Die Deutschlehrerausbildung an brasilianischen

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Die Deutschlehrerausbildung an brasilianischen
Die Deutschlehrerausbildung an brasilianischen
Universitäten: Neue Erkenntnisse?
Dr. Maria Cristina Reckziegel Guedes Evangelista
Zusammenfassung
Im Rahmen eines Forschungsprojektes, das in der Abteilung für Deutsch der „Faculdade de Ciências e
Letras“ der UNESP – Araraquara durchgeführt wird, werden die Curricula der brasilianischen LetrasStudiengänge mit Abschluss Lehramt bezüglich der Fächer Deutsche Sprache und Literatur sowie des
pädagogischen Teiles der Lehrerausbildung analysiert und beschrieben. Die schon erworbenen Daten
bestätigen die Ergebnisse anderer Untersuchungen, welche zeigen, dass in vielen dieser Studiengänge
der Schwerpunkt auf Literatur- und Linguistikfächern liegt, während das Erlernen der Fremdsprache
selbst und die Lehrerausbildung im Hintergrund stehen. Diese Studienplanstruktur berücksichtigt nicht
die Tatsache, dass in bestimmten Regionen Brasiliens eine zunehmende Nachfrage nach Deutschlehrern
und Universitätsdozenten existiert. An Hand dieser Untersuchung möchten wir neue Einsichten in dieses
komplexe Thema gewähren, die neben anderen Untersuchungen als zusätzliches Werkzeug für
Diskussionen und Planung auf dem Gebiet DaF an brasilianischen Universitäten dienen soll.
Schlüsselwörter: Deutschlehrerausbildung, Deutsche Sprache, Curriculum, Brasilien
Einführung
Die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern erfolgt in Brasilien in den LetrasStudiengängen mit Lehramtsabschluss. Im Rahmen eines Forschungsprojektes, das von
mir in der Abteilung für Deutsch der Faculdade de Ciências e Letras der UNESP in der
Stadt Araraquara, São Paulo, durchgeführt wird, werden die Curricula der Studiengänge
analysiert und verglichen, in denen Deutschlehrer ausgebildet werden. Die
Untersuchung hat das Ziel, einen Blick auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der
Zusammenstellung der Curricula dieser Studiengänge zu werfen und durch diese
Analyse neue Perspektiven für die Zukunft der Deutschlehrerausbildung in Brasilien zu
gewinnen.
Als Motivation für diese Untersuchung dienten:
1. Meine eigene Ausbildung als Deutschlehrerin während des Referendariats im
Pädagogischen Institut Brasilien-Deutschland in São Paulo (IPBA), das mir die ersten
Kontakte mit den wichtigsten Theorien und Ansätzen zum Lehren und Lernen einer
Fremdsprache ermöglicht hat.
2. Meine Arbeit als Dozentin für Deutsch in einem Lehramtsstudiengang an einer
brasilianischen Universität und die damit verbundenen Herausforderungen.
3. Die Tatsache, dass sich die Deutschlehrerausbildung an den brasilianischen
Universitäten nach sehr verschiedenen Lehrplänen richtet, die nicht immer den
Bedürfnissen der Lerner, Dozenten und des Arbeitsmarkts entsprechen. Dies führt zur
ständigen Suche nach einer adäquaten Zusammenstellung der Fächer für das
Curriculum.
Zur Zeit dieser Untersuchung bieten folgende brasilianische Universitäten den
Studiengang Deutsch mit Lehramtsabschluss an:
1. Im Nordosten: Universidade Federal do Ceará (UFC); Universidade Federal da Bahia
(UFBA).
2. Im Norden: Universidade Federal do Pará (UFP).
3. Im Südosten: Universidade Federal de Minas Gerais (UFMG), Universidade Federal
Fluminense, Niterói (UFF); Universidade Federal do Rio de Janeiro (UFRJ);
Universidade do Estado do Rio de Janeiro (UERJ); Universidade de São Paulo (FFCLH,
USP); Universidade Estadual Paulista Júlio de Mesquita Filho in der Stadt Assis
(FCLAs, UNESP); Universidade Estadual Paulista Júlio de Mesquita Filho in der Stadt
Araraquara (FCLAr, UNESP).
4. Im Süden: Universidade Federal do Paraná (UFPR); Universidade Federal do Oeste
do Paraná: Marechal Cândido Rondon (UNIOESTE); Universidade Federal de Santa
Catarina (UFSC); Universidade Federal do Rio Grande do Sul (UFRGS); Universidade
do Vale do Rio dos Sinos (UNISINOS); Universidade Federal de Pelotas (UFPEL);
Universidade Regional de Blumenau (FURB).
Die meisten von diesen siebzehn (17) Studiengängen werden von Universitäten im
Südosten und im Süden Brasiliens angeboten, was durch die Präsenz von deutschen
Auswanderern und von zahlreichen deutschen Unternehmen erklärt werden kann.
Neben den genannten Universitäten gibt es auch zahlreiche staatliche oder private
Institutionen, die das Fach Deutsch als Fremdsprache anbieten.
Das erste Minimal-Curriculum für den Letras-Studiengang wurde 1962 vom
brasilianischen Bildungsministerium festgelegt und galt 34 Jahre. In diesem Curriculum
wurden die moderne Fremdsprache und entsprechende Literatur zusammen mit sieben
anderen Wahlfächern angeboten, von denen nur drei belegt werden mussten. So
verstand man die Fremdsprache als eine zusätzliche, wahlfreie Qualifikation. Die
pädagogische Ausbildung wurde erst 1969 in das Curriculum aufgenommen. Zu diesem
Teil der Ausbildung gehören die theoretischen Fächer Bildungspsychologie, Didaktik,
Struktur und der Ablauf der Grundschule und der Sekundarstufe sowie das Fach
Unterrichtspraxis in Form eines obligatorischen, überwachten Praktikums (PAIVA 2005
o.S.).
Das heute geltende Curriculum wird durch den Beschluss CNE/CP Nr. 2 Artikel 1 vom
19. Februar 2002 festgelegt und entspricht einer Gesamtstundenzahl von mindestens
2800 Stunden, die auf folgende Komponenten verteilt werden (CNE/CP 2002):
1. 1800 Stunden: Allgemeine akademisch-kulturelle Fächer.
2. 400 Stunden: Praxis als Bestandteil des Curriculums.
3. 400 Stunden: Überwachtes Praktikum.
4. 200 Stunden: Akademisch-wissenschaftlich-kulturelle Aktivitäten.
Die Verteilung dieser Stunden auf die verschiedenen Fächer ist von einer
brasilianischen Universität zur anderen sehr unterschiedlich. Die höchste Stundenzahl,
1800 Stunden, wird von Fächern aus dem Bereich der Linguistik (u. a. Morfologie,
Linguistische Variation, Syntax, Pragmatik, Diskursanalyse, Phonologie, Phonetik,
Textproduktion und Spracherwerb), der Allgemeinen Literaturwissenschaft sowie der
Fremdsprache und ihrer Literatur durch Besuch der entsprechenden Seminare und
Vorlesungen belegt. Die 400 Stunden der „Praxis als Bestandteil des Curriculums“
werden meistens auf die Fächer der allgemeinen Ausbildung verteilt und dienen nicht
immer der Zusammenführung von Theorie und Praxis, obwohl sie dafür konzipiert
wurden. Die 400 Stunden des überwachten Praktikums entsprechen sowohl
theoretischen Seminaren als auch zwei – meistens kurzen – Phasen für Hospitationen
und für den eigenen Unterrichtsversuch an staatlichen Schulen. Die anderen 200
Stunden
können
beliebig
durch
Teilnahme
an
verschiedenen
akademisch-
wissenschaftlichen und kulturellen Veranstaltungen verteilt werden.
Das
brasilianische
verschiedene
Bildungsministerium
Programme
und
Aktionen,
(SESU-MEC)
die
den
veranstaltet
Stand
der
regelmäßig
universitären
Lehrerausbildung evaluieren sollen (PAIVA 2005 o.S.). Paiva, Hochschuldozentin an
der Universidade Federal de Minas Gerais, nahm an diesen Programmen teil und
berichtet über folgende Beobachtungen, die für viele Universitäten gelten:
1. Die Stundenzahl für das Erlernen der Fremdsprache, für den Kontakt mit der
fremdsprachigen Literatur und für den pädagogischen Teil der Ausbildung ist im
Lehramtsstudiengang zu niedrig.
2. Es besteht ein Mangel an pädagogischen Fächern, die sich mit Themen wie dem
Fremdsprachenerwerb,
der
Unterrichtsvorbereitung,
der
Lehrwerkanalyse,
der
Evaluation usw. beschäftigen.
3. Es gibt keine Zusammenarbeit zwischen der pädagogischen Abteilung bzw. der
erziehungswissenschaftlichen Fakultät, die an vielen Universitäten verantwortlich für
den pädagogischen Teil der Lehrerausbildung ist, und der Abteilung für Fremdsprache
und Literatur, die für den gesamten Fremdsprachenkontakt der Studenten verantwortlich
ist. So findet kaum eine gemeinsame Planung der Curricula statt.
4. Die “Pädagogischen Projekte”, Dokumente, die das Konzept jeden Studiengangs
bestimmen, sind traditionell und konservativ.
5. Die Kurspläne und Bibliografien für die einzelnen Seminare sind veraltet.
6. Es mangelt an „Dialog“ zwischen Theorie und Praxis.
7. Die Praktika sind nicht adäquat.
Galle (2009: 7) präsentiert einen Überblick über die Auslandsgermanistik in Brasilien
und deutet auf verschiedene Probleme des Deutschstudiengangs an seiner Universität
hin, von denen einige hier zitiert werden, weil sie die Situation an verschiedenen
Universitäten wiederspiegeln:
1.
Die Studenten beginnen (die universitäre Ausbildung) ohne sprachliche
Vorkenntnisse.
2. Der (Literatur-) Unterricht an den Schulen zielt kaum auf Lernerautonomie und
eigenständige Urteile.
3. Die deutsche Literatur ist vielen Studenten auch in Übersetzungen kaum bekannt.
4. Die Kenntnisse über die historische und kulturelle Entwicklung Europas und
Deutschlands sind eher gering.
5. Die sprachliche Kompetenz beim Abschluss erreicht durchschnittlich die Niveaus
B1-B2.
Heise und Aron (2002: 53) erklären, dass die Struktur dieses Studienfachs nicht der des
Studiengangs Germanistik in Deutschland entspricht. Wie die beiden Professorinnen vor
fast 10 Jahren beschrieben haben, leidet die „Germanistik“ in Brasilien unter einem
„strukturellen Problem“, zumal die Ausbildung sowohl das Erlernen der Fremdsprache
als auch die Auseinandersetzung mit dem gesamten Gebiet der Germanistik umfassen
sollte. Da es sich um einen Lehramtsstudiengang handelt, müsste er auch eine tiefe
Auseinandersetzung mit spezifischen Themen der Lehrerausbildung wie Angewandte
Sprachwissenschaft und Methodik und Didaktik des Deutschen als Fremdsprache
ermöglichen, was nicht in allen Curricula vorgesehen ist.
In diesen
Letras-Studiengängen werden „Deutschlehrer,
Sprachdozenten und
Literaturwissenschaftler“ ausgebildet. Die Qualifikation ermöglicht auch eine „Tätigkeit
in den diversen Massenmedien“ (GALLE 2002: 213). Darunter Textbearbeiter für
Zeitungen und Verlage und Übersetzer. Dieses etwas unbestimmte Profil des
Studiengangs ist möglicherweise auch ein Grund dafür, dass viele Studenten am Anfang
der Studienzeit den Beruf Deutschlehrer nicht als eine Möglichkeit für ihre spätere
Karriere betrachten. Es sollte vielleicht erwähnt werden, dass das Studium in ähnlicher
Form für viele andere Fremdsprachen organisiert wird.
Das Thema Lehrerausbildung wird von verschiedenen Wissenschaftlern, unter diesen
auch die zitierten Autoren, aus unterschiedlichen Perspektiven erforscht. Die Probleme,
die mit dieser Ausbildung verbunden sind, werden in den daraus resultierenden Arbeiten
immer wieder erwähnt. Es gibt aber schon diverse Versuche, diese Schwachstellen
durch verschiedene Maßnahmen und durch die Arbeit von allen in diesem Bereich
tätigen Personen, wie Hochschuldozenten, dem Goethe-Institut und den verschiedenen
Lehrerverbänden, zu beheben. Die Ergebnisse dieser Untersuchung über den aktuellen
Stand der Deutschlehrerausbildung in Brasilien sollen auch als Werkzeug für die
Planung einer neuen Gestaltung dieser Studiengänge dienen können.
Methodologie
Diese Arbeit basiert auf einer dokumentarischen Untersuchung, das heißt auf die
Erforschung von Dokumenten, die noch nicht analytisch bearbeitet wurden (GIL 1991,
apud SILVA e MENEZES 2001: 21). Die Datenerhebung erfolgte auf den InternetSeiten der 17 Institute und Universitäten, an denen Deutschlehrer ausgebildet werden.
Als erste Phase der Untersuchung wurden die Daten über die Dauer der Kurse und die
Aufteilung
der
Stundenzahl
zwischen
den
verschiedenen
curricularen
Lehrveranstaltungen erhoben. Die Ergebnisse wurden auf einer Tabelle mit 17 Spalten
für die Institutionen und 9 Zeilen für folgende Rubriken organisiert:
1. Allgemeiner Teil der Ausbildung
2. Fremdsprache
3. Fremdsprachige Literatur
4. Pädagogisch-methodologischer Teil – Deutsche Sprache
5. Pädagogisch-methodologischer Teil – Portugiesische Sprache
6. Obligatorisches Praktikum
7. Wahlfächer
8. Praxis als Bestandteil des Curriculums (PCC)
9. Akademisch-wissenschaftlich-kulturelle Aktivitäten (AACC)
Diese Tabelle wird hier aus Platzgründen nicht präsentiert, aber einige Ergebnisse
werden im nächsten Teil beschrieben. Ein ausführlicher Bericht mit umfassenderen
Ergebnissen soll noch bis Ende 2012 veröffentlicht werden.
Ergebnisse
Die Datenanalyse ermöglicht bis jetzt folgende Beschreibung der brasilianischen
Letras-Studiengänge:
1. Der Letras-Studiengang mit Lehramtsabschluss dauert in der Regel 4 Jahre, in
einigen Institutionen auch 5 Jahre.
2. In den meisten Institutionen erlangt der Student den Doppelabschluss in
Portugiesisch und in der deutschen Sprache. Mit diesem Abschluss darf er an
brasilianischen Schulen sowohl Portugiesisch für Brasilianer als auch Deutsch als
Fremdsprache unterrichten. Drei Universitäten (UFSC, UFPara, USP) bieten die
Möglichkeit, den Abschluss nur in deutscher Sprache zu wählen. Das entsprechende
Curriculum enthält eine (erwünscht) höhere Stundenzahl zum Erlernen der deutschen
Sprache, für Literatur und für das Praktikum.
3. Das Minimum von 1800 vorgesehenen Stunden für den allgemeinen Teil der
theoretischen Ausbildung wird in jeder Universität anders verteilt. Generell wird der
Schwerpunkt auf die allgemeine Ausbildung in Sprachwissenschaft gelegt, während die
Ausbildung in der Fremdsprache und in der fremdsprachigen Literatur in weniger als
die Hälfte dieser Stunden erfolgt.
4. Die Stundenzahl für das Erlernen der Fremdsprache beträgt in 4 Jahren 360 bis 600
Stunden, was 480 bis 800 Unterrichtseinheiten (UE) entspricht. Bei dieser Stundenzahl
kann in der Regel beim Studienabschluss das Niveau B2 erreicht werden.
5. Die meisten Studenten beginnen die universitäre Ausbildung ohne Vorkenntnisse der
deutschen Sprache, mit Ausnahme von dem IFPLA in São Leopoldo, wo alle
Studienanfänger schon über Vorkenntnisse der deutschen Sprache verfügen.
6. Der pädagogische Teil der Ausbildung zeigt große Unterschiede, je nach Art der
Verteilung der dafür vorgesehenen 400 Stunden in theoretischen und praktischen
Lehrveranstaltungen.
7. Die Curricula unterscheiden sich in den verschiedenen Studiengängen durch eine
Reihe von Fächern. Einige davon sind:
a) mit Schwerpunkt auf Sprache: Praxis im Sprachlabor; Konversation; Einführung in
die
deutsche
Linguistik,
Phonetik und
Phonologie
der
deutschen Sprache,
Morphosyntax, Textproduktion in deutscher Sprache, Deutsch als Fachsprache.
b) mit Schwerpunkt auf Literatur und Übersetzung: Deutsche Literatur in Übersetzung,
Einführung in die Übersetzung des Deutschen.
c) auf den Bereichen Didaktik und Methode: Spracherwerb, Didaktik der deutschen
Sprache, Angewandte Linguistik beim Fremdsprachenlernen am Beispiel des
Deutschen,
Die
deutsche
Literatur
im
Unterrichtsraum,
Einführung
in die
Literaturdidaktik.
d) auf dem Bereich Kultur: Deutsch: Sprache und Kultur, Germanische Kulturen,
Landeskunde.
Neue Erkenntnisse?
Als Basis für die nächsten Überlegungen nehmen wir die Arbeit von Almeida Filho
(1993, 2000), der ein Modell für die Beschreibung der Kompetenzen des
Fremdsprachenlehrers entwickelt hat. Es werden mindestens drei Kompetenzen in den
Vordergrund gestellt, die nach Meinung des Autors eine sehr wichtige Stelle in der
Lehrerausbildung
darstellen:
die
linguistisch-kommunikative
Kompetenz,
die
angewandte Kompetenz und die bildungs-berufliche Kompetenz. Die „linguistischkommunikative Kompetenz“ bezieht sich auf die Kenntnisse, die ein Lehrer benötigt,
um in der Sprache und über die Sprache sprechen und um in der Fremdsprache
kommunizieren zu können. Die „angewandte Kompetenz“ bezieht sich auf die
Fähigkeit, alles, was der Lehrer in der Theorie gelernt hat, in seinem beruflichen Leben
anwenden zu
können. Die „bildungs-berufliche Kompetenz“ entspricht dem
Bewusstsein über den eigenen Wert als Experte auf seinem Arbeitsgebiet und über den
allgemeinen Kontext der Tätigkeit eines Fremdsprachenlehrers (ALMEIDA FILHO
2000: 8ff.).
Die Datenanalyse steht mit den Beobachtungen von Paiva (2005), Galle (2002) und
Heise und Aron (2002) in Einklang. Die von diesen Autoren erwähnten Schwachstellen
in der Lehrerausbildung werden auch in dieser Analyse sichtbar. Aber die Daten zeigen
auch eine nützliche Vielfalt an Alternativen für eine neue Zusammenstellung der
Curricula, die zum Ziel hat, die oben genannten Kompetenzen des Lehrers zu
entwickeln. Wie werden diese Alternativen in die erforschten Curricula miteinbezogen?
Was die Entwicklung der linguistisch kommunikativen Kompetenz betrifft, können
folgende Aspekte der schon vorhandenen Curricula als positiv betrachtet werden:
1. Die Erhöhung der Stundenzahl für den Sprachunterricht, so dass die Studenten am
Ende der Ausbildung ein für den Lehrerberuf adäquates Niveau erreichen können. Ein
höheres Sprachniveau kann auch dazu beitragen, dass der Literaturunterricht und die
Auseinandersetzung mit der deutschsprachigen Literatur besser verlaufen.
2. Das Miteinbeziehen der PCC-Stunden in andere Fächer, was schon an vielen
Institutionen durchgeführt wird, kann auch als Alternative für eine längere und
differenzierte Spracharbeit während der Ausbildung dienen.
3. Das Angebot an Wahlfächern, Ferienkursen und Extensão-Kursen, was zu einer
größeren Abwechslung und zur Bereicherung der Curricula beitragen kann sowie zur
Bearbeitung von Themen, die nicht genug im regelmäßigen Unterricht behandelt
worden sind. Hier muss aber erwähnt werden, dass die Möglichkeit, diese Fächer
anzubieten, abhängig ist von der Zahl der Dozenten. Diese Zahl ist nicht immer
ausreichend für die Durchführung der vielfältigen Aufgaben, die die Hochschuldozenten
zu bewältigen haben, so wäre natürlich eine Politik zur Erweiterung des
Dozentenkörpers sehr wünschenswert. Auf Dauer könnte die Einführung solcher Fächer
als obligatorischer Teil des Curriculums zu einer produktiven Differenzierung in der
Ausbildung beitragen.
4. Das Sprachlabor, das in der Zeit der audiolingualen Methode einen festen Platz im
Curriculum hatte, wurde nach Entstehung des kommunikativen Ansatzes außer Acht
gelassen. Mit den neuen Technologien, wie u.a. MSN und Skype, sowie den anderen
unterschiedlichen Möglichkeiten der Arbeit mit dem Internet könnte die Benutzung des
Sprachlabors die Curricula ergänzen und unzählbare Alternativen zum Kontakt mit
Muttersprachlern anbieten.
In
einigen
Institutionen
finden schon bestimmte
obligatorische Lehrveranstaltungen regelmäßig im Sprachlabor statt.
In Bezug auf die Entwicklung der angewandten Kompetenz können folgende curriculare
Komponente der brasilianischen Letras-Studiengänge als gelungene Maßnahmen
betrachtet werden:
1. Die Einführung von Fächern ins Curriculum, die zu Reflexionen über den
pädagogischen Teil der Ausbildung dienen, wie z. B. Didaktik der deutschen Sprache,
angewandte Linguistik beim Fremdsprachenlernen am Beispiel des Deutschen,
Spracherwerb oder die deutsche Literatur im Unterrichtsraum.
2. Die frühere Behandlung von pädagogisch-methodologischen Themen durch die
Einführung
von
dazugehörigen
Seminaren
in
den
ersten
Semestern
der
Lehrerausbildung. In den alten Curricula gehörten solche Fächer zum letzten Jahr der
Ausbildung, was nicht genug Zeit für die Auseinandersetzung mit diesen Themen
ermöglichte.
3. Die Förderung der Zusammenarbeit der Pädagogischen Fakultät mit den
Sprachabteilungen, damit beide Gruppen das Curriculum gemeinsam planen können.
4. Mehr Raum für Praktika durch die Einführung einer höheren Stundenzahl.
5. In den Curricula, die keinen Doppelabschluss (Deutsch und Portugiesisch) erlauben,
ist die Stundenzahl für das Erlernen der Fremdsprache und der fremdsprachigen
Literatur höher. Man vertritt aber die Meinung, dass der Doppelabschluss mehr
Arbeitschancen ermöglicht, weil die Studenten sowohl als Deutschlehrer als auch als
Portugiesischlehrer arbeiten können. Man müsste aber auch bedenken, dass der
Doppelabschluss gleichzeitig weniger Spezialisierung bedeuten kann.
Die bildungs-berufliche Kompetenz wäre ein Resultat der anderen Kompetenzen und
könnte gleichzeitig die Studierenden dazu motivieren, diese intensiver zu entwickeln
(ALVARENGA 2000 apud ALMEIDA FILHO 2000).
Wie die Entwicklung dieser Kompetenzen eines Deutschlehrers während der
Ausbildung durch Änderungen der Curricula weiter gefördert werden kann, ist eine
Frage, die hinter dieser Untersuchung steht. Die Untersuchung soll deswegen weiter
geführt werden, um nützliche Informationen zu sammeln. Von besonderem Interesse
sind die Lernziele der Lehrveranstaltungen, das Studienprogramm, die Methodologie,
die Lehrbücher und die allgemeine Bibliografie sowie die Bewertungskriterien in jedem
Fach. Da die Curricula auch relativ oft gewechselt und die Internetseiten nicht immer
aktualisiert werden, müssen auch noch andere Wege zur Ergänzung der Daten benutzt
werden, wie z.B. die Kontaktaufnahme mit den für jeden Studiengang verantwortlichen
Hochschuldozenten.
Nach Soethe (2010: 1627) „sind anwendungsbezogen strukturierte Studiengänge mit
verstärkten
sprachlichen,
bildungspolitischen
und
methodologisch-didaktischen
Anteilen gerade gefragt“. Wenn die schon vorhandenen Curricula besser analysiert
werden, können wir durch alte und neue Erkenntnisse auch ihre Schwächen bereinigen
und ihre Stärken zugunsten der Lehrerausbildung nutzen.
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