Studie - Baubranche

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Studie - Baubranche
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Euler Hermes
Die deutsche Bauindustrie: Betongold am Wendepunkt?
8. August 2014
Didier Moizo (Branchenexperte)
[email protected]
Lukas Boeckelmann (Junior Analyst)
[email protected]
Ludovic Subran (Chefvolkswirt)
[email protected]
Zusammenfassung
In den vergangenen Jahren war im deutschen Baugewerbe ein kräftiges Wachstum zu beobachten (+2,8% für 2012 bzw. +4,4% für
2013), das vom Wohnimmobiliensektor angetrieben wurde. Dieser
positive Trend in der deutschen Bauindustrie basiert auf günstigen
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Verbindung mit einem Bevölkerungszuwachs.
Für 2014 rechnen wir mit einer etwas verhalteneren Fortsetzung dieses positiven Trends. Wir rechnen mit einem Wachstum des Bruttoausstoßes um 3,5% auf EUR 285 Mrd., bedingt durch den Anstieg der
Häuserpreise, die Einführung der Mietpreisbremse und niedrige Investitionen der öffentlichen Hand. 2015 sollten das kräftigere BIPWachstum und eine Zunahme der Bautätigkeit der öffentlichen Hand
das Wachstum des Ausstoßes auf +5,3% steigern.
Die Unternehmen des Sektors weisen aufgrund hoher Herstellungskosten niedrige Margen (von geschätzten 6% im Zeitraum 20142015) und ein hohes Ausfallrisiko auf, da die durchschnittliche Forderungslaufzeit (DSO) von 36 Tagen höher als in anderen Sektoren ist.
Allerdings dürfte die Zahl der Insolvenzen im Sektor in diesem und
im kommenden Jahr weiter sinken (d.h. um -3% für 2014 bzw. um 5% für 2015) und somit gegenüber 2013 rückläufig sein.
Gute Zeiten für die deutsche Bauindustrie:
Wachstum von +2,8% für 2012 und +4,4% für
2013
Die deutsche Bauindustrie befindet sich seit 2005 im
Aufwind und hat nominal ein durchschnittliches
Wachstum des Bruttoausstoßes von +4,9% jährlich
verzeichnet. Obwohl die Krise des Jahres 2009 einschneidend war (Rückgang des Ausstoßes um 0,3%), nahm der Bruttoausstoß alsbald wieder zu
und stieg in den Jahren 2011, 2012 und 2013 um
+6,8%, +2,8% bzw. +4,4% (Grafik 1).
Analog dazu stieg die Anzahl der Baugenehmigungen für Wohnimmobilien im gleichen Zeitraum um
+21,7%, +5,6% bzw. +12,1%. Dieser positive Trend
hielt im ersten Quartal dieses Jahres an: Der Anstieg
der Zahl der Baugenehmigungen für Wohnimmobilien gegenüber dem Vorjahr um +15,3% entspricht
8.500 zusätzlichen Baugenehmigungen. Obwohl die
Zahlen des Jahres 2014 teilweise auf die widrigen
Witterungsbedingungen des ersten Quartals 2013
und den extrem milden Winter 2014 zurückzuführen sind, illustrieren die jährlichen Wachstumsraten
eine positive Entwicklung.
Hinter diesem Aufwärtstrend steht ein Boom im
Wohnimmobiliensektor. Seit 2010 übersteigt unter
dem Einfluss der fortgesetzten Konsolidierung der
Haushalte des Bundes und der Länder das Wachs-
Grafik 1: Bauindustrie, Bruttoausstoß, nominal in € Mrd.
350
285
300
300
250
200
150
100
50
0
2005
2006
2007
2008
Quellen: Oxford, Euler Hermes
2009
2010
2011
2012
2013
2014f
2015f
tum der Auftragseingänge im Wohnimmobiliensektor die Aufträge der öffentlichen Hand deutlich,
zumal Deutschland in punkto Wohneigentum an
zweitletzter Stelle in Europa rangiert. So wohnen
lediglich 53,4% der Deutschen im Eigenheim, während es im europäischen Durchschnitt 70,6% sind.
Der aktuelle Bauboom könnte die Eigentumsquote
in Deutschland leicht steigern.
Grafik 2: Verfügbares Einkommen in € Mrd.
460
440
400
Die Gründe sind strukturell: Steigerung der
Kaufkraft und niedrige Zinsen in Ver
Ver bindung
mit Bevölkerungswachstum
380
Das Baugewerbe wird durch eine kräftige Nachfrage
in einem stabilen wirtschaftlichen Umfeld gestützt:
(i) Hypothekenzinsen auf Rekordtief (1,43% ggü.
dem Höchstsatz von 4,87%), (ii) niedrige und weiter
sinkende Einlagenzinsen für Privatkunden - diese
sind so niedrig wie seit 10 Jahren nicht mehr (0,7%
ggü. 4,47%), (iii) niedrige und weiter rückläufige
Arbeitslosenquote sowie (iv) Anstieg des verfügbaren Einkommens (um 2,2% jährlich seit 2005). Aufgrund dieser Faktoren sind Immobilien ein höchst
attraktives Investment (das so genannte Betongold), zumal Aktien in Deutschland als hoch riskant
gelten.
320
Auch steht die Nachfrage unter dem neuen und
positiven Einfluss der Demographie, d.h. einer Nettozuwanderung von 1,2 Mio. Menschen in den letzten 4 Jahren und der Zunahme der Bevölkerung der
Metropolen auf 9,4% (Diagramme 2-4).
Diese positiven Antriebsfaktoren sind von
Dauer und liegen unserer Prognose von eieinem Wachstum von +3,5% bzw. +5,3% für
2014 und 2015 zugrunde
Die kräftige Nachfrage nach Wohnimmobilien dürfte anhalten, da die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen günstig bleiben. Die makroökonomische
Lage in Deutschland dürfte sich weiter verbessern:
Wir erwarten ein BIP-Wachstum von +1,5% für
2014 und von +2% für 2015, eine rückläufige Arbeitslosenquote und eine weiter steigende Kaufkraft. Für 2015 prognostizieren wir ein verfügbares
Einkommen von EUR 452 Mrd.
Ferner dürfte die Geldpolitik in der Eurozone auf
absehbare Zeit keine nennenswerte Veränderung
erfahren, so dass die Einlagen- und Hypothekenzinsen auf niedrigen Niveaus verharren werden. In
unseren Prognosen für 2015 gehen wir von 1,23%
für den durchschnittlichen Hypothekenzins und von
0,72% für den Einlagenzins für Privatkunden aus.
Gleichzeitig dürften die Zuwanderungszahlen hoch
bleiben, denn Deutschland steht auf dem Weltmarkt in immer stärkerer Konkurrenz um hoch
qualifizierte Arbeitskräfte: Wir prognostizieren für
2015 eine Nettozuwanderung von 475.000 Menschen.
Für 2014 erwarten wir eine Fortsetzung des positiven Trends mit einem Anstieg des Bruttoausstoßes
um +3,5% (auf EUR 285 Mrd.). Die Gründe für diese
leichte Verlangsamung werden nachstehend unter
der Beschreibung der Risiken erläutert. Dazu zählen: Anstieg der Häuserpreise, niedrige Investitionen
der öffentlichen Hand und generell hohe Herstellungskosten.
2015 dürften das stärkere und bessere Wachstum
in Verbindung mit einer von der Koalitionsregierung beschlossenen Zunahme der Infrastrukturin-
Euler Hermes Economic Research
452
449
420
360
340
300
Quellen: Global Insight, Euler Hermes
Grafik 3: Einlagenzins für Privatkunden, durchschnittlicher
Hypo
Hypothekenzins
6
5
4
3
2
1,23
1
0,72
0
Einlagenzins für Privatkunden
Durchschnittlicher Hypothekenzins
Quellen: Global Insight, Bloomberg, Euler Hermes
Grafik 4: Nettozuwanderung (rechte Achse) und
Stadtbevölke
Stadtbevölkerung (Großstädte > 1 Mio., linke Achse)
465
9,7
475
Nettozuwanderung
9,5
Stadtbevölkerung
9,5
500
9,58
400
9,3
300
9,1
200
8,9
100
8,7
0
8,5
-100
Quellen: Eurostat, WorldBank, Euler Hermes
2
vestitionen der öffentlichen Hand sowie günstigere
mikroökonomische Fundamentaldaten (Finanzlage
der Unternehmen) ein Wachstum des Bruttoausstoßes um 5,3% zur Folge haben.
Grafik 5: Auftragseingänge
Auftragseingänge im Bausektor, Wertindex
190
Unsere Prognosen für die Auftragseingänge (Diagramm 5) zeigen auch die relative Dynamik der
Bautätigkeit des privaten und des öffentlichen Sektors sowie ihre Aufwärtstrends bis 2015.
Die leichte Verlangsamung in 2014 ist
den bestehenden Risiken zuzuschreiben:
hohe Hauspreise und Wohnungsmieten
sowie verhaltene Bautätigkeit der öffentlichen Hand
Da das Angebot am Wohnimmobilienmarkt die
zusätzliche Nachfrage nicht decken kann, sind die
Häuserpreise und die Wohnungsmieten vor allem
in städtischen Ballungsräumen (wie Berlin, München, Hamburg oder Frankfurt) stark gestiegen.
Zwischen Juni 2007 und Juni 2014 sind die Häuserpreise für neue und für Bestandsimmobilien im
Durchschnitt um +4,7% bzw. +3% gestiegen. Seit
Juni 2011 hat sich dieser Trend auf +6,6% bzw.
+6,4% beschleunigt. Die Mieten wiederum sind um
+2,6% jährlich gestiegen, wobei sich der Anstieg
zwischen Juni 2011 und Juni 2014 auf +3,2% beschleunigt hat. Somit stellt die Lücke zwischen dem
Trend bei den Häuserpreisen und dem Trend beim
verfügbaren Einkommen (+2,2%) derzeit ein Risiko
dar, das die Haushalte vom Kauf einer Wohnimmobilie abhalten und für Bauunternehmen einen Rückschlag bedeuten könnte. In unseren Prognosen
(Grafik 6) rechnen wir mit einer Fortsetzung dieser
Preistrends.
170
165,0
150
153,8
130
110
90,7
93,0
90
70
50
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014f 2015f
Öffentlicher Hochbau
Wohnungsbau
Quellen: Banque de France - Base Bach, Euler Hermes
Grafik 6: Entwicklung der deutschen MietMiet- und HäuserpreiHäuserpreise
155
Miete
145
Neubau
135
Bestand
125
115
105
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die
CDU/SPD-Koalitionsregierung eine Mietpreisbremse vereinbart hat: in Gebieten mit angespanntem
Wohnungsmarkt dürfen - sofern die Regelung wie
im Koalitionsvertrag vereinbart in die Praxis umgesetzt wird - bei bestehenden Mietverhältnissen die
Mieten nach einer Mieterhöhung den Mietspiegel
nicht überschreiten und bei Neuvermietungen
maximal 10% darüber liegen. De facto sind solche
Mietpreisregelungen dazu angetan, potenzielle
Interessenten vom Kauf eines Hauses abzuschrecken, da Mieten relativ gesehen günstiger wird.
Analog dazu drückt eine Mietpreisbremse die Renditen der Investoren, so dass die Politik aller Voraussicht nach die Nachfrage nach Wohnimmobilien
dämpfen wird.
In Frankreich hat die Regulierung von Mietpreisen
so z.B. zu einem erheblichen Einbruch in der Bauwirtschaft geführt: Im 2. Quartal 2014 lag die Zahl
der neuen Bauprojekte in Frankreich -19% unter
dem Vorjahresniveau; auch bei den Baugenehmigungen verzeichneten die Franzosen mit -13% einen deutlichen Rückgang.
Aufgrund eines Investitionsstaus infolge der fortgesetzten Konsolidierung der Haushalte des Bundes
und der Länder ist die Bautätigkeit der öffentlichen
Hand noch immer schwach. Eine Fortsetzung des
Investitionsstaus im öffentlichen Sektor stellt somit
ein potenzielles Risiko dar. In den ersten 4 Monaten
2014 waren die Auftragseingänge im Vergleich
zum gleichen Vorjahreszeitraum um -3,4% zurückgegangen. Im April 2014 lagen sie um rund -10%
unter dem langjährigen Durchschnitt. Auf kurze
Sicht verleihen Tiefbau- und Infrastrukturprojekte
Auftrieb. Die CDU/SPD-Koalition hat vor kurzem
zusätzliche Infrastrukturinvestitionen im Umfang
von EUR 5 Mrd. genehmigt.
Euler Hermes Economic Research
95
Jun 07
Jun 08
Jun 09
Jun 10
Jun 11
Jun 12
Jun 13
Jun 14
Jun 15f
Quellen: IMX Immobilienscout24, Euler Hermes
Grafik 7: Kostenstruktur im Bausektor
Bausektor
Personalkosten
31.6 %
Materialaufwand
35.9 %
Kosten für in
Anspruch
genommene
Leistungen
32,5 %
Quellen: DeStatis, Euler Hermes
3
Sollte die derzeit noch heftig umstrittene Maut
kommen, ist mit einem weiteren Anstieg der öffentlichen Infrastrukturinvestitionen zu rechnen.
Letztendlich wird die Rentabilität der Unternehmen der Branche durch die hohen
Herstellungskosten belastet, wobei die
Zahl der Insolvenzen jedoch weiter sinken dürfte
Grafik 8: EBIDTA zu Nettoumsatz (in %)
8
7
5,9
6,1
6
Die Rentabilität der Unternehmen des Sektors ist
seit 2000 gestiegen, wobei seit 2006 beim EBIDTA
zu Nettoumsatz vor allem bei Großunternehmen
mit einem Umsatz von über EUR 50 Mio. eine deutliche Verbesserung zu konstatieren ist.
Jedoch entfallen in der Branche rund 35,9% der
Gesamtkosten auf Materialkosten (Grafik 7).
Gleichzeitig liegt die Herstellung wichtiger Rohmaterialien wie Zement und Stahl in der Hand weniger
Oligopole. Die Energiekosten, die nicht nur für die
Branche selbst, sondern auch für seine Lieferanten
(z. B. ist die Herstellung von Zement extrem energieintensiv) ein gewichtiger Faktor und derzeit
bereits sehr hoch sind, könnten durch anhaltende
Spannungen mit Russland weiter steigen. In
Deutschland liegen die Energiepreise um 8% – 14%
über französischem Niveau und könnten auf lange
Sicht strukturell weiter anziehen.
Somit gehen wir von einer Stabilisierung der Rentabilität des Sektors bei rund 6% für 2015 aus (Grafik
8). Ein wichtiger Punkt hierbei ist die stetige Abnahme der Forderungslaufzeit (DSO, Days Sales
Outstanding) seit 2000. 2012 markierte ein Rekordtief von 36 Tagen; seit 2007 ist zudem ein struktureller Rückgang zu verzeichnen. Dennoch liegt die
Forderungslaufzeit noch immer 16 Tage über dem
branchenübergreifenden Schnitt von 20 Tagen in
Deutschland (gegenüber 60 für Frankreich).
5
4
3
2
1
0
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013f 2014f 2015f
Quellen: Banque de France - Base Bach, Euler Hermes
Grafik 9: Insolvenzen im Bausektor
8 000
6 000
4000 3800
4 000
2 000
0
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014f 2015f
Quellen: DeStatis, Euler Hermes
Auch verzeichnet die Bauindustrie noch immer die
zweithöchste Zahl an Insolvenzen (4.131 für 2013)
aller deutschen Branchen. Allerdings belegt sie auch
hinsichtlich Verbesserungen seit 2009 den zweiten
Rang: So ging die Zahl der Insolvenzen um -23%
zurück (und wird in dieser Hinsicht nur vom Landwirtschaftssektor mit -24% übertroffen). Seit 2005
ist die Zahl der Insolvenzen im Sektor um -7,7%
jährlich gesunken. Zwischen Januar und Ende April
2014 war die Zahl der Insolvenzen in der Bauindustrie gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum
stabil. Für 2014 rechnen wir mit einem etwas langsameren Rückgang der Insolvenzen um -3%. 2015
dürfte sich der Rückgang der Insolvenzen aufgrund
der besseren Rahmenbedingungen wieder auf -5%
beschleunigen (Grafik 9).
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