkauf (§§ 474)
4.2.1 Allgemeines
4.2.2 Haustürgeschäfte (§ 312)
4.2.3 Fernabsatzverträge (§§ 312b)
4.2.4 Widerruf bei Verbraucherverträgen (§§ 355)
4.3 Der Mietvertrag (§§ 535)
4.3.1 Allgemeines
4.3.2 Der Vertrag zwischen Mieter und Vermieter
4.3.3 Leasingverträge
4.4 Der Dienstvertrag (§§ 611)
4.5 Der Werkvertrag (§§ 631)
4.5.1 Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) als AGB
4.5.2 Der Reisevertrag (§§ 651a)
4.6 Auftrag und entgeltliche Geschäftsbesorgung (§§ 662, 675)
4.6.1 Der Auftrag (§§ 662)
4.6.2 Der entgeltliche Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675)
4.6.2.1 Der Überweisungsauftrag (§§ 676a)
4.6.2.2 Der Zahlungsvertrag (§§ 676d)
4.6.2.3 Der Girovertrag (§§ 676f)
4.7 Die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677)
4.8 Das Maklerrecht (§§ 652)
4.8.1 Der Darlehensvermittlungsvertrag (§§ 655a)
4.9 Das Darlehen
4.9.1 Das Gelddarlehen (§§ 488)
4.9.2 Der Verbraucherdarlehensvertrag (§§ 491)
4.9.3 Das Sachdarlehen (§§ 607)
4.10 Vergleich, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis
4.10.1 Vergleich (§ 779)
4.10.2 Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis (§§ 780)
5 Das Sachenrecht (§§ 854)
5.1 Eigentum und Besitz (§§ 854)
5.2 Eigentumsübertragung von beweglichen Sachen (§§ 929)
5.3 Eigentumsübertragung von unbeweglichen Sachen (§§ 873, 925)
5.3.1 Das Erbbaurecht
5.3.2 Das Wohnungseigentum
5.4 Sicherheiten
5.4.1 Personalsicherheiten
5.4.1.1 Die Bürgschaft (§§ 765)
5.4.1.2 Der Garantievertrag (Garantieversprechen)
5.4.1.3 Die Schuldmitübernahme
5.4.1.4 Abgrenzung Bürgschaft, Garantieversprechen, Schuldmitübernahme
5.4.1.5 Die Patronatserklärung
5.4.2 Realsicherheiten
5.4.2.1 Der Eigentumsvorbehalt (§ 449)
5.4.2.2 Das Pfandrecht an beweglichen Sachen (§§ 1204)
5.4.2.3 Die Sicherungsübereignung
5.4.2.4 Das Pfandrecht an Rechten (§§ 1273)
5.4.2.5 Die Sicherungsabtretung
5.4.2.6 Die Grundpfandrechte
5.4.2.6.1 Die Hypothek (§§ 1113)
5.4.2.6.2 Die Grundschuld (§§ 1191)
6 Recht der unerlaubten Handlungen (deliktische Ansprüche) (§§ 823)
7 Sonderpunkte
7.1 Vertrauensschaden
7.2 Die Form
7.3 Der Vorvertrag
7.4 Auslegung
7.5 Bedingung und Befristung
7.6 Die ungerechtfertige Bereicherung (§§ 812)
7.7 Einführung in Grundzüge des Zwangsvollstreckungsrechts (Insolvenz)
7.7.1 Einzelzwangsvollstreckung
7.7.2 Das Insolvenzverfahren
7.7.3 Das Verbraucherinsolvenzverfahren
7.8 AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen, §§ 305)
7.9 Grundzüge des Vertragsschlusses im Internet
7.9.1 Allgemeines
7.9.2 Die Pflichte des Unternehmers im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e)
7.9.3 Der Fernabsatzvertrag (§§ 312b)
7.9.4 Die Ersteigerung von Waren bei Internet-Auktionen
1 Einleitung
1.1 Allgemeines
Man unterscheidet das Privatrecht, das die rechtlichen Beziehungen von Bürgern zu
Bürgern untereinander regelt und das öffentliche Recht, das die Beziehungen regelt, in denen
Bürger oder hoheitliche Institutionen zu hoheitlichen (öffentlichen) Institutionen stehen
können. Zum Privatrecht gehört neben den 5 Büchern des BGB (Allgemeiner Teil,
Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht und Erbrecht) auch das Arbeitsrecht, das
Handelsrecht (HGB, Gesellschaftsrecht), das Wechsel- und Scheckrecht. Zum öffentlichen
Recht gehört das Verwaltungsrecht mit seinen Verzweigungen, das Verfassungsrecht, das
Strafrecht und Verfahrensrecht. Allerdings: Werden öffentliche Aufträge von öffentlichen
Institutionen (Staat, Land, Kommune) an Bürger (als z.B. Bauunternehmer) vergeben, so
müssen sich die öffentlichen Anbieter allerdings an die Regeln des Privatrechts z.B. des BGB
und der VOB (Verdingungsordnung für Bauleistungen) halten. Das Privatrecht basiert
demnach auf dem Prinzip der gleichen Augenhöhe. Dort, wo öffentliche Institutionen und
Bürger auf gleicher Augenhöhe Verträge abschließen, gilt das Privatrecht. Öffentliches
Recht gilt nur dann, wenn ein Über- und Unterordnungsverhältnis gegeben ist.
Instanzen für das Privatrecht sind die ordentlichen Gerichte, für das öffentliche Recht die
Verwaltungsgerichte.
Auch Unternehmen können Träger des Rechts sein in Form einer juristischen Person und
können über ihre vertretenden Organe rechtsgeschäftlich handeln, wie z.B. dem Vorstand bei
der AG oder den Komplementären bei der KG.
Das nationale Recht wird durch internationale eingebundene Gesetzgebung entscheidend
beeinflusst wie durch das Völkerrecht (Vereinte Nationen), den konstituierenden Verträgen
(primäres Recht) oder Verordnungen sowie Richtlinien (sekundäres Recht) der europäischen
Gemeinschaft, die insbesondere auf Hinblick eines gemeinsamen Binnenmarktes
harmonisierende Wirkung haben. Insbesondere die Rechtsprechung des europäischen
Gerichtshofs hat einen bedeutenden Einfluss auf das nationale Recht. Die betrifft in der
Reform des BGB vom 2. Januar 2002 insbesondere die Sonderregelungen für den
Verbraucherschutz. Begleitend dazu wurden auch die Regeln des Allgemeinen Teils des
Schuldrechts entscheidend vereinfacht. Auch das Gesellschaftsrecht und Arbeitsrecht sind
von dem Gemeinschaftsrecht betroffen.
Das Grundprinzip des deutschen Privatrechts basiert auf den Prinzipien
der formalen Gleichbehandlung unbeachtet der Rasse, des Geschlechts, der Religion, des
Berufsstandes, der Einkommensverhältnisse Recht zu erwerben und gerichtlich
durchzusetzen.
der Privatautonomie, die es jedem frei lässt, Rechtsbeziehungen überhaupt einzugehen, mit
welchem Inhalt auch immer und mit wem. (Davon ausgenommen sind allerdings solche
Institutionen, die eine einseitige Macht- und Monopolstellung besitzen und daher einem
Kontrahierungszwang unterworfen sein können wie z.B. die öffentlichen Versorger. Solche
Unternehmen sind gezwungen mit demjenigen eine rechtliche Bindung einzugehen, die das
verlangen.) Insbesondere mit dem Recht auf Eigentum (§ 903), der in der Verfassung in
Artikel 14 GG festgeschrieben ist, sind mit der praktischen Selbstbestimmung des Einzelnen
und der garantierten finanziellen Sicherheit und Unabhängigkeit erst die wirtschaftlichen
Kräfte frei geworden, die im Rahmen der sozialen Marktwirtschaftsordnung derart
wohlstandsfördernd wirken. Es sei angemerkt, dass die Form einer bestimmten
Gesellschaftsordnung (Markt- oder Planwirtschaft) in der Verfassung hingegen nicht explizit
festgeschrieben ist.
Die Grenzen der Privatautonomie liegen dort, wo durch einseitige Machtentfaltungen
Einiger die Eigenbestimmung Anderer eingeschränkt wird. Insbesondere mit so genannten
AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen) werden häufig einseitig vom Verwender
bestimmte Regeln auferlegt, die der Einzelne kaum juristisch übersehen kann und ihn
rechtlich deutlich benachteiligen. Um solche Ungleichgewichte zu verhindern wurden
gesetzliche Regeln geschaffen (§§ 305), die als Leitschnur bestimmte AGB-Regelungen außer
Kraft setzen können. Insbesondere durch die Reform des Schuldrechts wurde der
Verbraucherschutz bei Verträgen zwischen Unternehmern und Nicht-Unternehmern (so
genannten Verbrauchern) stärker berücksichtigt. Teilweise sind für Verbraucherverträge
strengere Regeln getroffen worden. Durch Generalklauseln wie Treu & Glauben (§ 242)
oder den „guten Sitten der gerecht und billig Denkenden“ (§ 138) (was auch immer das
heißen mag!!) ist den Gerichten ein mächtiges Werkzeug an die Hand gegeben, um im
Einzelfall bestimmte Ungleichgewichte und Ungerechtigkeiten zu korrigieren.
Neben den rechtsgeschäftlichen (vertraglichen) Verhältnissen gibt es rechtsgeschäftsähnliche Verhältnisse wie culpa in contrahendo (c.i.c.) oder die Geschäftsführung ohne
Auftrag (GoA), deliktische Schuldverhältnisse mit dem Ziel die Unversehrtheit des Einzelnen
zu garantieren, indem z.B. die Verletzung des Eigentums oder des Körpers unter Strafe
gestellt wird und dingliche Rechte wie das Sachenrecht für bewegliche und unbewegliche
Sachen (dingliche Rechte garantieren das Eigentum und die Rechte darauf und sind wie das
Familien- und Erbrecht teilweise zwingendes Recht, das nicht durch vertragliche
Vereinbarung ausgeschlossen werden kann). Des Weiteren sei noch das Bereicherungsrecht
erwähnt, mit dem unberechtigte Verfügungen ohne rechtliche Grundlage nachträglich
rückgängig gemacht werden können (folgend aus dem Abstraktionsprinzip, das Verfügungen
auch dann wirksam werden lässt, wenn die zu Grunde liegenden Verpflichtungsgeschäfte
ungültig werden).
Der Legaldefinition aus § 194 entnehmen wir, dass ein Anspruch ein Recht ist, von einem
Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.
Dabei kann ein Anspruch einem vertraglichen Verhältnis entstammen, wie z.B. einem
Kaufvertrag (§§ 433) oder aus dem Gesetz folgen. Gesetzliche Anspruchsgrundlagen gehören
zum dinglichen Recht:
z.B. § 903: Der Eigentümer kann mit der Sache nach Belieben verfahren.
zum deliktischen Recht:
z.B. § 823: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die
Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem
anderen zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet.
zum Bereicherungsrecht:
Sind Verfügungen erfolgt, die zu einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung geführt
haben, insofern ungerechtfertigt, als das Recht dazu nachträglich verloren gegangen ist, kann
die Vermögensverschiebung nachträglich rückgängig gemacht werden. (§ 812)
Zwischen den rein vertraglichen und den gesetzlichen Schuldverhältnissen stehen die
rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisse, nämlich die c.i.c. (culpa in contrahendo) und die
p.V.V. (positive Vertragsverletzung). Diese Rechtsformen waren früher im Gesetz nicht
explizit geregelt, konnten also höchstens analog hergeleitet werden, sind aber nach der
Schuldrechtsreform 2002 als eigenständige Rechtstypen anerkannt worden.
„culpa in contrahendo“ (c.i.c.): Verletzung einer Nebenpflicht (Obhut-, Sorgfaltspflicht)
z.B. bei der Anbahnung eines Vertrages (§ 311 II 2) (z.B. Umstoßen einer Vase im Geschäft
von V, während sich K nur umschaut)
„positive Vertragsverletzung“ (p.V.V.): Verletzung einer Nebenpflicht bei der Ausübung
eines Schuldverhältnisses (z.B. Maler, der B den Raum streicht, stößt versehentlich eine Vase
um)
Dazu gehört auch die Geschäftsführung ohne Auftrag, die in §§ 677 geregelt ist. Hier besteht
kein Verpflichtungsgeschäft, sondern irgendeiner wird tätig (z.B. ein Brandfall im Haus von
A. Nachbar B will löschen. Dies geschieht ohne oder mit nachträglicher Zustimmung des
Wohnungsinhabers A.) Steht dies mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des
Geschäftsherrn im Widerspruch und musste B dies erkennen, so muss B für den dadurch
entstandenen Schaden aufkommen (§ 678), im gegenteiligen Falle kann er aber auch Ersatz
seiner Aufwendungen verlangen (§ 683), wenn dies dem Willen des Geschäftsherrn
entsprach.
Nur wenige Gesetze führen tatsächlich zu einer Anspruchsgrundlage. Die meisten
Paragraphen haben mehr einen klarstellenden oder erläuternden Charakter (Hilfsnormen).
1.2 Pflichten aus einem Schuldverhältnis
Man unterscheidet Leistungspflichten, Nebenpflichten und Obliegenheiten.
a. Leistungspflichten
aa. Primärleistungspflichten
ab. Nebenleistungspflichten
ac. Sekundärleistungspflichten
b. Nebenpflichten (Sorgfalt/Obhut)
c. Obliegenheiten
Die Primärleistungspflichten sind die primären Pflichten, die dem vertraglichen Schuldverhältnis sein typisches Gepräge liefern, die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen können
(wie beim Kaufvertrag, Übergabe der Sache und Zahlung des Kaufpreises) oder nur einseitig
sein können (Zuwendungen wie bei der Schenkung (§ 516)). Nebenleistungspflichten sind
alle anderen, z.B. die Rückgabe der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses (§
546). Die Primärleistungspflichten bei der Miete sind die Übergabe der Mietsache und die
Abgabe des Mietzinses (§ 535).
Die Sekundärleistungspflichten sind jene, die dann wichtig werden, wenn es mit den
Primärleistungspflichten nicht klappt (Nichtleistung, Schlechtleistung, Verzug).
Nebenpflichten sind typische Obhut- und Sorgfaltspflichten, bei deren Mangel es zu
Schadensersatzpflichten kommen kann (wie p.V.V., auch bei Verrichtungsgehilfen (§ 831)).
Sie garantieren den Erhalt von Vermögenswerten, während vertragliche Leistungspflichten
mehr den aktiven Austausch von Vermögenswerten steuern.
Obliegenheiten sind Vorbeuge- und Schutzmaßnahmen, die zur eigenen Sicherheit
geboten sind. Sie begründen keine eigene Verpflichtung, die jemand anders etwa einklagen
könnte. Sie führen bei Verletzung aber zu Rechtseinbußen (Man bekommt z.B. weniger Geld
als Schadensersatz, wenn man es schuldhaft unterlassen hat, den Umfang des Schadens zu
verringern, Mitverschulden nach § 254).
1.3 Abstraktionsprinzip
Man unterscheidet zwischen einem Verpflichtungsgeschäft und einem Verfügungsgeschäft.
Das Verpflichtungsgeschäft führt zu einem einklagbaren Recht, über eine Sache oder ein
Recht zu verfügen.
Bsp.: Kaufvertrag, Recht auf Übergabe des Kaufgegenstandes und Recht auf Zahlung des
Kaufpreises (Übergabe von Geld).
Zwei oder mehr übereinstimmende Willenserklärungen begründen einen Vertrag. Man
unterscheidet allerdings verpflichtende und verfügende Verträge. Allein verpflichtende
Verträge begründen ein Schuldverhältnis (Verpflichtungen). Der verfügende Vertrag
(Übereignung der Kaufsache oder auch Abtretung von Forderungen) überträgt lediglich ein
Recht. Es handelt sich bei einem Verfügungsgeschäft um ein tatsächliches Geschäft oder
einen so genannten Realakt. Das Verfügungsgeschäft und das Verpflichtungsgeschäft sind
voneinander unabhängig. Dies dient der Sicherheit des Rechtsverkehrs, ist aber in anderen
Ländern so nicht üblich (wie Frankreich). Aus § 1006 folgt, dass es eine Eigentumsvermutung
für den Besitzer einer beweglichen Sache gilt. So ist immer klar, wer gerade etwas im
Eigentum hat, ohne dauernd Nachweise dafür herumzeigen zu müssen. Ist nämlich das
Verpflichtungsgeschäft gescheitert, so bleibt die Verfügung rechtlich gültig (Abstraktionsprinzip). Das Verfügungsgeschäft kann aber nachträglich rückgängig gemacht werden
(wegen ungerechtfertigter Bereicherung § 812)
Von Bedeutung ist das Abstraktionsprinzip beim Kauf, dem Tausch und der Schenkung, nicht
hingegen beim Werkvertrag oder der Miete.
Der Eigentümer ist der, dem ein Gegenstand gehört. Der Besitzer ist lediglich der, der es
gerade in der Hand hat.
Bsp.: Das Auto von D wird von E gestohlen. E ist der Besitzer, D der Eigentümer.
Während bei unbeweglichen Sachen (Grundstücke, Gebäude) der Eintrag im Grundbuch
(Auflassung § 925) das Eigentum verbrieft, gilt für bewegliche Sachen halt die Eigentumsvermutung für den Besitzer mit einer weit reichenden Konsequenz. So erlaubt § 932 den
Erwerb vom Nichtberechtigten, also vom Nichteigentümer, solange der Käufer gutgläubig
ist.
Der Besitz ist die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache. Der Eigentümer
einer Sache ist häufig zugleich der Besitzer. Eigentum und Besitz können jedoch auch
auseinander fallen.
Bsp.: E ist Eigentümer eines PKW. D stiehlt den PKW und benutzt ihn. E bleibt trotz des
Diebstahles Eigentümer des PKW. D ist aber der Besitzer, weil er die tatsächliche Herrschaft
über die Sache ausübt.
Ein räumlicher Zusammenhang ist nicht immer ausschlaggebend.
Bsp.: Der Bauer, der seinen Pflug auf dem Felde stehen lässt, behält den Besitz, auch wenn
er sich im 2 km entfernten Wohnhaus aufhält.
Klar, da hier kein anderer Besitz ausüben kann.
1.4 Zwingendes und dispositives Recht
Man unterscheidet zwischen einem zwingenden Recht (Sachen-, Familien-, Erbrecht) und
einem solchen Recht, welches man im Prinzip durch vertragliche Vereinbarung abdingen
kann. So ist keiner gehalten, sich an die Vorschriften der einzelnen Vertragstypen zu halten,
sondern kann im Prinzip davon abweichende Vereinbarungen treffen. Aufgrund der Vielzahl
an zu bestimmenden Vereinbarungen wird davon aber in der Regel nicht Gebrauch gemacht.
Allerdings werden vielfach einzelne besondere Vereinbarungen getroffen im Rahmen von
allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), durch die einzelne gesetzliche Vorschriften
außer Kraft gesetzt werden können (z.B. Gewährleistungspflichten, etc.) Um jedoch den
Käufer, der oftmals nicht besonders juristisch gebildet ist, vor zu großen Nachteilen zu
schützen und das Ungleichgewicht zwischen Verkäufer und Käufer zu beseitigen, sind in §§
305-310 Vorschriften niedergelegt worden, die bestimmte Bedingungen außer Kraft setzen
können (z.B. Mindestfrist für eine Gewährleistungsdauer), wobei man zwischen Verträgen
zwischen Unternehmern (§ 14) und solchen zwischen einem Unternehmer (§ 14) und einem
Verbraucher (§ 13) unterscheidet. Für letztere Verträge gelten in der Regel strengere
Vorschriften. Sind über bestimmte Bedingungen keine Vereinbarungen getroffen worden, so
gelten die gesetzlichen Regeln. Auch bei Ungültigkeit bestimmter AGB-Vorschriften gilt
wieder das gesetzliche (dispositive) Recht.
1.5 Allgemeine Grundsätze
Das bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ist im Prinzip ein sehr logisches Gebilde. Sind einem die
Grundannahmen der Paragraphen-Macher einigermaßen vertraut, dann kann man bestimmte
Grundprinzipien erkennen. Oberstes Prinzip ist immer die Sicherheit des Rechtsverkehrs.
So z.B. beim Abstraktionsprinzip. Es wird immer versucht die Verantwortung der einzelnen
Mitwirkenden zu erkennen und die gesetzlichen Folgen (z.B. Schadensersatz) einigermaßen
gerecht zu verteilen. So z.B. bei der Stellvertretung:
Behauptet jemand grundlos, eine Vollmacht zu besitzen, besitzt sie aber nicht, so ist er vom
Geschäftsgegner, der auf die Richtigkeit der Behauptung vertraut, wahlweise auf den
Erfüllungsschaden (positives Interesse) zu verklagen (§ 179 I) oder kann den Vertrag selbst
an sich ziehen (Erfüllung). Dies schützt den Vertragsgegner. Hat der Vertreter nicht
mitbekommen, dass die Vollmacht erloschen ist, so gilt § 179 II (Er haftet lediglich für den
Vertrauensschaden (negatives Interesse), begrenzt allerdings durch das positive Interesse).
Ist es hingegen nach § 179 III dem Geschäftsgegner bekannt, dass tatsächlich keine
Vollmacht da war, so ist unabhängig vom Verhalten des Vertreters grundsätzlich kein
Schadensersatz möglich.
Dies beweist ein sehr in sich konsistentes und logisches Gebilde des Privatrechts. Außerdem
bedienen sich die Paragraphen-Macher grundsätzlich immer den gleichen Prinzipien. So z.B.
bei der beschränkten Geschäftsfähigkeit und der Stellvertretung
§ 108 <-> § 177,
§ 111 <-> § 174.
Wie man juristisch diese einzelnen Bedingungen jeweils nachweisen kann, das sei natürlich
dahingestellt. Da abschließend nicht für alle möglichen Fälle Vereinbarungen getroffen
werden konnten, bedienten sich die Paragraphen-Macher allgemeinen Prinzipien,
insbesondere dem Prinzip vom Treu & Glauben (§ 157, § 242), wobei oftmals das
Sittlichkeitsempfinden der Gerecht- und Gutdenkenden beschworen wird. Dies gibt im
Zweifel den Gerichten ein mächtiges Werkzeug in die Hand, um nachfolgend Dinge
klarzustellen, die von den Paragraphen-Machern so nicht vorhergesehen worden waren.
1.6 Allgemeines Vorgehen
Wir unterscheiden bei der Bearbeitung von juristischen Fällen drei besondere Prüfungsphasen
Phase I : Anspruch entstanden?
Phase II : Anspruch untergegangen?
Phase ÎII: Anspruch durchsetzbar?
Dies folgt einem logischen Prinzip. Erst, wenn ein Anspruch entstanden ist, kann er auch
untergegangen sein. Erst, wenn ein Anspruch entstanden und nicht untergegangen ist, kann
sich die Frage ergeben, ob er durchsetzbar ist (z.B. keine Verjährung). Dabei kann es fraglich
sein, wo man die einzelnen Positionen prüft. Z.B. bei der Anfechtung. Dieses Gestaltungsrecht erlaubt rückwirkend die Vernichtung einer Willenserklärung unter bestimmten Voraussetzungen.
Wird die Anfechtung aber in Phase I oder Phase II geprüft?
Hier wird die Ansicht vertreten, dass sie zu Phase I gehört, da die Anfechtung zur Nichtigkeit
von Anfang an führt (ex tunc) und nicht ab einem bestimmten Zeitpunkt gilt (ex nunc) wie
z.B. bei einer auflösenden Bedingung (§§ 158). Es gibt in Phase I einige
Vertragsvoraussetzungen,
deren
Vorliegen
positiv
festgestellt
werden
muss
(Willenserklärung (§§ 116), Geschäftsfähigkeit (§§ 104), Abgabe, Zugang (§§ 130)) und
andere, deren Nichtvorliegen festgestellt werden muss (keine Anfechtung (§§ 119), kein
Verbot gegen Formzwang (§ 125 I), kein Verbot gegen ein Gesetz (§ 134) oder die guten
Sitten (§138)). Während Phase I eher durch den AT des BGB geregelt ist, ist Phase II mehr
im AT des Schuldrechts des BGB angesiedelt (Unmöglichkeit der Leistung, Verzug, etc.)
2 BGB AT
2.1 Die Willenserklärung (§§ 116)
Eine Willenserklärung besteht aus
a Handlungswille
b Erklärungsbewusstsein
c Geschäftswille
Der Handlungswille ist der Wille zur Tat (Reflexbewegungen gehören nicht dazu). Es wird
allerdings nicht im Geringsten ein rechtliches Geschäft angestrebt.
Auf einer Auktion wird A im Arm gestochen. Sein Arm schnellt hoch. Dies wird irrtümlich als
Annahme angesehen.
Das Fehlen des Handlungswillens ist immer beachtlich. Wo gar nichts Bestimmtes gewollt
wird, kann natürlich keine rechtliche Bindung entstehen. Dieses Prinzip ist in § 105 II
niedergelegt:
Nichtig ist eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden
Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird, sofern die freie Willensbestimmung
ausgeschlossen ist.
Das Erklärungsbewusstsein ist ein Handlungswille, der auf die Erzielung eines
unbestimmten rechtlichen Erfolgs gerichtet ist. Dabei ist jedoch nicht der in Frage
kommende rechtliche Erfolg gemeint.
Regel:
Das Fehlen des Erklärungsbewusstseins ist grundsätzlich beachtlich, es sei denn der
Erklärende hat fahrlässig verkannt, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst
werden konnte. Hat der Erklärungsempfänger gewusst oder fahrlässig nicht gewusst, dass der
Erklärende gar keine Willenserklärung abgeben wollte, kann er sich auf die Fahrlässigkeit des
Erklärenden nicht berufen. Das Fehlen des Erklärungsbewusstseins ist dann wieder
beachtlich.
Bsp.:
Auf dem alten Küstendampfer wird der Geburtstag des alten Kapitäns K gefeiert. Kurz vor
Mitternacht beschließt K, die Stimmung noch einmal richtig anzuheizen. Er illuminiert mit
seiner Leuchtpistole den Nachthimmel mit Blaufeuer. Dies ruft den Lotsen L auf den Plan. Er
interpretiert dieses Blaufeuer, wie auf See üblich, als Bitte um Hereinlotsen.
oder
Der Lotse L hat das Treiben auf Deck mit einem Fernglas interessiert verfolgt. Er weiß daher
genau, dass das Blaufeuer nur aus Übermut und nicht zum Zwecke des Hereinlotsens
gegeben wurde.
Der Geschäftswille ist der Wille, etwas rechtlich Bestimmtes zu wollen. Das Fehlen des
Geschäftswillens ist immer unbeachtlich. Wird also der Anschein eines Geschäftswillens in
Umlauf gebracht, so dient es nur dem Schutz des Rechtsverkehrs und damit den darauf
vertrauenden Personen (Vertragsgegnern), wenn zunächst von einer „Fiktion“ eines
Geschäftswillens ausgegangen wird. Ist jedoch ursprünglich etwas anderes gemeint gewesen,
als letztendlich einem Dritten zugegangen ist, so berechtigt die Anfechtung (§ 119) in
besonderen Fällen zur Vernichtung der eigenen Willenserklärung und damit des
Rechtsgeschäfts. Liegt also ein bestimmter subjektiver Tatbestand einer Willenserklärung
nicht vor, spricht man von einer Fiktion einer Willenserklärung.
Typisch sind Irrtümer bei der Willensausdrückung oder Fehler bei der Übermittlung.
Dazu zählen keine Motivirrtümer. Ein Motivirrtum ist ein Irrtum im Beweggrund.
Angenommen, Tourist T will ein halbes Hähnchen essen, bestellt hingegen einen „halven
Han“, so ist dies, da ein „halver Han“ was anderes bedeutet als ein halbes Hähnchen, ein
Inhaltsirrtum, da er subjektiv damit zwar ein halbes Hähnchen meint, dies objektiv mit der
gewählten Bezeichnung jedoch nicht gemeint ist. Verspricht er sich lediglich, so handelt es
sich um einen Übermittlungsfehler. Ersinnt er sich jedoch eines Besseren und will in
Rücksicht auf seine schlanke Linie eher auf das Essen verzichten, so handelt es sich um einen
Motivirrtum, insofern man die Esseneinnahme als Beweggrund seines Handelns ansieht.
Würden auch solche Beweggründe zur nachträglichen Anfechtung berechtigen, dann würde
dies, da viele sich oftmals vorschnell und dann auch mal wieder anders entscheiden, zu einem
gewaltigen Chaos im Rechtsverkehr führen. Auch hier: Schutz des Rechtsverkehrs.
Dem Schutz des Rechtsverkehrs dienen allerdings auch jene Vorschriften, die einen Dritten,
der auf die Richtigkeit der Willenserklärung vertraut, schützen. Dabei ist immer auf einen
objektiven Dritten abzustellen, der die Willenserklärung vernimmt. Weiß der Dritte jedoch
darum, dass es sich um einen Irrtum handelt, so ist er des Schutzes nicht mehr würdig.
Bsp.: Geheimer Vorbehalt (§116 I) Dadurch, dass man insgeheim etwas nicht will, obwohl es
für einen objektiven Dritten zum Ausdruck kommt, dieses doch zu wollen, ist ein
Rechtsgeschäft nicht automatisch nichtig. Bsp.: öffentliche Beförderung. Obwohl ich
innerlich nicht die Fahrkosten bezahlen will und tatsächlich schwarz fahre, habe ich aus der
Sicht eines objektiven Dritten durch Betreten eines Busses konkludent („schlüssig“) einen
Vertrag zwischen mir und dem Beförderungsunternehmen geschlossen (Werkvertrag, § 631),
aus dem das Beförderungsunternehmen berechtigt ist, einen Fahrpreis zu verlangen.
Bsp.: der böse Scherz ($ 116 II) Ist die Willenserklärung empfangsbedürftig und kennt der
andere den Vorbehalt, dann ist sie wohl nichtig. Bsp.: Um B gehörig einen Schreck
einzujagen, kündigt A den Mietvertrag mit B. Der Frau von B hat A dies jedoch vorher schon
verraten. Die Kündigung ist ungültig.
Bsp.: Mangel der Ernstlichkeit (der gute Scherz) (§ 118) Ist die Willenserklärung so
ungewöhnlich, dass man beim besten Willen nicht mit einer ernsten Bedeutung rechnen kann,
so ist der Dritte nicht schutzbedürftig. A bietet seine Yacht im Wert von 1 Mio. € zum Preis
von 1000 € dem B an, der daraufhin freudestrahlend annimmt. Sollte B das doch irgendwie
nicht ganz mitbekommen haben, dass es sich um einen Scherz handelte, so kann B den
Vertrauensschaden analog § 122 I ersetzt verlangen, wenn er bestimmte Auslagen im
Vertrauen auf die Erklärung des A hatte.
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen einem inneren und äußeren Tatbestand einer
Willenserklärung. An dieser Stelle gehen wir davon aus, dass ein Geschäftswille jeweils
vorhanden ist. Während man über den inneren Tatbestand einer Willenserklärung in der Regel
nicht viel aussagen kann, im Notfall nur über eine Auslegung nach § 133, wonach der
wirkliche Wille zu erforschen ist, ist der äußere Tatbestand recht einfach zu erkennen. Er ist
das, was der jeweilige Dritte als Willenserklärung erfährt. Dabei ist nach § 157 zu verfahren.
Treu & Glauben zielt hier auf den Schutz des Rechtsverkehrs ab, dass bedeutet, dass eine
Willenserklärung so zu deuten ist, wie ein objektiver Dritter in der Position des
Erklärungsempfängers sie vernehmen würde. Stimmen der innere und äußere Tatbestand
der Willenserklärung nicht überein, so ist der Erklärende berechtigt anzufechten. Fehler beim
Empfang, wenn der Erklärungsempfänger nicht ganz so objektiv ist (z.B. kleiner Sohn S von
E), berechtigen dann ebenfalls zur Anfechtung (§ 119 oder § 120).
Fraglich kann sein, ob ein entsprechend rechtlich verbindlicher Geschäftswille vorhanden
ist, oder ob es sich eher um ein rechtlich unverbindliches Gefälligkeitsverhältnis handelt
(Verabredung zum Tennismatch, etc.). Dabei kann man aus der Unentgeltlichkeit nicht
unbedingt schließen, dass es sich bloß um ein Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtbindungswillen handelt. So sind unentgeltliche Zuwendungen wie die Schenkung (§ 516) oder die
Leihe (§ 598) durchaus vertragliche Schuldverhältnisse. Sie verpflichten hingegen nur eine
Seite. Man spricht von Gefälligkeitsverträgen. Andererseits muss die rechtliche Bindung, die
dann einen einklagbaren Anspruch liefert (z.B. Ersatz von Aufwendungen nach § 670), nicht
derart stark sein, dass tatsächlich ein Gefälligkeitsvertrag (hier Auftrag nach §§ 662) vorliegt.
Zwischen diesen Extremen liegt ein Gefälligkeitsverhältnis mit Rechtbindungswillen, der
zwar keine primären aber sekundäre Pflichten (z.B. Anspruch auf Schadenersatz) mit allen
Nebenpflichten und Obliegenheiten beinhaltet. Hier sei der BGH zitiert:
Eine erwiesene Gefälligkeit hat nur dann rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der Leistende
den Willen hat, dass seinem Handeln rechtsgeschäftliche Geltung zukommen solle, wenn er
also eine Rechtsbindung herbeiführen will und der Empfänger die Leistung in diesem Sinn
entgegengenommen hat. Die Art der Gefälligkeit, ihr Grund und Zweck, ihre wirtschaftliche
und rechtliche Bedeutung, insbesondere für den Empfänger, die Umstände, unter denen sie
erwiesen wird, und die dabei herrschende Interessenlage der Parteien können die
Gefälligkeit über den Bereich rein tatsächlicher Vorgänge hinausheben und sind daher für
die Beurteilung der Frage des Bindungswillens und der Natur des etwa in Betracht
kommenden Rechtsgeschäftes heranzuziehen.
Also noch mal im Einzelnen:
-
wirtschaftliche Bedeutung einer Angelegenheit
Wert einer anvertrauten Sache
dem erkennbaren Interesse des Begünstigten und der sowohl ihm als auch dem
Leistenden erkennbaren Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung des zur
Leistung Verpflichteten geraten kann
Kurz: Es geht entweder um kein oder um verdammt viel Geld!!!!
2.2 Die Geschäftsfähigkeit (§§ 104)
Neben der Geschäftsfähigkeit gibt es noch die Rechtsfähigkeit und die Deliktsfähigkeit.
Träger von Rechten und Pflichten können natürliche und juristische Personen sein. Die
Rechtsfähigkeit ist unbegrenzt und beginnt nach § 1 mit der Geburt. Juristische Personen
sind Institutionen wie Staat, Kirche, Universitäten, Aktiengesellschaften und Vereine, denen
die Rechtsordnung eine eigene Rechtsfähigkeit zuerkennt, damit sie selbst Träger von
Rechten und Pflichten sein können. Geschäftsfähig sind aber allein natürliche Personen,
deshalb können auch nur die Organe der juristischen Personen wie der Vorstand eines
eingetragenen Vereins oder der Vorstand einer Aktiengesellschaft im Rechtsverkehr handeln.
Deliktsfähigkeit (Verschuldensfähigkeit) ist die Fähigkeit einer Person, für eigenes
schuldhaftes Handeln verantwortlich zu sein. Da das Gesetz der unerlaubten Handlungen
nach §§ 823 ein Verschulden als Zurechnungsgrund voraussetzt, d.h. Vorsatz oder
Fahrlässigkeit, müssen diejenigen geschützt werden, die nicht in der Lage sind, ihr Verhalten
zu kontrollieren. Dazu gehören nach § 828 I Minderjährige, die das siebente Lebensjahr
noch nicht vollendet haben sowie Personen, die sich nach § 827 in einem die freie
Willensbildung ausschließenden Zustand einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit
befinden, auch Bewusstlosigkeit gehört klar dazu. Allerdings wird in § 827 ausdrücklich
erwähnt, dass derjenige, der sich durch Alkohol oder andere berauschende Mittel in eine
solche Lage versetzt hat, zumindest fahrlässig handelt und damit deliktsfähig ist. Im
Straßenverkehr gilt nach § 828 II eine Untergrenze von 10 Jahren. Handelt ein Kind unter 10
Jahren hingegen aus Vorsatz, dann haftet es sehr wohl, (wenn es nicht jünger als sieben Jahre
ist).
§1
Rechtsfähigkeit von Geburt an
juristische Personen können
Träger von Rechten und
Pflichten sein (wie Staat,
Kirche, AG, Vereine, etc.)
handeln über ihre
stellvertretenden Organe
(wie z.B. Vorstand)
narürliche Personen als
Träger von Rechten und
Pflichten
Deliktsfähigkeit (§§ 827, 828)
- älter als 7 Jahre
- bei freier Willensbestimmung außer krankhafter Störung oder Bewußtlosigkeit (Einnahme von berauschenden Mitteln allerdings fahrlässig)
- im Straßenverkehr Untergrenze bei 10 Jahren (außer Vorsatz)
Jeder, der am Rechtsverkehr teilnehmen möchte, muss eine gewisse Reife und ein
Verständnis für die Auswirkungen bestimmter rechtsgeschäftlicher Tätigkeiten haben. In der
Regel wird einem volljährigen Menschen (§ 2) zugetraut, diese Reife zu besitzen. Man
bezeichnet ihn als voll geschäftsfähig. Dabei sind alle Bürger gleich unabhängig von ihrer
Einsicht (Intelligenz). Darüber hinaus können jedoch auch volljährige Menschen, die sich
einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, der nicht nur
vorübergehend ist und eine freie Willenbestimmung ausschließen muss (§ 104 II), in ihrer
Geschäftsfähigkeit eingeschränkt sein. Diese Menschen setzt man dann so genannten
geschäftsunfähigen Menschen gleich. Geschäftsunfähig ist insbesondere, wer das siebente
Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 104 I). Diese Menschen können nur über ihre
gesetzlichen Vertreter rechtsgeschäftlich handeln. Bei Kindern sind dies in der Regel die
Eltern (§§1626, 1629). In bestimmten Fällen benötigen jedoch auch diese noch die Erlaubnis
weiterer Instanzen wie dem Vormundschaftsgericht oder Familiengericht, wenn es um
größere Vermögensangelegenheiten nach § 1821 geht.
Bsp.: Zur Verfügung über ein Grundstück, das im Eigentum ihres Kindes steht, bedürfen die
Eltern die Genehmigung des Familiengerichts nach § 1643 i.V.m. § 1821 I Nr.1.
Volljährigen Personen, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ihre
Angelegenheit nicht allein besorgen können, bestellt das Vormundschaftsgericht gemäß §§
1896 einen Betreuer, der ihn nach § 1902 gesetzlich vertritt. Wird über die „einfache“
Betreuung hinaus ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 angeordnet, so ist die vertretene
Person praktisch einem beschränkt Geschäftsfähigen gleichgestellt (siehe § 1903 I S.2).
Minderjährige, die nicht unter elterlicher Sorge stehen, erhalten einen Vormund (§§ 1693,
1697). Die Vormundschaft umfasst die allgemeine Fürsorge in persönlichen und
Vermögensangelegenheiten. Dazu zählt z.B. die Sorge für die sittliche, geistige und
körperliche Entwicklung (Erziehung) des Minderjährigen. Wie die Eltern (Familiengericht),
bedarf der Vormund in bestimmten Angelegenheiten nach § 1821 der Zustimmung des
Vormundschaftsgerichts.
Dabei ist außerdem zu beachten, dass es sich hier auch oft um den Fall einer Selbstkontrahierung (§ 181) handelt, da bei einem zweiseitigen Vertrag beide Erklärungen jeweils
von ein und demselben Vertreter stammen. Allerdings gilt nach der Rechtsprechung § 181 nur
für solche Insichgeschäfte, die wesentlich sind, wo also starke moralische oder sonstige
Interessenkonflikte vorhanden sind.
Bsp.: E beschließt, seinem Kind K ein Fahrrad zu kaufen. Dieser Fall ist wohl nicht gemeint.
Allerdings ist nach dem Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger sowie den
Regeln des BGB die Haftung eines Minderjährigen für Verbindlichkeiten, die aufgrund von
Rechtsgeschäften seiner Eltern bzw. des Vormunds in seinem Sinne entstanden sind
einschließlich von Erbschaften, nach § 1629a auf das zur Zeit seiner Volljährigkeit
vorhandene Vermögen beschränkt.
Nach § 105 sind Willenserklärungen von Geschäftsunfähigen nichtig. Nichtig sind auch
Willenserklärungen von solchen Personen, die sich nur vorübergehend in einem Zustand
der Störung der Geistestätigkeit (wie Bewusstlosigkeit) befinden, welche die freie
Willensbestimmung ausschließt (§ 105 II). Dazu zählt aber nicht die Trunkenheit, wobei
Volltrunkenheit möglicherweise dazu zählt. Es gibt auch die partielle Geschäftsunfähigkeit,
wenn sich der in § 104 II umschriebene krankhafte Bewusstseinszustand nur auf einen Teil
von Rechtsgeschäften bezieht. Bestimmte Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens, die von
volljährigen Geschäftsunfähigen getätigt werden, sind jedoch möglich, wenn es sich um
Geschäfte des täglichen Lebens handelt und Leistung und Gegenleistung mit geringwertigen
Mitteln bewirkt werden (§ 105 a) (für den Betreuten gilt § 1903 III S.2 analog).
Als beschränkt Geschäftsfähige gelten solche Menschen, die zwar das siebente aber nicht
das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, also nicht volljährig sind. Soweit eine
Zustimmung deren gesetzlicher Vertreter notwendig ist, hängt die Wirksamkeit eines
Rechtsgeschäfts von der anfänglichen (Einwilligung) oder nachträglichen Zustimmung
(Genehmigung) der Vertreter ab (§ 108 I).
Eine Zustimmung ist nicht notwendig, wenn der beschränkt Geschäftsfähige lediglich einen
rechtlichen Vorteil erlangt (§ 107, bei Betreuten § 1903 III S.1 analog). Dabei ist kein
wirtschaftlicher Vorteil gemeint (Gewinn von Geld), sondern ein rein rechtlicher Vorteil
(z.B. Übergabe von Geld). Jeder gegenseitiger Vertrag ist somit in der Regel nicht bloß
lediglich rechtlich vorteilhaft, da immer eine Pflicht damit verbunden ist, die rechtlich
gesehen einen Nachteil bedeutet (anders bei reinen Gefälligkeitsverträgen, wie z.B. der
Schenkung (§§ 516), bei der keinerlei Gegenpflicht besteht, während aber z.B. bei der Leihe
(§§ 598) oder dem Auftrag (§§ 662) zumindest eine Rückgabepflicht oder die Pflicht zum
Ersetzen von Aufwendungen besteht. Fraglich sind Schenkungen von Grundstückseigentum,
die damit oftmals bestimmte Verpflichtungen polizeilicher oder steuerlicher Art verbunden
sind. Nach der üblichen Praxis bejaht man hingegen einen rechtlichen Vorteil auch in diesen
Fällen. Auch der Erwerb von Forderungen durch Abtretung nach § 398 ist rechtlich lediglich
vorteilhaft).
Ein reiner Eigentumserwerb im Rahmen eines Verfügungsgeschäfts ist für sich gesehen
hingegen immer lediglich rechtlich vorteilhaft. Im Rahmen des Abstraktionsprinzips kann
daher ein Teil eines Verfügungsgeschäfts, der im Erhalt einer Sache oder eines Rechts (nach §
929 S. 1) besteht, gültig sein, während aber die Weggabe einer Sache oder eines Rechts
rechtlich nachteilig ist. Somit bedarf das zu Grunde liegende Verpflichtungsgeschäft, also z.B.
ein Kaufvertrag, aufgrund der Verpflichtung zur Weggabe des Verkaufsgegenstandes einer
Genehmigung der Vertreter. Wird diese verweigert, so ist der Kaufvertrag nichtig (§ 184 I). In
diesem Fall besteht allerdings die Pflicht zur Herausgabe eines erworbenen Gegenstandes
aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812). Ein besonderer Fall besteht dann, wenn
durch Erfüllung (§ 362 I) gleichzeitig eine Forderung erlicht. Durch die Erfüllung verliert der
Minderjährige dann nämlich wiederum ein Recht.
Bsp.: Lehrer L beauftragt Schüler K, Geld für die Klassenfahrt einzusammeln. Während das
Einsammeln und Ansichnehmen des Geldes lediglich rechtlich vorteilhaft ist, stellt die
Erfüllung dieser Verbindlichkeit jedoch rechtlich einen Nachteil dar, da K durch Erfüllung
wiederum das Recht auf das Geld verliert. Verliert K das Geld auf dem Nachhauseweg und
genehmigen die Eltern nicht, so kann L von K kein Geld einfordern.
Es gibt mehrere Theorien, um dieses Problem zu lösen. Recht verbreitet ist die Theorie von
der realen Leistungsbewirkung, die zur Erfüllung (§ 362 I) auf einen empfangszuständigen
Gläubiger abstellt. Der Empfangszuständige wäre hier der Vertreter. Höchstens eine
Genehmigung durch die gesetzlichen Vertreter, hier die Eltern, könnte dies nachträglich
heilen.
Ein weiterer Fall sind neutrale Geschäfte, die weder Vor- noch Nachteile mit sich bringen.
Nach dem Rechtsgedanken aus § 107, der den Minderjährigen allein vor Nachteilen schützen
soll, werden neutrale Geschäfte analog als wirksam angesehen. Dies wäre z.B. beim Verkauf
eines Gegenstandes gegeben, der dem Minderjährigen (somit Nichtberechtigten) überhaupt
nicht gehörte. Wäre der Käufer gutgläubig, ginge das Eigentum daran nach §§ 929 S. 1, 932 I
S. 1 dennoch auf den Käufer über, obwohl der Verkäufer minderjährig ist und er dieser auch
kein Eigentümer ist. Man muss wohl wissen, dass der gute Glaube sich nur auf den Glauben
an das Eigentum erstreckt. Anders läge der Fall, wenn dem Minderjährigen der Gegenstand
gehörte. Das Geschäft wäre rechtlich nachteilig. Dann bedürften die Willenserklärungen einer
Genehmigung. Folglich wären der Kaufvertrag und die Einigungserklärung schwebend
unwirksam. Die Übergabe wäre erfolgt, allerdings kann der Erwerber kein Eigentum
erwerben, da der gute Glaube an die Volljährigkeit nicht genügt. Wird die Genehmigung
nicht erteilt, ist die Übergabe über das Bereicherungsrecht rückgängig zu machen.
Eine Ausnahme dieser Regelungen zeigt § 110 auf („Taschengeldparagraph“). Bewirkt der
Minderjährige mit Mitteln, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen
wurden, so ist das Rechtsgeschäft gültig, wenn der Minderjährige bewirkt hat. Ratengeschäfte
sind daher, soweit nicht anzunehmen ist, dass das Geschäft teilbar ist, erst dann gültig, wenn
die letzte Rate bezahlt wird. Bis dahin ist das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam und
benötigt die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter. § 110 ist eine Form der stillschweigenden vorherigen Einwilligung der Vertreter.
Trifft § 105a, § 107 oder § 110 nicht zu, so ist immer die Zustimmung des gesetzlichen
Vertreters notwendig (§ 108 I). Man unterscheidet zwischen der (vorherigen) Einwilligung,
die ausdrücklich oder konkludent (schlüssig) erfolgen kann, und der (nachträglichen)
Genehmigung, die das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft wirksam werden lässt. Unter
einer ausdrücklichen Einwilligung versteht man auch eine begrenzte Generaleinwilligung
für bestimmte Geschäfte.
Bsp.: Die Eltern erteilen ihrer 17-jährigen Tochter, die im weit entfernten Dülmen wohnt,
eine Generaleinwilligung für all solche Geschäfte, die sie im Rahmen ihres täglichen Daseins
betreffen (Wohnung, Lebensmittel, etc.).
Eine unbeschränkte Generaleinwilligung würde hingegen die vom Gesetzgeber gewollte
Aufsicht der gesetzlichen Vertreter über den Minderjährigen vereiteln und ist so nicht
möglich.
Ist die Zustimmung nicht gegeben, so ist ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft
endgültig unwirksam.
Zum Schutz des Rechtsverkehrs hat sich das folgende Prozedere im Gesetz niedergeschlagen
mit Parallelen im Stellvertretergesetz (§§ 164):
Zunächst unterscheidet man zwischen einer Genehmigung für ein schwebend unwirksames
Rechtsgeschäft, die allein dem Minderjährigen gegenüber erklärt wird und einer solchen, die
gegenüber dem Vertragspartner erklärt wird. Zunächst kann der Minderjährige eine von den
Vertretern erklärte Genehmigung überbringen (§ 108 I). Um den Schwebezustand zu
beseitigen, kann jedoch auch der Vertragspartner von sich aus die Initiative ergreifen und die
Vertreter um eine Genehmigung bitten. Dann kann nur noch ihm gegenüber genehmigt
werden und zwar nur innerhalb von zwei Wochen (§ 108 II), wobei eine bereits erfolgte
Genehmigung oder Verweigerung dem Minderjährigen gegenüber wieder unwirksam wird.
Außerdem steht dem Vertragspartner das Recht zu, den Schwebezustand durch Widerruf
seiner Willenserklärung zu beseitigen und damit das Rechtsgeschäft zu zerstören, wobei der
Widerruf auch allein dem Minderjährigen gegenüber ausgesprochen werden kann (§ 109 I).
Dem Grundsatz gemäß nach Treu & Glauben ist ein Widerruf jedoch nicht möglich, wenn der
Vertragspartner wusste, dass keine Einwilligung vorlag (§ 109 II), auch dann, wenn der
Minderjährige behauptet haben mag, es läge eine Einwilligung vor. Hier kommt es also auf
das tatsächliche Wissen an. Wusste er lediglich von der Minderjährigkeit, kann er nur dann
widerrufen, wenn der Minderjährige eine Einwilligung vorgespiegelt hatte und er von deren
Ungültigkeit keine Kenntnis hatte.
Für einseitige Rechtsgeschäfte gelten besondere Regeln (§ 111). Sind einseitige
Rechtsgeschäfte nicht lediglich rechtlich vorteilhaft (wäre mit § 107 schon abgehandelt), wie
z.B. bei der Kündigung eines zinslosen Darlehens (§§ 488), sind sie grundsätzlich nichtig,
wenn im Vorfeld keine Einwilligung der Vertreter vorliegt. Einseitige Rechtsgeschäfte, die
nicht empfangsbedürftig sind, wie z.B. die Auslobung (§§ 657) oder die Aufgabe des
Eigentums benötigen immer eine Einwilligung (!!Vorherige Zustimmung!!) (§ 111 S. 1).
Einseitige Rechtsgeschäfte, die empfangsbedürftig sind, wie die Anfechtung oder die
Kündigung, sind darüber hinaus nur wirksam, wenn eine Einwilligung vorliegt, und der
Minderjährige dies dann auch schriftlich dem Vertragspartner nachweist (§ 111 S. 2).
Genehmigen kann der Minderjährige auch selbst, wenn er zwischenzeitlich volljährig
geworden ist (§ 108 III). Dies kann ausdrücklich oder auch konkludent erfolgen.
Geschäftsfähigkeit (§§ 104)
geschäftsunfähig
beschränkt geschäftsfähig
- Minderjährige über 7 Jahren
- das 7.te Lebensjahr noch nicht
Vertreter sind Eltern
vollendet
(§§ 1626, 1629)
- Willenserklärung, die im Zustande
oder Vormund
der Bewußtlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätig- (§§ 1693, 1697)
- volljährige Betreute, die ihre
keit abgegeben wird, sofern die
Sachen nicht selbst besorgen
freieWillensbestimmung
können.(bei Einwilligungsausgeschlossen ist,
vorbehalt (§ 1903 I)).
vorübergehend oder dauernd.
Vertreter sind bestellte
(§§ 104, 105)
Pfleger oder Betreuer
- bei volljährigen Geschäftsunfähig(§§ 1896, 1902)
en Geschäfte des täglichen Lebens
möglich (§ 105a)
voll geschäftsfähig
typischerweise bei
Volljährigkeit (§ 2)
der Fall
- soweit nicht lediglich rechtlich
vorteilhaft (§ 107) wie bei
Gefälligkeiten (Schenkung; auch
von Grundstückseigentum)
- oder mit eigenen Mitteln bewirkt
(§ 110) (Taschengeldparagraph)
- sonst schwebend unwirksam
(Genehmigung der Vertreter
erforderlich) (§§ 108, 109 i.V.m. 184)
- bei einseitigen Rechtsgeschäften
immer vorherige Einwilligung nötig;
wenn empfangsbedürftig,
dann schriftlich vorzuweisen (§ 111)
- beschränkte Generaleinwilligung
möglich für bestimmte Angelegenheiten
2.3 Abgabe und Zugang von Willenserklärungen (§§ 130, §§ 145)
Um Rechtsgeschäfte zu begründen, müssen mehrere Vertragspartner ihre Willenserklärungen
ausdrücken. Bei Kaufverträgen (§§ 433) spricht man von Angebot und Annahme. Dazu ist
es notwendig, die Willenserklärungen zunächst in den Umlauf zu bringen (Abgabe) und dem
Empfänger zuzustellen (Zugang). Eine Willenserklärung ist abgegeben, wenn sie wissentlich
so in den Geschäftsverkehr gebracht wurde, dass bei ungestörtem Geschehensablauf mit
dem Zugang gerechnet werden kann.
Bsp.: Putzfrau P sieht ein unterschriebenes Bestellformular des K und will ihm was Gutes
tun, indem sie den noch unfrankierten Brief nach V abschickt. K jedoch wollte sich eigentlich
noch Bedenkzeit gönnen. Hier ist die Willenserklärung nicht wissentlich in Umlauf gebracht
worden. Somit liegt keine Abgabe vor. Jedoch kann unter Umständen der Vertrauensschaden
analog zu § 122 i.V.m. § 120 ersetzt werden, wenn der Vertragspartner auf die Wirksamkeit
der Willenserklärung vertraut und seinerseits bestimmte Aufwendungen hatte.
Beim Zugang unterscheidet man zwischen empfangsbedürftigen und nicht empfangsbedürftigen Willenerklärungen. Nach § 130 I wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung dann wirksam, wenn sie zugeht. Erfolgt nach § 130 I S. 2 vorher oder gleichzeitig
ein Widerruf, dann ist die Willenserklärung nichtig. Aus § 130 I ist im Umkehrschluss zu
entnehmen, dass nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen mit ihrer Abgabe wirksam
werden. Eine Abgabe liegt dann vor, wenn der Erklärende seinen Willen erkennbar so
geäußert hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist (z.B.
Testament). Für empfangsbedürftige Willenserklärungen gilt:
Eine Willenserklärung ist zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers
eingebracht wurde, dass mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger
gerechnet werde kann.
Dabei kommt es sowohl zum einen um die räumliche Komponente an als auch um die
Kenntnisnahme-Möglichkeit, die nach der Verkehrsanschauung dann anzunehmen ist, wenn
nach üblichen Regeln eine Kenntnisnahme zu erwarten ist. So ist dies bei Briefen in der
Regel zwischen 8 und 20 Uhr der Fall. Wird vor oder nach dieser Zeitspanne ein Brief in den
Briefkasten eingeworfen, dann wird die Willenserklärung wirksam entsprechend um 8 Uhr
oder am darauf folgenden Tag. Die Verkehrsanschauung ist definiert als die Auffassung der
im Verkehr beteiligten Kreise und der allgemeinen Lebenserfahrung.
Eine Willenserklärung unter Anwesenden (mündlich) wie z.B. auch per Telefon wird sofort
mit ihrer Abgabe wirksam. Empfangsbedürftige Willenserklärungen unter Abwesenden
müssen zugehen (§§ 130). Sonderfälle:
-
Postschließfach: sofort nach Einsortieren in das Fach
Telegramm: wie Brief, bei mündlicher Mitteilung wie unter Anwesenden
Telefax und Fernschreiben: Abschluss des Druckvorganges im Empfänger, allerdings
bei Geschäftsleuten nur während der üblichen Geschäftszeiten
Einschreibebrief: Übergabe des Briefes, der Benachrichtigungszettel (Auslieferungsschein) alleine hat keine Wirkung, man darf aber auch den Zugang nicht vereiteln
(Annahme verweigern) z.B. durch Verzögerung der Abholung. Dies ist eine
Obliegenheitsverletzung des Empfängers.
Bestimmte Zugangshindernisse:
- Ist der Wohnort gewechselt worden, so kann der Zugang nach § 132 durch die
Zustellung ersetzt werden. Die Willenserklärung wird mit der Zustellung wirksam und
zwar auch dann, wenn dem Empfänger die Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht
verschafft wird.
-
-
Jeder ist gehalten, alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um einer Vereitelung des
Zugangs entgegenzuwirken. Wird der Zugang z.B. arglistig vereitelt, so ist der Zugang
mit Hinweis auf §§ 162 zu fingieren. Arglist ist dann z.B. gegeben, wenn der
Empfänger den Inhalt der Erklärung kennt oder mit dem Zugehen einer Erklärung
bestimmten Inhalts rechnet und deshalb die Annahme verweigert.
Bei modernen (elektronischen) Telekommunikationstechniken gilt, dass die
Übersendung unverkörpert erfolgt und elektronisch gesichert wird. Die Möglichkeit
der Speicherung ist vorhanden, wenn es nur noch vom Empfänger abhängt, ob die
Erklärung seiner fortgesetzten Verfügbarkeit zugeführt wird. Dies gehört zur Risikosphäre des Empfängers, da es außerhalb der Einflusssphäre des Absenders liegt, die
Funktionstüchtigkeit der Empfangsvorrichtung zu garantieren. Man unterscheidet aber
zwischen Email-Adressen im geschäftlichen und privaten Rechtsverkehr. Bei
geschäftlichen Kontakten gelten die üblichen Geschäftszeiten. Bei Privatadressen
hingegen geht die Erklärung erst mit tatsächlicher Kenntnisnahme zu, solange im
Rechtsverkehr das private Innehaben einer Email-Adresse noch nicht als Bereitschaft
zum Empfang von Willenserklärungen zu deuten ist. Scheitert die Übermittlung
(Störung im öffentlichen Netz) so ist die Erklärung nicht zugegangen. Trifft die
Erklärung auf ein Zugangshindernis im Bereich des Empfängers, so ist anzunehmen,
dass die Erklärung nach Treu & Glauben in dem Moment wirksam wird, in welchem
sie ohne das Hindernis zugegangen wäre. Erkennt das der Erklärende jedoch, so
verdient er diesen Schutz nicht und ist nach § 242 verpflichtet, die Übertragung der
Erklärung unverzüglich zu wiederholen.
Wird eine Willenserklärung vor dem Tode des Erklärenden in Umlauf gebracht, so geht das
Schuldverhältnis nach § 1967 I auf die Erben über. Stirbt der Erklärende nach § 130 II nach
der Abgabe und vor dem Zugang, so ist die Willenserklärung dennoch wirksam. Macht
jemand einen Antrag, aber stirbt vor Zugang der Annahme, so gilt dies nach § 153 hingegen
nur dann uneingeschränkt, wenn im Zweifel nicht ein anderer Wille des Antragenden
anzunehmen ist.
A ist gelähmt und will beim Versandhaus G einen Rollstuhl kaufen. Kurz vor der Annahme
seines Angebotes verstirbt er. In diesem Fall ist klar, dass der Rollstuhl nur für A selbst und
nicht seine Erben einen Sinn macht. Nach der Interessenlage der Erben, die durchaus hier
herangezogen werden kann, wenn keine weiteren Anhaltspunkte existieren, ist demnach ein
anderer Wille des Antragenden anzunehmen.
Ein Vertrag entsteht durch zwei übereinstimmende (deckende, nicht aber lediglich
korrespondierende) Willenserklärungen (Angebot und Annahme) zweier Personen.
Das Angebot (Antrag) ist eine Willenserklärung, mit der sich jemand, der einen Vertrag
abschließen möchte, an einen anderen wendet und die zukünftigen Vertragsbedingungen in
einer Weise vollständig zusammenfasst, dass der andere, ohne inhaltliche Änderungen
vorzunehmen, durch ein bloßes „Ja“ (die Annahmeerklärung) den Vertrag entstehen lassen
kann.
Die Annahme ist die Erklärung, mit der sich derjenige, an den das Angebot gerichtet ist, mit
dem Inhalt des Angebotes einverstanden erklärt.
Angebot und Annahme werden häufig nicht ausdrücklich, sondern konkludent erklärt.
Bsp.: K betritt einen Bäckerladen und sagt zu dem Bäcker B: „10 Brötchen bitte.“ Wortlos
packt B 10 Brötchen in die Tüte und übergibt sie K. Beide haben hier konkludent einen
Kaufvertrag abgeschlossen und dabei die entsprechenden Verfügungen getätigt.
Erfolgt ein Antrag, so ist der Antragende nach § 145 zunächst daran gebunden. Bindend ist
allerdings nur ein hinreichend bestimmtes Angebot, das nur ein einfaches „Ja“ zur Annahme
benötigt. Es muss alle regelungsbedürftigen Punkte des erstrebten Vertrages wie
-
die Partner des Vertrages
Leistung und Gegenleistung
den Geschäftstyp (wie z.B. Kaufvertrag, Mietvertrag, etc.)
beinhalten. Er muss aber nicht alle Einzelheiten beinhalten. So kann die Leistung oder
Gegenleistung nach §§ 315 auch dem Vertragspartner oder einem Dritten überlassen sein. Das
Angebot kann auch an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtet sein, ohne eine
bestimmte Person zu benennen. Wichtig ist hier aber die Abgrenzung zur
„invitatio ad offerendum“.
Kann z.B. einer Zusendung eines Katalogs (z.B. Globus), einer Schaufenstereinlage oder der
ausgelegten Waren im Supermarkt, nicht entnommen werden, dass eine solche vertragliche
Bindung gewollt ist, die bei Nichtleistung auch Schadensersatzansprüche mit sich bringen
könnte, so handelt es sich lediglich um eine Aufforderung an den Kunden, ein zwingendes
Angebot abzugeben. So ist bei ersteren zwei nicht unbedingt klar, ob genauso viele Waren
vorrätig und verkäuflich sind wie Kunden kommen. Daher ist hier nach Treu & Glauben mit
Rücksicht auf die Verkehrssitte eine solche Bindung typischerweise nicht anzunehmen. Beim
Supermarkt-Beispiel erfolgt erst ein Angebot an der Kasse, das der Supermarktleiter bei
vorhandener Zahlungsunfähigkeit auch ablehnen kann. Deutlich wird das auch dadurch, dass
die Kunden vielfach im Vorfeld Waren aus dem Warenkorb zurücklegen im Gedanken, damit
keine rechtsgeschäftlich bedeutende Handlung zu vollziehen. Man spricht hier von einer
„invitatio ad offerendum“, also einer Aufforderung an den Kunden, seinerseits ein Angebot
abzugeben.
Nach § 146 ist eine Annahme möglich, wenn sie entweder in der nach § 148 bestimmten
Frist erfolgt oder nach § 147 II unter regelmäßigen Umständen zu erwarten ist. Nach § 146
kann der Antrag natürlich auch einfach abgelehnt werden. Der regelmäßige Umstand
bestimmt sich nach der gewählten Beförderungsart zuzüglich einer angemessenen Bedenkzeit.
Wird für den Antrag der postalische Weg gewählt, so ist anzunehmen, dass für die
Beförderung der Annahme ein ähnlich schnelles Beförderungsmittel gewählt wird. Auch
bestimmte Umstände, die dem Antragenden bekannt sind (wie z.B., dass der Geschäftspartner
jeden Freitag nicht im Betrieb anwesend ist), müssen mitberücksichtigt werden. Unter
Anwesenden kann die Annahme nach § 147 I nur sofort angenommen werden. Dazu zählen
auch alle mündlichen Übertragungsgeräte wie Telefon, Fernsprecher, etc.. Ist eine Annahme
erklärt, aber verspätet, so wird die Willenserklärung nach § 150 I umgedeutet in einen neuen
Antrag, der nun wiederum von der ersten Seite angenommen werden kann. Sind
Zugangsbehinderungen vorhanden, die außerhalb der Kontrolle der Beteiligten liegen, so gilt
nach § 149, dass der Antragende die verspätet eingegangene Annahme dann als gültig
wirken lassen muss, wenn er nicht unverzüglich dies dem Annehmenden anzeigt. Dies wäre
ihm beim postalischen Weg z.B. erkennbar anhand des Poststempels. Dies gilt natürlich nur,
wenn dies offensichtlich ist, aber es reicht die Möglichkeit des Erkennens und nicht die
tatsächliche Kenntnisnahme. Nach § 150 II ist eine Annahme unter Erweiterungen,
Einschränkungen oder sonstigen Änderungen als eine Ablehnung des Angebotes zu
werten und wird fiktiv als ein neues Angebot umgedeutet, dass der Antragende seinerseits
annehmen kann. Nach § 151 wird die Annahmeerklärung aber auch wirksam, ohne dass sie
dem Anbietenden zugegangen ist, wenn
-
derjenige, der das Angebot gemacht hat, nach der Verkehrssitte nicht erwarten
kann, dass ihm gegenüber die Annahme erklärt wird
oder derjenige, der das Angebot gemacht hat, darauf verzichtet hat, dass die
Annahme ihm gegenüber erklärt wird. Die Verzichtserklärung bedarf keiner Form. Sie
kann auch konkludent abgegeben werden.
Typische konkludente Bestätigung des Annahmewillens ist in Erfüllungs-, bzw.
Aneignungs-, Gebrauchs- oder Verbrauchshandlungen zu erkennen. Eine Nichthandlung
oder ein Schweigen auf unbestellt zugeschickte Warensendungen sind hingegen nicht als
Annahme zu werten. Den Empfänger dieses Vertragsangebotes trifft nach § 241a auch keine
Ablehnungspflicht. Er muss sie auch nicht zurücksenden, darf sie aber auch nicht
verbrauchen, benutzen oder weiterveräußern, soweit dies konkludent als Annahme angesehen
werden könnte.
Ein Schweigen im Rechtsverkehr ist nie eine rechtsgeschäftlich bedeutende Handlung.
Ausnahmen sind die § 108 II und § 177 II, in denen Schweigen als Verweigerung der
Genehmigung gilt. Ein Sonderfall existiert zwischen Kaufleuten. Ein Schweigen auf ein
schriftliches Bestätigungsschreiben zur Klärung und Festlegung eines bereits zuvor z.B.
mündlich Vereinbarten gilt als Zustimmung, auch wenn Einschränkungen oder Änderungen
gemacht werden, jedoch nur dann, wenn die gemachten Änderungen nicht so gravierend von
dem bereits Vereinbarten abweichen, dass nach Treu & Glauben nicht mit einer Zustimmung
gerechnet werden kann. Letzteres gilt auch, wenn bewusst eine unrichtige Darstellung des
mündlich Vereinbarten abgegeben wird oder wenn beide Partner sich kreuzende oder
inhaltlich unvereinbare Bestätigungen abgeben. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben
ist von einer Auftragsbestätigung zu unterscheiden. Bei einer Auftragsbestätigung, die
lediglich als eine Annahme auf ein Angebot zu sehen ist, haben keine Vorverhandlungen mit
dem Ziel, einen Vertrag abzuschließen, stattgefunden.
Als Ersatz des Beförderungsmittels können natürlich auch Menschen eingesetzt werden. Man
spricht von Erklärungsboten und Empfangsboten. Boten sind jene, die lediglich
vorgefertigte Willenserklärungen übergeben im Unterschied zu Stellvertretern, die einen
eigenen Entscheidungsspielraum besitzen. Auf der Empfängerseite sind zugangsberechtigt
zunächst einmal alle Familienangehörigen, wie der Vater, Mutter, Schwester, Tochter, Sohn,
etc. Dies betrifft aber nicht zufällig anwesende Personen wie Handwerker, etc.. Dabei wird
der Fehler jeweils der entsprechenden Sphäre zugerechnet, in der er gemacht wird. Wird
nämlich eine Willenserklärung so übermittelt, dass ein objektiver Dritter in der Rolle des
Erklärungsempfängers einen bestimmten Inhalt erkennen kann, so gilt dieser als übergeben,
unabhängig davon, ob auf der Empfängerseite anschließend versehentlich
Übermittlungsfehler gemacht werden. Dies betrifft auch den Zeitpunkt der Übermittlung.
Denn dies ist immer auch eine Abgabe unter Anwesenden unabhängig davon, ob der
Empfangsbote die Willenserklärung später vielleicht nicht rechtzeitig an den Empfänger
weitergegeben hat, wenn er dazu aber in der Lage gewesen wäre. Das Risiko trägt der
Empfänger. Kommt es zu Problemen, dann berechnet dies den Empfänger allerdings auch zur
Anfechtung nach § 120.
Fehler der Empfängerseite werden dem Empfänger zugerechnet.
Ausgenommen sind Fälle, in denen der Erklärende einen erkennbar ungeeigneten
Empfangsboten auswählt, z.B. den 4-jährigen Sohn des Empfängers. Dann liegt der Fehler
wieder auf der Seite des Erklärenden.
Es gilt daher auch:
Fehler der Erklärerseite werden dem Erklärenden zugerechnet.
Benutzt der Erklärende einen Erklärungsboten, der die Erklärung übermitteln soll, so wird sie
so wirksam, wie ein objektiver Dritter in der Rolle des Erklärungsempfängers sie verstehen
würde. Auch hier trägt der Erklärende sein Risiko selber, was ihn jedoch auch dann zu einer
Anfechtung nach § 120 berechtigt, wenn Fehler bei der Übermittlung aufgetreten sind.
Ausgenommen sind jedoch Fälle, in denen der Übermittler bewusst Fehler bei der
Übermittlung macht. Man spricht dann von einem Pseudo-Boten. Dann wird keine
vorgefertigte Willenserklärung versehentlich fehlerhaft übermittelt, sondern eine eigene
Willenserklärung bewusst falsch übermittelt. Folgerichtig haftet der Pseudo-Bote dann auch
wie ein Stellvertreter ohne Vertretungsmacht. Die Willenserklärung selbst ist dann quasi
untergegangen, da es an einem zurechenbaren Zugang fehlt.
Ein Vertrag kommt dadurch zustande, dass zwei Personen übereinstimmende
Willenserklärungen (Angebot und Annahme) abgeben. Sie müssen sich über den vollständigen Inhalt des angestrebten Vertrages geeinigt haben. Liegt ein offener Dissens
(Einigungsmangel) vor, so kann nach § 154 I ein Vertrag im Zweifel nicht zustande kommen.
Dies ist jedoch eine Auslegungssache, die es nach dem Grundsatz der Privatautonomie auch
zulässt, eine vertragliche Einigung auch unter Offenlassung einzelner Punkte zu schließen.
Handelt es sich um einen versteckten Dissens, wobei beiden Vertragspartnern unbewusst ist,
dass sie sich über einige oder mehrere Punkte tatsächlich noch nicht geeinigt haben, so gilt
der Vertrag, wenn anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne eine Einigung über den Punkt,
über den keine Vereinbarung zustande gekommen ist, von ihnen geschlossen worden wäre (§
155). Beispiele sind der Leistungsort (§ 269) oder die Leistungszeit (§ 271), die durch
nachgiebiges (dispositives) Recht bestimmt werden können.
Ein Vertrag kommt zustande durch gegenseitige, sich deckende Willenserklärungen.
(Angebot und Annahme)
Ein Angebot sollte alle regelungsbedürftigen Punkte des Vertrages enthalten, so dass
derjenige, der das Angebot annehmen will, mit einem bloßen "Ja" den Vertrag
zustande kommen lassen kann.
Unter Anwesenden (mündlich, Telefon, Fernsprecher) ist Annahme nur sofort
möglich (§ 130). Sonst Zugang nötig. Abgabe muss wissentlich erfolgen
(sonst Anfechtung nach § 120 möglich).
Zugang ist erfolgt, wenn die Willenserklärung so in den Machtbereich des Empfängers
eingebracht wurde, dass mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger
gerechnet werden kann. Dabei sind übliche Maßstäbe anzulegen (Bei Geschäftsleuten zu
üblichen Geschäftszeiten oder Einwurf in Briefkasten oder Postfach
(typischerweise zwischen 8 und 20 Uhr zu erwarten))
(keine Vereitelung des Zugangs, z.B. Nichtentgegennahme bei Einschreiben)
Abgabe und Zugang kann auch über Boten erfolgen, wobei ein Übernittlungsfehler
der Sphäre zugeordnet wird, in der er verursacht wird, mit Anfechtungsmöglichkeit
nach § 120 (Beachte Abgrenzung zum Pseudo-Boten).
Vorher oder gleichzeitig kann die Willenserklärung widerrufen werden (§ 130)
Ein Angebot ist bindend (§ 145). Ist eine Annahmefrist bestimmt, so kann die Annahme nur
innerhalb dieser Frist erfolgen (§ 147). Sonst nach der Verkehrssitte unter regelmäßigen
Umständen (§ 147 II). Auch konkludent möglich, wenn der Antragende darauf verzichtet hat
oder dies nach der Verkehrssitte nicht erforderlich ist (§ 151).
Verspätet zugegangene Annahme gültig, es sei denn, der Antragende widerspricht sofort
(§ 149, z.B. anhand Poststempel ersichtlich).
Eine verspätete Annahme oder eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen
oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung des Antrags. Umdeutung der so erfolgten
Annahme als neuer Antrag (§ 150).
Vertrag im Zweifel auch unter Offenlassung bestimmter Punkte möglich (§§ 154, 155).
Spätere Bestimmung der Leistung oder Gegenleistung möglich (§§ 315).
Beachte auch Abgrenzung zur "invitatio ad offerendum"
2.4 Die Stellvertretung (§§ 164)
Die Stellvertretung ist immer dann interessant, wenn der Erklärende nicht in der Lage ist,
selbst ein Geschäft zu tätigen, sei es, dass er nicht die entsprechenden Kenntnisse besitzt oder
räumlich und zeitlich dazu nicht in der Lage ist oder, weil er nicht persönlich in Erscheinung
treten will. Er wird sich dann eines Stellvertreters bedienen, der in seinem Namen
stellvertretend für ihn das Geschäft tätigt. Voraussetzung ist natürlich, dass der Stellvertreter
in der Lage ist, genauso objektiv im Sinne des Vertretenen zu handeln, wie dieser selber. Der
Stellvertreter muss also selbst handeln können und eine eigene Willenserklärung abgeben.
Ansonsten wäre er ja lediglich ein Bote. Es muss dabei aber zum Ausdruck kommen, dass der
Stellvertreter im fremden Namen handelt. Eine Ausnahme dazu sind lediglich so genannte
Geschäfte für den, den es angeht, wo es dem Vertragspartner auch nicht von Bedeutung ist,
ob im fremden Namen gehandelt wird oder nicht. Dazu zählen Bargeschäfte des täglichen
Lebens. Stichwort: Gyros-Bude. Wenn es ihm vollkommen egal ist, wer derjenige ist, der
tatsächlich Vertragspartner werden soll, dann verdient der Verkäufer auch keinen Schutz.
Eine andere Möglichkeit ist die mittelbare Stellvertretung, bei der nicht im fremden Namen,
aber auf fremde Rechnung gehandelt wird, wenn der Vertretene ausdrücklich nicht in
Erscheinung treten will. Diese Art der Stellvertretung ist im BGB nicht geregelt, aber z.B.
üblich bei der Einkaufs- oder Verkaufskommission zwischen dem Kommissionär und dem
Kommittenten (Auftraggeber) (§ 396 HGB).
Bsp.: Effektenkommission, d.h. der An- und Verkauf von Wertpapieren an der Börse mit den
Banken als Kommissionären.
Voraussetzungen dafür, dass jemand wie ein (unmittelbarer) Stellvertreter handelt, sind also:
a. Abgabe einer eigenen Willenserklärung
b. Handeln im fremden Namen
c. Handeln mit Vertretungsmacht
Die Stellvertreterschaft muss natürlich rechtlich zulässig sein (§ 134). So kann ich natürlich
nicht meinen Freund stellvertretend für mich zum Standesamt schicken.
Formulierungen wie „Ich soll (…) kaufen“ deuten eher auf eine Botenschaft hin, während
„Ich will (…) kaufen, zeigen sie mir mal eine Auswahl“ eindeutig auf eine eigene
Willenserklärung hindeutet. Es muss ein Entscheidungsspielraum vorhanden sein. Diesen
haben jedoch nach § 165 keine Geschäftsunfähigen. Beschränkt Geschäftsfähige nach § 165
jedoch sehr wohl. Durch die Vertretungsmacht wird durch den Vertretenen aber nicht
gleichzeitig eine Generaleinwilligung erklärt. Nicht der Vertretene selbst, sondern die
gesetzlich rechtmäßigen Vertreter eines beschränkt Geschäftsfähigen sind allein zur
Zustimmung berechtigt. Dies sind in der Regel die Eltern oder im Falle der Volljährigkeit der
Betreuer.
Damit in Erscheinung tritt, für wen gehandelt wird, muss dies entweder ausdrücklich erklärt
werden, oder es kann auch aus den Umständen heraus erkennbar werden (§ 164 I S.2). In
dem Fall, in dem zwar in fremden Namen, aber ohne dessen Preisgeben, gehandelt wird, wird
das Offenkundigkeitsprinzip durchbrochen, soweit es dem Geschäftspartner gleichgültig ist,
wer Vertragspartner werden soll. Ist der andere Vertragspartner eines Schutzes würdig, so
wird nach § 164 II der Vertreter selbst Vertragspartner, wenn der Wille, im fremden Namen
zu handeln, nicht offen zu Tage tritt. Da es sich überdies hier um einen Motivirrtum (Irrtum
im Beweggrund) handelt, kann der Vertreter dann auch nicht anfechten.
Man unterscheidet die Vertretungsmacht per Gesetz wie die Vertretung Minderjähriger
durch ihre Eltern nach §§ 1626 I, 1629 I, durch den Vormund nach §§ 1773 oder die
Pflegschaft (§§ 1909) wie auch die Betreuung Volljähriger (§§ 1896) und die vertragliche
Vertretung durch Rechtsgeschäft, die man als Vollmacht bezeichnet. Juristische Personen
handeln durch ihre gesetzlichen Vertreter, die bei der AG durch den Vorstand, bei der GmbH
durch die Geschäftsführer gegeben sind. Bei Personengesellschaften wie der OHG sind es die
einzelnen Gesellschafter (§ 125 HGB), bei der KG die persönlich haftenden Gesellschafter
(Komplementäre, §§ 161 HGB). Die Vollmachtserteilung ist eine einseitige Willenserklärung
mit all ihren Bestandteilen (äußerer/innerer Geschäftswille, Geschäftsfähigkeit, Abgabe,
Zugang, …). Die Vollmacht kann entweder dem einen oder anderen Teil (Dritten) angezeigt
werden. Im ersteren Fall spricht man von einer Innenvollmacht, im letzteren Fall von einer
Außenvollmacht. Die Bevollmächtigung ist nach § 167 II in der Regel formlos möglich.
Formbedürftig ist hingegen die unwiderrufliche Vollmacht zum Abschluss eines nach § 311b
formbedürftigen Vertrages. Die Vollmacht ist abstrakt, dass heißt, wird im Rahmen eines
Rechtsgeschäfts wie dem Auftrag (§ 662), dem Dienstvertrag (§ 611), dem Werkvertrag (§
675), der eine Geschäftsbesorgung zum Ziel hat oder einem Gesellschaftsvertrag (§ 705), etc.
eine Vollmacht erteilt, aber wird das Rechtsgeschäft gleichzeitig ungültig (z.B. aufgrund
eines beschränkt Geschäftsfähigen in der Rolle des Vertretenen ohne Genehmigung der
Eltern), so bleibt die Vollmacht wohl bestehen. Sie ist aber teilabstrakt, d.h., wenn ein zu
Grunde liegendes Rechtsgeschäft einmal wirksam geworden ist, geht die Vollmacht nach §
168 S.1 auch mit diesem zu Grunde.
Nach § 170 bleibt eine einmal erfolgte Außenvollmacht solange in Kraft, bis dem Dritten die
Außenvollmacht nach § 168 S. 2 widerrufen wird, auch dann, wenn die Innenvollmacht
selbst bereits unwirksam ist (z.B. ebenso durch Widerruf der Innenvollmacht nach § 168 S. 2).
Dies dient dem Schutz des Rechtsverkehrs. Einer Außenvollmacht kommt es nach § 171 I
gleich, wenn lediglich eine Innenvollmacht dem Dritten kundgegeben wird, wobei analog
nach § 171 II dem Dritten ein nachträgliches Fehlen der Innenvollmacht durch Kundgabe
ebenso angezeigt werden muss, sonst bleibt der Anschein der Vollmacht bestehen. Dies gilt
aber in allen Fällen nur dann, wenn nach § 173 der Dritte gutgläubig in Bezug auf die
Gültigkeit der Innenvollmacht ist. Neben einem Widerruf kann eine Innen- oder
Außenvollmacht jedoch auch durch Befristung oder Bedingung enden oder inhaltlich
eingeschränkt werden. Im Falle des Todes des Bevollmächtigten geht die Vollmacht nicht auf
die Erben über, da sie Vertrauenssache ist.
Ein besonderer Fall regelt § 172, nach dem die Vollmacht auch durch eine Erteilung einer
Vollmachtsurkunde und deren körperliche Übergabe an den Dritten erkennbar werden kann.
Die Vollmacht ist erst dann unwirksam, wenn nach § 172 II die Vollmachtsurkunde dem
Vollmachtgeber zurückgegeben wird oder nach § 176 öffentlich für kraftlos erklärt wird. Ist
die Vollmacht erloschen, so ist der Bevollmächtigte nach § 175 verpflichtet, die
Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückzugeben.
Ein Spezialfall wird in § 169 behandelt. Im Falle des Auftrages (§ 674) oder einer
Gesellschaft (§ 729) besteht in bestimmten Fällen eine Fiktion des Fortbestehens der
Vollmacht. Endet z.B. der Auftrag durch den Tod des Auftraggebers, aber erkennt das der
Bevollmächtigte nicht rechtzeitig, so dient dies zu seinem Schutz, wenn er im Glauben
handelt, die Vollmacht wäre noch gültig, solange, bis er von der Unwirksamkeit der
Vollmacht Kenntnis erlangt (analog für den Gesellschafter). Dazu zählt nicht ein Widerruf,
denn dieser ist empfangsbedürftig und setzt den Beauftragten somit automatisch in Kenntnis.
Ein Tod des Auftraggebers führt allerdings nur dann zum Erlöschen des Auftrags, wenn nach
§ 672 S. 1 berechtigte Zweifel bestehen bzw. besonders ungewöhnliche Interessen im Spiel
waren, die nur den Auftraggeber selbst betreffen konnten. Da die Vollmacht ja mit dem
Rechtsgeschäft zusammen endet (Teilabstraktheit), bleibt bei der Fiktion des Fortbestehens
des Rechtsgeschäfts nach § 169 auch die Vollmacht fiktiv bestehen, wirkt allerdings einem
Dritten gegenüber nur dann, wenn der Dritte von dem Ende des Rechtsgeschäftes keine
Kenntnis hatte. Hatte der Dritte Kenntnis oder hätte er es wissen müssen, dann ist die
Innenvollmacht für ihn unwirksam. In diesem Fall haftet auch der eigentlich unwissende
Vertreter nicht mehr, da nach § 179 III in diesem Fall auch eine Haftung ausgeschlossen ist.
Hatte der Dritte keine Kenntnis, dann haftet der unwissende Vertreter nach § 179 II für den
Vertrauensschaden, den der Dritte erlitten hat im Vertrauen auf die Gültigkeit der Vollmacht.
Insofern tritt durch die Fiktion des Fortbestehens § 179 I nicht ein.
Neben der ausdrücklichen Erteilung einer Rechtsschein-Vollmacht gibt es noch die
Duldungs- sowie Anscheins-Vollmacht. Die ist immer dann gegeben, wenn jemand zwar
nicht ausdrücklich jemanden bevollmächtigt, aber fahrlässig oder wissentlich verkennt, dass
jemand so tut, als habe er Vollmacht. Unternimmt er dagegen nichts und duldet es einfach,
dann kann er sich auf das Fehlen der Vollmacht nicht berufen.
Im Übrigen bestehen sehr starke Parallelen zwischen dem Minderjährigenrecht und der
Stellvertretung (§ 111 S. 2 <-> § 174 S.1 oder § 108 <-> § 177, § 109 <-> § 178). Siehe daher
auch dort stehende Kommentare.
Bei einseitigen Geschäften muss der Wille des Vollmachtgebers klar zu Tage treten. Dies
muss bei einseitigen Rechtsgeschäften nach § 174 bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen durch Übergabe einer Vollmachtsurkunde geschehen. Erfolgt dies nicht, kann der
Dritte aus diesem Grund das Rechtsgeschäft zurückweisen, wenn er nicht direkt vom
Vollmachtgeber die Gültigkeit der Innenvollmacht erfahren hat.
Ist die Vertretungsmacht nicht vorhanden gewesen, dann kann derjenige, in dessen Namen
der Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, nach § 177 nachträglich genehmigen
(analog zu § 108) und das Geschäft nachträglich an sich ziehen. Dabei kann er gegenüber dem
Vertreter ohne Vertretungsmacht genehmigen oder, wenn der Dritte ihn dazu auffordert, nur
noch dem Dritten gegenüber und in diesem Fall auch nur innerhalb von 2 Wochen nach der
Aufforderung. Der Dritte hat nach § 178 über die gesamte Zeit das Recht zum Widerruf, aber
nur, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht nicht im Voraus gekannt hatte. Vertreter
ohne Vertretungsmacht ist derjenige, der
-
keine Vollmacht besitzt, wobei diese verloren gegangen oder widerrufen worden sein
kann
die Grenze oder der Umfang der Vertretungsmacht überschritten hat
zwar mit Vollmacht handelt, diese aber später angefochten wird
Fraglich ist, ob nach § 139 bei einer partiellen Vollmacht der durch Vollmacht gedeckte Teil
wirksam ist oder das gesamte Rechtsgeschäft unwirksam wird. Ist das Rechtsgeschäft
unteilbar, so sind auf das gesamte Rechtsgeschäft die §§ 177 anzuwenden.
Nach § 179 I haftet der Vertreter ohne Vertretungsmacht auf den Erfüllungsschaden, der
typischerweise im Rahmen der Differenztheorie durch Vergleich zwischen Leistung und
Gegenleistung ermittelt werden kann (§ 249). Eine Erleichterung bringt § 179 II, wenn der
Vertreter nicht bemerkt hat, dass die Vertretungsmacht weg war. Dann haftet er nur für den
Vertrauensschaden, allerdings begrenzt durch das positive Interesse. § 179 III führt zu
einem totalen Haftungsausschluss, wenn der Vertragspartner von dem Mangel Kenntnis hatte
oder es erkennen musste. Eine Pflicht, darüber Erkundigungen einzuholen, besteht hingegen
nicht. Es sei denn, es bestehen Anhaltspunkte, die berechtigte Zweifel an der
Vertretungsmacht begründen.
Da der Vertreter eine eigene Willenserklärung abgibt, kann er nach § 166 I anfechten, da es
lediglich auf seine Kenntnis ankommt. Nach § 166 II gibt es jedoch eine Ausnahme. Kannte
der Vollmachtgeber selbst die Umstände, so kann er nicht einen unwissenden Vertreter
vorschicken, d.h. dann er kann er sich auf dessen Unkenntnis nicht berufen.
Die Gutgläubigkeit nach §§ 929 S.1 , 932 II gilt, wenn der Vertreter aus eigenen Stücken V
auswählt und von ihm einen Kaufgegenstand erwirbt, obwohl V selbst gar nicht Eigentümer
ist, selbst wenn der Vollmachtgeber dies möglicherweise wüsste. § 166 II greift dann ein,
wenn der Vertreter auf Weisung handelt, dass heißt der Vollmachtgeber weiß ganz genau,
dass V nicht Eigentümer ist und schickt den Vertreter dann zielgerichtet zu V.
Eine Selbstkontrahierung, bei der der Vertreter auf beiden Seiten eines Vertrages jeweils
handelt, wird durch § 181 eingeschränkt, allerdings nur in diesen Fällen, in denen der
Vertretene diesem Schutz bedarf. Solche Fälle sind typischerweise gegeben bei Prokuristen,
die in der Lage wären, in ihrem eigenen Interesse zu handeln und mit sich selbst Verträge
abzuschließen, um sich z.B. entgegen dem Interesse des Vertretenen ein besonders hohes
Gehalt zu genehmigen. Ein solches Insichgeschäft ist unwirksam. Ausgenommen sind allein
Fälle, in denen der Vertretene diesem Schutz nicht bedarf.
Bsp.: Die Eltern wollen dem 2-jährigen K ein Fahrrad schenken.
Ausnahmen sind auch dann gegeben, wenn das Vertretergeschäft nur durch ein Insichgeschäft abgeschlossen werden kann:
Veräußerer und Erwerber eines Grundstücks bevollmächtigen bewusst dieselbe Person, die
notwendigen Auflassungserklärungen abzugeben bzw. entgegenzunehmen.
Oder es besteht ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit. Die zu erfüllende
Verbindlichkeit muss allerdings schon rechtswirksam bestehen und nicht erst durch Erfüllung
wirksam und damit bindend werden.
Ein Vertreter kann im Namen des Vertretenen im Rahmen einer Vertretungsmacht
(Vollmacht) eine eigene Willenserklärung abgeben (kein Bote).
Zum Schutz des Geschäftsgegners muss der fremde Wille nach § 164 I S.2 ausdrücklich erkennbar werden. Sonst handelt der Vertreter nach § 164 II wie ein Vertreter
ohne Vertretungsmacht.
Ausnahme: Geschäfte, für den, den es angeht.
Man unterscheidet eine Innen- und Außenvollmacht.
Eine Innenvollmacht kann durch Kundgebung (§ 171) oder Aushändigung einer
Vollmachtsurkunde (§ 172) nach außen deutlich werden.
Die Beendigung einer so erfolgten Innenvollmacht muss dann ebenso durch Kundgebung (§ 171 II) oder Rückgabe der Vollmachtsurkunde (§ 172 II) oder öffentliche
Kraftloserklärung der Urkunde (§ 176) bekanntgegeben werden.
Nach § 174 können einseitige Rechtsgeschäfte nur durch Vorweisen einer Urkunde
getätigt werden.
Die Innenvollmacht ist teilabstrakt. Sie endet mit dem Ende des zu Grunde liegenden
Rechtsgeschäfts. Wird das Rechtsgeschäft mit der Erteilung der Vollmacht gleichzeitig
unwirksam, so wird die Vollmacht allerdings wirksam, bis sie nach § 168 widerrufen
wird.
Endet ein Rechtsgeschäft in Form eines Auftrags vorzeitig (z.B. durch Tod des Auftraggebers), so bleibt dieser nach § 674 fiktiv bestehen, bis der Vertretene davon Kenntnis
erlangt (analog: Gesellschaft). Damit bleibt auch die Vollmacht fiktiv bestehen.
Weiß der Dritte von dem Ende des zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfts oder allgemein
von einer Unwirksamkeit der Vollmacht, so verdient er keinen Schutz.
Verdient der Dritte einen Schutz, so haftet der Vertreter, wenn er keine Vollmacht besitzt
(z.B. durch Widerruf oder spätere Anfechtung) oder er den Umfang der Vertretungsmacht
überschreitet, dem Dritten nach § 179 I für den Erfüllungsschaden. Weiß der Vertreter
nicht um den Verlust der Vertretungsmacht, so haftet er nach § 179 II lediglich für den
Vertrauensschaden. Ansonsten haftet er nach § 179 III gar nicht.
Für in Frage kommende Anfechtungsgründe, kommt nach § 166 I der Willen und die
Kenntnis des Vertreters in Betracht, es sei denn, der Vertreter handelt auf Weisung des
Vertretenen (§ 166 II).
Ein Insichgeschäft ist nach § 181 unwirkam, es sei denn, es besteht lediglich in der
Erfüllung einer bereits bestehenden Verbindlichkeit oder ein bestimmtes Schutzbedürfnis
des Vertretenen ist nicht ersichtlich.
2.5 Die Anfechtung (§§ 119)
Die Fälle, in denen eine fehlerhafte Erklärung abgegeben wurde, weil der gewählte
Erklärungsinhalt objektiv eine andere Bedeutung hatte, als subjektiv angenommen
(Inhaltsirrtum), oder zwar die Kenntnis über die verwendeten Ausdrücke vorhanden war,
aber Fehler bei der Benutzung gemacht wurden (Erklärungsirrtum) oder bei der
Übermittlung Fehler auftraten (Übermittlungsirrtum), berechtigen zur Anfechtung, wenn
der Erklärende dies so nicht so gewollt hatte. War ihm die Diskrepanz zwischen Erklärtem
und Gewolltem bewusst, dann gelten die §§ 116-118, 122. Nur dann, wenn die
Willenserklärung zunächst versehentlich fehlerhaft war, dass heißt dies unbewusst erfolgte,
aber bei Kenntnis aller Zusammenhänge in dieser Form und in Ansehung aller Umstände und
ihrer verständigen Würdigung so nicht abgegeben worden wäre, dann gilt entsprechend § 119.
Motivirrtümer, also Willensmängel im Beweggrund, die nachträglich dem Erklärenden
bewusst werden, berechtigen nicht zur Anfechtung. Aus welchen Motiven jemand handelt, ist
so gut wie nie nachträglich festzustellen. Ausnahmen sind in § 119 II umschrieben, wo es um
verkehrswesentliche Eigenschaften eines Vertragsgegenstandes geht. Verkehrswesentliche
Eigenschaften eines Gegenstandes sind nicht die Dinge an sich, sondern deren
wertkonstituierenden, die Sache selbst kennzeichnenden, Eigenschaften, wie z.B. die
Echtheit eines Gemäldes oder die Herkunft seines Schöpfers, allerdings nicht dessen Wert
bzw. dessen Preis. In allen Fällen muss eine Erheblichkeit vorhanden sein.
Bsp.: V schreibt 1999,- € anstatt 1999,90 €. In diesem Fall ist der Fehler unerheblich.
Die Anfechtung berechtigt nicht zu einem Anspruch, sondern ist lediglich ein
Gestaltungsrecht, mit dem ein bestehendes Rechtsgeschäft nachträglich als nichtig erklärt
werden kann (§ 142 I). Sie ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 143). Noch
einmal im Einzelnen:
Inhaltsirrtum: V kauft 25 Gros Rollen Toilettenpapier. Er meint fälschlich, Gros bedeutet
eine besonders große Verpackungsform. In der Tat handelt es sich bei Gros jedoch um 144
Stück.
Erklärungsirrtum: V vertippt sich und schreibt 24 Rollen anstatt 25 Rollen Toilettenpapier.
Übermittlungsirrtum: V übermittelt telegrafisch seine Bestellung. Der Telegrafist begeht
versehentlich einen Fehler und übermittelt 23 Rollen anstatt 25 Rollen. Oder: V bedient sich
eines lebendigen Boten, der versehentlich das Falsche übermittelt. Pseudoboten, die bewusst
das Falsche übermitteln, handeln hingegen wie Vertreter ohne Vertretungsmacht.
Verkehrswesentliche Eigenschaften sind alle solche tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnisse, die infolge ihrer Beschaffenheit und Dauer auf die Brauchbarkeit und den Wert
(des Kaufgegenstandes) von Einfluss sind. Diese Beziehungen des Kaufgegenstandes zur
Umwelt sind aber nur dann rechtserheblich, wenn sie in der Sache selbst ihren Grund haben,
von ihr ausgehen und den Kaufgegenstand kennzeichnen oder näher beschreiben. Bsp.:
Alter, der Aggregatzustand, die Größe, die Herkunft, der Gebrauchszustand einer Sache.
Nicht: Wert selber, Preis, aber auch nicht Eigentum (da es nicht die Sache selbst
kennzeichnet, sondern nur deren Beziehung zu einer Person)
Bei Personen sind verkehrswesentliche Eigenschaften „natürliche Persönlichkeitsmerkmale
als auch solche tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die infolge ihrer Beschaffenheit
und vorausgesetzten Dauer nach den Anschauungen des Verkehrs Einfluss auf die
Wertschätzung der Person in allen oder doch in gewissen Rechtsverhältnissen auszuüben
pflegen“. Diese müssen vom Erklärenden erkennbar aber nicht unbedingt ausdrücklich
vertraglich zu Grunde gelegt worden sein. Dazu zählen:
-
der Gesundheitszustand (insbesondere bei Dienstverträgen)
die berufsrechtliche Qualifikation (Bsp. Eintragung in die Handwerksrolle)
die Vertrauenswürdigkeit bei Vertragstypen mit engen persönlichen Beziehungen.
(Bsp. Sind Dauerschuldverhältnisse wie Dienst- oder Arbeitsverträge, die ein
besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzen wie z.B. Geheimhaltungspflichten)
die Zahlungs- und Kreditwürdigkeit jedenfalls bei Kreditgeschäften
Bei Sachen sind es nach den obigen Kriterien:
-
die Bebaubarkeit oder gewerbliche Nutzungsmöglichkeit eines Grundstücks
die Echtheit eines Kunstwerkes
das Alter eines gebrauchten Kraftfahrzeuges
nicht jedoch das Eigentum, weil es keinen Einfluss auf die Brauchbarkeit und den Wert der
Sache hat sowie natürlich auch nicht der Wert selber, wohl aber die den Wert bildenden
Faktoren.
Wichtig ist hier die Betonung auf verkehrswesentlich. Dies sind immer solche, auf die im
Verkehr bei Geschäften solcher Art deutlich Wert gelegt wird und eine typische Eigenart
darstellt.
Abweichend davon berechtigt § 123 I allerdings auch zur Anfechtung bei solchen Motivirrtümern, die arglistig durch Täuschung im Erklärenden erzeugt wurden.
Täuschung ist die bewusste Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums.
Neben der Täuschung muss allerdings auch Arglist im Spiel sein, und damit ein Irrtum
erzeugt worden sein. Dies ist nicht der Fall, wenn der Täuschende von der Richtigkeit seiner
Behauptungen in der Tiefe seines Herzens überzeugt war. Allerdings nur unter der
Voraussetzung, dass er es auch wirklich wusste und nicht einfach ins Blaue hinein etwas
behauptete.
Arglistig ist eine Täuschung, wenn damit die Herbeiführung der Willenserklärung bezweckt
wird.
Arglist ist dann ausgeschlossen, wenn lediglich eine Bekräftigung erfolgt und eine alte
Willenserklärung aufrechterhalten wird, d.h. die Abgabe der Willenerklärung des Erklärenden
nicht kausal herbeigeführt worden ist. Eine Täuschung liegt aber auch dann vor, wenn die
Handlung in einem Unterlassen besteht, um den Anderen, der sich in einem Irrtum befindet,
aufzuklären, insbesondere dann, wenn eine Rechtspflicht zur Aufklärung besteht. Ob dies
der Fall ist, ist oft schwer festzustellen. Eine Aufklärungspflicht ist immer nur aus besonderen
Gründen anhand der Umstände des Einzelfalles zu bejahen. Sie ist dann gegeben, wenn das
Verschweigen von Tatsachen gegen den Grundsatz von Treu & Glauben verstoßen würde und
der Erklärungsgegner die Mitteilung der verschwiegenen Tatsache nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte. Arglistig ist nicht nur der, der Tatsachen unrichtig darstellt, sondern
auch der, der versichert, eine Kenntnis von Vorgängen oder Umständen zu haben, diese
Kenntnis aber in Wirklichkeit nicht hat.
§ 123 II S. 1 soll hingegen auch den Erklärungsempfänger schützen, wenn ein Dritter die
Täuschung verübt hat. Erzeugt ein Dritter die Täuschung und bezweckt die
Willenserklärung eines Erklärenden, so kann dieser nur anfechten, wenn der
Erklärungsempfänger dies kannte oder kennen musste (aus Fahrlässigkeit). Denn dann
verdient der Erklärungsempfänger keinen Schutz. Ansonsten sind ja beide unwissend.
Wichtig ist die Bedeutung eines Dritten. Denn ein Dritter ist keiner, der zu dem Erklärenden
oder Erklärungsempfänger irgendwie zugehörig ist wie z.B. ein Verrichtungsgehilfe (§ 831)
oder ein Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278. § 123 II S. 1 ist in Ergänzung zu § 123 I zu
prüfen. Ist nach § 123 II S. 1 eine Anfechtung ausgeschlossen, dann kann § 123 I nicht mehr
als Anfechtungsgrundlage herangezogen werden. § 123 II S. 2 bezieht sich auf Fälle, in denen
ein Dritter ein Recht erwirbt. In dessen Interesse liegt es dann auch, nur dann das Recht
entzogen zu werden, wenn er von der Entziehungsmöglichkeit (Anfechtbarkeit) wusste oder
hätte wissen müssen.
§ 123 I erlaubt auch eine Anfechtung bei Drohung.
Drohung ist die Ankündigung eines Übels, dessen Verwirklichung vom Willen des Drohenden
abhängen soll.
Keine Drohung ist die Warnung. Die Warnung bezieht sich nur auf ein Übel, das ohnehin
eintreten kann, also unabhängig vom Willen des Warnenden ist. Eine Drohung ist
widerrechtlich. Von einer Widerrechtlichkeit ist auszugehen, wenn das Mittel, der Zweck
oder die Zweck-Mittel-Beziehung widerrechtlich ist. Im Gegensatz zum Strafrecht reicht
einer der drei Fälle. Im Strafrecht ist nur die Zweck-Mittel-Beziehung zu beachten
unabhängig davon, ob das Mittel oder der Zweck für sich genommen widerrechtlich sind.
Das Mittel ist widerrechtlich, wenn es in der Androhung eines rechtswidrigen Verhaltens
liegt (Prügel, Körperverletzung).
Der Zweck ist widerrechtlich, wenn er von der Rechtsordnung missbilligt wird. In diesem Fall
besteht ein Rechtsverbot, was das Rechtsgeschäft hingegen schon nach §§ 134, 138 nichtig
werden lässt.
Die Zweck-Mittel-Relation ist widerrechtlich, wenn zwar der Zweck für sich genommen in
Ordnung ist, wenn weiter gegen das Mittel für sich ebenfalls nichts zu sagen ist, wenn aber
zuletzt die beiden Elemente Zweck und Mittel zueinander unverhältnismäßig sind. Der BGH
formuliert das so: „Auch wenn Mittel und Zweck für sich allein betrachtet nicht rechtswidrig
sind, kann doch ihre Verbindung gegen das Recht verstoßen. Das liegt vor, wenn die
Benutzung dieses Mittels zu diesem Zweck gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht
Denkenden verstößt.“
Wichtig ist aber auch die eigene Kenntnis der Widerrechtlichkeit beim Drohenden. Geht der
Drohende unverschuldet von einem Sachverhalt aus, der sein Verhalten als zulässig
erscheinen lassen würde, dann verdient er einen Schutz. Eine Anfechtung ist dann nicht
möglich. Anders, wenn er die Tatsachen richtig sieht, daraus aber nur die falschen rechtlichen
Schlüsse gezogen hat. So denkt der BGH. Abweichend davon rät Braunschneider in diesen
Fällen eines Irrtums des Drohenden jedoch, dies grundsätzlich als unbedeutend anzusehen.
Eine widerrechtliche Drohung berechtigt demnach immer zur Anfechtung.
Ob eine durch eine Drohung hervorgerufene psychologische Zwangslage vorliegt oder nicht,
ist subjektiv aus der Sicht des Bedrohten zu beurteilen. Deshalb kann auch eine nicht
ernstlich gemeinte Drohung zur Anfechtung berechtigen, wenn der Erklärende sie als
ernstlich auffassen durfte.
Gilt § 119 und § 120, so ist nach § 121 unverzüglich anzufechten, wenn die Kenntnis vom
Anfechtungsgrund erlangt wurde und zwar ohne schuldhaftes Zögern. Es zählt die Kenntnis,
nicht das Erkennen-müssen (Fahrlässigkeit). Liegt z.B. eine Woche zwischen der Kenntnis
und der Anfechtung, dann ist das bereits zu spät. Allerdings können nach § 121 II durchaus 10
Jahre vergehen, bis die Kenntnis erlangt werden könnte. Danach ist aber grundsätzlich eine
Anfechtung ausgeschlossen. Nach § 124, der sich allein auf den Anfechtungsgrund nach §
123 bezieht, kann eine Anfechtung nur innerhalb eines Jahres erfolgen. Hier verdient der
Erklärungsempfänger nicht den gleichen Schutz wie nach §§ 119, 120 (Anfechtungserklärung
ohne schuldhaftes Zögern). Wird allerdings das anfechtbare Rechtsgeschäft bestätigt z.B.
durch Bewirkung der Schuld, dann wird dieses dadurch konkludent bestätigt. Dann ist nach
§ 144 I eine Anfechtung nicht mehr möglich.
Die Anfechtung soll dazu dienen, die freie Selbstbestimmung des Einzelnen zu unterstützen.
Die Anfechtung ist nicht dazu da, eine Art Rücktritt durch die Hintertür zu ermöglichen.
Will der Erklärungsempfänger die gewollte Erklärung statt der geäußerten gelten lassen, sollte
nach Treu & Glauben (§ 242) eine Anfechtung verwehrt sein. Gemeint ist folgender Fall:
V bietet K ein Auto zum Kauf von 1500 ,- an und schreibt versehentlich 1400 ,-. V will
anfechten. K ist allerdings auch bereit dazu, die 1500,- zu zahlen.
Eine Sachmängelhaftung beim Kauf gemäß §§ 434 schließt als „leges speciales“ die
Anfechtung nach § 119 II aus. Dies dient in Hinblick auf die kurzen Verjährungsvorschriften
des § 438 I Nr.3 der Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbesondere, da die Gewährleistungsvorschriften als spezielle Normen zu bewerten sind.
Eine Anfechtung ist nach § 143 I eine empfangsbedürftige Willenserklärung, bei mehreren
Vertragspartnern muss nach § 143 II allen gegenüber die Anfechtung erklärt werden.
Nach § 142 I ist eine angefochtene Willenserklärung als nichtig anzusehen (ex tunc). Damit
geht auch der im Rahmen dieser Willenserklärung geschlossene Vertrag unter. Hier ist aber
nur die Willenserklärung des Anfechtenden nichtig, während sich Nichtigkeitsgründe wie §
134, § 138 oder § 125 auf das gesamte Rechtsgeschäft beziehen. § 142 II bezieht sich auf die
Kenntnis der Anfechtbarkeit eines Dritten. Weiß jemand um die Anfechtbarkeit, zum Beispiel
V, der einen bestimmten Kaufgegenstand von K erwirbt, der diesen wiederum aus einem
anfechtbaren Rechtsgeschäft von G gekauft hat und damit vorübergehend der Eigentümer ist,
so ist V damit nicht gutgläubig. Wird das Rechtsgeschäft später von G angefochten, dann
bleibt V kein rechtmäßiger Eigentümer.
Eine Anfechtung nach §§ 119, 120 berechtigt den Erklärungsempfänger, der auf die
Richtigkeit vertraut hat, nach § 122 zur Erstattung des Vertrauensschadens
(Schadensersatz), wenn er keine Kenntnis von der Anfechtbarkeit hatte. (Allerdings begrenzt
durch das positive Interesse). Bei Gültigkeit von § 123 besteht kein Anspruch auf
Schadensersatz. Im Gegenteil: Der Täuschende oder Drohende ist seinerseits zum
Schadensersatz verpflichtet (siehe Strafrecht).
Irrtümer bei der Verwendung von Ausdrücken (Inhaltsirrtum) oder versehentliche Fehler
bei der Benutzung von Ausdrücken (Erklärungsirrtum) nach § 119 I oder Fehler bei der
Übermittlung (durch Boten, Post, etc.) nach § 120 berechtigen zur Anfechtung einer
Willenserklärung, wenn sie bei einer verständigen Würdigung aller Umstände so nicht
abgegeben worden wäre.
Ein unerheblicher Fehler kommt nicht in Betracht. Will der Geschäftsgegner die falsche
Willenserklärung so gelten lassen, wenn sie für ihn nachteilig ist, so ist eine Anfechtung
ebenso ausgeschlossen.
Irrtümer über verkehrswesentliche Eigenschaften von Personen (Qualifikation, Alter, etc.)
oder Sachen (Alter, Gebrauchszustand, etc.) berechtigen nach § 119 II zur Anfechtung,
wenn sie wertkonstituierende Eigenschaften darstellen, d.h. nicht der Wert selber sind
(Preis, etc.). Die Sachmängelhaftung nach §§ 434 als besondere Regelung genießt jedoch
Vorrang. Dann ist eine Anfechtung nicht möglich.
Die Anfechtung muss nach § 121 unverzüglich nach Kenntniserlangung erfolgen, wobei
eine Frist von 10 Jahren bis zur Erlangung der Kenntnis vergehen darf und ist
empfangsbedürftig (§ 143). Nach § 122 ist ein Vertrauensschaden dem Erklärungsempfänger zu ersetzen (begrenzt durch den Erfüllungsschaden).
Wird durch eine arglistige Täuschung oder eine widerrechtliche Drohung eine Willenserklärung erzeugt, so kann nach § 123 I angefochten werden.
Arglist ist zu bejahen, wenn bewußt durch Vortäuschung, Falschdarstellung oder Verschweigen von Tatsachen eine Willenserklärung herbeigeführt wird.
Verübt ein Dritter die Täuschung (also kein Gehilfe im Sinne von § 278 oder § 831),
so kann nach § 123 II S.1 nur angefochten werden, wenn der Erklärungsgegner die
Täuschung kannte oder kennen musste.
Eine Drohung ist widerrechtlich, wenn das Mittel, der Zweck oder die Mittel-ZweckRelation widerrechtlich ist. Eine Drohung ist nur dann gegeben, wenn der Drohende
aktiven Einfluss ausüben kann (nicht nur lediglich Warnung).
Eine Anfechtung nach § 123 kann nach § 124 nur innerhalb Jahresfrist erfolgen.
Wird das Rechtsgeschäft bestätigt (z.B. durch Erfüllung), so ist nach § 144 eine Anfechtung nicht mehr möglich.
Eine Anfechtung führt zur Vernichtung der Willenserklärung von Anfang an (ex tunc).
Jemand, der nach § 142 II die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, ist nicht
gutgläubig.
2.6 Verstoß gegen eine gesetzliche Regelung (§ 125, § 134, § 138)
2.6.1 Verstoß gegen die Form (§ 125)
Wird gegen die gesetzlich vorgeschriebene Form oder eine gewillkürte Form verstoßen, so
ist das Rechtsgeschäft nach § 125 nichtig. Besondere Fälle sieht das Gesetz vor, bei denen
durch tatsächliche Ausführung das Rechtsgeschäft wirksam wird, z.B. kann bei erfolgter
Auflassung und Eintragung in das Grundbruch nach § 311b I der Formmangel nachträglich
geheilt werden. Gleiches gilt für die Schenkung (§ 518 II) und die Bürgschaft (§ 766). Auch
bei Bewirkung, d.h. bei Erbringen der Schuld durch den Schuldner, kann der nichtige Vertrag
geheilt werden. Ein Sonderfall ist der Miet- (§ 550) und der Pachtvertrag (§ 585a). Ein Mietoder Pachtvertrag, der ohne die notwendige Form geschlossen wird, gilt als auf unbestimmte
Zeit geschlossen und kann frühestens zum Schluss des ersten Jahres gekündigt werden.
Wird ein Vorvertrag geschlossen, der lediglich ein Recht auf Abfassung eines
Hauptvertrages verbrieft und soll dieser mit einer bestimmten Form abgeschlossen werden, so
muss der Vorvertrag dieselbe Form besitzen, sonst ist der Hauptvertrag ungültig. Sinn und
Zweck ist hier die Beweis- und Warnfunktion.
2.6.2 Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134)
Natürlich haben die Vertragsparteien vollkommene Autonomie in ihren Rechtsgeschäften. In
solchen Fällen, in denen jedoch der Inhalt des Vertrages gegen den vom Gesetz
vorgeschriebenen allgemeinen moralischen oder ethischen Grundgedanken verstößt, greift §
134 ein, jedoch nur in solchen Fällen, in denen ein gesetzliches Verbot vorhanden ist. Dabei
gilt die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nur dann, „wenn sich aus dem Gesetz nicht ein
anderes ergibt“. Dies erhebt § 134 somit in den Rang einer reinen Auslegungsregel. Auch
muss sich das Verbot gegen alle beteiligten Geschäftspartner richten. Betrifft dies lediglich
einen Geschäftspartner, so ist das Geschäft grundsätzlich nicht wegen Gesetzesverstoßes
nichtig. Gesetzliche Verbote sind unter anderem im Strafrecht zu finden, im
Wettbewerbsrecht (z.B. Ladenschluss) oder Gesellschaftsrecht oder auch Arbeitsrecht (z.B.
zur Bekämpfung der Schwarzarbeit).
2.6.3 Verstoß gegen die Sittlichkeit; Sittenwidrige Geschäfte (§ 138)
Um dem moralischen oder ethischen Grundgedanken des Zivilrechts Genüge zu tun, reicht es
nicht aus, lediglich gesetzliche Verbote zu berücksichtigen, da viele Umstände von den
Paragraphen-Machern nicht unbedingt vorausgesehen werden konnten oder wegen ihrer
großen Vielfalt eine Festlegung im Gesetz als zu ungeeignet befunden wurde. Insbesondere da
der hehre Gedanke des „allgemeinen Sittlichkeitsempfindens der billig und gerecht
Denkenden“ einem gewissen Wandel über die Zeit unterliegt, war es den ParagraphenMachern lieber, durch eine Generalklausel, deren Bedeutung in Einzelfällen gerichtlich und
wenn nötig auch wieder neu und aktuell definiert werden kann, dem Missbrauch des
Rechtsgedankens zu begegnen. Das Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden
erklärt sich aus den Anschauungen der in Betracht kommenden beteiligten Kreise, wie z.B.
der ehrbaren Kaufmannschaft, wobei das Durchschnittsmaß von Redlichkeit und Anstand zu
Grunde zu legen ist. Etwaige Missbräuche, die sich in bestimmten Kreisen gebildet haben,
sind nicht zu beachten. Ein Vertrag ist dabei nach seinem aus der Zusammenfassung von
Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter zu beurteilen, wobei eine
umfassende Gesamtwürdigung erfolgen soll, unter Berücksichtigung der objektiven
Verhältnisse, unter denen er zu Stande gekommen ist, seiner Auswirkungen sowie der
subjektiven Merkmale, wie dem verfolgten Zweck und dem zugrunde liegenden
Beweggrund.
Die Beteiligten müssen nicht das Bewusstsein gehabt haben, sittenwidrig oder verwerflich
gehandelt zu haben. Allein der objektive Gehalt ist ausschlaggebend. Um die Anwendung des
§ 138 in der Praxis zu erleichtern, hat die Rechtsprechung bestimmte Hauptfallgruppen
eröffnet, nach denen ein bestimmter Vertrag gegen die guten Sitten verstößt.
-
-
Ein Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 I ist anzunehmen, wenn ein
Rechtsgeschäft eine so weitgehende Beschränkung der Freiheit des Betroffenen
bewirkt, dass dieser seine Selbstständigkeit verliert. Ein Beispiel ist ein so genannter
Knebelungsvertrag, der eine Vertragspartei wirtschaftlich zu sehr einengt. Im Falle
von Bierlieferungs- oder Bierbezugsverträgen, die oftmals kleinere Wirte eingehen,
um im Gegenzug mit dem angebotenen Darlehen ihre Wirtschaft zu betreiben, ist
geregelt worden, dass eine Grenze dieses Dauerschuldverhältnisses von etwa 20
Jahren zu ziehen ist. Verträge, die Bindungen von mehr Jahren vorsehen, müssen
durch besondere Umstände gerechtfertigt sein. Im Fall von Kreditgeschäften ist
insbesondere im Rahmen einer Sicherungsabtretung bzw. -übereignung eine
Übersicherung zu missbilligen, durch die die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des
Schuldners gelähmt wird und durch die er in eine sittlich zu missbilligende
Abhängigkeit gerät.
Ein Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 II ist insbesondere dann gegeben, wenn
der Tatbestand eines Wuchers erfüllt ist. Der Tatbestand des Wuchers ist erfüllt, wenn:
1. ein Rechtsgeschäft vorliegt, durch das sich jemand sich oder einem Dritten für eine
Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt.
2. ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, wobei
mit dem objektiven verkehrsüblichen Äquivalent zu vergleichen ist
3. derjenige, der die Gegenleistung empfängt, unerfahren ist, an Willenschwäche oder
einem Mangel an Urteilsvermögen leidet oder sich in einer Zwangslage befindet,
wobei eine Zwangslage nicht unbedingt wirtschaftlich, sondern auch rein psychisch
sein kann.
4. und der Wucherer die Situation des Bewucherten, seine Zwangslage, Unerfahrenheit,
etc. ausbeutet. Eine Ausbeutung setzt allerdings ein bewusstes Handeln voraus.
Beispiele dafür in der Praxis sind hochverzinsliche Raten- bzw. Teilzahlungskredite.
Meist fehlt es dabei aber entweder an der erforderlichen Schwächesituation auf
Seiten des Bewucherten (Zwangslage, Unerfahrenheit, etc.) oder an einer Ausbeutung
derselben. Meist werden solche Verträge daher eher nach § 138 I behandelt. Danach
ist ein Darlehensvertrag nichtig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein
auffälliges Missverhältnis besteht und der Darlehensgeber die wirtschaftlich
schwächere Lage seines Vertragspartners bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt. Dabei
sei es dahingestellt, ob ihm dies wirklich bewusst ist oder er sich „dieser Erkenntnis
leichtfertig verschließt“. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn der vereinbarte
Zins den Marktzins relativ um 90-100% oder absolut um 12% übersteigt. Wird dann
die Nichtigkeit nach § 138 bejaht, so darf der Kreditgeber überhaupt keine Zinsen
mehr fordern, die Darlehenssumme ist aber wie abgesprochen in der vertraglich
vereinbarten Zeitfolge zurückzuzahlen.
2.6.4 Teilnichtigkeit (§ 139)
Die auf einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten oder die auf einer
Anfechtung beruhende Nichtigkeit kann zuweilen nur Teile eines Rechtsgeschäfts betreffen.
Dann entsteht die Frage, ob das ganze Rechtsgeschäft oder nur der gegen eine gesetzliches
Verbot oder die guten Sitten verstoßene Teil bzw. angefochtene Teil nichtig, der Rest des
Rechtsgeschäfts aber wirksam ist.
Nach § 139 spricht eine Vermutung für die Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts, allerdings
nur, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein
würde. Dies bestimmt sich danach, ob ein Rechtsgeschäft teilbar ist. Dies ist anzunehmen,
bei:
-
einer objektiven Teilbarkeit; es sind mehrere Hauptleistungen vorhanden
quantitativen Teilbarkeit; bei Dauerschuldverhältnissen kann nach Zeitabschnitten
unterteilt werden
subjektiven Teilbarkeit; auf einer Seite sind mehrere Personen beteiligt.
§ 139 betrachtet den Bestand des Restes nach dem hypothetischen Parteiwillen. Es muss –
bezogen auf den Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses – ein auf die Geltung des
Rechtsgeschäfts gerichteter Parteiwille zu bejahen sein. Ob dieser Wille vorhanden war, ist
durch Auslegung zu ermitteln.
Bsp.: Bei einem Pachtvertrag verstößt der Pachtzins gegen die guten Sitten (§ 138). Da die
Vereinbarung über den Pachtzins einer der Hauptpunkte ist und ohne diesen ein
Pachtvertrag rechtlich nicht möglich ist, ist das Rechtsgeschäft nicht teilbar. Daher ist nach §
139 der gesamte Vertrag aufgrund der mangelnden Teilbarkeit nichtig.
2.7 Einrede der Verjährung (§§ 194)
Relative Rechte, d.h. Ansprüche, unterliegen der Verjährung. Absolute Rechte wie z.B.
Eigentumsrechte verjähren hingegen nicht. Auch ein Vertrag als Ganzes wie z.B. ein
Kaufvertrag verjährt nicht, wohl aber die damit einhergehenden Ansprüche.
Die maximale Verjährungsfrist nach BGB ist 30 Jahre und kann nach § 202 darüber hinaus
nicht erschwert werden. Die regelmäßige Verjährungsfrist dauert nach § 195 drei Jahre. Es
bestehen aber berechtigte Interessen, die Dauer der Verjährungsfrist zu Ungunsten des
Gläubigers zu verringern. Nach § 309 Nr. 8 b) ff) kann die Verjährungsfrist durch AGB nicht
unter ein Jahr verringert werden (aber beachte Individualabreden). Für Verbrauchsgüterkäufe kann die Verjährungsfrist nach § 475 II nicht unter 2 Jahren bei neuen Sachen bzw. 1
Jahr bei gebrauchten Sachen verkürzt werden, selbst nicht durch Individualabreden (da
zwingendes Recht). Die Verjährungsfrist beginnt beim Kauf mit der Übergabe oder
Ablieferung der Sache (§ 438 II), beim Werkvertrag mit der Abnahme (§ 634a II).
Die typische Verjährungsfrist bei Werkverträgen (§ 634a) dauert bei Bauwerken und bei
einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen
hierfür besteht, 5 Jahre, bei Werken, die in einer Herstellung, Wartung oder Veränderung
einer Sache oder bei Werken, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder
Überwachungsleistungen hierfür bestehen, in 2 Jahren.
Bei Kaufverträgen (§ 438) ist die Regelverjährungszeit (für Mängelansprüche) 2 Jahre. Bei
Kauf von Bauwerken oder von Sachen mit Verwendung in Bauwerken sind es 5 Jahre. 30
Jahre bei Mängelansprüchen, die auf einem dinglichen Recht eines Dritten beruhen, die
Herausgabe der Kaufsache zu verlangen oder aufgrund sonstiger Rechte, welche im
Grundbuch eingetragen sind.
Die Verjährungsfrist ist 10 Jahre (§ 196) bei Übertragung des Eigentums an Grundstücken
und auf die Begründung von Rechten an einem Grundstück (z.B. Grundschulden).
In 30 Jahren verjähren nach § 197 Ansprüche aus Familien- und Erbrecht,
Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten, rechtskräftig
festgestellte Ansprüche (z.B. durch Urteil), vollstreckbare Ansprüche aus Insolvenzverfahren.
In 30 Jahren verjähren nach § 199 II Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des
Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen (also nicht komplett identisch
zu einer unerlaubten Handlung nach § 823) unabhängig von dem Zeitpunkt der
Kenntniserlangung von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem
sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an. Sonstige Schadensersatzansprüche
verjähren nach § 199 III in 10 Jahren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige
Unkenntnis von ihrer Entstehung an, ohne Rücksicht auf ihre Entstehung in 30 Jahren ab
Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden
Ereignis (Greift also nur ein, wenn der Schaden mehr als 10 Jahre nach dem auslösenden
Ereignis eintritt). Maßgeblich ist dabei bei Letztgenannten die früher endende Frist.
Die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren beginnt nach § 199 I mit dem Schluss des
Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch
begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe
Fahrlässigkeit erlangen musste.
Die Einrede der Verjährung muss ausgesprochen werden (§§ 194 I, 214 I). Sie wird nicht
wie bei Ablauffristen wie der Anfechtung, Kündigung oder den Rücktrittsfristen von Rechts
wegen geprüft. Wird die Einrede der Verjährung nicht gemacht oder erfolgt eine Bestätigung
durch Durchführung des Rechtsgeschäfts, so kann sie nachträglich nicht geltend gemacht
werden. Der Schuldner kann keine Leistung mehr zurückfordern (§ 214 II).
Wird das der Verjährung unterliegende Rechtsgeschäft vom Schuldner anerkannt z.B.
durch Zinszahlung, Abschlagszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise, so beginnt
nach § 212 I die Verjährungsfrist neu. Das gleiche gilt bei vorgenommener oder beantragter
gerichtlicher oder behördlicher Vollstreckungshandlung.
Es gibt eine Reihe von Gründen für eine vorübergehende Hemmung, nach der die übliche
Verjährungsfrist weiterläuft. Relevante Beispiele sind nach § 204 I Nr.3 die Zustellung eines
Mahnbescheides, nach § 204 I Nr. 1 die Klageerhebung, nach § 204 I Nr. 10 die
Anmeldung eines Anspruchs im Insolvenzverfahren, vorübergehende Leistungsverweigerungsrechte (§ 205), oder z.B. wenn die Leistung durch höhere Gewalt verhindert
wurde (§ 206). Bei § 204 endet die Hemmung nach § 204 II nach sechs Monaten, wobei die
Hemmung erneut beginnt, wenn eine Partei das Verfahren weiter betreibt (z.B. neue
Mahnungserteilung). Bei § 205, solange die Leistung verweigert werden kann, und bei § 206,
solange der Gläubiger in den letzten sechs Monaten der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt
an der Rechtsverfolgung gehindert war.
Hemmung tritt ein bei Verhandlungen zwischen Gläubiger und Schuldner (§ 203) bis zur
Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen bzw. bis man nach Treu & Glauben von
einem absichtlichen Verschleppen oder Einschlafen der Verhandlung ausgehen kann. Die
Verjährung kann in diesem Fall frühestens 3 Monate nach dem Ende der Hemmung eintreten
(§ 203 S.2).
Weitere Gründe siehe in § 204 (weitere Punkte), § 207, § 208 angegeben.
3 Schuldrecht AT
3.1 Erfüllung eines Rechtsgeschäfts
3.1.1 Allgemeines
Man unterscheidet einseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte wie die Schenkung (§ 516),
unvollkommen zweiseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte wie den Leihvertrag (§§ 598)
oder den Auftrag (§§ 662) und schließlich gegenseitige Schuldverhältnisse, die direkt für
den einen und den anderen Teil bestimmte Pflichten begründen wie den Kaufvertrag (§§ 433).
Für gegenseitig verpflichtende Verträge gibt es in den §§ 320-326 bestimmte Sonderregeln.
Dort stehen die Hauptpflichten in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Auch Nebenpflichten
können vertraglich zu Hauptpflichten erhoben werden.
Bsp.: In einem Mietvertrag sind die Gebrauchsüberlassung der Mietsache und die
Entrichtung des Mietzinses die Hauptpflichten. Die Rückgabe der Mietsache nach
Beendigung des Mietverhältnisses ist lediglich eine Nebenpflicht. Sie kann jedoch kraft
Vertrages zu einer Hauptpflicht erhoben werden.
Neben den Leistungspflichten gibt es eine Reihe von Schutzpflichten (oder Verhaltenspflichten) wie Fürsorge- und Obhutpflichten, die die gegenwärtige Güterlage jedes am
Schuldverhältnis Beteiligten vor Beeinträchtigungen bewahren sollen, ebenso Aufklärungs-,
Beratungs-, Informations- und Auskunftspflichten als auch Unterlassungs- und Verschwiegenheitspflichten. Die Verletzung dieser Schutzpflichten führt üblicherweise zu einer
c.i.c. oder p.V.V., soweit sie vorvertraglich (§ 311 II i.V.m. § 241 II) (c.i.c) oder bei der
Ausführung eines Schuldverhältnis (p.V.V.) (§ 241 II) erfolgt.
Es gibt Schuldverhältnisse, die erschöpfen sich in einem einmaligen Leistungsaustausch wie
der Kaufvertrag (§§ 433). Daneben gibt es Dauerschuldverhältnisse wie die Miete (§§ 535),
die lang andauernde Bindungen begründen, und Mischformen, die zwischen beiden stehen, so
genannte Sukzessivlieferungsverträge, bei denen mehrere Einzelverträge durch eine
Rahmenvereinbarung aneinander gekoppelt sind (wie z.B. Bierlieferungsverträge mit
bestimmten monatlichen Abnahmepflichten). Für Dauerschuldverhältnisse sind manche
Regelungen wie z.B. der Rücktritt (§§ 346) unpassend. Durch den Rücktritt sollen einmal
ausgetauschte Vermögenswerte rückgewährt werden. Dies macht jedoch bei
Dauerschuldverhältnissen keinen Sinn (man denke an die Miete). Daher tritt dort an die Stelle
des Rücktritts die Kündigung, welche lediglich zu einer zukünftigen Beendigung der
vertraglichen Bindung führt.
Typischerweise wird die Leistung bereits vertraglich festgelegt. Es kann aber auch sein, dass
einer Partei das Leistungsbestimmungsrecht zusteht, wobei die Leistung nach §§ 315 I,III
stets nach „billigem Ermessen“ zu bestimmen ist.
Billiges Ermessen erfordert „eine Prüfung und Abwägung der objektiven
wirtschaftlichen Interessenlagen“ bei den Vertragspartnern.
Auch Dritte können nach § 317 I die Leistung nach „billigem Ermessen“ bestimmen.
und
Ist die Gegenleistung unbestimmt, so steht die Bestimmung der Gegenleistung nach § 316 im
Zweifel demjenigen zu, der die Gegenleistung zu fordern hat
Ein Verpflichtungsgeschäft wie z.B. ein Kaufvertrag (§§ 433) begründet ein Schuldverhältnis.
Ein Schuldverhältnis kann auch kraft Gesetzes z.B. durch eine unerlaubte Handlung (§§ 823)
entstehen. Das Erfüllungsgeschäft bringt das Schuldverhältnis nach § 362 zum Erlöschen. Das
Erfüllungsgeschäft führt in aller Regel zu einer Statusänderung (z.B. Eigentumsübergang).
Man spricht von einem absoluten Recht, während ein Verpflichtungsgeschäft lediglich ein
relatives Recht (zwischen den an diesem Schuldverhältnis beteiligten Personen) begründet.
Durch das Abstraktionsprinzip sind das Verpflichtungs- und sein Erfüllungsgeschäft, welches
in der Regel im Rahmen eines Verfügungsgeschäfts realisiert wird (z.B. Übergabe der Sache
und Entrichtung des Kaufpreises (Übergabe von Geld)), voneinander unabhängig. Die
dadurch entstehenden unberechtigten Vermögensverschiebungen (z.B. Erlangung von
Eigentum trotz Fortfall des zu Grunde liegenden Schuldverhältnisses) werden durch das
Bereicherungsrecht (§§ 812) geheilt.
3.1.2 Stück- oder Gattungsschuld (§ 243)
Zunächst sind jedoch ein paar wichtige Grundbegriffe zu klären. Man unterscheidet eine
-
Stückschuld, die etwas Konkretes, Bestimmtes, Individualisiertes bedeutet
Gattungsschuld, deren Gegenstand zwar nach Gattungsmerkmalen (z.B. nach
Material, Maß, Gewicht, Farbe etc.) bestimmt ist, allerdings nicht konkret ist
Bsp.: Wird in einem Kaufvertrag ein bestimmter PKW z.B. aus einer Ausstellung geschuldet,
so handelt es sich um eine Stückschuld. Wird lediglich ein PKW bestimmter Art und Güte (§
243), z.B. nach den Kriterien Baujahr, Kilometerleistung und PS-Zahl geschuldet, ohne einen
bestimmten Gegenstand zu meinen, so handelt es sich um eine Gattungsschuld.
Bei einer Unmöglichkeit einer Leistung nach § 275 ist es von Bedeutung, ob eine Stück- oder
Gattungsschuld vorliegt. Wird eine Gattungsschuld geschuldet und übernimmt der Schuldner
ein Beschaffungsrisiko nach § 276 I S. 1, so schuldet er solange, bis die gesamte Gattung
untergegangen ist, d.h. bei Nichtleisten muss er die Unmöglichkeit vertreten, was einen
Schadensersatzanspruch nach § 280 I begründen kann. Ein solches so genanntes
Unvermögen (im engeren Sinne) liegt vor, wenn der Schuldner nicht leisten kann, Dritte aber
schon.
Eine Gattungsschuld kann jedoch durch eine so genannte Konkretisierung (oder auch
Konzentration) in eine Stückschuld umgewandelt werden. Dies kann z.B. durch eine
Aussonderung der Sache durch den Schuldner passieren oder auch durch den Gläubiger selbst
erfolgen, wenn bei Lieferung einer mangelhaften Sache die Rechte nach §§ 437 geltend
gemacht werden (dabei ist insbesondere Mängelbeseitigung gemeint). Damit macht der
Gläubiger nämlich deutlich, dass er die dargebotene Sache als die geschuldete ansieht.
3.1.3 Leistungs- und Erfüllungsort (§ 269)
Ob eine Gattungsschuld zu einer Stückschuld geworden ist, ergibt sich insbesondere aus der
Art der Darbietung. Man unterscheidet eine Hol-, eine Schick- und eine Bringschuld. Welche
Schuld im Einzelnen vorliegt, bestimmt sich danach, was der Leistungs- und Erfüllungsort ist.
Der Leistungsort ist derjenige Ort, an dem der Schuldner leisten kann. Der Erfüllungsort ist
der Ort, an dem die Erfüllung eintritt.
Bei der Holschuld liegen Leistungs- und Erfüllungsort beim Schuldner. Bei der Bringschuld
liegen beide beim Gläubiger. Ein so genanntes Platzgeschäft liegt vor, wenn beide Parteien
ihren Wohnsitz in derselben Stadt haben und die Wohnsitze nur ca. 10 km auseinander liegen.
Bei der Schickschuld liegen der Leistungsort beim Schuldner und der Erfüllungsort
hingegen beim Gläubiger. Da der Schuldner beim Versand der Sache die tatsächliche
Herrschaft über die Sache verliert, muss er mögliche Verschlechterungen oder den Untergang
der Sache nicht vertreten, es sei denn, sie werden nach § 278 durch seinen Erfüllungsgehilfen
verursacht. Erlangt der Schuldner nachher einen Ersatz für die untergegangene Sache (z.B.
aus Versicherungsleistungen), so kann der Gläubiger nach § 285 das als Ersatz Empfangene
als Erfüllungssurrogat herausverlangen. Dabei ist grundsätzlich nach der Differenzmethode
abzurechnen, d.h. nach § 249 ist die Differenz der verschiedenen Vermögenslagen vor und
nach dem Vorfall zu ermitteln. Als Schaden kann nach § 252 auch ein entgangener Gewinn
geltend gemacht werden.
Ist vertraglich nichts Weiteres bestimmt, so ist nach § 269 eine Holschuld vereinbart, wobei
entweder der Wohnsitz nach § 269 I oder die Gewerbeniederlassung des Schuldners nach §
269 II gemeint ist. Eine Geldschuld ist nach § 270 I im Zweifel eine Bringschuld. Für die
Leihe (§§ 598) liegt nach allgemeiner Auffassung für die Rückgabe des Leihgegenstandes
eine Bringschuld vor.
Erfolgt die Leistungshandlung am falschen Ort (oder nicht rechtzeitig), so liegt
Schuldnerverzug vor. Erfolgt die Leistungshandlung am richtigen Ort zur richtigen Zeit, aber
der Gläubiger nimmt nicht an, so spricht man von Gläubigerverzug. Um den Gläubiger in
Verzug zu setzen, muss der Schuldner die Sache nach § 294 entweder tatsächlich anbieten
(d.h. der Gläubiger braucht nur zuzugreifen) oder er macht nach § 295 lediglich ein wörtliches
Angebot. Erklärt der Gläubiger auf das wörtliche Angebot, er verweigere die Annahme oder
unterlässt eine von ihm geforderte Handlung, so kommt er nach § 295 in Verzug. Ist die vom
Gläubiger geforderte Handlung (z.B. Annahme der Leistung) nach § 296 nach dem Kalender
bestimmt, so bedarf es keines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots mehr. Er kommt dann
automatisch in Gläubigerverzug, wenn er diese Handlung nicht rechtzeitig vornimmt.
Ist der Gläubiger im Gläubigerverzug und der Schuldner hat nach § 243 II das seinerseits
Erforderliche getan, tritt die Konkretisierung nach § 300 II automatisch ein und der
Schuldner muss nach § 300 I außerdem nur noch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
haften. Zusammenfassend tritt bei der Hol- und Bringschuld dann eine Konkretisierung ein,
wenn der Gläubiger entweder in Annahmeverzug ist, eine Aussonderung stattgefunden hatte
oder der Gläubiger die erhaltene Sache als die geschuldete anerkennt. Hat die Sache z.B.
einen Mangel und soll nach §§ 437 Nr.1 i.V.m. 439 I oder §§ 634 Nr.1 i.V.m. § 635 I anstatt
Mängelbeseitigung eine Neulieferung oder Neuherstellung einer mangelfreien Sache erfolgen,
so ist demnach noch nicht konkretisiert worden. Bei der Schickschuld erfolgt die
Konkretisierung bereits bei der Übergabe an die Versandperson. Eine erfolgte oder nicht
erfolgte Konkretisierung hat insbesondere Auswirkungen darauf, ob der Schuldner bei einer
Gattungsschuld noch einmal leisten muss, wenn der Gegenstand vor der Erfüllung untergeht
(z.B. zerstört wird). Fraglich ist, ob eine Aussonderung durch den Schuldner allein (z.B. durch
Anbringen eines Schildes „verkauft“) für eine Konkretisierung ausreicht, soweit der
Gläubiger selbst darauf keinen Einfluss hatte, d.h. ob dadurch der Schuldner nach § 243 II
bereits das seinerseits Erforderliche getan hat.
Eine nach der Gattung bestimmte Leistung muss nach § 243 I von mittlerer Art und Güte
sein.
Bsp.: K will am Marktstand Tomaten erstehen. Der Verkäufer V packt die hässlichsten und
angestoßensten Exemplare in die Tüte. Hier liegt keine Konkretisierung vor, da die Tomaten
nicht mittlerer Art und Güte sind. Besseres muss der Schuldner nicht leisten, aber bietet er
Schlechteres an, so tritt der geforderte Leistungserfolg nicht ein. Nach § 243 II erfolgt jedoch
dann eine Konkretisierung, wenn der Schuldner das seinerseits Erforderliche getan hat.
3.1.4 Leistungszeit (§ 271)
Ist für die Zeit der Leistungshandlung nichts Näheres bestimmt, so ist nach § 271 die
Leistung sofort erfüllbar (d.h. durch den Schuldner zu bewirken) und auch sofort fällig (d.h.
durch den Gläubiger zu verlangen). Die Leistungszeit bestimmt sich auch nach der
Verkehrssitte nach § 242 (Treu & Glauben). Eine Leistungshandlung darf z.B. nicht zur
Unzeit erfolgen.
Bsp.: S bringt den vereinbarten Kaufgegenstand nachts um 24.00 Uhr zum Käufer K. Nimmt
der Käufer K nicht an, da er im Bett ist, so handelt es sich nicht um einen Gläubigerverzug,
da nach der allgemeinen Verkehrssitte (nach Treu & Glauben) die Leistungshandlung zur
Unzeit erfolgte. Lediglich die üblichen Ladenöffnungszeiten zwischen 9.00-20.00 Uhr sind
nach der Verkehrssitte allgemein anerkannt.
Gläubigerverzug liegt dann vor, wenn die Leistung erfüllbar ist, sie rechtzeitig angeboten
wird (tatsächlich oder wörtlich), aber der Gläubiger nicht annimmt. Schuldnerverzug liegt
z.B. dann vor, wenn die Leistungshandlung zur falschen Zeit erfolgt, insbesondere wenn sie
zu spät erfolgt (Bsp.: Der Weihnachtsbaum wird erst zu Silvester geliefert).
3.1.5 Erlöschen eines Schuldverhältnis (§§ 362)
Ein Schuldverhältnis wird begründet, damit irgendetwas geschieht (damit der Gläubiger vom
Schuldner etwas verlangen kann). Dies betrifft das Schuldverhältnis im engen Sinne, also den
einzelnen Anspruch, als auch das Schuldverhältnis im weiten Sinne, also die gesamte
Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner. Ein Schuldverhältnis kann vertraglich oder
gesetzlich entstehen. Ein Schuldverhältnis endet normalerweise, wenn es ordnungsgemäß
erfüllt wird.
Viele vertragliche Schuldverhältnisse sind für eine bestimmte Dauer geschlossen. Sie enden
durch Ablauf der Zeit, für die sie geschlossen sind. Das ist z.B. bei vielen Mietverträgen (§
542 II) und Arbeitsverträgen (§ 620 I) der Fall.
Daneben gibt es weitere Erlöschungsgründe. Ein Schuldverhältnis kann anders als durch die
vereinbarte Leistung erfüllt werden durch Leistung an Erfüllungs Statt (man leistet etwas
Anderes, aber mindestens Gleichwertiges). Ein Schuldverhältnis kann zum Erlöschen
gebracht werden durch einen Erlass (der Gläubiger erlässt dem Schuldner die Schuld
vertraglich, also einseitig), durch einen Aufhebungsvertrag (beide einigen sich vertraglich
über Aufhebung des Schuldverhältnis) oder durch die Novation (die so genannte
Schuldersetzung, dort wird nicht nur aufgehoben, sondern es werden vertraglich auch neue
Pflichten begründet). Um ein bestehendes Schuldverhältnis zum Erlöschen zu bringen, kann
auch von einem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht werden (z.B. die Aufrechnung
(bestehende Forderungen zwischen dem Schuldner und Gläubiger werden gegeneinander
aufgerechnet) oder den Rücktritt (bzw. die Kündigung)). Oder das Schuldverhältnis erlischt
automatisch durch Fristablauf (Befristung), eine auflösende Bedingung, Konfusion (der
Schuldner tritt in die Rechtsstellung des Gläubigers ein, sehr selten, z.B. beim Erbe, d.h. die
erbende Tochter wird zur vererbenden Mutter) oder durch Schuldner-Wegfall (eigentlich nur
bei juristischen Personen, da bei natürlichen Personen immer jemand da ist, der im Fall des
Wegfalles eintritt). Lediglich die Erfüllung durch die vertraglich vereinbarte Leistung, die
Leistung an Erfüllungs Statt als auch die Aufrechnung befriedigen das Leistungsinteresse des
Gläubigers, die anderen Erlöschungsgründe tun das nicht. Ist der Gläubiger im
Annahmeverzug, so befriedigt auch die Hinterlegung nach §§ 372 das Gläubigerinteresse.
Weitere Modifikationen des Schuldverhältnis sind der Abänderungsvertrag (das
Schuldverhältnis wird nur teilweise aufgehoben), die Schuldübernahme (ein Dritter
übernimmt die Schuld) sowie die Vertragsübernahme (ein Dritter übernimmt nicht nur die
Schuld, sondern eine Person, die bei gegenseitigen Verträgen zumeist sowohl Gläubiger als
auch Schuldner ist, wird in beiden Rechtsstellungen komplett ausgewechselt).
Die übliche Erfüllung nach § 362 I ist erfolgt, wenn der Schuldner die geschuldete Leistung
an den Gläubiger bewirkt hat. Wird an jemand anderes als den wirklichen Gläubiger geleistet,
so geht dies nach § 362 II nur mit Zustimmung des tatsächlichen Gläubigers. Im Rahmen der
so genannten Theorie der realen Leistungsbewirkung muss die Leistung auch real bewirkt
werden. Und dies geht nur dem empfangszuständigen Gläubiger gegenüber. Nimmt der
tatsächliche Gläubiger nicht entgegen, so kann ein Dritter durch Empfangsermächtigung (§
185) die Leistung entgegennehmen oder ein Dritter kann aufgrund eines Rechtsscheins, einer
so genannten Empfangslegitimation wie einer Quittung (§ 370), einem Sparbuch (§§ 807,
808) oder einem Erbschein (§ 2367), die Leistung entgegennehmen. Einem Gläubiger, der
aufgrund bestimmter Umstände in seiner Freiheit beschränkt werden soll, kann seine
Empfangszuständigkeit abgesprochen werden. Dies ist in der Regel bei einem Minderjährigen
in der Gläubigerposition (z.B. als Erbe) der Fall. Im Interesse des Empfängers und als Schutz
der Person vor sich selbst müssen die gesetzlichen Vertreter (in der Regel die Eltern)
entgegennehmen (damit der nicht voll Geschäftsfähige z.B. nicht sein eigenes Vermögen
wegverfügt). Ein ähnliches Problem gibt es bei der Insolvenz oder der Nachlassverwaltung.
Im Interesse der anderen Gläubiger des in Insolvenz Geratenen ist nur der Insolvenzverwalter
selbst empfangszuständig (der in Insolvenz Geratene würde wohl viel lieber mit dem Geld in
die Karibik fahren!).
Es muss jedoch nicht der verabredete Schuldner die Leistung erbringen. Auch ein Dritter
kann nach § 267 die Leistung erbringen, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat.
Letzteres gilt z.B. nicht bei Dienstverträgen (§§ 611), in denen der zur Dienstleistung
Verpflichtete typischerweise seine Leistung höchstpersönlich zu erbringen hat.
Neben der versprochenen Leistung kann nach § 364 I jedoch auch eine andere Leistung an
Erfüllungs Statt geleistet werden. An die Stelle der alten Schuld tritt eine neue Schuld. In der
Theorie gibt es verschiedene Ansätze, wie dieses Problem gelöst werden kann. Z.B. im
Rahmen eines Abänderungsvertrages, der Theorie des Austauschvertrages oder der Theorie
des Erfüllungsvertrages. Welche Theorie auch immer zu Grunde gelegt wird, führt eine
bestimmte Leistungsstörung (z.B. ein Mangel) bei Erfüllungs Statt im Endergebnis dazu, dass
bei Rücktritt oder Kündigung wieder die alte Schuld an die Stelle der an Erfüllungs Statt
gegebenen Schuld tritt. Zu fragen ist immer, ob die neue Schuld an Stelle der alten Schuld
treten sollte. Dies kann man bejahen, wenn die neue Schuld dem Gläubiger mindestens
genauso wichtig bzw. gleich sicher ist.
Bsp.: Gibt der Schuldner dem Gläubiger seinen PKW in Zahlung, so kann man dies bejahen,
wenn der Gläubiger auch Interesse am PKW selbst hat, d.h. dass er im Falle, wenn er den
PKW nicht verkaufen kann, den PKW z.B. auch selbst nutzen will. Nach § 364 II gilt nämlich
sonst im Zweifel, dass die neue Leistung lediglich erfüllungshalber neben die alte Schuld tritt.
In diesem Fall ist dem Gläubiger die Leistung erfüllungshalber nicht so wichtig wie die alte
Schuld selbst. Im PKW-Fall ist dem Gläubiger die Übereignung des PKW nur dann gleich
wichtig oder gleich sicher, wenn er ihn garantiert verkaufen kann und damit die alte Schuld
befriedigt werden kann. Eine Leistung erfüllungshalber ist z.B. gegeben bei der Übergabe
eines Wechsels. Hier räumt der Schuldner dem Gläubiger eine neue Schuld ein, die lediglich
neben die alte Schuld tritt. Kann die neue Schuld nicht realisiert werden, so tritt automatisch
die alte Schuld an deren Stelle. Folge bei der Leistung an Erfüllungs Statt ist also, dass der
Schuldner nach § 364 I sofort erfüllt, während jedoch bei der Leistung erfüllungshalber der
Leistungserfolg nicht sofort durch die dargebotene Leistung eintritt.
3.1.6 Aufrechnung (§§ 387)
Ein Schuldverhältnis kann auch ganz oder teilweise befriedigt werden, wenn alte
Forderungen, die zwischen Schuldner und Gläubiger bestehen, nach §§ 387 gegeneinander
aufgerechnet werden.
Dies dient zum einen der Tilgungserleichterung als auch einer Absicherung eines Gläubigers,
wenn die Durchsetzung der Hauptforderung Schwierigkeiten bereiten würde, etwa weil der
andere Teil nicht zahlungsfähig oder nicht zahlungswillig ist. Die sich gegenüberstehenden
Haupt- und Gegenforderungen müssen gleichartig (z.B. beide in Geld bemessen), aber nicht
gleich hoch sein.
Dabei ist es unerheblich, ob eine Seite die Einrede der Verjährung nach § 214 macht, da nach
§ 215 der Zeitpunkt maßgebend ist, an dem zuerst hätte aufgerechnet werden können. Waren
die Forderungen zum damaligen Zeitpunkt, an dem theoretisch zuerst hätte aufgerechnet
werden können, noch nicht verjährt, so kann trotzdem wirksam aufgerechnet werden, wenn
einer (der Schuldner oder Gläubiger) es so will. Bei der Aufrechnung spricht man auch von
einem so genannten Erfüllungssurrogat. Die Aufrechnung ist nach § 388 eine
empfangsbedürftige einseitige Gestaltungserklärung. Jede Gestaltungserklärung wie auch
z.B. die Anfechtung, der Rücktritt, der Widerruf oder die Kündigung ist bedingungs- und
befristungsfeindlich, da sie in ein bestehendes Schuldverhältnis eingreift und der andere
Vertragspartner eine gewisse Sicherheit haben soll, ob das Gestaltungsrecht nun ausgeübt
wird oder nicht.
Es gibt eine Reihe von Aufrechnungshindernissen. Zunächst muss natürlich die
Hauptforderung, gegen die aufgerechnet wird, durch den Schuldner erfüllbar sein (nach §
271 im Zweifel sofort). Die Gegenforderung, mit der aufgerechnet wird, muss selbst fällig
sein (nach § 271 im Zweifel sofort). Außerdem muss die Gegenforderung nach § 390
einredefrei (= durchsetzbar) sein. Hier denkt man eher an die Einrede der
Leistungsverweigerung nach § 273 bzw. Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320
(Einrede der Verjährung nach § 214 ist nicht gemeint, siehe oben). Wichtig ist z.B. nach §
393 das Verbot, gegen eine Forderung aus unerlaubter Handlung aufzurechnen. Denn sonst
könnte jeder, der irgendeine Forderung hat, dem Gläubiger einen Schaden aus unerlaubter
Handlung verursachen und nachher mit der entstandenen Schadensersatzforderung wirksam
aufrechnen. Weitere Gründe findet man in den §§ 390 (selbsterklärend). Mal besteht ein
Verbot, ein anderes Mal ist die Aufrechnung erlaubt, wenn bestimmte Umstände vorliegen,
bei deren Nichtexistenz folglich die Aufrechnung ausgeschlossen ist. Neben der im Gesetz
formulierten Aufrechnungserklärung nach §§ 387 kann natürlich auch ein
Aufrechnungsvertrag abgeschlossen werden, der der freien Vertragsvereinbarung unterliegt (§
311 I). Damit wären natürlich auch die gesetzlichen Voraussetzungen der Aufrechnung nach
§§ 390 vertraglich abdingbar (Vorrang der Privatautonomie). Außer dem Namen hat er daher
nichts mit der Aufrechnung nach §§ 387 gemein.
3.1.7 Hinterlegung (§§ 372)
Sind die Voraussetzungen des § 372 erfüllt, so kann der Schuldner hinterlegungsfähige
Sachen wie Geld, Kostbarkeiten, Wertpapiere oder sonstige Urkunden bei einer dazu
bestimmten öffentlichen Stelle hinterlegen. Zu den in § 372 genannten Gründen zählen zum
einen der Gläubigerverzug, bestimmte in der Person liegende Gründe, die die Erfüllung der
Verbindlichkeit nicht erlauben (z.B. dass der Gläubiger nicht geschäftsfähig ist und ein
Vertreter nicht vorhanden ist) als auch eine gewisse Ungewissheit über die Person des
Gläubigers, die nicht auf Fahrlässigkeit des Schuldners beruht.
Der Zweifel über die Person des Gläubigers muss so geartet sein, dass dem Schuldner nach
verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, ihn auf seine Gefahr hin zu lösen.
Ist die Sache nicht hinterlegungsfähig, so kann der Schuldner sie nach § 383 am
Leistungsort auch versteigern lassen und den Erlös hinterlegen (der so genannte
Selbsthilfeverkauf).
Ist diese Hinterlegung nicht rückgängig zu machen, so hat sie nach § 378 schuldbefreiende
Wirkung. Die Rücknahme ist ausgeschlossen in den in § 376 II bestimmten Fällen.
3.1.8 Rücktritt (§ 323, §§ 346)
Ein Schuldverhältnis kann auch durch Rücktritt nach §§ 346-354 rückgängig gemacht
werden. Nach § 346 I S. 1 werden die schon ausgetauschten Leistungen rückgewährt, die
Pflichten im Hinblick auf die noch nicht ausgetauschten Leistungen erlöschen. Das
Schuldverhältnis wandelt sich also für die Zukunft (ex nunc) in ein RückgewährAbwicklungs-Schuldverhältnis um. Der Rückgewährsanspruch bezieht sich dabei sowohl
auf die empfangenen Leistungen (Hauptleistungspflichten) wie auch die gezogenen
Nutzungen (Nebenleistungsansprüche), z.B. die gezogenen „Früchte“ beim Pachtvertrag.
Auch kann nach den Vorschriften des § 346 II als eigenständige Anspruchsgrundlage anstatt
der Rückgewähr oder Herausgabe des Gegenstandes alternativ Wertersatz geltend gemacht
werden z.B. bei Verschlechterung oder Umgestaltung der Sache, wenn nicht die § 346 III
bestimmend sind.
Allerdings ist bei einer Verschlechterung aufgrund einer bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme nach § 346 II Nr.3 kein Wertersatz zu leisten.
Werden die Rücktrittsgegenstände erst nach der Rücktrittserklärung geschädigt oder
verschlechtert, so kann auch nach § 346 IV wiederum als eigenständige Anspruchsgrundlage
Schadensersatz verlangt werden. Nach § 347 I hat der Gläubiger einen Anspruch auf
Wertersatz, wenn der Schuldner es unterlassen hat, die üblichen Nutzungen zu ziehen, wenn
es ihm nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft möglich gewesen wäre, und er
diese daher nicht an den Gläubiger abgeben kann. Der Schuldner hat nach § 347 II ein Recht
auf Erstattung seiner Verwendungen, wenn diese ihm notwendig entstanden sind. Dies betrifft
auch andere Aufwendungen, wenn der Gläubiger durch diese bereichert werden würde (z.B.
Reparaturmaßnahmen).
Das Rücktrittsrecht selbst kann im Vertrag vorbehalten sein oder sich aus dem Gesetz
ergeben (wie z.B. aus §§ 326 V, 324, 323 I, 437 Nr.2 oder 634 Nr.3). Beim vertraglich
vereinbarten Rücktrittsrecht müssen beide Vertragspartner mit einem Rücktritt rechnen, beim
gesetzlich vereinbarten Rücktrittsrecht ist es für eine Vertragspartei immer mehr oder weniger
überraschend. Ein gesetzliches Rücktrittsrecht ist z.B. dann vorhanden, wenn die Leistung
einen Mangel nach § 437 Nr. 2 (Kaufvertrag) oder § 634 Nr. 3 (Werkvertrag) aufweist und
eine Nacherfüllung bzw. eine Fristsetzung vergeblich war. Um den Rücktrittsgegner bei
einem gesetzlichen („überraschenden“) Rücktritt besser zu stellen, wird z.B. nach § 346 III
Nr. 3 oder § 347 I S. 2 der Schuldmaßstab verändert. Nur noch diejenige Sorgfalt ist zu
beachten, die man in eigenen Angelegenheiten anwendet. Ist man in der Regel eher
schlampig, so wird der Schuldmaßstab verringert. Ist man allerdings eher besonders
vorsichtig, so tritt nach Treu & Glauben der Durchschnittsmaßstab an dessen Stelle.
§ 323 gewährt ein gesetzliches Rücktrittsrecht nach §§ 346, wenn der Schuldner nicht oder
nicht vertragsgemäß leistet (Verzögerung oder Verzug). Das Rücktrittsrecht entsteht
verschuldensunabhängig, setzt aber voraus, dass eine angemessene Frist zur Nacherfüllung
gesetzt wurde.
Angemessen ist eine Frist, wenn sie dem Schuldner die Gelegenheit gibt, die bereits in Angriff
genommene Leistung zu beenden. Dabei sind nun, da der Schuldner seiner ursprünglichen
Leistungspflicht nicht hinreichend entsprochen hat, auch größere Anstrengungen und
schnelleres Handeln zu erwarten.
Eine Fristsetzung bedarf es in den in § 323 II beschriebenen Fällen nicht. Nämlich bei
-
-
einer ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung durch den Schuldner
(Nr.1)
einem Fixgeschäft (Nr.2). Ein relatives Fixgeschäft „steht oder fällt“ mit der
Leistungszeit. Typische Ausdrücke sind „prompt“, „fix“ oder „genau“ (z.B.
„Lieferung bis spätestens 31. März 2002 fix“). Für ein absolutes Fixgeschäft ist die
Leistungszeit derart wesentlich, dass eine Fristversäumung keine Erfüllung mehr
darstellt (z.B. Christbaum erst zu Silvester). Dies ist also ein Fall der Unmöglichkeit.
besonderen Umständen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den
sofortigen Rücktritt rechtfertigen (Nr.3). Dieser Fall steht an der Grenze zum relativen
Fixgeschäft, wobei hier keine Leistungszeit vereinbart wurde, aber ersichtlich ist, dass
bei einer Leistungsverzögerung eine Erfüllung keinen Sinn mehr macht.
Tritt eine dieser Voraussetzungen ein, so ist der Gläubiger sofort d.h. ohne Fristsetzung zum
Rücktritt berechtigt. Nach § 218 ist der Rücktritt nach § 323 jedoch unwirksam, wenn der
Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner
sich darauf beruft.
Ein „gesetzliches“ Rücktrittsrecht gibt auch § 354, wenn vorher vertraglich vereinbart wurde,
dass bei Leistungsstörungen der Schuldner seiner Rechte verlustig sein soll.
Vertragliche Rücktrittsregelungen können insbesondere in AGB niedergelegt sein. Dabei
muss § 308 Ziffer 3 berücksichtigt werden, soweit diese einseitig zu Gunsten des Verwenders
geltend gemacht werden könnten.
Die Rücktrittserklärung ist eine Gestaltungserklärung und daher nach § 349 eine einseitige
empfangsbedürftige Willenserklärung. Da der Rücktritt die Ansprüche des Erklärenden
erlöschen lässt bzw. Rückgewährspflichten entstehen, ist er nicht lediglich rechtlich
vorteilhaft (bei einem Minderjährigen als Erklärenden ist daher § 107 zu beachten). Bei einem
Minderjährigen auf Seiten des Erklärungsempfängers der Rücktrittserklärung gilt § 131 II
(spiegelbildlich zur Erklärungsabgabe, d.h. entweder lediglich rechtlich vorteilhaft oder
Genehmigung durch den Vertreter). Ausschlussgründe sind in §§ 350 umschrieben. Eine
Rücktrittserklärung ist zunächst wie jede andere Gestaltungserklärung befristungsfeindlich. Ist
insbesondere nach § 350 bei einem vertraglich vereinbarten Rücktrittsrecht eine Frist zunächst
nicht bestimmt, so kann dem Berechtigten jedoch von dem anderen Teil eine angemessene
Frist gesetzt werden, bis zu der der Rücktritt erklärt werden kann. Nach Ablauf der Frist
erlischt das vertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht automatisch. War das Rücktrittsrecht
zunächst an etwas anderes gebunden (z.B. Probe fahren über 1000 km, mindestens eine
Woche), so darf die Fristsetzung erst dann einsetzen, wenn dieses Ereignis eintritt. Nach § 351
muss der Rücktritt bei einem Vertrag mit mehreren Beteiligten allen gegenüber erklärt
werden. Der Rücktritt ist nach § 352 unwirksam, wenn vor der Rücktrittserklärung die
Aufrechnung erklärt wurde, da damit die Verbindlichkeit schon ganz oder teilweise erfüllt
wurde und damit das Schuldverhältnis nach § 362 erloschen ist. Wird der Rücktritt erklärt, so
kann der Rücktrittsgegner seine Rechte noch geltend machen und sich „retten“, wenn er
unverzüglich die Aufrechnung erklärt. Nach § 353 kann der Rücktritt auch gegen die Zahlung
eines so genannten Reuegeldes vorbehalten sein, d.h. man kann erst bei Zahlung des
Reuegeldes wirksam zurücktreten. Wird das Reuegeld nicht bezahlt, so kann der andere Teil
die Rücktrittserklärung zurückweisen. Es ist jedoch nach § 353 S. 2 möglich, unverzüglich bei
oder nach einer solchen Zurückweisung dem anderen Teil noch das Reuegeld zu entrichten
und damit den Rücktritt wirksam zu erklären.
3.1.9 Kündigung
Zur Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses wie einem Mietverhältnis oder einem
Dienstverhältnis tritt an die Stelle des Rücktritts die Kündigung. Dabei sind jedoch die
gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsgründe zu beachten. Außerdem ist die übliche
Kündigungsfrist
einzuhalten.
Bestimmte
Schuldverhältnisse
unterliegen
einem
Kündigungsschutz (siehe z.B. die Kündigungsschutzbestimmungen in §§ 573 zugunsten des
Mieters).
Eine Kündigung aus „wichtigem Grund“ ist nach § 314 jedoch immer möglich.
Ein wichtiger Grund ist gemäß § 314 I S.2 gegeben, wenn dem kündigenden Vertragspartner
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der
beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten
Beendigung oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Ein
Verschulden des anderen Teils ist nicht erforderlich.
Eine Kündigung aus wichtigem Grund sehen u.a. die Vorschriften des § 569 für die Miete, die
§ 626 für den Dienstvertrag und § 723 für den Gesellschaftsvertrag vor.
3.1.10 Widerruf
Der Widerruf wirkt ähnlich (z.B. beim Widerruf einer Willenserklärung eines zunächst
schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts durch den Vertragspartner nach § 109 (bei
Minderjährigen) oder § 178 (bei Stellvertretern), beim Widerruf einer Vollmacht bei
Stellvertretern durch den Vertretenen nach § 168 oder § 171 II, bei Widerruf einer
Willenserklärung vor Zugang nach § 130 oder dem Widerruf einer bereits erfolgten
Einwilligung nach § 183). Durch den Widerruf kann ein Rechtsgeschäft zunächst gar nicht
erst wirksam werden (§ 130) oder erst nachträglich unwirksam werden. Im Besonderen
Schuldrecht sind ausdrücklich Widerrufsrechte möglich bei der Schenkung (§ 530), beim
Verbraucherdarlehensvertrag (§ 495), bei der Auslobung (§ 658), beim Auftrag (§ 671 I), bei
der Anweisung (§ 790). Grundsätzlich sehen alle Verbraucherverträge ein Widerrufsrecht
nach § 355 vor. Dazu zählen z.B.
-
das Haustürgeschäft im Sinne des § 312
der Verbraucherdarlehensvertrag nach §§ 491
der Fernabsatzvertrag nach § 312b
der Ratenlieferungsvertrag nach § 505.
Nach § 357 I kommt die Wirkung eines Widerrufs nach § 355 der eines Rücktrittes gleich.
Dabei muss der Verbraucher nach § 357 III abweichend von § 346 II Nr.3 in bestimmten
Fällen auch Wertersatz für eine Verschlechterung einer Sache leisten, die durch deren
bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetreten ist. Zum Widerruf von Verbraucherverträgen bedarf es keines besonderen Grundes. Allerdings muss der Widerruf innerhalb der
ersten zwei Wochen nach Abschluss des Vertrages erfolgen. Die Zwei-Wochen-Frist beginnt
ab dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nach § 355 II
belehrt wurde. Das Widerrufsrecht gilt allerdings unbegrenzt, wenn der Unternehmer nach §
355 III S.3 eine solche Belehrung unterlassen hat. Nach § 357 II trägt der Unternehmer
üblicherweise die Kosten und die Gefahr für die Rücksendung (Fracht, Porto). Allerdings
kann nach § 357 II S.3 vertraglich vereinbart werden, dass der Verbraucher die Kosten trägt,
wenn der Wert der zurückgesandten Ware unter 40 € liegt.
Das Widerrufsrecht kann nach § 356 vertraglich auch durch ein Rückgaberecht ersetzt
werden mit ähnlichen Folgen. Hier braucht allerdings kein besonderer Widerruf erklärt
werden. Der Widerruf erfolgt allein durch die Rücksendung der Ware. Dabei trägt der
Unternehmer grundsätzlich alle damit verbundenen Kosten.
3.1.11 Erlass (§ 397)
Durch einen Erlassvertrag nach § 397 I kann ein Schuldverhältnis untergehen. Ein negatives
Schuldanerkenntnis nach § 397 II wirkt ebenso wie ein Erlass, aber nur, wenn bereits ein
Schuldverhältnis vorhanden war, was nicht notwendigerweise so sein muss. Im letzteren Fall
wirkt das Anerkenntnis rein deklaratorisch. Der Erlass hat keine verpflichtende, sondern eine
verfügende Wirkung.
Z.B. kann ein Teil der Miete erlassen werden, wenn nach Vereinbarung zwischen Mieter und
Vermieter das Mietverhältnis vor der vertragsmäßig festgelegten Zeit beendet werden soll.
Durch einen Aufhebungsvertrag können alle Pflichten vertraglich aufgehoben werden.
Durch eine Novation wird die alte Pflicht durch eine neue Pflicht ersetzt. Wird lediglich die
alte Pflicht etwas verändert, so liegt tatsächlich ein Abänderungsvertrag vor. All diese
Verträge sind im Rahmen der Privatautonomie nach § 311 I möglich.
3.1.12 Leistungsverweigerungsrechte (§§ 273, §§ 320)
Durch eine Einrede kann ein Teil die Befriedigung eines Anspruches verweigern. Ist ein
Anspruch auf Dauer, also für immer, gehemmt, spricht man von einer per(s)emptorischen
Einrede. Gilt die Verweigerung nur für einen gewissen Zeitraum, so spricht man von einer
dilatorischen Einrede. Die einzige Einrede im BGB AT, die Einrede der Verjährung nach §
214, ist daher eine persemptorische Einrede, während weitere im Schuldrecht AT definierte
Einreden, die Einrede der Leistungsverweigerung nach § 273 I oder II, die Einrede des nicht
erfüllten Vertrages nach § 320, die Einrede der Vermögensverschlechterung nach § 321 und
die Stundung nur vorübergehend wirken.
Bei der Einrede des Leistungsverweigerungsrechts nach § 273 I steht dem Schuldner einer
Leistung ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn ein gegenseitiges Rechtsverhältnis
vorliegt und er seinerseits einen Anspruch gegen den Gläubiger hat. Dabei müssen die
Ansprüche nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Es reicht, wenn ein rechtliches
Verhältnis besteht, z.B. wenn gegenseitige Forderungen aus einer gemeinsamen
Geschäftsbeziehung existieren. Es reicht, wenn zwischen den beiden Verbindlichkeiten ein
„innerer natürlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang“ besteht. Diese Ansprüche müssen
auch nicht gleichartig sein, denn sonst könnte man direkt nach §§ 387 aufrechnen, wenn
beide z.B. in Geld bemessen wären. Der Gegenanspruch muss fällig und einredefrei sein.
Das Leistungsverweigerungsrecht darf gesetzlich nicht ausgeschlossen sein. So ist es nicht
erlaubt die Rückgabe einer Vollmacht nach § 175, die Rückgabe der Mietsache nach § 570
oder die Rückgabe eines gepachteten Grundstückes nach § 596 II zu verweigern (kein
Zurückbehaltungsrecht). Der Ausschluss kann aber auch vertraglich vereinbart sein. § 273 II
regelt ein besonderes Verhältnis. Dort will der Schuldner die Rückgabe eines Gegenstandes
verweigern, durch den ihm bestimmte Schäden entstanden sind oder ihm Ansprüche wegen
Verwendungen auf den Gegenstand zustehen. Hier ist klar, dass von vornerein ein gleiches
rechtliches Verhältnis vorliegt. Nach 273 III kann der Gläubiger die Leistungsverweigerung
abwenden, wenn er dem Schuldner zusätzliche Sicherheiten anbietet. Folge des Leistungsverweigerungsrechts ist nach § 274 I, dass der Schuldner nur Zug um Zug gegen Erhalt der
Gegenleistung leisten muss.
Viele Verträge beruhen auf Gegenseitigkeit. Leistet der andere Teil nicht oder wird dieser
dem Vertrag untreu, so will auch der eine Teil nicht leisten oder dem Vertrag untreu werden.
Dies betrifft also in der Regel die Hauptleistungspflichten, die im Gegenseitigkeitsverhältnis
stehen, nicht die Nebenleistungspflichten (wie z.B. die Rückgabe der Mietsache nach Ablauf
des Mietverhältnisses nach § 546). Um in diesen Fällen den Leistungsaustausch zu
beeinflussen, kann die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 gemacht werden,
wenn absehbar ist, dass die Gegenleistung gefährdet ist, allerdings nur dann, wenn der
Schuldner selbst nicht vorleistungspflichtig ist. Ist ein Teil vorleistungspflichtig, so kann er
aber mit der Unsicherheitseinrede nach § 321 diese Vorleistung verweigern, wenn absehbar
ist, dass die entsprechende Gegenleistung gefährdet ist. Hat ein Teil bereits vorgeleistet, dann
kann § 320 nicht geltend gemacht werden.
Interessant wird § 320, da durch eine Leistungsverweigerung der Schuldnerverzug nicht
eintritt. Fehlt nur ein kleiner Anteil der Gegenleistung, welcher unerheblich ist, so kann die
Leistung nach § 320 II nicht verweigert werden.
Im Falle eines Werkvertrages kann man eine Unverhältnismäßigkeit bejahen, wenn z.B. bei
Baumängeln mehr als das 3-fache der Mängelbeseitigungskosten verweigert werden soll. Da
der Bauunternehmer seine Leistung bereits größtenteils erbracht hat, wäre die Verweigerung
des gesamten Bauentgeltes nicht angemessen. Dieser Fall hat nach § 641 III auch seinen Weg
ins Gesetz gefunden und gilt ähnlich auch bei Mängeln bei Mietleistungen (Wenn ich ehrlich
bin, verstehe ich den § 641 III in der jetzigen Fassung nicht. Muss es nicht heißen maximal
anstatt minimal?). Entgegen dem § 273 III kann der Gläubiger nach § 320 I S. 3 hier nicht
mit einer Sicherheitsleistung eine drohende Leistungsverweigerung abwenden, denn es geht
hier nicht wie bei § 273 primär um eine Absicherung, sondern um den Vollzug des
Leistungsaustausches. Nach § 322 I braucht nach der Einrede des nicht erfüllten Vertrages die
Leistung lediglich Zug um Zug im Austausch mit der Gegenleistung erbracht werden.
Ist die Gegenforderung fällig, aber möglicherweise verjährt, dann kann nach § 215 trotzdem
das Recht der Leistungsverweigerung ausgeübt werden, wenn sie zum besagten Zeitpunkt (bei
Auftreten des Verzugs oder einem ähnlichem Grund zur Leistungsverweigerung) noch nicht
verjährt war. Es sei erwähnt, dass § 273 immer geltend gemacht werden muss, damit er
wirksam wird, während § 320 z.B. in einem gerichtlichen Prozess auch ohne Geltendmachung
berücksichtigt wird.
3.1.13 Vertragsstrafe (§§ 339)
Um den Vertragspartner zu einer baldigen Leistung zu bewegen, kann eine Vertragsstrafe,
auch Konventionalstrafe, nach § 339 bestimmt werden. Sie erfüllt des Weiteren auch den
Zweck, bei Leistungsstörungen eine erleichterte Schadloshaltung ohne Einzelnachweis zu
ermöglichen. Dazu ist ein Vertragsstrafeversprechen in Verbindung mit dem eigentlichen
Schuldverhältnis nach § 339 notwendig. Ist das Schuldverhältnis für sich unwirksam, so wird
es das Vertragsstrafeversprechen nach § 344 auch.
Die Verwirkung der Vertragsstrafe setzt neben dem Vertragsstrafeversprechen voraus, dass
der Schuldner mit der Leistung in Verzug geraten ist (siehe § 286). Dafür muss ihn ein
eigenes Verschulden treffen oder er muss sich fremdes Verschulden nach § 278 zurechnen
lassen. Vertraglich kann auch vereinbart werden, dass die Vertragsstrafe bei einer Leistungsstörung auch unabhängig vom Verschulden verwirkt sein soll.
Nach § 341 III muss der Gläubiger sich die Vertragsstrafe bei der Abnahme (im Sinne des §
640) ausdrücklich vorbehalten. Tut er das nicht, so verliert er den Anspruch unabhängig
davon, ob er einen entsprechenden Verzichtswillen hatte oder nicht. Ein schon früher
erklärter, bei der Annahme der Erfüllung aber nicht nochmals erkennbar geäußerter und
ebenso ein verspäteter Vorbehalt genügen nach Auffassung der Rechtssprechung nicht.
Allerdings kann der § 341 III durch eine Individualvereinbarung abgeändert werden. Durch
reine AGB kann der § 341 III aber nie vollständig als unwirksam erklärt werden.
3.2 Leistungsstörungen (§§ 275, §§ 323)
3.2.1 Allgemeines
Ziel eines Schuldverhältnisses ist der Leistungsaustausch, die Befriedigung des gegenseitigen
Schuldversprechens. Es können jedoch bestimmte Probleme auftreten, die zu einer Störung
dieses Leistungsaustausches (Leistungsstörung) führen. Typische Leistungsstörungen sind:
-
der Schuldner kann nicht leisten, weil die Leistung unmöglich geworden ist
(anfängliche, nachträgliche, objektive, subjektive Unmöglichkeit)
der Schuldner leistet zu spät (Leistungsverzögerung, Schuldnerverzug)
der Schuldner leistet schlecht (aliud-Lieferung, Lieferung einer mangelhaften Sache)
der Schuldner verletzt begleitende Schutz- oder Obhutpflichten (p.V.V.)
der Schuldner verletzt vorvertragliche Pflichten (c.i.c.)
die Risikoverteilung zwischen Schuldner und Gläubiger ist schwerwiegend verzerrt
(Wegfall der Geschäftsgrundlage)
der Gläubiger nimmt nicht ordnungsgemäß oder rechtzeitig an (Gläubigerverzug)
Mit der Schuldrechtsreform vom 2.1.2002 wurden insbesondere die c.i.c. und p.V.V., die
früher nur recht umständlich behandelt werden konnten, neu im Gesetz geregelt und
berechtigen nun generell über § 280 auch zum Schadensersatz.
Zunächst steht die Heilung einer Leistungsstörung im Vordergrund, wenn also nicht, zu spät,
schlecht oder falsch geleistet wurde, sollte nunmehr doch, endlich, gut und richtig geleistet
werden.
Dabei ist zu beachten, ob die Leistung nachholbar ist oder endgültig unmöglich geworden ist.
Für eine nachholbare Leistung muss dem Schuldner grundsätzlich die Möglichkeit gegeben
werden, die Leistung ordnungsgemäß zu wiederholen. Erst wenn eine solche Nachfrist
vergeblich war, berechtigt dies zum Rücktritt oder zum Schadensersatz. Nach § 325 kann bei
gegenseitigen Verträgen auch beides gleichzeitig in Anspruch genommen werden, neben dem
Rücktritt ist also auch ein Schadensersatz möglich. Grundsätzlich setzt ein Schadensersatzanspruch nach § 280 I jedoch immer ein Verschulden des Schuldners voraus.
Ist die Leistung für den Schuldner unmöglich, so ist eine solche Nachfrist zur Nachlieferung
natürlich sinnlos und ein Rücktritt ist nach § 326 V sofort möglich. Hat der Schuldner die
Unmöglichkeit zu vertreten, so berechtigt dies auch sofort zu Schadensersatz statt der
Leistung oder zu Ersatz der vergeblichen (auch „frustrierten“) Aufwendungen (daneben ist
nach § 285 noch Herausgabe des als Ersatz Empfangenen verlangbar (beachte § 285 II)).
Zwischen beiden Schadensersatzformen kann grundsätzlich frei gewählt werden. Auch bei
einer nachholbaren Leistung ist diese Wahl möglich, aber nur dann, wenn eine Fristsetzung
zur Nachlieferung vergeblich war und damit die Fortsetzung des Schuldverhältnisses keinen
Sinn mehr macht (das macht ja gerade den Sinn des Begriffes „statt der Leistung“ aus). Ist der
Gläubiger für den Umstand verantwortlich, weswegen die Leistung unmöglich geworden ist,
so hat der Schuldner nach § 326 II trotz Unmöglichkeit seiner Leistung weiterhin einen
Anspruch auf die entsprechende Gegenleistung.
Im Kaufvertragsrecht (§§ 433) oder Werkvertragsrecht (§§ 631) ist auch die Möglichkeit
einer Minderung des Kaufpreises bzw. Herstellungspreises vorgesehen.
3.2.2 Vertretenmüssen
In vielen Fällen wie bei der Unmöglichkeit oder dem Verzug ist Schadensersatz nach § 280 I
S.2 nur zu leisten, wenn der Schuldner dies zu vertreten hat.
Den Fall des Vertretenmüssens regeln die §§ 276, 277, 278. Der Schuldner hat nach § 276 I
Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. In § 276 II wird für die Fahrlässigkeit ein
objektiver Durchschnittsmaßstab aufgestellt.
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
Jedoch kann eine strengere oder mildere Haftung vertraglich vereinbart werden. Nach § 276 I
muss der Schuldner die Unmöglichkeit auch vertreten, wenn er eine Garantie oder ein
Beschaffungsrisiko (bei Gattungsschuld) übernommen hat. Wer nur für die Haftung
einzugestehen hat, die er in eigenen Angelegenheiten anwendet kommt nach § 277 besser
weg, wenn er selber schlampiger ist als der Durchschnittsmaßstab (siehe hierzu § 346 III Nr.3
und § 347 I S.2). Ist er hingegen besonders sorgfältig, dann gilt wieder der
Durchschnittsmaßstab. Bedient sich ein Schuldner eines Erfüllungsgehilfen (z.B.
Subunternehmer, Verkäufer, Kraftfahrer) nach § 278 zur Erfüllung eines bestehenden
Schuldverhältnisses, so haftet der Schuldner wie für eigenes Verschulden (beachte
Haftungsmilderung, wenn der Schuldner selber schlampig ist!).
Ein Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem
Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer dieser obliegenden Verbindlichkeit als seine
Hilfsperson tätig wird. Ein unmittelbares Weisungsrecht des Schuldners gegenüber dem
Erfüllungsgehilfen muss nicht bestehen.
Unerheblich ist auch, ob ein Schuldverhältnis schon besteht oder ob es sich nach § 311 II,III
lediglich um vorvertragliche Schuldverhältnisse oder sogar nur um Gefälligkeitsverhältnisse
(mit Rechtbindungswillen) handelt. Jedoch muss die Handlung des Erfüllungsgehilfen in
einem inneren, sachlichen Zusammenhang stehen mit den Aufgaben, die der Schuldner
dem Erfüllungsgehilfen erteilt hat. Es kann sich um eine rechtsgeschäftliche (z.B. Abschluss
eines Vertrages, Abgabe einer Rücktrittserklärung) oder eine tatsächliche (rein faktische)
Tätigkeit (z.B. Autofahren, Maschinen bedienen) handeln. Da es zunächst um ein Verschulden
des Erfüllungsgehilfen geht, das dem Schuldner zugerechnet werden kann, muss der
Erfüllungsgehilfe selbst zurechnungsfähig nach §§ 827, 828 sein.
Nach § 276 I S.1 muss der Schuldner sein Unvermögen vertreten, wenn er ein Beschaffungsrisiko übernommen hat. Handelt es sich um eine produktionsbezogene Gattungsschuld oder
eine so genannte Vorratsschuld, dann hat der Schuldner nicht erkennbar ein
Beschaffungsrisiko übernommen. Er ist dann nur unter bestimmten Voraussetzungen – je
nach Inhalt des Vertrages – auch zum Kauf der geschuldeten Ware am Markt verpflichtet.
In besonderen Fällen, wenn z.B. durch eine Krankheit oder einem Freiheitsentzug der
Schuldner überhaupt nicht in der Lage ist zu leisten, kann er im Sinne von § 242 von der
Beschaffungspflicht freikommen. Es besteht außerdem nur dann eine Haftung für eine
fehlgeschlagene Beschaffung, wenn der Schuldner mit seiner Sachkenntnis, seinen
geschäftlichen Verbindungen und seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten auch tatsächlich in
der Lage gewesen wäre dies zu leisten. Ist er das nicht, dann ist zu seinem Schutz kein
Beschaffungsrisiko (bei einer Gattungsschuld) anzunehmen, es sei denn, er sichert dies
ausdrücklich zu (dann ist es sein Problem). Ist die Beschaffung wirtschaftlich sinnlos, weil
sich z.B. der Preis der Sache auf dem Weltmarkt in der Zwischenzeit dramatisch erhöht hat,
so liegt eher eine wirtschaftliche Unmöglichkeit vor. In diesem Fall könnte man aber auch
einen Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 in Betracht ziehen.
Eine verschuldensunabhängige Haftung kann sich für den Schuldner auch daraus ergeben,
dass er eine Garantie übernommen hat (§ 276 I). So etwas passiert manchmal bei Kauf-,
Miet- oder Werkverträgen. Übernimmt der Schuldner eine Garantie für das Vorhandensein
einer bestimmten Eigenschaft einer Sache oder für den Bestand eines Rechts, so haftet er
automatisch, wenn die garantierte Eigenschaft nicht vorhanden ist. Die Zusicherung einer
Eigenschaft bedeutet inhaltlich:
Der Verkäufer übernimmt die Garantie für das Vorhandensein der Eigenschaften verbunden
mit dem Versprechen, für alle Folgen des Fehlens ohne weiteres Verschulden einstehen zu
wollen.
Man kann den Haftungsmaßstab auch vertraglich modifizieren z.B. durch AGB oder im
Rahmen von Individualvereinbarungen. Allerdings kann Haftung wegen Vorsatz nach § 276
III nicht erlassen werden, wohl aber nach § 278 S.2 bei Erfüllungsgehilfen.
Individualvereinbarungen gehen in der Regel immer vor. Für AGB verbietet § 309 Nr. 7 die
Haftungsmilderung bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten des Verwenders oder
seines Erfüllungsgehilfen. Allerdings können Spezialregelungen im besonderen Schuldrecht
vorgehen. So haftet der Schuldner nicht für leichte Fahrlässigkeit bei der Schenkung (§ 521),
bei der Leihe (§ 599) sowie bei der Geschäftsführung ohne Auftrag zur Gefahrenabwehr (§
680). Ähnliches gilt nach § 300 I auch, wenn der Gläubiger im Annahmeverzug ist. Ist der
Schuldner jedoch seinerseits im Verzug, so muss er nach § 287 sogar schärfer haften, auch für
Zufall, es sei denn, der Untergang wäre auch ohne sein Zutun erfolgt.
3.2.3 Unmöglichkeit
Trotz ursprünglicher Unmöglichkeit ist ein Vertrag nach § 311a I wirksam (vor der Schuldrechtsreform war ein solcher Vertrag nichtig! Dadurch, dass der Vertrag grundsätzlich
wirksam ist, kommt ein Schuldverhältnis zustande, welches zum Schadensersatz berechtigt).
Damit steht die ursprüngliche Unmöglichkeit einer nachträglichen Unmöglichkeit zunächst
gleich.
Nach § 275 I ist bei Unmöglichkeit (subjektiv, objektiv, nachträglich, ursprünglich) die
Leistungspflicht natürlich ausgeschlossen. Die Gegenleistungspflicht bestimmt sich nach §
326. Nach § 275 II ist eine Pseudo-Unmöglichkeit vorhanden, wenn der Aufwand zur
Leistung unverhältnismäßig groß im Vergleich zur Leistung wäre und in einem starken Missverhältnis zur Gegenleistung stehen würde.
Bsp.: S schuldet B einen Ring im Wert von 1 €. Vor Übergabe fällt der Ring in einen See. Der
See könnte trocken gelegt werden. Voraussichtliche Kosten: 10 Mio. €.
Nach § 275 III kann die persönliche Leistung auch aufgrund besonderer Umstände
verweigert werden.
Bsp.: Aufgrund der Krankheit seines Kindes muss der Vater der Arbeit (Dienstvertrag) fern
bleiben.
§ 275 II und § 275 III normieren somit Leistungsverweigerungsrechte, die im Prinzip einer
Unmöglichkeit gleichgesetzt werden.
Zur Bestimmung, ob tatsächlich eine Unmöglichkeit vorliegt, ist es von Bedeutung, ob eine
Stück- oder Gattungsschuld geschuldet wurde. Bei einer Stückschuld ist eine unmögliche
Leistung auch objektiv unmöglich, während bei einer Gattungsschuld zunächst gefragt
werden muss, ob sie konkretisiert wurde oder nicht. Wenn ja, dann ist es eine Stückschuld.
Wenn nein, dann kann von objektiver Unmöglichkeit nicht die Rede sein, soweit
vergleichbare Sachen mittlerer Art und Güte auf dem Markt verfügbar sind, denn bei einer
Gattungsschuld übernimmt der Schuldner grundsätzlich ein Beschaffungsrisiko, was er
nach § 276 I S.1 immer zu vertreten hat. Fraglich ist nur, ob es sich um eine marktbezogene
oder lediglich produktionsbezogene (beschränkt auf die eigene Produktion des Schuldners)
Gattungsschuld handelt. Ist eine Beschaffung nicht möglich, so liegt eine subjektive
Unmöglichkeit, das so genannte Unvermögen, vor.
Aus diesem Grund differenzieren wir:
Stückschuld:
-
-
-
-
-
Physische Unmöglichkeit: Das Stück existiert nicht mehr, wurde zerstört, etc. Es
muss sich um eine erhebliche Beschädigung handeln (50% aufwärts). Spezialfälle sind
die Zweckerreichung und der Zweckfortfall, wo der Leistungserfolg schon bereits
ohne die Leistungshandlung des Schuldners eingesetzt hat. Dabei muss es sich um den
konkret geschuldeten Leistungserfolg handeln (nicht lediglich wirtschaftlich
gleichwertig).
Rechtliche Unmöglichkeit: Es tritt eine Rechtssituation ein, die die angestrebte
Vertragsleistung unmöglich macht.
Bsp.: Eigentumsübergang (gutgläubig),
gesetzliches Lieferverbot für eine bestimmte Ware, Auslaufen der Arbeitserlaubnis
eines ausländischen Arbeitnehmers
Zeitliche Unmöglichkeit: Bei relativen Fixgeschäften (Zeitpunkt nicht unbedingt
wichtig, führt zu Verzögerungsfolgen) und bei absoluten Fixgeschäften (Zeitpunkt
ausschlaggebend für Leistungserfolg) ist der vereinbarte Zeitpunkt nicht eingehalten,
nach dem die Leistung für den Gläubiger keinen Sinn mehr macht. Vorübergehende
Hindernisse sind nicht gemeint, sie führen allein zu Schuldnerverzug. Dieser Punkt
gilt nur dann, wenn das Ende des Hindernisses nicht absehbar ist und ein weiteres
Zuwarten nicht zugemutet werden kann
Praktische (faktische Unmöglichkeit): Es gibt Leistungen, die man theoretisch, aber
praktisch nicht erbringen kann, weil der Aufwand zu groß wäre (PseudoUnmöglichkeit nach § 275 II). Dabei misst sich die Zumutbarkeit auch daran, ob der
Schuldner das Leistungshindernis selbst zu vertreten hat (§ 275 II S.2)
Praktisches (faktisches) Unvermögen: Dem Schuldner ist die Leistung unmöglich
geworden (z.B. vorübergehender Diebstahl). Andere könnten leisten, er selbst aber
nicht (ähnlich zu Gattungsschuld)
Gattungsschuld:
Fraglich ist immer, ob eine Konkretisierung stattgefunden hatte. Will der Schuldner aus
seinem Lager leisten (z.B. Räumungsverkauf), so liegt eine Lagerschuld oder eine
Vorratsschuld vor. Dann ist die Leistung unmöglich, wenn das Lager leer oder zerstört ist.
Ist die Konkretisierung einmal erfolgt, gelten die gleichen Unmöglichkeitsfolgen wie oben bei
der Stückschuld. Eine Konkretisierung tritt auch ein, wenn der Gläubiger im Verzug der
Annahme ist, da nach § 300 II dann die Leistungsgefahr auf den Gläubiger übergeht. Geht
der Gegenstand nach Gefahrübergang unter, so muss der Schuldner nicht noch einmal leisten,
da das Schuldverhältnis nach § 300 II auf den Gegenstand beschränkt ist. Ein Schadensersatzanspruch des Gläubigers ist nach § 300 I dann nicht möglich, wenn der Gegenstand
lediglich durch eine leichte Fahrlässigkeit des Schuldners oder seines Erfüllungsgehilfen
nach § 278 untergegangen ist. Wird die Leistung so angeboten wie nötig (§ 294) (z.B. durch
Anlieferung eines Fernsehers erfolgt die Konkretisierung bereits mit der Lieferung) dann ist
die Konkretisierung schon erfolgt. § 300 II regelt aber nicht nur die Fälle, wo ein tatsächliches
Angebot nach § 294 erfolgt ist, sondern auch solche, wo nach §§ 295, 296 lediglich ein
wörtliches Angebot nach § 295 erfolgt und der Gläubiger erklärt, er nähme nicht an, was
einem Gläubigerverzug gleichkommt. Ein lediglich wörtliches Angebot ist sogar entbehrlich,
wenn nach § 296 die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt ist oder ein bestimmtes
Ereignis, welches nach dem Kalender bestimmt werden kann, dafür maßgebend ist. Die
Frage des Gläubigerverzuges wird weiter unten behandelt. Es sei nur noch erwähnt, dass sich
Gläubigerverzug und Unmöglichkeit der Leistung nach § 297 gegenseitig ausschließen.
Ein besonderer Fall ist gegeben, wenn die Sache mangelhaft ist. Dann hat der Schuldner
nicht eine Sache mittlerer Art und Güte geleistet. Folglich ist noch nicht durch den
Schuldner konkretisiert worden. Verlangt der Gläubiger jedoch nach § 437 nicht
Nachlieferung eines mangelfreien Gegenstandes, sondern Mängelbeseitigung, den
Rücktritt, die Minderung oder den Schadensersatz, so beschränkt er das Schuldverhältnis
selbst auf den mangelhaften Gegenstand. Sind die Fristen der Nacherfüllung (Nachlieferung)
nach § 438 verjährt, so tritt die Konkretisierung auch automatisch ein. Eine mangelhafte
Gattungsschuld führt nach § 433 I S.2 nicht zur Erfüllung, da der Schuldner die Beschaffung
einer mangelfreien Sache schuldet. Bei Fortbestand der Gattung besteht weiterhin die Pflicht,
ein mangelfreies Exemplar dieser Gattung zu beschaffen. Handelt es sich jedoch um eine
mangelhafte Stückschuld, so tritt Erfüllung ein, wenn die Primärleistungspflichten erfüllt
wurden (beim Kaufvertrag Übergabe und Übereignung der Sache). Anstatt Nachlieferung
kann der Gläubiger dann eine Mängelbeseitigung verlangen.
Ist die Sache noch nicht übereignet worden (Eigentumsvorbehalt nach § 449), so ist auch
noch nicht erfüllt worden. Allerdings geht durch die Übergabe des Gegenstandes nach § 446
die Gefahr selbst eines zufälligen Untergangs auf den Käufer über, so dass hier
automatisch eine Konkretisierung erfolgt ist. Wird dann der Gegenstand (= Stückschuld) vor
der endgültigen Übereignung zerstört, so handelt es sich um einen Fall der nachträglichen,
physischen Unmöglichkeit.
Eine so genannte De-Konkretisierung einer bereits konkretisierten Gattungsschuld oder einer
Stückschuld, bei der der Schuldner selbst noch eben schnell ein Ersatzgerät verschaffen will,
um einem möglichen Schadensersatzanspruch zu entgehen, ist nach der Rechtsprechung des
BGH nicht erlaubt. Ist die Konkretisierung einmal erfolgt, so beschränkt sich das
Schuldverhältnis auch auf diese Sache.
Der Fall der subjektiven Unmöglichkeit oder des Unvermögens ist gegeben, wenn der
Schuldner nicht leisten kann, ein Dritter schon und dieser Dritte auch leisten könnte. Dies
entspricht einem Unvermögen im engen Sinne. Ein Unvermögen im weiten Sinne wäre
gegeben, wenn ein Dritter die Sache hätte, aber nicht klar ist, ob der Dritte leisten kann (will)
oder nicht. Nur das Unvermögen im engen Sinne ist eine subjektive Unmöglichkeit.
Nachdem nun einmal eine Unmöglichkeit vorliegt, stellt sich die Frage, ob nach § 280 I eine
Pflichtverletzung vorliegt, die zu Schadensersatz berechtigt. Dazu muss der Schuldner die
Unmöglichkeit zu vertreten haben. Dabei liegt die Beweislast beim Schuldner. Er selbst
muss im Zweifel beweisen, dass er die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat.
Wird der Schuldner nach § 275 I-III von seiner Leistungspflicht befreit, so kann der Gläubiger
nach § 280 I Schadensersatz verlangen, wenn der Schuldner (Vorsatz, Fahrlässigkeit oder
Beschaffungsrisiko) dies zu vertreten hat. Der Primärleistungsanspruch ist untergegangen und
ein Sekundärleistungsanspruch tritt nun an seine Stelle. § 275 I, II gilt auch in den Fällen, wo
lediglich eine Teilleistung unmöglich wird. Dann ist zu untersuchen, ob der Gläubiger ein
Interesse an der Teilleistung hat. Der Gläubiger kann nur dann Schadensersatz statt der
Leistung nach § 281 I S.2 anstatt der ganzen Leistung verlangen, wenn ihm die erbrachte
Teilleistung uninteressant ist. Ist die Pflichtverletzung unerheblich, so kommt diese nach §
281 I S.3 nicht in Betracht. Ist das Schuldverhältnis teilbar, so kann der Gläubiger den Teil
annehmen, der vertragsgemäß erbracht wurde und nur für den nicht erbrachten Teil
Schadensersatz nach §§ 280 I, 283, 281 I S.1 verlangen.
Bsp.: V verpflichtet sich zur Lieferung von 10 Baukränen, ist aber nur in der Lage 7 Kräne zu
liefern. K kann nun nach §§ 280, 283, 281 I S.1 Schadensersatz verlangen, also Ersatz der
Mehraufwendungen für 3 Baukräne verlangen, welche ihm durch einen anderweitigen
Erwerb entstehen.
Wird Schadensersatz statt der Leistung für die ganze Leistung verlangt, so müssen die
erbrachten Teilleistungen nach § 281 V zurückgewährt werden.
Bekommt der Schuldner einen Ersatz aufgrund eines Umstandes (adäquater
Ursachenzusammenhang), wegen dem die Unmöglichkeit eingetreten ist (z.B. Unfall und dem
daraus entstandenen Versicherungsschaden), so kann der Gläubiger nach § 285 I den
erhaltenen Ersatz (hier die Versicherungssumme) einfordern. Fordert er aber gleichzeitig
Schadensersatz statt der Leistung, mindert sich dieser nach § 285 II um den Wert des
erhaltenen Ersatzes. Für § 285 ist es gleichgültig, ob der Schuldner die Unmöglichkeit zu
vertreten hat oder nicht. Für den adäquaten Ursachenzusammenhang genügt es, wenn
zwischen dem unmöglich machenden Umstand und dem anspruchsbegründenden Umstand
eine wirtschaftliche Einheit besteht. So gilt § 285 auch in dem folgenden Fall:
V und K einigen sich über den Kauf eines PKW im Wert von 9000,-€. Vor Übereignung an K
verkauft V den PKW an D für 10.000,- €. Übereignung und Übergabe an D ist erfolgt. Damit
ist V die Leistung an K unmöglich geworden. Der unmöglich machende Umstand ist die
Übereignung des PKW an D aufgrund eines Kaufvertrages (anspruchsbegründender
Umstand). K kann von V die Herausgabe von 10.000,- € als Ersatz verlangen. Nach der
Differenzmethode stehen K 1000,- € zu.
Herausgeben muss der Schuldner dabei alles, was er erlangt hat, also auch einen erzielten
Gewinn.
Sind die Voraussetzungen des § 280 I erfüllt (Vertretenmüssen), so kann der Gläubiger
grundsätzlich wählen, ob er Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 283 oder
stattdessen nach §§ 284 i.V.m. 280 I,III, 283 Ersatz seiner Aufwendungen verlangen will.
Aufwendungen im Sinne des § 284 sind alle Vermögensopfer, die der Gläubiger im Hinblick
auf den Erhalt der vereinbarungsgemäßen Leistung getätigt hat. Dazu gehören z.B. die so
genannten Vertragskosten, also die Kosten für die Übergabe, Versendung und Beurkundung,
auch Zölle und Frachtkosten, sowie die Kosten für Einbau und Montage.
Keine Rolle spielt es, ob die Aufwendung zur Verfolgung wirtschaftlicher oder rein ideeller
oder konsumtiver Zwecke gemacht wurde. Hier handelt es sich um einen Vertrauensschaden
analog zu § 122, allerdings unbegrenzt in der Höhe (im Gegensatz zu § 122, dort begrenzt
durch das positive Interesse). Dies ist dann sinnvoll, wenn die gemachten Aufwendungen
höher sind als der zu erwartende Schadensersatz statt der Leistung.
Außerdem kann er nach §§ 326 V, 325 bei einem gegenseitigen Vertragsverhältnis vom
Vertrag zurücktreten ohne jede vorherige Fristsetzung.
Kann der Schuldner nicht mehr leisten, so stellt sich die Frage, was mit der Gegenleistung
passiert. Die Gegenleistungsgefahr regelt § 326. Eine Gegenleistung ist dabei immer eine
Geldleistung (mit Ausnahme des Tauschgeschäfts). Eine Geldleistung schuldet man immer,
sie kann also nicht unmöglich werden. Infolgedessen kann es sich mit der Gegenleistung nur
um die Gegenforderung handeln, die üblicherweise in Geld bemessen ist. Hat der Gläubiger
die Unmöglichkeit auf der Seite des Schuldners nicht zu verantworten, so wird dieser nach §
326 I S.1 grundsätzlich von der Gegenleistung befreit. Für unmöglich gewordene
Teilleistungen ist § 441 III zu beachten. Dabei ist die Gegenleistung um den Betrag
prozentual abzumindern, in dem der Wert der Teilleistung zum wirklichen Wert gestanden
hat.
Bsp.: Der Gesamtwert der Leistung ist 70 €. Unmöglich geworden ist hingegen eine Leistung
im Wert von 7 €. Dies sind 10%. Also ist die Gegenleistung, sagen wir 80 €, um ebenfalls
10% abzumindern.
Hat der Gläubiger jedoch den Umstand der Unmöglichkeit selbst zu verantworten oder tritt
die Unmöglichkeit nach dem Gläubigerverzug ein, so hat er nach § 326 II die volle Gegenleistung zu leisten. Dabei ist die Gegenleistung entsprechend zu vermindern, wenn der
Schuldner durch die Befreiung von der Leistung etwas erspart.
Bsp.: V vermietet an M einen PKW für eine Woche zum Preis von 700,- €. Am zweiten Tag
wird der PKW durch eine grobe Fahrlässigkeit des M gestohlen. Durch den Diebstahl erspart
sich V Aufwendungen in Höhe von 100,- €, da er keine Wartung und Endreinigung
durchführen muss. Hier muss M nur 600 ,- € zahlen.
Geht der Gegenstand bei Gläubigerverzug (= Stückschuld nach § 300 II) unter, aber hat der
Schuldner dies zu vertreten (nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nach § 300 I) und hat der
Gläubiger schon seine Gegenleistung bezahlt, so ist die erbrachte Gegenleistung immer der
Mindestschaden. In diesem Fall erhält der Gläubiger die erbrachte Gegenleistung
zurückerstattet. Nur in dem Fall, wenn der Gegenstand bei Gläubigerverzug durch leichte
Fahrlässigkeit des Schuldners oder seines Erfüllungsgehilfen nach § 278 untergeht oder durch
einen vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstand, ist der Gläubiger der Dumme.
Allerdings trifft den Schuldner nach § 280 I S.2 dann die Beweislast. Hat der Gläubiger die
Unmöglichkeit nach § 326 II allein zu vertreten, so ist es nur recht und billig, dass der
Schuldner die fällige Gegenleistung erhält. Hier ist der Gläubiger also immer der Dumme.
Die § 326 II ist jedoch eine Ausnahmevorschrift zu § 326 I. Somit ist das Vorliegen des § 326
I zunächst zu prüfen und anschließend auf die Ausnahmen einzugehen. Hat der Schuldner
eine Teilleistung erbracht hat und der Gläubiger an der Teilleistung noch Interesse, dann
kommt lediglich eine Minderung der Gegenleistung nach § 441 III in Betracht.
Weitere Ausnahmen sind die §§ 446 S.1, 447 I. Die Gegenleistungsgefahr geht beim
Kaufvertrag automatisch auf den Käufer über, wenn diesem nach § 446 die Sache übergeben
wurde. Ist noch keine Übereignung erfolgt, spricht man von einem Eigentumsvorbehalt.
Wäre die Übereignung schon erfolgt, dann wäre ja erfüllt worden und damit die
Gegenleistung sowieso fällig. Geht die Sache danach unter (auch zufällig), so behält der
Verkäufer den Gegenleistungsanspruch. Dies schützt den Verkäufer, denn er hat keine
Einwirkung mehr auf den Kaufgegenstand. Verlangt der Käufer von sich aus eine
Schickschuld (den Versand), dann findet nach § 447 I der Gefahrübergang dann statt, wenn
der Verkäufer die Sache an die Versandperson übergeben hat. Dies gilt aber nur, wenn der
Käufer dies ausdrücklich verlangt hat und der Versand nicht automatisch zur
Einflusssphäre des Verkäufers zählt. Der Käufer hat dann selbst für Transportschäden und
Verluste einzugestehen. § 447 I gilt nicht, wenn der Verkäufer die Versendung von sich aus
anbietet, vielleicht weil er ein Versandunternehmen (Quelle, etc.) betreibt. Der Gegenstand
bleibt dann fiktiv im Machtbereich des Verkäufers. § 447 I gilt somit nicht, der Gläubiger wird
also beim Untergang der Ware nach § 326 I von der Gegenleistung frei. Bei
Schuldverhältnissen zwischen Unternehmern und Verbrauchern gilt nach § 474 der § 447
nicht. Hier hat der Verkäufer das Transportrisiko immer zu tragen. Fraglich ist jedoch, was
der Käufer verlangen kann, wenn er zwar die Gegenleistung entrichten muss, aber der
Untergang während des Versands z.B. durch einen Dritten (z.B. Taxifahrer) passiert. Hier
wendet man die Theorie der Drittschadensliquidation an. Da das Eigentum des Verkäufers
geschädigt wird (da noch nicht übereignet wurde), haftet der Dritte aus unerlaubter Handlung.
Den dadurch entstandenen Schadensersatzanspruch des Verkäufers gegen den Dritten kann
der Käufer als Ersatz aus § 285 herausverlangen.
Sonderregelungen findet man in auch im Werkvertragsrecht. Nach der Abnahme nach § 644
I geht die Gefahr auf den Besteller über. Dies gilt auch, wenn der Besteller im
Annahmeverzug ist. Versendet der Unternehmer das Werk zum Besteller, so gilt nach § 644
II § 447 aus dem Kaufrecht analog. Werke sind typischerweise wiederholbar. Nach dem
Gefahrübergang muss der Unternehmer allerdings nicht noch einmal leisten (wiederholen).
Eine Sonderregelung trifft § 645, wenn vor der Abnahme das Werk verschlechtert wird oder
untergeht aufgrund eines mangelhaften Stoffes des Bestellers ohne eine eigene Schuld des
Unternehmers. Dann ist der Besteller zur teilweisen Werklohnzahlung verpflichtet. Liegt
keine Unmöglichkeit vor, d.h. ist das Werk wiederholbar, muss der Unternehmer zwar noch
einmal leisten, erhält aber dafür auch noch einmal die volle Vergütung. § 645 gilt somit nur
für den alten Teilvergütungsanspruch für das untergegangene alte Werk. Fraglich ist jedoch,
ob der Besteller den Mangel seines Stoffes bei Unmöglichkeit zu vertreten hat. Denn dann
wäre nach § 326 II sogar der volle Vergütungsanspruch möglich. Man kann den
Rechtsgedanken des § 645 I S. 1 auch analog anwenden, wenn die Unausführbarkeit auf
einem Mangel in der Person des Bestellers beruht oder der Untergang/die Verschlechterung/Unausführbarkeit auf einer gefahrerhöhenden Handlung des Bestellers beruht oder
er näher an der Gefahrenquelle dran war und die gefahrerhöhenden Umstände eher hätte
erkennen können. Weitere Fälle sind die Zweckerreichung und der Zweckfortfall, die durch
den Besteller selbst eintreten.
Bsp.: B ist Eigentümer eines Autos, das nicht anspringt. Nach stundenlangem Rumorgeln
entschließt sich B, den Unternehmer U anzurufen, der ihm den Wagen reparieren soll. Kurz
bevor U erscheint, probiert B es noch einmal, und der Wagen springt sofort an.
Letzteres würde im Gegensatz zu §§ 284, 280 I, III i.V.m. 283, 275 I auch dann zum Ersatz
der entstandenen Aufwendungen berechtigen, wenn der Schuldner (hier B) den Umstand nicht
zu vertreten hat.
Für den Fall des § 285 (Herausverlangen des als Ersatz Erhaltenen) regelt § 326 III bei
gegenseitigen Verträgen eine weitere Ausnahme. Ist der Ersatz genauso viel wert wie die
Gegenleistung, so muss der Gläubiger die volle Gegenleistung erbringen (nach der
Berechnung des Schadens nach der Differenzmethode heißt das schlicht, das er gar nichts
leisten muss! Wohl stehen ihm aber Schadensersatzansprüche statt der Leistung zu, wenn der
Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat). Ist der Ersatz weniger wert, dann mindert sich
auch die zu erbringende Gegenleistung entsprechend nach § 441 III.
Ist eine Gegenleistung bereits erbracht worden, obwohl sie nach § 326 I eigentlich nicht
geschuldet war, so kann der Gläubiger die Gegenleistung nach § 326 IV zurückfordern.
Dem Gläubiger steht nach §§ 325, 326 V auch das Recht zum Rücktritt nach § 323 zu. Da
die Leistung unmöglich ist, ist eine Nacherfüllung natürlich auch nicht möglich. Folglich ist
eine Fristsetzung entbehrlich. Dann treten die typischen Folgen eines Rücktritts ein, die
primären Leistungspflichten erlöschen, die bereits erbrachten Leistungen und
Gegenleistungen werden zurückgewährt. Da der Gläubiger, wenn die Unmöglichkeit nicht
von ihm, sondern dem Schuldner zu vertreten ist, mindestens das erbrachte Entgelt als
Mindestschaden ersetzt verlangen kann, ist die Rückzahlung einer einmal erbrachten
Gegenleistung ohnehin gesichert. Der Rücktritt ist also nur dann interessant, wenn die
Gegenleistung nicht in Geld erbracht wurde, weil dann ein auf Geld gerichteter
Schadensersatz keine Hilfe wäre. Wurde die Gegenleistung durch den Rücktritt bereits
zurückgewährt, so umfasst der Schadensersatzanspruch natürlich nicht mehr die erbrachte
Gegenleistung als Mindestforderung.
Zur Berechnung des Schadensersatzes werden üblicherweise 2 Methoden angewendet, die
Surrogationsmethode oder den großen Schadensersatz, wo der Gläubiger seine
Gegenleistung erbringt und dafür den vollen Wert der Leistung erhält. Oder die
Differenzmethode oder den kleinen Schadensersatz, d.h. der Gläubiger erhält nur die
Differenz zwischen Leistung und Gegenleistung. Dann braucht er seine Gegenleistung nicht
voll zu erfüllen. Im Fall, wenn die Gegenleistung nicht in Geld bemessen wird, wie beim
Tausch, kann es allerdings manchmal sinnvoll sein, die Gegenleistung zunächst voll zu
erbringen. Die § 326 I und 280 I bilden zusammen ein Regelungsgefüge. Es kann also nicht
sein, dass der Gläubiger zunächst seine Gegenleistung verweigert und anschließend den
vollen Wert der Leistung „statt Erfüllung“ erhält. Hier ist grundsätzlich nach der
Differenzmethode abzurechnen. Es findet also nach § 249 I ein Vermögensvergleich statt
zwischen der Lage vorher (real) und nachher (fiktiv, nach der Erfüllung). Dabei ist zu
unterscheiden zwischen einer abstrakten Schadensberechnung, bei der rein objektiv die
Differenz des Marktwertes der gekauften Sache und des Vertragspreises, die sich zu
Gunsten des Gläubigers ergibt, ermittelt wird oder einer konkreten Schadensberechnung,
bei der rein subjektiv die Vermögenslage (vor und nachher) des Gläubigers zu Grunde
gelegt wird, wobei jedoch auch eine subjektive Gewinnerwartung berücksichtigt werden
kann, wobei allerdings alle für die Gewinnerwartung verwerteten Tatumstände konkret
nachgewiesen werden müssen. Ist eine Gegenleistung einmal erbracht worden, ist diese
immer die Mindestleistung an Schadensersatz. Außerdem kann nach § 285 I das als Ersatz
Erhaltene herausverlangt werden. In diesem Fall ist nach § 285 II immer die
Differenzmethode anzuwenden.
Nach § 311a I ist ein Vertrag, der anfänglich unmöglich ist, trotzdem wirksam. Für die Frage
einer Schadensersatzforderung ist es unerheblich, ob der Schuldner die Unmöglichkeit selbst
zu vertreten hat oder nicht. Ein Schadensersatz muss nur dann nicht geleistet werden, wenn
der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und diese
Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat. Sonst analog zu §§ 283, 284.
3.2.4 Leistungsverzögerung und Schuldnerverzug
Wird eine Leistung nicht am richtigen Ort oder zur richtigen Zeit erbracht, so tritt eine
Leistungsverzögerung ein. Die Leistungsverzögerung ist lediglich eine vorübergehende
Leistungsverhinderung. Ein Schuldnerverzug ist ein Sonderfall einer Leistungsverzögerung.
Er tritt unter den in § 286 beschriebenen Bedingungen ein.
Verzug = zu vertretende Nichtleistung trotz Fälligkeit, Vollwirksamkeit, Möglichkeit und
Mahnung (oder Mahnungsersatz).
Im Gegensatz zur Unmöglichkeit ist die Leistung weiterhin möglich, also nachholbar.
Folglich muss dem Schuldner die Chance eingeräumt werden, seine Leistung noch zu
erbringen. Zum Eintritt des reinen Schuldnerverzuges ist demnach mindestens eine
Mahnung oder ein dieser entsprechender Ersatz nach § 286 nötig. Tritt Schuldnerverzug nach
§ 286 ein, so kann der Gläubiger nach § 280 I, II den Ersatz des ihm durch die Verzögerung
entstandenen Schadens verlangen (allerdings nur, wenn der Schuldner den Verzug nach § 280
I zu vertreten hat. Dies ist wiederum nach § 276 zu bestimmen). Verzugszinsen gehören nach
§ 288 auch dazu. Dabei bleibt das Erfüllungsinteresse bestehen. Allerdings kann bei einer
reinen Leistungsverzögerung, die kein Verzug sein muss, bei gegenseitigen Verträgen auch
das Rücktrittsrecht nach § 323 in Anspruch genommen werden mit den üblichen Folgen
gemäß §§ 346. Hier ist jedoch zunächst eine Nachfrist zu setzen. Erst, wenn diese vergeblich
war oder die in § 323 II umschriebenen Gründe vorliegen, kann der Gläubiger zurücktreten.
Nach § 325 ist daneben aber weiterhin ein Schadensersatzanspruch möglich. So kann der
Gläubiger dann zusätzlich Schadensersatz statt der Leistung nach § 280 I,III, 281 I S.1
verlangen, wenn eine Nachfristsetzung erfolglos war oder die in § 281 II umschriebenen
Ausschlusstatbestände vorliegen. Nach § 281 III wird in diesen Fällen die Fristsetzung
durch eine Abmahnung ersetzt. Beim Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung ist
grundsätzlich kein Erfüllungsinteresse mehr vorhanden. Wird lediglich Schadensersatz statt
der Leistung verlangt, so treten nach § 281 V zwar auch die Folgen eines Rücktritts ein, aber
man beachte, dass nach § 281 II,III teilweise andere Bedingungen für einen Ausschluss einer
Fristsetzung gelten als in § 323 II umschrieben sind. Außerdem ist § 323 nur bei
gegenseitigen Verträgen anwendbar und gilt im Gegensatz zu einem Rücktritt nach §§ 280
I,III, 281 verschuldensunabhängig.
Die Frist zur Nachholbarkeit der Leistung nach § 281 I S.1 oder § 323 I muss angemessen
sein.
Eine Frist ist angemessen, wenn der Schuldner dadurch in die Lage versetzt wird, die bereits
in Angriff genommene Leistung zu vollenden. Nicht nötig ist es, die Frist so lange zu
bemessen, dass der Schuldner die noch gar nicht begonnene Leistung anfangen und fertig
stellen kann. Vereinbart ein Schuldner in den AGB eine derart lange Frist, so ist diese
Klausel nach § 308 Nr. 2 unwirksam.
Bei Teilleistungen braucht der Rücktritt nach § 323 V, soweit der Gläubiger mit den schon
bereits erbrachten Leistungen zufrieden ist, nur auf den noch nicht geleisteten Teil
angewendet werden, wobei der Gläubiger für die erbrachten Leistungen seine Gegenleistung
entrichten muss. Ein Rücktritt ist nach § 323 VI jedoch ausgeschlossen, wenn der
Gläubiger selbst für den zum Rücktritt berechtigenden Umstand verantwortlich ist oder er
im Gläubigerverzug ist. Während beim Rücktritt und dem Schadensersatz statt Erfüllung die
Primärleistungspflichten verloren gehen, ist bei Verzug nach § 286 eine Erfüllung weiterhin
möglich. Um den Schuldner in Verzug zu setzen, bedarf es jedoch üblicherweise einer
Mahnung.
Eine Mahnung ist eine bestimmte und eindeutige Aufforderung, mit der der Gläubiger
unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt.
Die Mahnung ist eine formlose dringende Aufforderung an den Schuldner, die Leistung zu
erbringen. Eine Mahnung ist bedingungsfeindlich und muss einigermaßen bestimmt sein. Sie
muss weder eine Fristsetzung noch die Androhung bestimmter Folgen enthalten. Wird in der
Mahnung zu wenig als die eigentliche Leistung gefordert, so kommt der Schuldner nur mit
der gemahnten Leistung in Verzug. Wird zuviel gefordert, so ist die Mahnung trotzdem
wirksam, wenn der Schuldner erkennen konnte, dass der richtige Betrag gemeint war. Bei
Falschforderungen (etwa zur Lieferung an einen nicht vereinbarten Ort) ist die Mahnung
grundsätzlich unwirksam, nur geringfügige Abweichungen können im Einzelfall unbeachtlich
sein. Die Mahnung muss zeitlich nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgen. Sie kann auch
bereits in Verbindung mit der fälligen Leistung ausgesprochen werden.
Bsp.: K mahnt, dass eine nicht fristgemäße Lieferung Konsequenzen haben werde.
Eine Mahnung ist dann entbehrlich, wenn nach § 286 II Nr.1 eine Zeit nach dem Kalender
bestimmt ist (Bsp.: Spätestens am 1.2., Bis Ende März, 3 Wochen nach Ostern) oder nach §
286 II Nr.2 mit einem bestimmten Ereignis verbunden ist, welches wiederum nach dem
Kalender bestimmt werden kann (Bsp.: 3 Wochen nach Lieferung, 2 Wochen nach Abruf, 1
Jahr nach Baubeginn) . Nach § 286 II Nr.3 ist eine Mahnung entbehrlich, wenn der Schuldner
die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Außerdem kann der Schuldner sich auch
selbst mahnen.
Bsp.: K versichert dem V, er werde den geschuldeten Wagen bis spätestens 4.3. vorbei
bringen.
Letztlich können besondere Umstände nach § 286 II Nr.4 vorliegen, wenn „unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen“ der sofortige Verzugseintritt auch aus besonderen
Gründen gerechtfertigt ist (z.B. wenn ein Schuldner durch sein Verhalten die Mahnung
verhindert, indem er sich der Mahnung entzieht oder wenn es sich um Pflichten handelt,
deren Erfüllung besonders eilig ist (z.B. Wasserrohrbruch und Handwerker kommt zu spät)).
Nach § 286 III gilt außerdem die 30-Tage-Regelung. Ein Schuldner kommt 30 Tage nach
Rechnungserhalt automatisch in Verzug. Bei Verbrauchern gilt dies nur, wenn ausdrücklich
darauf hingewiesen wurde. Ist der Rechnungserhalt nicht sicher, so kommt der Schuldner, der
nicht Verbraucher ist, 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
Der Schuldner kann nur in Verzug geraten, wenn die Leistung fällig (im Zweifel § 271) und
einredefrei ist (keine Verjährung nach § 214, kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 273
oder § 320, beim § 273 muss der Schuldner die Einrede vor oder bei Eintritt der
Verzugsvoraussetzungen geltend machen, damit der Gläubiger noch die Gelegenheit hat, nach
§ 273 III eine Sicherheit zu erbringen). Nach dem Schuldverhältnis schuldet der Schuldner
nicht nur die Leistungshandlung, sondern auch den Eintritt des Leistungserfolges. Bei
Hol- oder Bringschuld ist das klar. Bei Schickschuld wird es jedoch als ausreichend
angenommen, wenn der Leistungsgegenstand rechtzeitig an die Versandperson übergeben
wurde, so dass der Schuldner die Verzögerung eines Leistungsgegenstandes nach § 286 IV
auch gar nicht zu vertreten hat. Dabei findet jedoch eine Beweislastumkehr statt. Der
Schuldner ist es, der nachweisen muss, dass er die Nichtrechtzeitigkeit nicht zu vertreten hat.
Der Verzug dauert so lange, bis
- dem Schuldner die Leistung nicht mehr nachholbar (also unmöglich mit all ihren
Folgen) wird
- der Schuldner doch noch leistet
- dem Schuldner die Leistung gestundet wird
- die Verjährung eintritt
- der Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 wirksam ausübt
- der Gläubiger die Mahnung oder Klage zurücknimmt
- der Gläubiger die Geduld verliert und Schadensersatz wegen Nichterfüllung
(Vertretenmüssen (§ 280 I) der Nichtrechtzeitigkeit liegt nach § 286 IV ohnehin vor)
verlangt und/oder vom Vertrag zurücktritt.
Nach § 287 haftet der Schuldner auch für Zufall, wenn er in Schuldnerverzug geraten ist.
D.h. wird die Leistung nachträglich zufällig unmöglich, so muss er dies im Sinne von § 280 I
S.2 vertreten.
Bei der Ermittlung des Verzögerungsschadens ist die Differenz zwischen der Vermögenslage
des Gläubigers bei rechtzeitiger Erfüllung und der jetzigen tatsächlichen Vermögenslage nach
§ 249 festzustellen. Er umfasst in der Regel nach § 252 auch den entgangenen Gewinn. Es
muss stets ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Verzug und entstandenem Schaden
vorhanden sein.
Als Verzugsschaden können bei Geldschulden auch Zinsen nach § 288 I,II verlangt werden,
wobei nach § 289 keine Zinseszinsen verlangt werden dürfen. Dabei muss der Gläubiger
nicht nachweisen, dass ein Schaden entstanden ist. § 288 garantiert dem Gläubiger bei
Verzug unabhängig vom Eintritt und Nachweis eines Schadens eine Verzinsung. Die Höhe
der Verzugszinsen hängt davon ab, ob an dem Rechtsgeschäft ein Verbraucher beteiligt ist
oder nicht (Der Basiszinssatz beträgt nach § 247 I für das Jahr 3,62%). Ist ein Verbraucher
beteiligt, so wird nach § 288 I ein Zinssatz zu Grunde gelegt, der 5% über dem Basiszinssatz
liegt (also 8,62%). Sonst sind es (zwischen Unternehmern) nach § 288 II 8% über dem
Basiszinssatz, also 11,62%. Den vertragsschließenden Parteien steht es nach § 288 III frei,
höhere Zinssätze zu vereinbaren. Nach § 288 IV können auch weitergehende Schäden geltend
gemacht werden (wie bestimmte davon abweichende Kreditzinsen, die während des Verzugs
aufgebracht werden mussten).
Es können nach § 290 auch Zinsen auf den Wertersatz eines Gegenstandes verlangt
werden, der während des Verzugs untergegangen ist oder aus einem während des Verzugs
eingetretenen Grund nicht herausgegeben werden konnte.
3.2.5 Gläubigerverzug
Nach § 293 kann der Gläubiger in Annahmeverzug kommen. Hier kommen jedoch nicht so
strenge Folgen in Betracht wie beim Schuldnerverzug. Der Gläubiger ist grundsätzlich nicht
verpflichtet, die Leistung anzunehmen, er ist es nur sich selbst gegenüber.
Der Schuldner muss natürlich zur Leistung berechtigt sein (im Zweifel § 271). Dabei muss
das Leistungsangebot nach § 294 auch tatsächlich erfolgt sein (der Gläubiger braucht nur
zuzugreifen), jedoch nach § 299 nach Treu & Glauben nicht zur Unzeit (d.h. der Gläubiger
muss nicht die ganze Zeit zu Hause sitzen und darauf warten, dass irgendwann mal ein
Schuldner vorbeikommt), wenn die Leistungszeit nicht bestimmt ist. Nach § 295 genügt
lediglich ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger wörtlich die Annahme verweigert oder
wenn er die Sache abzuholen hat. Wenn nach § 296 die (Gegen-)leistungszeit nach dem
Kalender bestimmt werden kann, kommt der Gläubiger auch in Verzug, wenn er nicht
rechtzeitig seine Handlung vornimmt oder annimmt. Allerdings darf der Schuldner sich bei §
295 und § 296 auch keinen „Bluff“ leisten. Nach § 297 tritt kein Gläubigerverzug ein, wenn
der Schuldner selbst gar nicht in der Lage wäre zu leisten. Die dauernde Unmöglichkeit ist
dabei nicht gemeint. Diese fällt schon bei § 275 raus. Es geht hier um eine vorübergehende
Unmöglichkeit mit möglicher Nachholbarkeit der Leistung. Ist der Gläubiger selbst
verpflichtet zu leisten, so kann er nach § 298 auch in Verzug kommen, wenn er seine Leistung
selbst nicht anbietet. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht ausgeübt hat und er nur Zug um Zug gegen die Leistung des Gläubigers
bewirken muss.
Der Gläubiger gerät auch dann in Annahmeverzug, wenn ihn oder seinen Erfüllungsgehilfen
ein Verschulden nicht trifft.
Bsp.: Der Gläubiger steht im Stau und kommt zu spät. Dabei ist auf die Sicht des Schuldners
abzustellen, da er alle Vorkehrungen für eine Übergabe der Sache getroffen hat und dabei
möglicherweise auch Aufwendungen hatte. Aus der Sicht des Schuldners ist es grundsätzlich
unwichtig, warum der Gläubiger nicht ordnungsgemäß annimmt. Fakt ist, dass er nicht
ordnungsgemäß annimmt.
Nach dem Verzug muss der Schuldner nach § 300 I nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
vertreten. Auch tritt mit dem Verzug nach § 300 II die Konkretisierung einer Gattungsschuld
automatisch ein. Bei einem gegenseitigen Vertrag geht nach § 326 II außerdem die
Gegenleistungsgefahr auf den Gläubiger über, d.h. dass der Gläubiger muss zahlen, auch
wenn der Gegenstand nach Eintritt des Gläubigerverzuges untergegangen ist.
Während des Verzugs braucht der Schuldner nach § 301 keine Zinsen auf eine Geldschuld
zu bezahlen. Ein Ersatz von Mehraufwendungen steht ihm nach § 304 auch zu. Ist der
Schuldner verpflichtet Nutzungen zu ziehen und tut er dies nicht, so hat dieser üblicherweise
Wertersatz (siehe z.B. § 346 I) zu leisten. Im Falle des Gläubigerverzuges ist er allerdings
nach § 302 nicht verpflichtet, Nutzungen zu ziehen oder diese nachträglich zu ersetzen.
3.2.6 Positive Vertragsverletzung (p.V.V.)
Eine so genannte „negative“ Vertragsverletzung liegt dann vor, wenn die Hauptleistungs- und
Nebenpflichten des Vertrages verletzt werden. Zu solchen zählen die oben genannten Fälle
wie Unmöglichkeit und Verzug (sowie Verzögerung). Geht es jedoch nur um die Verletzung
von Schutz- und Obhutpflichten neben dem reinen Leistungsaustausch, so sprechen wir
von einer „positiven“ Vertragsverletzung. Da die p.V.V. auch bei gesetzlichen
Schuldverhältnissen wie G.o.A. Anwendung findet, wäre es auch sinnvoll besser von einer
positiven Forderungsverletzung zu sprechen, aber man hat sich auf den Begriff p.V.V.
geeinigt, auch wenn es sich nicht immer nur um Pflichtverletzungen bei Verträgen handelt.
Vor der Schuldrechtsreform wurde die p.V.V. in ihren Folgen (Schadensersatz oder Rücktritt)
analog zu den anderen leistungsbezogenen Pflichtverletzungen behandelt. Neuerdings kann
die p.V.V. über §§ 280, 281 jedoch auch direkt berücksichtigt werden. Grundsätzlich gilt das
Prinzip der Subsidiarität, d.h. zunächst sind die besonderen Regeln zu berücksichtigen
und erst wenn dies fehlschlägt, bleibt quasi noch die Möglichkeit der p.V.V. übrig. So gehen
natürlich im Kaufvertrag die Gewährleistungsregeln des § 437 vor. (Hier kann es aber
manchmal im Hinblick auf die kurzen Verjährungsfristen des § 438 sinnvoll sein, die p.V.V.
anzuwenden, da nach § 195 die Verjährungsfrist für die Anwendung von § 280 I nun 3 Jahre
beträgt (vor der Schuldrechtsreform betrug die Standardverjährungsfrist nach § 195 a.F.
allerdings 30 Jahre)). Auch im Werkvertragsrecht ist eine schlechte Arbeitsausführung nach
§§ 633-635 geregelt. Im Dienstvertrag (§§ 611-630) finden sich solche Regelungen hingegen
nicht. Welcher Vertragstyp vorliegt ist auch wichtig für die Frage, ob vielleicht die Haftungsmaßstäbe verändert sind wie z.B. bei der Schenkung (§ 521).
Man unterscheidet primär zwischen der (gewähr)leistungsbezogenen p.V.V. und der
(gewähr)leistungsunabhängigen (oder auch „leistungsbegleitenden“) p.V.V. Beim ersteren
Fall werden aufgrund mangelhafter Leistung solche Integritätsinteressen verletzt, die eng mit
der mangelhaften Leistung zusammenhängen. Man spricht auch von Leistungsstörungen im
engeren Sinne.
Bsp.: V veräußert K ein Bücherregal. Nachdem K das Regal in seine Wohnung gebracht und
Bücher darauf gestellt hat, kracht es zusammen. Das Regal ist zerbrochen, die Bücher
beschädigt, ein vor dem Regal stehendes Aquarium wird zerstört.
Bei der gewährleistungsunabhängigen p.V.V. sind es eher Leistungsstörungen im weiteren
Sinne. Hier werden ausschließlich Integritätsinteressen verletzt. Hier gibt es auch keine
besonderen Regelungen im besonderen Schuldrecht, die vorgehen, d.h. hier handelt es sich
um die „nackte“ p.V.V.. Manchmal kommt man aber auch mit dem Deliktsrecht (§§ 823853) weiter.
Bsp.: V verkauft K einen gebrauchten PKW (Stückschuld) zum Preis von 10.000 ,- €. Bei der
Übergabe der Papiere in der Wohnung des V beschädigt K fahrlässig eine wertvolle Vase.
Die Pflichtverletzung muss allerdings auch rechtswidrig sein. In der Regel sind objektive
Pflichtverletzungen immer wider das Recht, es sei denn es bestehen Rechtfertigungsgründe.
Bei der p.V.V. besteht bereits ein Schuldverhältnis. Folglich kann man sich an den Normen
des bestehenden Schuldverhältnisses orientieren, an die sich die Parteien des Schuldverhältnisses zu halten haben. Wer eine solche dort umschriebene Pflicht verletzt, handelt
deshalb grundsätzlich auch (schuldverhältnis-)normwidrig. Auch muss der Verletzer die
Pflicht zu vertreten haben (folgt aus § 280 I S.2 mit Beweislastumkehr). Es kann auch über §
278 zugerechnet werden. Ein Mitverschulden ist nach § 254 zu berücksichtigen. Das
Vertretenmüssen bezieht sich jedoch nur auf die haftungsbegründende Handlung. Ab
Schaden spricht man von Haftungsausfüllung, was grundsätzlich nicht mehr in der Sphäre des
Verletzers liegt.
Zu den objektiven Pflichtverletzungen gehören:
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Verletzung von Leistungstreuepflichten. Unter einer Leistungstreuepflicht versteht
man die Pflicht, den Vertragszweck und den Leistungserfolg weder zu gefährden, noch
zu beeinträchtigen. Typische Pflichtverletzungen sollen hier in einer Erfüllungsverweigerung bzw. einer Lossagung vom Vertrag bestehen. Gleiches gilt für
unberechtigte Kündigungen/Rücktritte. Bsp.: Vermieterkündigung wegen angeblichen,
in Wirklichkeit aber nicht bestehenden Eigenbedarfs. Unbegründete Mängelrügen,
Täuschung des anderen Teils durch unrichtige Angaben über die Vertragserfüllung,
etc.
Verletzung von Mitwirkungspflichten. Unter einer Mitwirkungspflicht versteht man
die Pflicht, im Zusammenwirken mit dem anderen Teil die Voraussetzungen für die
Durchführung des Vertrages zu schaffen und Erfüllungshindernisse zu beseitigen.
Bsp.: Nichteinholung der erforderlichen Ausfuhrgenehmigung, Vereitelung der
notwendigen Baugenehmigung, Weigerung des Bestellers, die zur Herstellung des
Werkes erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, etc.
Verletzung von Informationspflichten sowie Aufklärungspflichten (Anzeige-,
Hinweis-, Offenbarungspflichten) sowie von Auskunftspflichten. Bsp.: Hersteller
muss Käufer vor typischen Gefahren der Kaufsache warnen. Eine gelieferte Maschine
muss mit vollständiger Bedienungsanleitung ausgeliefert werden (siehe auch § 434
II), Bank muss Kunden bei steuerbegünstigten Sparverträgen über steuerschädliche
Verfügungen belehren, etc.
Für gewährleistungsunabhängige (leistungsbegleitende) Pflichtverletzungen ist der § 241 II
heranzuziehen. In diese Kategorie gehören sonstige Verletzungshandlungen wie z.B. die
Verkehrssicherungspflicht neben einem bestehenden Schuldverhältnis (ähnlich zum
Deliktsrecht, bei letzterem kommt allerdings erst durch die Pflichtverletzung ein gesetzliches
Schuldverhältnis zustande. Im Deliktsrecht besteht außerdem im Gegensatz zum § 278 I eine
Exkulpationsmöglichkeit).
Unter einer Verkehrssicherungspflicht versteht man im Übrigen die Pflicht einer Person,
bestimmte Gefahrenquellen so unter Kontrolle zu halten, dass andere Personen keine
Schäden erleiden. Es handelt sich dabei um Garantiepflichten, die man normalerweise durch
Unterlassen verletzt.
Zu den Pflichten nach § 241 II gehören ganz allgemein auch Schutz-, Fürsorge- (z.B. einen
Hausflur sicher zu gestalten) und Obhutpflichten (z.B. Arbeitnehmer mit Schutzkleidung
ausstatten). Auch Aufklärungs-, Beratungs-, Informations-, Anzeige-, Warn- und
Auskunftspflichten (Beratungspflichten können aus den vertraglichen Verhältnissen mit
Angehörigen der freien Berufe entstehen. So treffen den Architekten als Sachwalter des
Bauherrn gewisse vertragliche Nebenpflichten zur Beratung und Aufklärung auch unter
rechtlichen Gesichtspunkten, z.B. bei bestimmten Steuervergünstigungen oder
Steuerschädlichkeiten bestimmter Baumaßnahmen) sowie Unterlassungs- und
Verschwiegenheitspflichten (insbesondere bei Arbeits- und Gesellschaftsverträgen, bei
Vertrauensverhältnissen wie z.B. bei den medizinischen oder juristischen Berufen oder der
Fall des Wettbewerbsverbots nach § 113 HGB).
Der Verletzungsschaden kann nach § 280 I „pur“ geltend gemacht werden (die Regel bei
gewährleistungsunabhängiger (leistungsbegleitender) p.V.V., der nun im Gegensatz zum §
122 nicht auf den Erfüllungsschaden begrenzt ist, da hier a priori keine Abhängigkeit zur
Erfüllung einer Leistungspflicht besteht). Wird die Pflichtverletzung im Rahmen eines
Schuldverhältnisses ausgeübt (bei gewährleistungsbezogener p.V.V. in enger Verbindung mit
den vertraglichen Leistungspflichten, bei gewährleistungsunabhängiger p.V.V. nicht), so kann
auch die Beendigung des Schuldverhältnisses angestrebt werden, d.h. es wird auf den
Erfüllungsanspruch verzichtet.
Bsp.: Malermeister M verletzt vor Beginn der Renovierungsarbeiten durch völlig
unkoordiniertes Herumschwenken seiner Leiter drei von vier Familienmitgliedern. Diese
legen dann keinen Wert mehr auf die weitere „Renovierung“ und beauftragen ein anderes,
aber teureres Unternehmen.
Dies kann über § 281 I (bei leistungsbezogener p.V.V.), allerdings erst nach ergebnisloser
Fristsetzung, geschehen, oder ohne Fristsetzung nach § 282 (bei leistungsbegleitender
p.V.V.), wobei entweder Schadensersatz statt Erfüllung (oder alternativ Ersatz der
Aufwendungen nach § 284) und/oder (man denke an den Rechtsgedanken aus § 325) der
Rücktritt bzw. die Kündigung aus wichtigem Grund nach § 323 I (bei leistungsbezogener
p.V.V.) oder nach § 324 (bei leistungsbegleitender p.V.V.) geltend gemacht werden können.
Man beachte die totale Analogie zu den anderen bereits besprochenen Leistungsstörungen bei
leistungsbezogener p.V.V.!!
Wirkt sich die Verletzung einer Nebenpflicht im Sinne des § 241 II auf die Hauptleistung aus
und werden dadurch die Leistungen nicht vertragsgemäß erbracht, dann sind in einem solchen
Fall die §§ 281, 323 anstatt der §§ 282, 324 anzuwenden und zwar wie üblich immer mit
Fristsetzung.
Bsp.: A schließt mit dem Unternehmer B einen Werkvertrag über die Renovierung seiner
Wohnung. B ist starker Raucher und raucht pro Tag in der Wohnung des A drei Schachteln
Zigaretten. Die Renovierungsarbeiten nimmt B ordnungsgemäß vor. Allerdings ist nach der
Durchführung der Arbeiten der Neuanstrich durch den Zigarettenqualm optisch
beeinträchtigt. In diesem Fall führt die Nichtbeachtung der Pflicht zur Rücksichtnahme dazu,
dass er seine Hauptleistung, den Anstrich der Wände und Decken, nicht erbracht hat. Somit
ist für den Anspruch des A § 281 anwendbar.
3.2.7 Culpa in contrahendo (c.i.c., Verschulden beim Kontrahieren) (§ 311 II, III)
Pflichtverletzungen vor der Vertragsschließung können ebenfalls zu Schadensersatz
berechtigen. Zwischen einem Vertrag und einem gesetzlichen Schuldverhältnis steht ein
rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis. Ein solches wird z.B. auch durch ein so genanntes
Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen nach § 311 II begründet. Da noch kein
richtiges vertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen ist, handelt es sich hier nicht um
Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten, sondern nur von Pflichten nach § 241 II. Im
Prinzip gleicht die c.i.c. der p.V.V.
Alle Pflichtverletzungen bis zu einem (wirksamen) Vertragsschluss laufen über die c.i.c., alle
Pflichtverletzungen ab einem (wirksamen) Vertragsschluss über die p.V.V..
Auch hier unterscheidet man zwischen einer (gewähr)leistungsbezogenen c.i.c, bei der auf
die Leistungspflichten des angestrebten, aber noch nicht wirksamen Vertrages Bezug
genommen wird und die (gewähr)leistungsunabhängige c.i.c., wo lediglich Nebenpflichten
aus dem reinen Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen verletzt werden. Wie bei der
(gewähr)-leistungsunabhängigen p.V.V.
handelt es sich bei der (gewähr)leistungsunabhängigen c.i.c. um einen „aufgeblasenen“ § 823. Wie die p.V.V. ist die c.i.c. subsidiär, ist
also nur dann zu prüfen, wenn keine gesetzlich geregelten Fälle vorgehen. Zunächst sind also
die gesetzlichen Regeln zu beurteilen.
Bsp.: So ist die geschlechtsspezifische Diskriminierung vor Vertragsschluss beim
Dienstvertrag gesetzlich geregelt (§ 611a II), beim Werkvertrag aber nicht. Auch die
Fahrlässigkeit bei einer Pflichtverletzung ist z.B. bei einem Schenkungsvertrag (§ 521)
anders zu beurteilen als bei einem Kaufvertrag.
Ein Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen kommt nach § 311 II zustande bei der
Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder bei der Anbahnung geschäftlicher
Kontakte.
Bsp.: Ein Mensch betritt ein Warenhaus. Er rutscht auf einer achtlos weggeschmissenen
Banane aus. Erst wollte er noch etwas kaufen. Jetzt kann er nicht einmal mehr laufen.
Dieser Fall reicht aus, um ein vorvertragliches Schuldverhältnis zu begründen. Ein lediglich
sozialer Kontakt hingegen nicht.
Bsp.: Der stadtbekannte Penner P will sich im Kaufhaus aufwärmen. Auch er rutscht auf der
Banane aus und verletzt sich schwer.
Auch bei einem vorvertraglichen Schuldverhältnis handelt es sich zwar nicht um ein „echtes“
Schuldverhältnis, gleichwohl gelten ähnliche Grundsätze, wie z.B. bei der Geschäftsfähigkeit.
D.h. steht ein Geschäftsunfähiger auf einer Seite des Schuldverhältnisses, so wird nie ein
Schuldverhältnis begründet, bei beschränkt Geschäftsfähigen nur mit Zustimmung der
gesetzlichen Vertreter.
Auch kann ein Dritter die Pflichtverletzung begehen. Dabei ist hier aber nicht der
klassische Stellvertreter (z.B. der Verkäufer eines Kaufhauses) gemeint (ein Stellvertreter ist
auch eigentlich gar kein Dritter im Sinne des Rechtsgedankens aus § 278), denn da würde
ohnehin der § 278 gelten. Allerdings sind wenige Ausnahmen zu berücksichtigen, in denen
ein Vertreter
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-
in besonderem Maße persönliches Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, das
über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgeht und dabei die persönliche
Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages durch den Vertretenen
übernimmt. Dies kann der Fall sein bei einer besonderen Fachkunde des Vertreters
oder aufgrund einer persönlichen Beziehung zwischen dem Vertreter und dem
Verletzten. Bsp.: D führt für V Kaufvertragsverhandlungen mit einem seiner
Verwandten K durch. Durch pflichtwidriges Verhalten des D kommt ein für K schwer
nachteiliger Vertrag zwischen ihm und V zustande.
ein besonders starkes wirtschaftliches Eigeninteresse hat, so dass er wirtschaftlich
betrachtet gleichsam in eigener Sache tätig wird. Bsp.: Ein Gebrauchtwagenhändler,
der als Vermittler oder Abschlussvertreter für den Käufer tätig wird, der selbst nicht
in Erscheinung treten möchte, ist im Zweifel Sachwalter des Verkäufers. Der Käufer
bringt ihm besonderes Vertrauen entgegen, weil er dem Vertragsgegenstand
besonders nahe steht und am Vertragsschluss ein eigenes wirtschaftliches Interesse
hat. Infolgedessen entsteht zwischen Käufer und Händler, obwohl dieser nicht
Vertragspartner werden soll, ein Schuldverhältnis gemäß § 311 III mit den Pflichten
aus § 241 II, kraft dessen der Händler als Sachwalter für die von ihm begangenen
Pflichtverletzungen gemäß § 280 einzustehen hat.
Weitere Fälle, bei denen Dritte (im klassischen Sinne) beteiligt sind, sind solche, bei denen so
genannte Sachwalter, die keine direkte Beziehung, also kein Vertretungsverhältnis,
innehaben, aber dennoch besonders persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen, wie
dies manchmal auch bei langjährigen Geschäftsbeziehungen der Fall sein kann, handeln.
Dieser Fall ist in § 311 III S.2 gemeint. Bsp.: Ein Versicherungsmakler vermittelt einem
Kunden eine Versicherung, ohne als Vertreter der Versicherungsgesellschaft zu fungieren.
Der Makler beruft sich dabei auf seine langjährigen Erfahrungen und seine enorme
Sachkunde. Die Versicherung erweist sich später als nachteilig.
Ein Sonderfall ist die so genannte Prospekthaftung, wo über bestimmte Werbebroschüren
Kapitalanleger angezogen werden sollen (z.B. um als Kommanditisten einer Gesellschaft wie
der KG beizutreten) ohne hinreichend über die Risiken der Kapitalanlage aufzuklären. Die
Vertriebsorganisation ist die eigentliche Vertrauensperson, auf deren besondere Sachkunde
der vertragsschließende Anleger vertraut. Eine Inanspruchnahme dieser Art wird von
manchen als Sachwalterhaftung bezeichnet. Nach der Rechtsprechung des BGH treten alle
diejenigen in ein gesetzliches Schuldverhältnis mit dem künftigen Kapitalanleger ein, die für
die Vollständigkeit und Richtigkeit der in Verkehr gebrachten Werbeprospekte (z.B. einer
Publikumskommanditgesellschaft) Vertrauen in Anspruch genommen und damit auf den
Willensentschluss des Kapitalanlegers Einfluss genommen haben.
Zu den objektiven Pflichtverletzungen im Sinne des § 241 II zählt auch die:
-
Pflicht, Verhandlungen, nachdem einmal ein Vertrauen geschaffen wurde, nicht
grundlos abzubrechen (Nichtabbruchspflicht). Obwohl dies im Rahmen der
Privatautonomie natürlich erlaubt ist, sind solche Fälle gemeint, in denen durch
-
-
vorangegangenem Tun ein Vertrauen auf den Vertragsschluss hin erweckt wurde,
aufgrund dessen dann bestimmte Aufwendungen getätigt wurden. Das Verschulden
des anderen, d.h. des in Anspruch genommenen Teils, kann darin liegen, dass er
schuldhaft das Vertrauen des Verhandlungspartners geweckt und genährt hat, der
Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen oder falls das Vertrauen des
Verhandlungspartners darauf, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen,
ohne Verschulden erweckt worden ist, so darf der Abbruch der Verhandlungen nicht
grundlos, also nur noch aus triftigem Grund, d.h. aus nicht sachfremden Erwägungen
erfolgen (Wer die Verhandlungen grundlos, d.h. ohne triftigen Grund abbricht, handelt
deshalb schuldhaft).
Pflicht, den Vertrag nicht so mit Wirksamkeitshindernissen zu versehen, dass er
erst gar nicht wirksam wird, wenn der Handelnde darauf Einfluss hatte. Bsp.:
Schuldhafte Verursachung eines Dissenses wegen unklarer Ausdrucksweise.
Verwendung von sittenwidrigen Vertragsbedingungen, etc.
Pflicht, keine inhaltlichen Benachteiligungen des anderen Teils zu verursachen z.B.
durch eine vorvertragliche Informationspflichtverletzung (Aufklärungspflichtverletzung). Das bedeutet nicht, dass die Parteien einander das gesamte Vertragsrisiko
abnehmen müssen, indem sie sich gegenseitig darüber aufklären. Grundsätzlich muss
sich jeder selbst über die allgemeinen Marktverhältnisse und die sich daraus
ergebenden Chancen und Risiken informieren. Es kann aber aus § 242 die Pflicht
erwachsen, den anderen Teil richtig und vollständig auf Umstände hinzuweisen, die
für diesen von erkennbarer Bedeutung sind, wenn bestimmte Umstände nur der
einen Partei bekannt sind und die Entscheidung der anderen Seite von deren
Kenntnis beeinflusst werden kann. Bsp.: (Fahrlässige) Falschangabe über zu
erzielende
Unternehmensgewinne
beim
Unternehmenskauf.
(Fahrlässige)
Falschberatung durch den Verkäufer über die Verwendbarkeit des Kaufgegenstandes.
(Fahrlässige) Falschangabe über Steuervorteile beim Grundstückskauf. Bei
vorsätzlichem Verhalten können darüber hinaus neben der c.i.c. auch § 823 oder § 123
I eingreifen!
Rechtswidrig ist eine Pflichtverletzung in den genannten Fällen grundsätzlich, wenn keine
Rechtfertigungsgründe vorliegen.
Vertreten werden muss eigenes Verhalten nach § 276 wie auch fremdes Verhalten über §
278. Mitverschulden nach § 254 kann berücksichtigt werden. Außerdem darf der
Haftungsmaßstab nicht stärker sein als im angestrebten Vertrag. Somit sind bei
leistungsbezogener c.i.c. besondere Haftungserleichterungen wie z.B. bei der Schenkung (§
521) grundsätzlich zu beachten. Die leistungsunabhängige c.i.c. ist hingegen von der (wie
auch immer gearteten) Erfüllung der auf die Begründung eines Vertrages und den daraus
entstehenden Leistungen gerichteten Pflichten abgekoppelt. Hier sind es sonstige
Verletzungshandlungen, die zu einer Schadensersatzpflicht führen. Solche Pflichten sind
typische Schutz-, Fürsorge- und Obhutpflichten, sich bei der Anbahnung eines
Schuldverhältnis so zu verhalten, dass Personen, Eigentum oder sonstige Rechtsgüter des
anderen Teils nicht verletzt werden. Schutzpflichten sollen Gefahrenquellen minimieren.
Obhutpflichten sollen vor Verletzungen bewahren. Zu den Pflichten gehören nach § 241 II
auch Unterrichtungs-, Aufklärungs- und Auskunftspflichten. Die leistungsunabhängige
c.i.c. ist immer anwendbar, da hier nie spezialgesetzliche Regelungen vorgehen (immer
subsidiär).
Die leistungsunabhängige c.i.c. wird entweder über den § 280 I pur, oder wenn
irgendwelche Leistungsbeziehungen berührt werden, über die §§ 280 III, 282 geregelt
und/oder es besteht die Möglichkeit des Rücktritts/ der Kündigung nach § 324. Der
Schadensersatz ist bei Anwendung von § 280 I auf den Verletzungsschaden gerichtet und
zwar unbegrenzt.
Bei der leistungsbezogenen c.i.c. landet man entweder bei dem § 280 I pur oder über das
Fristsetzungsinstrumentarium bei den §§ 280 III, 281 I (Schadensersatz statt der Leistung)
und/oder dem Rücktritt/die Kündigung nach § 323. Der Verletzungsschaden, der über den §
280 I pur abgehandelt wird, ist nicht wie der Vertrauensschaden nach § 122 auf den
Erfüllungsschaden begrenzt, da hier im Gegensatz zum § 122 immer auch ein Verschulden
vorhanden ist, weshalb es berechtigt ist, auch mehr verlangen zu dürfen. Kann die c.i.c. also
neben einem § 122 geltend gemacht werden, so gibt die c.i.c. naturgemäß mehr her. Ebenso
kann man einen Vertrag, der wegen arglistiger Täuschung nach § 123 I anfechtbar wäre, auch
im Rahmen der c.i.c. nachträglich aufheben. Fraglich ist jedoch, ob dies nicht dem
Rechtsgedanken des § 124 entgegenläuft, insbesondere aufgrund der kürzeren Verjährungsfrist des § 124 von einem Jahr im Gegensatz zu der Standardverjährungsfrist von 3 Jahren bei
der c.i.c. und auch gerade deshalb, weil die c.i.c. auch eine nur fahrlässige Täuschung mit
Folgen koppeln würde, während § 123 I grundsätzlich nur bei Vorsatz (Arglist bei der
Herbeiführung einer Willenserklärung) anwendbar ist. Allerdings bejaht die Rechtsprechung
in diesem Fall die Möglichkeit einer c.i.c.:
Bsp.: Fahrlässig falsche (Bank-)Auskünfte führen zum Abschluss von Geschäften am
Kapitalmarkt, die sich als schädlich erweisen. Fahrlässig unzutreffende Angaben des
Verkäufers über nachhaltig erzielbaren Umsatz eines Unternehmers führen zu einem
schädlichen Unternehmenskauf.
Auch könnte ein Vertreter ohne Vertretungsmacht, der ja ohnehin schon aus § 179 haftet,
auch wegen c.i.c. haften, soweit er ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen
hat, wie dies jetzt auch in § 311 III ausdrücklich geregelt wurde.
Der Geschädigte ist nach § 249 S.1 immer so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die
Pflichtverletzung nicht stattgefunden hätte. Er kann also den Vertrauensschaden (Ersatz der
zu seiner Ausführung gemachten, nunmehr nutzlos gewordenen Aufwendungen) geltend
machen und den Vertrag rückabwickeln. Realisierte Verluste gehören zum Schaden dazu,
nicht aber entgangene Gewinne aus dem (dann doch) rückabgewickelten Geschäft.
Bei Falschangaben kann der Geschädigte allerdings nicht verlangen, so gestellt zu werden,
wie er stünde, wenn die falschen Angaben tatsächlich zutreffen würden. Der andere hat
nicht die Pflicht, seine Aussagen wahr werden zu lassen, sondern lediglich wahre Aussagen
zu machen. In diesem Sinne besteht der Zustand, der eintreten würde, wenn die
Pflichtverletzung nicht stattgefunden hätte, darin, dass der Vertrag gar nicht erst geschlossen
worden wäre. Folglich also Vertragsaufhebung (Rückabwicklung) oder Vertragsanpassung.
In den oben beispielhaft aufgeführten Fällen umfasst der Schadensersatz also
-
bei grundlosem Abbruch den erlittenen Vertrauensschaden und zwar unbegrenzt.
bei Wirksamkeitstäuschung quasi den Erfüllungsschaden, denn ohne den Schaden
wäre ja erfüllt worden. Allerdings besteht kein Anspruch auf Vertragsabschluss.
bei Informationspflichtverletzung Vertragsaufhebung (Rückabwicklung) oder
Vertragsanpassung. Bsp.: Infolge falscher Ertragsangaben des V hat K ein
Unternehmen zu teuer eingekauft. K kann hier wahlweise die Aufhebung des
Vertrages oder eine Anpassung des Kaufpreises verlangen.
3.2.8 Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313)
Gibt es aufgrund äußerer Umstände eine veränderte Risikoverteilung und trifft diese in der
Regel beide Parteien oder ist diese unverhältnismäßig und trifft nur einen
Vertragspartner, so kann nach § 313 ein Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen
werden. Vorher sind allerdings zunächst alle anderen Möglichkeiten wie Auslegung,
ergänzende Vertragsauslegung, Anfechtung, Unmöglichkeit, etc. auszuschöpfen. Erst dann,
quasi als „Rettungsanker“, steht die Anerkennung als Wegfall der Geschäftsgrundlage,
aber nur in begründeten Fällen, da sonst entgegen der Rechtsidee der Anfechtung damit auch
die Hintertür für die „Anfechtung“ eines Motiv-Irrtums eröffnet werden würde.
Geschäftsgrundlage sind die bei Abschluss des Vertrags zutage getretenen, dem anderen Teil
erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder
die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen
Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen
Vorstellungen aufbaut.
Die Motive zum Vertragsschluss müssen nicht direkt zum Vertragsinhalt geworden sein, denn
sonst bräuchte man ja nur den Vertrag auslegen. Ist keine vertragliche Vereinbarung über die
Risikoverteilung getroffen worden, so ergibt sich eine solche vielfach aus dem Gesetz.
Bsp.: Beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt geht die Gegenleistungsgefahr gemäß § 446 mit
der Übergabe und nicht erst mit der Übereignung auf den Käufer über.
Die Risikoverteilung kraft vertraglicher oder gesetzlicher Regelung genießt stets
Vorrang. Für die Anwendung der Lehre vom Fehlen und vom Wegfall der
Geschäftsgrundlage ist dann kein Raum!
Die Geschäftsgrundlage kann dabei von Anfang an fehlen, d.h. bestimmte Vorstellungen
über die gegenwärtigen Umstände erweisen sich später als falsch, oder kann auch erst
nachträglich wegfallen, d.h. die auf die Zukunft gerichteten Vorstellungen der Parteien
gehen so nicht in Erfüllung (Fall der Äquivalenzstörung oder Zweckvereitelung).
Grundsätzlich soll der Vertrag lediglich angepasst werden, wobei das Risiko gerecht neu
verteilt wird. Im Extremfall kann der Vertrag nach § 313 III auch aufgelöst werden (quasi
als „ultima ratio“), wenn eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder einem Teil nicht
zumutbar ist, was praktisch einem Rücktritt nach §§ 346 gleichkommt.
Der Vertrag ist so anzupassen, dass er zumutbar wird. Dabei können die Verbindlichkeiten
aufgehoben oder herabgesetzt, die Aufwendungen für zwecklos gewordene Leistung ersetzt,
Teilzahlungen gewährt oder das Risiko hälftig geteilt werden.
Der Wegfall der Geschäftsgrundlage muss aber relevant sein, dass heißt es muss
-
eine wesentliche (schwerwiegende) Änderung vorliegen,
die die Risikozuweisung für eine oder beide Teile überschreitet
und unzumutbar ist
Schwerwiegend ist eine Änderung, wenn anzunehmen ist, dass der Vertrag nicht
geschlossen worden wäre, wenn diese Umstände vorgelegen hätten (das so genannte
hypothetische Element).
Derjenige, der durch das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage beschwert ist, hat
einen Anspruch auf Anpassung, den er geltend machen muss. Gelangen die Parteien selbst
nicht zu einer Anpassungsvereinbarung, so kann der beschwerte Teil sogleich auf die
angepasste Leistung klagen.
Trifft die neue Risikoverteilung allerdings nur eine Seite, so ist nicht unbedingt eine
Anpassung oder Auflösung möglich. Außerdem kann nicht nachträglich das Risiko neu
verteilt werden,
-
wenn eine Seite vertraglich das Risiko übernommen hat. Bsp.: Spekulationsgeschäfte
die Änderung vorhersehbar war
das Risiko typischerweise (nach dem Vertragstyp) getragen werden muss. Bsp.: Das
typische Risiko der Verwendung einer gekauften Sache trägt der Käufer. Wenn der
Käufer damit nichts mehr anfangen kann, ist das dem Verkäufer grundsätzlich
einerlei. Das typische Risiko der Geldentwertung liegt beim Verkäufer. Wenn das
Geld in der Zwischenzeit an Wert verloren hat, muss das den Käufer nicht kümmern.
Das typische Risiko der Beschaffung einer verkauften Sache liegt beim Verkäufer.
Wenn die Sache auf dem Markt plötzlich viel mehr kostet, muss das den Käufer nicht
kratzen.
Die Frage der Unzumutbarkeit hängt von der Art des Vertrages und der Art der aufgetretenen
Störung ab.
Es gibt drei große Fallgruppen, in denen § 313 in bestimmten Fällen bejaht wird. Dies sind:
-
Äquivalenzstörungen
Störung des Verwendungszwecks (Zweckverfehlung)
Gemeinschaftlicher Irrtum
4.2.8.1 Äquivalenzstörungen
Bei gegenseitigen Verträgen geht man in der Regel von einer Gleichwertigkeit von
Leistung und Gegenleistung aus, auch wenn dies in den Vertragsverhandlungen nicht
explizit zum Ausdruck gekommen ist. Ändert sich das Äquivalenzverhältnis, so kann der
Vertrag angepasst werden, wenn das zu tragende Risiko für eine Seite unzumutbar
überschritten wird. Dazu zählen wiederum die folgenden fünf Untergruppen:
3.2.8.1.1 Geldentwertung
Das Risiko der Geldentwertung liegt beim Gläubiger der Geldschuld, es sei denn
bestimmte Verzerrungen treten ein, die vom BGH anerkannt wurden, wie bei einer
Entwertung von 60% in Verbindung mit einem Erbbauzins oder bei einer Entwertung von
30% bei Verträgen mit Versorgungscharakter (Ruhegeldvereinbarungen).
3.2.8.1.2 Entwertung der Sachleistung
Die Entwertung der Sachleistung fällt in den Risikobereich des Gläubigers der
Sachleistung, außer in bestimmten Fällen:
Eine auf Rentenbasis verkaufte Fabrik (=Sachleistung) wird im Krieg zerstört.
3.2.8.1.3 Leistungserschwerungen
Dies geht zu Lasten des Schuldners. Er trägt das Aufwandsrisiko. Der Geldschuldner kann
sich nicht auf seine Finanzierungsschwierigkeiten berufen. Der Sachleistungsschuldner
muss auch an einem einmal ausgemachten Festpreis festhalten, wenn unerwartete
Kostenerhöhungen, witterungsbedingte Schwierigkeiten oder ähnliche Erschwerungen
auftreten. Treten jedoch außerhalb der Einflusssphäre des Schuldners Umstände ein, so
dass ein krasses Missverhältnis, welches unzumutbar ist, entsteht, so ist dies durchaus
beachtlich (Fälle einer früher so genannten wirtschaftlichen Unmöglichkeit).
Bsp.: Ansteigen der Herstellungskosten auf das 15fache bzw. um 60% (je nach
Gewinnspanne).
3.2.8.1.4 Wertsteigerungen bei Geld- und Sachleistungen, Leistungserleichterungen
Dieser Fall ist quasi genau spiegelbildlich. Lag bei den Wertminderungen die Last beim
Gläubiger, so hat dieser nun einen Vorteil. Dabei gelten ähnliche Grundsätze (Nur bei
Unzumutbarkeit und in besonderen Fällen). Gingen die Erschwernisse gerade noch zu Last
des Schuldners, ist es nun der Schuldner, der profitiert. Auch hier gilt eine Anpassung nur in
begründeten Fällen, ansonsten ist das unbeachtlich. Man schlage für nähere Informationen im
Palandt nach.
3.2.8.1.5 Rechtsänderungen
Ändert sich die Rechtslage und tritt dadurch ein Missverhältnis auf, so ist in der Regel keine
Anpassung möglich, da Rechtsänderungen (höchstrichterliche Rechtssprechung oder
Änderung der Verwaltungspraxis) meist eher zu einer Aufwertung bzw. Erleichterung (für
beide Seiten) führen und damit nicht relevant sind.
3.2.8.2 Störung des Verwendungszwecks (Zweckverfehlung)
Ist der Leistungserfolg ohne Zutun des Schuldners bereits eingetreten (Zweckerreichung)
oder kann dieser überhaupt nicht mehr eintreten (Zweckfortfall), so liegt eigentlich
Unmöglichkeit vor. Denkbar sind also solche Fälle, wo der Erfolg zwar noch herbeigeführt
werden kann, aber der Gläubiger kein Interesse mehr daran hat (Zweckverfehlung). So
etwas liegt eigentlich im Risikobereich des Gläubigers. Eine Anpassung oder ein Rücktritt ist
daher normalerweise nicht möglich. Ausnahmsweise nur dann, wenn dieser Zweck direkt bei
der Bemessung der Gegenleistung berücksichtigt worden ist und der Zweck dann nicht eintritt
oder die Leistung auch für sonst niemanden irgendeinen Sinn hätte.
Bsp.: K mietet von B einen Balkon für 10.000 ,- € in Monaco, um das Formel 1-Rennen zu
sehen. Möglichkeit 1: Balkon stürzt ein (=> Unmöglichkeit), Möglichkeit 2: B verschläft den
Tag und vergisst, die Tür aufzuschließen (=> Schuldnerverzug), Möglichkeit 3: Rennen wird
abgesagt oder der Balkon geht gar nicht auf den Parcours, sondern nur in Richtung
Mittelmeer (=> Wegfall der Geschäftsgrundlage, Wegen des unverhältnismäßig hohen
Mietpreises ist klar, dass die Miete des Balkons nur in Verbindung mit einer guten Aussicht
auf das Rennen Sinn machen würde).
3.2.8.3 Gemeinschaftlicher Irrtum
Haben sich beide Seiten über einen für ihre Willensbildung wesentlichen Umstand
gemeinsam geirrt, sind die Grundsätze über das Fehlen der Geschäftsgrundlage anwendbar.
Bsp.: Gemeinsamer Kalkulationsirrtum (beide gehen irrtümlich davon aus, es handle sich um
100 Einheiten, in Wirklichkeit sind es aber nur 90 Einheiten) oder gemeinsamer Irrtum über
einen Umrechnungskurs (beide gehen von einem Kurs des Dollar von 1,50 € aus, tatsächlich
beträgt er aber nur 1,45 €)
Bei gemeinsamen Irrtümern über wesentliche Umstände ist grundsätzlich davon auszugehen,
dass es sich um eine Störung handelt, die nicht nur einer der beiden Risikosphären
zuzuordnen ist (eine risikoneutrale Störung). Hier wäre ja der im Nachteil, der anficht, denn
er müsste den Vertrauensschaden nach § 122 leisten. Dies wäre ja nicht gerecht, da der andere
der gleichen Irrung/Fehleinschätzung unterliegt. Außerdem muss natürlich ein Festhalten am
Vertrag für beide Seiten unzumutbar sein.
3.3 Treu & Glauben (§ 242)
Bei Treu & Glauben handelt es sich um einen objektiven Maßstab über die „in der
Gemeinschaft herrschenden sozialethischen Wertvorstellungen“. Tatsächlich handelt es sich
aber eher um die subjektive Rechtsprechung der Richter, die nachträglich in wohlgesetzte
Worte gekleidet wird, damit es nicht so auffällt. Durch den Grundsatz des Treu & Glauben
soll aber nicht einer Billigkeitsjustiz Raum gegeben werden. Dem Richter soll nicht die
Befugnis gegeben werden, die sich aus Vertrag oder Gesetz ergebenen Folgen im Einzelfall
durch vermeintlich „billigere“ oder „angemessenere“ zu ersetzen. In der Praxis sind daher
nur bestimmte (siehe z.B. Palandt) Funktionsbereiche betroffen, die man einzeln
durchprüfen kann.
Die Anwendung des § 242 ist allerdings nur „der letzte Anker“. Er wirkt jedoch unmittelbar,
d.h. er ist von Amts wegen zu berücksichtigen.
Zu den angesprochenen Funktionsbereichen des § 242 gehören
-
Art und Weise der Leistung (Konkretisierungsfunktion)
Begründung von Neben- und Nebenleistungspflichten (Ergänzungsfunktion)
Verbot unzulässiger Rechtsausübung (Schrankenfunktion)
Abänderung von Leistungsinhalten bei unzumutbaren Veränderungen (Korrekturfunktion)
Der letzte Punkt fällt in den Bereich des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ nach § 313. Die
ersten beiden Punkte sind eher vom bestimmten Einzelfall abhängig. Interessant ist der dritte
Punkt (unzulässige Rechtsausübung), denn er eröffnet wiederum bestimmte Untergruppen.
Dazu gehören:
3.3.1 Unredlicher Erwerb der eigenen Rechtsstellung
Ist ein Recht durch ein gesetz-, ein sitten- oder ein vertragswidriges Verhalten
missbräuchlich erworben worden, so darf keiner aus diesem Unrecht einen rechtlichen
Vorteil ziehen. Verschulden ist nicht erforderlich.
Bsp.: Geltendmachung eines Anspruches aus einem Vertrag, der unter erkanntem Missbrauch
der (tatsächlich bestehenden) Vertretungsmacht zustande gekommen ist.
3.3.2 Verletzung eigener Pflichten
Es gibt zwar keinen allgemeinen Grundsatz, dass nur derjenige Rechte geltend machen kann,
der sich selbst rechtstreu verhält. Nach ständiger Rechtsprechung soll aber der Gläubiger,
der selbst vertragsuntreu ist, nicht die Rechte aus einem Verzug des Schuldners herleiten
können.
Bsp.: K setzt dem vorleistungspflichtigen V, der sich mit der Lieferung der Kaufsache in
Verzug befindet, eine Nachfrist, ohne selbst die Absicht zu haben, seine Gegenleistung zu
erbringen.
3.3.3 Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses
Hierhin gehören neben den Fällen der nutzlosen Rechtsausübung diejenigen, in denen die
Rechtsausübung nur Vorwand für die Erreichung vertragsfremder oder unlauterer
Zwecke ist.
Bsp.: Geltendmachung eines Informationsanspruches als Vorwand für die Ausspähung von
Geschäftsgeheimnissen. Nachbesserungsverlangen nach Wegfall
des
Mangels.
Geltendmachung einer Anfechtungsklage mit dem einzigen Zweck, sich das Anfechtungsrecht
abkaufen zu lassen.
3.3.4 Geringfügige Interessenverletzung; Unverhältnismäßigkeit
Theoretisch können beliebig kleine Leistungen eingeklagt werden („1 Cent“). Ein
Rechtsmissbrauch ist demgegenüber aber ausnahmsweise dann gegeben, wenn an einem
geringfügigen, im Ergebnis folgenlos gebliebenen Verstoß weit reichende eindeutig
unangemessene Rechtsfolgen geknüpft werden.
Bsp.: Kündigung oder Rücktritt bei einem unerheblichen Zahlungsrückstand. Berufung einer
Versicherung auf Leistungsfreiheit bei unbedeutendem Prämienrückstand oder bei Verletzung
von Obliegenheiten, die generell nicht geeignet sind, die Interessen des Versicherers ernsthaft
zu gefährden.
Auch bei der Verhältnismäßigkeit gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, dass die Folgen
einer Pflichtverletzung in Relation zu der Schwere der Pflichtverletzung stehen müssen. Die
leichteste Fahrlässigkeit kann ohne Weiteres eine Schadensersatzverpflichtung in existenzvernichtender Höhe nach sich ziehen. Stehen dem Berechtigten hingegen mehrere,
unterschiedlich harte Mittel zur Verfügung, so ist dieser dazu verpflichtet, zunächst ein
milderes Mittel zu verwenden.
Bsp.: Bevor man einen Arbeitsvertrag wegen eines bestimmten Verhaltens kündigen kann,
muss man dem Arbeitnehmer wegen dieses Verhaltens eine Abmahnung erteilen (vergleiche §
314 II). Erst wenn dies nichts nützt, kommt eine Kündigung in Betracht. Die Kündigung ist
hier das letzte Mittel.
3.3.5 Widersprüchliches Verhalten; Verwirkung
Die Rechtsprechung lässt widersprüchliches Verhalten zu. Man kann seine Meinungen und
Rechtsstandpunkte ändern. Widersprüchliches Verhalten ist aber zum einen dann
rechtsmissbräuchlich, wenn für einen anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen
wurde und der andere Teil im Hinblick hierauf bestimmte Dispositionen getroffen hat. Ein
Verschulden ist nicht erforderlich (bei Verschulden gelte nämlich auch die c.i.c.).
Abgesehen von vertrauensbegründendem Verhalten sind als sonstige Fälle solche zu
bedenken, in denen der Berechtigte aus seinem früheren Verhalten selbst schon Vorteile
gezogen hat oder in einen unlösbaren Selbstwiderspruch gerät.
Bsp.: Wer das ihm ohne Rechtsgrund Geleistete behalten will, kann nicht unter Berufung auf
die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts seine Gegenleistung zurückverlangen. Wer das Sachverständigenhonorar vom Schädiger schon ersetzt bekommen hat, darf die Honorarhöhe
nicht nachträglich bestreiten. Hat ein Versicherer an einen Versicherten in Kenntnis von
dessen Pflichtverletzung geleistet, kann er nicht anschließend die Rückforderung auf diese
Pflicht-verletzung stützen.
Ein Spezialfall widersprüchlichen Verhaltens ist gegeben, wenn jemand eine Willenserklärung in die Welt setzt, direkt anschließend, möglicherweise sogar gleichzeitig, aber die
Wirkung dieser Willenserklärung nicht wahrhaben will.
Bsp.: M fährt auf einen Parkplatz, an dessen Eingang eine riesengroße Tafel darauf hinweist,
dass hier für Bewachung ein Entgelt zu zahlen ist. Als der Parkwächter bei ihm abkassieren
will, meint M nur, er wolle keine Überwachung, er werde auch nicht zahlen. Er lässt den
Wagen dann stehen und geht einkaufen.
Eine Verwirkung ist möglich, wenn aufgrund des Verhaltens des Berechtigten ein Recht
über längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht wurde (Zeitmoment) und der Berechtigte
sich so verhalten hat, als wolle er das Recht nicht mehr geltend machen
(Umstandsmoment). Das Zeitmoment allein ist nicht ausreichend, da sonst ein Konflikt mit
der üblichen Verjährungsfrist vorhanden sein würde. Als Rechtsfolge lässt die Verwirkung
das verwirkte Recht untergehen.
Bsp.: Ansprüche auf Nachzahlung von Nebenkosten, insbesondere Heizkosten bei Mietverhältnissen sind in der Regel ein Jahr nach Ablauf der Abrechnungsperiode verwirkt. Hat
ein Verkäufer durch Lieferungsverzögerung den Eindruck erweckt, der Vertrag sei erledigt,
kann der Erfüllungsanspruch verwirkt sein.
3.4 Schuldverhältnisse mit Dritten
Es kann sein, dass in bestimmten Fällen mehrere Personen gleichzeitig an einem
Schuldverhältnis, sei es als Schuldner oder Gläubiger, mitwirken. Dies kann nachträglich
durch Vertragsvereinbarung geschehen im Rahmen eines Schuldbeitritts nach § 311, wobei
neben dem alten Schuldner ein neuer Schuldner tritt sowie durch eine Schuldübernahme,
bei der ein Schuldner nach § 414 komplett durch eine neue Person ersetzt wird, oder bereits
von Beginn an z.B. im Rahmen einer Schuldnergemeinschaft oder Gläubigergemeinschaft,
bei der alle gemeinsam jeweils Gesamtschuldner (§ 421) oder Gesamtgläubiger (§ 428) sind.
Abzugrenzen von der Schuldübernahme oder dem Schuldbeitritt ist die
Erfüllungsübernahme, bei der sich ein Dritter nur gegenüber dem Schuldner
verpflichtet, die Schuld zu übernehmen, ohne die Rechte des Gläubigers gegenüber dem
Schuldner selbst zu tangieren. Treten Leistungsstörungen auf, so kann sich der Gläubiger nur
an den Schuldner halten. Lediglich der Schuldner kann vom Dritten fordern. Dies ist z.B.
anders als bei der Bürgschaft, die auch dem Gläubiger ein zusätzliches Recht zubilligt. Auch
auf der Gläubigerseite kann einiges passieren. Der Vertrag zugunsten Dritter (§ 328) kann
einem Dritten ein Forderungsrecht zusprechen. So wird aus dem Deckungsverhältnis
zwischen Gläubiger und Schuldner ein Dritter berechtigt die Leistung zu fordern. Außerdem
gibt es den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, durch die der Dritte ein Anspruchsrecht erwirbt, wenn eine besondere Beziehung zum eigentlichen Gläubiger sowie auch
Leistungsnähe besteht. Mit einem Vertragsbeitritt nach § 311 kann schließlich eine Person
sowohl als Schuldner und Gläubiger dem Vertrag hinzutreten. Bei der
Vertragsübernahme übernehmen Dritte komplett die Schuldner- und Gläubigerstellung
(Auswechslung). Neben diesen besonderen Fällen, die insbesondere nachträgliche
Änderungen in der Schuldner- oder Gläubigerposition bewirken, können natürlich auch von
Beginn mehrere Personen an einem Schuldverhältnis als Schuldner oder Gläubiger mitwirken
kraft vertraglicher Vereinbarung.
3.4.1 Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328)
Mit einem Vertrag zugunsten Dritter erwirbt ein Dritter im Rahmen eines
Verpflichtungsvertrages ein Forderungsrecht. Verfügungsverträge sind nicht erlaubt, da bei
Verfügungen immer die Person (mit deren Einverständniserklärung) selbst mitwirken muss
und da der Dritte nicht unmittelbar Gläubiger oder Schuldner ist, ist eine Verfügung
zugunsten Dritter nicht erlaubt. Eine Abtretung (§ 398), eine Übereignung (§§ 929) oder
ein Erlass (§ 397) zugunsten Dritter ist also nicht möglich.
Der Dritte erwirbt das Recht direkt (originärer oder Direkterwerb), d.h. es findet kein so
genannter Durchgangserwerb beim Gläubiger statt. Letzteres bewirkt, dass der Gläubiger
keine Ansprüche auf den Leistungsgegenstand hatte oder hat und er daher nicht beim
Gläubiger, sondern nur beim Dritten gepfändet werden kann. Dem Dritten kann jedoch das
Recht nicht aufgezwungen werden. Nach § 333 kann er das Recht daher zurückweisen.
Man unterscheidet einen echten und unechten Vertrag zugunsten Dritter. Bei einem unechten
Vertrag zugunsten Dritter ist der Schuldner lediglich ermächtigt an einen Dritten zu
leisten. Der Dritte selbst erwirbt jedoch keinen Anspruch. Ob ein echter oder unechter
Vertrag zugunsten Dritter vorliegt, muss im Zweifel ausgelegt werden nach §§ 133, 157, 242
und § 328 II. Üblich sind echte Verträge zugunsten Dritter als Beispiel bei Krankenhausaufnahmeverträgen zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger zugunsten des Kranken
oder bei Verträgen zwischen Reiseveranstaltern und wichtigen Reiseleistungsträgern
zugunsten des Reisenden. Eine Erfüllungsübernahme nach § 329 kann kein Recht eines
Dritten begründen, da sich hier nur jemand gegenüber dem Schuldner verpflichtet, die
Schuld zu erfüllen ohne jedoch dem Gläubiger oder dem Dritten ein Forderungsrecht zu
geben. Bei bestimmten Verträgen wie Lebensversicherungs- oder unentgeltlichen
Zuwendungsverträgen ist nach § 330 ein Vertrag zugunsten Dritter anzunehmen. Das Recht
kann dem Dritten nach § 328 II aber auch nachträglich durch vertragliche Vereinbarung
wieder genommen werden.
Man unterscheidet das so genannte Deckungsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger,
das Leistungsverhältnis zwischen Schuldner und Drittem und das Zuwendungsverhältnis
oder so genannte Valutaverhältnis zwischen Gläubiger und Drittem. Die im Valutaverhältnis
enthaltene Verpflichtung kann auf Vertrag (z.B. Kaufvertrag oder Schenkung) oder auf Gesetz
(z.B. Unterhaltspflicht aus §§ 1601) beruhen. Der Schuldner verspricht dabei die Leistung
an den Dritten. Daher ist er der Versprechende und der Gläubiger der
Versprechensempfänger. Da der Dritte ein Forderungsrecht erwirbt, stehen dem Dritten
natürlich auch Schadensersatzansprüche aufgrund von Leistungsstörungen zu. Allerdings
kann er nicht vom Vertrag zurücktreten. Gestaltungsrechte kann nur ein Vertragspartner
ausüben und der Dritte ist kein Vertragspartner. Er hat nur einen Teil der Befugnisse des
Gläubigers bekommen, den Anspruch eben. Interessant sind Fälle, in denen bestimmte
Verhältnisse zwischen Schuldner, Gläubiger und Drittem gestört sind.
-
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-
Wird das Deckungsverhältnis verändert z.B. aufgrund Anfechtung oder
Verjährung, so hat das für das Zuwendungsverhältnis keine Bedeutung.
Allerdings für das Leistungsverhältnis, denn der Schuldner wird in diesem Fall dies
dem Dritten nach § 334 entgegenhalten und seine Leistung verweigern wollen. Hat der
Schuldner bereits geleistet und wird das Deckungsverhältnis unwirksam, so kann er
das Gegebene vom Dritten über das Bereicherungsrecht nach § 812 nachträglich
herausverlangen. Da das Zuwendungsverhältnis einen Rechtsgrund darstellt, kann
aber nicht der Gläubiger vom Dritten etwas herausverlangen.
Wird das Leistungsverhältnis gestört, so hat der Dritte Anspruch auf Schadensersatz. So ist Schadensersatz aus Verzug bei verspäteter Lieferung, nach p.V.V. und
c.i.c. bei neben- oder vorvertraglichen Pflichtverletzungen (je § 280 I) möglich. Es
existiert jedoch kein Rücktrittsrecht des Dritten. Bei Unmöglichkeit oder
Nichtlieferung nach Fristsetzung (§ 281 I) hat der Dritte Schadensersatzansprüche aus
§ 280 I sowie gegebenenfalls auch Surrogatansprüche aus § 285.
Da das Zuwendungsverhältnis für das Deckungsverhältnis unbedeutend ist, muss
sich der Gläubiger bei Störung des Zuwendungsverhältnisses selbst mit dem
Dritten auseinandersetzen und kann jetzt aufgrund Wegfalls des Rechtsgrunds das
Bereicherungsrecht bemühen.
Ein Vertrag zu Lasten Dritter, durch den ein Dritter zu einer Leistung verpflichtet wird,
ohne dass er selbst der Verpflichtung zugestimmt hat, ist nicht möglich.
3.4.2 Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
Hintergrund eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte ist, dass ein Schaden entsteht,
aber woanders als erwartet und der Geschädigte einen Anspruch erwerben soll. Gemeint
sind Fälle wie dieser:
M hat beim Hauseigentümer V eine Wohnung gemietet, in der er als allein erziehender Vater
mit seinem vierjährigen Kind K einzieht. Als K im Treppenhaus die Treppe runtergehen will,
bricht das Geländer seitlich weg. K fällt und verletzt sich, er bleibt querschnittsgelähmt. Die
Heilungskosten betragen 100.000 ,- €. Es stellt sich heraus, dass das Geländer schon länger
brüchig war, dass der von V sorgfältig ausgewählte und überwachte Hausmeister aber
entsprechende Hinweise der übrigen Mieter nicht beachtet und auch nicht an V weitergeleitet
hatte.
Grundsätzlich sind hier deliktische Schadensersatzansprüche möglich. Aufgrund der
Exkulpationsmöglichkeit des Vermieters und dem geringen Einkommen des Hausmeisters
werden diese jedoch nicht befriedigt werden können. Besser sind da schon vertragliche
Schadensersatzansprüche, da es dann nach § 278 grundsätzlich keine Exkulpationsmöglich-
keit gibt. Da jedoch zwischen K und V kein Vertrag geschlossen wurde, sondern zwischen V
und M, soll hier K demnach ein Anspruch zugestanden werden. Abzugrenzen ist der Vertrag
mit Schutzwirkung für Dritte zur Drittschadensliquidation. Man wendet die Drittschadensliquidation häufig in den Fällen an, bei denen zufällig ein Schaden bei einer anderen Person
(hier K) entsteht, obwohl man sie bei M erwartet hätte. Bei der Drittschadensliquidation
würde dem M der Anspruch des K kurzzeitig geborgt, d.h. der V hat nur einen
Anspruchsgegner, den M. Bei dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte sieht sich V
hingegen mehreren Anspruchsgegnern gegenüber, nämlich dem M und K. V haftet nicht
nur für Schäden eines Dritten statt für solche des Vertragspartners, sondern er haftet für
Schäden eines Dritten und zusätzlich für Schäden des Vertragspartners. Diese Rechtsfigur gilt
jedoch nur in besonders eingeschränkten Fällen. Es muss:
-
-
-
Gläubigernähe bestehen, d.h. der Vertragspartner muss ein Interesse am Schutz des
Dritten haben. Dies betrifft im engeren Sinne nur personenrechtliche Beziehungen
(familienrechtlich, arbeitsrechtlich, mietvertraglich). Eltern sind für das Wohl und
Wehe ihrer Kinder verantwortlich, § 1626. Arbeitgeber für das Wohl und Wehe der
Arbeitnehmer während der Arbeitszeit, § 618. So eng war es früher. Die neuere
Rechtsprechung verlangt lediglich, dass die geschuldete Leistung – auch - dem
Dritten zugute kommen soll oder sich aus den näheren Einzelfallumständen konkrete
Anhaltspunkte für einen auf den Schutz des Dritten gerichteten Parteiwillen
ergeben. Aber: Auch Arbeitnehmer kommen mit gelieferter Ware in Kontakt, diese
kommt ihnen aber nicht zugute.
Leistungsnähe bestehen, d.h. der Dritte muss sich in der Nähe der vom Schädiger
an den Vertragspartner zu erbringenden Leistung befinden. Sie ist zu bejahen bei
Kindern eines Mieters, wenn sie beim Mieter wohnen; Arbeitnehmer kommen mit der
zu verarbeitenden Ware eines Lieferanten genauso in Kontakt wie der Arbeitgeber.
für den Schädiger bei Vertragsabschluss mit dem Vertragspartner ersichtlich sein, dass
Gläubigernähe und Leistungsnähe bezüglich des schutzbedürftigen Dritten besteht.
Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte gibt dem Dritten jedoch kein Forderungsrecht. Er
dient nur dem Schutz des Dritten. Schutzbedürftig ist ein Dritter aber nur dann, wenn keine
inhaltsgleichen Ansprüche aus einem eigenen Vertrag mit dem Schuldner bestehen. Er
verpflichtet den Schuldner zur Beachtung der Integritätsinteressen des einbezogenen
Dritten (Schutz des gesamten Vermögens). Aus Verletzung durch mangelhafte Leistung oder
nicht beachtete Nebenpflichten entstehen deshalb sekundäre Ansprüche des Dritten gegen den
Schuldner (die sich aus dem Einzelfall ergeben, entweder c.i.c. oder p.V.V. oder auch
spezialgesetzliche Schadensersatzansprüche wie aus § 536a). In analoger Anwendung des §
334 kann der Schuldner sich jedoch gegen die Ansprüche des Dritten wehren, z.B. wenn
zwischen Gläubiger und Schuldner eine Haftungsmilderung vereinbart wurde.
3.4.3 Vertragsbeitritt (§ 311)
Ein Vertragsbeitritt, bei dem ein Dritter als Schuldner oder Gläubiger komplett einem
Schuldverhältnis beitritt kann zwischen dem Altschuldner, dem Altgläubiger und dem
beitretenden Dritten durch einen dreiseitigen Vertrag jederzeit vereinbart werden. Dabei
erwirbt der Dritte sämtliche Forderungsrechte, da er in die Stellung als Vertragspartei
komplett eintritt.
3.4.4 Schuldbeitritt (§ 311)
Ein Schuldbeitritt (= Schuldmitübernahme, kumulative Schuldübernahme) ist vertraglich
ebenso jederzeit vereinbar. Man muss ihn nur abgrenzen zur Erfüllungsübernahme nach §§
415 III, 329. Hier verpflichtet sich der Dritte nur dem Schuldner gegenüber die Schuld zu
erbringen. Der Gläubiger erwirbt kein Forderungsrecht. Man muss ihn auch abgrenzen zur
Bürgschaft (§ 765). Hier verspricht ein Dritter dem Gläubiger des Schuldners, für dessen
Schuld einstehen zu wollen. Der Dritte will also für eine fremde Schuld einstehen, während
der Beitretende nach dem Beitritt eine eigene Schuld zu begleichen hat. Anders als die
Bürgschaft ist der Schuldbeitritt auch formlos möglich. Ob eine Bürgschaft oder ein
Schuldbeitritt vorliegt, ist nach der objektiven Interessenlage zu beurteilen. Hat der Dritte ein
eigenes unmittelbares und wirtschaftliches Interesse, so liegt Schuldbeitritt vor,
ansonsten eine Bürgschaft.
Bsp.: M ist Mieter im Hause des V. Seine Lebensgefährtin L ist vor einiger Zeit zu ihm
gezogen. Wegen der andauernden unpünktlichen Zahlungen des M droht V mit Kündigung. L
erklärt, sie werde ebenfalls für die Miete aufkommen. Da L hier ein unmittelbares eigenes
wirtschaftliches Interesse am Mietvertrag hat, ist ein Schuldbeitritt gewollt.
Bsp.: S will sich ein Auto kaufen. Hierzu benötigt er einen Kredit. Bei der Bank ist man
skeptisch, ob er den Kredit zurückzahlen kann. Der Vater V des S erklärt sich daraufhin
bereit, nötigenfalls einzuspringen. Hier handelt es sich um eine Bürgschaft, denn V hat kein
unmittelbares eigenes und wirtschaftliches Interesse daran, dass sich S ein Auto kauft.
Die Schuldmitübernahme kann bewirkt werden
-
durch Vertrag zwischen Gläubiger und Übernehmer
durch Vertrag zwischen Übernehmer und Schuldner (im Gegensatz zur befreienden
Schuldübernahme auch ohne Genehmigung des Gläubigers möglich).
Der Übernehmer und Altschuldner sind Gesamtschuldner. Der Gläubiger kann
auswählen, von wem er bei Fälligkeit die Leistung fordern will.
Ein besonderer spezialgesetzlicher Fall, in denen mehrere Personen sich zugleich in der
Stellung des Schuldners befinden, ist z.B. geregelt im § 546 II, wenn die Mietsache dem
Mieter und einem Dritten überlassen wurde. Hier kann der Vermieter von beiden die
Mietsache zurückfordern. Der Schuldbeitritt bezieht sich aber nur auf diese einzelne
Forderung und nicht für das Schuldverhältnis insgesamt (z.B. Erbringung der Miete). Ein Fall
ist auch der § 613a, wenn ein Unternehmen in neue Hände gerät. Hier haften sowohl der alte
als auch der neue Arbeitgeber für z.B. noch offene Lohnansprüche.
3.4.5 Schuldübernahme (§§ 414, 415)
Ein neuer Schuldner (Übernehmer) kann die Schuld übernehmen. Es handelt sich zum
einen um ein Verpflichtungsgeschäft (eine Verpflichtung für den Übernehmer wird
begründet) und zum anderen um eine Verfügung (ein bestehendes Anspruchsrecht gegen den
Altschuldner wird aufgehoben). Voraussetzung ist (übrigens wie bei der Abtretung), dass die
Altforderung gegen den Altschuldner zunächst wirksam ist und auch nicht untergegangen ist.
Die Schuldübernahme wirkt befreiend für den Altschuldner (= befreiende Schuldübernahme).
Das kann durch Vereinbarung zwischen dem Gläubiger und dem Übernehmer geschehen
(§ 414), was unproblematisch ist, da der Gläubiger sich schlauerweise den Übernehmer sucht,
der mindestens so solvent ist wie der Altschuldner. Andererseits kann dies aber auch durch
einen Vertrag zwischen Übernehmer und Altschuldner geschehen, welches die
Genehmigung des Gläubigers erfordert (beachte § 415 II). Zunächst ist der Vertrag
schwebend unwirksam. Wird er genehmigt, so wirkt er ab Vertragszeitpunkt. Wird er nicht
genehmigt, so handelt es sich nach § 415 III nur um eine Erfüllungsübernahme. Während
normalerweise eine Genehmigung des Gläubigers notwendig ist, reicht bei dem Erwerb eines
Grundstückes plus Hypothek durch den Übernehmer nach § 416 das Abwarten von sechs
Monaten. Danach ist die Schuldübernahme automatisch erfolgt. Diese Ausnahme gilt, da es
hier nicht so sehr auf den Schuldner ankommt, da durch die Hypothek eine ausreichende
Sicherheit für den Gläubiger vorhanden ist. Die Mitteilung über den Erwerb des Grundstückes
plus Hypothek muss vom Altschuldner kommen, nachdem der Erwerber (Übernehmer) im
Grundbuch eingetragen ist.
Persönliche Sicherungsrechte wie z.B. die Bürgschaft werden nach § 418 I S.1, 2 nicht
automatisch an den Übernehmer weitergegeben. Gleichwohl können die Sicherungsgeber
nach § 418 I S.3 einwilligen, auch dem Übernehmer gegenüber ihre Sicherheiten zu
erbringen. Da sich nur die Person des Schuldners ändert, können nach § 417 I S.1 auch die
gleichen Einwendungen geltend gemacht werden, die der Altschuldner gegenüber dem
Gläubiger hatte. Nach § 417 I S. 2 kann der Übernehmer natürlich nicht mit einer Gegenforderung des Altschuldners aufrechnen, da diese ihm ja gar nicht gehört.
3.4.6 Erfüllungsübernahme (§§ 415 III, 329)
Hier erwirbt der Gläubiger kein Forderungsrecht. Der Schuldner kann sich selbst aber an
den Dritten halten, der die Erfüllung versprochen hat.
Bsp.: B gewährt dem A ein Darlehen in Höhe von 5.000,- €, das nach drei Monaten
zurückgezahlt werden muss. F verpflichtet sich dem A gegenüber, am Fälligkeitstag die
Leistung, die A gegenüber B zu bewirken hat, zu erbringen. – Es handelt sich um die
Vereinbarung einer Erfüllungsübernahme gemäß § 329 zwischen A und F. Aufgrund dieser
Vereinbarung kann B von F nichts verlangen. B kann seine Forderung weiterhin nur
gegenüber A geltend machen. A kann aus der Vereinbarung mit F heraus allerdings von F
verlangen, dass dieser an B 5.000,- zahlt.
In den meisten Fällen kann jeder beliebige Dritte die Leistung, die ein Schuldner zu erbringen
hat, an den Gläubiger bewirken (§ 267). Folge: Die Forderung, die der Gläubiger gegen den
Schuldner hat, erlischt. § 267 ermöglicht also die Einmischung Dritter in das
Schuldverhältnis, es sei denn, der Gläubiger und der Schuldner lehnen sie ab.
3.4.7 Vertragsübernahme (§ 311)
Eine Vertragsübernahme ist im Rahmen einer dreiseitigen Vereinbarung nach § 311
möglich.
Bsp.: Eine Vermieterin und eine Mieterin vereinbaren, dass die Mieterin die Wohnung räumt
und statt ihrer die Schwester der Mieterin den Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten
übernimmt.
Typische spezialgesetzlich geregelte Fälle sind der Erwerb eines vermieteten Grundstückes
nach § 566 I (Hier tritt der Erwerber an Stelle des alten Vermieters in die sich während der
Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Verpflichtungen ein)
oder der Erwerb eines Bertriebes nach § 613a (Hier tritt der Erwerber in die Rechte und
Pflichten aus den im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnissen ein). Auch
beim Erbe tritt der Erbe oder die Erbengemeinschaft, soweit es sich nicht um höchstpersönliche Rechte handelt, in die Rechsstellung des Erblassers voll und ganz ein. Dahinter steckt
der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (oder vornehmer: der Universalsukzession) nach
§ 1922.
3.4.8 Gläubiger- und Schuldnermehrheiten (§§ 420)
Man unterscheidet teilbare Leistungen und unteilbare Leistungen. Teilbare Leistungen
sind etwa Geldsummen oder vertretbare Sachen. Dann schuldet nach § 420 jeder
Schuldner zu gleichen Teilen. Und jeder Gläubiger kann nur einen Teil fordern. Bei
unteilbaren Leistungen kann natürlich nicht aufgeteilt werden und es entsteht eine
Gläubigergemeinschaft nach § 432 oder eine Schuldnergemeinschaft, wobei die Gläubiger
nur gemeinsam fordern können, der Schuldner nur an alle leisten kann. Solche Fälle sind
z.B. die Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 oder die Gesamthandsgemeinschaft wie z.B. bei
der BGB-Gesellschaft (§§ 705), der ehelichen Gütergemeinschaft oder bei der
Erbengemeinschaft. Gehen keine spezialgesetzlichen Regelungen vor, so kann eine
Gläubiger- oder Schuldnergemeinschaft auch tatsächlich entstehen.
Bsp.: Zwei Personen wollen am Bahnhof ein Taxi nehmen. Es stellt sich heraus, dass sie zum
selben Hotel müssen. Weil nur noch ein Taxi wartet, es aber beide eilig haben, einigen sie
sich darauf, gemeinsam mit diesem Taxi zu fahren. Hier kann der Taxifahrer, der sich darauf
einlässt, seine Beförderungsleistung (§ 631) nur an beide gemeinsam erbringen.
Bsp.: Eine Musikgruppe aus M1, M2 und M3, verpflichtet sich zu einem Auftritt. Hier können
nur alle gemeinsam erfüllen.
Die Schuldnergemeinschaft. ist zwar gesetzlich nicht geregelt, aber analog zur Gläubigergemeinschaft möglich. Sie ist z.B. gegeben bei Verbindlichkeiten einer Gesamthandsgemeinschaft.
Bsp.: Ein Gläubiger fordert von den Erben E1 und E2, die zusammen eine Erbengemeinschaft
bilden, die Begleichung einer Schuld des Erblassers (Herausgabe eines Schmuckstückes) aus
dem Nachlass. Weder E1 noch E2 können allein über Gegenstände aus dem Nachlass
verfügen. Also muss der Gläubiger von beiden gemeinsam fordern.
Fordern mehrere eine Leistung, aber braucht der Schuldner nur an einen leisten, so ist
jeder nach § 428 ein Gesamtgläubiger. Ist im Außenverhältnis nach § 428 geleistet worden,
so kann im Innenverhältnis nach § 430 zwischen den Gläubigern ein Ausgleich erfolgen.
Spiegelbildlich dazu gibt es den Gesamtschuldner nach § 421. Ob eine Gesamtschuld
vorliegt, ist nach den folgenden Kriterien zu beantworten:
-
Die Leistungen, die geschuldet werden, müssen gleichartig, aber nicht gleich sein.
Es muss eine innere Verbundenheit der Forderungen vorhanden sein.
Diese Leistungen müssen objektiv demselben Zweck dienen.
Die Schuldner müssen gleichrangig sein, d.h. es darf letztlich nicht nur einer haften.
Bsp.: Wenn sowohl der Architekt S1, als auch der Bauunternehmer S2 gemeinsam einen
Baumangel zu verantworten haben, dann sind sie Gesamtschuldner des Bauherrn G, auch
wenn der Architekt nur Geld-Schadensersatz, der Bauunternehmer aber Werknachbesserung
(Mängelbeseitigung) leisten muss. Dabei hat der Bauherr mit dem Architekten einen Vertrag
und mit dem Bauunternehmer einen anderen.
Auf der Gläubigerseite steht also nur einer. Auf der Schuldnerseite stehen unterschiedliche Beteiligte. Da es sich um gleichartige Forderungen und gleichrangige
Schuldverhältnisse handelt, ist der Gläubiger schon befriedigt, wenn einer der Schuldner an
ihn leistet. Dann erlöschen nach § 422 I auch die anderen Schuldverhältnisse.
Wenn der Architekt S1 dem Bauherrn G eine genügende Geldsumme zur völligen
Ausgleichung des Schadens leistet, hat der Bauherr keinen Anspruch mehr gegen den Bauunternehmer S2.
Auch der Gläubigerverzug gegenüber einem Schuldner wirkt nach § 424 auch gegenüber
allen anderen Schuldnern. Leistet im Außenverhältnis ein Schuldner, so kann im
Innenverhältnis nach § 426 I S.1 untereinander ein Ausgleich geschaffen werden, wobei
die Teilleistungen sich entweder zu gleichen Teilen bestimmen oder, wenn etwas anderes
bestimmt ist, auch z.B. nach Gesellschaftsanteilen (Gesellschaftsvertrag) oder je nach
Verschulden (Mitverschulden nach § 254). Ist ein Schuldner zahlungsunfähig, so ist der
Ausfall nach § 426 I S.2 von allen anderen anteilig zu tragen. Neben dem Anspruch aus § 426
I erfolgt auch der Forderungsübergang vom Gläubiger auf den Gesamtschuldner nach §
426 II. Da mit einem Forderungsübergang (Abtretung) auch akzessorische Rechte wie die
Bürgschaft übergehen, kann dies im Zweifelfall ergiebiger sein, wenn im Innenverhältnis
plötzlich ein Schuldner zahlungsunfähig wird und daher nicht leisten kann. Hier hat der
Gesamtschuldner also eine doppelte Sicherheit. Allerdings kann im Zweifelfall aufgrund
Verjährung oder anderer Gründe der Forderungsübergang auch nachteiliger sein als die
Forderung im Innenverhältnis.
Ein relevanter Fall einer Gesamtschuldnerschaft existiert bei unerlaubten Handlungen nach §
840, wo ein Verrichtungsgehilfe und der Geschäftsherr nach § 831 gemeinsam im
Innenverhältnis schulden, aber nur einer leisten muss. Je nach Solvenz des Verrichtungsgehilfen muss allerdings der Geschäftsherr häufig allein haften.
3.4.9 Abtretung (§§ 398)
Eine Forderung kann abgetreten werden. Ergibt sich ein Anspruch aus einem
Schuldverhältnis, so handelt es sich um eine Forderung.
Bsp.: Der Anspruch des Geschädigten auf Zahlung von Schadensersatz aus § 823 I i.V.m. §§
249 ist ein Anspruch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Es handelt sich also um eine
Forderung.
Bsp.: Nach Abschluss eines Kaufvertrages hat der Verkäufer gegen den Käufer einen
Anspruch aus § 433 II auf Zahlung des Kaufpreises. Der Kaufvertrag ist ein Schuldverhältnis.
Es handelt sich also um eine Forderung.
Zu den Forderungen, die nicht abtretbar sind, zählen der Herausgabeanspruch nach § 985
und der Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 894.
Der Forderungsübergang kann kraft Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes vollzogen werden.
Die Abtretung ist ein Verfügungsgeschäft, durch das eine Forderung auf einen neuen
Gläubiger übergeht, wobei der Altgläubiger Vertragspartner bleibt und daher durchaus
Rechte (Gestaltungsrechte, Schadensersatz) geltend machen kann. Nicht klar ist allerdings,
ob es sich dabei um einen Direkterwerb oder einen Durchgangserwerb handelt. Beim
Durchgangserwerb war die Forderung zumindest zeitweise beim Altgläubiger und kann daher
auch bei ihm gepfändet werden. Grundsätzlich gilt auch bei der Abtretung das
Abstraktionsprinzip, d.h. die Abtretung ist vom zugrunde liegenden Schuldverhältnis
genauso abstrakt wie es eine Übereignung ist. Das entsprechende Schuldverhältnis ist
typischerweise der Vertrag zwischen Altgläubiger und Neugläubiger, kraft dessen eine
bestehende Forderung des Altgläubigers auf den Neugläubiger übergehen soll. Dieser Vertrag
bedarf grundsätzlich keiner Form (Ausnahme: Hypothek nach § 1154). Es gibt keinen
gutgläubigen Erwerb einer Forderung, da üblicherweise nicht wie beim Besitz einer Sache
oder eines Grundstückes ein Rechtsschein existiert, an dem man die Gutgläubigkeit
festmachen könnte. Eine Ausnahme ist lediglich dann gegeben, wenn der Schuldner nach §
405 eine Urkunde über die Schuld ausgestellt hat und damit ein Rechtsschein gesetzt wurde.
Es gilt das Prioritätsprinzip, d.h. tritt der Altgläubiger die Forderung nacheinander an
mehrere Personen ab, so ist derjenige, der zuerst Neugläubiger wurde, der berechtigte
Forderungsinhaber (alle anderen sind nichtberechtigt im Sinne von §§ 185, 816).
Die Abtretung kann auch gesetzlich unter Geltung von § 412 angeordnet sein. Letzteres
bezeichnet man als Legalzession, die z.B. nach §§ 268 III, 426 II, 774 I indiziert sein kann.
So geht z.B. in dem Moment, in dem der Bürge auf eine Forderung zahlt, deretwegen er vom
Gläubiger in Anspruch genommen wird, die Forderung, die der Gläubiger gegen den
Schuldner hat, nicht durch Erfüllung unter. Gemäß § 774 geht diese Forderung vielmehr kraft
Gesetzes von dem Gläubiger auf den Bürgen über, der damit die Möglichkeit erhält, den
Schuldner aus dieser Forderung in Anspruch zu nehmen.
Den Altgläubiger bezeichnet man als Zedenten. Der Neugläubiger ist der so genannte
Zessionar. Die Zession kann still sein, d.h. ohne Mitteilung an den Schuldner erfolgen.
Solche Fälle sind üblicherweise bei Sicherheitsübereignungen – oder abtretungen der Fall,
wo sich ein Sicherungsnehmer bestimmte Forderungen übereignen lässt.
Eine Forderung kann jedoch nur abgetreten werden, wenn sie einigermaßen bestimmt ist.
Eine Forderung ist üblicherweise beschrieben durch die Person des Schuldners und des
Gläubigers, durch ihren Inhalt (z.B. Zahlung von 1.000.000 ,- €), durch ihren Rechtsgrund
(z.B. Kaufvertrag) und dessen zeitliche Fixierung (z.B. Datum der Fälligkeit). Bei Abtretung
von künftigen Forderungen kann allerdings der Schuldner und die Höhe der voraus
abgetretenen Forderung noch unklar sein. Es wird aber als ausreichend erachtet, wenn die
Forderung in dem Augenblick exakt bestimmt ist, in dem sie entsteht, da sie nur dann ihre
Wirkung entfalten kann. Diese ist jedoch nicht der Fall, wenn Forderungen vermischt sind,
da sie dann nicht im Zeitpunkt ihrer Entstehung ausreichend bestimmt sind.
Bsp.: Wenn A eine Forderung über einen LKW an N abtritt, den LKW am 1.4. an S verkauft,
mit gleichem Vertrag aber vier weitere LKW unterschiedlicher Größe, Ausstattung, Leistung
ohne weitere Aufschlüsselung zu einem Paketpreis von 2.000.000 ,- € verkauft, dann ist auch
im Zeitpunkt der Entstehung unklar, welcher Anteil dem Neugläubiger N zusteht.
Man kann auch künftige Forderungen abtreten, die so genannte Vorausabtretung. Da hier
etwas vorweggenommen wird, spricht man auch von einer antizipierten Abtretung. Wird
nicht nur eine Forderung, sondern alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen
abgetreten, so spricht man von einer Gobalzession. Dabei kommt es aber grundsätzlich zu
Kollisionen mit Sonderformen des Eigentumsvorbehalts wie z.B. dem so genannten
verlängerten Eigentumsvorbehalt, bei dem der Lieferant dem Schuldner die Ware zwar
übereignet, sich dafür im Gegenzug aber die beim Weiterverkauf dieser Ware entstehende
Forderung als Sicherheit abtreten lässt. Da es dabei immer zu einem Konflikt kommt, weil der
Händler den Warenlieferanten täuschen müsste, da er die Forderung eigentlich gar nicht
abtreten kann, ist eine Globalzession nach § 138 eigentlich als sittenwidrig einzustufen
(Verleitung zum Vertragsbruch bei Kollision mehrerer Sicherungen). Eine Globalzession
ist auch dann sittenwidrig, wenn sie zu einer Übersicherung führt, d.h. wenn eine
Überdeckung von 50% oder beim erweiterten oder verlängerten Eigentumsvorbehalt von 20%
vorhanden ist, da dies zu einer Knebelung und einer Einengung der wirtschaftlichen
Bewegungsfreiheit des Schuldners führen könnte. Früher war es daher üblich, so genannte
Freigabeklauseln zu definieren, die bestimmte das Maß übersteigende Sicherheiten
automatisch freigeben. Nach der neueren Rechtsprechung ist eine Globalabtretung jedoch
auch dann wirksam, wenn eine solche Freigabeklausel nicht vereinbart wurde. Allerdings
ist der Sicherungsnehmer seinerseits verpflichtet, Sicherheiten freizugeben, wenn und
soweit sie endgültig nicht mehr benötigt werden.
Mit der abgetretenen Forderung gehen auch akzessorische Rechte nach § 401 mit über.
Akzessorische Rechte hängen in Entstehung, Umfang und Fortbestand von der zu sichernden
Forderung ab. Zu diesen gehören die Bürgschaft, die Hypothek und das Pfandrecht.
Nebenleistungsrechte sind der Anspruch auf Rechnungslegung und auf Quittung. Auf andere
unselbständige Sicherungsrechte (z.B. die Vormerkung aus § 883) und Hilfsrechte (z.B.
Anspruch auf Rechnungslegung, Fälligkeitskündigung nach § 609 I), die nicht ausdrücklich in
§ 401 genannt sind, die aber gleichfalls akzessorische Rechte darstellen, ist § 401 analog
anwendbar. Der Eigentumsvorbehalt, das Sicherungseigentum und die Sicherungsgrundschuld sind so genannte fiduzarische Rechte. Sie stehen demjenigen, der sie in der
Hand hat, nur für eine Weile zu. Solange nämlich, bis das, was gesichert sein soll (im
Regelfall die Erfüllung einer Forderung), nicht mehr existiert (weil die Forderung z.B. erfüllt
wurde). Gleichwohl soll nach dem Rechtsgedanken des § 401 der Altgläubiger
schuldrechtlich verpflichtet sein, auch solche Sicherungsrechte zu übertragen.
Eine Abtretung ist nicht erlaubt, wenn nach § 399 die Abtretung durch Vereinbarung mit
dem Schuldner explizit ausgeschlossen ist. Damit wird der Forderung quasi die
Verkehrsfähigkeit genommen. Eine Abtretung ist nach § 399 auch nicht erlaubt, wenn die
Leistung inhaltlich geändert werden müsste. So sind Ansprüche auf Dienstleistungen
typischerweise auf den Gläubiger begrenzt (vergleiche §§ 613 I S.2 und 664 II). Auch
Leistungen, die der Vermieter aus einem Mietvertrag zu erbringen hat, gehören in der Regel
zu dieser Kategorie, weil der Vermieter meist wissen möchte, wem er die Sachen anvertraut,
bevor er einen Mietvertrag abschließt. Manche Ansprüche sind nur höchstpersönlich
bestimmt (siehe z.B. § 717 S.1) und können nicht abgetreten werden. Auch unpfändbare
Forderungen sind nach § 400 nicht abtretbar, da dem Gläubiger einer unpfändbaren
Forderung nicht die Lebensgrundlage entzogen werden darf.
Der Altgläubiger hat dem Neugläubiger nach § 402 Auskunft zu erteilen und ihm Urkunden
darüber auszuhändigen. Außerdem muss er dem Neugläubiger nach § 403 auf Verlangen eine
öffentlich beglaubigte Urkunde über die abgetretene Forderung ausstellen.
Der Schuldner weiß manchmal gar nicht, dass die Forderung übergegangen ist. Aus
diesem Grund muss er entsprechend geschützt werden. Er kann nach § 404 dem
Neugläubiger die gleichen Einwendungen (Umstände, kraft deren das Recht nicht oder nicht
mehr besteht, z.B. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, man unterscheidet
rechtshindernde Einwendungen (Schuldverhältnis entsteht erst gar nicht), rechtsvernichtende
Einwendungen (Ansprüche aus Schuldverhältnissen gehen wieder unter) und
rechtshemmende Einwendungen (Hinderung an der Durchsetzbarkeit i.a. auch Einreden
genannt)) oder Einreden (z.B. Zurückbehaltungsrecht nach § 273 I, die Einrede des nicht
erfüllten Vertrages nach § 320, der Vermögensverschlech-terung nach § 321 und die
Stundung), die er gegenüber dem Altgläubiger hatte, entgegenhalten. Natürlich kann der
Schuldner auch eigene Einwendungen aus dem Schuldverhältnis zum Neugläubiger diesem
entgegenschleudern (z.B. Stundung oder Aufrechnung mit einer Forderung gegen den
Neugläubiger). Eine Aufrechnung mit einer Forderung gegen den Altgläubiger ist auch
nach der Abtretung möglich, wenn nach § 406 der Schuldner erst nach Fälligkeit der
abgetretenen Forderung von der Abtretung Kenntnis erlangte und die Gegenforderung, mit
der aufgerechnet wird, selbst vor der Fälligkeit der abgetretenen Forderung fällig wird
unabhängig davon, ob die Gegenforderung vor oder nach der Abtretung (aber vor deren
Fälligkeit) erworben wurde. Obwohl gegen eine Gegenforderung mit dem Altgläubiger
aufgerechnet wird, betrifft dies gleichwohl das Schuldverhältnis mit dem Neugläubiger. Hier
muss sich der Neugläubiger also anschließend an den Altgläubiger halten. Weiß der
Schuldner nicht von der Abtretung, so wird er sich wohl zunächst noch an den Altgläubiger
wenden oder versuchen, die Schuld ihm gegenüber zu erfüllen. Diesen Fall regelt § 407. Hier
muss der Neugläubiger dies gegen sich gelten lassen. D.h. er muss sich anschließend selbst
nach § 816 II an den Altgläubiger halten, um die Leistung herauszubekommen. In diesem
Fall hat der Schuldner aber ein Wahlrecht. Er kann sich auf § 407 berufen. Tut er das
nicht und hat er an den Altgläubiger bereits geleistet, so muss er noch mal an den
Neugläubiger leisten und kann anschließend das bereits Geleistete vom Altgläubiger nach §
812 herausverlangen. Nach § 408 gilt dies auch gegenüber einem Dritten, dem der
Altgläubiger die Forderung ebenso abgetreten hat. Leistet der Schuldner an diesen Dritten, so
muss dies der Neugläubiger gegen sich gelten lassen und kann die Leistung nach § 816 II
(Verfügung eines Nichtberechtigten) vom Dritten nachträglich verlangen.
Besondere Formen der Abtretung seien im Folgenden behandelt: Bei der
Sicherungsabtretung geht es vorwiegend um die Absicherung eines Warenkredites, d.h. es
besteht kein Interesse an der Geltendmachung der Forderung, sondern lediglich an einer
Sicherung gegenüber dem Altgläubiger (Bsp.: Globalzession oder verlängerter
Eigentumsvorbehalt). Eine Inkassozession ist eine Abtretung an einen Neugläubiger, der auf
die Einforderung derartiger Forderungen spezialisiert ist oder die Beauftragung (§§ 662,
675) eines Dritten zur Eintreibung der Forderungen (mit Recht auf Herausgabe des
Erlangten nach § 667).
Bsp.: Ärztliche Abrechnungsstellen lassen sich von Ärzten deren Honorarforderungen
abtreten, um sie bei den Patienten durchzusetzen.
Die Erlöse sind nach Abzug einer Provision an den Altgläubiger weiterzureichen. Fraglich
ist, ob es sich bloß um eine Ermächtigung (nach § 185) (Einziehungsermächtigung)
handelt, oder die Forderung tatsächlich übergegangen ist. Bei der aus § 185 abgeleiteten
Einziehungsermächtigung verbleibt die Forderung selbst bei dem Gläubiger. Der so
Ermächtigte kann die Forderung im eigenen Namen geltend machen und, je nach dem Inhalt
der Ermächtigung, Leistung an den Gläubiger oder an sich verlangen.
Ein echtes Factoring sind endgültige Forderungsankäufe und –übertragungen. Ein
Neugläubiger, in der Regel eine Bank, erwirbt die Forderungen vom Altgläubiger, weil dieser
aus Liquiditätsgründen an schneller Realisierung interessiert ist. Der Neugläubiger trägt das
volle Risiko der Erfüllung durch den Schuldner. Dieses Risiko, seine Kosten und der von
ihm erstrebte Gewinn bei einem solchen Geschäft bestimmen dann den Kaufpreis für die
Forderung. Das so genannte unechte Factoring ist ähnlich mit dem Unterschied, dass der
Neugläubiger das Risiko der Erfüllung nicht tragen will und uneinbringbare
Forderungen an den Altgläubiger zurückbelastet. Das unechte Factoring ist eher eine Art
Kreditgeschäft als ein wirklicher Forderungskauf, wobei die Forderungen lediglich
erfüllungshalber abgetreten werden. Der Vorteil des Factoring gegenüber der
Inkassozession besteht für das Unternehmen darin, dass die Gutschrift des FactoringErlöses in der Regel sogleich nach Eingang der Rechnungskopien erfolgt, die das
Unternehmen der Bank aus laufenden Geschäften mit Drittschuldnern (Debitoren) einreicht.
4 Schuldrecht BT – Ausgewählte Vertragstypen
4.1 Der Kaufvertrag (§§ 433)
4.1.1 Allgemeines
Die Hauptpflichten des Kaufvertrages sind nach § 433 I S.1 die Übergabe der Sache
(Sachenkauf) oder eines Rechts (Rechtskauf) (§ 453) durch den Verkäufer und nach § 433
II die Übergabe des Kaufpreises durch den Käufer. Die Abnahme des Kaufgegenstandes
ist lediglich eine Nebenpflicht, kann aber vertraglich zu einer Hauptpflicht erhoben
werden, wenn dies gewollt wird. Wichtig ist, dass der Kaufgegenstand nach § 433 I S.2 zum
Zeitpunkt des Überganges frei von Sach- und Rechtsmängeln ist. Neben dem reinen
Verpflichtungsgeschäft nach § 433 ist noch ein Verfügungsgeschäft (Einigung über Übergabe
(Übereignung) nach § 929 und Übergabe) zu tätigen. Wie bekannt sind Verpflichtung- und
Verfügungsgeschäft voneinander unabhängig (abstrakt).
Für einen Kaufvertrag mit einem Unternehmer als Verkäufer und einen Verbraucher als
Käufer (Verbrauchsgüterkauf) gelten nach §§ 474 strengere Regeln (zwingendes Recht). Für
einen Kaufvertrag zwischen Unternehmern, die gewerblich mit Waren (oder auch
Wertpapieren) Handel treiben, gelten besondere Regeln nach § 343 HGB. In den §§ 373-382
HGB sind besondere Vorschriften über den Handelskauf niedergelegt.
Kaufverträge können formlos, sogar konkludent, abgeschlossen werden. Ausnahmen sind
lediglich Kaufverträge über Grundstücke (§ 311b I) und über das gesamte gegenwärtige
Vermögen (§ 311b III).
Im Moment der Übergabe der Sache an den Käufer geht der Kaufgegenstand in den
Machtbereich des Käufers über. Dies gilt unabhängig von einer Übereignung, also auch bei
Eigentumsvorbehalt nach § 449. Um daher den Verkäufer zu schützen, geht die Preisgefahr
oder Gegenleistungsgefahr auf den Käufer über, da er den Gegenstand im Besitz hat. Nach
§ 446 muss der Käufer dann auch bei zufälligem Untergang der Sache die Gegenleistung
erbringen. Dies verschärft die Regelung des § 326 I, nach dem der Gläubiger nur bei
eigenem Verschulden seine Gegenleistung erbringen muss. Gleiches gilt auch, wenn der
Käufer auf eigenen Wunsch eine Versendung der Sache fordert, obwohl nach den üblichen
Gegebenheiten eine Holschuld, also Erfüllungsort beim Verkäufer, vorliegen würde. Will der
Käufer trotzdem, dass der Kaufgegenstand versendet wird, so geht die Gefahr nach § 447 zum
Zeitpunkt der Übergabe an die Versandperson auf den Käufer über (Für Probleme bei
Untergang der Sache siehe Unmöglichkeit). § 447 gilt nicht, wenn der Verkäufer von sich
aus die Versendung übernimmt, z.B. weil er ein Versandunternehmen betreibt.
4.1.2 Sach- oder Rechtsmängel (§§ 434)
Der Kaufgegenstand muss frei von Sach- und Rechtsmängeln übergeben werden. Was ein
Sachmangel ist, regelt § 434. Ein Sachmangel ist gegeben, wenn:
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nach § 434 I S.1 der Gegenstand nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Hier geht
es um die gemachte Vereinbarung. Wird ausdrücklich oder konkludent eine bestimmte
Eigenschaft des Kaufgegenstandes zu Grunde gelegt, wie z.B. ein bestimmter
Kilometerstand eines Autos, so ist bei Fehlen dieser Eigenschaft ein Mangel gegeben.
nach § 434 I S.2 Nr.1 der Gegenstand sich nicht für die vertraglich vereinbarte
Verwendung eignet. Hier geht es um die im Einzelnen ausgehandelte oder zum
Vertragsinhalt gemachte Verwendungsmöglichkeit des Gegenstandes. Bsp.: Kauft ein
Landwirt bei einem Futtermittelgroßhandel Futter für seine Rinder mit der
Bemerkung, das Futter müsse gut verträglich sein, so haben beide Parteien eine
bestimmte Vorstellung über den Verwendungszweck.
nach § 434 I S.2 Nr.2 der Gegenstand sich nicht für die gewöhnliche Verwendung
eignet. Hier geht es nicht um eine vereinbarte Beschaffenheit, Eigenschaft oder
Verwendungsmöglichkeit, sondern um objektive Kriterien, was ein Durchschnittskunde beim Kauf einer solchen Sache allgemein erwarten darf. Bsp.: Selbst wenn im
obigen Fall eine derartige Vereinbarung nicht getroffen worden wäre, ist generell
anzunehmen, dass Futtermittel leicht verträglich sein müssen.
nach § 434 I S.3 die Eigenschaften nicht vorhanden sind, die der Käufer nach den
öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen
insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte
Eigenschaften der Sache erwarten darf. Dies soll den Käufer vor unzutreffenden
Werbeaussagen schützen. Damit haftet der Verkäufer auch für Versprechungen des
Herstellers, allerdings nur wenn er die Äußerung kannte oder zumindest kennen
musste, wenn er z.B. bestimmte Werbebroschüren verwendet, die in seinem Laden
ausliegen. Hier genügt auch Fahrlässigkeit. Die Werbeaussage muss außerdem für
die Willensbildung des Käufers maßgeblich gewesen sein und der Käufer muss sie
überhaupt gekannt haben. Die Eigenschaften müssen allerdings in der Werbung oder
in öffentlichen Äußerungen hinreichend bestimmt sein; allgemeine und
undifferenzierte Qualitätsanforderungen genügen nicht. Bsp.: Ein Laubstaugsauger
mit „einer in der Praxis bewährten hohen Saugkraft“ muss nicht nasse Blätter eines
Kastanienbaumes vollständig aufsaugen können, denn die Eigenschaften eines
Saugers sind nur allgemein und undifferenziert und nicht bestimmt genug
angepriesen.
nach § 434 II eine unsachgemäße Montage erfolgt oder eine mangelhafte
Montageanleitung vorhanden ist. Hier ist der Gegenstand für sich in Ordnung.
Allerdings wird er entweder falsch installiert (z.B. beim Einbau einer Küche) oder der
Gegenstand wird bei der Montage beschädigt. Auch wenn der Gegenstand in
Eigenregie zusammengebaut oder in Betrieb gesetzt wird, was aber aufgrund einer
fehlerhaften Zusammenbau- oder Betriebsanleitung nur unsachgemäß gelingt, ist ein
Mangel gegeben. Ist die Anleitung zwar fehlerhaft, wird aber trotzdem fehlerfrei
montiert, so berechtigt dies nicht zu einer Mängelrüge.
nach § 434 III falsch oder zuwenig geliefert wird. Bei einer Falschlieferung (aliudLieferung) hat der Käufer das Recht auf eine Neulieferung. Bei einer Gattungsschuld
bleibt der Erfüllbarkeitsanspruch weiterhin bestehen. Bei einem Stückkauf ist auch
noch nicht ordnungsgemäß erfüllt worden, dass heißt die richtige Sache und nicht
eine andere, davon verschiedene, muss noch geliefert werden. Bei einem so genannten
Qualifikations-aliud wird zwar die gewollte Sache geliefert, sie gehört aber einer
anderen Gattung an, als beim Kauf angenommen. Z.B. kann eine Artabweichung (z.B.
Zucker statt Salz) oder eine Individualabweichung (z.B. Kopie statt Original)
vorliegen. Dann ist es natürlich sinnvoll, wenn eine neue, aber nun richtige, Sache
geliefert wird. (Bsp.: Der Verkäufer liefert dem Käufer eine Maschine, bei der sich
herausstellt, dass sie nicht die vereinbarte Qualifikation hat; durch den Einbau
zusätzlicher Aggregate kann die Maschine aber so umgerüstet werden, dass sie einer
anderen Gattung, nämlich derjenigen, die die Parteien sich vorgestellt hatten,
entspricht). Bei einer Zuweniglieferung muss natürlich der Rest nachgeliefert werden.
In bestimmten Fällen, in denen nur eine Komplettlieferung Sinn macht (wie z.B. wenn
die Sachen alle aus einer Produktion kommen müssen), kann auch allein eine
Neulieferung in Betracht kommen.
Ein Rechtsmangel liegt nach § 435 vor, wenn Dritte eigene Rechte am Kaufgegenstand
haben wie z.B. bei Grundstücken (Miete, Pacht, Nießbrauch) oder Pfandrechte,
Grundpfandrechte. Es können vielleicht auch Lizenz-, Patent- oder Urheberrechte
vorhanden sein. Sollte der Kaufgegenstand nach der Kaufvereinbarung keine derartige
Belastung haben, hat sie aber tatsächlich doch, so liegt hier ein Rechtsmangel vor, der, was
die Rechtsfolgen betrifft, dem Sachmangel gleichgestellt ist.
Liegen Sach- und Rechtsmängel vor, so liegt eine Pflichtverletzung nach den §§ 280 vor.
Die Rechte und Ansprüche des Käufers ergeben sich dann aus dem allgemeinen
Leistungsstörungsrecht, das allerdings durch die §§ 437 modifiziert wird. Als oberste Regel
gilt zunächst, dass zunächst eine Neulieferung oder Mängelbeseitigung nach § 437 I in
Betracht kommt. Dieses Recht auf Nacherfüllung steht dem Verkäufer zu. Erst wenn diese
Möglichkeit versagt ist oder ergebnislos war, kann vom Vertrag zurückgetreten werden
oder auch Schadensersatz statt der Leistung (oder alternativ Ersatz der Aufwendungen)
verlangt werden. Bei Rücktritt nach § 323 I und Schadensersatz statt der Leistung nach § 281
I muss ohnehin zunächst eine Frist zur Nachbesserung gesetzt werden. Ist die Neulieferung
oder Mängelbeseitigung nach § 437 I ergebnislos geblieben, können somit diese Rechte direkt
in Anspruch genommen werden. Es gibt allerdings nach den §§ 439, 440 Gründe, die eine
solche Nacherfüllung oder Nachfristsetzung entbehrlich machen, nämlich dann, wenn
-
-
eine Nacherfüllung (Neulieferung oder Mängelbeseitigung) für den Verkäufer nach §
439 III nur unter unverhältnismäßig großen Anstrengungen möglich wäre. In
diesem Fall kann, obwohl nach § 439 I eigentlich dem Käufer allein dieses Wahlrecht
zusteht, der Verkäufer sich selbst zwischen Neulieferung oder Mängelbeseitigung
entscheiden, um den Käufer zu befriedigen. Ist beides nicht möglich oder nur
unverhältnismäßig schwierig, steht dem Verkäufer nach § 439 III praktisch ein
Leistungsverweigerungsrecht zu.
neben den Gründen aus § 323 II oder § 281 II der Verkäufer eine Nachbesserung
klar verweigert, sie dem Käufer unzumutbar ist (z.B. wegen einem gestörten
Vertrauensverhältnisses zwischen Verkäufer und Käufer, etwa bei zu vielen Mängeln
oder nach einem besonders schlampigen oder zu lang andauernden Nachbesserungsversuch), diese dem Verkäufer nach § 275 überhaupt unmöglich ist oder diese
fehlgeschlagen ist (steht einer ergebnislosen Nachfristsetzung gleich). Üblicherweise
stehen dem Verkäufer nach § 440 S.2 zwei zusätzliche Versuche der Nacherfüllung
zu. Fehlgeschlagen ist also eine Nacherfüllung, wenn diese zwei Versuche vergeblich
waren, oder aufgrund der Art des Mangels oder anderer Umstände ihm weitere
Versuche zugestanden wurden, die aber ebenfalls ergebnislos waren.
Wird die Nacherfüllung gewählt und erfolgt anstatt Mängelbeseitigung eine Neulieferung,
so muss die alte Leistung nach § 439 IV i.V.m. §§ 346 zurückgewährt werden. Der
Verkäufer hat nach § 439 II allein die Kosten und Aufwendungen wie Transport-, Wege-,
Arbeits- oder Materialkosten zu tragen. Nach § 439 I steht dem Käufer dabei das
Wahlrecht zwischen Neulieferung oder Mängelbeseitigung zu, allerdings unter
Berücksichtigung des oben beschriebenen Leistungsverweigerungsrechts des Verkäufers nach
§ 439 III.
Erst wenn die Möglichkeit einer Nacherfüllung ergebnislos war oder eine solche
Nachfristsetzung unter bestimmten Umständen entbehrlich war, kann nach § 437 II nach
den §§ 437, 434, 440, 323 oder bei anfänglicher oder nachträglicher Unmöglichkeit nach den
§§ 437, 434, 440, 326 V vom Vertrag zurückgetreten werden oder nach § 437, 434, 441
eine Minderung des Kaufpreises verlangt werden. Bei Rücktritt treten die üblichen Folgen
nach §§ 346 ein. Die Minderung bedeutet, dass der vereinbarte Kaufpreis in dem Verhältnis
herabzusetzen ist, „in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in
mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde“ (quasi ein Dreisatz).
Nach § 325 ist trotz Rücktritt natürlich zusätzlich auch ein Schadensersatzanspruch
möglich. Dieser kann aufgrund eines Verzugsschadens nach §§ 280, 286 z.B. nach einer
Falsch- oder Zuweniglieferung, wegen Mangelfolgeschadens wegen allgemeinen
Pflichtverletzungen (z.B. Schäden an anderen Rechtsgütern des Käufers wie Körper und
Gesundheit) nach §§ 437, 434, 280 I neben der Erfüllung oder im Rahmen eines erfolgten
Rücktritts als Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 437, 434, 440, 280, 281 oder bei
Unmöglichkeit der Leistung vor Vertragsschluss nach §§ 437, 434, 440, 311a oder bei
Unmöglichkeit nach Vertragsschluss nach §§ 437, 434, 440, 280, 283 geltend gemacht
werden. Alternativ ist anstatt Schadensersatz statt der Leistung auch Ersatz der
vergeblichen Aufwendungen nach § 284 möglich. Schadensersatz statt der Leistung
verlangen heißt: Der Gläubiger hat gegen den Schuldner einen Anspruch darauf – in der
Regel durch eine Geldleistung – so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der
Schuldner die Pflichtverletzung nicht begangen, also ordnungsgemäß erfüllt hätte.
Allerdings ist dabei immer die Voraussetzung, dass der Schuldner die Pflichtverletzung nach
§§ 276 überhaupt zu vertreten hat (wobei die Beweislast beim Schuldner liegt, d.h. wenn
keine Anhaltspunkte dafür zu finden sind, dass er es nicht zu vertreten hat, hat er es zu
vertreten).
Bsp.: A liefert an den Unternehmer U eine Maschine für einen von U bezahlten Preis von
85.000,- €, die nach der Inbetriebnahme aufgrund eines Fabrikationsfehlers einen Brand
auslöst. Der dadurch verursachte Schaden beläuft sich auf 1.2 Mio. €. Da keine
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass A die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, ist der
Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung entstanden. U kann deshalb von A verlangen,
durch eine Geldleistung so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn A die
Pflichtverletzung nicht begangen, also ordnungsgemäß erfüllt hätte. Dieser Anspruch ist auf
die Zahlung von 1.285.000,-€ gerichtet (Mangelfolgeschaden inbegriffen).
Ein Sonderfall des Vertretenmüssens liegt vor, wenn der Verkäufer nach § 276 eine
Garantie für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernommen hat.
Voraussetzung ist also, dass die Kaufsache nach § 434 I S.1 die vereinbarte Beschaffenheit
fehlt und somit einen Mangel besitzt. Übernimmt der Verkäufer die Garantie für das
Vorhandensein der Eigenschaft verbunden mit dem Versprechen, für alle Folgen des Fehlens
der Eigenschaft ohne Verschulden einstehen zu wollen, so hat dies der Verkäufer nach §§ 280
I i.V.m. 276 immer zu vertreten. Dabei muss in der Regel ein entsprechender Garantiewille
des Vertragspartners seinen Ausdruck finden.
Bsp.: Auf Nachfrage des Käufers versichert der Verkäufer, das Grundstück, das Gegenstand
des Kaufvertrages ist, sei frei von Altlasten. Diese Erklärung wird in den notariell
beurkundeten Vertrag aufgenommen. Hier handelt es sich um eine zugesicherte Eigenschaft.
Zurückhaltung ist geboten, wenn es darum geht, ob eine „stillschweigende Zusicherung“
vorliegt. Die Erklärung, welche die Zusicherung im Sinne einer Garantieübernahme enthalten
soll, ist auszulegen, und zwar ist zu fragen, in welchem Sinne der Käufer die Angaben des
Verkäufers verstehen durfte. Dabei soll es auch darauf ankommen, wie der Käufer nach
seinen Verständnismöglichkeiten und von seinem Erwartungshorizont aus die Erklärungen
des Verkäufers bei objektiver Würdigung und der Umstände nach Treu und Glauben
verstehen durfte.
Dies ist eine Form der anfänglichen „Unmöglichkeit“ vor Vertragsschluss. Daher stehen
dem Käufer die Rechte nach §§ 437, 440, 311a zu, es sei denn, der Verkäufer kannte nach §
311a das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht (wegen seiner Leistungsgarantie
hat er eine Unkenntnis nach § 276 nämlich immer zu vertreten).
Mängelansprüche sind nach § 442 I S.1 ausgeschlossen, wenn der Käufer den Mangel bei
Vertragsschluss kennt. Der positiven Kenntnis des Käufers wird dessen grob fahrlässige
Unkenntnis gleichgestellt, es sei denn, der Verkäufer selbst hat nach § 442 I S. 2 den
Mangel arglistig verschwiegen oder er hat eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache
übernommen. Grob fahrlässig handelt der Käufer, wenn er diejenige Sorgfalt schwer
vernachlässigt, die von jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr erwartet werden kann, um sich
selbst oder den Verkäufer vor Schaden zu bewahren.
Bsp.: Der Gebrauchtwagenhändler H nimmt von A einen gebrauchten PKW in Zahlung. Die
Lenkung des PKW ist defekt. Diesen Mangel hätte H, wenn er das Fahrzeug auch nur flüchtig
untersucht hätte, ohne weiteres feststellen können. Er handelte also grob fahrlässig.
Die Gewährleistungsrechte nach der gesetzlichen Sachmängelhaftung können im
bestimmten Ausmaß eingeschränkt oder ausgeschlossen werden (beachte die AGB-Regeln
nach §§ 305). Wird der Mangel jedoch arglistig vom Verkäufer verschwiegen oder wird
eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache nach § 443 übernommen, so ist dieser
Haftungsausschluss nach § 444 hinfällig (zwingendes Recht). Selbst Haftungsbeschränkungen im Rahmen von AGB-Bestimmungen und Individualvereinbarungen sind dann
ungültig. Da es sich bei § 444 um ein Verbotsgesetz handelt, ist bei Verstoß der
Gesamtvertrag nach § 134 nichtig.
4.1.3 Übernahme einer Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantie (§ 443)
Oftmals wird eine besondere Beschaffenheits- oder Haltbarkeitsgarantie vom Verkäufer
oder Hersteller übernommen.
Bsp.: Eine Garantie von Kfz-Herstellern für eine nicht rostende Karosserie über acht Jahre.
Eine Haltbarkeitsgarantie dieser Art erweitert die gesetzliche Sachmängelhaftung. Sie stellt
ein unselbständiges Garantieversprechen dar, dass die Kaufsache während eines
bestimmten Zeitraums oder für eine bestimmte Nutzungsdauer sachmängelfrei bleibt.
Voraussetzung für das Entstehen einer solchen Garantie ist stets, dass der Verkäufer
ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten die Haftung übernimmt, dass ein
Mangel nicht auftritt. Bei vertraglicher Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer ist
das eindeutig, bei einer Garantieaussage vom Hersteller wird angenommen, dass sie
zumindest über den Händler (Verkäufer) als Stellvertreter oder Bote an den Käufer
übermittelt wird und dieser sie stillschweigend d.h. durch konkludentes Verhalten annimmt.
Durch eine wirksame Garantie werden dem Käufer über die Rechtsfolgen einer allgemeinen
Sachmängelhaftung hinaus zusätzliche Rechte verschafft.
4.1.4 Verjährung der gesetzlichen Sachmängelansprüche (§ 438)
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt nach § 195 drei Jahre. Abweichend davon
verjähren Gewährleistungsansprüche beim Kauf beweglicher Sachen nach § 438 I Nr.3 in
zwei Jahren von der Ablieferung der Sache an gerechnet. Dies tritt ohne Rücksicht darauf
ein, ob der Käufer den Mangel kannte oder erkennen konnte, also auch bei verborgenen
Mängeln. Verschweigt der Verkäufer arglistig den Mangel, so gilt nach § 438 III allerdings
die verlängerte regelmäßige Verjährungsfrist.
Für Kauf von Bauwerken oder Sachen, die mit Bauwerken verbunden sind und dessen
Mangelhaftigkeit verursacht haben, beträgt die Verjährungsfrist nach § 438 I Nr.2 fünf Jahre.
Diese Regelung soll den Bauunternehmer schützen, der selbst nach Werkvertragsrecht nach §
634a für fünf Jahre Gewähr leisten muss, so dass er seinerseits Ansprüche gegen Lieferanten
erheben kann, wenn durch deren mangelhafte Leistung die Mangelhaftigkeit seines
Bauwerkes mitverursacht wurde. Dies gilt nicht nur für Neubauten, sondern auch für
Erneuerungen und Umbauten.
Die Gewährleistungsfrist kann nicht unter ein Jahr verkürzt werden (siehe § 309 Nr. 8 b)
ff)) und nach § 202 nicht über dreißig Jahre erschwert werden.
4.1.5 Besonderheiten beim Handelskauf (§ 377 HGB)
Ist der Abschluss des Kaufvertrages über eine Sache für Verkäufer und Käufer ein
beiderseitiges Handelsgeschäft, so gelten nach § 377 HGB strengere Regeln. Um die
langen Gewährleistungszeiten- und rechte nicht zu einer zu großen Unsicherheit für die
Händler werden zu lassen, gilt hier, dass der Händler unverzüglich die Ware bei der
Ankunft untersuchen muss, gegebenenfalls bei größeren Mengen im Rahmen von
Stichproben. Nur wenn er unverzüglich einen etwaigen Mangel nachweist, stehen ihm die
Gewährleistungsansprüche des BGB zu. Sonst wird die Ware als vertragsgemäß angesehen,
auch wenn diese tatsächlich einen Mangel hat. Die Gewährleistungsansprüche aus §§ 437
sind dann ausgeschlossen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Ware so eklatant von der
Bestellung abweicht, dass der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen
betrachten musste.
Bsp.: Der Käufer erhält statt eines PKW, wie es im Vertrage vereinbart ist, vom Verkäufer
einen Kombi. Hier weicht die gelieferte Ware so offensichtlich von der Bestellung ab, dass
der Verkäufer mit der Genehmigung nicht rechnen kann.
4.1.6 Der Kauf von Rechten (§ 453)
Bei dem Verkauf eines Rechts (z.B. einer Forderung, eines Patent- oder Urheberrechtes)
besteht die Hautpflicht des Verkäufers darin, dem Käufer das Recht zu verschaffen.
Gemäß § 453 finden auf den Rechtskauf die Vorschriften über Sachmängel nach den §§ 434
entsprechende Anwendung.
Demnach haftet der Schuldner jedenfalls für das Vorhandensein des Rechts (Veritätshaftung).
Bsp.: Eine Forderung, die nicht besteht, kann nicht abgetreten werden. Allerdings kommt der
Vertrag bei anfänglicher Unmöglichkeit nach § 311a I dennoch wirksam zustande. Allerdings
bestehen die Ansprüche aus §§ 437 III, 311a II d.h. der Schuldner muss nach § 275 nicht
leisten und der Gläubiger hat nach § 311a II einen Anspruch auf Schadensersatz statt der
Leistung, wenn der Schuldner das Leistungshindernis kannte oder kennen musste.
Der Schuldner kann auch die Garantie für den Bestand eines Rechts im Sinne des § 276 I
übernehmen. Existiert das Recht nicht, so hat der Schuldner in diesem Fall das
Leistungshindernis zu vertreten, da er dafür eine Garantie übernommen hat unabhängig
davon, ob er den Nichtigkeitsgrund kannte oder kennen musste.
Mit Recht wird die Meinung vertreten, an eine stillschweigende Garantieerklärung seien
strenge Anforderungen zu stellen. Jedenfalls muss ein entsprechender Garantiewille des
Verkäufers erkennbar sein.
Ein Rechtsmangel ist nach §§ 437, 435 gegeben, wenn das Recht nicht frei von Rechten
Dritter ist (z.B. Pfandrecht an einer Forderung), aufgrund derer bestimmte Ansprüche gegen
den Inhaber des Rechts geltend gemacht werden können. Die Regeln über Sachmängelhaftung
§§ 437 gelten dann analog.
Bei der Abtretung von Forderungen haftet der Verkäufer der Forderung nicht für die
künftige Zahlungsfähigkeit des Schuldners der Forderung (keine Bonitätshaftung).
Allerdings kann er gleichwohl eine Garantie für die Zahlungsfähigkeit (Bonität) des
Schuldners übernehmen (siehe oben: Garantie).
4.1.7 Allgemeine Geschäftbedingungen (AGB) (§§ 305)
Die Theorie der Anwendung der AGB-Richtlinien nach §§ 305 wird in Kapitel 7.6 behandelt.
Hier sollen nur besonders wichtige Fälle angesprochen werden, die im Rahmen des
Kaufrechts von Bedeutung sind.
Bsp.: K kauft bei V einen Fernsehapparat zum Preis von 900,-€ und zahlt eine Rate von 300,€ an und will den Rest in monatlichen Raten zu je 50,-€ leisten. In den AGB steht: „Befindet
sich der Käufer mit seinen Zahlungsverpflichtungen in Verzug, hat der Verkäufer das Recht,
vom Vertrage zurückzutreten und hat einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen den
Käufer in der Höhe eines Zwölftel des Kaufpreises je Monat für die Zeit, in der der Käufer im
Besitz der Sache war“. Nach § 308 Nr. 7a ist eine solche Klausel unwirksam, da die
Lebensdauer eines Fernsehers typischerweise länger als ein Jahr beträgt und die geforderte
Nutzungsentschädigung daher unangemessen hoch ist.
Bsp.: B kauft bei S eine Waschmaschine. Als Lieferzeit werden drei Monate vereinbart. In den
AGB heißt es: „Im Falle von Kostensteigerungen kann der Verkäufer eine entsprechende
Erhöhung des Preises verlangen“. Bei der Lieferung verlangt S unter Berufung auf die
Ergebnisse der letzten Tarifrunde einen Aufpreis von 7%. Diese AGB-Klausel ist nach § 309
Nr. 1 nichtig.
Nach § 309 Nr.8 a) ist ein Rücktrittsausschluss wegen Pflichtverletzungen, die nicht in einem
Mangel bestehen, nichtig.
§ 309 Nr.8 b) regelt bestimmte Fälle rund um die Sachmängelhaftung, gilt aber nicht für
gebrauchte Sachen.
Bsp.: M kauft bei H einen neuen PKW Marke X. In den wirksam vereinbarten AGB des H
heißt es: „Hinsichtlich der elektrischen Anlagen ist eine Gewährleistung des Verkäufers
ausgeschlossen. Die Gewährleistung wird vom Hersteller der elektrischen Anlage
übernommen“. Nach § 309 Nr.8 b) aa) ist eine solche Klausel, die die Gewährleistung nur
auf den Hersteller beschränkt, nichtig.
Bsp.: M kauft bei dem Elektrohändler K einen Rasierapparat. In den AGB steht: „Die Rechte
des Käufers vom Vertrage zurückzutreten, den Kaufpreis zu mindern oder Schadensersatz
statt der Leistung zu verlangen, sind ausgeschlossen. Der Käufer kann lediglich die
kostenlose Reparatur des Kaufgegenstandes verlangen.“ Diese Klausel ist nach § 309 Nr. 8
b) bb) nichtig, da das Recht, vom Vertrag zurückzutreten oder den Kaufpreis zu mindern bei
beweglichen Sachen nicht ausgeschlossen werden kann.
Bsp.: K erwirbt bei V eine Stereoanlage. In den AGB heißt es: „Die Garantie wird nur
innerhalb von sechs Monaten gewährt“. Als nach zehn Monaten der Verstärker durchbrennt
und K Nacherfüllung in Gestalt der Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt, verweist V
auf seine AGB. Eine vertragliche Verkürzung der Gewährleistungsfristen unter ein Jahr ist
nach § 309Nr.8 b) ff) nicht möglich. Eine solche Klausel ist nichtig.
4.1.8 Die Produzentenhaftung und die Produkthaftung nach dem ProdHaftG
Die Produzentenhaftung ergibt sich aus der schuldhaften Verletzung von
Verkehrssicherungspflichten nach § 823 I, durch die jemand bei dem bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Industrieproduktes an einem seiner in § 823 I geschützten
Rechtsgüter geschädigt wird. Diese Ansprüche können gegebenenfalls neben einem
Sachmangel geltend gemacht werden.
Man unterscheidet typischerweise Konstruktionsfehler (Bsp.: Zu schwach ausgelegte
Bremsanlage bei einem Kfz), also Fehler die üblicherweise der ganzen Produktion anhaften,
Fabrikationsfehler (Bsp.: Materialrisse in Motorteilen), also Mängel, die während der
Herstellung nur an einzelnen Stücken entstehen, und Instruktionsfehler (Bsp.:
Unzureichende Warnung eines Babyteeherstellers vor den Folgen des Dauergebrauchs
(Karies)), bei denen durch eine mangelhafte Gebrauchsanweisung oder eine unzureichende
Warnung vor möglichen Gefahren ein an sich fehlerfreies Produkt Schäden erzeugt. Auch
obliegt dem Hersteller eine Warn- bzw. Hinweispflicht, wenn durch bestimmungsgemäße
oder nahe liegende Benutzung eines an sich fehlerfreien Produktes Schäden entstehen können.
Hier besteht die Beweislastumkehr, d.h. der Hersteller hat sich über die Mangelfreiheit vor
dem Inverkehrbringen zu vergewissern und den Befund zu sichern. Verletzt der Produzent
diese Pflicht, muss er seinerseits nachweisen, dass der Fehler außerhalb seines
Verantwortungsbereichs entstanden ist. Auch muss er nachweisen, dass er den Mangel
nicht zu verschulden hat. Der Hersteller hat nachzuweisen, dass er seinen Betrieb so
organisiert hat, dass Fehler möglichst ausgeschaltet werden und dass er seine Angestellte
sorgfältig ausgewählt und überwacht hat. Bei Schäden durch sachgemäßen oder nahe
liegenden Gebrauch seines Produktes hat er nachzuweisen, dass die Gefahren für ihn nicht
erkennbar waren und ihn deshalb kein Verschulden trifft. Die Umkehrung der Beweislast gilt
nicht nur für die Inhaber großer Industriebetriebe, sondern auch für die Inhaber von
Kleinbetrieben, etwa einer Gaststätte
Die Verkehrssicherungspflichten des Produzenten enden nicht mit dem Inverkehrbringen
des Produkts. Vielmehr hat er auch danach dafür zu sorgen, dass dem Verbraucher keine
Schäden entstehen und den Gegenstand zu beobachten und bei Sichtbarwerden von
Mängel das Erforderliche zu unternehmen.
Das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) regelt die verschuldensunabhängige Haftung des
Herstellers. Gemäß § 1 ProdHaftG hat der Hersteller für solche Schäden Ersatz zu leisten, die
dem Abnehmer infolge der Fehlerhaftigkeit des Produkts an Körper, Gesundheit und solchen
Sachen entstehen, die zum privaten Ge- und Verbrauch bestimmt sind mit Ausnahme des
Produkts selbst.
Ein Produkt ist nach § 2 ProdHaftG jede bewegliche Sache, auch eine solche, die in eine
unbewegliche Sache eingebaut ist. Darunter fallen auch die Elektrizität, aber nach § 15
ProdHaftG nicht Arzneimittel.
Ein Produkt hat einen Fehler nach § 3 ProdHaftG, wenn es nicht die zu erwartende
Sicherheit bietet. Darunter fallen insbesondere Konstruktions-, Fabrikations- und
Instruktionsfehler. Ausnahme sind nach § 1 ProdHaftG Entwicklungsfehler, die nach dem
Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkennbar waren.
Hersteller ist nach § 4 ProdHaftG zunächst jeder, der ein End- oder Teilprodukt bzw.
einen Grundstoff dafür produziert hat, der durch einen Markennamen als Hersteller
ausgewiesen ist, als auch der Importeur. Kann der Hersteller nicht ausfindig gemacht
werden, so haftet an seiner Stelle der Lieferant.
Der Schadensersatzanspruch verjährt nach § 12 ProdHaftG in drei Jahren. Der Umfang
liegt nach § 10 ProdHaftG bei Personenschäden in der ungefähren Höhe von 80 Mio. €
abzüglich einer Selbstbeteiligung des Geschädigten bei Sachschäden nach § 11 ProdHaftG.
Die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz kann nach § 14 ProdHaftG nicht
ausgeschlossen werden. Eine solche Klausel, die einen solchen Ausschluss zum Gegenstand
hat, ist nichtig.
4.2 Der Verbrauchsgüterkauf (§§ 474)
4.2.1 Allgemeines
Verbraucher ist nach § 13 jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck
abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit
zugerechnet werden kann.
Demgegenüber ist Unternehmer gemäß § 14 jede natürliche oder juristische Person oder
rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung
ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
Wird ein Kaufvertrag zwischen einem Verbraucher als Käufer und einem Unternehmer als
Verkäufer („Unternehmer-Verbraucher“) geschlossen, so finden die Regeln des
Verbrauchsgüterkaufs nach §§ 474 Anwendung. Alle anderen Konstellationen: “Unternehmer-Unternehmer“, „Verbraucher-Verbraucher“ oder „Verbraucher-Unternehmer“ sind
dadurch nicht erfasst.
Zu den Verbraucherverträgen gehören:
-
das Haustürgeschäft im Sinne des § 312
der Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312b
der Verbraucherdarlehensvertrag (§§ 491) (kein Kaufvertrag!)
Ratenlieferungsverträge (§ 505)
Während die AGB-Regeln bestimmte Klauseln, die die Gewährleistungsansprüche beim
Kaufvertrag einschränken, als nichtig erklären, gilt dies nach § 475 sogar für
Individualabreden, die von den §§ 307 nicht erfasst sind. Wichtig ist insbesondere, dass
nach § 475 II die Gewährleistung nicht unter ein Jahr bei gebrauchten Sachen bzw. unter
zwei Jahre bei neuen Sachen verkürzt werden darf (zwingendes Recht). Ausgenommen ist
nach § 475 III allerdings die Wirkung von § 475 I, II bezüglich einer Beschränkung oder
einem Ausschluss des Anspruchs auf Schadensersatz. Folglich sind das Rücktrittsrecht und
das Recht auf Nacherfüllung nicht abdingbar. Die Formulierung „kann der Unternehmer
sich nicht berufen“ bedeutet im wirtschaftlichen Ergebnis nichts anderes als eine partielle
Nichtigkeitsregel unter Aufrechterhaltung des Kaufvertrages im Übrigen.
Nach § 446 geht die Gefahr bei Übergabe der Sache auf den Käufer über. Tritt dann ein
Mangel auf, hat typischerweise der Käufer zu beweisen, dass der Mangel schon vorher
vorhanden war. § 476 erleichtert nun diese Regelung, indem in den ersten sechs Monaten
des Gefahrübergangs der Verkäufer beweisen muss, dass die Sache bei Gefahrübergang
mangelfrei war. Es findet also eine Beweislastumkehr statt. Diese Beweislastumkehr kann in
dieser Frist von sechs Monaten auch der Verkäufer gegen seinen Lieferanten nach § 478
III geltend machen, d.h. der Verkäufer leitet die Mängelrüge an den Hersteller weiter und
der Hersteller muss beweisen, dass die Sache zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf den
Verkäufer mangelfrei war. Nach § 478 II kann der Verkäufer vom Hersteller Ersatz der
Aufwendungen verlangen, die ihm gegenüber dem Käufer entstanden sind. Die § 478 I, II
gelten jedoch nur für neu hergestellte Sachen. Zu beachten ist, dass § 377 HGB nicht außer
Kraft gesetzt wird, d.h. der Unternehmer hat die Ware unverzüglich zu prüfen und muss
offensichtliche Mängel unverzüglich rügen und dem Hersteller anzeigen.
§ 477 schreibt eine besondere Form für Garantieerklärungen im Sinne von § 443 vor. Sie
muss verständlich sein und bestimmte Hinweise enthalten. Jedoch bedeutet dies nicht, dass
bei Garantieerklärungen, die diesen Ansprüchen nicht genügen, eine solche Garantie nicht
gelten würde. Dies macht § 477 III noch einmal deutlich.
Alle Verbrauchergesetze gewähren grundsätzlich ein Widerrufsrecht oder Rückgaberecht
nach §§ 355. Zu unterscheiden sind Verträge, die unter Kontakt zwischen den
Vertragspartnern zustande gekommen sind und solche, die nur fernmündlich unter
Zuhilfenahme von irgendwelchen Medien wie Email, Brief, Telefax, Rundfunk, Fernsehen,
natürlich Internet, aber auch über Telefon geschlossen werden. Letztere fallen unter den
Begriff der Fernabsatzverträge nach § 312b. Verträge unter gleichzeitiger körperlicher
Anwesenheit der Vertragspartner fallen in bestimmten Fällen unter die Regelung des
Haustürgeschäfts nach § 312, allerdings nur in solchen Fällen, bei denen typischerweise ein
Überrumpelungseffekt vorhanden ist, insbesondere bei Kaufsachen, für die häufig kein Bedarf
besteht und deren Entgelt nicht selten die finanziellen Möglichkeiten des Kunden übersteigt.
4.2.2 Haustürgeschäfte (§ 312)
Bei Haustürgeschäften, die nach § 312 I
-
durch mündliche Vereinbarungen am Arbeitsplatz oder im Bereich der
Privatwohnung (§ 312 I Nr.1)
im Rahmen von Freizeitveranstaltungen (wie Butter- oder Kaffeefahrten, auch
Modeschauen), die vom anderen Vertragspartner, aber auch von Dritten durchgeführt
werden (§ 312 I Nr. 2),
nach einem überraschenden Ansprechen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im
Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen (§ 312 I Nr.3)
geschlossen wurden, hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 355 oder ein Rückgaberecht nach § 356. Solche Fälle treten insbesondere bei Verträgen mit älteren Leuten auf, die
einer Überrumpelung durch entsprechende aufdringliche Werber und Vertreter ausgesetzt
sind. Auf diese Weise werden insbesondere Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Kosmetika und
Haushaltswaren aufgedrängt.
4.2.3 Fernabsatzverträge (§§ 312b)
Wird unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln ein Vertrag abgeschlossen, so handelt
es sich um einen Fernabsatzvertrag. Darunter fallen alle Medien, die zur „Anbahnung oder
zum Abschluss eines Vertrages zwischen dem Verbraucher und einem Unternehmer ohne
gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragspartner eingesetzt werden können.“
Bei Fernabsatzverträgen bestehen nach § 312c verschärfte Informationspflichten des
Unternehmers dem Verbraucher gegenüber, die bei Zuwiderhandlung eine Pflichtverletzung
darstellen mit einem Anspruch auf Schadensersatz nach den §§ 280.
Bestimmte Fälle, in denen ein Widerrufsrecht oder Rückgaberecht nach §§ 355
ausgeschlossen ist, sind in § 312d III, IV umschrieben.
Bsp.: Bei CD’s oder sonstigen Datenträgern, die entsiegelt worden sind. Oder bei Lieferungen von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten.
4.2.4 Widerruf bei Verbraucherverträgen (§§ 355)
Der wirksam erklärte Widerruf bewirkt zunächst, dass der Verbraucher an seine den Vertrag
begründende Willenserklärung nicht mehr gebunden ist. Der Vertrag besteht nicht mehr.
Leistungen, die bereits ausgetauscht worden sind, sind nach §§ 357, 346 entsprechend zurückzugewähren.
Die Ausübung des Widerrufsrechts ist möglich in den ersten zwei Wochen nach
Inkrafttreten der Widerrufsfrist und ist nach § 355 I schriftlich (in Textform) oder durch
Rücksendung der Ware auszudrücken. Die Frist beginnt nach § 355 II S.2 bei schriftlicher
Abwicklung des Vertragsschlusses erst nach Aushändigung der Vertragsurkunde oder deren
Abschrift zu laufen. Bei Warenlieferungen beginnt die Frist nicht vor Eingang der Ware
beim Empfänger zu laufen. Das Widerrufsrecht erlischt jedoch spätestens nach § 355 III S. 1
nach sechs Monaten nach Vertragsabschluss. Wird nicht ausdrücklich auf ein
Widerrufsrecht hingewiesen, so ist nach § 355 III S.3 das Widerrufsrecht zeitlich
unbegrenzt ausübbar. Die Maximalfrist von sechs Monaten gilt mithin nur in den Fällen, in
denen zwar eine Belehrung über das Widerrufsrecht erfolgt ist, aber aufgrund des Verstoßes
gegen Informationspflichten nach § 312d II oder § 312e III die Frist nicht zu laufen beginnt.
Zu den Informationspflichten gehört nach § 312e bei Verbraucherverträgen im elektronischen
Geschäftsverkehr auch die Möglichkeit, die AGB einzusehen, auszudrucken oder speichern
zu können.
4.3 Der Mietvertrag (§§ 535)
4.3.1 Allgemeines
Miete ist die unentgeltliche Überlassung der Mietsache auf Zeit gegen Entrichtung eines
Mietzinses (§ 535). Die Mietsache kann eine bewegliche und/oder ein Grundstück sein.
Typisch sind Mietverträge bei Wohn- und Geschäftsräumen, sowie Kfz.
Die Miete ist abzugrenzen von der Leihe nach §§ 598, bei der die Sache zwar auch überlassen
wird, aber unentgeltlich.
Außerdem ist sie abzugrenzen von der Pacht, bei der ein Pachtzins nach § 581 zu entrichten
ist, wo allerdings im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft auch Erträge (Früchte)
abfallen. Gegenstand des Mietvertrages können nicht nur bewegliche Sache oder
Grundstücke, sondern auch Rechte und unkörperliche Vermögensgegenstände sowie eine
Gesamtheit derselben, wie etwa Unternehmen, sein. Früchte sind nach § 99 Erträge, die nach
§ 99 I entweder bei einer Sache nach bestimmungsgemäßen Gebrauch anfallen (z.B.
Erzeugnisse wie Obst, Eier oder Ausbeute wie Sand, Holz), bei Rechten, nach § 99 II die
Erträge, die das Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt (z.B. Dividende einer Aktie)
sowie bei Sachen oder Rechten nach § 99 III auch die Erträge, die durch ein bestehendes
Rechtsverhältnis gewährt werden (z.B. Mieteinnahmen aufgrund der Überlassung der
Sache an Dritte oder z.B. Vergütungen bei Theateraufführungsrechten), also solche Früchte,
die nicht unmittelbar anfallen, sondern mittelbar über weitere Nutzungen. Nutzungen ist nach
§ 100 der Oberbegriff für Früchte und Gebrauchsvorteile. Vorteile durch den Gebrauch
der Sache können z.B. das Wohnen in einem Haus oder bei einem Recht das Stimmrecht einer
Aktie sein, also nichts, was direkt zu einem Gewinn in wirtschaftlicher Hinsicht führt,
sondern nur als positiver Nebeneffekt anfällt.
4.3.2 Der Vertrag zwischen Mieter und Vermieter
Nach § 535 muss der Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch
geeigneten Zustand überlassen (Gebrauchsüberlassungspflicht) und sie während dieser
Mietzeit in diesem Zustand erhalten (Gebrauchserhaltungspflicht). Allerdings ist die
Instandhaltungspflicht dispositives Recht und es ist nach Meinung des BGH keine
grundsätzliche Benachteiligung des Mieters, wenn so genannte Schönheitsreparaturen bei
Vermietung von Wohn- und Geschäftsräumen kraft Vertrages (durch Verwendung bestimmter
Formularverträge) auf den Mieter abgewälzt werden.
Bsp.: Vereinbaren Vermieter und Mieter, dass die Wohnung zum intensiven Lernen geeignet
sein soll, dann wird dies zum vertragsgemäßen Gebrauch erklärt.
Ein Mangel der Mietsache (Sach- oder Rechtsmangel) ist nach § 536 gegeben, wenn die
Mietsache nicht tauglich für den vertragsgemäßen Gebrauch ist.
Bsp.: Stellt sich später heraus, dass der Mieter im Stock darüber den ganzen Tag Klavier
spielt, so stellt dies einen Mangel dar.
Gemäß § 535 kann der Mieter jederzeit die Beseitigung der Mängel verlangen. Kommt der
Vermieter mit der Beseitigung in Verzug, kann der Mieter nach § 536a Schadensersatz
verlangen und ist nach § 536 vom Mietzins in der Zeit befreit, in der die Tauglichkeit
aufgehoben ist. In bestimmten Fällen kann der Mieter auch fristlos kündigen nach § 543,
nämlich, wenn nach § 543 II Nr.1 der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum
Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird. Eine unerhebliche Minderung der
Tauglichkeit bleibt jedoch nach § 536 außer Betracht. Auch dem Vermieter steht nach § 543
immer ein außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu (z.B. wenn der Mieter
nach § 543 II Nr.3 seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt). Allerdings gibt es bei
Mietverhältnissen über Wohnungen nach den §§ 549 einen ausgeprägten Kündigungsschutz
für die Mieter und besondere Regelungen über die Miethöhe.
Die Haupflicht des Mieters ist es, den Mietzins zu entrichten. Dabei ist der Mietzins
üblicherweise für einen bestimmte Zeitraum – meist einen Monat – im voraus zu bezahlen.
Nach § 540 darf er die Mietsache nicht ohne eine entsprechende Erlaubnis des Vermieters
ans Dritte weiter vermieten (Verbot der Untermiete). Darüber hinaus muss er mit der Sache
sorgfältig umgehen.
Der Vermieter erwirbt zur Sicherung seiner Forderungen aus dem Mietverhältnis (Mietzinsund Schadensersatzansprüche) nach § 562 ein Pfandrecht an den „eingebrachten Sachen des
Mieters“ (z.B. Möbel und Kunstgegenstände).
Eine Kündigung kann sowohl der Vermieter als auch der Mieter aussprechen. Aus sozialpolitischen Gründen hat der Gesetzgeber die Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters von
Wohnraum insbesondere durch die §§ 573 stark eingeschränkt. Die Abdingbarkeit dieser Vorschriften ist ausgeschlossen.
4.3.3 Leasingverträge
Leasingverträge wurden ursprünglich in den USA entwickelt und stellen kraft des Prinzips
der Privatautonomie eine bestimmte Ausgestaltung eines Mietverhältnisses dar. Allerdings
ist fraglich, ob die Regeln des Mietrechts nach §§ 535 anwendbar sind. Oftmals stellt der
Leasingvertrag eine Mischform zwischen einem Kaufvertrag und einem Mietvertrag dar. Die
einzelnen Bestimmungen werden dabei meist bis ins Einzelne durch AGB geregelt, die
höchstens im Rahmen der §§ 305 beurteilt werden können.
Es besteht typischerweise ein Dreiecksverhältnis zwischen einem Lieferanten und
Leasinggeber, wobei der Leasinggeber das Eigentum am Leasingobjekt vom Lieferanten
erwirbt und den Kaufpreis entrichtet, sowie zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer,
wobei hier eine Art Mietverhältnis vorhanden ist. Der Vertrag über die entgeltliche
Überlassung kann entweder auf eine kurze Vertragsdauer oder auf eine unbestimmte Zeit
angelegt sein.
Der eigentliche Vorteil des Leasingvertrages ist es, dass besonders bei teuren Sachen
(Investitions- und Konsumgütern) wie z.B. Datenverarbeitungsanlagen die einzelnen
Leasingnehmer die Sache nicht selbst beschaffen müssen, weil sie z.B. schnell veraltert oder
gar nicht so intensiv genutzt wird, dass sich eine eigene Einschaffung überhaupt lohnt. Bei
einem so genannten Operating-Leasing wird die Nutzung über eine bestimmte
Gesamtnutzungszeit mit dem Leasinggeber abgerechnet, der diese Sache wiederum an viele
andere Nutzer überlassen kann. Auf diese Weise kann der Leasinggeber das Gut auf
verschiedene Nachfrager und Unternehmen verteilen und diesen wird vertraglich ein
gewünschter Nutzungsbruchteil bereitgestellt. Der Leasinggeber trägt das Investitions- und
Überalterungsrisiko d.h. geht die Anlage kaputt oder ist sie technisch überaltert, so muss er
für einen Ersatz sorgen.
Bei einem Finanzierungsleasing hat auch der Leasinggeber das Eigentum an den Sachen,
die er dem Leasingnehmer überlässt. Er überlässt den Gegenstand hingegen über eine
komplette Nutzungsperiode, die in der Regel kürzer ist als die Lebensdauer der
Gegenstände, wobei er dem Leasinggeber vierteljährlich oder monatlich ein Entgelt zahlen
muss. Am Ende der Vertragslaufzeit hat der Leasingnehmer oft die Möglichkeit, den
Gegenstand zu einem Restpreis käuflich zu erwerben. Das Entgelt ist so kalkuliert, dass sie
dem Leasinggeber die Kaufsumme, eine Verzinsung des Kapitals und einen Gewinn
einbringt. Für den Abschluss von Finanzierungsleasingverträgen sind oft steuerliche
Überlegungen ausschlaggebend. Da der Leasingnehmer den Gegenstand vollständig im
Besitz hat, will der Leasinggeber für Sachmängel oder für Kosten wegen Wartung und
Instandhaltung nicht haften. Bei Sachmängeln tritt er meist die Mängelansprüche, die er aus
dem Kaufvertrag mit dem Hersteller hat, gemäß § 398 an den Leasingnehmer ab, so dass
dieser sich mit dem Hersteller einigen muss. Im Gegensatz zum Operating-Leasing trägt hier
der Leasingnehmer das Investitionsrisiko. Finanziert der Leasinggeber dem Leasingnehmer
hingegen die Nutzungsmöglichkeit, trägt der Leasinggeber das Kreditrisiko. Der BGH sieht
im Finanzierungsleasing im Kern einen atypischen Mietvertrag, auf den in erster Linie das
Mietvertragsrecht anzuwenden ist. Dennoch kann es sich um eine Neubildung des
Rechtsverkehrs handeln, die in die herkömmlichen Vertragstypen nicht einzuordnen ist. Oft
sind es halt umfangreiche AGB, die Anwendung finden, die teilweise auch die
Gewährleistungsansprüche, wie aus dem Mietvertrag üblich, ausschließen.
Zum Finanzierungsleasing zwischen Unternehmer und Verbraucher siehe auch § 500.
4.4 Der Dienstvertrag (§§ 611)
Der Dienstvertrag ist ein gegenseitig verpflichtender Vertrag über eine Leistung von
Diensten gegen Entgelt. Diese Dienste sind nach § 613 im Zweifel höchstpersönlich zu
leisten.
Bsp.: Bauleitung und Bauaufsicht durch einen Architekten, Behandlung durch einen Arzt.
Da der Arzt keinen bestimmten Leistungserfolg schuldet, handelt es sich also nicht um einen
Werkvertrag, sondern nur um die Ausübung von Dienstleistungen.
Man unterscheidet freie (unabhängige) Dienstverträge, bei denen der Leistende
selbstständig und eigenverantwortlich handelt (wie z.B. bei Wirtschaftsprüfern,
Architekten, Steuerberatern oder frei praktizierenden Ärzten) und solchen Dienstverträgen,
bei denen der Leistende in einem wirtschaftlichen Umfeld in einem Betrieb mit oder ohne
bis ins Einzelne gehende Weisungsbefugnis eines Vorgesetzten eingegliedert ist. Hier
handelt es sich um einen Arbeitsvertrag zwischen einem Arbeitgeber und einem
Arbeitnehmer, wobei besondere zusätzliche Bestimmungen nach dem Arbeitsrecht (wie z.B.
Kündigungsschutzgesetz,
Arbeitszeitordnung,
Lohnfortzahlungsgesetz
oder
Jugendarbeitsschutzgesetz) zu beachten sind.
Auf den freien (unabhängigen) Dienstvertrag sind die §§ 611 hingegen pur anwendbar.
Typischerweise endet das Dienstverhältnis
-
bei einem befristete Dienstvertrag durch Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist
(§ 620 I)
durch den Tod des Dienstverpflichteten
durch Zweckerreichung
durch
einen
Aufhebungsvertrag
zwischen
Dienstverpflichtetem
und
Dienstberechtigten
durch Kündigung
Eine Kündigung ist nach den §§ 621 zulässig. Es sind dabei je nach Beschäftigungsdauer
bestimmte Kündigungsfristen einzuhalten. Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
ist stets zulässig. In § 626 ist definiert, was als wichtiger Grund anzusehen ist: Tatsachen,
„auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des
Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten
Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.“
Bsp.: vorsätzlicher Missbrauch einer Vollmacht, Annahme von Schmiergeldern, vorsätzlich
begangene Straftaten gegen Leben, Gesundheit, Ehre oder Vermögen des Dienstberechtigten.
4.5 Der Werkvertrag (§§ 631)
Wird eine Sache neu hergestellt oder verändert (körperliches Werk) oder wird ein
bestimmter durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg (unkörperliches
Werk) geschuldet, so handelt es sich nach § 633 II um einen Werkvertrag.
Ob durch die Dienstleistung ein bestimmter Erfolg geschuldet wird, ist im Einzelfall
abzuwägen. So ist bei Arztbehandlungen typischerweise von einem Dienstvertrag auszugehen,
da der Arzt üblicherweise die volle Kausalkette der Heilbehandlung nicht beherrscht und
somit nicht einen bestimmten Erfolg der Behandlung garantieren kann.
Werden neue, also herzustellende oder zu erzeugende bewegliche Sachen lediglich geliefert,
so gelten nach § 651 die Regeln des Kaufvertrags. Diesen Fall nannte man früher einen
Werklieferungsvertrag. Das Werkvertragsrecht findet lediglich ergänzend Anwendung, falls
„nicht vertretbare“ Sachen Gegenstand des Vertrages sind (§ 651 S.3). Nicht vertretbare
Sachen sind solche, die den speziellen Bestellerwünschen angepasst sind und nicht beliebig
austauschbar sind und für den Unternehmer schwer oder gar nicht anderweitig absetzbar sind.
Der Werkvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag. Der Besteller schuldet nach § 631 I die
vereinbarte Vergütung, wobei die Vergütungspflicht nach § 632 I, II auch besteht, ohne
dass dafür eine besondere Vereinbarung getroffen wurde. Ein Kostenvoranschlag ist im
Zweifel nach § 632 III nicht zu vergüten.
Nach § 632a kann der Unternehmer für Teile seines Werkes nach erfolgter Teilabnahme
oder für erforderliche Stoffe oder benötigte Bauteile jeweils Abschlagszahlungen verlangen,
wenn der Besteller an dem bestimmten Teil des Werkes oder den benötigten Stoffen oder
Bauteilen bereits Eigentum erwirbt. Die volle Vergütung ist nach § 641 nach der Abnahme
fällig, wobei das Werk auch in Teilen abgenommen werden kann. Nach § 647 erwirbt der
Unternehmer ein Pfandrecht an hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen,
wenn diese sich vorübergehend in seinem Besitz befinden. § 641 II gilt in den Fällen, in
denen der Besteller das Werk einem Dritten versprochen hat und dafür selbst bereits eine
Vergütung erhalten hat. Dann ist der Besteller verpflichtet, dem Unternehmer die
entsprechende Vergütung weiterzureichen. Die Vergütung des Unternehmers wird mit
Eingang der Zahlungen beim Besteller fällig.
Der Unternehmer schuldet nach § 633 I ein Werk, welches frei von Sach- und
Rechtsmängeln ist. Ein Sachmangel liegt nach § 633 II vor, wenn
-
die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 633 II S.1) oder
die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§
633 II S.2 Nr.1) oder
die Sache sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet (§ 633 II S.2 Nr.2) oder
die Sache nicht die übliche Beschaffenheit aufweist, die man nach der Art des
Werkes erwarten kann (§ 633 II S.2 Nr.2) oder
ein anderes als das bestellte Werk hergestellt wird (§ 633 III) oder
das Werk in einer zu geringen Menge hergestellt wird (§ 633 III)
Ein Rechtsmangel liegt nach § 633 III vor, wenn Dritte gegen den Besteller Rechte auf das
Werk geltend machen können.
Zuzüglich ist der Unternehmer gehalten, nach Treu & Glauben (§ 242) eine Reihe von
Nebenpflichten zu erfüllen. Darunter fallen z.B. Beratungs- und Aufklärungspflichten
sowie Schutzvorschriften gegenüber dem Besteller.
Der Besteller ist nach § 640 verpflichtet, das Werk abzunehmen. Die Abnahme stellt eine
Hauptpflicht dar. Wird das Werk nicht rechtzeitig abgenommen, so kommt der Besteller
nach § 644 I in Verzug der Annahme. Dann geht die Gefahr automatisch auf den Besteller
über. Der Besteller haftet nach Gefahrübergang auch für den zufälligen Untergang des
Werkes. Analog zu § 447 erfolgt nach § 644 II auch dann ein Gefahrübergang, wenn der
Unternehmer das Werk auf Verlangen des Bestellers versendet und der Versandperson
übergeben hat. Da der Besteller die Abnahme schuldet, gelten bei Verzögerung der Abnahme
auch die Folgen der §§ 280, 281, 286, wenn der Besteller dies zu vertreten hat.
Die Abnahme bedeutet bei körperlichen Werken die körperliche Entgegennahme des Werkes
durch den Besteller, wobei der Besteller ausdrücklich oder stillschweigend die Leistung als in
der Hauptsache dem Vertrag entsprechend annimmt.
Ist eine körperliche Entgegennahme des Werkes nicht möglich, besteht die Abnahme
lediglich in der Anerkennung als vertragsgemäße Herstellung. Dies kann auch rein
schlüssig z.B. durch Ingebrauchnahme erfolgen. Bei unkörperlichen Werken ist eine
Anerkennung nicht möglich oder sinnlos. Das ist dann z.B. der Fall, wenn das Werk in einer
Personenbeförderung oder Theateraufführung besteht. Hier tritt gemäß § 646 die Vollendung
des Werkes an die Stelle der Abnahme. Einer Abnahme kommt es nach § 641a gleich, wenn
ein Sachverständiger, also z.B. ein Gutachter, eine Fertigstellungsbescheinigung ausstellt,
in der ausgedrückt wird, dass das versprochene Werk vertragsgemäß hergestellt wurde und
frei von Mängeln ist.
Bei geistigen (unkörperlichen) Werken wie Computer-Software bedeutet die Abnahme die
Installation der Software und gegebenenfalls eine Einweisung des Personals während einer
Erprobungsphase. Eine anschließende Billigung des Verwenders ist notwendig, wobei diese
auch konkludent durch Weiterverwendung der Software zum Ausdruck gebracht werden kann.
Werden bei der Abnahme Mängel sichtbar, so muss der Besteller das Werk unter Vorbehalt
abnehmen oder kann die Abnahme verweigern. Wegen unwesentlicher Mängel kann man
nach § 640 I S.2 die Abnahme allerdings nicht verweigern. Erfolgt die Abnahme, so kann
der Besteller nur dann die Rechte nach § 634 ausüben, wenn er sich die Mängel nach § 640 II
vorbehält.
Einem Haftungsausschluss, der über AGB bestimmt wird, sind nach § 309 Nr. 7 und Nr. 8
bestimmte Grenzen gesetzt. Allerdings sind Individualabreden möglich, allerdings nur dann,
wenn nach § 639 der Unternehmer nicht seinerseits den Mangel arglistig verschwiegen oder
eine Garantie für die Beschaffenheit des Werkes übernommen hat.
Sind Mängel vorhanden, so muss der Besteller dem Unternehmer nach §§ 634 S. 1, 635
zunächst eine Nachfrist zur Nacherfüllung setzen. Nach § 635 I kann der Unternehmer
selbst entscheiden, ob er das Werk neu herstellt oder lediglich den Mangel beseitigt. Der
Unternehmer trägt nach § 635 II dabei die Kosten selbst. Allerdings kann der Unternehmer
die Nacherfüllung nach § 635 III verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen
Kosten möglich ist. Ist die Nachfrist erfolglos geblieben, so kann der Besteller nach §§ 634
S.2, 637 den Mangel selbst beseitigen, indem er diesen z.B. auf Kosten des ersten
Unternehmers durch einen anderen Unternehmer beseitigen lässt, wobei der Besteller nach §
637 III bei größeren Kosten vom ersten Unternehmer auch einen Vorschuss verlangen kann.
Verweigert der erste Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht, z.B. aufgrund § 635 III, so
kann der Besteller keinen Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.
Vergeht eine Nachfrist erfolglos, schlägt sie also fehl oder ist sie allgemein dem Besteller
unzumutbar oder der Unternehmer kann die Nacherfüllung nach § 635 III verweigern, so steht
dem Besteller nach §§ 636, 323 oder §§ 636, 326 V ein Rücktrittsrecht zu oder er kann nach
§ 638 eine Minderung der Vergütung verlangen. Bei der Minderung ist die Vergütung in
dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des
Werkes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Werk gestanden haben würde.
War die Nachfrist erfolglos und erfolgt auch keine Selbstvornahme seitens des Bestellers
d.h. wurde die Leistung nicht vertragsgemäß erbracht, so kann der Besteller nach §§ 634 IV,
280, 281 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Ist die Leistung unmöglich, so gelten
bei nachträglicher Unmöglichkeit die §§ 634 IV, 280, 281, 283 und bei anfänglicher
Unmöglichkeit die §§ 311a, 281. Die Voraussetzungen des § 280 sind im Prinzip immer
erfüllt, da der Unternehmer die Herstellung eines mangelfreien Werkes schuldet. Alternativ
kann der Besteller nach §§ 634 IV, 284 auch Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen
verlangen. Das wird er in der Regel machen, wenn die gemachten Aufwendungen den Wert
des Gegenstandes übersteigen.
In manchen Fällen hat der Besteller nach § 634 Nr.4, 280 auch Anspruch auf Ersatz eines
Mangelfolgeschadens, wenn durch das mangelhafte Werk Vermögensschäden entstanden
sind, die über den Wert des mangelhaften Werkes selbst hinausgehen.
Der Besteller ist oftmals verpflichtet, eigene Handlungen vorzunehmen, indem er z.B.
dem Unternehmer Zutritt zu seinem Grundstück gewähren muss oder Daten und
Informationen zu liefern hat. Unterlässt der Besteller die erforderlichen Handlungen, so
kommt er nach § 642 in Verzug der Annahme mit den Folgen nach §§ 293. Der
Unternehmer hat bei unterlassener Mitwirkung auch das Recht zur Kündigung nach § 643,
wenn eine Nachfristsetzung seitens des Unternehmers erfolglos war. Bestimmte Abreden, die
den Besteller zu bestimmten Handlungen verpflichten, können bei Unterlassung dieser
Handlung zu einer Pflichtverletzung nach § 241 II führen.
4.5.1 Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) als AGB
Die VOB stellen einen Typenvertrag im Sinne von allgemeinen Geschäftsbedingungen
(AGB) dar, die das Werkvertragsrecht, soweit es dispositiv ist, modifizieren. Es wird kraft
Vereinbarung zwischen Bauherr und Bauunternehmer Vertragsbestandteil. Die VOB ist in
drei Teile gegliedert:
VOB Teil A Verfahren bei Vergabe von Bauleistungen
VOB Teil B Ausführungen von Bauleistungen
VOB Teil C Allgemeine technische Vorschriften für die Ausführung
Während Teil B die genannten modifizierenden Bestimmungen enthält, sind in Teil C
lediglich technische Normen gesammelt, die den momentanen Stand der Technik im
Baubereich beschreiben. Teil A enthält Vorschriften für den Zeitraum vor Baubeginn. VOB
Teil A findet vielfach Anwendung, wenn die öffentliche Hand Bauvorhaben ausschreibt und
regelt das Ausschreibungsverfahren im Einzelnen.
Wichtige modifizierende Vorschriften aus Teil B seien im Folgenden aufgeführt:
-
-
-
Neben der förmlichen Abnahme mit Anfertigung einer Abnahmeniederschrift, in der
etwaige Vorbehalte oder bekannte Mängel aufgenommen werden, kennt die VOB die
so genannte fiktive Abnahme, die 12 Werktage nach Erbringung der Leistung und
Mitteilung über deren Fertigstellung automatisch erfolgt.
Ein Rücktritt ist nach VOB nicht vorgesehen. Somit sind die Rechte in der VOB Teil
B nur auf die Mängelbeseitigung, den Schadensersatz und die Minderung beschränkt.
Ein Schadensersatzanspruch setzt außerdem das Vorhandensein eines wesentlichen
Mangels voraus.
Die Verjährungsfrist für Bauwerke wurde von 5 Jahren nach § 634a auf 2 Jahre
verkürzt. Bei Arbeiten an einem Grundstück sieht die VOB die Verjährungsfrist von
nur einem Jahr seit Abnahme vor. Ein Anspruch auf Beseitigung aufgetretener
Mängel wird von der schriftlichen Mängelanzeige des Bauherrn vor Ablauf der
Verjährungsfrist abhängig gemacht.
4.5.2 Der Reisevertrag (§§ 651a)
Um die Verbraucherrechte von Kunden von Reiseunternehmen zu verbessern, wurden die §§
651a-m in das Werkvertragsrecht aufgenommen. Sie gelten aber im Prinzip nur, wenn ein
Reisenunternehmen die Reiseleistung als eigene Leistung (also als Reiseveranstalter)
anbietet, also sie gelten nicht für Reisebüros, die ja lediglich Reisen vermitteln und wenn das
Reiseunternehmen eine Gesamtheit von Leistungen anbietet, wobei mindestens zwei auf
die Reise bezogene Leistungen wie Beförderung und Unterkunft Minimum sind (Wird keine
Gesamtheit von Leistungen angeboten, so können dennoch wegen des gleichartigen
Schutzzweckes einige Teile der §§ 651a anwendbar sein).
Voraussetzungen für das Entstehen von Gewährleistungsansprüchen des Reisenden sind
Fehler der Reise oder das Fehlen zugesicherter Eigenschaften.
Wurden für bestimmte Fälle keine weitergehenden Regelungen getroffen, so gelten ergänzend
die §§ 631 (Werkvertragsrecht) und das Schuldrecht.
4.6 Auftrag und entgeltliche Geschäftsbesorgung (§§ 662, 675)
4.6.1 Der Auftrag (§§ 662)
Der Auftrag zielt ab auf eine unentgeltliche Tätigkeit, die rechtsgeschäftlich sein kann, die
also z.B. im Rahmen einer Vollmacht eine bestimmte rechtsgeschäftliche Tätigkeit
beinhalten kann, oder die eine rein tatsächliche Handlung sein kann wie z.B. eine Maschine
bedienen oder ein KFZ fahren.
Da hier lediglich der Beauftragte verpflichtet wird, handelt es sich um einen einseitigen
Vertrag. Der Auftraggeber hat lediglich eine Nebenleistungspflicht, nach § 670 die
Aufwendungen zu ersetzen, die dem Beauftragten bei der Ausführung des Auftrages
entstehen. Da die Tätigkeit selbst unentgeltlich sein soll, sind dabei eher Spesen, Reisekosten
oder dergleichen gemeint.
Aufgrund der ihm anvertrauten Sache oder Aufgabe bestehen für den Beauftragten
Nebenpflichten, den Auftrag mit aller Sorgfalt auszuführen. Z.B. kann er aufgrund des
Wertes einer ihm anvertrauten Sache zu einer Sorgfaltspflicht verpflichtet sein, da sonst
schuldrechtliche Verpflichtungen auf ihn zukommen können wie z.B. Schadensersatz.
Dabei ist zu fragen, ob eine solche Bindung, die bei Schlechtleistung zu Schadensersatz
verpflichtet, beabsichtigt war oder ob es sich lediglich um ein reines Gefälligkeitsverhältnis
ohne Rechtsbindungswillen handelt.
Des Weiteren hat der Beauftragte die Pflicht, das, was er direkt als Ergebnis seiner
Geschäftsbesorgung erlangt oder was er zur Ausführung des Auftrages sonst irgendwie
erhält, nach § 667 an den Auftraggeber herauszugeben. Dazu zählen nach § 668 auch
Zinsen, wenn er aus dem Auftrag Geld erlangt hat und dieses Geld für einen bestimmten
Zeitraum für sich verwendet hat. Außerdem ist er verpflichtet nach § 666 Auskunft und
Rechenschaft über seine Tätigkeit abzulegen.
4.6.2 Der entgeltliche Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675)
Der Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 umfasst eine entgeltlichte Tätigkeit, die
typischerweise im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages ausgeführt wird. Da der
Geschäftsbesorgungsvertrag einem Auftrag bis auf die Entgeltlichkeit ähnelt, finden nach §
675 auch die entsprechenden Regelungen des Auftrags Anwendung. Der Beauftragte handelt
dabei im Interesse des Auftraggebers bei der Wahrnehmung der Vermögensinteressen des
Auftraggebers. Es handelt sich also um eine Tätigkeit wirtschaftlicher Art.
Bsp.: Beschaffung eines Hypothekendarlehens, Vertrag über die Sanierung eines
Unternehmens, Vertrag über die Finanzierung eines Bauprojektes, Bankvertrag zwischen
Bank und Kunden
Sonderformen des Geschäftsbesorgungsvertrages sind:
-
der Überweisungsauftrag (§§ 676a)
der Zahlungsvertrag (§§ 676d)
der Girovertrag (§§ 676f)
4.6.2.1 Der Überweisungsauftrag (§§ 676a)
Der Überweisungsauftrag wird zwischen dem Überweisenden und dem Kreditinstitut, das die
Überweisung ausführt, geschlossen.
Der Überweisende wird gemäß § 676b gegen 3 Arten von Leistungsstörungen geschützt.
-
die verspätete Überweisung
die – etwa aufgrund zu Unrecht einbehaltener Kosten – gekürzte Überweisung
die – etwas durch eine Fehlbuchung - verloren gegangene Überweisung
Nach § 676b ist eine Überweisung zu verzinsen. Das überweisende Kreditinstitut trifft eine
Garantiehaftung, d.h. die Haftung ist verschuldensunabhängig (§ 676c)
4.6.2.2 Der Zahlungsvertrag (§§ 676d)
Der Zahlungsvertrag regelt das Schuldverhältnis zwischen dem ersten Kreditinstitut, bei dem
der Kunde einen Überweisungsauftrag geschlossen hat und einem möglicherweise
zwischengeschalteten Kreditinstitut, das lediglich eine Überweisung zum ersten Kreditinstitut
tätigt. So können Rechte vom ersten Kreditinstitut gegenüber dem zwischengeschalteten
Kreditinstitut geltend gemacht werden wie z.B. Schadensersatz, wenn die Überweisung nicht
ordnungsgemäß ausgeführt wird.
4.6.2.3 Der Girovertrag (§§ 676f)
Der Girovertrag regelt das Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut. Er
verpflichtet das Kreditinstitut, für den Kunden ein Konto einzurichten, eingehende Zahlungen
auf dem Konto gutzuschreiben und abgeschlossene Überweisungsverträge zu Lasten des
Kontos abzuwickeln.
Nach § 676g sind eingehende Zahlungen in der Regel innerhalb eines Tages gutzuschreiben.
4.7 Die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677)
Oftmals werden Tätigkeiten erledigt, die in den Einflussbereich oder die Rechtssphäre
fremder Personen eingreifen, ohne von diesen beauftragt zu sein.
Man unterscheidet berechtigte und unberechtigte GoA. Bei einer berechtigten GoA liegt
die Tätigkeit im Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des „fiktiven“
Geschäftsherrn zur Zeit der Übernahme der Geschäftsführung. Der mutmaßliche Wille ist
festzustellen, wenn der wirkliche Wille nicht erkennbar ist.
Bsp.: Das Haus des Nachbars A von B brennt. B eilt zur Hilfe und löscht das Feuer. Der
mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn misst sich nach objektiven Kriterien bei objektiver
Berücksichtigung aller Umstände der Geschäftsführung. A kann also nachträglich nicht
behaupten, das Löschen seines Hauses läge nicht in seinem Interesse. Dabei ist allerdings die
Gesamtlage des Geschäftsherrn zu beachten. Also mischen sich auch subjektive Elemente mit
hinein.
Dabei entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis mit auftragsähnlichem Charakter. Der Wille
des Geschäftsherrn ist unbeachtlich, wenn die Tätigkeit nach § 679 im öffentlichen
Interesse unbedingt geboten ist.
Bsp.: Der Hang im Garten des Nachbars A droht abzustürzen und mehrere Grundstücke
unter sich zu begraben. Hier liegt die Absicherung des Hanges im öffentlichen Interesse.
Bei einer unberechtigten GoA, d.h. wenn die Tätigkeit nicht im Interesse des
Geschäftsherrn liegt oder seinem Willen entspricht, entsteht kein gesetzliches
Schuldverhältnis. Etwaige Schäden oder Vermögensopfer werden lediglich über das
Bereicherungsrecht (§§ 812) oder das Gesetz der unerlaubten Handlungen (§§ 823)
abgewickelt. Letzteres gilt nach § 682 auch dann, wenn der Geschäftsführer geschäftsunfähig
oder in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist.
Eine echte GoA ist dann gegeben, wenn wirklich im fremden Interesse gehandelt wird.
Dient die Tätigkeit hingegen nur dem bewussten Eigeninteresse des Geschäftsführers, so liegt
nach § 687 keine GoA vor. Er reicht hingegen schon, wenn beabsichtigt wird, die
Angelegenheiten eines Anderen irgendwie mitzubesorgen (also ein auch-fremdes
Geschäft). Dann ist eine GoA zu bejahen. Eine GoA ist auch dann nicht gegeben, wenn der
Geschäftsführer vom Geschäftsherrn beauftragt (§§ 677) ist.
Ist eine echte und berechtigte GoA gegeben, so gelten die Regeln des Auftrags (§§ 666-668).
d.h. der Geschäftsführer hat nach § 666 eine Auskunfts- und Rechenschaftspflicht und muss
nach §§ 667, 668 das Erlangte herausgeben eventuell auch mit Verzinsung. Nach § 681 ist
der Geschäftsführer außerdem gehalten, wenn möglich, zunächst die Meinung des
Geschäftsherrn einzuholen und dessen Entschließung abzuwarten, wenn nicht Gefahr im
Verzug ist. Der Geschäftsführer kann nach § 683 Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.
4.8 Das Maklerrecht (§§ 652)
Makler sind aufgrund ihrer Sachkunde und Expertise auf bestimmten Fällen gefragte
Personen im Wirtschaftsleben. Man findet sie bei dem Verkauf oder Ankauf von
Grundstücken (auch Hypotheken) oder Wohnungen oder im Finanzierungs- und Kreditgeschäft. Sie führen praktisch Angebot und Nachfrage zusammen. In §§ 652 sind die
Rechte des Maklers umschrieben.
Man unterscheidet Nachweismakler, die lediglich bestimmte Interessenten ausfindig
machen und Vermittlungsmakler, die zudem mit diesen Personen Verhandlungen mit dem
Ziel der Vertragsschließung führen. Nach § 652 wird der Maklerlohn aber nur fällig, wenn
der Vertrag dann auch tatsächlich zu Stande kommt und der Nachweis oder die Vermittlung
dafür ursächlich war. Dabei sind so genannte Insichgeschäfte, bei denen der Makler auch
gleichzeitig im Interesse des Dritten handelt, den er nachweist oder vermittelt, nach § 654
nicht zu vergüten. Außerdem muss der Maklerlohn nach § 655 verhältnismäßig sein.
4.8.1 Der Darlehensvermittlungsvertrag (§§ 655a)
Vermittelt ein Makler einem Verbraucher gegen Entgelt einen Darlehensvertrag
(Vermittlungsmakler) oder weist er ihm die Gelegenheit zum Abschluss eines
Darlehensvertrags nach (Nachweismakler), so handelt es sich um einen
Darlehensvermittlungsvertrag. Wie jeder Verbrauchervertrag besteht nach §§ 655c, 355 ein
Widerrufsrecht. Außerdem handelt es sich bei den §§ 655a-d um zwingendes Recht.
Der Darlehensvermittlungsvertrag bedarf der Schriftform und muss eine Reihe an
Informationen enthalten (§ 355b).
Der Maklerlohn wird fällig, wenn das Darlehen tatsächlich in Anspruch genommen wird und
ein Widerruf ausgeschlossen ist.
4.9 Das Darlehen
Man unterscheidet Geld- und Sachdarlehen.
4.9.1 Das Gelddarlehen (§§ 488)
Durch den Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer
einen bestimmten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer muss den
Betrag bei Fälligkeit zurückerstatten (ohne Rücksicht auf Auf- oder Abwertung einer
verwendeten Währung). Sind Zinsen auf den Betrag zu entrichten, so handelt es sich um
einen gegenseitigen Vertrag mit Geltung der §§ 320 (also z.B. Zurückbehaltungsrecht, etc.)
Ansonsten spricht man von einem unvollkommen zweiseitig verpflichtenden Vertrag. Die
Zinsen oder Darlehensvaluta sind dem Darlehensgeber zum Eigentum zu übertragen. Die
Darlehensvaluta kann auch an einen Dritten geleistet werden.
Neben Personalkrediten (Sicherheit sind alleine der Darlehensnehmer, ein Bürge oder ein
Mitschuldner) oder Bodenkrediten (Sicherung sind Hypotheken und Grundschulden) der
Banken und Sparkassen, sind auch Bauspardarlehen und Teilzahlungskredite (Bezahlung
einer bestimmten Sache oder Leistung in Raten) möglich. Einlagen auf Girokonten oder
Spareinlagen werden als Fälle der Summenverwahrung nach § 700 betrachtet. Öffentliche
Kredite werden ebenso über das private Darlehensrecht abgewickelt, wobei der Prozess
zweistufig ist. Der erste Schritt ist eine Bewilligung im Rahmen eines öffentlichen
Verwaltungsaktes (Bescheid), der zweite Schritt der Vollzug des Bewilligungsbescheides.
Ein Sonderfall des Darlehensvertrags ist ein Verbraucherdarlehensvertrag (§§ 495). Dieser
wird oftmals in Verbindung mit einem Kaufvertrag als Finanzierungserleichterung
abgeschlossen. Dabei kann der Verkäufer gleichzeitig als Vertreter des Kreditgebers (z.B.
einer Bank) auftreten. Dies ist ein typischer Verbrauchervertrag mit Widerrufsrecht (§ 355).
Da es sich um ein rechtlich verbundenes Geschäft handelt, also der Kredit der Finanzierung
dient, wirken Mängel des einen Rechtsgeschäfts auf das andere zurück. Bei verbundenen
Verträgen, die Verbraucherverträge sind, findet § 358 Anwendung. Widerruft der
Verbraucher ein Rechtsgeschäft, entweder den Kaufvertrag oder den Kredit, dann ist er an das
damit verbundene Geschäft auch nicht mehr gebunden. Bei Leistungsstörungen wie z.B.
Mängeln gilt § 359. Der Verbraucher kann die Rückzahlung eines Darlehens verweigern, bis
die Nacherfüllung erfolgreich war (Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320). Erst bei
Fehlschlagen der Nacherfüllung kann er endgültig die Rückzahlung des Kredites ablehnen.
Bei Bagatellkrediten unter 200,- € steht dem Verbraucher allerdings kein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 zu.
4.9.2 Der Verbraucherdarlehensvertrag (§§ 491)
Für Darlehensnehmer, die Verbraucher sind, gelten die §§ 491. Der Verbraucherdarlehensvertrag bedarf der Schriftform (§ 492 I), wenn nicht eine strengere Form vorgeschrieben ist.
Die elektronische Form ist nicht ausreichend (§ 492 I S. 2). Außerdem muss der Vertrag nach
§ 492 die folgenden regelungsbedürftigen Punkte beinhalten:
1. den Nettodarlehensbetrag und gegebenenfalls die Höchstgrenze des Darlehens
2. den Gesamtbetrag aller vom Darlehensnehmer zur Tilgung des Darlehens zu
erbringenden Teilzahlungen mitsamt Zinsen und sonstiger Kosten
3. die Art und Weise der Rückzahlung oder die Regelung der Vertragsbeendigung
4. den Zinssatz und alle sonstigen, im Einzelnen zu bezeichnenden Kosten einschließlich
etwaiger Vermittlungskosten
5. den effektiven Jahreszins (siehe § 492 II) oder – bei vorbehaltener Zinsänderung –den
anfänglichen effektiven Jahreszins und die Voraussetzungen der Änderung
6. die Kosten einer Restschuld – oder sonstigen, mit dem Kreditvertrag
zusammenhängenden Versicherungen
7. die zu bestellenden Sicherheiten
Fehlen die Punkte 1 bis 6, so ist der Verbraucherdarlehensvertrag nach § 494 I nichtig.
Empfängt der Darlehensnehmer das Darlehen, so wird dieser Formmangel nach § 949 II
jedoch geheilt. Fehlt eine Angabe des Zinssatzes oder Jahreszinses, so reduziert sich der
Zinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz. Eine Sonderform des Darlehens ist nach § 493 der
Überziehungs- oder Dispokredit, die Kreditinstituten ihren Kunden einräumen.
Der Darlehensgeber kann das Darlehen nach § 498 aufkündigen, wenn der
Darlehensnehmer mit mindestens zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen ganz oder
teilweise und mindestens 10%, bei einer Laufzeit über 3 Jahren mit 5% des Nennbetrags des
Darlehens oder des Teilzahlungspreises in Verzug ist und eine zweiwöchige Frist, die zur
Zahlung des rückständigen Betrags mit der Erklärung gesetzt wurde, dass bei Nichtzahlung
innerhalb der Frist die gesamte Restschuld fällig wird, erfolglos war.
Dem Verbraucher steht nach §§ 495, 355 ein Widerrufsrecht zu. Da die Widerrufsfrist zwei
Wochen beträgt, gilt der Widerruf als nicht erfolgt, wenn das Darlehen bereits empfangen und
nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt worden ist.
§ 497 enthält zugunsten des Verbrauchers eine Sonderregelung betreffend der Behandlung
von Verzugszinsen und der Anrechnung von Teilleistungen. Schließlich wird der Verbraucher
vor Nachteilen geschützt, die ihm aus der Abtretung der gegen ihn gerichteten
Kreditforderung an Dritte oder aus der Verwendung von Schecks oder Wechseln entstehen
können (§ 496).
Für Darlehen, die als Finanzierungshilfe von Unternehmern an Verbraucher vergeben werden,
gelten die §§ 499. Solche Darlehen können einen Zahlungsaufschub gewähren, der
mindestens eine Frist von 3 Monaten beinhalten sollte. Von Bedeutung ist nach § 501 das so
genannte Teilzahlungsgeschäft.
4.9.3 Das Sachdarlehen (§§ 607)
Gegenstand des Darlehens sind vertretbare Sachen (§ 91), die im Verkehr nach Maß, Zahl
und Gewicht bestimmt zu werden pflegen. Entgegen der Verwahrung, Leihe oder Miete wird
also nicht dieselbe Sache zurückerstattet, sondern nur eine gleichwertige äquivalente
Sache. Es besteht keine Verpflichtung der Rückerstattung der „dargeliehenen“ Sache. Solche
Sachen können auch Wertpapiere sein, die nicht individualisierbar sind.
Für die Gewährung des Sachdarlehens ist im Zweifel ein Entgelt zu zahlen.
4.10 Vergleich, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis
4.10.1 Vergleich (§ 779)
Besteht eine Ungewissheit über einen Rechtszustand, der tatsächliche oder rechtliche Gründe
haben kann, dann kann der ungewisse Rechtzustand durch einen Vertrag im Rahmen eines
Vergleichs beseitigt werden, indem beide Seiten aufeinander zugehen und in ihren Punkten
jeweils nachgeben (auch geringfügiges Nachgeben genügt), bis ein neuer Rechtszustand
erreicht wird.
Beide Vertragspartner streiten sich über die erfolgte oder nicht erfolgte Rückzahlung eines
Kredits in der Höhe von 1000,- €. Der Kreditgeber meint, die Summe noch nicht erhalten zu
haben. Der Kreditgeber besteht darauf, dass er die Kreditsumme schon zurückgezahlt habe.
Indem sich beide darauf einigen, dass der Kreditnehmer den halben Betrag, nämlich 500,-€
zukünftig noch zurückzahlt, haben sie einen Vergleich abgeschlossen.
Ein Prozessvergleich, der in einem anhängigen Zivilprozess abgeschlossen wird, ist ebenso
eine Form des Vergleichs. Aus einem Prozessvergleich kann die Zwangsvollstreckung
betrieben werden.
4.10.2 Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis (§§ 780)
Durch ein abstraktes Schuldversprechen kann ein neues Schuldverhältnis begründet oder
ein altes umgeschaffen (Novation) werden. Dabei tritt die selbstständige Verpflichtung als
eine neue Anspruchsgrundlage neben das alte Schuldverhältnis. Durch ein abstraktes
Schuldanerkenntnis kann eine alte Schuld bestärkt oder lediglich anerkannt werden.
Beide Rechtsverhältnisse werden im Rahmen eines Vertrages abgeschlossen und bedürfen der
Schriftform.
Das neue Schuldverhältnis ist unabhängig vom zu Grunde liegenden Grundgeschäft. Wird
das Grundgeschäft unwirksam, so bleibt die neue Schuld dennoch bestehen.
Das so genannte deklaratorische Schuldanerkenntnis, welches gesetzlich nicht geregelt ist,
zielt (ähnlich wie ein Vergleich) darauf ab, das Schuldverhältnis ganz oder in bestimmter
Beziehung dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen und insoweit endgültig
festzulegen.
Bei einem Verkehrsunfall wird häufig die Alleinschuld im Rahmen eines deklaratorischen
Schuldanerkenntnisses erklärt, um eine polizeiliche Unfallaufnahme zu verhindern. Durch ein
deklaratorisches Schuldanerkenntnis werden dem Erklärenden sämtliche Einwendungen oder
Einreden entzogen. Selbst, wenn sich nachträglich seine Unschuld zu Recht herausstellen
würde, bleibt er weiterhin zum vollen Schadensersatz verpflichtet.
5 Das Sachenrecht (§§ 854)
5.1 Eigentum und Besitz (§§ 854)
Man unterscheidet zwei wesentliche Begriffe. Das Eigentum, das nach § 903 das Recht
verbrieft, mit einer Sache oder einem Recht nach Belieben zu verfahren (§ 903 ist aber
keine Legaldefinition von Eigentum) und den Besitz, der nach § 854 I ein
Herrschaftsverhältnis über eine Sache bezeichnet.
Meist ist der Eigentümer zugleich der Besitzer. Es reicht zum Besitz die Zugänglichkeit der
Sache. So übt der Bauer nach der Verkehrsanschauung den Besitz über seinen Pflug aus, auch
wenn dieser 2 km entfernt von seinem Wohnhaus auf seinem Felde steht. Es reicht ein
tatsächliches Herrschaftsverhältnis, ein räumlicher Zusammenhang ist nicht notwendig.
Die Verfügungsgewalt hat allein der Eigentümer, der Besitzer übt jedoch die tatsächliche
Gewalt über den Gegenstand aus. Derjenige, der ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über
eine Sache (man unterscheidet bewegliche Sachen und nicht bewegliche Sachen wie z.B.
Grundstücke. Nach § 946 sind bewegliche Sachen, die mit einem Grundstück wesentlich
verbunden sind, Teile des Grundstücks. Das Eigentum des Grundstückseigentümers erstreckt
sich also auch auf diese Sache) ausübt, ist der unmittelbare Besitzer. Übt er den Besitz für
einen anderen aus, d.h. hat er einen Fremdbesitzerwillen, so fungiert er als Besitzmittler für
den mittelbaren Besitzer. Der mittelbare Besitzer ist oft der Eigentümer, der dem
unmittelbaren Besitzer über eine gewisse Zeit z.B. im Rahmen eines Pacht-, Miet-, Leiheoder Verwahrungsvertrages oder einem ähnlichen Verhältnis nach § 868 ein Recht zum Besitz
erteilt. Im Rahmen dieses Rechtsverhältnis ist der unmittelbare Besitzer zum Besitz
berechtigt. Ein solches Besitzmittlungsverhältnis wird auch als Besitzkonstitut bezeichnet.
Nach § 986 kann der Eigentümer die Sache nicht vor Ablauf des Rechtsverhältnisses
herausverlangen.
Bsp.: V vermietet ein Paar Skier für zwei Wochen zu einem Mietzins von 50,-€ an M. Vor
Ablauf der zwei Wochen beschließt V, selbst Ski zu fahren. Er wendet sich deshalb an M und
verlangt die Herausgabe der Skier. M ist hier berechtigt nach § 986 I S.1 die Herausgabe zu
verweigern.
Auch eine gepfändete Sache braucht nicht herausgegeben werden. So erwirbt der Vermieter
nach § 562 an den eingestellten Sachen des Mieters ein Pfandrecht, solange, bis er bezüglich
seiner Mietnachforderungen befriedigt ist. Ansonsten hat der Eigentümer nach § 985 jedoch
immer das Recht, die Sache vom Besitzer herauszuverlangen. Ihm allein steht die
Verfügungsgewalt über die Sache zu. Das Eigentum verbrieft das umfassendste Recht zur
tatsächlichen Nutzung (z.B. dem Gebrauch oder Verbrauch einer Sache) oder rechtlichen
Nutzung einer Sache (z.B. der Weiterveräußerung oder Belastung einer Sache). Nach § 1004
ist der Eigentümer gegen äußere Beeinträchtigung seines Besitzes geschützt (und kann sie
notfalls z.B. im Rahmen einer Unterlassungsklage beseitigen), es sei denn, er ist gezwungen,
diese nach § 1004 II zu erdulden, was sich z.B. aus gesetzlichen Vorschriften oder aus
Rechtsverhältnissen zwischen dem Eigentümer und dem Störer ergeben kann.
Jemand, der im Rahmen eines Rechtsverhältnisses oder eines sozialen Abhängigkeitsverhältnisses mit Weisungsbefugnis des Besitzers die Gewalt über eine Sache ausübt (z.B.
eine Maschine oder ein Kraftfahrzeug) ist nach § 855 kein unmittelbarer Besitzer, sondern
lediglich ein Besitzdiener.
Bsp.: Die Haushaltskraft H oder der Arbeitnehmer im Betrieb des B.
Der Besitzwille ist rein faktisch, d.h. keine Willenserklärung. So muss der Besitzer nicht
geschäftsfähig sein, kann also auch ein Kind sein. Man unterscheidet die Besitzerlangung
durch einen einseitigen Zugriff mit Besitzbegründungswillen (z.B. ein Kind hebt eine Muschel
auf) oder durch einen abgeleiteten Besitzerwerb mit Zustimmung des bisherigen Besitzers
(ein anderes Kind schenkt ihm eine Muschel).
Übt jemand widerrechtlich verbotene Eigenmacht (also Besitzentziehung und Besitzstörung) nach § 858 aus, so kann der Besitzer nach §§ 861, 862 die Wiedereinräumung des
Besitzes oder die Beseitigung der Störung verlangen. Dieses Recht steht nach § 869 auch
dem mittelbaren Besitzer zu. Der mittelbare Besitzer kann die Wiedereinräumung des
Besitzes auf den unmittelbaren Besitzer oder sich selbst verlangen.
5.2 Eigentumsübertragung von beweglichen Sachen (§§ 929)
Zur Übergabe von beweglichen Sachen nach § 929 sind zwei Willenserklärungen abzugeben,
nämlich eine, die eine Einverständniserklärung des alten Eigentümers beinhaltet, das
Eigentum auf den neuen Eigentümer übertragen zu wollen in Verbindung mit einem
ebensolchen Einverständnis des neuen Eigentümers, das Eigentum erwerben zu wollen. Man
spricht von einer Einigungserklärung, die einen (sachenrechtlichen (dinglichen)) Vertrag
darstellt mit all ihren Tücken (Geschäftsfähigkeit, etc.)). Haben sich Erwerber und Veräußerer
geeinigt, muss noch die Übergabe der Sache erfolgen, die einen rein faktischen Akt, einen so
genannten Realakt darstellt. Die Einigung kann auch konkludent erklärt werden.
Bsp.: A kauft beim Bäcker B 10 Brötchen und B übergibt dem A gegen Barzahlung des
Kaufpreises die Brötchen.
Der Veräußerer muss verfügungsbefugt sein. Es gibt Fälle, in denen selbst der Eigentümer
nicht verfügungsbefugt ist. Dann nämlich, wenn z.B. aufgrund eines Insolvenzverfahrens
das Vermögen durch einen Insolvenzverwalter verwaltet wird. Hier ist allein der
Insolvenzverwalter verfügungsbefugt. In der Regel ist allerdings der Eigentümer der
Berechtigte.
Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft und das dingliche Verfügungsgeschäft sind
voneinander getrennt. Man spricht von dem so genannten Abstraktionsprinzip.
Meist befindet sich die Sache bereits im Besitz des Erwerbers. Eine Übergabe ist also
entbehrlich. Dann braucht lediglich eine Einigung über die Eigentumsübertragung erfolgen.
Dies kann der Fall sein, wenn der Erwerber aufgrund eines Rechtsverhältnis wie z.B. eines
Miet- oder Pachtvertrages bereits im Besitz der Sache ist.
Neben diesem Fall des Besitzes ohne Eigentum gibt es aber auch den anderen Fall, nämlich
das Eigentum ohne Besitz. Hier geht das Eigentum über, aber es findet keine faktische
Übergabe statt. Man bezeichnet diese Konstellation nach § 930 als Besitzkonstitut. Hier
erfolgt lediglich eine Einigung nach § 929, dass das Eigentum übergehen soll, die Sache
befindet sich jedoch nur im mittelbaren Besitz des Eigentümers. Der unmittelbare Besitzer
ist ein anderer. Ein Sonderfall ist die Sicherungsübereignung (Sicherungseigentum), bei
der die Einigung auch vorweggenommen werden kann z.B. bezüglich erst zukünftig zu
produzierender Güter, bevor überhaupt auch ein Besitz möglich ist. Demnach kann auch ein
Besitzmittlungsverhältnis vorweggenommen werden.
Ein letzter Fall ist dann gegeben, wenn weder der Erwerber noch der Veräußerer, sondern ein
Dritter im Besitz der Sache ist. Hier kann der Eigentümer seinen Herausgabeanspruch nach
§ 985, den er gegenüber dem Dritten ausüben kann, an den Erwerber nach § 398 abtreten.
Meist erfolgt die Eigentumsübertragung durch ein und dieselbe Person, nämlich den Besitzmittler, wenn dieser sich z.B. verpflichtet hat, für funktionsuntüchtige gemietete Maschinen
Ersatzstücke zu besorgen und dem Vermieter das Eigentum daran zu verschaffen. Im
Prinzip handelt es sich um ein Insichgeschäft, welches nach § 181 eigentlich verboten ist.
Hier handelt der Besitzmittler jedoch im Rahmen eines Mietvertrages bei der Erfüllung einer
Verbindlichkeit. In einem solchen Fall ist ein Insichgeschäft nach § 181 erlaubt.
Es gibt Fälle, in denen zwar eine Übergabe erfolgt ist, beide sich auch über den Übergang der
Sache einigen, aber der Veräußerer nur so tut, als sei er der rechtmäßige Eigentümer. In
diesem Fall spricht man nach § 932 von einem Erwerb vom Nichtberechtigten. Der
Erwerber weiß in der Regel nicht, dass der Veräußerer nicht der Eigentümer ist. Er ist dann
gutgläubig. Da der Besitz typischerweise ein Eigentum anzeigt, kann man die Gutgläubigkeit
nur am Besitz festmachen. Nach dem BGB ist nach § 932 ein gutgläubiger Erwerb vom
Nichtberechtigten möglich. Allerdings setzt das voraus, dass die Sache rechtmäßig in die
Hände des Besitzers gelangt ist. Sucht sich der wahre Eigentümer einen ungeeigneten
Besitzer aus, so ist es dann halt sein Problem. Ist die Sache jedoch einem anderen abhanden
gekommen oder gestohlen worden und in die Hände des Nichtberechtigten gelangt, dann ist
nach § 935 ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen. Dies gilt nach § 935 II natürlich nicht
für Dinge, denen man ein bestimmtes Eigentumsverhältnis gar nicht ansehen kann wie z.B.
Geld oder Inhaberpapiere. Dies trifft auch auf Sachen zu, die öffentlich versteigert werden.
Eine Gutgläubigkeit muss jedoch ausgeschlossen werden, wenn der Veräußerer vorsätzlich
oder grob fahrlässig unterlässt, Erkundigungen über den Eigentümer einzuholen.
Bsp.: Will ein Nichtberechtigter ein Kfz verkaufen, so handelt der Erwerber grob fahrlässig,
wenn er sich nicht den Fahrzeugbrief zeigen lässt und die Person im Kfz-Schein mit dem
Veräußerer vergleicht.
Ein Erwerber handelt allgemein grob fahrlässig, wenn er die erforderliche Sorgfalt nach
den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet
gelassen hat, was im gegebenen Fall ihm hätte einleuchten müssen. Bei Insichgeschäften, bei
denen Veräußerer und Erwerber identisch sind, ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen.
Faktisch lässt sich ja schon allein die Gutgläubigkeit nicht mehr feststellen, es sei denn,
derjenige, der die Sache an sich selbst veräußert, leide an Demenz.
Kurz: Es muss sich um ein Verkehrsgeschäft handeln.
Es kann auch sein, dass der gutgläubige Erwerber nur den mittelbaren Besitz erlangt und
der Nichtberechtigte im Rahmen eines Besitzkonstituts zunächst im Besitz der Sache bleibt.
Hier wird dann das Eigentum gutgläubig erst erworben, wenn die Sache nach §§ 930, 933
endgültig an den Erwerber übergeben wird.
Bsp.: Ein Gabelstapler, der dem F gehört, wird von dem Nichtberechtigten N an G
weiterveräußert. Der G hat aber momentan keinen Raum den Gabelstapler abzustellen und
bittet den N, den Stapler vorübergehend bei sich zu belassen. Hier wird also ein
Verwahrvertrag nach § 688 abgeschlossen, gemäß dem der N vorübergehend den
unmittelbaren Besitz erhält. Erst später, im Zeitpunkt der Übergabe, wird G dann gutgläubig
Eigentümer.
5.3 Eigentumsübertragung von unbeweglichen Sachen (§§ 873, 925)
Bei beweglichen Sachen ist der Besitz einer Sache in vielen Fällen ein ausreichendes
Anzeichen dafür, wer der Eigentümer ist. Bei unbeweglichen Sachen wie z.B.
Grundstücken ist dies jedoch nicht ohne weiteres klar. Aus diesem Grund werden sämtliche
Rechte an Grundstücken (Eigentumsrecht, Belastung mit Hypotheken, Grund- und
Rentenschulden) in einem staatlichen Register, dem so genannten Grundbuch eingetragen,
der das Recht an einem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Recht
verbrieft.
Das Grundbuch wird in den Grundbuchämtern geführt, die in der Regel die Amtsgerichte
sind. Es ist nach Gemeindebezirken geordnet und mit Kataster, Lage, Größe, Bebauung und
Nutzungsart klar bezeichnet. Das Grundbuch besteht aus drei Abteilungen.
-
-
Abteilung 1: Hier werden der Eigentümer und sämtliche Änderungen in der
Eigentumslage eingetragen
Abteilung 2: Hier sind Rechte an einem Grundstück (Nießbrauch, etc.) enthalten mit
Ausnahme der Hypotheken, Grund- und Rentenschulden und Verfügungsbeschränkungen, wie sie durch Insolvenz, Zwangsversteigerung etc. begründet werden
können
Abteilung 3: Hier werden Hypotheken, Grund- und Rentenschulden eingetragen
Die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück erfolgt nach § 925 im Rahmen der
Auflassung, bei der die Einigung des Erwerbers und des Veräußerers vor einer
zuständigen Stelle erklärt und aufgenommen werden. Jeder Notar ist zuständig, die
Auflassung entgegenzunehmen. Die Auflassung ist ein Verfügungsgeschäft. Das zugehörige
Verpflichtungsgeschäft, z.B. ein Kaufvertrag, ist nach § 311b formbedürftig und bedarf, da
das Verfügungsgeschäft notariell beurkundet wird, ebenso einer notariellen Beurkundung.
Ist die Auflassung und die Eintragung ins Grundbuch hingegen bereits erfolgt, so ist auch ein
ohne diese Form geschlossenes Verpflichtungsgeschäft seinem Inhalt nach gültig. Insofern
wird der Formmangel also nachträglich durch eine erfolgte Auflassung geheilt.
Für eine entsprechende Eigentumsänderung oder die Eintragung weiterer das Grundstück
belastender Rechte (Hypotheken, etc.) ist nach § 873 die Einigung des von der Eintragung
Betroffenen und des entsprechenden anderen Teils (Erwerbers) notwendig und anschließend
im Grundbuch einzutragen.
Das Grundbuch als ein staatliches Register soll sichere Auskunft über die Rechtsverhältnisse
an einem Grundstück geben. Die Rechtsordnung zwingt dazu, das Grundbuch so weit wie
möglich vor Unrichtigkeiten zu bewahren. Jeder, der ein berechtigtes Interesse daran hat,
kann ein Grundbuch einsehen. Ein solches Interesse hat z.B. derjenige, der ein Grundstück
erwerben will.
Die Eintragung ins Grundbuch wird als richtig und vollständig angesehen. Das formelle
Konsensprinzip zwingt dazu, dass derjenige, dessen Recht im Grundbuch verbrieft ist,
zunächst seine Einwilligung geben muss, bevor das Recht zu Gunsten einer anderen Person
geändert werden kann. Auf diese Weise gelingt es, die Rechtsänderungen an einem
Grundstück lückenlos zu verfolgen. Somit soll jeder, dessen Recht durch eine Eintragung
betroffen ist, bereits im Grundbuch eingetragen sein. Nur durch seine Einwilligung ist eine
Änderung möglich.
Wird ein Grundstück, dessen Eigentümer A ist, an F verkauft und ohne Eintragung des F ins
Grundbuch an S weiterverkauft, so muss, bevor S ins Grundbuch als Eigentümer eingetragen
werden kann, zuvor F als Eigentümer eingetragen werden.
Damit ist der Rechtsstand in allen Entwicklungsstufen klar und verständlich wiedergegeben.
Eine Ausnahme ist lediglich dann gegeben, wenn im Erbfall zwar der Vererbende als
Berechtigter eingetragen ist, das Recht des Erben jedoch durch die Eintragung betroffen wird.
Allerdings kann es passieren, dass das Grundbuch unrichtig und unvollständig ist, d.h.
dass sich die wirkliche Rechtslage (=materielle Rechtslage) und die Eintragung im
Grundbuch (=formelle Rechtslage) widersprechen.
Dies kann z.B. sein, wenn eine Auflassung stattgefunden hat ohne gültiges Verpflichtungsgeschäft oder wenn jemand anderes, als derjenige, dessen Recht tatsächlich eingetragen
wurde, durch ein Verpflichtungsgeschäft berechtigt war. Oder wenn zwar ein gültiges
Verpflichtungsgeschäft vorhanden war, eine Eintragung ins Grundbuch auch erfolgt ist, aber
das Verpflichtungsgeschäft nachträglich z.B. wegen beschränkter Geschäftsfähigkeit des
Erklärenden oder Anfechtung der Verpflichtungs- oder Einigungserklärung unwirksam
wurde. Im Normalfall sind diese Fälle nicht bedeutend, da derjenige, der stattdessen
berechtigt ist, einen Widerspruch einlegen und auf eine Änderung der Eintragung hinwirken
kann. Da der Inhalt des Grundbuchs als vollständig und richtig angenommen wird, sind
unrichtige und unvollständige Eintragungen nur dann von Bedeutung, wenn jemand anderes
auf die Angaben vertraut.
Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums ist nach § 892 möglich, wenn das Grundbuch
unrichtig und unvollständig ist, und der Erwerber auf die Richtigkeit der Angaben vertraut.
Z.B. ist das Grundbuch unrichtig, wenn der Eingetragene nicht der Eigentümer ist bzw. der
wirkliche Eigentümer nicht eingetragen ist. Da fingiert wird, dass das Grundbuch vollständig
ist, auch wenn die tatsächliche und formelle Rechtslage nicht übereinstimmen, kann der
gutgläubige Erwerber
-
das Eigentum von Nichtberechtigten erwerben, wenn dieser als Eigentümer
eingetragen ist
belastende Rechte sich selbst gegenüber als nicht existent gelten lassen, wenn
Hypotheken oder andere Rechte versehentlich gelöscht wurden
oder beides zusammen gelten lassen (redlicher lastenfreier Erwerb vom Nichteigentümer)
Da für die Zeit, während der das Grundbuch unrichtig ist, der gutgläubige Erwerb möglich ist,
kann der Berechtigte nach § 894 vom Begünstigten verlangen, dass dieser eine Einwilligung
gibt, das Grundbuch zu ändern (Berichtigungsbewilligung). Gemäß § 894 ist der
Eingetragene dazu verpflichtet, eine entsprechende Erklärung abzugeben.
Es kann sein, dass solche Ansprüche vor Gericht geklärt werden müssen. Um während dieser
Zeit einem gutgläubigen Erwerb vorzubeugen, kann der Berechtigte einen Widerspruch in
das Grundbuch eintragen lassen. Ein Widerspruch nach § 899 vernichtet den öffentlichen
Glauben des Grundbuches und macht einen gutgläubigen Erwerb gemäß § 892 unmöglich.
Im Widerspruch muss erkennbar sein, wer das unrichtig oder nicht eingetragene Recht für
sich in Anspruch nimmt. Der Widerspruch kann aufgrund einer einstweiligen Verfügung
oder mit Einwilligung des Eingetragenen erfolgen.
Einen Schwebezustand, der zwischenzeitliche Verfügungen erlauben würde, ist auch dann
gegeben, wenn eine Verpflichtung zur Eigentumsübertragung oder Eintragung eines
Rechts bereits besteht, aber das Recht noch nicht in das Grundbuch eingetragen wurde.
Um Verfügungen zu verhindern, die das Recht des Berechtigten zwischenzeitlich vereiteln
oder beeinträchtigen würden, kann nach § 883 eine Vormerkung in das Grundbuch
eingetragen werden. Auch die Vormerkung kann aufgrund einer einstweiligen Verfügung,
wenn der Anspruch vor Gericht z.B. durch eidesstattliche Versicherung einer Person
glaubhaft gemacht werden kann, oder mit Einwilligung des formell Betroffenen (Nichtberechtigten) geschehen. Erfolgt eine zwischenzeitliche Verfügung, die das Recht des
Berechtigten vereiteln würde, so ist diese zwar gültig gegenüber jedem anderen außer
allerdings gegenüber dem Berechtigten selbst, der nach § 888 von dem formell Begünstigten
die Zustimmung zu der angestrebten Eintragung oder Löschung verlangen kann. Die
Einwilligung des formell Begünstigten ist immer notwendig.
5.3.1 Das Erbbaurecht
Um die Bebauung auch für solche Personen interessant zu machen, die nicht in der Lage oder
willens sind ein Grundstück zu erwerben, kann nach § 873 ein Erbbaurecht in das
Grundbuch eingetragen werden, das bis zu 99 oder 66 Jahren währen und auch vererbt oder
weiter veräußert werden kann. Das Erbbaurecht ist ein dingliches Nutzungsrecht an einem
Grundstück. In § 1 der Verordnung über das Erbbaurecht heißt es:
„Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass demjenigen, zu dessen Gunsten die
Belastung erfolgt, das veräußerliche und vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der
Oberfläche des Grundstücks ein Baurecht zu haben (Erbbaurecht)“
Normalerweise sind nach § 946 bewegliche oder unbewegliche Sachen, die mit dem
Grundstück wesentlich verbunden sind, Bestandteil des Grundstücks. Durch das
Erbbaurecht wird dieser Grundsatz durchbrochen. Nun sind diese Bestandteile des
Erbbaurechts und gehen erst dann wieder auf den Grundstückseigentümer über, wenn das
Erbbaurecht erloschen ist. Während der Zeitdauer des Erbbaurechts steht dem
Grundstückseigentümer ein Erbbauzins zu, der jährlich fällig wird. Vielfach wird das
Erbbaurecht auch durch öffentliche Körperschaften wie z.B. Städte und Gemeinden als
Mittel der Bodenpolitik in größerem Umfang vergeben. Damit kann eine Beeinflussung der
Grundstückspreise und Mieten erzielt werden.
Das Erbbaurecht erhält von Amts wegen ein besonderes Grundbuchblatt, das
Erbbaugrundbuch genannt wird. Das Erbbaurecht kann mit denselben Grundpfandrechten
belastet werden, mit denen ein Grundstück belastet werden kann (Hypotheken oder
Grundschulden).
Geht das Eigentum auf den Grundstückseigentümer über, so muss dieser eine angemessene
Entschädigung zahlen.
5.3.2 Das Wohnungseigentum
Es ist üblich, dass ein Eigentum an Wohnungen erworben werden kann z.B. in Form einer
so genannten Eigentumswohnung. Dies eröffnet die Möglichkeit, an räumlich bestimmten
Teilen von Häusern das Eigentum zu erwerben und erlaubt auch die Belastung dieses
Eigentums mit Hypotheken oder Grundschulden. Die Regelung des § 93, nach der
wesentliche Bestandteile nach einer Zerstückelung oder Trennung von einer Sache nicht
Gegenstand eigenständiger Rechte sein können, wird damit in diesem speziellen Fall
aufgehoben. Ein Sondereigentum ist möglich. Darüber hinaus sind diejenigen Teile des
Gebäudes, die für den Bestand oder die Sicherung wesentlich sind, und auch diejenigen Teile,
die dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienen, gemeinschaftliches Eigentum aller
Wohnungseigentümer wie z.B. die tragenden Mauern des Hauses, die Treppen oder die
Zentralheizung.
5.4 Sicherheiten
Bei Kreditgeschäften wie dem Warenkredit oder dem Geldkredit sind Kreditgeber häufig
nur dann zur Vergabe eines Kredites bereit, wenn entsprechende Sicherheiten vorhanden
sind. Die persönliche Vertrauenswürdigkeit eines Kreditnehmers ist in der Regel für die
Vergabe eines Kredites keine ausreichende Grundlage.
Ein Warenkredit liegt vor, wenn ein Vertragspartner vorleistungspflichtig ist und seine Ware
dem Käufer bereitstellt, bevor der volle Kaufpreis bezahlt ist. Ein Geldkredit ist praktisch ein
Darlehen nach §§ 488 bzw. wenn das Darlehen zwischen einem Unternehmer und einem
Verbraucher ausgehandelt wird liegt ein entsprechender Verbraucherdarlehensvertrag vor.
Derartige Sicherheiten können gegliedert werden in
Personalsicherheiten, wenn
zahlungskräftige Dritte für die Rückzahlung einstehen, falls der Schuldner seine
Verpflichtungen nicht erfüllt (die typische Personalsicherheit ist die Bürgschaft) oder
Realsicherheiten, durch die sich der Gläubiger bestimmte Rechte an Gegenständen des
Schuldners einräumen lässt. Dazu zählen das Pfandrecht an beweglichen Sachen und
Rechten,
die
Grundpfandrechte
(Hypotheken
und
Grundschulden),
das
Sicherungseigentum, die Sicherungszession und der Eigentumsvorbehalt. In der Regel
sind Realsicherheiten ergiebiger und sicherer als Personalsicherheiten. Daher versuchen
Gläubiger zunächst Realsicherheiten zu erlangen, bevor sie sich mit Personalsicherheiten
zufrieden geben.
5.4.1 Personalsicherheiten
5.4.1.1 Die Bürgschaft (§§ 765)
Mit einer Bürgschaft nach §§ 765 steht ein Bürge für fremde Verbindlichkeiten eines
Hauptschuldners ein. Dabei kann die Hauptschuld schuldrechtliche Ursachen, aber auch
gesetzliche Entstehungsgründe wie ungerechtfertigte Bereicherung oder unerlaubte
Handlung haben. Sie kann zur Sicherung von unvertretbaren Leistungspflichten wie z.B. bei
Diensten oder Werkleistungen dienen und Gewährleistungspflichten oder Mängelansprüche
absichern. Man spricht dann auch von einer Gewährleistungsbürgschaft. Diese Bürgschaft
wird mit demjenigen Gläubiger (z.B. dem Besteller eines Werkes) abgeschlossen, der
berechtigt ist, die gesicherten Gewährleistungsansprüche (z.B. Schadensersatz statt der
Leistung oder Ersatz von Aufwendungen) geltend zu machen.
In der Regel steht ein Bürge immer für Geldforderungen ein. Er haftet begrenzt für eine
bestimmte Hauptschuld, aber mit seinem gesamten Vermögen. Der Bürgschaftsvertrag ist
nach § 766 schriftlich abzuschließen. Eine elektronische Form ist nicht zulässig.
Dabei ist die Bürgschaft akzessorisch d.h. haftet an der Hauptschuld. Geht die Hauptschuld
unter, dann geht auch die daran haftende Bürgschaft unter. Aufgrund der Akzessorietät muss
die Hauptschuld einigermaßen bestimmt sein. Wohl kann man nach § 765 II die Bürgschaft
auch für künftige Verbindlichkeiten übernehmen, aber der Schuldgrund für eine künftige
Verbindlichkeit muss bestimmbar sein, da nach dem Rechtsgedanken des § 767 I S.3 eine zu
weitgehende Haftung, bei der die Verpflichtung des Bürgen nachträglich erweitert werden
könnte, zu unbillig wäre. Es muss sich durch Auslegung ermitteln lassen, welche
Hauptforderung gegebenenfalls in welchem Umfang gesichert werden soll. Das heißt nicht,
dass die Bürgschaft in ihrer Höhe begrenzt sei, sondern dass das Risiko lediglich vorher
abschätzbar ist.
Der Hauptgläubiger erwirbt kein vorrangiges Befriedigungsrecht. Er steht den anderen
Gläubigern des Bürgen formal gleich.
Besteht neben der Bürgschaftsverpflichtung eine Verpflichtung aus einem Kaufvertrag, so
kann der Gläubiger nicht verlangen, dass die Bürgschaftsverpflichtung vorrangig erfüllt
wird.
Auch kann der Bürge nach § 771 mit der Einrede der Vorausklage erwirken, dass der
Gläubiger zunächst eine Zwangsvollstreckung beim Hauptschuldner anstrengt und erst
nach deren Erfolglosigkeit den Bürgen in Anspruch nimmt (man sagt, die Bürgschaft ist
subsidiär). Übernimmt der Bürge hingegen eine selbstschuldnerische Bürgschaft, so
verschließt er sich nach § 773 I Nr.1 dieser Möglichkeit. Weitere Gründe, die eine solche
Vorausklage unmöglich machen, sind nach § 773 I Nr.2 gegeben, wenn die Rechtsverfolgung
wegen einer eingetretenen Änderung des Wohnsitzes, der gewerblichen Niederlassung oder
des Aufenthaltsorts des Hauptschuldners wesentlich erschwert ist, nach § 773 I Nr.3 über das
Vermögen des Hauptschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder es nach § 773 I
Nr. 4 absehbar ist, dass eine Zwangsvollstreckung die Hautschuld nicht vollständig deckt. In
diesen Fällen kann der Gläubiger ohne vorherige Klage sofort die Leistung vom Bürgen
fordern. Durch die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft wird ein
langwieriges Verfahren vermieden. Der Gläubiger kann sich sogleich an den Bürgen
halten, ohne vorher die Durchsetzung des Anspruchs beim Schuldner versucht zu haben.
Steht der Bürge für die Verbindlichkeit eines Hauptschuldners ein, so geht der Anspruch des
Gläubigers gegen den Hauptschuldner nach § 774 auf den Bürgen über. Aus diesem
Anspruch kann der Bürge nachträglich versuchen, den Hauptschuldner zu belangen.
Da die Bürgschaft an der Hauptschuld haftet, stehen dem Bürgen nach § 768 I S. 1 auch
dieselben Einreden und Einwendungen zu, die der Hauptschuldner dem Gläubiger
entgegensetzen könnte. Zu den Einwendungen gehören z.B.
-
rechtshindernde Einwendungen wie Nichtigkeit von Rechtsgeschäften wegen
Geschäftsunfähigkeit (§ 105) oder Sittenwidrigkeit (§ 138)
rechtsvernichtende Einwendungen wie Erfüllung, Aufrechnung, Erlass
rechtshemmende Einwendungen, die auch als Einreden bezeichnet werden wie die
Einrede der Verjährung, die Einrede der nachträglichen Stundung, die Einrede des
nicht erfüllten Vertrages (§ 320), die Einrede des Zurückbehaltungsrechts (§ 273) oder
die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung
Der Bürge kann die Zahlung auch verweigern, wenn nach § 770 I der Hauptschuldner das
Rechtsgeschäft anfechten oder nach § 770 II mit einer fälligen Forderung gegen den
Gläubiger aufrechnen kann.
Will der Gläubiger erreichen, dass der Bürge solche Einwendungen oder Einreden nicht
geltend machen kann, dann muss er mit dem Bürgen eine „Bürgschaft auf erstes
Anfordern“ vereinbaren. Lediglich der Einwand des Rechtsmissbrauchs (der unzulässigen
Rechtsausübung) ist dem Bürgen dann noch möglich. Damit soll erreicht werden, dass der
Bürge schon auf einfaches formalisiertes Verlangen des Gläubigers zahlen muss. Damit
werden dem Gläubiger sofort liquide Mittel zugeführt. Der Verzicht des Bürgen auf
Geltendmachung etwaiger Einreden oder Einwendungen ist aber nur einstweilig. In einem
Rückforderungsprozess kann der Bürge wegen ungerechtfertigter Bereicherung
nachträglich die Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Art in einem Prozess klären. Da
die Bürgschaft auf erstes Anfordern dem Gläubiger starke Rechte einräumt, muss der Inhalt
der Bürgschaftsurkunde klar erkennen lassen, dass der Haftungsumfang des Bürgen sich auf
die vom Gläubiger erhobene Forderung erstreckt. Diese Art der Bürgschaft entfernt sich recht
stark vom gesetzlichen Leitbild nach §§ 765 und ist entsprechend, soweit AGB verwendet
werden, nach §§ 305 auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Außerdem sollte eine
Belehrung des Bürgen über deren mögliche Risiken erfolgen und ihm klargemacht werden,
wie der Unterschied zur gesetzlichen Bürgschaft aussieht.
Bürgschaftsverträge dürfen nicht sittenwidrig sein. Sie sind also nach § 138 I daraufhin zu
untersuchen, ob möglicherweise die Unerfahrenheit oder eine wirtschaftliche oder
psychische Zwangslage eines Bürgen ausgenutzt wurde. Häufig werden nahe Verwandte
oder Lebenspartner als Bürgen herangezogen. Dabei soll überprüft werden, ob dabei nicht
vielleicht ein zu krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen besteht oder dadurch ein unerträgliches
Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern geschaffen wurde.
F nimmt ein Darlehen über 350.000,- € bei einer Bank auf. Dort wird sie gedrängt, ihren
Sohn als Bürgen zu bestellen. Dieser ist gerade volljährig und besitzt kein eigenes
Einkommen. Da in diesem Fall die zuletzt genannten Gründe zutreffen, ist der
Bürgschaftsvertrag nach § 138 I nichtig.
Sind AGB gegeben (bei Formularvorlagen), dann kann eine Inhaltskontrolle nach § 307
erfolgen. Auch soll überprüft werden, ob der Vertrag überraschende Klauseln enthält.
Überraschend sind nach § 305c Klauseln, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners
deutlich abweichen und dieser mit denselben nach den Umständen nach vernünftigerweise
nicht zu rechnen braucht. Dazu zählen auch allgemeine oder individuelle Beleitumstände des
Vertragsschlusses wie der Gang und der Inhalt der Vertragsverhandlungen oder der äußere
Zuschnitt des Vertrages.
Nach § 307 I sind AGB unwirksam, in denen eine zu große Benachteiligung des Bürgen zu
erkennen ist.
Bsp.: Es heißt im Formular: „zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen
gegen den Hauptschuldner.“
Eine neuere Entscheidung des BGH lässt auch solche Klauseln nach § 307 I unwirksam
werden, nach denen selbst für („alle“) schon „bestehenden Ansprüche gegen den
Hauptschuldner“ zu haften ist, diese Forderungen jedoch nicht näher bezeichnet sind. Der
Bürge hat ein Anrecht darauf zu erfahren welches Risiko er eingeht (Transparenzgebot).
Oftmals wird dem Bürgen der Umfang seiner Verpflichtung durch die undurchsichtige
globale Zweckerklärung verschleiert.
Nach § 307 II kann eine AGB-Klausel unwirksam sein, wenn sie zu stark im Widerspruch mit
dem gesetzlichen Vorbild steht und sich z.B. nicht mit der gesetzlichen Leitentscheidung des
§ 767 I S.3 vereinbaren lässt. Letzteres soll verhindern, dass die Bürgenverpflichtung durch
ein Rechtsgeschäft erweitert wird, welches der Hauptschuldner nach der Übernahme der
Bürgschaft vornimmt. Hätte der Bürge auch für solche Ausdehnungen seiner Verpflichtung
einzustehen, so hätte er ein unkalkulierbares Risiko übernommen, so dass ihm schlimmstenfalls sogar der Ruin drohte.
5.4.1.2 Der Garantievertrag (Garantieversprechen)
Ein Garantievertrag ist ein selbständiger Vertrag, in dem sich jemand verpflichtet für
einen bestimmten Erfolg einzustehen oder die Gefahr eines künftigen, noch nicht
entstandenen Schadens zu übernehmen. Der Garantievertrag ist nicht akzessorisch und kann
auch wirksam zustande kommen ohne dass eine zu sichernde Forderung besteht.
Häufig treten Garantieerklärungen als zusätzliche Leistungserklärungen neben eine
Forderung, um eine zusätzliche Sicherheit zu geben. Soll der Kaufpreis z.B. gestundet
werden, so kann eine Garantieerklärung, dass der Kaufpreis vom Schuldner bestimmt bezahlt
werde, dem Gläubiger dazu einen Anreiz geben. Ein Garantievertrag ist es auch, der einen
Betrag von 400,- - € garantiert, wenn Bankkunden unter Vorzeigen einer Scheckkarte Euroschecks ausstellen und an den Schecknehmer übergeben.
Da die Garantiererklärung nicht an eine Forderung gekoppelt ist, können auch keine Einreden
oder Einwendungen geltend gemacht werden, die dem Schuldner aus dem Schuldverhältnis
mit dem Gläubiger diesem gegenüber zustehen. Außerdem ist die Wirksamkeit eines
Garantievertrages nicht von der Einhaltung der Schriftform abhängig. Abgesehen von
diesen Unterschieden, besteht aber eine Ähnlichkeit zur Bürgschaft.
5.4.1.3 Die Schuldmitübernahme
Hier erfolgt eine Absicherung, indem Dritte die Schuld mit übernehmen (Schuldbeitritt
oder kumulative Schuldübernahme). Auch eine Schuldmitübernahme ist nicht akzessorisch.
Sie stellt eine neue Forderung dar, aus der der Gläubiger Befriedigung suchen kann. Die
Schuldmitübernahme ist auch ohne die Einhaltung einer bestimmten Form gültig.
5.4.1.4 Abgrenzung Bürgschaft, Garantieversprechen, Schuldmitübernahme
Oftmals ist die Abgrenzung zwischen Bürgschaft, Garantieversprechen und
Schuldmitübernahme nicht klar möglich. Letztere kommen jedoch in Betracht, wenn der
Schuldner ein erhebliches eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der
Erfüllung der Verbindlichkeit hat. In der Regel ist die Bürgschaft das gesetzlich vorgesehene
Sicherungsmittel. Auch sind letztere nicht akzessorisch und gehen bei einer Abtretung der
Hauptforderung nicht wie Nebenrechte nach § 401 auf den Neugläubiger über.
5.4.1.5 Die Patronatserklärung
Als Patronatserklärungen werden Erklärungen verschiedener Art bezeichnet, die eine
Muttergesellschaft eines Konzerns dem Kreditgeber ihrer Tochtergesellschaft abgibt,
um damit die Aussichten auf die Rückzahlung des Kredits zu verbessern. Ein Motiv für die
Abgabe von Patronatserklärungen (man unterscheidet harte Patronatserklärungen und
lediglich unverbindliche Good-Will-Erklärungen) an Stelle der klassischen Sicherungsmittel
wird neben der Einhaltung des eigenen Kreditspielraumes darin gesehen, Eventualverbindlichkeiten nicht in die Bilanz und in den Geschäftsbericht aufnehmen zu müssen.
Ob eine Garantieerklärung oder eine unverbindliche Zusage ohne rechtliche Bindung
vorhanden ist, ist im Einzelfall zu befinden.
5.4.2 Realsicherheiten
5.4.2.1 Der Eigentumsvorbehalt (§ 449)
Unter Erklärung eines Eigentumsvorbehalts nach § 449 bleibt der Verkäufer solange
Eigentümer, bis die Bedingung der Zahlung des Kaufpreises eingetreten ist. Ist die
Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts z.B. wegen einer Unwirksamkeit der Bedingung
unwirksam, so erwirbt der Käufer sofort bei Übergabe der Sache unbedingtes Eigentum.
Typischerweise sind lediglich bewegliche Sachen Gegenstand eines Eigentumsvorbehalts.
Grundstücke werden in der Regel nicht unter Eigentumsvorbehalt übereignet.
Man unterscheidet nach dem Abstraktionsprinzip das Verpflichtungsgeschäft, das
üblicherweise unbedingt wirksam ist und das Verfügungsgeschäft. Die Übergabe ist zwar
erfolgt, aber die Übereignungserklärung nach § 929 wird nach § 158 I erst mit der
aufschiebenden Bedingung der Zahlung des Kaufpreises wirksam. Solange der volle
Kaufpreis nicht gezahlt ist, ist das Rechtsgeschäft in einem Schwebezustand, der Käufer
erwirbt allerdings ein Anwartschaftsrecht auf die Sache (der Verkäufer kann also nicht
einseitig diese Rechtsposition ohne triftigen Grund (wie Verzug, etc.) zerstören). Wird der
volle Kaufpreis bezahlt, so wird der Käufer in jedem Fall (ex nunc) Eigentümer. Ist der
Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises im Verzug, so kann der Verkäufer nach § 323
zurücktreten, wobei nur in seltenen Fällen eine Fristsetzung nach § 323 II entbehrlich ist. Es
kann allerdings eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden, des Inhalts, dass ein
sofortiger Rücktritt ohne vorherige Fristsetzung bei Eintritt des Verzugs (§ 286) möglich sein
soll. Die bereits übergebene Sache wird bei einem Rücktritt nach § 346 I zurückgewährt. Der
bereits bezahlte Kaufpreis ist nach § 812 wegen ungerechtfertigter Bereicherung ebenfalls
zurückzuerstatten. Etwaige Nutzungen z.B. für Abnutzung oder Benutzung der Sache darf der
Verkäufer nach § 347 I einbehalten.
Oben Erwähntes spielt z.B. eine Rolle, wenn der übereignete Gegenstand im Rahmen einer
Einzelzwangsvollstreckung gepfändet werden soll oder sich in einer Insolvenzmasse befindet.
Gegen eine Pfändung kann der Nocheigentümer eine Drittwiderspruchsklage nach § 771
ZPO zur Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme einleiten. Dann kann die
Zwangsvollstreckung nur weiter betrieben werden, wenn der Käufer Eigentum an der Sache
erwirbt. In der Regel kann der Käufer selbst oder der Gerichtsvollzieher nach § 267 den
Kaufpreis begleichen. Dieses Recht hat auch der Insolvenzverwalter (§ 105 InsO). Oder die
Erfüllung des Vertrages wird (hier vom Insolvenzverwalter) abgelehnt. Dann kann der
Verkäufer zurücktreten. Die Kaufsache und der bereits bezahlte Kaufpreis werden
zurückgewährt. Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens besteht dann ein Aussonderungsrecht.
Welcher Weg sinnvoller ist, ist jeweils zu entscheiden.
Obwohl der Verkäufer Eigentümer ist, kann er nach § 985 jedoch nur dann die Sache
herausverlangen, wenn er nach §§ 986, 449 II vom Vertrag zurückgetreten ist.
Der Eigentumsvorbehalt ist das in der BRD gebräuchlichste Sicherungsmittel für den
Warenkreditgeber. Allerdings führt der so umschriebene Eigentumsvorbehalt zu einem
schwierigen Rechtszustand, da der Vorbehaltskäufer kein Eigentum erwirbt und daher die
Sache auch nicht weiter veräußern kann. Dann ist er aber auch meist nicht in der Lage,
den fälligen Kaufpreis zu bezahlen. Durch den so genannten verlängerten Eigentumsvorbehalt erwirbt der Vorbehaltskäufer nach § 185 vom Vorbehaltsverkäufer das
Verfügungsrecht und kann dann die Kaufsache an Dritte weiter veräußern. Allerdings
geht in diesem Zuge auch das Eigentum für den Vorbehaltsverkäufer verloren. Um eine
Sicherheit zu erhalten, wird daher meist die Forderung, die der Vorbehaltskäufer gegen
den Dritten besitzt, nach § 398 an den Vorbehaltsverkäufer abgetreten. Es können auch
zukünftige Forderungen abgetreten werden, wenn sie spätestens im Augenblick ihrer
Entstehung zweifelsfrei bestimmbar sind (dies ist üblicherweise der Fall, da die Person des
Schuldners und die Höhe der Forderung aus einer Rechnung oder einem Lieferschein klar
erkennbar sind). Da der Vorbehaltsverkäufer den Kaufpreis der abgetretenen Forderung in der
Regel nicht selbst eintreiben will, ermächtigt er nach § 185 wiederum den Vorbehaltskäufer,
die fremde Forderung im eigenen Namen geltend zu machen. Typischerweise werden der
verlängerte Eigentumsvorbehalt im Rahmen von AGB vereinbart:
„Bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises durch den Käufer bleibt die Ware
Eigentum des Verkäufers. Der Käufer ist im Rahmen einer ordnungsgemäßen
Geschäftsführung berechtigt, die Ware weiter zu veräußern. Der Käufer tritt schon jetzt die
ihm aus dem Weiterverkauf der Ware erwachsene Forderung sicherungshalber an den
Verkäufer ab. Der Käufer ist zur Einziehung der Forderung berechtigt.“
Problematisch kann es sein, wenn die Kaufsache als Stoff in einen Produktionsprozess
eingeht, in dem sie weiterverarbeitet und veredelt wird und damit eine neue Sache entsteht.
Damit erwirbt der Hersteller einer neuen Sache nach § 950 nämlich uneingeschränktes
Eigentum. Allerdings muss die Weiterverarbeitung wesentlich sein (mindestens 60% des
anfänglichen Stoffwertes). Ob eine Sache neu ist, ist nach der Verkehrsanschauung zu
beurteilen. Eigentümer wird natürlich nicht der Arbeitnehmer, der den Stoff weiterverarbeitet,
sondern der entsprechende Unternehmer. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird
meist vereinbart, dass die Verarbeitung für den Lieferanten erfolgt, der Lieferant also
fiktiv Hersteller wird. Nach der Ansicht des BGH unterliegt nämlich die Bestimmung der
Person des Herstellers in weitem Umfange der Parteidisposition. Eine solche
Verarbeitungsklausel könnte z.B. lauten:
„Die Verarbeitung der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sache erfolgt für den
Lieferanten.“
Allerdings kann auch im Vorfeld ein Besitzmittlungsverhältnis nach §§ 929, 930 vereinbart
werden, kraft dessen der Produzent die Sache lediglich verwahrt, während der Lieferant
weiterhin Eigentümer bleibt. Eine solche Klausel könnte lauten:
„Verkäufer und Käufer sind sich darüber einig, dass die Sachen, die der Käufer aus den
unter Eigentumsvorbehalt stehenden Waren herstellt, Eigentum des Verkäufers werden
sollen. Der Käufer ist berechtigt, diese Sachen für den Verkäufer zu verwahren.“
Der Verkäufer kann seine zum Eigentumsübergang erforderliche Einigungserklärung nach §
929 nicht nur von der Zahlung des Kaufpreises für die jeweils gekaufte Sache, sondern auch
von der Erfüllung anderer Forderungen gegen den Käufer abhängig machen. So kann z.B.
vereinbart werden, dass das Eigentum an der Sache nicht nur der Sicherung der
entsprechenden Kaufpreisforderung, sondern der Sicherung aller Forderungen des
Vorbehaltsverkäufers gegen den Vorbehaltskäufer dienen soll. Man spricht von einem
erweiterten Eigentumsvorbehalt oder Kontokorrentvorbehalt. Allerdings werden solche
bedingten Rechtsverhältnisse sehr restriktiv beurteilt, da sie zu einem Knebelungsgeschäft
führen können, welches die wirtschaftliche Selbstständigkeit des Käufers erheblich
einschränken kann, da häufig eine Übersicherung erfüllt ist, die den Tatbestand eines
deutlichen Missverhältnisses zwischen den gesicherten Forderungen, und der Höhe der dafür
abgetretenen Forderungen oder der Menge der dafür unter Eigentumsvorbehalt stehenden
Waren erfüllt. Aus diesem Grund können solche Verträge nach § 138 oder bei AGB nach §
307 nichtig sein. Der Vorbehaltsverkäufer kann eine Übersicherung allerdings vermeiden,
indem er dem Vorbehaltskäufer das Recht einräumt, die Freigabe der Sicherheiten oberhalb
einer zahlenmäßig bestimmten Deckungsgrenze von 120% der gesicherten Forderungen zu
verlangen (die so genannte Freigabeklausel). Auch können dadurch andere Gläubiger
getäuscht werden (die so genannte Gläubigergefährdung), da die Kreditwürdigkeit falsch
eingeschätzt werden kann, da es so scheint, als besäße der Käufer tatsächlich Rechte an den
entsprechenden Waren oder Forderungen. In der Praxis dürfte der Tatbestand der
Gläubigergefährdung dieser Art nur in seltenen Fällen vorkommen, da Gläubiger wegen der
weiten Verbreitung des Eigentumsvorbehalts mit demselben rechnen müssen.
5.4.2.2 Das Pfandrecht an beweglichen Sachen (§§ 1204)
Das Pfandrecht an beweglichen Sachen spielt im Wirtschaftsleben eine untergeordnete
Rolle. Wichtiger sind Hypotheken und Grundschulden, die so genannten Grundpfandrechte.
Die Bedeutung des Pfandrechts an beweglichen Sachen ist im Wesentlichen beschränkt auf
die Sicherung von Kleinkrediten. Man unterscheidet das gesetzliche Pfandrecht, nach dem
einem Gläubiger automatisch ein Pfandrecht zusteht. Z.B. nach § 562 das Pfandrecht des
Vermieters an den Sachen des Mieters, des Herstellers eines Werkes nach § 647 an den von
ihm hergestellten oder verbesserten Sachen des Bestellers oder des Kommissionärs am
Kommissionsgut nach §§ 397, 398 HGB, dem Spediteur (§ 410 HGB) oder dem Lagerhalter
(§ 421 HGB). Für das gesetzliche Pfandrecht gelten nach § 1257 die gleichen Regeln wie für
das rechtsgeschäftlich bestellte Pfandrecht. Für die Kreditsicherung spielt nur das
rechtsgeschäftlich bestellte Pfandrecht eine Rolle.
Das rechtsgeschäftlich bestellte Pfandrecht wird nach § 1204 nur zur Sicherung von
Forderungen eines Schuldners bestellt. Dabei ist das Pfandrecht akzessorisch d.h. es geht
mit der Forderung nach § 1252 unter oder geht nach §§ 401, 1250 bei einer Übertragung der
Forderung auf den neuen Gläubiger über. Geht die Forderung unter, so kann der
Schuldner nach § 1223 I die Herausgabe des Pfandguts vom Pfandgläubiger verlangen.
Wird die Forderung auf einen neuen Gläubiger übertragen, so kann der neue Gläubiger nach §
1251 die Herausgabe der Pfandsache vom alten Gläubiger an sich verlangen.
Das Pfandrecht ist ein am Besitz festgemachtes Recht. Gibt der Gläubiger die Pfandsache
zurück, so erlischt auch das Pfandrecht (§ 1253 I S.1), nämlich zwingend (§ 1253 I S.2). Zur
Pfandrechtsbestellung ist nach § 1205 die Übergabe der Pfandsache notwendig und zudem
eine Einigung über die Pfandrechtsbestellung. Typischerweise sind der Gläubiger der
Forderung und der Pfandgläubiger (Sicherungsnehmer) identisch. Auf der anderen Seite
können hingegen der Verpfänder (Sicherungsgeber) und der Schuldner durchaus
verschiedene Personen sein.
Die Forderung wird nach § 1228 aus dem Pfanderlös nach § 362 erfüllt. Darüber
hinausgehende Überschüsse sind nach Abzug der Kosten der Verwertung nach § 1247 dem
Verpfänder zurückzugeben. Typischerweise wird der Pfandgegenstand öffentlich
versteigert (§§ 1236) oder, wenn das Pfandgut einen Börsen- oder Marktpreis hat, freihändig
verkauft (§ 1221). Man spricht von einem Privatverkauf (§§ 1233) (da die Pfandbestellung
unter Einwilligung des Schuldners erfolgt ist, ist dazu natürlich kein Vollstreckungstitel
nötig). Im Gegensatz zu Personen, die so etwas nach § 1259 gewerblich betreiben, ist nach §
1221 bei Privatpersonen nur eine dazu öffentlich ermächtigte Person, z.B. ein Handelsmakler,
befugt. Dabei muss ein Erlös über einen Verkauf realisiert werden, ein alternativer
Eigentumserwerb ist nach § 1229 nicht möglich, es sei denn es handelt sich um einen
gewerblichen Pfand z.B. zwischen Unternehmern nach § 1259. Der Verkauf darf erst bei
Pfandreife erfolgen, d.h. erst, wenn nach § 1228 II die Forderung fällig und in Geld
bemessen ist.
5.4.2.3 Die Sicherungsübereignung
Nachteilig am Pfandrecht an beweglichen Sachen ist, dass das Sicherungsgut in den Besitz
des Sicherungsnehmers gelangen muss. Im wirtschaftlichen Warenverkehr ist dieser
Umstand eher hinderlich, so dass es sich stattdessen eingebürgert hat, im Rahmen eines
Besitzkonstituts nach § 929, 930 lediglich einen mittelbaren Besitz über die zu sichernden
Sachen zu vergeben, während der Sicherungsnehmer (Schuldner) den unmittelbaren Besitz an
den Sachen behält. Dafür ist ein zusätzlicher Sicherungsvertrag (Sicherungsabrede) abzuschließen, gemäß dem nach § 868 der Sicherungsgeber mittelbarer Besitzer wird und eine
Einigung darüber erfolgt, dass der Sicherungsnehmer Eigentum an den Sachen erwirbt. Es ist
nicht ausdrücklich ein Leih- oder Verwahrungsverhältnis zu vereinbaren. Es reicht in der
Regel die Abrede: „zur Sicherheit übereignet“. Entscheidend ist nach § 868, dass der
unmittelbare Besitzer gegenüber dem mittelbaren Besitzer nur „auf Zeit zum Besitz
berechtigt“ ist (und daher auf Verlangen die Sachen zur Verwertung auch herauszugeben
hat). Da es sich um einen eigenständigen Vertrag handelt, ist dieser auch gültig, wenn die zu
sichernde Forderung erfüllt ist oder untergeht. Allerdings kann der Schuldner dann nach § 812
die Rückübertragung des Eigentums vom Sicherungsnehmer verlangen. Für solche Fälle kann
auch eine auflösende Bedingung (§ 158 II) in den Sicherungsvertrag eingefügt werden.
Aufgrund des Sicherungsvertrags sind auch bestimmte Nebenpflichten zu erfüllen. So muss
der Sicherungsgeber die Sachen ordnungsgemäß und pfleglich behandeln, beschädigte
Sachen reparieren, die Sachen versichern und dem Gläubiger anzeigen, wenn andere
Gläubiger im Begriff sind, die entsprechenden Sachen zu pfänden. Dann steht dem
Sicherungsnehmer nämlich die Möglichkeit zu im Rahmen einer Widerspruchsklage der
Zwangsvollstreckung zu widersprechen. Die Pflichten des Gläubigers bestehen in der
Überlassung des unmittelbaren Besitzes, der Rückübereignung der Sachen nach Wegfall
des Sicherungszweckes, die ordnungsgemäße Verwertung sowie einer ausreichenden
Berichterstattung über deren Art und Weise sowie der Pflicht, zwischenzeitlich keine
Verfügungen zu treffen, die den Rückübereignungsanspruch des Schuldners vereiteln
könnten. Bei der Verwertung ist er gehalten, den bestmöglichen Erlös zu erzielen. Bemüht er
sich darum nicht nach seinen Kräften, kann er wegen p.V.V. zum Schadensersatz verpflichtet
sein.
Gegenstand der Sicherungsübereignung sind in erster Linie einzelne bewegliche Sachen,
jedoch können auch Sachgesamtheiten (z.B. ganze Warenlager) Gegenstand einer
Sicherheitsübereignung werden. Ebenso können auch zukünftig hinzukommende Sachen
gemeint sein. Dies trifft insbesondere bei wechselnden Beständen zu. Hier kann eine
vorweggenommene Einigung bzw. eine vorweggenommene Vereinbarung eines
Besitzmittlungsverhältnisses erfolgen. Voraussetzung ist lediglich, dass die zu
übereignenden Sachen so bestimmt bezeichnet werden (Bestimmtheitsgrundsatz), dass
jeder, der die Vereinbarung kennt, sie eindeutig von anderen unterscheiden kann. Bei
zukünftigen Sachen ist dem Bestimmtheitsgrundsatz Genüge getan, wenn im Moment des
späteren Eigentumsübergangs allein aufgrund der Abreden zwischen den Parteien ohne
weiteres ersichtlich ist, welche konkreten Sachen in das Sicherungseigentum des Gläubigers
fallen sollen. Sind nur Teile eines Warenlagers betroffen, so sind äußere
Abgrenzungskriterien zu wählen, aufgrund derer jeder eingeweihte Dritte ohne weiteres
ersehen kann, welche individuellen Sachen übereignet worden sind.
Aufgrund der Art und Weise (z.B. Menge und Anzahl) der Sicherungsübereignung können
hingegen Nichteingeweihte in der Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden.
Auch kann der Tatbestand einer Übersicherung erfüllt sein. Hierfür können Freigabeklauseln in den Vertrag eingefügt werden, gemäß derer oberhalb einer zahlenmäßig
bestimmten Deckungsgrenze die Eigentumsrechte wieder freizugeben sind. Auch dann, wenn
komplette Warenlager Gegenstand der Sicherungsübereignung sind, kann es passieren, dass
mit der Zeit die Sachgesamtheit der zur Sicherheit übereigneten Sachen den Wert der zur
sichernden Forderung übersteigt, so dass graduell eine Übersicherung eintritt. Nach Treu &
Glauben (§ 157, 242) ist der Sicherungsgeber in diesem Fall gehalten, die Sicherheiten
freizugeben, die er auf Dauer nicht mehr benötigt. Durch diesen Anspruch ist der
Sicherungsnehmer nach Ansicht des BGH hinreichend geschützt, so dass ein solcher Vertrag
auch ohne ausdrückliche Freigabeklausel wirksam ist. Knebelungsgeschäfte oder der
Tatbestand der Übersicherung können nach § 138 oder bei AGB nach § 307 zur Unwirksamkeit der Sicherungsübereignung führen. Da häufig Formularverträge verwandt werden, sind
gegebenenfalls die § 305c (überraschende Klauseln) und §§ 307 zu beachten
(Inhaltskontrolle).
Es sei auch erwähnt, dass es dem Sicherungsgeber immer möglich ist, die zur Sicherheit
übereigneten Sachen an gutgläubige Dritte nach §§ 929, 932, 933 weiter zu veräußern.
Andererseits ist es auch im Interesse des Gläubigers, wenn der Schuldner in seiner
wirtschaftlichen Freiheit nicht gelähmt wird. Daher erteilt der Gläubiger oftmals sogar eine
Ermächtigung nach § 185, so dass der Schuldner über die Sachen innerhalb eines
ordnungsgemäßen Wirtschaftsverkehrs verfügen und an Dritte weiter veräußern kann.
Wie bei Pfandgegenständen (§§ 1233) kann das Sicherungseigentum durch freihändigen
Verkauf oder öffentliche Versteigerung verwertet werden. Dazu kann er die in seinem
Eigentum befindlichen Sachen nach §§ 985, 986 vom Schuldner (Sicherungsgeber)
herausverlangen. Der Erlös ist mit der Forderung zu verrechnen. Überschüsse sind an den
Schuldner auszuzahlen. Bleibt eine Restforderung erhalten, so behält der Gläubiger weiterhin
eine Forderung gegenüber dem Schuldner in Höhe der Restforderung. Auch der
Sicherungsgeber kann ermächtigt werden, im fremden Namen die Sachen zu verwerten.
Übersteigt der Wert des Sicherungsgutes nicht deutlich die Kredithöhe, so ist es generell auch
möglich, dass die Sachen in das Eigentum des Sicherungsnehmers übergehen, ohne eine
Verwertung betreiben zu müssen (die so genannte Verfallklausel).
Wird über das Vermögen des Schuldners die Zwangsvollstreckung betrieben, so kann der
Sicherungsnehmer im Rahmen einer Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) der
Zwangsvollstreckung widersprechen und für unzulässig erklären. Wird ein
Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Sicherungsnehmer ein Absonderungsrecht zu,
nach dem die Sache getrennt verwertet und der Erlös bis zur vollen Höhe der Forderung
an den Gläubiger ausgezahlt wird. Gegenüber dem Recht einer Aussonderung, wird das
Sicherungseigentum im Insolvenzverfahren also als ein „Eigentum minderen Rechts“
behandelt. Dennoch besteht Einigkeit darüber, dass das Absonderungsverfahren den
Sicherungsinteressen des Kreditgläubigers voll Rechnung trägt. Wird stattdessen über das
Vermögen des Sicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, so kann ein
Aussonderungsrecht des Sicherungsgebers in Anspruch genommen werden, wenn die zu
sichernde Forderung erfüllt ist. Ist dies nicht der Fall und tritt Verwertungsreife ein, so darf
der Insolvenzverwalter die Sachen nach Maßgabe des Sicherungsvertrages verwerten.
Bei Verbraucherdarlehensverträgen sind die Sicherheiten im Darlehensvertrag nach § 492 I
Nr.7 zu benennen.
5.4.2.4 Das Pfandrecht an Rechten (§§ 1273)
Neben beweglichen Sachen, können auch Rechte verpfändet werden. Dazu zählen
Forderungen gegen Dritte, Aktien oder Wertpapiere, sogar ganze Bankguthaben oder
z.B. auch Urheber- und Patentrechte. Das Pfandrecht knüpft neben der Einigung zwischen
Pfandnehmer und Pfandgeber darüber, dass ein Pfandrecht an dem Recht entstehen soll (§§
1273, 1274), nach § 1274 an die gesetzlichen Vorschriften des speziellen Rechts an.
Bsp.: Werden GmbH-Anteile übertragen, so bedarf dies nach § 15 III GmbHG der notariellen
Beurkundung. Nach § 1274 muss diese Form auch bei der Verpfändung eines GmbH-Anteiles
eingehalten werden.
Werden Forderungen gegen Dritte (Drittschuldner) verpfändet, so muss dies dem
Drittschuldner angezeigt werden (§§ 1279, 1280) (offenkundig machen). Demnach sind drei
Personen beteiligt, der Pfandgeber und Gläubiger der Forderung, der Pfandnehmer und
schließlich der Drittschuldner oder Schuldner der Forderung. Vor der Fälligkeit der Forderung
erwirbt der Pfandgläubiger lediglich ein Recht auf Sicherheit, nicht aber bereits auf
Befriedigung. Wohl aber kann der Drittschuldner vor Fälligkeit leisten, wobei er nach § 1281
an beide, den Pfandnehmer und Pfandgeber, gemeinsam leisten muss. Wird die Forderung
fällig, steht dem Pfandgläubiger nach § 1282 ein Befriedigungsrecht zu. Nach § 1288 II kann
er sich bis zur Höhe seiner eigenen Forderung an der verpfändeten Forderung schadlos halten.
Liegt ein Verbraucherdarlehensvertrag vor, so muss die Pfandrechtsbestellung nach § 492 I
S.5 Nr.7 im Vertrag angegeben werden.
5.4.2.5 Die Sicherungsabtretung
Insbesondere, was die Verwertung von Forderungen gegen Drittschuldner angeht, hat sich die
Sicherungsabtretung eingebürgert, die nicht nach den Regeln des Pfandrechts (§§ 1273) zu
behandeln ist, sondern allein den Regeln der Abtretung (§§ 398) folgt. Dies hat
insbesondere den vorteilhaften Aspekt, dass eine Abtretung dem Drittschuldner nicht
offenkundig gemacht werden muss, da dies nämlich für die Kreditwürdigkeit des Schuldners
nachteilig sein könnte.
Man unterscheidet den Sicherungsgeber (Zedent) und den Sicherungsnehmer (Zessionar).
Der Zessionar wird nach Abtretung (§ 398 S.2) Neugläubiger der Forderung. Über die
Abtretung der Forderungen wird ein Sicherungsvertrag sowie ein Abtretungsvertrag (nach
§ 398) zwischen beiden Parteien geschlossen. Im Sicherungsvertrag wird ausgehandelt, dass
die Abtretung erfolgt und der Zedent dem Zessionar mitteilt, wenn eine Verpfändung der
entsprechenden Forderung droht (Dann kann der Zessionar nach § 771 ZPO widersprechen.
Wird ein Insolvenzverfahren über den Schuldner eröffnet, so kann er ein Absonderungsrecht
in Anspruch nehmen. Wird stattdessen über das Vermögen des Sicherungsnehmers ein
Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Zedenten ein Aussonderungsrecht zu, solange die
Verwertung nach dem Sicherungsvertrag noch nicht erfolgen darf). Auch verpflichtet sich
der Zessionar darin, die Forderung zurück zu übertragen, wenn die zu sichernde Forderung
nicht mehr besteht. Im Rahmen des Abtretungsvertrags erfolgt schließlich die gesetzlich
geregelte Abtretung nach §§ 398. Der Zessionar erwirbt die volle Gläubigerstellung, ist aber
nach Maßgabe des Sicherungsvertrages in seinen Befugnissen beschränkt. Da die
Sicherungsabtretung wie die Sicherungsübereignung nicht akzessorisch an eine Forderung
gebunden ist, geht sie nicht gleichzeitig unter, wenn die zu sichernde Forderung nicht mehr
besteht. Der Zedent hat aber aus dem Sicherungsvertrag oder aus § 812 ein Recht auf
Rückübertragung einer zur Sicherheit übertragenden Forderung. Tritt der Sicherungsfall ein,
so kann der Zessionar in der Regel (nach dem Sicherungsvertrag) die Forderung beim
Drittschuldner einziehen oder die Forderung freihändig verkaufen.
Nach dem Bestimmtheitsgebot müssen die Forderungen im Zeitpunkt des Abschlusses
des Abtretungsvertrages so bestimmt gekennzeichnet sein, dass über ihre Zuordnung keine
Zweifel bestehen. Bei erst zukünftig entstehenden Forderungen genügt die Bestimmbarkeit zur Zeit ihrer Entstehung. Eine Globalzession ist dann gegeben, wenn alle
gegenwärtigen und alle künftig entstehenden Forderungen des Kreditnehmers an den
Kreditgeber abgetreten werden. Sie ist zwar an sich zulässig, kann aber in bestimmten Fällen
(unangemessene Benachteiligung (§ 307) oder bei Sittenwidrigkeit (§ 138)) unwirksam sein.
Dies ist meist dann der Fall, wenn der Tatbestand einer Übersicherung oder eines
Knebelungsgeschäfts erfüllt ist. Dies kann vermieden werden, indem eine Freigabeklausel in
den Vertrag eingefügt wird. Ein besonderer Fall kann auftreten, wenn ein Lieferant des
Kreditnehmers selbst im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts ein Recht auf
dieselbe Forderung in Anspruch nehmen kann. Da es hier zu Kollisionen kommen kann, ist
eine Globalzession in der Regel nur dann wirksam, wenn sie sich ausdrücklich nicht auf
solche Forderungen bezieht. Ansonsten ist sie nach § 307 oder § 138 nichtig, da sie
automatisch zu einem Vertragsbruch oder gar strafbaren Handlungen gegenüber den
Lieferanten führen würde.
Üblicherweise erfolgt eine Sicherung für einen Geldkredit (Darlehen) nach §§ 488. Bei
Verbraucherdarlehensverträgen ist die Sicherungsabtretung nach § 492 I Nr.7 im Vertrag
anzugeben.
5.4.2.6 Die Grundpfandrechte
Grundpfandrechte sind Pfandrechte an Grundstücken. Sie erstrecken sich nicht nur auf
das unbebaute Grundstück, sondern auf alle wesentlich damit verbundenen Bestandteile
wie Gebäude und das dem Grundstückseigentümer gehörende Grundstückszubehör, wie z.B.
Maschinen und Einrichtungsgegenstände, also die gesamte mit dem Grundstück
zusammenhängende wirtschaftliche Einheit.
Die große Bedeutung des Grundpfandrechts ermisst sich aus der relativen Wertbeständigkeit von Grundstücken mit ihren wesentlichen Bestandteilen im Gegensatz zu beweglichen
Sachen und der leichten Einsehbarkeit der Eigentumsverhältnisse anhand des Grundbuchs.
Aufgrund der Strenge des materiellen und formellen Grundstücksrechts lassen sich
Vereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner nicht so leicht brechen wie z.B. bei
beweglichen Sachen, die der Schuldner in seinem Besitz behält (z.B. Sicherheitsübereignung).
Da der Schuldner weiterhin das mit einem Grundpfandrecht belastete Grundstück in seinem
Besitz behält, kann er es weiterhin nutzen und Nutzungen daraus ziehen (z.B. Pacht oder
eigene gewerbliche Nutzung). Aufgrund der Sicherheit eines Grundpfandrechts, sind die auf
diese Art und Weise gesicherten Kredite mit geringeren Zinskosten verbunden. Je nach
Wert des Grundstücks kann es auch mit mehreren Grundpfandrechten gleichzeitig belastet
sein.
Man unterscheidet zwei Typen von Grundpfandrechten: Die Hypothek, die akzessorisch an
eine Forderung geknüpft wird und die so genannte Grundschuld.
Wird die Forderung fällig und der Schuldner zahlt nicht, so kann der Gläubiger die
Zwangsvollstreckung betreiben. Da ein Grundstück mit mehreren Grundpfandrechten
belastet sein kann, spielt der dem Grundpfandrecht zukommende Rang eine Rolle, denn die
Gläubiger werden in der entsprechenden Reihenfolge nach dem Rang ihres Grundpfandrechts befriedigt. Der Rang bestimmt sich nach § 879 nach der Reihenfolge der Eintragungen
im Grundbuch. Die Gläubiger können ihre Befriedigung suchen durch eine Zwangsversteigerung oder eine Zwangsverwaltung. Der Gläubiger kann frei wählen, ob er die
Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung betreiben will.
Von der Zwangsversteigerung werden auch alle wesentlichen Bestandteile des Grundstücks
und bestimmte Gegenstände des Zubehörs erfasst. Es gelten zwei Prinzipien: das
Deckungsprinzip und das Übernahmeprinzip. Nach dem Deckungsprinzip wird das
geringste Gebot festgelegt. Es umfasst nach § 10 ZVG
1. die Erhaltungskosten
2. die Kosten des Verfahrens
3. die Löhne für die Weiterführung des Betriebes
forstwirtschaftlichen Betrieb
4. die öffentlichen Grundstückslasten
5. die dinglichen Grundbuchrechte nach ihrer Rangfolge
6. den einzelnen Anspruch des Gläubigers
bei
einem
land-
oder
Nach dem Übernahmeprinzip werden die dinglichen Grundbuchrechte aus dem Gebot
herausgerechnet und sind in dem so genannten Bargebot nicht mit eingeschlossen, da die
dinglichen Grundbuchrechte übernommen werden und somit automatisch berücksichtigt sind.
Bsp.: Ein Mietshaus von M sei mit den folgenden Grundpfandrechten in der bezeichneten
Rangfolge belastet: 1. A in Höhe von 10.000,- €, 2. B 30.000,- €, 3. C 40.000,- €. F habe eine
Forderung gegen M in Höhe von 5.000,- € und betreibt die Zwangsvollstreckung im Rahmen
einer Zwangsversteigerung. Da die Erhaltungskosten, die Kosten des Verfahrens und die
öffentlichen Grundstückslasten z.B. 3.000,-€ betragen, lautet das geringste Gebot nach dem
Deckungsprinzip 83.000,- €, das Bargebot hingegen nur 3.000,- €. Der Gläubiger der
Forderung wird somit nur in dem Maße befriedigt, wie das Gebot über die 3.000,- €
hinausgeht. Würde B die Zwangsversteigerung betreiben, so lautete das geringste Gebot
13.000,- € und das Bargebot 3.000,- €. B würde nur in dem Maße befriedigt, wie das Gebot
über die 3.000,- € hinausgeht. Da C in seiner Rangfolge nach B kommt, gehen seine
Sicherungsrechte unter. C müsste versuchen, seine Forderungen an anderen Vermögensgegenständen des M durchzusetzen und zu befriedigen.
Neben der Zwangsversteigerung kann auch die Zwangsverwaltung gewählt werden. Sie zielt
nicht auf die Veräußerung des Grundstücks ab, sondern es wird versucht, die Forderung aus
den Erträgen des Grundstücks zu befriedigen. Die Zwangsverwaltung lohnt sich also nur
bei landwirtschaftlichen Betrieben und großen Mietshäusern. Dies ist in der Regel nur dann
sinnvoll, wenn es sich nicht um eine große Kapitalforderung, sondern um laufende
kleinere Beträge handelt wie z.B. Schuldzinsen oder Unterhaltsansprüche. Durch die vom
Amtsgericht angeordnete Zwangsverwaltung wird dem Schuldner die Verwaltung sowie die
Nutzung des Grundstücks entzogen und an einen Verwalter übertragen, der auch der
Schuldner selbst sein kann.
Hypothek und Grundschuld erlöschen unmittelbar nur durch rechtsgeschäftliche
Aufhebung (§ 875 I) oder durch die Befriedigung des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung (§ 1181 I). Demgegenüber führen die Nichtentstehung oder der spätere
Wegfall der gesicherten Forderung, etwa durch Rückzahlung der Darlehenssumme und
der angefallenen Zinsen, nicht zum Erlöschen des Grundpfandrechts, sondern lediglich zu
einer anderen rechtlichen Zuordnung.
Im Fall einer Hypothek gilt:
Wird die Forderung durch den Schuldner, der zugleich auch Eigentümer sein kann,
befriedigt oder erlöscht die Forderung, dann geht das Grundpfandrecht nicht unter, sondern
wird im Falle einer Hypothek nach §§ 1163 I S.1, 1177 I S.1 in eine
Eigentümergrundschuld umgewandelt. Lasten mehrere Grundpfandrechte auf dem
Grundstück, so erhält der Eigentümer der Eigentümergrundschuld den Rang, den der alte
Gläubiger innehatte.
Dies kann vorteilhaft sein, wenn über den Eigentümer die Zwangsvollstreckung betrieben
wird. Dann besitzt er nämlich einen dem bestimmten Rang entsprechenden Anspruch.
Allerdings können die anderen Gläubiger, die bisher leer ausgegangen sind, in den Erlös,
den der Eigentümer dadurch erhalten hat, nachträglich die Zwangsvollstreckung betreiben.
Sind Schuldner und Eigentümer des Grundstücks nicht identisch und leistet der
Eigentümer auf die Forderung des Schuldners, so erwirbt er nach § 1143 I S.1 selbst die
Gläubigerstellung gegenüber dem Schuldner, um sich an ihn halten zu können. Damit geht
nach § 1153 I jedoch auch gleichzeitig die Hypothek vom alten Gläubiger auf ihn über. Sie
wird damit zur Eigentümerhypothek.
Im Fall einer Grundschuld gilt:
Gelangt eine Forderung nicht zur Entstehung, so kann der Grundstückseigentümer im
Rahmen einer Rückübertragung der Grundschuld (aus dem Sicherungsvertrag oder aus §
812) eine Eigentümergrundschuld erwerben.
Wird die Forderung befriedigt, so unterscheidet man danach, ob auf die Forderung oder auf
die Grundschuld gezahlt wird. Wird nämlich entweder vom Schuldner oder vom
Eigentümer auf die Forderung gezahlt, so entsteht, da die Grundschuld nicht akzessorisch
ist und unabhängig von der Forderung besteht, nicht automatisch eine Eigentümergrundschuld. Ist der Eigentümer des Grundstücks zugleich der Schuldner, so kann er die
Rückgewähr der Grundschuld vom Gläubiger verlangen. Ist der Eigentümer nicht zugleich
der Schuldner und zahlt der Schuldner auf die Forderung, so erlischt die Forderung und
der Eigentümer kann die Rückgewähr der Grundschuld vom Gläubiger verlangen. Zahlt der
Eigentümer auf die Forderung, so wird er nur dazu bereit sein, wenn die Forderung vom
Gläubiger auf ihn abgetreten wird und diese daher nicht erlischt. Zahlt der Eigentümer auf
die Grundschuld, so erwirbt er diese automatisch als Eigentümergrundschuld unabhängig
davon ob er Schuldner ist oder nicht. Ist der Schuldner auch der Eigentümer, so wird damit
gleichzeitig die Forderung erfüllt, ist er es nicht, so erlischt in diesem Fall die Forderung
nicht. Sie geht aber auch nicht kraft Gesetzes auf den Eigentümer über (wie bei der Hypothek
nach § 1143), sondern der Gläubiger ist vielmehr zur Abtretung der Forderung entweder aus
einem wirksamen Sicherungsvertrag oder gemäß § 812 verpflichtet. Ob auf die Forderung
oder die Grundschuld gezahlt wird, ist vom Willen des Zahlenden abhängig zu machen. Der
Wille des Schuldners geht dahin, die persönliche Forderung zu begleichen. Ist er zugleich
Eigentümer des Grundstücks, so wird er häufig zugleich auf die Grundschuld zahlen wollen.
Ein Eigentümer, der nicht zugleich Schuldner der Forderung ist, wird immer auf die
Grundschuld zahlen wollen (damit er eine Eigentümergrundschuld erwirbt).
Die Grundschuld ist etwas flexibler, da aufgrund der Akzessorietät einer Hypothek die
gesicherten Forderungen bei einer Hypothek nach dem Bestimmtheitsgrundsatz eindeutig
bestimmt sein müssen. Zwar kann eine Hypothek nach § 1113 II auch für eine zukünftig
entstehende Forderung bestellt werden, sie muss aber dennoch nach Grund und Betrag
bestimmt sein. Auch muss dies alles im Grundbuch oder im Grundbuchbrief verzeichnet sein.
Diese Anforderung besteht für die Grundschuld nicht.
Bsp.: Es kann eine Grundschuld bestellt werden, um laufende Warenkredite oder Darlehen zu
sichern. Dabei können die Kredite von Zeit zu Zeit zurückbezahlt werden oder neue Darlehen
aufgenommen werden. Zur Absicherung dient allein die zu Beginn bestellte Grundschuld
ohne weitere umfangreiche juristische Abmachungen (z.B. Notarkosten).
Die Hypothek wird daher überwiegend nur zur Sicherung langfristiger Kredite genutzt.
Meist handelt es sich dabei um Darlehen, die gewährt werden, um den Bau von Gebäuden zu
ermöglichen oder zu erleichtern.
5.4.2.6.1 Die Hypothek (§§ 1113)
Die Hypothek wird nach § 1113 I in Verbindung mit einer Forderung bestellt. Wird die zu
sichernde Forderung abgetreten oder die Hypothek übertragen, so geht, da beide Rechte
miteinander verbunden sind, nach § 1153 II die Forderung immer zugleich mit der Hypothek
über. Gläubiger der Forderung und Rechtsinhaber der Hypothek müssen identisch sein. Es ist
allerdings nicht notwendig, dass der Schuldner der Forderung zugleich Eigentümer des
Grundstücks ist. So kann jeder Dritte eine fremde Forderung durch eine Hypothek absichern.
Man unterscheidet die Briefhypothek und die Buchhypothek (§ 1116 I).
Bei der Briefhypothek muss neben der Eintragung der Hypothek in Abteilung 3 des
Grundbuchs, nachdem beide Parteien ihre Einigung nach § 873 I erklärt haben, auch noch ein
Hypothekenbrief erstellt und an den Gläubiger ausgehändigt werden. Der Brief erhält nach §
57 GBO (Grundbuchordnung) einen Auszug aus dem Grundbuch, in dem die Hypothek, das
Grundstück nach Inhalt des Grundbuches und der Eigentümer verzeichnet sind. Auch müssen
die Eintragungen eingetragen sein, die der Hypothek im Range vorgehen oder gleichstehen
unter Angabe des Zinssatzes, wenn er 5% übersteigt. Nach § 56 GBO wird der Brief vom
Grundbuchamt erstellt und muss mit Unterschrift und Siegel versehen sein. Existiert eine
Urkunde über die zu sichernden Forderungen, so soll sie nach § 58 GBO mit dem
Hypothekenbrief verbunden werden. Erstreckt sich der Inhalt der Urkunde auch auf andere
Angelegenheiten, so genügt es, wenn ein öffentlich beglaubigter Auszug aus der Urkunde mit
dem Hypothekenbrief verbunden wird.
Die Erstellung eines Hypothekenbriefes kann kraft Vereinbarung zwischen Gläubiger und
Schuldner nach § 1116 II auch ausgeschlossen werden. Dann ist nur eine Eintragung in
Abteilung 3 des Grundbuchs notwendig.
Der Vorteil der Briefhypothek, obwohl aufwändiger, zeigt sich insbesondere dann, wenn die
Hypothek übertragen wird (z.B. wenn die zu sichernde Forderung an einen Dritten abgetreten
wird (vielleicht im Rahmen einer Sicherungsabtretung)). Da die Hypothek nur mitsamt der
Forderung abgetreten werden kann, muss zur Übertragung der Hypothek nach § 1154 I eine
Abtretungserklärung nach § 398 über die Forderung in schriftlicher Form verfasst werden und
der Brief übergeben werden. Die schriftliche Form der Abtretungserklärung kann nach §
1154 II auch dadurch ersetzt werden, dass die Abtretung in das Grundbuch eingetragen wird.
Bei der Buchhypothek reicht ein formloser Abtretungsvertrag nach § 398. Allerdings
muss die Abtretung auch ins Grundbuch eingetragen werden. Die Briefhypothek ist also
wesentlich leichter zu übertragen als die Buchhypothek. Aus diesem Grunde wird sie häufiger
als die Buchhypothek bestellt.
Wenn die gesicherte Forderung fällig ist und der Schuldner nicht zahlt, kann der Gläubiger
versuchen, durch eine Zwangsvollstreckung Befriedigung zu erlangen. Dabei kann er aus
der gesicherten Forderung vorgehen oder aus der Hypothek vorgehen. Wenn aus der
persönlichen Forderung vorgegangen wird, dann muss zunächst ein Titel erwirkt werden, aus
dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Diese Zwangsvollstreckung umfasst
dann auch das mit der Hypothek belastete Grundstück, wenn der Schuldner zugleich
Eigentümer des Grundstücks ist. Allerdings gehen die vorrangigen Grundpfandrechte
zunächst vor. Wird hingegen aus der Hypothek vorgegangen, so wird direkt die Befriedigung
durch das Grundpfandrecht gesucht, ohne vorher die Durchsetzung der persönlichen
Forderung zu versuchen. Ist der Eigentümer der Hypothek nicht der Schuldner, so kann er
aber nach § 1142 freiwillig durch Zahlung eines Geldbetrages die Zwangsvollstreckung in das
Grundstück abwenden. Die Zwangsvollstreckung vollzieht sich nach den bekannten Regeln.
Es sind Titel, Klausel und Zustellung notwendig. In der Regel unterwirft sich der Eigentümer
schon bei der Bestellung der Hypothek in der notariellen Urkunde gemäß § 794 Nr.5 ZPO der
sorfortigen Zwangsvollstreckung. Damit ist ein vollstreckbarer Titel bereits in der Hand des
Gläubigers. Da die Hypothek akzessorisch ist, stehen dem Eigentümer des Grundstücks
nach § 1137 die gleichen Einreden und Einwendungen zu wie dem persönlichen Schuldner
gegen die zu sichernde Forderung zustehen. Dazu zählen die Stundung, Leistungsverweigerungsrechte nach §§ 273, 320, nicht allerdings die Einrede der Verjährung, da sie nach §
216 I ausgeschlossen ist. Darüber hinaus kann er auch Einreden geltend machen, die ihm
direkt aus der Hypothek zustehen wie z.B. die Einrede der Stundung. Wird die Hypothek
übertragen, so kann der Eigentümer des Grundstücks nach § 1157 Einreden gegen die
Hypothek, die ihm gegenüber dem bisherigen Gläubiger zustanden, auch dem neuen
Gläubiger gegenüber geltend machen.
Die Hypothek kann im Ganzen nach Zeitablauf oder Kündigung in voller Höhe fällig werden.
Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass der Schuldner die Hypothek über einen
bestimmten Zeitraum tilgt. Man spricht dann von einer Tilgungshypothek. Dabei kann der
aufzubringende Zinsbetrag aufgrund des abnehmenden Kapitalvolumens entweder von Jahr
zu Jahr sinken oder es kann ein fester Tilgungsbetrag vereinbart werden. Ist die Tilgung
erfolgt, so ist damit zugleich die Forderung befriedigt. Wird die Hypothek nur teilweise
abgetragen, so entsteht in derselben Höhe eine Eigentümergrundschuld.
Wird die Hypothek als Sicherheit in einem Verbraucherdarlehensvertrag bestellt, so ist sie im
Vertrag nach § 492 I Nr.7 im Vertrag anzugeben. Sicherheiten unter 50.000,- € müssen nach §
494 II S.6 angegeben werden, damit sie wirksam vereinbart sind. Für Sicherheiten über
50.000,- € ist eine solche Angabe nicht zwingend.
5.4.2.6.2. Die Grundschuld (§§ 1191)
Für die Grundschuld gelten nach § 1192 die gleichen Vorschriften wie für die Hypothek mit
der Ausnahme, dass die Grundschuld nicht akzessorisch ist und nicht zwingend mit einer
Forderung verknüpft ist. Wohl aber kann im Rahmen eines Sicherungsvertrages eine solche
Verknüpfung vereinbart werden. Man spricht dann von einer Sicherungsgrundschuld. Ein
Sicherungsvertrag ist ein schuldrechtlicher Vertrag, mit dem der Inhaber der Grundschuld
verpflichtet wird, von der Grundschuld nur zum Zwecke der Sicherung einer bestimmten
Forderung Gebrauch zu machen und damit nur dann die Grundschuld zu verwerten, wenn die
Forderung nicht erfüllt wird. Außerdem wird dabei meist vereinbart, dass die Grundschuld
nach Erlöschen der Forderung zurück zu übertragen ist. Fehlt es an einem wirksamen
Sicherungsvertrag, so hat der Eigentümer einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung
(§ 812 I S.1) und kann vom Gläubiger wahlweise Verzicht, Aufhebung oder Rückübertragung
der Grundschuld verlangen und diesem im Falle der Geltendmachung der Grundschuld diesen
Anspruch einredeweise entgegenhalten.
Auch hier unterscheidet man eine Briefgrundschuld und eine Buchgrundschuld. Da die
Grundschuld keine Forderung voraussetzt, reichen hier zur Bestellung einer Grundschuld die
Einigung nach § 873, die Eintragung ins Grundbuch und bei einer Briefgrundschuld
zusätzlich die Aushändigung des Grundschuldbriefes.
Die Grundschuld kann, da sie nicht akzessorisch ist, getrennt von der Forderung, die sie
sichert, übertragen werden. Wird die Forderung, die gesichert werden soll, nach § 398
abgetreten, so geht die Grundschuld nach § 401 nicht automatisch mit über. In der Regel
macht eine solche getrennte Abtretung auch keinen Sinn, weil es in der Praxis auch gegen die
üblichen Sicherungsverträge verstoßen würde. Die Übertragung der Grundschuld erfolgt
bei der Briefgrundschuld gemäß §§ 1192, 1154 I, II entweder durch eine schriftliche
Abtretungserklärung oder alternativ Eintrag der Abtretung ins Grundbuch, beides jeweils mit
gleichzeitiger Übergabe des Grundschuldbriefes. Bei einer Buchgrundschuld muss eine
Einigung über die Abtretung nach § 873 erfolgen und die Abtretung muss immer ins
Grundbuch eingetragen werden.
Die Verwertung erfolgt analog zur Hypothek durch Zwangsvollstreckung, wenn die
Grundschuldsumme fällig wird d.h. wenn die durch die Grundschuld gesicherte Forderung
fällig ist.
6 Recht der unerlaubten Handlungen (deliktische Ansprüche) (§§ 823)
Deliktische oder gesetzliche Schadensersatzansprüche berechtigen ebenfalls zum
Schadensersatz. (Als Abgrenzung zu vertraglichen Schadensersatzansprüchen denke man an
Leistungsstörungen wie Verzug, Unmöglichkeit, Vertrauensschaden, etc.). Grund können
sowohl Vermögensschäden als auch immaterielle Schäden sein.
Schaden ist jede Einbuße, die jemand unfreiwillig infolge eines bestimmten Ereignisses an
seinen Lebensgütern wie Gesundheit, Ehre oder Eigentum erleidet. Er besteht in der
Differenz zwischen den entsprechenden Güterlagen, mit und ohne das schädigende Ereignis.
Das Vermögen einer Person ist die Gesamtheit der ihr zustehenden geldwerten Rechte wie
Eigentumsrechte, geldwerte Forderungen, Anteile an Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) und
z.B. Patente. Ein Vermögensschaden ist die Beeinträchtigung eines Vermögensschadens oder
die Verminderung des Vermögens im Ganzen.
Immaterielle Schäden (Nichtvermögensschäden) sind solche Schäden, die z.B. körperliche
Schmerzen, Minderung von Heiratschancen, Streuung von Gerüchten, etc. verursachen.
Nach § 823 I sind Vermögens- und Nichtvermögensschäden, die vorsätzlich oder fahrlässig
verursacht werden zu ersetzen, wenn dadurch die Freiheit, der Körper, die Gesundheit sowie
das Eigentum oder ein sonstiges Recht widerrechtlich verletzt wird.
Eine Begriffsbestimmung liefert § 276 II:
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
Man unterscheidet zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit. Grob fahrlässig handelt der,
der die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße
verletzt und auch das ungeachtet geblieben ist, was jedem einleuchten müsste. Er sieht den
möglicherweise rechtswidrigen Erfolg, aber vertraut darauf, dass dieser nicht eintritt.
Haftung wegen (leichter) Fahrlässigkeit kann nach § 276 I vertraglich erlassen werden,
Haftung wegen Vorsatz nach § 276 III jedoch nicht.
Vorsatz erfordert das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges. Der direkte Vorsatz
(dolus directus) liegt vor, wenn der Handelnde die Folgen direkt einkalkuliert. Der bedingte
Vorsatz (dolus eventualis) bedeutet, dass die Folge billigend in Kauf genommen wird oder
der Täter zumindest für den Fall des Eintritts mit dieser einverstanden ist.
Schwierig ist die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit.
Haftung setzt allgemein die Deliktsfähigkeit voraus. Nicht deliktsfähig sind nach § 828 I
Minderjährige, die das 7. Lebensjahr nicht vollendet haben oder Personen, die sich in einem
die freie Willenbestimmung ausschließenden geistigen Zustand befinden, der in § 827
umschrieben ist, wobei die Einnahme von Rauschmitteln mindestens mit Fahrlässigkeit
gleichzusetzen ist und nicht haftungsbefreiend wirkt. In bestimmten Fällen (§ 828 II) gilt die
Grenze von 10 Jahren, wenn es um Schäden in Verbindung mit Verkehrsmitteln geht (PKW,
Straßenbahnen, etc.), die allerdings nicht vorsätzlich herbeigeführt werden dürfen. Die
Haftung kann jedoch in bestimmten Fällen auch dann eintreten, wenn die Billigkeitshaftung
nach § 829 gilt, nach der der nach § 827 und § 828 Nichtdeliktsfähige billigerweise zu
Schadensersatz herangezogen werden kann, wenn der aufsichtspflichtige Dritte finanziell
nicht erlangt werden kann oder finanziell nicht dafür eintreten kann, solange dem
Nichtdeliktsfähigen nicht die Mittel entzogen werden, deren er zum angemessenen Unterhalt
sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.
Ein Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 kann zu einer Minderung der
Schadensersatzpflicht führen bis hin zu einem völligen Ausschluss derselben. § 254 gilt
allgemein auch bei vertraglichen Schadensersatzansprüchen. Dies beinhaltet typische
Obliegenheiten.
Bsp.: Das Dach eines Hauses ist undicht. Der Mieter M verpasst es jedoch, seine wertvolle
Briefmarkensammlung in Sicherheit zu bringen. Am darauf folgenden Tag regnet es und alles
ist hinüber. Hier trifft ihn ein Mitverschulden, da er das nach Lage der Sache Erforderliche
unterlässt, um sich selbst vor Schäden zu bewahren.
Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 I entsteht, wenn:
-
eine Handlung oder ein Unterlassen vorliegt
durch diese Handlung adäquat kausal eines der genannten Rechtsgüter verletzt wurde
dadurch adäquat kausal ein Schaden entstanden ist (haftungsausfüllende Kausalität)
die Handlung rechtswidrig ist (haftungsbegründende Kausalität)
der Täter schuldhaft handelt, also vorsätzlich oder fahrlässig
Die haftungsausfüllende Kausalität bei einer bestimmten Handlung oder einem Unterlassen
bestimmt sich wie folgt:
Ursächlich (kausal) ist jedes Ereignis, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der
Erfolg entfiele.
Ursächlich ist ein Unterlassen, wenn das richtige Verhalten nicht hinzugedacht werden kann,
ohne dass die konkrete Verletzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
verhindert worden wäre.
Allerdings muss die Kausalität adäquat, also angemessen sein.
Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im allgemeinen und nicht unter
besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen.
Bsp.: Höhere Gewalt. B verursacht eine Körperverletzung bei C. Während C mit dem
Krankenwagen forttransportiert wird, fällt ein Flugzeug auf den Krankenwagen.
Eine unbegrenzt weite Haftungsausfüllung wird als äquivalente Kausalität bezeichnet. Eine
sinnvolle Haftungsausfüllung als angemessene Kausalität.
Nach § 823 II ist Schadensersatz möglich, wenn jemand gegen ein den Schutz eines anderen
bezweckendes Gesetz verstößt, jedoch nur im Falle des Verschuldens. Beispiele von
Schutzrechten finden sich im Strafrecht wie Körperverletzung (§§ 223 StGB) und die
Vermögensdelikte (§ 242 StGB). Ein Schadensersatzanspruch entsteht im Einzelnen, wenn
-
eine Handlung oder ein Unterlassen vorliegt
diese Handlung gegen ein Schutzgesetz verstößt
der Verstoß gegen das Schutzgesetz für den Schaden ursächlich ist
der Verstoß gegen das Schutzgesetz rechtswidrig ist
und dies schuldhaft erfolgt
Ansprüche aus § 823 I oder II können gleichzeitig entstehen. Der Schaden wird jedoch nur
einmal ersetzt.
Nach § 826 entsteht ein Schadensersatzanspruch, wenn jemand einem anderen vorsätzlich und
sittenwidrig einen Schaden zufügt. Bedingter Vorsatz genügt, nicht aber grobe Fahrlässigkeit.
Ein Handeln verstößt gegen die guten Sitten, wenn dem Anstandsgefühl aller billig und
gerecht Denkenden (durchschnittlicher Maßstab) zuwiderläuft. Wie bekannt setzt das nicht
voraus, dass sich der Handelnde der Sittenwidrigkeit bewusst ist.
Die Berechnung des Schadensersatzes erfolgt gemäß §§ 249. Zunächst einmal besteht die
Möglichkeit der Naturalherstellung (§ 249). Dass bedeutet, dass der vorherige Zustand
wiederherzustellen ist. Schwierigkeiten gibt es bei Nichtvermögensschäden (bei Gerüchten
aber könnte jedoch öffentlich widerrufen werden) oder wenn die Naturalherstellung bei z.B.
gebrauchten Sachen nicht möglich ist, weil sie nicht mehr gehandelt werden, der Grad der
Abnutzung nicht berechenbar ist oder dem Geschädigten die Anschaffung und Benutzung
eines von anderen bereits genutzten Gegenstandes dieser Art (gebraucht) nicht zuzumuten ist.
Dann kann eine Geldentschädigung geleistet werden, wobei, um den Schädiger nicht unbillig
zu benachteiligen oder den Geschädigten zu übervorteilen, ein Abzug „neu für alt“ zu
berücksichtigen ist. In der Regel berechnet sich der Geldbetrag nach dem Wiederbeschaffungspreis, der in der Regel höher sein dürfte als der mutmaßliche Verkaufspreis.
Nach § 249 II hat der Gläubiger auch von sich aus die Wahl anstatt Naturalherstellung einen
Geldbetrag zu fordern (mit Berücksichtigung der Umsatzsteuer). Auch dem Schuldner steht
nach § 251 II eine Ersetzungsbefugnis auf Zahlung einer Geldentschädigung zu, wenn die
Wiederherstellung unangemessen teuer würde (z.B. Reparatur übersteigt den Marktwert).
Dies bemisst sich nach der Verhältnismäßigkeit. Bei derartigen Fällen kann man das
annehmen, wenn die Kosten einer Reparatur 30% über dem Wert des Gegenstandes (z.B.
PKW) liegen. Dabei sind Wertminderungen (verminderter Verkaufswert (merkantiler
Minderwert)) z.B. bei Unfallschäden an Automobilen zu berücksichtigen, auch wenn sich der
Minderwert nicht in einem Verkauf konkretisiert. Sollte des Weiteren eine Naturalherstellung
nicht ausreichend sein, so steht dem Geschädigten in jedem Fall ein Anspruch auf
Geldzahlung nach § 251 I zu. Bei Nichtvermögensschäden kann eine Naturalherstellung nicht
möglich sein (man denke an Ärger, körperlicher Schmerz, etc.). Dann ist in der Regel keine
Geldentschädigung möglich, wenn auch eine Naturalherstellung überhaupt unmöglich ist.
Einen selbstständigen Anspruch liefert hingegen in bestimmten Fällen § 253 II. Man spricht
dann von Schmerzensgeld, welches allerdings beschränkt ist auf die Fälle der Verletzung des
Körpers und der Gesundheit sowie der Freiheitsentziehung. Die Höhe des Schmerzensgeldes
bemisst sich an der Art und Dauer der erlittenen immateriellen Schäden. Dabei sind das
Ausmaß und die Schwere der physischen und psychischen Schäden zu berücksichtigen.
Bei Personenschäden kann nach §§ 842-846 unter bestimmten Voraussetzungen bei einer
Körper- oder Gesundheitsverletzung eine Geldrente gezahlt werden.
Zu den immateriellen Schäden gehört nach § 252 auch der entgangene Gewinn, der nach den
normalen Umständen mit großer Wahrscheinlichkeit ohne den Schaden hätte realisiert werden
können.
Neben dem tatsächlichen Schaden an Körper, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum oder
sonstigen Rechtsgütern können aber auch mögliche Schäden (Vermögens- oder
Nichtvermögensschäden) bevorstehen. Dann ist es im Interesse desjenigen, der dadurch
einen Nachteil erleiden würde, solche Maßnahmen durch Unterlassung zu blockieren. In
Anlehnung an den Rechtsgedanken in § 1004 gibt es daher die Unterlassungsklage, die bei
bevorstehenden konkret drohenden Rechts- oder Rechtsgutverletzungen eingereicht werden
kann. Von den Gerichten wird dann nach der ZPO eine einstweilige Verfügung
ausgesprochen. Bei Zuwiderhandlung droht dem potentiellen Schädiger eine Geld- oder
Haftstrafe. Dazu muss der Antragssteller dem Gericht glaubhaft machen, dass er einen
Anspruch gegen den Antragsgegner hat und dass ohne die einstweilige Verfügung die
Durchsetzung dieses Anspruches vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.
Voraussetzungen für die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs im Wege der
Unterlassungsklage sind:
-
-
die konkret drohende rechtswidrige – nicht notwendigerweise auch schuldhafte Verletzung eines Rechts oder Rechtsgutes, falls ein Eingriff noch nicht stattgefunden
hat. Es müssen Tatsachen vorliegen, die die Vorbereitung und die Absicht eines
Eingriffs mit Sicherheit erkennen lassen
Wiederholungsgefahr eines rechtswidrigen Eingriffs, wenn ein Eingriff bereits
stattgefunden hat
Erfolgt der Schaden im Rahmen der Verrichtung einer Arbeit durch einen
Verrichtungsgehilfen, der (durch den Geschäftsherrn) weisungsgebunden ist, haftet der
Geschäftsherr wie durch eigenes Verschulden oder Fahrlässigkeit. Im Gegensatz zum
Verrichtungsgehilfen muss ein reiner Erfüllungsgehilfe nach § 278 nicht weisungsgebunden
sein (kann z.B. ein Subunternehmer sein)
Weisungsgebunden ist im Prinzip der Mann an der Presse oder der Maurer im weiteren
Sinne. Der Klempner hingegen eher nicht, da ihm nicht im Einzelnen Vorschriften über die
Art und den Umfang seiner Tätigkeiten gemacht werden können.
Egal ist es, ob die Verrichtung (rechtsgeschäftlich) im Rahmen eines Dienstvertrages, eines
Werkvertrages, etc. oder lediglich unentgeltlich erfolgt.
Schäden, die nicht im Rahmen der Verrichtung passieren, z.B. solche auf dem Heimweg
von der Arbeit, sind auch nicht gemeint.
Kann der Geschäftsherr jedoch nachweisen (die so genannte Exkulpation), dass er den
Mitarbeiter ordnungsgemäß ausgesucht hat und ihn bezüglich seiner Überwachungspflicht
keine Verfehlungen treffen, so wird er von der Haftung frei. Dies gilt auch dezentralisiert,
wenn z.B. Abteilungsleiter die Aufsicht übernehmen und diese wiederum durch die
Unternehmungsleitung beaufsichtigt werden.
Neben dem Deliktsrecht der unerlaubten Handlung existieren noch eine Reihe weiterer
Rechtspflichten. Zu den Sorgfaltspflichten und Obliegenheiten gehören typischerweise
solche Pflichten, die theoretisch auch zu einer p.V.V. (positive Vertragsverletzung) führen
würden. In dem hier gemeinten Fall besteht jedoch keine tatsächliche fehlerhafte Handlung
oder ein Unterlassen, sondern eher die Möglichkeit, dass andere in die Gefahr geraten,
unfreiwillig an den in § 823 I umschriebenen Rechtsgütern verletzt zu werden. Dann trifft
denjenigen, der die Gefahr verursacht, die Pflicht, eine solche Gefahr abzuwenden.
Bsp.: Bauunternehmer K führt an einer öffentlichen Straße Bauarbeiten durch. Er ist
gehalten, die Baustelle ordnungsgemäß durch Kennzeichnung und Absicherung zu sichern.
Man bezeichnet diese Pflichten als Verkehrssicherungspflichten (Verkehrspflichten). Sie
bedeutet die allgemeine Pflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu
nehmen. Es ist hier eine Rechtspflicht zum Handeln insbesondere aus vorangegangenem
Tun. So ist z.B. jeder, der eine Gefahrenquelle geschaffen hat oder unterhält, verpflichtet, im
Rahmen des Zumutbaren alles in seiner Macht Stehende zu tun, um vermeidbare
Schädigungen Dritter, die von dieser Gefahrenquelle ausgehen, zu verhindern.
Eine Verkehrssicherungspflicht trifft eine große Anzahl an Unternehmen, die eine bestimmte
Gefahrenquelle geschaffen haben. Man spricht auch von Gefährdungshaftung. So haften
-
-
Produkthersteller nach § 1 Produkthaftungsgesetz für durch fehlerhafte Produkte
verursachte Personen- und Sachschäden. Dies schließt unter bestimmten
Bedingungen auch den Importeur oder Lieferant mit ein (§ 4 ProdHaftG). Das Ganze
dient dem Schutz des privaten Endverbrauchers.
Inhaber von Industrie-, Energiegewinnungs- und Bergbauanlagen nach § 1
Umwelthaftungsgesetz für Personen- und Sachschäden, die durch eine von diesen
Anlagen hervorgerufene Umwelteinwirkung verursacht wird.
Haftung für Nuklearanlagen und dadurch verursachte Schäden (§§ 25 Atomgesetz)
Haftung der Eisenbahn für Personen- und Sachschäden (§ 1 Haftpflichtgesetz)
Haftung für Gewässerverunreinigung (§ 22 Wasserhaushaltsgesetz)
Haftung für Elektrizitäts- und Gasleitungen (§ Haftpflichtgesetz)
Den aufgezählten Gefährdungshaftungstatbeständen ist gemeinsam, dass sie eine
Schadenersatzpflicht des Schädigers auch dann entstehen lassen, wenn den Schädiger ein
Verschulden nicht trifft. Es wird demjenigen der Schaden aufgebürdet, der die Gefahrenquelle
beherrscht oder beherrschen sollte. Dazu kommt in vielen Fällen, dass der gefahrdrohende
Zustand in erster Linie im Interesse desjenigen geduldet wird, der den Schaden verursacht.
Die Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung und Vertrag sowie aus Gefährdungshaftung können nebeneinander geltend gemacht werden.
7 Sonderpunkte
7.1 Vertrauensschaden
Vertrauensschaden ist die Aufwendung, die jemand hat in Vertrauen auf die Durchführung
des Rechtsgeschäfts erbringt, und dieses letztlich unwirksam oder unmöglich wird.
Bsp.: Ein Gemälde hat einen Wert von 1000,-€. K zahlt jedoch nur einen Kaufpreis von 700,€. Als Aufwand entstehen ihm 200,-€ an Fahrkosten. Hier ist der Vertrauensschaden 200,-€.
Die Erfüllung würde ihm einen geldwerten Vorteil von 300,-€ bringen. Ist der
Vertrauensschaden auf den Betrag begrenzt, der bei Erfüllung realisiert worden wäre, so
wäre im Falle, dass K 900,-€ hätte zahlen müssen, lediglich 100,-€ anzusetzen, obwohl K
200,-€ an Fahrkosten hätte aufwenden müssen. Er kann schließlich nicht besser stehen als
wenn das Rechtsgeschäft ordnungsgemäß erfüllt worden wäre.
7.2 Die Form
Verträge sind in der Regel formfrei (Prinzip der Formfreiheit). Lediglich solche Verträge,
unterliegen einem Formzwang, für die besondere Sicherheitsvorschriften beachtet werden
müssen, um die Vertragspartner vor übereilter Vertragsschließung zu schützen oder sie
zumindest über deren Folgen und Risiken aufzuklären. Eine Form ist notwendig zur:
-
Beweissicherung (spätere Streitigkeiten)
Warnfunktion (Warnung vor übereiltem Vertragsschluss z.B. bei Übereignung des
gesamten Vermögens)
Beratungsfunktion (Aufklärung über die möglichen Konsequenzen)
Kontrollfunktion sowie Wahrung öffentlicher Interessen (Überwachung des
Rechtsgeschäfts im Sinne einer behördlichen Kontrolle)
Ein Formzwang kann nach § 127 auch ausdrücklich gewollt sein, selbst wenn gesetzlich kein
Formzwang vorgeschrieben ist (gewillkürte Form). Sie ist dann aber auch bindend. Man
macht dies oftmals zur Beweissicherung. Wird eine bestimmte Form gewählt, so ist der
Vertrag unwirksam, wenn diese nach § 125 analog zur gesetzlich vorgeschriebenen Form
nicht eingehalten wird. Üblich werden Verträge wie Leih-, Darlehens- oder Kaufverträge
zwischen Unternehmern hingegen allein mündlich abgeschlossen. Dazu zählen auch
Gesellschaftsverträge für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für eine offene
Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft.
Man unterscheidet:
-
die einfache Schriftform (Unterschriftsform)
die elektronische Form
die Textform
die öffentliche Beglaubigung
die notarielle Beurkundung
die völlige Eigenhändigkeit einer Urkunde (Holographie)
Einfache Schriftform bedeutet nach § 126, dass eigenhändig eine Namensunterschrift
erfolgen muss. Eine reine Kopie derselben wie nach Übersendung durch z.B. Telefax reicht
nicht aus. Es geht dabei nicht um die eigenständige Verfassung des Textes, sondern lediglich
um eine Abschluss- oder Deckungswirkung durch Unterschrift. In der Regel müssen alle
Beteiligten auf derselben Urkunde unterzeichnen (§ 126 II). Sie ist notwendig bei der
Bürgschaftserklärung (§ 766), einem Verbraucherdarlehensvertrag (§ 491), einem Mietvertrag
über ein Grundstück oder einer Wohnung für eine Mietzeit länger als ein Jahr (§ 550).
Der elektronischen Form wie einer Email ermangelt es einer Körperlichkeit. Daher hat der
Gesetzgeber für eine solche Form vorgeschrieben, dass eine qualifizierte elektronische
Signatur (§ 126a) möglich ist, die nach dem so genannten Signaturgesetz zu vergeben ist.
Dabei stellt das Signaturgesetz die Authentizität desjenigen, der digital unterschreibt, sicher.
Dies kann zum Beispiel erfolgen im Rahmen eines verschlüsselten Codes auf einer
gesicherten Chip-Karte (§ 2 SigG). Die elektronischen Schlüssel werden von bestimmten
Zertifizierungsdiensteanbietern an die Benutzer vergeben, welche die Nutzung auch
überwachen (§§ 4 SigG). Für die Bürgschaft (§ 766 S.2) ist die elektronische Form nicht
ausreichend.
Die Textform ist nach § 126b eine Urkunde, in der lediglich die Person genannt wird und es
reicht eine schlichte Nachbildung der Namensunterschrift. Darunter fallen dann auch
Telefax oder die einfache Email. Mindestens eine Textform benötigt die Erklärung des
Widerrufs bei Verbraucherverträgen nach § 355.
Die öffentliche Beglaubigung nach § 129 ist eingehalten, wenn der Notar, der beratend zur
Seite steht, die Authentizität des Unterschreibenden und die Echtheit seiner Unterschrift
durch seine eigene Unterschrift bezeugt. Die notarielle Bezeugung bezieht sich nur auf die
Unterschrift, nicht aber den Inhalt der Urkunde. Diese Form ist wichtig für die Anmeldung
zum Vereinsregister (§ 77), bei der Abtretung von Forderungen (§§ 403, 411) und im
ehelichen Güterrecht (§§ 1491), siehe auch § 371 bei der Rückgabe eines Schuldscheins.
Die notarielle Beurkundung gemäß § 128 ist die Niederschrift über die Verhandlung der
Beteiligten vor einem Notar, die ihn und die Beteiligten genau bezeichnet. Dabei geht es
ausdrücklich auch um den Inhalt der Urkunde. Gleichzeitige Anwesenheit der vertragsschließenden Parteien vor dem Notar ist nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen wie z.B.
beim Ehevertrag (§ 1410) notwendig. Angebot und Annahme können jeweils für sich
notariell beglaubigt werden. Nach § 152 kommt dann der Vertrag mit der Beurkundung der
Annahme zustande. Die notarielle Beurkundung ist vorgesehen z.B. bei der Verpflichtung zur
Übertragung des Eigentums an einem Grundstück (§ 311b) oder beim Abschluss eines
Gesellschaftsvertrages bei der Gründung einer GmbH (§ 2 GmbHG).
Die völlige Eigenhändigkeit einer Urkunde ist die Niederschrift in ihrem vollen Wortlaut
und eigenhändig, d.h. mit der Hand wie z.B. das eigenhändig geschriebene und
unterschriebene Testament (§ 2247).
Wird nach § 127 die vereinbarte (gewillkürte) Form gewählt, so sind für die Schriftform und
die elektronische Form nach § 127 II, III besondere Erleichterungen möglich. Durch
Vereinbarung können auch davon abweichende Formvorschriften gewählt werden, wie die
Form des eingeschriebenen Briefes für Kündigungen. Durch AGB kann hingegen nach § 309
Nr.13 für Anzeigen und Erklärungen eine strengere Form als die Schriftform nicht
vereinbart werden.
7.3 Der Vorvertrag
Durch einen Vorvertrag kann das Recht auf einen Hauptvertrag verbrieft werden. Er
unterliegt der Vertragsfreiheit und der Formfreiheit. Der Vorvertrag muss jedoch dieselbe
Form wie der Hauptvertrag besitzen.
Verweigert ein Teil den Abschluss des Hauptvertrages, so kann der andere sein Recht aus
dem Vorvertrag einklagen und auf Abschluss des Hauptvertrages wenn nötig gerichtlich
drängen.
7.4 Auslegung
Ein Vertrag kann erläuternd oder ergänzend ausgelegt werden. Nach §133 ist der wahre
Wille zu erforschen unabhängig vom gewählten Ausdruck, der objektiv gesehen durchaus
nicht mit dem wahren Willen übereinstimmen muss.
Bsp.: A und B wollen einen Vertrag über Walfischfleisch abschließen, verwenden dafür aber
eine falsche Bezeichnung, die tatsächlich Haifischfleisch bedeutet. Trotzdem kommt hier der
Vertrag über Walfischfleisch zustande.
Eine weitere Auslegungsregel nach § 157 (für Verträge) ist die Verkehrssitte. Sie entspricht
der im Handelsverkehr oder im bürgerlichen Rechtsleben in allgemeinen oder bestimmten
Kreisen bestehenden tatsächlichen Übung. Es ist offensichtlich, dass § 157 mehr auf den
objektiven Vertragsinhalt abzielt und damit teilweise in Konflikt gerät zu § 133. Oftmals ist
der innere Beweggrund nach § 133 nachträglich auch gar nicht zu ermitteln, so dass man
mehr auf die äußeren Tatbestände angewiesen ist.
Eine ergänzende Auslegung ist dann möglich, wenn eine Einigung über bestimmte Punkte
noch nicht getroffen wurde und der Vertrag Anhaltspunkte für den mutmaßlichen
Parteiwillen (z.B. im Wortlaut) liefert. Sind diese nicht vorhanden oder kommen
divergierende Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht, dann scheidet eine ergänzende
Vertragsauslegung aus.
Man muss nur vorsichtig sein: All das, was man per Auslegung aus einer Willenserklärung
herausholt, hat man vorher auch per Vorurteil, per Vorannahme, per Vorkenntnis dort
hineingetan.
7.5 Bedingung und Befristung
Die Bedingung ist die einer Willenserklärung beigefügte Beschränkung, durch die die
Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von dem Eintritt oder Nichteintritt eines ungewissen, in
der Zukunft liegenden Ereignisses abhängig gemacht wird. Der Eintritt muss objektiv,
nicht nur subjektiv ungewiss sein. Ein Vertrag mit einer subjektiv ungewissen, aber objektiv
gewissen Bedingung wird sofort wirksam.
So kann S einen Vertrag nicht unter der Bedingung des Todes seines Königspudels
abschließen, da der Tod seines Königspudels objektiv gesehen ein zwar in der Zukunft
liegendes, aber gewisses Ereignis darstellt.
Man unterscheidet eine aufschiebende Bedingung (§ 158 I) und eine auflösende Bedingung
(§ 158 II). Wird der Vertrag mit einer aufschiebenden Bedingung eingegangen, so ist er
zunächst schwebend unwirksam.
Die Einigungserklärung über das das Verfügungsgeschäft wird im Rahmen eines Eigentumsvorbehaltes (§ 449) durch die Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises zunächst
aufgeschoben.
Verfügungen, die zwischenzeitlich in der Schwebezeit erfolgten, sind rückgängig zu machen
(§ 161), wenn der gewollte Zustand später eintritt. Allerdings gelten die Regeln für den
gutgläubigen Erwerb nach § 161 III entsprechend.
Wird zum Beispiel der Kaufgegenstand weiterveräußert an D und ist D gutgläubig, so wird D
trotzdem Eigentümer.
Nach § 160 kann der Vertragspartner wie auch in diesem Fall Schadensersatz verlangen,
wenn das Recht gegen ihn in der Schwebezeit vereitelt wurde.
Wird an der Bedingung bewusst manipuliert, so dass sie eintritt oder nicht eintritt, und der,
der daran manipuliert, einen Vorteil hat, so gilt nach § 162 die Bedingung nach Treu &
Glauben als eingetreten bzw. nicht eingetreten.
Bedingungsfeindlich ist die Aufrechnung (§ 388 S. 2) und die Auflassung (§ 925 II).
Bedingungen, die ein bestehendes Rechtsgeschäft umgestalten also vereiteln können, sind
unzulässig. Dies betrifft auch alle gestaltenden Willenserklärungen wie Rücktritt,
Kündigung, Anfechtung und Aufrechnung, die nicht untereinander ausgehandelt werden. Hier
hat nur der Gestaltende das Sagen, was für den anderen Vertragspartner jedoch zu einer zu
großen Unsicherheit führen würde. Andererseits gibt es Potestativbedingungen. Dort hat es
der andere in der Hand, die Bedingung eintreten zu lassen oder nicht. Die Klarheit kann er
also selber herbeiführen.
Bsp.: M hat bei V für 5 Jahre einen Raum gemietet, möchte aber nach 2 Jahren ausziehen.
Nach § 549 I fordert er V auf, ihm die Untermietung zu genehmigen, wenn er hierzu einen
gewillten Dritten findet, wobei der Dritte alle Kriterien, die an einen zumutbaren Untermieter
gestellt werden können, erfüllt. Unter der Bedingung, dass V dies nicht wolle, erklärt K
gleichzeitig die Kündigung.
Die Befristung ist ähnlich zu verstehen. Hier handelt es sich jedoch um ein gewisses in der
Zukunft liegendes Ereignis, dessen Eintritt sicher ist (§ 163). Fristen berechnen sich nach
§§ 186 wie folgt:
-
-
Ist der Anfang eines Tages (0.00 Uhr) der maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag
mitgerechnet (§ 187 II). Fällt der Anfangszeitpunkt in den Lauf eines Tages oder ist
ein Ereignis maßgebend, welches in den Lauf eines Tages fällt, so wird dieser Tag
nicht mitgerechnet. (§ 187 I)
Bei der Geburt ist der Anfang eines Tages maßgebend, d.h. der Tag der Geburt wird
mitgerechnet, auch wenn die Geburt im Laufe des Tages eingetreten ist (§ 187 II)
Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist (§
188 I)
Ist eine Frist nach Tagen, Wochen oder Monaten berechnet, so endet die Frist mit
Ablauf des Tages, der dem bestimmten Tage vorhergeht, wenn der Anfang eines
Tages für den Anfang der Frist maßgebend ist. Sonst (bei § 187 I) wird der
entsprechende Tag mitgerechnet. Fehlt nach § 188 III der letzte Tag eines Monats
(Bsp.: 29.2. im Schaltjahr), so wird der letzte Tag dieses Monats maßgebend (hier
dann der 28.2., wenn kein Schaltjahr vorhanden ist.)
Bsp.: Ein am 03.04.2002 geborenes Kind vollendet am 02.04.2005 um 24.00 Uhr sein drittes
Lebensjahr.
Bsp.: Der Fristbeginn sei der 04.05.2006 um 16 Uhr. Ein Vierteljahr endet dann am
04.08.2006 um 24.00 Uhr.
7.6 Die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 )
Eine Bereicherung, die zu Unrecht erfolgt ist, kann nachträglich rückgängig gemacht
werden. Dabei unterscheidet man die Leistungskondiktion (Bereicherung durch die Leistung
eines anderen), bei der der Leistende das Vermögen des Bereicherten zweckgerichtet
vermehrt (z.B. Übergabe einer Sache aufgrund einer Verpflichtung im Rahmen eines
Kaufvertrages). Wird das zu Grunde liegende Rechtsverhältnis unwirksam (ex tunc oder ex
nunc) oder tritt der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht ein, so ist die Bereicherung ohne
rechtlichen Grund erfolgt und der Bereicherte ist nach § 818 I zur Herausgabe verpflichtet
(z.B. bei Erwerb eines Rechts wie z.B. des Eigentums Rückübertragung des Eigentums oder
Besitzverschaffung). Dazu zählen auch sämtliche Nutzungen, die erlangt wurden (z.B. wenn
der Gegenstand vermietet wurde und ein Erlös erwirtschaftet wurde) als auch das, was durch
die Leistung erspart wurde (z.B. das Ersparen von Aufwendungen, die ohne die Leistung des
anderen hätten gemacht werden müssen, um den gleichen Erfolg zu erzielen). Ist der
Bereicherungsschuldner nicht in der Lage, das Erlangte herauszugeben (z.B. weil der
Gegenstand untergegangen oder weiterveräußert wurde oder weil die Leistung im Rahmen
eines Dienstvertrages erfolgte), so hat er nach § 818 II Wertersatz zu leisten, wobei der
übliche Verkehrswert anzusetzen ist (Hat der Bereicherungsschuldner die Sache mit
Gewinn weiterveräußert, so muss er für den Gewinn, der den Verkehrswert übersteigt, nicht
aufkommen)(es ist auch nicht der Schaden zu vergüten, der dem Gläubiger durch die
Entreicherung entstanden ist). Eine Leistungskondiktion scheidet aus, wenn die
Vermögensvermehrung unbewusst oder ohne Leistungszweck erfolgt ist. Möglicherweise
ist aber eine Bereicherung „in sonstiger Weise“ zu bejahen. Allerdings ist zunächst zu prüfen,
ob die Bereicherung durch eine Leistung erfolgt ist, da sonst eine Bereicherung „in sonstiger
Weise“ ausgeschlossen ist.
Bsp.: Die Kühe des Bauern B fressen sich auf der Wiese des Bauers A satt. Hier handelt es
sich um eine Bereicherung „in sonstiger Weise“.
Ein Unterfall der Vermögensvermehrung „auf sonstige Weise“ ist die Eingriffskondiktion
(weitere Fälle sind die Rückgriffs- und Verwendungskondiktion). Dabei hat der Schuldner
durch Eingriff in eine Rechtsposition etwas erlangt, deren wirtschaftliche Verwertung nach
der Rechtsordnung dem Gläubiger allein zusteht. Allerdings muss der Eingriff in das Recht
auf Kosten des anderen (des Rechtsinhabers) geschehen sein, nämlich dann, wenn das
Recht, in das eingegriffen wurde, dem Entreicherten zugewiesen war (z.B. nach § 903 das
Recht des Eigentümers mit einer Sache nach Belieben zu verfahren). Eine Eingriffskondiktion
liegt auch dann vor, wenn der Eingriff durch einen Dritten oder gar ohne menschliches Tun
erfolgt ist, allerdings ohne rechtlichen Grund.
Bsp.: Verwendung eines Fotos von A zu Werbezwecken ohne dessen Zustimmung. Hier kann
A ein angemessenes Entgelt verlangen.
Nach § 818 III ist der Schuldner nur dann und nur für diesen Zeitraum zur Herausgabe oder
zum Wertersatz verpflichtet, solange die Bereicherung vorhanden ist (bis zum
Bereicherungswegfall). Dadurch wird der Bereicherte geschützt, mehr als nötig zu vergüten
oder herauszugeben. Allerdings gilt dies nur für den redlichen Bereicherungsschuldner. Hat
der Bereicherungsschuldner den Mangel des rechtlichen Grundes gekannt oder erfährt er ihn
später, so ist er bösgläubig. Dann bezieht sich die Herausgabe nach § 819 I auf jene
Bereicherung, die zur Zeit der Erlangung der Erkenntnis vorhanden war. Ist zwischenzeitlich
die Bereicherung möglicherweise (z.B. ohne sein Zutun) rückgängig gemacht worden, so
kann der bösgläubige Bereicherungsschuldner sich nicht darauf berufen. Er muss die übliche
und angemessene Vergütung entrichten. Ein Bereicherungswegfall tritt z.B. dann ein, wenn
der Schuldner den erlangten Gegenstand verschenkt hat oder der Gegenstand untergegangen
ist, ohne dass Versicherungsansprüche entstanden sind.
7.7 Einführung in Grundzüge des Zwangsvollstreckungsrechts (Insolvenz)
Ist ein Schuldner zahlungsunfähig oder kann seinen Pflichten aus einem Schuldverhältnis
nicht nachkommen, so kann der Gläubiger versuchen unter bestimmten Voraussetzungen im
Rahmen einer Zwangsvollstreckung seine Ansprüche zu befriedigen. Greift jeweils ein
Gläubiger im Rahmen einer Zwangsvollstreckung auf das Vermögen des Schuldners zu, dann
spricht man von einer Einzelzwangsvollstreckung. Sind mehrere Gläubiger vorhanden, so
wäre ein solcher Gläubigerwettlauf, bei dem grundsätzlich der bessere Karten hat, der zuerst
da ist und einen Gegenstand pfänden kann (Prioritätsprinzip) nicht gerecht. Stattdessen
können alle Gläubiger zusammen ein Insolvenzverfahren anstrengen, gemäß dem alle
Gläubiger zugleich ihre Befriedigung suchen können. Das Insolvenzverfahren ist ein
Verfahren, in dem das gesamte Vermögen des Schuldners verwertet und der
Verwertungserlös gleichmäßig nach dem jeweiligen Anteil der Gläubigerforderungen an den
Gesamtforderungen auf die Gläubiger verteilt werden soll. Ein einzelner Gläubiger kann dann
nicht mehr allein und unabhängig von den anderen gegen den Schuldner vorgehen. Er wird
vielmehr mit den anderen Gläubigern in einer Verlustgemeinschaft zusammengefasst. Da
jedoch Sicherungsrechte im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bevorrechtigt behandelt
werden, wird damit das Ziel einer Gleichbehandlung aller Gläubiger meist nicht erreicht.
7.7.1 Einzelzwangsvollstreckung
Um eine Einzelzwangsvollstreckung zu bewirken muss zunächst ein gerichtlich anerkannter
Anspruch bestehen (Nach § 704 I ZPO: „Die Zwangsvollstreckung findet statt aus
Endurteilen, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind“). Dieser wird im
Rahmen eines Vollstreckungstitels öffentlich anerkannt. Ein Titel kann unter anderem
-
ein Urteil sein, das an einem Zivilgericht gefällt wurde
im Rahmen eines Prozessvergleichs zwischen streitenden Parteien vor Gericht erwirkt
werden (§ 794 I Nr. 1 ZPO)
ein Vollstreckungsbescheid sein, z.B. ein für vollstreckbar erklärter Mahnbescheid
(§ 794 I Nr. 4 ZPO)
eine vollstreckbare Urkunde sein. In einer Urkunde, die meist vor Gericht oder
einem zuständigen Notar beglaubigt werden kann, erkennt der Schuldner seinen
Anspruch gegenüber dem Gläubiger an (§ 794 I Nr.5 ZPO)
Der Titel muss vom Gesetz ausdrücklich mit der Wirkung der Vollstreckbarkeit
ausgestattet sein und eine Vollstreckungsklausel beinhalten wie
„Vorstehende Ausfertigung wird dem …… (Bezeichnung der Partei) zum Zwecke der
Zwangsvollstreckung erteilt.“ (§ 725 ZPO)
die zu Beginn der Zwangsvollstreckung ein notwendiges Zeugnis des Gerichts über die
Vollstreckbarkeit darstellt. Darüber hinaus muss der Schuldner darüber benachrichtigt
werden, bevor mit der Zwangsvollstreckung begonnen werden darf (§ 750 I ZPO). Die
Zustellung besteht in der Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks unter Beurkundung
dieses Vorganges. Sie erfolgt in der Regel durch den Gerichtsvollzieher (§ 166 I ZPO) oder
kann auch per Post zugestellt werden (§§ 193 ZPO).
Um den Anspruch des Gläubigers zu befriedigen, werden meist bewegliche Gegenstände wie
auch Geld oder Wertpapiere gepfändet, indem der Gerichtsvollzieher diese mitnimmt oder
zunächst ein Pfandsiegel anbringt (§§ 808 ZPO). Die Verwertung dieser Gegenstände erfolgt
grundsätzlich im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung (§ 814 ZPO). Außerdem können
Geldforderungen des Schuldners gegen einen Dritten durch Gerichtsbeschluss wie z.B. Lohnforderungen gegen einen Arbeitgeber gepfändet werden. Der Gerichtsbeschluss verbietet dem
Schuldner, über die Forderung zu verfügen, insbesondere sie einzuziehen (§ 829 I ZPO).
Allerdings sind der Pfändung von Gegenständen und Geldforderungen Grenzen gesetzt, um
zum einen das Existenzminimum des Schuldners zu sichern (§§ 850-850i ZPO) als auch
Sachen, die dem persönlichen Gebrauch oder der Haushaltsführung des Schuldners dienen bei
diesem zu belassen (§ 811 Nr.1 ZPO). Für Geldforderungen ist diese Grenze derzeit bei
1.209,-€ monatlich gesetzt worden (§ 850c ZPO), wobei Unterhaltsforderungen zusätzlich
berücksichtigt werden können.
7.7.2 Das Insolvenzverfahren
Das Insolvenzverfahren ist ein Verfahren zur gemeinschaftlichen anteilmäßigen
Befriedigung aller Gläubiger eines zahlungsunfähigen Schuldners durch die Verwertung des
gesamten Schuldnervermögens.
Das Gericht darf das Insolvenzverfahren nur eröffnen, wenn ein Insolvenzgrund vorliegt.
Ein solcher Grund ist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 17 I InsO), also das
Unvermögen des Schuldners die fälligen Geldschulden zu begleichen oder lediglich die
drohende Zahlungsunfähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person (§ 18 InsO). Bei
juristischen Personen zählt auch die Überschuldung dazu, also die Übersteigung der
Verbindlichkeiten über die Aktiva (§ 19 I InsO). Das Verfahren kann nur auf Antrag eines
Gläubigers oder des Schuldners selbst (§ 13 I InsO) eröffnet werden. Dabei ist es nicht
notwendig, einen Vollstreckungstitel im Vorfeld durchzusetzen, sondern die Prüfung der
Rechtmäßigkeit erfolgt allein durch den Insolvenzverwalter und das Insolvenzgericht, was
zudem unnötige Verzögerungen vermeidet, die durch die gerichtliche Anerkennung eines
Vollstreckungstitels entstehen können. Das Insolvenzverfahren wird durch den Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts angeordnet, bei dem der Schuldner seine gewerbliche
Niederlassung hat, oder, falls eine solche fehlt, wo sein allgemeiner Gerichtsstand ist (§ 3
InsO).
Ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so verliert der Schuldner seine Verfügungsberechtigung. Allein der Insolvenzverwalter kann über das Vermögen verfügen (§ 22 I
InsO). Bereits vorgenommene Verfügungsgeschäfte sind gegenüber den Insolvenzgläubigern
unwirksam (§ 81 I InsO) und sind rückgängig zu machen. Ein guter Glaube des Erwerbers ist
gegenüber den Insolvenzgläubigern nicht geschützt. Die aus einem gültigen Verpflichtungsgeschäft nach erfolgter Rückgängigmachung der Verfügung erwachsenen Ansprüche muss
der Erwerber nachträglich persönlich gegenüber dem Schuldner durchzusetzen versuchen.
Bezüglich des Verfahrens unterscheidet man Aussonderungsrechte, Absonderungsrechte,
Masseschulden und schließlich das Restvermögen, aus dem versucht wird, die Gläubiger
allesamt zu befriedigen. Werden voraussichtlich nicht einmal die Kosten des Verfahrens
selbst gedeckt, so kann ein Insolvenzverfahren mangels Masse auch abgelehnt werden. Ist ein
Insolvenzverfahren einmal eröffnet, so können parallel etwaige Ansprüche nicht mehr im
Rahmen von Einzelzwangsvollstreckungen realisiert werden (§ 88 I InsO). Aussonderungsrechte stehen den Gläubigern zu, die ein Eigentum an Sachen des Schuldners haben (z.B.
aufgrund Eigentumsvorbehalt oder Leihe). Diese Sachen werden nicht verwertet und werden
vorab ausgesondert (§ 47 InsO). Absonderungsrechte stehen den Gläubigern zu, die
aufgrund bestimmter rechtlicher Ansprüche dieselben anmelden können (dazu zählen z.B.
Pfandrechte, das Sicherungseigentum oder Sachen, die aufgrund eines kaufmännischen
Zurückbehaltungsrecht dem Schuldner vorenthalten werden können). Diese Dinge sind
ebenfalls von der Insolvenzmasse zu trennen und der Erlös ist bis zur vollen Höhe der
Forderung an den Absonderungsberechtigten zu verteilen (§ 50 InsO). Die restlichen
Vermögenswerte sollen zunächst die Masseschulden begleichen (§ 54 InsO). Dazu zählen die
Kosten für das Insolvenzverfahren und Kosten für die Verteilung, Verwertung und
Verwaltung desselben sowie Forderungen der Gläubiger, die auf Handlungen des
Insolvenzverwalters, aus gegenseitigen Verträgen oder ungerechtfertigter Bereicherung
beruhen (§ 55 I Nr.1-3 InsO). Zu den Masseschulden gehören auch die Sozialplanansprüche
der Arbeitnehmer (§ 123 II S.1 InsO). Lediglich der verbleibende Rest steht zur
Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger zur Verfügung, wobei es keine Bevorrechtigung
geben darf, sondern eine anteilmäßige Aufteilung an alle Gläubiger erfolgt (§ 38 InsO).
Abweichend von dem üblichen gesetzlichen Insolvenzverfahren kann die Befriedigung der
Gläubiger auch in einem Insolvenzplan geregelt werden (§§ 217 InsO). Der Insolvenzplan
bedarf der Zustimmung des Schuldners (§ 247 InsO) und der Bestätigung durch das
Insolvenzgericht (§ 248 InsO). Der Insolvenzplan besteht aus einem darstellenden und einem
gestaltenden Teil (§ 219 S.1 InsO). Der darstellende Teil enthält die Informationen, die
Grundlage für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten sein sollen (§ 220 I InsO).
Im gestaltenden Teil wird über die Änderung der Rechtsstellung der Beteiligten entschieden
(§ 221 InsO).
Da nicht immer alle Forderungen der Gläubiger voll befriedigt werden können, der Schuldner
aber auch nicht unbillig zukünftig für alle Forderungen in Anspruch genommen werden soll,
besteht die Möglichkeit im Rahmen einer Restschuldbefreiung, die einen Zeitraum von
sieben Jahren umfasst, sich endgültig von den Nachforderungen zu befreien (§ 1 S.2 InsO).
Grund für diese Neuregelung ist, dass die Gläubiger im normalen Liquidationsverfahren
berechtigt sind, ihre Forderungen, soweit sie im Insolvenzverfahren nicht befriedigt worden
sind, nach dessen Abschluss weiter gegen den Schuldner geltend zu machen (=
unbeschränktes Nachforderungsrecht). Die Restschuldbefreiung kann über ein gesetzliches
Restschuldbefreiungsverfahren (§§ 286 InsO) oder im Rahmen eines Insolvenzplans erfolgen.
Das gesetzliche Restschuldbefreiungsverfahren wird auf Antrag des Schuldners eröffnet (§
287 I S.1 InsO) und muss durch das Insolvenzgericht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger
und der Insolvenzverwalter (§ 289 I S.1 InsO) bestätigt werden (§ 289 I S.2 InsO). Das
Verfahren kann allerdings nur dann laufen, wenn der Schuldner redlich ist und die
Versagensgründe nach § 290 I InsO nicht erfüllt sind. Im Rahmen des Befreiungsplans
verpflichtet sich der Schuldner sein Arbeitseinkommen oder sonstige an dessen Stelle tretende
Einkünfte für eine Dauer von sieben Jahren abzutreten (§ 287 II InsO). Die Vermögenswerte
sind von einem vom Gericht bestellten Treuhänder zu verwalten, der jährlich die ihm
abgetretenen Lohn- und Gehaltsforderungen, die vom Schuldner auf den Treuhänder
übergegangen sind (§ 291 II InsO) an die Insolvenzgläubiger zu verteilen (§ 291 II InsO).
Während dieser so genannten Wohlverhaltensperiode muss der Schuldner bestimmte
Obliegenheiten erfüllen. So muss er, soweit es in seiner Kraft steht, eine angemessene
Erwerbstätigkeit ausüben (§ 295 I InsO). Nach der Wohlverhaltensperiode von sieben
Jahren kann das Insolvenzgericht über die Restschuldbefreiung befinden (§ 300 I InsO). Liegt
ein Versagensgrund nach § 300 II InsO vor, so ist die Restschuldbefreiung endgültig versagt
und das Nachforderungsrecht der Gläubiger lebt wieder auf. Nach der Restschuldbefreiung
sind die Verbindlichkeiten des Schuldners zwar erfüllbar, aber nicht mehr erzwingbar. Sie
werden zu so genannten unvollkommenen Verbindlichkeiten (§ 301 III InsO).
7.7. 3 Das Verbraucherinsolvenzverfahren
Mit dem Verbraucherinsolvenzverfahren gemäß §§ 304-314 InsO soll das Verfahren für
Verbraucher und Kleingewerbetreibende vereinfacht werden. Zunächst sollte eine
außergerichtliche Einigung angestrebt werden. War diese erfolglos (§ 305 I Nr.1 InsO), so
kann der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, wobei er auch einen
Schuldenbereinigungsplan (§ 305 I Nr.4 InsO) vorlegen muss. Dieser kann entweder von
allen Gläubigern unisono angenommen werden (§ 307 InsO) oder, wenn nicht alle Gläubiger
zustimmen, alternativ durch das Insolvenzgericht selbst (§ 309 InsO), welches als letzte
Instanz in jedem Fall den Schuldenbereinigungsplan feststellen muss (§ 308 I S.1 InsO). Dann
hat er die Wirkung eines Prozessvergleichs (§ 308 I S.2 InsO) und das vereinfachte
Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 311-314 InsO) mit anschließender Restschuldbefreiung
wird eingeleitet.
7.8 AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen, §§ 305)
Vielfach werden die Vertragsbedingungen im Rahmen vorgefertigter Formulare von einer
Seite durch AGB diktiert. Dies führt oft dazu, dass dem Vertragspartner einseitig
verschiedene Rechte versagt oder Pflichten auferlegt werden. Im Rahmen der
Privatautonomie ist es eigentlich den Vertragsparteien erlaubt, beliebige vom Gesetz
abweichende Regelungen zu treffen, wenn dispositives (nachgiebiges) Recht vorhanden ist.
Meist haben die Vertragspartner jedoch gar nicht die Möglichkeit, aufgrund mangelnder
juristischer Kenntnisse die einzelnen Vorschriften auf ihren Inhalt hin zu überprüfen und
sind im Geschäftsleben vielfach auch dazu gezwungen im Glauben an einen halbwegs
gerechten Interessenausgleich die AGB zu akzeptieren. Um dem dadurch entstehenden
Machtgefälle zu begegnen, wurde durch die Reform vom 2.1.2002 das Recht der AGB
(früher AGB-Gesetz) in das BGB aufgenommen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind
dann gegeben, wenn
-
der Verwender für den potentiellen Vertragspartner einen fertigen Vertragsentwurf
bereithält,
welcher für eine Vielzahl an potentiellen Vertragspartnern gedacht ist (hier reichen
mindestens 3 – 5)
und der Verwender diese vorformulierten Vertragsbedingungen dem
Vertragspartner einseitig auferlegt.
Beispiele sind vorgefertigte Mietverträge, die man von Haus- und Grundbesitzervereinen
erhält, oder vorformulierte Bürgschaftsverträge von Banken,
vorgedruckte
Formularverträge für den Autokauf, etc., auch notarielle Verträge, wenn sie für eine Reihe
gleichwertiger Verträge einseitig festgelegt wurden.
Für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern sind nach § 310 III AGB auch
dann gegeben, wenn sie lediglich für einmalige Verwendung gedacht sind, und vom
Unternehmer ohne Abstimmung mit dem Verbraucher in den Vertrag eingefügt worden
sind.
Die Abstimmung mit dem Vertragspartner hat immer Vorrang. Solche so genannten
Individualabreden sind von den Bestimmungen der §§ 307 ausgeschlossen. Sie können
lediglich nach den Normen (Generalklauseln) §§ 134, 138 und 242 beurteilt werden. Deshalb
gilt der Grundsatz:
Fallen einem rechtswidrige oder sittenwidrige Klauseln auf, dann ist es vorteilhafter,
zunächst darüber zu schweigen.
Auch bei Verträgen unter Unternehmern oder zwischen einem Unternehmer auf der einen
Seite und einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf der anderen Seite, bei denen
man davon ausgehen kann, dass die juristischen Kenntnisse zur Überprüfung von Klauseln
deutlich größer sind, und nicht ein derart eklatantes Machtgefälle existiert, gelten nach § 310 I
besondere Regeln. So ist die Beurteilung nur noch nach § 307, aber nicht nach §§ 308, 309
möglich. Es ist außerdem auf die Gewohnheiten und Gebräuche des Handelsverkehrs
Rücksicht zu nehmen (§ 310 I S. 2). Sind dabei divergierende oder sich gegenseitig
widersprechende (kollidierende) Klauseln gegeben, so werden die entsprechenden
Regelungen nach § 306 II durch die dispositiven gesetzlichen Bestimmungen ersetzt.
Nach § 310 IV sind außerdem ganze Rechtsgebiete von den Vorschriften der §§ 305-309
ausgenommen, wie das Arbeitsrecht (Tarifverträge), das Erbrecht, das Familienrecht und das
Gesellschaftsrecht.
Für alle anderen Verträge können die AGB nach den §§ 307 beurteilt werden. § 309 enthält
zunächst klar definierte Einzelfallgruppen, die z.B. die Liefer- und Zahlungsfristen,
Gewährleistungsregelungen, Aufrechnungsverbote, Beweislastregelungen, etc. im Besonderen
behandeln und Grenzen einer Vereinbarung durch AGB aufzeigen.
Relevant ist zum Beispiel § 309 8. b) ff): Die Verjährungsfrist nach § 438 I Nr.2 und des §
634a I Nr. 2 kann nicht unter ein Jahr verkürzt werden.
§ 308 ist lauer formuliert und erlaubt gewisse Wertungsmöglichkeiten. Typische
Formulierungen sind „unangemessen“ und „zumutbar“. § 307 erlaubt schließlich auch eine
Überprüfung derjenigen Klauseln, die nicht schon durch §§ 308, 309 abgehandelt werden
konnten, wobei es hier vorwiegend um den „schwammigen“ Maßstab des Treu & Glauben
geht. Nach § 307 III gelten die §§ 308, 309 jedoch nur für solche Fälle, in denen von
Rechtsvorschriften abgewichen oder diese ergänzt werden. Deshalb unterliegen
Leistungsbestimmungs- und Entgeltregelungen der Inhaltskontrolle nach den §§ 307
nicht. Davon ist nur eine Ausnahme zu machen, wenn diese untransparent, d.h. nicht klar
und verständlich im Sinne des § 307 I S.2 sind und damit gegen das Transparenzgebot nach
§ 307 III S.2 verstoßen wird.
Nach § 306 II werden die ungültigen Vereinbarungen durch die gesetzlichen Vorschriften
ersetzt. Nach § 306 I bleiben die restlichen AGB im Übrigen wirksam. Eine Einschränkung
macht nur § 306 III, wonach ausnahmsweise der Gesamtvertrag nichtig sein soll, wenn ein
Festhalten am Vertrag für eine Partei eine unzumutbare Härte darstellen würde.
Nach § 305b sind Individualabreden sowie nach § 305 I S.3 Einzelfallvereinbarungen und
Aushandlungsvereinbarungen keine AGB und können nicht nach den §§ 307 beurteilt
werden. Hiervon kann nach Auffassung des BGH nur gesprochen werden, wenn der
Vertragsinhalt das Ergebnis einer selbstverantwortlichen Prüfung, Abwägung und
möglichen Einflussnahme beider Vertragsseiten ist.
Nach § 305c I sind überraschende Klauseln, die nach den Umständen, insbesondere nach
dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der
Vertragspartner mit ihnen nicht zu rechnen braucht, ungültig. Sie liegen dann vor, wenn
ihnen ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnt und zwischen ihrem
Inhalt und den Erwartungen des Kunden eine deutliche Diskrepanz besteht. Auch der
ungewöhnliche äußere Zuschnitt der Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle,
kann die Klausel zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden machen.
Bsp.: B kauft bei P eine Kaffeemaschine. In den AGB heißt es unter anderem: „Der
Abnehmer verpflichtet sich zu einer monatlichen Kaffeeabnahme“. Diese Klausel ist
überraschend und mit ihr konnte B vernünftigerweise nicht rechnen. Sie ist deshalb nach §
305c I nicht Vertragsbestandteil geworden.
Nach § 305c II gehen Zweifel bei der Auslegung der AGB immer zu Lasten des Verwenders.
Eine geltungserhaltende Reduktion auf den Gebrauch im Einzelfall wird allgemein abgelehnt.
Bsp.: „Ich gebe nichts und nie; ich bekomme alles und immer.“
Als Verwender könnte man diese Klausel im Bedarfsfall auf das gerade jeweils noch gültige
Maß zurückführen lassen, was natürlich sehr vorteilhaft für ihn wäre.
Nach § 305 II werden AGB aber nur Vertragsbestandteil, wenn die andere Vertragspartei
ausdrücklich auf sie hinweist oder – wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des
Vertragsabschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist – durch
Aushang am Ort des Vertragsabschlusses darauf aufmerksam macht. Es muss die
Möglichkeit gegeben sein, in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen.
Außerdem muss die gegnerische Vertragspartei eine Einverständniserklärung in Form einer
Willenserklärung abgeben. Damit wird sichergestellt, dass die Einbeziehung der AGB auf
vertraglicher Grundlage und nicht durch einseitige Maßnahmen des Verwenders erfolgt.
Im Internetgeschäft gilt dies als angenommen, wenn ein Link auf die AGB hinweist, so dass
der Kunde darauf zugreifen kann und diese abspeichern und ausdrucken kann. Für den
Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr gemäß § 312e I Nr. 4 muss der Kunde die
Möglichkeit haben, die AGB bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form
zu speichern. Das gemäß § 305 II erforderliche Einverständnis gibt der Kunde per
Mausklick ab. Die Web-Seiten einiger Anbieter sind technisch so eingerichtet, dass der
Kunde erst den AGB zustimmen muss, um zum Bestellformular zu kommen. Damit stellt der
Verkäufer sicher, dass der Kunde sein ausdrückliches Einverständnis erklärt und es nicht im
Nachhinein zu Beweisschwierigkeiten kommt.
7.9 Grundzüge des Vertragsschlusses im Internet
7.9.1 Allgemeines
Für die Abgabe von Willenserklärungen im Internet ergeben sich gegenüber den per Email
übertragenen Willenserklärungen keine Besonderheiten. Die Willenserklärungen wird unter
Abwesenden abgegeben, werden also erst nach Zugang wirksam und wenn der Empfänger die
Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Das BGB kennt neuerdings den Begriff des Vertrages
im elektronischen Geschäftsverkehr. Das sind nach § 312e solche Verträge, die ein
Unternehmer mit Kunden über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von
Dienstleistungen abschließt und sich dabei eines „Tele- oder Mediendienstes“ (in der Regel
des Internet) bedient.
Einig ist man sich darüber, dass insbesondere Verbraucher (§ 13) einen Schutz vor allzu
aggressiven Verkaufsmethoden und vor skrupellosen Anbietern, die die Anonymität des
Internets für unlautere Praktiken nutzen, benötigen. Schutz vor unlauteren Praktiken gewährt
der Gesetzgeber nicht nur den Verbrauchern, sondern allen Nutzern des Internets, also auch
Unternehmern (§ 14). Allerdings ist der Schutz unterschiedlich ausgeprägt:
-
Die Vorschriften über den elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312e gelten
allgemein für Verträge auch zwischen Unternehmern, wobei dem als Verkäufer
agierenden Unternehmer insbesondere Informationspflichten auferlegt werden.
Die Vorschriften über den Fernabsatzvertrag nach §§ 312b gelten grundsätzlich nur
für Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher als Kunden. Wie
bei allen Verbraucherverträgen spielt das Widerrufsrecht des Verbrauchers eine große
Rolle sowie bestehen auch hier besondere Informationspflichten für den Unternehmer.
Bei Präsentationen im Internet ist üblicherweise von einer „invitatio ad offerendum“
auszugehen, da der Verkäufer aufgrund der unbestimmten Anzahl an potentiellen Kunden
sich nicht von vornherein binden will. Die Bestellung erfolgt in der Regel online oder durch
Absenden einer Email auf einem vorbereiteten Bestellformular. Die Annahme
(Auftragsbestätigung) erfolgt entsprechend entweder online durch eine Bestätigungsanzeige,
durch Email oder konkludent durch Zusendung der bestellten Waren.
Zur Einbeziehung von AGB im Internetgeschäft siehe Kapitel 7.6.
7.9.2 Die Pflichten des Unternehmers im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e)
Zu den Pflichten gehören vorvertragliche und nachvertragliche Informationspflichten,
u.a.:
-
Er muss angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung
stellen, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung
erkennen und berichtigen kann.
Er muss den Zugang der Bestellung des Kunden unverzüglich d.h. ohne schuldhaftes
Zögern auf elektronischem Wege bestätigen.
Außerdem muss der Unternehmer dem Kunden die Möglichkeit verschaffen, die
Vertragsbestimmungen einschließlich der AGB bei Vertragsschluss abzurufen und
in wiedergabefähiger Form zu speichern.
Unternehmer als Vertragspartner untereinander können hingegen davon abweichende
Vereinbarungen treffen. Die genannten Pflichten sind vorvertragliche Pflichten, also
Pflichten bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder einer sonstigen Anbahnung
eines Vertrages, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 280 I begründet,
wenn der Unternehmer dies zu vertreten hat. Das pflichtwidrige Verhalten des Unternehmers
kann auch dazu führen, dass der Kunde seine Willenserklärung, die zum Vertragsschluss
geführt hat, gemäß §§ 119 anfechten kann.
Bsp.: K ist Computerhändler. Er bestellt beim Computerfachhandel V online 100 Computerspiele Marke WWW zum Preis von 35,-€/Stück. Das elektronische Bestellsystem des V gibt
aber dem Kunden nicht die Möglichkeit, Eingabefehler zu erkennen. Daher erkennt K nicht,
dass er versehentlich eine Bestellung über 100 andere, weit weniger beliebte Computerspiele
der Marke XYZ abgegeben hat. In der Zwischenzeit waren nachweislich 20 Kunden bei K
gewesen, welche das Computerspiel Marke WWW kaufen wollten. K verlangt nun von V
Schadensersatz in Höhe von 700,-€. Hier hat V seine Pflicht aus § 312e I Nr.1 verletzt, dem
Kunden angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen,
mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler erkennen und berichtigen kann. Somit hat K einen
Anspruch gegen V auf Schadensersatz in Höhe von 700,-€ aus §§ 312e I Nr.1, 280 I, 311 II,
241 II.
7.9.3 Der Fernabsatzvertrag (§§ 312b)
Schließen ein Unternehmer und ein Verbraucher einen Vertrag über die Lieferung von
Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen unter ausschließlicher Verwendung
von Fernkommunikationsmitteln, so handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag nach §
312b I (siehe auch Kapitel 4.2).
Schließlich muss der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten
Vertriebssystems erfolgen. Erforderlich ist, dass Fernkommunikationsmittel nicht nur
gelegentlich zur Vertragsanbahnung und –abwicklung eingesetzt werden. Es reicht hierbei
aus, wenn ein Unternehmen eine eigene Internetvertriebsabteilung hat.
7.9.4 Die Ersteigerung von Waren bei Internet-Auktionen
Einige Auktionshäuser im Internet bieten Privatpersonen und Gewerbetreibenden ein
Forum zur Versteigerung von Waren aller Art.
Es werden unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, auf welche Art und Weise ein
Kaufvertrag über die zu ersteigernde Ware zwischen Versteigerer und Höchstbietenden
zustande kommt. Letztlich kommt es darauf an, wie die Freischaltung der Auktionsseite durch
den Veräußerer rechtlich zu beurteilen ist. Dies ist in einem Rechtsstreit entschieden worden.
In der 1. Instanz kam das Gericht zum Schluss, dass bloß eine „invitatio ad offerendum“
vorliegt mit der Begründung, dass der Versteigerer seine Ware zunächst nur einem breiten
Interessentenkreis präsentieren will und dementsprechend noch keinen Rechtsbindungswillen besitzt. Dagegen wurde anschließend in einer späteren Instanz vom Bundesgerichtshof
entschieden, dass die Freischaltung der Angebotsseite alle Voraussetzungen eines bindenden
Angebots erfüllt. Neben der bestimmten Angabe des Kaufgegenstandes sind sowohl der
Vertragspartner, nämlich der Höchstbietende, und der Kaufpreis, nämlich das Höchstgebot,
hinreichend bestimmbar. Was den Rechtsbindungswillen angeht, so sprechen die von den
Auktionshäusern generell verwendeten AGB für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen
(Rechtsfolgewillen), so dass ein wirksames Angebot des Versteigerers bei entsprechender
Formulierung der AGB bejaht werden kann.
Bsp.: „Mit der Einstellung eines Artikels auf die Website gibt der Verkäufer ein verbindliches
Angebot zum Verkauf des Artikels an denjenigen Bieter ab, der bei Ablauf der Angebotszeit
das höchste Angebot abgegeben hat.“
Da die AGB des Auktionshauses zwingend vom Versteigerer und Bieter anerkannt werden
müssen, muss und darf jeder Teilnehmer dieser Online-Auktionen aus der maßgeblichen Sicht
des objektiven Empfängerhorizonts davon ausgehen, dass den abgegebenen Erklärungen der
in den AGB beigemessene Erklärungswert zukommt. Somit kann das Höchstgebot rechtlich
als Annahme des Angebots beurteilt werden, so dass zwischen den Parteien ein wirksamer
Kaufvertrag über den versteigerten Gegenstand zum Höchstgebot zustande kommt.
Würde man abweichend davon die Freischaltung der Auktionsseite als „invitatio ad
offerendum“ beurteilen, stellt sich die Frage, ob der Veräußerer die Annahme bereits
antizipiert, also vor Abgabe der Gebote, erklärt hat. Dies ist dann zu bejahen, wenn die AGB
des Online-Auktionshauses den Anbieter unwiderruflich verpflichten, an den Meistbietenden
zu leisten.

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