Bernward Vesper

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Bernward Vesper
Bernward Vesper
Die Reise
HR 2002, 74 Minuten
Regie: Klaus Buhlert
Bearbeitung: Klaus Buhlert
Komposition: Klaus Buhlert
Mit dem Stichwort "Deutscher Herbst" ist gemeinhin das Jahr
1977 verbunden: Rasterfahndung, Mogadischu, die Entführung
und Ermordung des Arbeitgeber-Präsidenten Hans Martin
Schleyer durch die RAF, der Suizid ihrer Gründungsmitglieder
Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Andreas Baader im
Hochsicherheitstrakt Stuttgart-Stammheim. Im selben Jahr
erschien das Buch "Bernward Vesper: Die Reise. Romanessay.
Ausgabe letzter Hand nach dem unvollendeten Manuskript
herausgegeben und mit einer Editionschronologie versehen
von Jörg Schröder", das zum Kultbuch der Linken und zum
Bestseller im Literaturbetrieb avancierte. Ein Buch, das
zurückführt in die Jahre der APO, der faschistischen
Elterngeneration, zurück zu den Anfängen, zum Scheitern
einer Generation im Aufbruch bereits Jahre zuvor. "Die
Auseinandersetzung mit den Ursachen des Terrorismus hat
noch lange nicht begonnen... Die Lektüre der'Reise' wäre ein
Anfang ... Nein, 'wohltuend' ist diese Lektüre nicht, notwendig
ist sie, wichtig." (Heinrich Böll) In einer Projektskizze schrieb
Vesper: "'Die Reise (was ja Trip zu deutsch heißt), weil hier auf
verschiedenen Ebenen gereist wird: die reale Erzählebene, die
Reise von Dubrovnik nach Tübingen. Zweitens der Trip
München-Tübingen, drittens die Rückerinnerungen... an die in
den Brunnen gefallene Kindheit." Das Fragment gebliebene
Manuskript wurde sechs Jahre nach Vespers Suizid als Buch
veröffentlicht. Ganz im Geiste des Pop, wie ihn vielleicht nur
Rolf Dieter Brinkmann künstlerisch vollendet umsetzen konnte,
ist es ein Konvolut aus Triperfahrungen, Rückerinnerungen,
ästhetischen, politischen und privaten Reflexionen, Träumen,
Zeichnungen und vorgefundenen Alltagsfetzen; daneben eine
Editionschronologie mit Briefen an den Verleger Jörg Schröder
und Dokumenten aus Vespers Leben.
"Am Anfang unseres Studio-Experiments stand eine wichtige
Frage: Ist es möglich die Disparatheit von Vespers 'Reise',
diesen Spagat zwischen Selbstverwirklichung und Theorie aus
seiner hermetischen Wort-Welt heraus über
Radio-Lautsprecher hörbar zu machen? Die Auswahl der Texte
und deren höchstmögliche Verdichtung zeigte sich zunächst
als entscheidender Schritt auf der Suche nach einer
assoziativ-akustischen Erzählform: jenseits von diskursiver
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Linearität standen nun einzelne Textsegmente - inneren und
äußeren Bildern gleich bruchstückhaft nebeneinander. In der
folgenden ersten Aufnahmephase der Sprache, die bewußt von
der Endmischung zeitlich abgekoppelt wurde, wurden diese
Textsegmente und emotionalen Textsplitter auf ihre inhaltliche
Wirkung und formale Rhythmik untersucht. Als Ergebnis
entstanden Sprachbilder unterschiedlichster
schauspielerischer Haltungen und Musikalität. Mittels
Techniken wie seriellen Methoden, Improvisation, Verfremdung
etc. wurde das Sprachmaterial in der nachfolgenden
Bearbeitungsphase durch Schnitt, räumliche Trennung und
Filterung akustischen/musikalischen Räumen zugeordnet und
anschließend komplett neu - entsprechend der nun
dominierenden akustischen Bezüge und stark vom
ursprünglichen Manuskript abweichend montiert. Es entstand
eine zweiteilige Erzählform, die sich in Teil 1 auf Vespers
Auseinandersetzung mit dem Vater und seinen Rückzug aus
der Gesellschaft konzentriert, während in Teil 2 sein
persönliches Scheitern, die Einweisung in die Psychiatrie, der
Selbstmord und Text aus dem Nachlaß im Vordergrund stehen.
Was ich dabei hörbar machen wollte, ist Vespers
außergewöhnlicher Sprach-Harakiri unter dem Motto: Wer ist
ich? Seine Wort-Barrikaden gegen den Hass, Rundumschläge
gegen den Faschisten ,Vater` und das Gemüse,Deutsche
Bürger"- subjektive Gesellschaftskritik, wie sie heute nur noch
selten zu hören ist." (Klaus Buhlert)
Stimme: Bernhard Schütz
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