Gestärkt nach Budapest
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Gestärkt nach Budapest
Neuö Zürcör Zäitung Montag, 5. August 2013 ^ Nr. 178 SPORT 25 Ein Gladiator stellt sich zur Schau Cologny und Wollerau okay Ryan Lochte möchte Designer, Model, TV-Star sein – und wird doch wieder dreimal Schwimmweltmeister Interclub-Tennis vor Finalrunde Diesen Frühling hat sich der Amerikaner Ryan Lochte als Hauptfigur einer Reality-Soap versucht. Besser wäre, wenn er weiterhin nur schwimmen würde. Christof Gertsch, Barcelona Es drohte ein Desaster. Ryan Lochte, der Prahlhans, traf auf David Letterman, den Late-Night-Talker. Zehn Minuten mit Letterman und dessen bösen Fragen können einen Menschen auf ewig der Lächerlichkeit preisgeben. Andrerseits: Die Häme hatte sich lange zuvor über Lochte ergossen, auf das eine Mal mehr kam es vielleicht auch nicht mehr an. Denn Lochte, der fünffache Olympiasieger, der im Training auch mal Traktorreifen den Berg hochrollt, hatte sich nach Olympia 2012 von einem Trash-Sender überreden lassen, Hauptfigur einer Reality-Soap zu sein. Acht Folgen mit Lochte, das konnte nur schiefgehen. Die Sendung hiess: «What would Ryan Lochte do?» Was würde Ryan Lochte tun, wenn er USPräsident wäre? Wenn ein Hotdog nach ihm benannt würde? Wenn er eine Kleidermarke besässe? Solche Sachen. Das Problem an der Show war, dass Lochte mit ihr mehr «Schwimmbewusstsein» in Amerikas Wohnzimmer bringen wollte, dass es aber um alles ging, nur nicht um Schwimmen, geschweige denn um «Schwimmbewusstsein». Es ging darum, Lochte beim Feiern zuzusehen, beim Sprücheklopfen und beim Herumblödeln. Als er gefragt wurde, ob es stimme, dass er alle Frauen ins gleiche Sushi-Restaurant bei sich in der Stadt ausführe, sagte er: «Es ist vielleicht dasselbe Restaurant, vielleicht derselbe Tisch – aber es ist nicht dieselbe Frau.» Und als es doch einmal um Schwimmen ging, wurde er gefragt, ob er auch Pipi mache im Wasser, wie die Kinder. «Ich sehe das so», sagte Lochte, «der Pool ist die grösste und teuerste Toilette. Und sie gehört mir allein.» Mit Deschwanden vor Ammann Sommer-GP der Skispringer (si) ^ Gregor Deschwanden hat beim Sommer-Grand-Prix der Skispringer in Wisla, Polen, die bessere Leistung als Simon Amman gezeigt. Gleichwohl verfehlte der Luzerner die Top Ten knapp. Der Tagessieg ging an den überlegenen, erst 17-jährigen Deutschen Andreas Wellinger. Deschwanden bestätigte mit dem 11. Rang (127 m / 126 m) seine Leistungen aus dem Teamspringen, in welchem er ebenfalls die grösseren Weiten als der vierfache Olympiasieger erzielt hatte. Ammann (19.) tat sich vor 7000 Zuschauern mit Flügen auf 124,5 und 123 Metern erneut schwer. Er stach zu aggressiv nach vorne. Deschwanden hingegen liess die Kraft nach dem Absprung besser wirken und gewann in der ersten Flugphase mehr Höhe. «Ich bin mit Gregor sehr zufrieden», sagte der Nationaltrainer Martin Künzle. «Er hatte jeden Sprung im Griff.» An der Spitze setzte sich der 17-jährige Wellinger, der vor neun Monaten fulminant in den Weltcup gestartet war, mit zwei Sprüngen auf 132,5 Metern souverän vor dem Polen Maciej Kot und Roman Koudelka aus Tschechien durch. Die erfolgsverwöhnten Österreicher mussten einen Dämpfer hinnehmen, sie waren allerdings nicht in Bestbesetzung angetreten. Als Bester klassierte sich Andreas Kofler unmittelbar hinter Ammann als 20. Die Skispringer setzen ihre Sommerserie in zehn Tagen in Courchevel fort. Auch die Schweizer, die kommende Woche in Einsiedeln trainieren, werden nach Frankreich reisen. Legt Ryan Lochte den Fokus aufs Schwimmen, geht nichts schief. Dafür sonst umso mehr. jeder Folge häuften sich die Schmährufe, und man konnte nur hoffen, dass keine zweite Staffel gedreht wird. Ganze Websites wurden eingerichtet, um die doofsten Sprüche von Lochte zu sammeln, und wem das nicht reichte, stellte Zusammenschnitte auf Youtube. Zum Beispiel dieser: Die Moderatoren einer Morgen-Show unterhalten sich mit Lochte über seine Sendung. Als sie sich von ihm verabschieden, kugeln sie sich vor Lachen. Zwei Minuten lang. Live. Lochte, das sah man, fand Gefallen an der Zurschaustellung. Aus irgendeinem Grund glaubt er, sie helfe ihm, TV-Star, Designer, Model zu werden, das ist nämlich sein Traum. Voller Freude zeigte er den Zahnkranz aus Diamanten, die 150 Paar Turnschuhe, einige davon selber kreiert, die teure Uhr. Er meinte, Amerika lache mit ihm. Aber Amerika lachte über ihn. Selten wurde aus einem Sportler deutlicher der Muskelmann gemacht, der einfach der Gladiator ist, an dem sich das nach Unterhaltung lechzende Publikum gütlich tut. Es hätte nicht viel gebraucht, und das Publikum hätte nicht nur den Respekt vor Lochte, sondern auch den Respekt vor seinen Leistungen verloren. «Ein paar Rekorde» Wie gut, dass dann die WM kamen. Zwar ist die Lagenstaffel am Sonntagabend wegen Frühstarts disqualifiziert worden und ist Lochte in seinem besten Rennen nicht gestartet, weil die 400 REUTERS Meter Lagen doch recht anstrengend gewesen wären angesichts des Trainingsrückstands – aber er hat immer noch dreimal Gold gewonnen, über 200 Meter Rücken und Lagen und in der CrawlStaffel. Vielleicht sollte er sich wieder nur aufs Schwimmen fokussieren. Und allenfalls aufs Reden darüber. Wie bei Letterman, wo das Desaster ausblieb. Lochte liess die Spässe elegant über sich ergehen, und als er gefragt wurde, warum er so viele Rennen schwimme, sagte er: «Die Schwimmer von heute haben Angst, sich auf mehr als eine, zwei Strecken zu konzentrieren. Ich nicht.» Und als Letterman wissen wollte, was Lochte tun würde, wenn er, Letterman, ihn in seinen Pool einladen würde, sagte Lochte: «Ein paar Rekorde schwimmen.» Gestärkt nach Budapest Trainingslager und Festansprache als WM-Vorbereitung der Schweizer Degenfechter jeg. ^ Vor Jahresfrist wurden im Schweizer Fechten Wunden geleckt. Max Heinzer und Fabian Kauter galten als Olympiafavoriten, beide Degenfechter schieden in London aber bereits in den Achtelfinals aus. Es waren Trauerspiele, die die Schweizer Delegation am 1. August 2012 boten, weil auch im Rad, Kanu oder Tennis (Doppel) keiner der vermeintlichen Trümpfe stach. Daran erinnerte Heinzer am Donnerstag in seinem Heimatort Immensee: «Sie haben schon noch Mut, gerade mich als Festredner für den heutigen Nationalfeiertag einzuladen. Denn eigentlich ist es ja bekannt, dass ich am 1. August nichts zustande bringe.» Praktisch für den Sportler Heinzer also, dass diesmal der 1. August zwischen Training und Wettkampfvorbereitung lag. Bis am Mittwoch waren die Fechter in Tenero in einem Trainingscamp, am Samstag flogen sie nach Budapest. Dort beginnen heute Montag die Weltmeisterschaften, die es im Fechten alle zwei Jahre gibt, im Oktober 2011 hatten sie in Catania auf Sizilien stattgefunden. In Olympiajahren indes kommen mittlerweile noch «Mini-WM» dazu, Team-Titelkämpfe für die zwei Waffen, die an den Spielen nicht vertreten sind. Weil die Olympier den Fechtern ja bloss zehn Wettbewerbe zubilligen, diese aber seit der Aufwertung des Frauen-Säbelfechtens deren zwölf haben (Degen, Florett und Säbel für beide Geschlechter, Einzel und Team). Freilich ist der Degen noch immer die beliebteste Waffe. Von den 832 WMTeilnehmern sind in Budapest 218 Degenfechter, 41 Mannschaften haben sich hier eingeschrieben – im Frauen-Florett dagegen bloss 83 Fechterinnen und 18 Teams. Diese Zahlen sprechen für die Schweizer Fechter, weil sie unter den zahlreichen Degenspezialisten seit Generationen immer wieder die Besten sind. Jüngst haben Heinzer wie Kauter die Weltrangliste angeführt, zurzeit lie................................................................................. BILDER EPA, AP Lachen über Lochte Tiffany Géroudet Degenfechterin Max Heinzer Degenfechter ................................................................................. gen sie an zweiter (Heinzer) und sechster (Kauter) Stelle. In der Mannschaftswertung führen die Schweizer das Ranking an, vor den USA und dem WMGastgeber Ungarn. Die WM-Teamwettkämpfe hat der Nationaltrainer Angelo Mazzoni primär im Visier. Deshalb schloss sich der italienische Maı̂tre, der zusammen mit Gianni Muzio die Spitze betreut, dem Sommercamp des Circolo Scherma Lugano an, baute es zu einem WM-Trainingslager aus und bot nach Tenero auch den Nachwuchstrainer Hervé Faget und über 50 Nachwuchsfechter auf. Zur Teambildung über die einzelnen Leistungsklassen hinaus und für eine möglichst grosse Corona an Sparringpartnern. Dazu zählte notabene ebenso der Italiener Alfredo Rota, den Mazzoni 2008 zum Olympiasieg geführt hatte und der nun auch in der Schweiz tätig ist, als Klubtrainer in Lugano. Die Teambildung war bei den Degenfechterinnen wichtig, weil sich hier erst wieder eine starke Equipe formen muss. In London war einzig Tiffany Géroudet dabei, die Juniorenweltmeisterin von 2006 und Europameisterin von 2011. Heuer vermochte die Walliserin, die in einem Monat 27-jährig wird, nicht an diese Erfolge anzuknüpfen; ein dritter und ein fünfter Rang stehen im Weltcup als Bestresultate zu Buche, in der Weltrangliste ist sie die Nummer 11. Die WM geht Géroudet heute Montag mit Laura Stäheli, Pauline Brunner und Angela Krieger an, die im Ranking auf Positionen zwischen 83 und 180 figurieren. Für sie ist der WM-Start eine Investition in die Zukunft. Bei den Degenfechtern ist das anders. Die Mannschaft mit Heinzer, Kauter, Benjamin Steffen und Florian Staub gewann 2011 Bronze, die erste TeamWM-Medaille der Schweizer Degenfechter seit 1982. Das ist nun ebenso die Messlatte wie der dritte WM-Rang, den Kauter auf Sizilien erreichte. Er sicherte dem hiesigen Fechten die achte WMEinzelmedaille. Eine Enttäuschung wie an den Spielen soll es also nicht geben. In der Ansprache zum 1. August hat Heinzer ja auch gesagt: «Es ist wichtig, dass wir uns nicht zu lange mit einer einzelnen Niederlage befassen, sondern uns auf unsere Stärken besinnen.» London 2012 ist damit abgehakt. Das sollte die Schweizer Degenfechter in Budapest zusätzlich motivieren. gel. ^ Vor der Finalrunde im nationalen Interclub-Tennis auf den Courts des LTC Winterthur (10./11. August) stehen der Meister TC Ried Wollerau und der etatmässige Favorit TC Cologny Genf als erste Teilnehmer fest. Die Regie im Spielplan führt die zwei Männer-Equipen just morgen Dienstag am Obersee in der letzten Qualifikationsrunde zusammen. Um ein Final-Ticket kämpfen dannzumal auch der noble TC Eau-Vives Genf und der traditionsreiche Grasshopper-Club Zürich. In der Nationalliga A des bezahlten Team-Tennis wird das Geld immer wichtiger. Die Mär ist nicht neu, spielerische Qualität kostet. Der Verein Cologny lanciert in der ersten Position im Einzel den Argentinier Carlos Berlocq (ATP 47), der mit diesem Ranking am Suisse Open Gstaad gesetzt worden wäre. Der Einsatz von drei Legionären pro Match ist ebenso umstritten wie die Regelung, als Schweizer auch jene Spieler zu lizenzieren, die im Land ein festes (Steuer-)Domizil haben. Ungeachtet der Regularien bleibt es eine Tatsache, dass das Niveau in der über 100 Jahre alten Mannschaftsmeisterschaft noch nie so hoch war wie jetzt. Im Derby Wollerau - GC sahen am Samstag 900 Zuschauer hochkarätige Matches, etwa als der für GC antretende Schweizer Davis-Cup-Mann Henri Laaksonen dem Wollerau-Kasachen Jewgeni Korolew nach fast drei Stunden unterlag. GC zeichnet in der Nationalliga A als Rekordmeister, doch die Stadtzürcher tun sich eher schwer mit den neuen Begebenheiten im Team-Tennis. Jahrelang sammelte der Klub die besten einheimischen Talente ein. Spielleiter wie Marc Walder (heute CEO der Ringier AG) oder der Federer-Domestike Severin Lüthi als Playing-Captain waren Figuren, die an den richtigen Fäden zogen. Heute leidet GC an schleichender Auszehrung. Es ist noch gutes Personal vorhanden, der Kitt in der Mannschaft indes bröckelt; in der Hitze des TieBreaks den Kollegen anzufeuern oder ihm am Court nach dem Becker-Hecht an Netz aufzumuntern. Im Team-Interclub ist der intakte Spirit ein grosser Vorteil. Immer, in jedem Game. Start in Cincinnati wahrscheinlich Federer erhöht Trainingspensen gel. ^ Am Canada Open (ATP-Event der Kategorie 1000) ab heute Montag in Montreal fehlt der Schweizer Roger Federer wegen Rückenbeschwerden (NZZ 3. 8. 13), dafür ist seine Rückkehr in Cincinnati (Ohio) in die Tour ab 12. August absehbar. Der Fünfte des ATP-Rankings hat zuletzt in Zürich auf Hartbelag sein Trainingspensum pro Tag in zwei Tranchen auf bis über vier Stunden erhöht. Er spielte dabei auf einem Hartplatz der Grasshoppers, aus deren Umfeld die Rückkehr des MajorRekordsiegers als wahrscheinlich gemeldet wird. Bevor Federer in Ohio als Titelhalter 1000 ATP-Punkte zu ersetzen hat, erlebt Montreal die Rückkehr der Weltnummern 1 bis 4 (Djokovic, Murray, Ferrer und Nadal), die seit Wimbledon an keinem Turnier teilgenommen haben. Der Leader Djokovic hat das Canada Open zuletzt zweimal gewonnen, ein Kunststück, das Ivan Lendl in den achtziger Jahren zum letzten Mal gelungen war. Von den Verfolgern kann der im Vorjahr verletzte Nadal jetzt fürs Ranking netto voll punkten. Der Wimbledon-Champion Murray hat eine Drittrundenwertung zu ersetzen. Der Waadtländer Stanislas Wawrinka (Setznummer 8) geniesst wie die übrigen sieben Erstgesetzten ein Freilos für die 1. Runde. Er trifft nachher auf den Sieger der Partie Philipp Kohlschreiber gegen Benoı̂t Paire. Aus den Top Ten fehlt neben Federer der am Knie verletzte Jo-Wilfried Tsonga. Seit 2003 gewann dieses Turnier auf Deco-Turf stets einer der vier aus der Beletage.