Das Deutsche Einheits-Chronometer
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Das Deutsche Einheits-Chronometer
Inhaltsverzeichnis Das Deutsche Einheits-Chronometer Vorwort zum Buch.........................................................................................6 Grussworte ........................................................................................................8 Gangräder von ALS und CWW .................................................................... 62 Triebe von Reichel und dem IfU – Vollendung durch Bunse ............ 62 Holzgehäuse ..................................................................................................... 63 Unruh von Grießbach – RGG ....................................................................... 63 Das Deutsche Einheits-Chronometer..................................................11 Gestelle für Lange von Wempe ........................................................... 64 Bezeichnungen und Begriffe.................................................................. 13 Oberflächen-Veredlung ...........................................................................66 Die Vorgeschichte ....................................................................................... 15 A. Lange & Söhne ............................................................................................. 15 Helwig und die DUS ........................................................................................18 Chronometer-Werke G.m.b.H. ...................................................................... 21 Gerhard D. Wempe ..........................................................................................24 Kooperation Lange/Wempe ....................................................................... 26 Der Hitler-Stalin-Pakt.......................................................................................27 Der Übergang zum Einheits-Chronometer .................................... 34 Institut für Uhrentechnik und Feinmechanik – IfU.............................. 34 Jendritzki und das Alu-Anker-Chronometer .............................................37 Wempe und das IfU ....................................................................................... 38 Wempe: Die Neukonstruktion der Neukonstruktion .......................... 39 Dr. Witthöft versus Leutert .......................................................................... 39 Einheits-Chronometer – das erste Jahr ............................................42 Die Zeichnungen ..............................................................................................42 Arbeitsausschuss Seechronometer und B-Uhren ................................. 44 Das Anker-Chronometer des Einheits-Kalibers .......................................45 Ausstoß – Planung 1942 ...........................................................................47 Kriegs-Produktion ....................................................................................... 49 A. Lange & Söhne ............................................................................................ 49 Chronometer-Werke Gerhard D. Wempe ................................................. 51 Nautische Werkstätten Kreuziger & Leutert, Hanseatische Werkstätten Friedrichs & Co. .......................................... 54 Zusatzprogramm .............................................................................................55 Definition: Rohwerk ....................................................................................... 56 Wer hat Was an Wen geliefert ............................................................ 58 Gangfeder ......................................................................................................... 58 Zifferblätter von Heidenhain, Berlin ......................................................... 58 Gehäuse und Kardan von Lüttgens, Velbert/Rhld. ..............................60 Zeiger von CWW und ALS..............................................................................61 Ketten von CWW und ALS / hilfsweise: IfU – Stahlbänder.................61 Verschönerungsarbeiten .............................................................................66 Von der Vergoldung zum Ringeln ..............................................................66 Feinstgefräst und nicht geringelt ...............................................................67 Schwierigkeiten mit den Zulieferern: ....................................................... 70 Typen des Einheits-Chronometers ......................................................75 1. Typ – Standard-Qualität .............................................................................75 2. Typ – Erste Qualität .....................................................................................76 3. Typ – Sonder-Qualität .................................................................................77 4. Typ – Nachkriegs-Zusammenbau ...........................................................77 Der Aufbau des Einheits-Chronometers ......................................... 79 I. Bau-Gruppe: Das Gehäuse ........................................................................80 II. Baugruppe: Kardanik .................................................................................81 III. Baugruppe: Kasten und Feststellung ..................................................81 IV. Baugruppe: Gestell ................................................................................... 82 V. Baugruppe: Aufzug und Antrieb............................................................ 84 VI. Baugruppe: Lauf- und Zeigerwerk ....................................................... 86 VII. Baugruppe: Auf- und Abwerk................................................................87 VIII. Baugruppe: Zeigerstellung...................................................................87 IX. Baugruppe: Gang ...................................................................................... 88 X. Baugruppe: Steine und Zubehör ........................................................... 88 XI. Baugruppe: Zifferblatt und Zeiger....................................................... 88 XII. Baugruppe: Vollendung......................................................................... 89 XIII. Baugruppe: Unruh-Haltevorrichtung............................................... 89 XIV. Baugruppe: Sekundenkontakt ............................................................90 Unterschiede im Grundsatz und im Detail .....................................91 Hemmung ..........................................................................................................91 Feder-Chronometer .................................................................................91 Anker-Chronometer.................................................................................91 Anmerkung ............................................................................................... 92 Unruh .................................................................................................................. 92 Masse .......................................................................................................... 92 Unruh-Kloben oben ................................................................................ 92 Anmerkung ............................................................................................... 92 Inhaltsverzeichnis Reglage ............................................................................................................... 93 Mittlere Zeit .............................................................................................. 93 Stern-Zeit ................................................................................................... 94 Unruh-Haltevorrichtung .............................................................................. 95 Anmerkung ...............................................................................................96 Sekundenkontakt/Elektrokontakt .............................................................96 Anmerkung ............................................................................................... 97 Externes Zeigerstell-System ........................................................................ 97 Anmerkung ............................................................................................... 98 Gehäuse ............................................................................................................. 98 Kardan ........................................................................................................ 98 Metallgummi ........................................................................................... 98 Buna-Aufhängung ................................................................................ 102 Tisch-Chronometer ............................................................................... 102 Eisen gegen magnetische Einflüsse ............................................... 102 Verplombung des Chronometers .................................................... 104 Design der Räder ........................................................................................... 104 Original und Fälschung ...........................................................................158 Koordinaten des Deutschen Einheits-Chronometers.............160 Anhang ............................................................................. 166 OKM-Dienstanweisung Nr. 2456 Zeitmeßgeräte der Kriegsmarine ............................................................ 166 Wempe-Verzeichnis für Werkszeichnungen und Kurzzeichen vom 15. Mai 1946 ...................................................................170 Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ 171 Quellenverzeichnis ........................................................................................172 Bildverzeichnis ................................................................................................175 Dokumentenverzeichnis ..............................................................................177 Anlage 1 Wempe-Chronometer/Original-Gangbögen ........................................179 Die Nach-Kriegs-Zeit ...............................................................................106 Das Kriegsende in Glashütte .....................................................................106 335 Chronometer als Reparation für Russland............................106 Das MC 100 .............................................................................................109 Die Hamburger Nachkriegsproduktion ...........................................111 Anlage 2 Deutsche Chronometer für Russland ............................................. 117 Anlage 3 1917 bis 1939 .................................................................................................... 117 „13-Schläger“ .................................................................................................... 118 Russen bei Wempe und Lange................................................................... 118 Rohwerke für Moskau.................................................................................. 120 Der Weg nach Moskau ................................................................................. 121 Wempe-Verzeichnis der Werkszeichnungen vom 27. März 1947, Gegenüberstellung der alten und neuen Nummern ....................... 201 Das Russische Einheits-Werk – 3 Gruppen....................................122 Das Deutsche Einheits-Chronometer in russischem Gewand.........123 Das 6 MX ...........................................................................................................129 Das 6 MX und das Deutsche Einheits-Chronometer im Vergleich ...... 131 Das Anker-Chronometer des Russischen Einheits-Werkes ..............................................................................................142 Kurze Geschichte der Navigation..............................................................143 Astronomische Flugzeug-Navigation seit den 1920er Jahren ...144 Die 1920/30er Jahre mit den Libellen-Sextanten von Coutinho .....145 Die 1940er Jahre mit dem Sold-Oktanten von C. Plath .................146 Die 1950er Jahre mit den Periskop-Sextanten ............................. 149 Das 20 ЧП ........................................................................................................ 151 Das 13 ЧП ..........................................................................................................152 Das Deutsche Einheits-Chronometer von A. Lange & Söhne/ Versandbuch Original, ergänzt um Daten aus den Reglagebücher von Paul Thielemann ................................................................................... 181 Anlage 4 Wempe-Zeichnungen zum Deutschen Einheits-Chronometer ......204 Die Vorgeschichte „1 Stück: Marine-Chronometer, großes Format, ohne cardanische Aufhängung mit elektrischem SekundenKontakt, reguliert auf Sternzeit, Mahagoni-Innenkasten, Attest der Deutschen Seewarte-Hamburg 1, Schutzkasten mit Tragriemenverschluß“ Bereits „1933 erhielt A. Lange & Söhne den Auftrag, ein Versuchsmodell anzufertigen mit den Bedingungen: Ankergang bei gleicher Größe von Unruh und Spirale wie bisher, statt 56stündiger eine nur 36stündige Gangdauer bei Fortfall von Schnecke und Kette und außerdem eine Zeigerstellmöglichkeit von außen, so dass beim Stellen der Zeiger der Glasrand nicht mehr abgenommen werden müsse. Es soll aber versucht werden, das Auf- und Abwerk vereinfacht beizubehalten. Anstatt des Kardanringes soll es nur eine Aufhängung zum Zweck des Aufziehens in der Achse XII – VI geben.“ 16, S. 286 Nach diesen Vorgaben wurde ein erstes Chronometer, mit der Nr. 692, am 27. März 1934 an die Deutsche Seewarte in Hamburg ausgeliefert. Das Versandbuch-Original weist dazu aus: „MarineChronometer, grosses Format, mit Ankergang, jedoch ohne Schnecke, ohne Auf- und Abwerk, s. Schr. v. 9.11.33, mit Mahagoni-Innenkasten.“ Und im Briefkopf steht: „Auftrag vom 20.11.1933, No. 4895 des Empfängers“. 18 Bild 3: ALS , Serien-Nr. 271: „Normal-Chronometer“, Marine-Chronometer mit kardanische Aufhängung im Mahagoni-Holzkasten 16 Zeigerstellvorrichtung seitwärts außen, Grad-Mechanik nach Bauart der Grad-Taschenuhren, mit zentraler Zeiger-Anordnung, mit Überkasten und Tragriemenverschluss“17 A. Lange & Söhne baute das „Normal-Chronometer“ auch als Boden-Chronometer mit Elektro-Kontakten in einem Holzkasten mit Schiebedeckel für die Luftwaffe und auf Anforderung der Industrie. So wurde das ALS mit der Serien-Nummer 571 (Bilder 5–8) auf Anforderung der „Firma Askania-Werke A.-G., Berlin-Friedenau“ gebaut. Im VersandbuchOriginal vom 15. April 1927, Seite 07337, heißt es dazu: „Im Reichsluftfahrtministerium, dem die Deutsche Seewarte seit 1934 unterstellt war, entstand der Wunsch nach preiswerteren, zuverlässigen und erschütterungs- und stoßunempfindlicheren Zeitmessern für die Luftwaffe. Sie sollten ein zuverlässigeres Gangverhalten zeigen als es von Chronometern mit Federhemmung bei häufigen Transporten zu erwarten war. Ein erstes Versuchschronometer, dessen Entwicklung der Leiter der Abteilung IV in der Deutschen Seewarte, Dr. A. Repsold, veranlasste und von A. Lange & Söhne (Nr. 692) gebaut wurde, hatte im Jahr 1934/35 außerhalb einer Wettbewerbsprüfung die gestellten Erwartungen erfüllt. Das Chronometer Nr. 691 durchlief die 59. Wettbewerbsprüfung 1935/36 und bestätigte die Resultate vom Vorjahr.“ 19 Die Anregung zur Entwicklung des Chronometers mit Ankergang kam von Dr. Repsold. Das geht auch aus dem Jahresbericht des Geodätischen Instituts Potsdam von 1937-38 hervor. Dort heißt es unter „Instrumentensammlung“: „Folgende Apparate wurden neu beschafft … 1 Repsold-Anker-Chronometer von Lange & Söhne“. 19 A. Lange & Söhne Das Chronometer Nr. 691 ist am 31. Dezember 1936 mit der Zifferblatt-Gravur: F.N. Tietz – Kiel Nr. 2029 an die Fa. Tietz ausgeliefert worden. Das Versandbuch-Original trägt u.a. den Hinweis: „Wir empfingen Ihr Schreiben v. 29. ds. Mt. und vermerkten uns daraus, dass Sie das geprüfte Marine-Chronometer Nr. 2029 von der Seewarte abgenommen haben.“ 20 Dr. E. Lange, der von 1941 bis 1961 Leiter des Zeitdienstes an der Deutschen Seewarte und deren Rechtsnachfolgern war, äußert sich in einem nicht datierten Schreiben zu den Anker-Chronometern: „Das Ankerchronometer ist während des Krieges mehr oder weniger auf Verlangen der Luftwaffe geschaffen worden. Dr. Repsold war hieran maßgeblich beteiligt. Wegen technischer Schwierigkeiten konnten die ersten Serien dieser Ankerchronometer nur mit 32 Stunden Laufzeit und erst spätere Serien mit der normalen Chronometerlaufzeit von 56 Stunden ausgerüstet werden. Nach dem Krieg ist die Herstellung von Ankerchronometern, die wohl gegen Stöße und Erschütterungen verhältnismäßig unempfindlich sind, nicht wieder aufgenommen worden.“ 19 In der Folgezeit hat A. Lange & Söhne mit dem neu entwickelten Anker-Chronometer verschiedene Komplikationen getestet: Im Auftrag der Deutschen Seewarte erhielten die Serien-Nummern 693, 694 (Bilder 9, 10), 696, 697 und 69821 – neben der Zeigerstellvorrichtung seitwärts außen – eine Gradzahl-Mechanik mit einem GradzahlZifferblatt 22, 23 und folgende Umlaufzeiten der Zeiger: Bild 4: ALS, Serien-Nr. 271: „Normal-Chronometer“, Feder-Chronometer, Schnecke und Kette, Werkansicht Grad-Minuten-Bogenzeiger, in 4 Minuten ein Umlauf großer Grad-Zeiger: in 4 Stunden ein Umlauf ● kleiner Grad-Zeiger, in 12 Stunden ein Umlauf ● ● Im Auftrag der Luftwaffe hat das Chronometer 699 folgende Spezifikation: „Marine-Chronometer für Transporterprobung, mit gewöhnlicher Kardanaufhängung und eine solche mit Federring, beide auswechselbar, Grad-Mechanik, mit Ankergang“ 24 Ende 1935 definierte Paul Thielemann – in einer handschriftlichen Notiz – die Kriterien für die Serienfertigung dieses Chronometers: „November 1935: Auftrag: Es soll ein Ankerchronometer gebaut werden und nach 2 Gesichtspunkten angelegt werden. Bedingungen: Durch entsprechende Anlage soll ermöglicht werden: 1. für normale Sekunden und Zeitangabe, sowie 2. für Gangbogensekunde aus der Mitte möglichst viel gleiche Struktur, gleiche Anlage zu schaffen (fw. 1 u. 2 kombiniert) Bild 5: ALS, Serien-Nr. 571: „Normal-Chronometer“ mit Elektro-Kontakten, Werkaufbau 17 Helwig und die DUS Bild 8, oben: ALS, Serien-Nr. 571: „Normal-Chronometer“ als Lw-Boden-Chronometer im geschlossenen Mahagoni-Kasten mit Schiebedeckel. Bild 9, oben: ALS, Serien-Nr. 694: „1000er Serie“ BC 300 mit Gradzahl-Zifferblatt, kardanische Aufhängung im Mahagoni-Holzkasten Bild 10, rechts: ALS, Serien-Nr. 694: „1000er Serie“ BC 300, Werkansicht 19 Die Vorgeschichte Bild 11, oben: Helwig-Chronometer: „D.U.S. Glashütte (Sa.) – Deutsche Seewarte Hamburg – 1936“, Zifferblatt 20 Bild 12, unten: Helwig-Chronometer: „D.U.S. Glashütte (Sa.) – Deutsche Seewarte Hamburg – 1936“, Werkansicht und Alfred Helwig, Studienrat an der DUS, gekommen sei. Grund für derartige Verstimmungen waren Spezialkonstruktionen für Marine-Chronometer, die Helwig für die Deutsche Seewarte baute. Aufzeichnungen aus dieser Zeit liegen nicht mehr vor. Aber die „Handschrift“ von Alfred Helwig als Konstrukteur von Chronometern und sein enger Bezug zur Seewarte sind erhalten geblieben 29. Den Autoren sind vier Spezial-Konstruktionen bekannt, die Helwig im Auftrag der Deutschen Seewarte konstruiert und gebaut hat: Das Chronometer mit der Zifferblatt-Beschriftung: „Deutsche Seewarte Hamburg No 18“ und der Nr. 3991 der Deutschen Uhrmacherschule (DUS) ist im Deutschen Uhrenmuseum Glashütte ausgestellt. Das „D.U.S. Glashütte (Sa.) – Deutsche Seewarte Hamburg – 1936“ (Bilder 11 u.12) befindet sich ebenfalls im Glashütter Uhrenmuseum. Es ist ein AnkerChronometer mit einem Grad-Zifferblatt. Die Einteilung des Zifferblattes in 180 Grad mit einem Umlauf in 12 Stunden weist dieses Chronometer als MarineChronometer aus. Die Luftwaffe bevorzugte Chronometer und B-Uhren mit einer 360-Grad-Teilung und einem Umlauf in 24 Stunden. Dieses Chronometer hat zwei Werks-Platinen, die über vier Pfeiler miteinander verbunden sind, und zusätzlich eine auf drei Pfeilern ruhende ZifferblattPlatine. Ein weiteres Beispiel ist das Anker-Chronometer mit einem 12-Stunden Normalzeit-Zifferblatt und der Aufschrift: „Deutsche Seewarte Hamburg. No. 32“ (Bild 13). Das Werk ist signiert mit: „Deutsche Uhrmacherschule Glashütte Sa.“ (Bild 14). Auch dieses Chronometer hat drei Platinen, die WerksPlatinen und eine Zifferblatt-Platine. Die beiden Werks-Platinen sind jedoch nur mit drei Pfeilern miteinander verbunden. Die Zifferblatt-Platine ruht ebenfalls auf drei Pfeilern. Dieses Chronometer ist das erste Drei-Pfeiler-Werk aus deutscher Produktion. Der Fachdisput über Werke mit vier oder drei Pfeilern bei Taschenuhren begann schon mit Moritz Großmann in seiner Preisschrift „Abhandlung über die Konstruktion einer einfachen, aber mechanisch vollkommenen Uhr“. 1941 griff Georg Grabe mit seinen „Betrachtungen eines praktischen Uhrmachers über die Konstruktion und Herstellung der Uhr“ 30 diese Diskussion kritisch auf: „Als Fehlkonstruktion ist die Glashütter Uhr hinsichtlich ihrer Dreiviertelplatine und der vier Pfeiler anzusehen.“ Chronometer-Werke G.m.b.H. Otto Thielemann nahm 1942 dazu in: „Dreivierteloberplatte mit 3 oder 4 Pfeilern? – Zur Konstruktion der Glashütter Taschenuhren“ 31 Stellung: „Der vierte Pfeiler war notwendig geworden, um die auftretenden Unsicherheiten besser zu beseitigen, als dies mit nur drei Pfeilern möglich war. Durch seine Anordnung wurde gleichzeitig das lästige und gefährliche Kippen der Oberplatte während des Zusammensetzens der Uhr beseitigt; mancher Zapfen und Lochstein wurde dadurch vor dem Zerbrechen bewahrt.“ Und er fügte hinzu: „In den Seechronometern, die aus den gleichen Gründen fast immer vier Pfeiler aufweisen, stehen zwei davon so dicht beieinander, dass sie beinahe als ein Stützpunkt betrachtet werden können. Dadurch kommt man der Dreipunkt-Unterstützung ziemlich nahe, vermeidet aber das soeben Freistehen und Kippen der Oberplatte.“ Das in der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte konstruiert und gebaute Anker-Chronometer mit der Zifferblatt-Beschriftung: „Deutsche Seewarte Hamburg. No. 33“ wurde anlässlich seiner Versteigerung bei Crott-Muser am 12. November 1994 im UhrenJournal 5/94 mit sechs Abbildungen beschrieben. Es ist ebenfalls ein Drei-Pfeiler-Werk, unterscheidet sich aber in seiner Werkskonstruktion vom „DS 32“. Chronometer-Werke G.m.b.H. Am 6. Oktober 1905 gründeten Hamburger und Bremer Reeder sowie der Hamburger ChronometerMacher Ferdinand Dencker die „Chronometerwerke G.m.b.H. – Fabrikation von Marinechronometern und Schiffsuhren auf maschinellem Wege“. Das erklärte Ziel von Dencker war es, „die Chronometer nicht, wie etwa in England, nach handwerklichen Gesichtspunkten in Einzelanfertigung von Spezialisten für jeden Arbeitsgang in Heimarbeit herzustellen, sondern von Maschinen in höchstmöglicher, gleichbleibender Qualität.“ 19, S. 4 Er erreichte sein Ziel nicht, denn dazu wäre nach seiner eigenen Einschätzung eine Produktion von jährlich mindestens 200 Chronometern erforderlich gewesen – eine Zahl, die weit über dem deutschen Bedarf lag und nicht annähernd erreicht wurde. Wegen Unstimmigkeiten mit anderen Teilhabern und auch mit Glashütter Uhrenbetrieben schied Dencker am 8. Januar 1908 aus der Firma aus. Ernst William Meier folgte ihm als Geschäftsführer. Unter Meier erholten sich die auch finanziell angeschlagenen Chronometerwerke und er verbesserte die Zusammenarbeit Bild 13, oben: Helwig-Chronometer: „Deutsche Seewarte Hamburg. No 32“, Zifferblatt Bild 14, unten: Helwig-Chronometer: „Deutsche Seewarte Hamburg. No 32“, Werkansicht 21 Die Vorgeschichte Bild 15: „Chronometer-Werke G.m.b.H. - No. 482“ im dreiteiligen Mahagoni-Kasten Bild 16: „Chronometer-Werke G.m.b.H. – No. 482“ Werk-Seitenansicht mit drei Platinen 22 mit Glashütte. So holte er Alfred Helwig von März 1908 bis August 1909 nach Hamburg und ab 1910 bezog er auch Unruhen von Grießbach. Bereits 1907 wurden die ersten sechs „rein deutschen“ Chronometer der Chronometer-Werke zur 32. Wettbewerbsprüfung an die Deutsche Seewarte eingeliefert. Sie erreichten jedoch nicht das erstrebte Prüfungsziel, da deren – so die Seewarte – „aus dem hier vorhandenen Nickelstahl hergestellten Unruhen in Chronometern nicht verwendet werden könnten, weil diese Unruhen wegen der ungeeigneten Zusammensetzung der Legierung bei Temperatur-Regulierung durchaus versagten.“ 19, S. 6f Unter Meier wurden bei der Chronometer-Werke G.m.b.H. vornehmlich Chronometer nach französischer Bauart hergestellt. Wesentliches Kriterium dafür sind die Konstruktion des Auf- und Abwerkes und die drei Kloben auf der Unterseite der unteren Werkplatte, die eine auf drei Pfeilern gelagerte dritte Platine für das Zifferblatt erforderten. Ein Beispiel dafür ist das Chronometer: „CHRONOMETER-WERKE, G.M.B.H., HAMBURG. No: 482“ aus dem Jahr 1912 32 (Bilder 15-18). 1927, zwei Jahre vor dem Tod von E.W. Meier, folgte ihm Charles Heinrich Möller für zehn Jahre als Geschäftsführer. Dieser wurde von Friedrich Leutert abgelöst, der die Firma in die „Chronometer-Werke – Gerh. D. Wempe Hamburg“ überführte. Leutert war ein Schüler von C.H. Möller und hat vom 14. Mai 1930 bis zum 13. Juli 1931 als Meisterschüler von Alfred Helwig die Deutsche Uhrmacherschule in Glashütte besucht. Das von ihm dort gebaute Tisch-Chronometer ist in der Zentrale von Gerh. D. Wempe in Hamburg ausgestellt. Unter Möller wurde die Produktion der Chronometer-Werke auf die „Glashütter Bauart“ umgestellt. Ein Beispiel dafür ist das Chronometer: „CHRONOMETER-WERKE, G.M.B.H., HAMBURG. No: 1998“ aus dem Jahr 1936 33 (Bilder 19-21). Die Chronometer-Werke haben, wie auch andere Chronometer-Macher diese Zeit, neben ihren „Standard-Uhren“ eine größere Anzahl an Sonderkonstruktionen gebaut. Das Anker-Chronometer des Einheits-Kalibers Das Anker-Chronometer des Einheits-Kalibers Neben dem klassischen Feder-Chronometer gab es auch das „Ankerchronometer des Einheitskalibers“. Dazu heißt es in der Niederschrift über die Sitzung des Arbeitsausschusses Seechronometer und B-Uhren am 26. Oktober 1942: „Das OKM hat sich auf Vorschlag des Ausschussleiters (Dr. Witthöft, d. Verf.) bereit erklärt, auch Ankerchronometer in Empfang zu nehmen. Der Vorschlag wurde aufgrund der Tatsache unterbreitet, dass die Fertigung von Ankerchronometern gegenüber den Federchronometern eine Arbeitszeitersparnis von 20% bedeuten würde. Diese Arbeitszeitersparnis wird erreicht durch den Fortfall der Gangfeder und durch Erleichterungen bei der Reglage. Das OKM hat allerdings die Einschränkung gemacht, dass Ankerchronometer nur auf Schiffen angesetzt werden sollen, die starken Erschütterungen ausgesetzt sind. Darüber hinaus ist das OKM damit einverstanden, dass der Handelsschifffahrt Ankerchronometer geliefert werden, wobei zu erwähnen sei, dass nur die Deutsche Seewarte über evtl. Lieferungen an die Handelsmarine entscheidet. Privatgeschäfte gibt es auch auf diesem Sektor nicht. Das zur Lieferung frei- Dokument 17: CWW-Z „Hemmung für Ankerchronometer“ vom 3. Februar 1941 Bild 31, oben: CWW 3551 Unterseite der Oberplatte Bild 32, rechts: CWW 3551 Unruhkloben, Anker-Chronometer 45 Einheits-Chronometer – das erste Jahr Bild 33: CWW 2944 Anker-Chronometer Werkansicht Bild 34: CWW 3551 Hemmungsteile 46 gegebene Instrument ist das Ankerchronometer des Einheitskalibers (Dokument 17). Es weist eine 56-stündige Gangdauer auf und muss den Prüfgrenzen der Deutschen Seewarte entsprechen. Die Fa. Leutert wird auf Antrag mit ihrer gesamten Fabrikation für die Fertigung des Anker-Chronometers eingeschaltet.“ 4, S. 3 Diese Passage ist aus zwei Gründen bemerkenswert: 1. Die auf Dr. Witthöft zurückgehende Einschränkung auf das Ankerchronometer des Einheitskalibers, das heißt auf den Typ 04 von Wempe. Das bewährte und zu dieser Zeit noch von Lange gebaute AnkerChronometer der „1000er Serie“ ist damit nicht mehr zur weiteren Lieferung an das OKM frei gegeben. Ein sachlicher Grund dafür könnte sein, dass wesentliche Elemente der Typen 04 und 05 baugleich waren. 2. Die Anregung, dass die Hamburger Firma „Nautische Werkstätten Kreuziger & Leutert“ „auf Antrag mit ihrer gesamten Fabrikation für die Fertigung des Anker-Chronometers eingeschaltet“ wird. Dafür spricht, dass Leutert ein entschiedener Verfechter des Anker-Chronometers war. Die Ausstoß-Planung der Seewarte sieht jedoch für die Nautischen Werkstätten eine Produktion von 36 Marine-Chronometern – mit Feder-Hemmung – für das Jahr 1943 vor. Ob die Nautischen Werkstätten mit ihrer gesamten Fabrikation Anker-Chronometer hergestellt haben, ist offen. Unterlagen darüber gibt es nicht mehr.