Leitfaden Krankheit und Arbeitsunfähigkeit Stand 8/2001 - BuFa-MOT

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Leitfaden Krankheit und Arbeitsunfähigkeit Stand 8/2001 - BuFa-MOT
Krankheit, Arbeitsunfähigkeit
Fachverband
Metall
Nordrhein-Westfalen
Stand: August 2001
1.
Begriffsbestimmungen
1.1 Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Krankheit ist ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der der Behandlung bedarf. Die Ursache der Erkrankung ist unerheblich (z.B. Drogensucht, Unfall,
Selbstmordversuch etc.).
Eine Krankheit wird dann zur Arbeitsunfähigkeit, wenn die vertraglich geschuldete
Arbeitsleistung nicht erbracht werden kann.
Beispiel: Eine Fußverletzung kann für Arbeitnehmer mit stehender Tätigkeit zur
Arbeitsunfähigkeit führen, in der Regel aber nicht bei Arbeitnehmern mit
sitzender Tätigkeit.
Arbeitsunfähigkeit liegt auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nur teilweise erfüllen könnte, da er solange arbeitsunfähig ist, bis er seine
vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wieder voll erfüllen kann. Der Arbeitgeber
ist daher nicht verpflichtet, eine Tätigkeit des Arbeitnehmers als teilweise Arbeitsleistung entgegenzunehmen. Dementsprechend ist auch der Arbeitnehmer nicht
verpflichtet, eine bestimmte Tätigkeit zu übernehmen. Dies schließt jedoch nicht
aus, daß die Arbeitsvertragsparteien einverständlich den ursprünglichen Arbeitsvertrag vorübergehend in einen solchen mit verkürzter Arbeitszeit oder mit verändertem Vertragsgegenstand umwandeln.
Kann der Arbeitnehmer zwar arbeiten, ist aber nicht in der Lage, den Weg zur Arbeit zurückzulegen, ist er nicht arbeitsunfähig (Wegerisiko).
Kuren stehen einer Arbeitsunfähigkeit gleich, soweit es sich um Vorbeugungskuren, Heilkuren oder Genesungskuren handelt.
Eine Vorbeugungskur liegt vor, wenn sie zur Abwendung der noch nicht ausgebrochenen Erkrankung dient, deren Eintreten befürchtet wird.
Eine Heilkur dient dazu, eine bestimmte Erkrankung auszuheilen.
Die Genesungskur dient der Wiederherstellung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit.
Erholungskuren, die nur zur Besserung des Allgemeinbefindens beitragen, lösen
keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus.
1.2 Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegt nur die voraussichtliche
Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeit fernbleiben darf der Arbeitnehmer nur,
solange er tatsächlich arbeitsunfähig ist, auch
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wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine längere Fortdauer bescheinigen
würde. Der Arbeitnehmer darf trotz Vorliegens der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist für den Arbeitgeber eindeutig erkennbar nicht in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Der Arbeitgeber
sollte sich in Zweifelsfällen eine ärztliche Bescheinigung vorlegen lassen, die die
Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers bestätigt.
2.
Pflichten des Arbeitnehmers
Ist der Arbeitnehmer durch Krankheit an seiner Arbeitsleistung gehindert, so muß er:
diese Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber melden und
die Arbeitsunfähigkeit durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweisen.
2.1 Krankmeldung
Der Arbeitnehmer muß die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer
zum frühest möglichen Zeitpunkt melden. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. Der Arbeitnehmer genügt seiner Anzeige-/Meldepflicht nicht, wenn er
dem Arbeitgeber lediglich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zuschickt. Dies ist
nicht unverzüglich angezeigt und kann daher abgemahnt werden.
Hält sich der Arbeitnehmer bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland auf, so
muß er dem Arbeitgeber darüber hinaus seine Adresse am Aufenthaltsort in der
schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitteilen. Der Arbeitgeber hat die durch
die Mitteilung entstehenden Kosten zu tragen. Kehrt der arbeitsunfähig erkrankte
Arbeitnehmer zurück, hat er dies dem Arbeitgeber (und der Krankenkasse) unverzüglich zu melden.
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger, als in der Bescheinigung angegeben, so ist
der Arbeitnehmer verpflichtet, den Arbeitgeber hiervon unverzüglich zu unterrichten.
2.2 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Zusätzlich zur Krankmeldung hat der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit durch
ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als
drei Kalendertage, so muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor Ablauf des dritten Kalendertages der Erkrankung vorlegen
und ihm auf Verlangen zusätzlich die voraussichtliche Dauer der Erkrankung mitteilen. Der Arbeitgeber ist befugt, die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu einem früheren Termin - auch schon am ersten Tag der Erkrankung - zu
verlangen.
Der Arbeitgeber hat keinen Anspruch auf Bekanntgabe des ärztlichen Befundes
oder der gestellten Diagnose. Wenn die Art der Krankheit Auswirkungen auf den
Betriebsablauf haben kann (z.B. bestimmte ansteckende Krankheiten), hat der Arbeitnehmer darüber Mitteilung zu machen und gegebenenfalls den Arzt von der
Schweigepflicht zu entbinden.
3.
Rechte des Arbeitgebers bei Verletzung der Melde- oder Nachweispflicht
3.1 Leistungsverweigerungsrecht
Solange der Arbeitnehmer keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
vorgelegt hat oder den ihn bei Auslandserkrankung (s.o. Ziffer 2.1)
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obliegenden Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen ist, ist der Arbeitgeber berechtigt, die Entgeltfortzahlung zu verweigern. Legt der Arbeitnehmer später
die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, so kann er auch für die zurückliegende
Zeit, soweit sie von der Bescheinigung erfaßt wird, Fortzahlung verlangen. Eine
Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu zwei Tagen zulässig.
Der Arbeitgeber kann zudem für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit die Hinterlegung
des Sozialversicherungsausweises verlangen und die Entgeltfortzahlung verweigern, wenn der Arbeitnehmer dieser Aufforderung nicht nachkommt. Wird jedoch
der Sozialversicherungsausweis - wenn auch evtl. verspätet - vorgelegt, ist Entgeltfortzahlung für den ganzen Fortzahlungszeitraum zu leisten.
3.2 Kündigungsrecht
Die wiederholte Verletzung der Melde- und/oder Nachweispflicht kann nach vorheriger Abmahnung eine ordentliche Kündigung rechtfertigen, in seltenen Fällen eine
fristlose.
3.3 Begutachtung durch den Medizinischen Dienst
Der Arbeitgeber kann bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit verlangen, daß die
Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur
Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Zweifel sind dann gegeben, wenn:
der Arbeitnehmer auffällig häufig arbeitsunfähig ist;
der Arbeitnehmer auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig ist;
der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder
Ende einer Woche fällt;
ein bestimmter Arzt auffällig häufig Arbeitsunfähigkeit attestiert;
Arbeitsunfähigkeit außerhalb des Fachgebiets des Arztes attestiert wird;
ein häufiger Arztwechsel erfolgt;
Arbeitsunfähigkeitsmeldungen nach innerbetrieblichen Differenzen erfolgen;
die Arbeitsunfähigkeit vorher angekündigt wird;
der Arbeitnehmer sich genesungswidrig verhält;
eine erneute Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen anderen Arzt vorgelegt wird.
Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit sind die Krankenkassen zudem verpflichtet,
von sich aus eine gutachterliche Stellungnahme einzuholen.
4. Fortzahlung des Entgelts
4.1 Allgemeine Voraussetzungen
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung setzt voraus, daß
a) der Kranke arbeitsunfähig und
b) diese Arbeitsunfähigkeit unverschuldet ist.
zu a) Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist,
seine Arbeitsleistung zu erbringen oder nur unter der Gefahr, in absehbarer
Zeit seinen Zustand zu verschlimmern. Auch eine notwendige Heilbehandlung führt zur Arbeitsunfähigkeit (vgl. oben Ziffer 1. 1).
zu b) Arbeitsunfähigkeit ist schuldhaft verursacht, wenn der Arbeitnehmer gröblich
gegen das von einem verständigen Menschen im Eigeninteresse zu erwartende Verhalten verstößt.
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Einzelfälle:
Arbeits- und Verkehrsunfälle
Arbeits- und Verkehrsunfälle sind dann selbstverschuldet, wenn der Arbeitnehmer Unfallverhütungsvorschriften oder die Straßenverkehrsvorschriften grob fahrlässig verletzt hat.
Alkoholmißbrauch
Ein Unfall, der ausschließlich auf Alkoholmißbrauch beruht, ist schuldhaft.
Suchtkrankheiten
Suchtkrankheiten - dazu zählt auch Alkoholsucht - können verschuldet oder
unverschuldet sein. Der Nachweis des Verschuldens ist jedoch sehr schwierig.
Selbstmordversuch
Bei Selbstmordversuchen ist die nachfolgende Arbeitsunfähigkeit in der Regel unverschuldet, weil die freie Willensbestimmung wenn nicht ausgeschlossen, so doch zumindest erheblich gemindert war.
Sportunfälle
Sportunfälle lösen grundsätzlich Entgeltfortzahlungsansprüche aus. Verschuldet ist ein Sportunfall nur dann, wenn der Arbeitnehmer sich in einer
seine Kräfte und Fähigkeiten deutlich übersteigenden Weise sportlich betätigt oder die Regeln und Sicherheitsvorschriften der betreffenden Sportart
verletzt. Nur unter diesen Voraussetzungen sind Sportunfälle bei Fußball,
Boxen, Drachenfliegen, Skifahren etc. selbstverschuldet. Verschuldet sind
Verletzungen darüber hinaus auch dann, wenn der Arbeitnehmer mit deren
Eintritt deshalb rechnen mußte, weil er - etwa aufgrund früherer Sportunfälle
- von seiner Anfälligkeit zu gleichartigen Verletzungen ausgehen mußte.
Nachbarschaftshilfe
Eine Arbeitsunfähigkeit ist nicht schon deshalb verschuldet, weil sie auf einer Tätigkeit im eigenen Bereich (z.B. Hausbau) oder auf Nachbarschaftshilfe beruht.
Schwangerschaftsabbruch, Sterilisation
Nicht verschuldet ist eine Arbeitsunfähigkeit im Zusammenhang mit einem
legalen Schwangerschaftsabbruch oder einer legalen Sterilisation.
Mißachtung ärztlicher Anordnungen
Bei Fehlverhalten im Hinblick auf das Krankheitsbild, z.B. bei Verzögerung
der Heilung durch Mißachten ärztlicher Anordnungen, kann eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit zu einer verschuldeten werden. Der Arbeitnehmer muß sich so verhalten, daß er möglichst bald wieder gesund
wird.
4.2 Darlegungs- und Beweislast
Hat der Arbeitgeber Anhaltspunkte für das Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens, so muß der Arbeitnehmer Auskunft erteilen und auf Verlangen des Arbeitgebers die für die Entstehung der Krankheit erheblichen Umstände, die aus seinem Lebensbereich herrühren, im einzelnen darlegen. Will der Arbeitgeber die
Entgeltfortzahlung nunmehr verweigern, so hat er das schuldhafte Verhalten des
Arbeitnehmers zu beweisen.
4.3 Mehrere Beschäftigungsverhältnisse
Bei mehreren gleichzeitigen Arbeitsverhältnissen besteht grundsätzlich gegen jeden Arbeitgeber Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
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Erleidet der Arbeitnehmer während einer Nebenbeschäftigung eine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung, so entfällt gegen den Arbeitgeber des Hauptbeschäftigungsverhältnisses der Anspruch auf Entgeltfortzahlung dann, wenn
die Nebentätigkeit gegen Arbeitnehmerschutzgesetze verstößt (z.B. Arbeit
während des Urlaubs bei einem anderen Arbeitgeber; Arbeit während der
Mutterschutzfristen oder Arbeit über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinaus);
der Arbeitnehmer mit einer Nebentätigkeit dem Hauptarbeitgeber unerlaubt
Konkurrenz macht.
4.4 Berechnung des Entgeltfortzahlungszeitraums
4.4.1 Dauer
Mehrfacherkrankung an derselben Krankheit
Arbeitnehmer haben grundsätzlich einen Fortzahlungsanspruch von sechs Wochen (= 42 Kalendertage) für dieselbe Krankheit. Dies gilt auch dann, wenn der
Arbeitnehmer wiederholt erkrankt und diese Erkrankung auf demselben Grundleiden beruht oder auf dieselbe chronische Erkrankung zurückzuführen ist (sog.
Fortsetzungserkrankung). Hierbei ist unerheblich, ob die gleichen oder verschiedene Krankheitssymptome auftreten.
Beispiel:
Der Arbeitnehmer leidet an einer Allergie. Diese äußert sich beim ersten Mal in einem Hautausschlag, bei zweiten Mal in Atemwegsbeschwerden.
Von diesem Grundsatz bestehen allerdings Ausnahmen:
Der 6-Wochen-Zeitraum beginnt erneut, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich wegen dieser Krankheit 6 Monate lang nicht arbeitsunfähig
war. Unschädlich ist während des 6-Wochen-Zeitraums eine Arbeitsunfähigkeit wegen einer anderen Erkrankung.
Beispiel:
Der Arbeitnehmer erkrankt vom 01.02. bis zum 31.03. eines Jahres an
Neurodermitis. Im Mai ist er wegen eines Beinbruchs arbeitsunfähig. Ab
01.10. erkrankt er erneut an Neurodermitis. Hier hat der Arbeitnehmer im
Oktober einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da die 6-Monats-Frist
am 30.09. abgelaufen war.
Nach Ablauf von 12 Monaten seit Beginn der ersten Krankheitsperiode
entsteht ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung von bis zu 6 Wochen
unabhängig davon, wie oft der Arbeitnehmer innerhalb des 12-MonatsZeitraums wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig war. Voraussetzung
ist aber, daß der Arbeitnehmer nach Ablauf des 12-Monats-Zeitraums
erneut erkrankt. Dauert die Krankheit bei Ablauf des 12-MonatsZeitraums noch an, so entsteht der Fortzahlungsanspruch erst bei erneutem Auftreten der Fortsetzungserkrankung.
Beispiel:
Der Arbeitnehmer erkrankt am 01.01.1995. Die Erkrankung dauert bis
zum 31.01.1996. Am 01.03.1996 erkrankt der Arbeitnehmer wiederum an
derselben Krankheit. Der Entgeltfortzahlungsanspruch beginnt nicht
schon am 01.01.1996, sondern erst mit Eintritt der erneuten Erkrankung am 01.03.1996.
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Die 12-Monats-Frist wird durch die 6-Monats-Frist unterbrochen. War der
Arbeitnehmer wegen derselben Krankheit 6 Monate lang nicht arbeitsunfähig und erlangt er somit bei einem erneuten Auftreten der
Krankheit einen Entgeltfortzahlungsanspruch von bis zu 6 Wochen, so
beginnt auch die 12-Monats-Frist neu zu laufen.
Beispiel:
Der Arbeitnehmer ist vom 01.01. bis 31.03. eines Jahres arbeitsunfähig.
Im Oktober diese Jahres erkrankt er erneut. Wegen der 6-Monats-Frist
hat er ab Oktober eine Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Der 12-MonatsZeitraum beginnt ebenfalls ab Oktober.
Mehrfacherkrankung an verschiedenen Krankheiten
Bei einer neuen Erkrankung, die auf einer anderen Ursache beruht, beginnt ein
neuer sechswöchiger Fortzahlungszeitraum. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer mehrfach hintereinander an der gleichen Krankheit erkrankt, die nicht auf
einem einheitlichen Grundleiden beruht. (Beispiel: Der Arbeitnehmer erkrankt
mehrmals hintereinander erneut an einer zuvor ausgeheilten Erkältung).
Eine Ausnahme besteht dann, wenn während der Arbeitsunfähigkeit diese neue
Krankheit hinzutritt oder sich diese unmittelbar an die vorherige anschließt. In
diesem Fall gilt das oben Gesagte zu Mehrfacherkrankungen an derselben
Krankheit.
4.4.2 Beginn
Der Fortzahlungsanspruch beginnt mit dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit.
Es gilt im einzelnen:
Erkrankt der Arbeitnehmer vor der regelmäßigen Arbeitsaufnahme, so zählt dieser
Arbeitstag mit in den Entgeltfortzahlungszeitraum.
Erkrankt der Arbeitnehmer während der Arbeit, so bleibt ihm der volle Vergütungsanspruch an diesem Tag erhalten. Der Fortzahlungszeitraum beginnt erst am
Folgetag.
Ist der Arbeitnehmer schon vor Antritt des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt, so beginnt die 6-Wochen-Frist mit dem vertraglich vereinbarten ersten Arbeitstag. Gleiches gilt, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Eintritts der
Arbeitsunfähigkeit geruht hat (z.B. wegen Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub). Die Frist beginnt dann an dem Tag zu laufen, an dem das Arbeitsverhältnis wieder auflebt.
4.4.3 Ende
Der Fortzahlungsanspruch erlischt grundsätzlich mit Ablauf der 6-Wochen-Frist,
dem Ende der Arbeitsunfähigkeit oder des Arbeitsverhältnisses.
Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus
Anlaß der Krankheit gekündigt hat oder der Arbeitnehmer zur außerordentlichen
Kündigung berechtigt war. Hier endet der Anspruch auf Entgeltfotzahlung nicht mit
der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondert dauert fort bis zum
Ende der Arbeitsunfähigkeit bzw. bis zum Ablauf der 6-Wochen-Frist. Macht der
Arbeitnehmer von seinem Recht zur fristlosen Kündigung keinen Gebrauch, sondern kündigt er aus dem gleichen Grund fristgemäß, so bleibt der
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Arbeitgeber ebenfalls zur Weiterzahlung des Entgelts für die Dauer von maximal 6
Wochen verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn der 6-Wochen-Zeitraum über die
Kündigungsfrist hinaus andauert. Entgegenstehende Bestimmungen in Tarifverträgen sind insoweit unwirksam.
4.5 Inhalt des Entgeltfortzahlungsanspruchs
Der Arbeitnehmer soll während der Krankheit wirtschaftlich so gestellt sein, wie er
bei regelmäßiger Arbeitsleistung gestanden hätte (Lohnausfallprinzip).
Danach hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Entgelt zu zahlen, daß dieser
erhalten hätte, wenn er in der Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gearbeitet hätte.
4.5.1 Regelmäßige Arbeitszeit
Bemessungsgrundlage für die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts ist die
vom Arbeitnehmer zu leistende regelmäßige Arbeitszeit. Hierzu zählt auch Mehrarbeit, wenn sie regelmäßig anfällt. Kann diese nicht festgestellt werden, weil der
Arbeitnehmer zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichem Umfang arbeitet,
ist der Durchschnittswert aus den letzten drei Monaten oder einem ggf. noch längeren repräsentativen Zeitraum zu bilden.
4.5.2 Höhe des Arbeitsentgelts
Zum Arbeitsverdienst zählen:
das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt für die zu erbringende Arbeitszeit;
erfolgt während des Entgeltfortzahlungszeitraums eine Tariflohnerhöhung, so
ist diese zu berücksichtigen;
regelmäßig anfallende Überstunden und Überstundenzuschläge (sofern sie
nicht in Freizeit abgegolten werden);
Leistungszulagen oder Leistungsprämien, die pauschal gezahlt werden und in
der Vergangenheit regelmäßig angefallen sind;
vermögenswirksame Leistungen.
Nicht zum Arbeitsverdienst zählen:
Einmalzahlungen (z.B. Jubiläumsgaben)
Anwesenheitsprämien, sofern Kürzungsmöglichkeit für krankheitsbedingte
Fehlzeiten vorgesehen
Tarifliche Regelungen sind zu beachten.
Ein Verzicht auf Fortzahlungsansprüche ist regelmäßig unwirksam.
4.6 Anspruch gegen schädigenden Dritten
Nicht selten beruht die Arbeitsunfähigkeit auf dem schädigenden Verhalten eines
Dritten (Verkehrsunfall, Schlägerei). Der Arbeitgeber ist hier gleichwohl zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Er erwirbt jedoch nach geleisteter Entgeltfortzahlung kraft
Gesetzes einen Schadensersatzanspruch gegen den schädigenden Dritten.
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Da aber die Gefahr besteht, daß der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit über die
Forderung verfügt, sollte die Abtretung bereits im vorhinein für künftige Fälle im
Arbeitsvertrag erfolgen.
Kraft Gesetzes geht der Anspruch auf Schadensersatz in dem Umfang auf den
Arbeitgeber über, in dem der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung geleistet hat. Dieser
Anspruch umfaßt den Bruttoverdienst, Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung
sowie Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld, Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung
und Sonderzahlungen jeweils anteilig. Nicht zum Schadensersatz gehören die
Umlagen zur Unfallversicherung. Trifft den Arbeitnehmer am Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ein Verschulden, so mindert sich der Schadensersatzanspruch
entsprechend. Das gleiche gilt für Aufwendungen, die der Arbeitnehmer infolge der
Arbeitsunfähigkeit erspart.
Der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers kann sich gegen natürliche oder
juristische Personen richten. Handelt es sich bei dem Schädiger um einen in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitnehmer lebenden Familienangehörigen, so
geht der Anspruch auf den Arbeitgeber nur über, wenn der Schädiger vorsätzlich
gehandelt hat.
Der Arbeitnehmer muß dem Arbeitgeber die erforderlichen Angaben machen, die
zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches notwendig sind. Kommt der
Arbeitnehmer dieser Pflicht nicht nach, so ist der Arbeitgeber berechtigt, die Entgeltfortzahlung zu verweigern. Das Verweigerungsrecht entfällt, wenn der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt.
4.7 Entgeltfortzahlung und Mutterschaftsgeld
Erkrankt die Arbeitnehmerin während der Mutterschutzfristen, so geht entgegen
der früheren Regelung der Anspruch auf Entgeltfortzahlung dem Anspruch auf
Mutterschaftsgeld vor.
5.
Freistellung
5.1 Arztbesuch
Der Arbeitnehmer muß den Arzt grundsätzlich in der arbeitsfreien Zeit, z.B. am
Rolltag, aufsuchen. Dies gilt auch für notwendige medizinische Behandlungen.
Ausnahmsweise ist der Arztbesuch während der Arbeitszeit zu gestatten, wenn
der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit z.B. infolge eines Unfalls erkrankt,
oder
der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit keine Möglichkeit zum Arztbesuch
oder zu einer medizinischen Behandlung hat.
Ob für diese Zeit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, beurteilt sich nach
den tariflichen Regelungen. Bitte fragen Sie hierzu Ihre Innung.
5.2 Erkrankung eines Kindes
Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer haben einen Freistellungsanspruch in
jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage (Alleinerziehende
längstens für 20 Arbeitstage), wenn:
ihr erkranktes und versichertes Kind nach ärztlichem Zeugnis
der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege bedarf und
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eine andere im Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und
das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Dieser Freistellungsanspruch besteht (bei mehreren Kindern) für höchstens 25 Arbeitstage, bei Alleinerziehenden für höchstens 50 Arbeitstage je Kalenderjahr.
Teilweise sehen die Tarifverträge ab einer bestimmten Beschäftigtenzahl einen
erweiterten Anspruch auf unbezahlte Freistellung vor.
Kinder im Sinne dieser Regelung sind auch Stiefkinder und Enkel, die der versicherte Arbeitnehmer überwiegend unterhält, sowie Pflegekinder.
Nach den Tarifverträgen des Metallhandwerkes NW besteht kein Anspruch
auf Entgeltfortzahlung für die Zeiträume der Freistellung. Die versicherten
Arbeitnehmer erhalten für diese Zeit Krankengeld.
6.
Krankheit und Kündigung
6.1 Kündigung wegen Krankheit
Auch während der Erkrankung kann gekündigt werden, soweit mildere Mittel nicht
in Betracht kommen (z.B. Versetzung, Umsetzung, Änderungskündigung).
Ob wegen der Erkrankung gekündigt werden kann, hängt von folgenden Voraussetzungen ab:
6.1.1 Fehlzeiten
Der Arbeitnehmer muß in der Vergangenheit erhebliche Fehlzeiten aufweisen. Ob
die Fehlzeit durch eine lang andauernde Krankheit oder durch zahlreiche kurze
verursacht wurde, ist ohne Bedeutung.
6.1.2 Zukunftsprognose
Es muß die objektiv begründete Besorgnis bestehen, daß auch in Zukunft erhebliche Fehlzeiten infolge von Erkrankung auftreten werden.
Es empfiehlt sich, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach dem voraussichtlichen Verlauf der Krankheit befragt und ihn bittet, den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Im übrigen kann der Arbeitgeber seine Zukunftsprognose
auf die Dauer und Häufigkeit der Erkrankungen in der Vergangenheit stützen. Im
Fall der Kurzerkrankung sind als Beurteilungszeitraum die letzten drei Jahre heranzuziehen. Eine dauerhafte Erkrankung von in der Regel mehr als 1,5 Jahren in
der Vergangenheit kann für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft
sprechen.
6.1.3 Auswirkungen auf den Betrieb
Die prognostizierte Erkrankung muß zu erheblichen betrieblichen Auswirkungen
führen. Erhebliche betriebsorganisatorische Beeinträchtigungen sind Störungen im
Betriebs- und Arbeitsablauf, die nicht durch zumutbare Maßnahmen, wie z.B. Einstellung einer Aushilfskraft, ausgeglichen werden.
Eine zu erwartende wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit außergewöhnlichen Entgeltfortzahlungskosten, die jährlich für jeweils einen
Zeitraum von mehr als 6 Wochen aufzuwenden sind, kann eine
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Kündigung wegen Kurzerkrankung ebenfalls sozial rechtfertigen, wobei nur die
Kosten des Arbeitsverhältnisses des gekündigten Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind.
Eine lang anhaltende Krankheit kann eine Kündigung rechtfertigen, wenn im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiß ist
und die Krankheit bereits einen erheblichen Zeitraum andauert.
6.1.4 Interessenabwägung
Die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers sind gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen.
Hierbei sind insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen:
Größe des Betriebes und Organisation der Arbeitsabläufe;
Ursache der Erkrankung; es macht beispielsweise einen erheblichen Unterschied, ob die Erkrankung des Arbeitnehmers auf einem Betriebsunfall beruht oder ihre Ursache im privaten Bereich hat;
Dauer der Betriebszugehörigkeit;
Stellung im Betrieb;
Lebensalter;
Unterhaltspflichten;
Situation auf dem Arbeitsmarkt;
Umsetzung/Versetzung auf weniger belastenden Arbeitsplatz.
6.1.5 Darlegungs- und Beweislast
Der Arbeitgeber muß die ungünstige Zukunftsprognose sowie die betriebsorganisatorischen Störungen oder erheblichen wirtschaftlichen Belastungen vortragen und beweisen.
6.2 Kündigung wegen verminderter Leistungsfähigkeit aufgrund von Krankheit
Ist der Arbeitnehmer wegen seiner Erkrankung zwar nicht arbeitsunfähig, wohl
aber in seiner Leistung auf Dauer erheblich gemindert, gelten die Grundsätze zu
Ziffer VI. 1. Die Leistungsminderung muß 1/3 in qualitativer und/oder quantitativer
Hinsicht betragen.
6.3 Kündigung wegen Fehlverhaltens und Mißbrauch bei Arbeitsunfähigkeit
Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig und verlängert er die Krankheit durch gesundheitswidriges Verhalten, z.B. bei Mißachtung von ärztlichen Anordnungen, so
kann der Arbeitgeber im Wiederholungsfall nach vorheriger Abmahnung fristgemäß kündigen.
Einem Arbeitnehmer kann außerordentlich gekündigt werden, wenn der Arbeitgeber eine vorgetäuschte oder erschlichene Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem
Arbeitnehmer beweisen kann.
Anhaltspunkte hierfür können folgende sein:
Krankschreibung nach Ablehnung des Urlaubsantrags;
Krankschreibung, um einer unangenehmen Arbeit zu entgehen;
u.U. beharrlicher Verstoß gegen Melde- und/oder Nachweispflicht.
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4.
7.
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Vor jeder Kündigung ist - soweit vorhanden - der Betriebsrat zu hören!
Krankheit und Urlaub
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Es findet eine Unterbrechung des Urlaubs statt. Der Arbeitnehmer darf den
Urlaub jedoch nicht über den ursprünglich festgelegten Zeitraum verlängern.
Im übrigen entfällt der Urlaubsanspruch auch bei langanhaltender Arbeitsunfähigkeit
nicht. Dieser Grundsatz gilt aber dann nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit über den
31.03. des Folgejahres - soweit tarifvertraglich nichts anderes geregelt ist - andauert.
8.
Ausgleichskassen
Das Entgeltfortzahlungsgesetz legt den Arbeitgebern Zahlungsverpflichtungen auf, die
zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen führen können. Das damit verbundene Risiko ist umso größer, je kleiner das betroffene Unternehmen ist. In §§ 10 bis 19 des insoweit fortbestehenden Lohnfortzahlungsgesetzes wurde ein gesetzlicher Ausgleich der
Arbeitgeberaufwendungen in der Weise geschaffen, daß in der Regel die AOK's und
Innungskrankenkassen (Ausgleichskassen) 80 % der Aufwendungen erstatten, die dem
Arbeitgeber durch die Entgeltfortzahlung an erkrankte Arbeiter und Auszubildende entstehen. Erstattet werden auch die auf die Arbeitsentgelte entfallenden und vom Arbeitgeber zu tragenden Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit, zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Satzungen der Krankenkassen können Abweichungen hierzu vorsehen.
Beteiligt sind alle Arbeitgeber, die in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) beschäftigen. Die Satzung des Trägers der Lohnfortzahlungsversicherung kann die zulässige Zahl der Arbeitnehmer auf bis zu 30 erhöhen.
Für die Arbeitgeber ist die gesetzliche Regelung zwingend. Die zur Durchführung benötigten Geldmittel werden allein von den versicherten Arbeitgebern im Wege des
Umlageverfahrens aufgebracht.
Herausgeber:
Fachverband Metall Nordrhein-Westfalen
Ruhrallee 12, 45138 Essen
Ihre Ansprechpartner:
Ihre Innung
oder
RA Matthias Runge
Tel.: 0201/89647-15
E-Mail: [email protected]
Verantwortlich:
RA Matthias Runge
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