whitepaper POS DIGITAL

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whitepaper POS DIGITAL
TRENDS UND ANALYSEN IM E-COMMERCE
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whitepaper
POS DIGITAL
Die Digitalisierung des Kunden hat die Erwartungen
an Läden und Multichannel-Anbieter enorm gesteigert.
Doch neue mobile Lösungen und integrierte Technologie-Plattformen verschaffen dem Handel auch die Chance, neue Dimensionen beim Einkaufserlebnis und in der
Kundenansprache zu schaffen. Wir stellen spannende
In-Store-Optionen und Trends für den digitalen Point of
Sale vor und nennen die Treiber für den Wandel.
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Inhalt
Was Kunden am digitalen PoS wollen
Das Schmerzzentrum beim Bezahlen ausschalten
Jeder zweite Kunde findet eine Kundenkarten-App mit Coupons oder einen
Yapital-Geschäftsführer Nils Winkler möchte das Bezahlsystem als eine
digitalen Kassenzettel toll. Weitaus wichtiger sind den Kunden am digitalen
Art Schweizer Taschenmesser für das Crosschannel-Geschäft etablieren.
Point of Sale aber andere Serviceelemente. Das hat eine Studie des ECC Köln in
Mobile Payment - überall, jederzeit, kinderleicht. Etliche renommierte Partner
Zusammenarbeit mit Demandware herausgefunden.
konnte die Tochter der Otto Group bereits überzeugen. Jetzt gilt es,
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die Kunden zu begeistern.
Das Web kommt an die Ladenkasse
Stationäre Händler müssen längst nicht mehr zuschauen, wie die digitale Welt
Tolle Ideen für die Zukunft des Handels
und damit der Kunde an ihnen vorbeirauscht. Wie sich stationäres Geschäft und
Digitale Komponenten versprechen dem stationären Handel einen
Internet gewinnbringend verheiraten lassen, darüber ist die Branche nicht einig.
zweiten Frühling. Wir stellen spannende Lösungen vor, die das Smartphone
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Doch einige Lösungen zeigen die Richtung auf.
European Retail Pratice bei Demandware, das Smartphone als „Klebstoff
noch mehr zum Einkaufsbegleiter Nummer 1 machen und zeigen,
wie das Schaufenster sprechen lernt und wie man in der Zukunft seine
Pizza bestellt.
Klebstoff mit Zukunft
Mit Blick auf die Digitalisierung des PoS sieht Lars Rabe, Senior Director
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Wer jetzt nicht rennt, wird abgehängt
Anzeige
Bereits heute verbuchen einige der Online-Shops bis zu 40 Prozent der
zwischen beiden Welten“. Im Interview mit etailment sagt er, welche mobilen
Besuche über Smartphones und Tablets. Tendenz steigend. Dem Trend muss sich
Optionen Händler jetzt nutzen müssen und welche flankierenden
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Maßnahmen sinnvoll sind.
Zahlen und Fakten zum PoS der Zukunft
jeder Händler stellen. Denn die mobile Einkaufstüte wird Alltag und zwingt
auch zu neuen Wegen in der Kommunikation.
Klebstoff am digitalen Point of Sale werden. Serienweise wollen Studien und
Digitalisierung: Bedrohung oder Chance
für den lokalen Handel?
Prognosen derzeit untermauern, wie relevant mobile Endgeräte am Point of
Der Händler vor Ort kann immer noch gegen die Web-Welt punkten. Mobile
Wenn Onlinehandel und stationärer Handel verschmelzen, soll Mobile zum
Sale sind. Wir stellen beeindruckende Zahlen vor.
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Mobile Payment muss zum spielerischen Spaß werden
Endgeräte nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein. Stephan Theiß, Geschäftsführer
von Gelbe Seiten Marketing, macht deshalb in einem Gastbeitrag für etailment
den stationären Händlern Mut und sieht Location Based Services als wichtiges
Instrument im Wettbewerb.
Der Formatkrieg im Mobile Payment erinnert an die Einführung der Videokassette: VHS, Betamax, Video2000 oder VCR kämpften damals um die Kunden. Am
Ende gewann damals aber nicht das technisch überlegene System. Andere Werte könnten über Erfolg und Misserfolg entscheiden.
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Impressum
etailment whitepaper
Deutscher Fachverlag GmbH
Postadresse: 60264 Frankfurt am Main Internet: www.etailment.de, E-Mail: [email protected] Telefon: (069) 7595-01, Fax: (069) 7595-2999
Redaktionsleitung: Olaf Kolbrück Tel: (-2891) Weitere Mitarbeiter dieser Ausgabe: Sybille Wilhelm, Frank Puscher
Art Direktor: Ingo Götze Media Sales: Larissa Chichowski Tel: (-1207)
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Editorial
Olaf Kolbrück
Digitale
Knotenpunkte
Der stationäre Handel ist nicht nur im Umbruch. Er steckt schon mitten
im Überlebenskampf. Denn das Wachstum im E-Commerce geht vor
allem zu Lasten des stationären Handels. Retten kann sich der Einzelhandel wohl nur, wenn er sich dem hyperverwöhnten und kanaldesinteressierten digitalen Kunden stellt und eine „Elektrifizierungswelle“ im
Laden einleitet.
Eine zentrale Rolle fällt dabei ausgerechnet dem wegen Showrooming so
verhassten Smartphone zu. Denn es kann Einzelhändlern eine womöglich letzte Möglichkeit bieten, ihre Kunden auf persönliche Weise zu
binden. Erst recht, wenn der Einzelhandel mit zusätzlichen integrierten
Shopping-Plattformen dafür sorgt, dass der Kunde das Geschäft - so
oder so - nicht mit leeren Händen verlässt.
Eindrucksvolle Technik, Angebote über alle Kanäle und für alle Eventualitäten, Echtzeit-Einblicke in Warenverfügbarkeit und Kundendaten sowie kanalübergreifende Servicelösungen gewinnen daher künftig enorm
an Bedeutung, um dem Kunden im Geschäft ein Erlebnis zu bieten.
Mobile Coupons, die dem Kunden noch am Regal angeboten werden, gehören bald ebenso selbstverständlich dazu wie Shopping-Apps mit einer
Navi-Funktion, oder Location Based Services, die den Kunden vor dem
Laden mit speziellen Aktionen locken, oder Mitarbeiter, die den Kunden
wie selbstverständlich am Tablet beraten und vielleicht auch direkt
Ware bestellen oder kassieren. Vieles davon wird, wie beispielsweise
Mobile Payment, nicht schon zum Weihnachtsgeschäft 2014 zwingend
nötig sein.
Zuwarten aber sollte man nicht. Das Smartphone wird schneller als
manch einem lieb ist zum zentralen Knotenpunkt unseres Alltags und
damit auch des Einkaufs. Wer dem Kunden helfen will, Zeit und Geld zu
sparen und eine zweite digitale Heimat sein will, kommt nicht umhin,
jetzt schon am Point of Sale die nötigen Weichen zu stellen.
Ihr
Olaf Kolbrück
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Kein Schnickschnack:
Was Kunden am digitalen PoS wollen
Was der stationäre Handel unter digitalem Fortschritt und Service 2.0 versteht? Wenn er
die nervige Fragerunde „Haben Sie schon unsere Kundenkarte? Haben Sie Payback? Sammeln
Sie Treuepunkte?“ aufs Handy packt und um Pin-Eingabe und QR-Codes erweitert. Der Kunde
hat da ganz eigene Vorstellungen vom Service.
Z
ugegeben. Es kann schon ganz praktisch sein, wenn ich
meine E-Coupons von Payback schon in der Kassenschlange aktivieren kann und sie nach dem Einkauf
automatisch eingelöst werden. Aber ganz sicher werde ich
nicht anfangen, noch einen QR-Code auf dem Kassenbon einzuscannen, um 5 Cent an der Rolle Zewa zu sparen. Was nicht
heißt, dass es nicht genug Zielgruppen geben wird, die genau
das tun werden.
So in etwa jeder zweite Kunde, das sagt eine Studie des ECC
Köln in Zusammenarbeit mit Demandware, findet eine Kundenkarten-App mit Coupons oder einen digitalen Kassenzettel
toll. Weitaus wichtiger sind den Kunden am digitalen Point of
Sale aber andere Serviceelemente.
Über die untersuchten Branchen Mode, Schuhe, Sport, Möbel
sowie Wellness & Kosmetik hinweg, trafen vor allem Serviceleistungen wie der Online-Verfügbarkeits-Check (70 %) oder
kostenfreies WLAN (70 %) in den Ladengeschäften auf hohes
Interesse bei den Befragten. Auch die Bestellung bei NichtVerfügbarkeit im Ladengeschäft sowie die Möglichkeit online
bestellte Produkte im stationären Geschäft abholen zu können
(Click&Collect), sind für jeweils rund 60 Prozent der Konsumenten interessant.
Eine klare Forderung an die stationären Händler: Erst einmal
kümmert euch bitte ordentlich um die Warenverfügbarkeit,
dann freuen wir uns auch über die Rabatte.
Natürlich kann der digitale Coupon gleichwohl Sinn machen,
kann Mobile Payment hier und dort für technischen Freuden
sorgen, auch wenn viele Lösungen auf QR-Code-Basis nach
allem Möglichen klingen, nur nicht nach Zeitersparnis. So
schildern beispielsweise die Kollegen von derhandel.de Paysmart, das die Deutsche Post gerade auf den Markt bringt:
„Der Kunde scannt dann den QR-Code des jeweiligen
Paysmart-Partners ein, gibt den Zahlbetrag und eine vom
Händler genannte Symbolzahl in sein Handy ein und bestätigt
die Zahlung. Den Quittungsscreen mit Bestätigungssymbolen
auf dem Smartphone zeigt er abschließend zur Kontrolle dem
Kassierer.“
Ein recht aufwändiger Weg, um die Schlangen am Postschalter
für den Supermarkt zu adaptieren.
Um wie viel eleganter klingen da die Versuche von PayPal in
Berlin mit dem Paypal Checkin. Da checkt der Kunde über die
PayPal-App im Restaurant oder im Laden ein, sein Name und
sein Foto erscheinen im Kassensystem und er kann mit seinem
Smartphone bezahlen. Die Autorisierung des Kunden erfolgt
Lagerfeld mobil:
In den Umkleidekabinen der
Karl-Lagerfeld-Stores hängen
iPads, die zum Social-MediaSharing einladen
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über Bildabgleich. Das ist fast so simpel wie Anschreiben
lassen. Noch einfacher und wohl auch sicherer wäre, so
die Hoffnung von Yapital-Chef Nils Winkler im Interview mit etailment, das mobile Bezahlen per Stimmerkennung
Und Beacon, diese als Leuchturm der Hoffnung gepriesene Technik für den stationären Handel? Auch da geht
so einiges. Ein „lohnenswertes Investment für Händler“
nennt es die Managementberatung Mücke, Sturm &
Company. Klar, der stationäre Handel sammelt mehr
Daten über seine Kunden, kann dem Nutzer sogar schon
vor dem Laden Werbebotschaften per App zuschicken.
Anbieter wie Gettings, Yoints, Shopnow und Barcoo wittern einen Zukunftsmarkt angesichts des akkuschonenderen Bluetooth-Standards Bluetooth 4.0, um Coupons,
Rabatte, Angebote und Handzettel quasi an den vorbeilaufenden Kunden zu verteilen.
Auf den iPads in den Stores von
Karl Lagerfeld läuft unter anderem
Karl´s Book eine Mischung aus
Blog, Skizzenblock und Gästebuch
Sinn macht diese Kirsche auf der Sahnehaube der digitalen Kommunikation aber nur, wenn es dann auch im
Laden stimmt, und der Kunde das „leider ausverkaufte“
Sonderangebot beim Mitarbeiter im Laden wenigstens
noch online bestellen kann.
Basisleistung Verfügbarkeit.
Erst danach zählen für den
Kunden Rabatte, sagt die
Studie von ECE
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Multichannel: Das Web
kommt an die Ladenkasse
Ladeninhaber müssen längst nicht mehr zuschauen, wie die digitale Welt und damit der Kunde an ihnen vorbeirauscht. Wie sich stationäres Geschäft und Web gewinnbringend verheiraten
lassen, darüber ist die Branche nicht einig. Doch einige Lösungen zeigen die Richtung auf.
Sybille Wilhelm von „Der Handel“ stellt sie vor.
Z
uallererst steht natürlich die Kasse im Zentrum:
Multifunktionell muss sie sein, um mit der Moderne
Schritt zu halten. Zum Beispiel müssen Kassen Coupons (ob
auf Papier oder auf dem Smartphone) verarbeiten können,
Telefonkarten aufladen oder kontaktlose Zah-lungsvorgänge
abwickeln. Zudem dienen Kassen inzwischen nicht nur als
Schnittstelle zum Kunden, sondern übermitteln der Zentrale
auch, was sich gerade in den Filialen abspielt – möglichst in
„Echtzeit“, sodass schnell reagiert werden kann, damit beispielsweise keine Regallücke droht.
„Vor allem das Thema Multichannel stellt zusätzliche Anforderungen an die Kasse“, berichtete Ulrich Spaan, Mitglied
der Geschäftsleitung und Leiter IT beim EHI Retail Institute,
bei der Vorstellung der Studie „Kassensysteme 2014“ auf der
EuroShop. „Sei es die Abfrage nach online verfügbaren Produkten, der Umtausch oder die Retoure von online gekauften
Artikeln oder aber die Identifizierung des Kunden, der frei
zwischen den verschiedenen Kanälen des Händ-lers wechselt
– auf die Kasse kommen eine Vielzahl an neuen Aufgaben zu.“
QR-Codes werden demnach im Handel künftig weit verbreitet
sein und für unterschiedliche Funktionen genutzt werden: 40
Prozent der vom EHI befragten Filialisten planen, QR-Codes
in der Filiale mit dem eigenen Onlineshop zu verknüpfen.
Mobile Payment – das Bezahlen mit dem Smartphone – bieten
bereits 24 Prozent der befragten Handelsunternehmen an,
künftig soll diese Zahlmöglichkeit sogar bei 81 Prozent möglich sein.
„Auf Nachfrage stellte sich allerdings heraus, dass die meisten
Händler vorbereitet sein wollen, wenn sich mobiles Bezahlen durchsetzt. Das heißt noch lange nicht, dass es auch bald
kommt“, erläuterte Spaan. „Da warten alle Händler erst einmal
die Kundenakzeptanz ab.“
Auch im Ladenbau ist die Technik ein wichtiges Thema, zum
Beispiel investieren Händler verstärkt in energieeffiziente
Beleuchtungssysteme. Außerdem gibt es einen Trend zu einer
flexibleren Gestaltung von Angeboten und Vertriebsformaten
– je nach Standort oder je nach individuellem Bedarf des
Kunden, also ob der Kunde einen „Erlebniskauf“ oder einen
Versorgungskauf tätigt.
„Als eine der größten Herausforderungen der kommenden
Jahre sehen Händler daher die Integration von Online- und
stationärem Geschäft zu einem funktionierenden Multichannel-Konzept, das dem Kunden ein einheitliches Markenerlebnis über alle Kanäle bietet“, berichtete Claudia Horbert,
beim EHI Leiterin des Forschungsbereichs Ladenbau und
Einrichtung. „Für die Einrichtungslieferanten bedeutet dies,
dass auch sie ihr Leistungsportfolio stärker als bisher auf ihre
Bei Edel Optics wählen Kunden an iPads aus 10.000 Modellen ihre favorisierten Brillen aus. Rechts: Last-Minute-Shopping per QR-Code
am Frankfurter Flughafen beim Duty-Free-Anbieter Gebr. Heinemann
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Kunden zuschneiden müssen. Denn die Händler erwarten, von
ihnen regelmäßig über technische Entwicklungen und neue
Materialien, Produkte und Verfahren informiert zu werden.“
In der Kategorie „Best In-store Solution“ wurde das QR-Code
basierte Last-Minute-Shopping direkt an den Abfluggates des
Frankfurter Flughafens des Duty-Free-Anbieters Gebr. Heinemann (Projektpartner: Poresy, hmmh, Fraport) ausgezeichnet.
Ausgezeichnete Konzepte
Auf der Messe Euro-Shop zeichnete das EHI Retail Institute
zum 7. Mal die Gewinner der retail technology awards europe
(reta) aus, jeweils drei in drei Kategorien.
Preiswürdig erschien dem EHI auch die digitale Preisauszeichnung von Media-Saturn in den Niederlanden (Projektpartner: Pricer).
In der Kategorie „Best Customer Experience“ wurden Edeka
und Netto Marken-Discount (Projektpartner: Valuephone,
Deutsche Post Zahlungsdienste) für ihre App, die Mobile Payment und Mobile Couponing vereint, ausgezeichnet.
Gucci (Projektpartner: MicroStrategy) wurde für zwei Applikationen für das iPad ausgezeichnet, die auf einer Datenbasis
beruhen, aber einerseits den Store-Manager und andererseits
das Verkaufspersonal unterstützen.
Der Optiker Edel Optics (Projektpartner: Novel Media,
evolvem media-lab) erhielt den Preis für die ideale Verbindung
der stationären mit der Onlinewelt. Kunden wählen an iPads
aus 10.000 Modellen ihre favorisierten Brillen aus, die daraufhin zur Anprobe aus dem Lager geholt werden.
In der Kategorie „Best Enterprise Solution“ erhielt Adler Modemärkte (Projektpartner: Tailorit, SysPro, nedap, Sato) den
reta für seinen Einsatz von RFID in den Filialen.
Der „Humanic Avatar“ von Leder und Schuh (Projektpartner:
Wincor Nixdorf, Online Software AG) scannt die Füße der
Kunden in der Filiale und gleicht das 3-D-Abbild des Fußes
mit dem 3-D-Abbild des Schuh-Innenraums ab. Das spart dem
Kunden aufwendige Anproben und senkt die Retourenquote
bei Onlinebestellungen.
Kaufland begeisterte die Jury mit einer automatischen Disposition für Produkte, die das Mindesthaltbarkeitsdatum fast
erreicht haben.
Die Verbundgruppe Sagaflor (Pro-jektpartner: ComSol) erhielt
die Auszeichnung, weil die Mitgliedsunternehmen in ein innovatives Warenwirtschaftssystem eingebunden wurden.
Der Beitrag erschien zuerst in „Der Handel“ Ausgabe 03/2014
Edeka vereint auf der App Mobile Payment und Couponing, Shopkick (rechts) belohnt schon den Check-in
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Klebstoff
mit Zukunft
Mit Blick auf die Digitalisierung des PoS sieht Lars Rabe, Senior Director European Retail
Pratice bei Demandware, das Smartphone als „Klebstoff zwischen beiden Welten“. Doch Optionen gibt es viele. Wo also anfangen? Im Interview mit etailment sagt er, welche mobilen
Chancen Händler jetzt nutzen müssen und welche flankierenden Maßnahmen sinnvoll sind.
Zahlreiche Händler erhoffen sich von der Digitalisierung des PoS Rückenwind, um gegen den Boom des
E-Commerce bestehen zu können. Zu recht?
Lars Rabe: Für den Handel hat diese Entwicklung große
Chancen, aber natürlich auch Risiken. Aber wenn der Einzelhandel die Digitalisierung der Ladenfläche nicht vorantreibt,
werden die Wettbewerbsnachteile immer größer. In unserer
Studie haben die Smartphone-Besitzer bestätigt, dass sie
inzwischen ganz selbstverständlich mit digitalen Services
umgehen. Das kann man sich als stationärer Händler zu nutze machen, weil
das Smartphone als Klebstoff zwischen
beiden Welten dient. Wir beobachten
jedenfalls, dass Unternehmen, die auf
diesem Gebiet große Anstrengungen
unternehmen, wesentlich erfolgreicher
sind. Sie können sich besser vom Wettbewerb differenzieren.
“Auch im
Mobile Payment, digitaler Kassenbon, digitale Coupons und standortbasierte Dienste locken mit neuen
Kontaktpunkten zum Kunden. Wie sinnvoll ist es, derartige Services jetzt am digitalen PoS zu installieren?
Lars Rabe: Für die Händler sollte erst einmal die Warenverfügbarkeit im Fokus stehen, dann müssen sie auch keine
großen Rabattschlachten starten. Erst wenn das Thema
Inventarbestand gut gelöst ist, lohnt es sich, weitere Angebote
zu schaffen. Digitale Coupons können sehr spannend sein,
weitaus mehr als ein digitaler Kassenbon.
Mobile Payment steckt noch in den Kinderschuhen. Hier sollte man abwarten, bis
sich eine marktreife Lösung durchsetzt,
wenngleich Beacon einen sehr interessanten Ansatz und vielversprechende Optionen für personalisierte Services bietet.
Denn die werden immer wichtiger.
Geschäft werden
personalisierte
Händler fürchten aber, dass sie
Showrooming erst recht Tür und
Tor öffnen. Beispielsweise, wenn
sie Smartphone-Nutzern freies
WLAN anbieten.
Services immer
wichtiger.“
Lars Rabe: Natürlich sind Preisvergleiche mit dem Smartphone ein Thema.
Aber unsere Studie zeigt, dass Smartphones vor allem deshalb sehr intensiv genutzt werden, weil Kunden die
Warenverfügbarkeit und Informationen
abfragen. Der Einsatz von digitalen Services für Beratung,
Service und Convenience wäre also ein guter Ansatzpunkt
für Händler, um Kunden zu binden. Der Kunde erwartet diese
Convenience. Er möchte mit dem Smartphone vorab sehen,
ob das Produkt in der Filiale verfügbar ist. Ist er in der Filiale
und das Produkt ist nicht in der passenden Farbe oder Größe
vorrätig, möchte er prüfen, ob es im Onlineshop vorhanden ist.
Kann der Kunde dazu nicht Display-Lösungen im
Laden nutzen?
Lars Rabe: Kiosksysteme haben sich nicht durchgesetzt. Die
verstauben eher in den Filialen. Besser ist es, den Mitarbeiter
beispielsweise mit Tablets auszustatten, um den Kunden auf
der Fläche zu beraten.
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Gerade mittelständische stationäre
Händler fragen sich, wie sie den
digitalen PoS mit ihrem Warenwirtschaftssystem harmonisieren sollen.
Wie kann da eine Lösung aussehen?
Lars Rabe: Natürlich muss sichergestellt werden, dass die Verfügbarkeit
abgefragt werden kann. Lagerbestände
müssen konsolidiert werden. Da gibt es
unterschiedliche Optionen. Man kann
das Warenwirtschaftsystem so aufbauen, dass alle Artikel jederzeit überall in
Echtzeit abfragbar sind. Das ist die aufwändigere Lösung. Für
einen Großteil der Einzelhändler dürften aber Batch-Prozesse
sinnvoller und machbar sein. Dabei wird die Verfügbarkeit von
Waren an unterschiedlichen Standorten beispielsweise zweimal am Tag abgefragt. Da lässt sich dann ein Sicherheitslevel
einbauen. Das signalisiert bei einer bestimmten Menge, dass
es sinnvoll sein kann, den Bestand händisch zu prüfen. Das
wäre ein gangbarer Weg für erste Schritte in diesem Bereich.
In welchen Branchen ist die Nachfrage der Kunden
nach digitalen Services besonders hoch?
Lars Rabe: Die Frage der Verfügbarkeit ist in der Möbelbranche besonders hoch, weil dort die Artikel gar nicht in
dem Ausmaß in der Fläche verfügbar sein können. Das gilt
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besonders bei Händlern, die sich eher auf kleine Innenstadtlagen konzentrieren. Da arbeiten die Mitarbeiter teilweise
schon ganz aktiv und erfolgreich mit digitalen Services. Auch
Mode-Kunden sind sehr anspruchsvoll. Interessanterweise
fragen viele Smartphone-Nutzer auch nach Self-ScanningLösungen, um Wartezeiten an der Kasse zu sparen.
Wie steht es um virtuelle Anproben im Laden? Ist das
nur etwas für technikverliebte Kunden oder kann das
eine sinnvolle Investition sein?
Lars Rabe: Diese Lösungen werden kommen. Aber noch ist
die Technik nicht massenfähig. Händler, die Marke sind und
sich weiter differenzieren wollen, sollten das womöglich
jetzt schon ausprobieren. Solche virtuellen Kleiderstangen
und virtuelle Umkleidekabinen sollte man dann aber auch
mit dem Onlineshop koppeln, damit der Kunde die Ware bei
Bedarf gleich bestellen kann. Aber für die große Mehrheit
der Händler macht es gegenwärtig sicher mehr Sinn, in gut
ausgebildete Mitarbeiter zu investieren.
Wenn ich meinen digitalen PoS einrichten will, brauche ich dann zwingend einen Onlineshop?
Lars Rabe: In der Regel greift ein Händler dafür natürlich
auf die Infrastruktur des Onlineshops zurück, weil dort auch
Kundendaten und Einkaufshistorien hinterlegt sind. Ich
kann digitale Lösungen aber auch mit einem monolithischen
System am Point of Sale umsetzen. Das ist aber wesentlich
teurer. Es ist also besser und schneller, erst einmal die digitale
Infrastruktur zu schaffen.
Welche Reihenfolge wäre also für einen digitalen Spätstarter sinnvoll - erst den Onlineshop und dann den
digitalen PoS aufbauen, oder doch lieber umgekehrt?
Oder gleich die Rundumlösung?
Lars Rabe: Grundsätzlich sehen wir im Markt alle drei
Varianten. Die Mehrzahl der Händler übt jedoch erstmal im
Onlineshop und versucht dann, beide Welten zu verbinden.
E-Commerce ist dann die Triebfeder, um digitale Services in
der Fläche umzusetzen.
Mit all der Digitalisierung - besteht da nicht das Risiko, dass der Kunde lernt, sich den Weg ganz zu sparen?
Lars Rabe: Das Risiko besteht. Mittelgroße Einzelhandelsflächen, die keine attraktiven Zusatzleistungen bieten können,
werden womöglich eher noch weniger Fläche benötigen. Das
muss kein Nachteil sein. Man kann sich in solchen Läden in
ausgewählten Lagen auch auf Schnelldreher konzentrieren,
ein Wohlfühlambiente schaffen, Beratung bieten und den
Verkauf dann über den Webshop abwickeln. Darüber hinaus
werden wir erleben, dass auf freiwerdenden Flächen mehr
Händler mit aktionsgetriebenen Pop-up-Stores experimentieren. Großflächige Standorte werden dagegen noch mehr
in Zusatzangebote und Services investieren müssen, um dem
Kunden einen Grund zu geben wiederzukommen.
Lars Rabe
Lars Rabe ist Senior Director European Retail Pratice bei Demandware. Vorher war er Vice President
Online Marketing bei der Intershop Communications AG und dort
verantwortlich für die Tochtergesellschaft SoQuero. Demandware
bietet Händlern unter anderem
eine cloudbasierte Enterprise-ECommerce-Plattform. Zusammen
mit dem ECE Köln hat das Unternehmen im Februar 2014 die Studie „Digitalisierung am
Point of Sale“ veröffentlicht.
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Zahlen und Fakten
zum PoS der Zukunft
Wenn Onlinehandel und stationärer Handel verschmelzen, soll Mobile zum Klebstoff am digitalen Point of Sale werden. Serienweise wollen Studien und Prognosen derzeit untermauern,
wie relevant mobile Endgeräte am Point of Sale sind und wie sehr die Verbraucher bereits
darauf vorbereitet sind, dass die letzten Barrieren zwischen den Einkaufskanälen fallen.
36%
würden über GPS den momentanen
Standort, 38 Prozent würden außerdem ihre mobile Telefonnummer
preisgeben, um Textbotschaften von
Händlern zu erhalten. Das will eine
weltweite IBM Retail-Studie mit
30.000 Verbrauchern herausgefunden
haben. Fazit der Studie: Stationäre
Händler konnen damit den Onlinehandel schlagen, wenn sie unter anderem
mit Same-Day-Delivery, Augmented
Reality und Location-based Services
punkten.
In Zukunft wird Click &
Collect nach Ansicht von
88 Prozent der Verbraucher
weiter an Bedeutung gewinnen, sagt eine Untersuchung
von eBay.
Kunden wünschen sich OnlineVerfügbarkeits-Check (70 Prozent) oder kostenfreies W-Lan (70
Prozent) in den Ladengeschäften.
Jeder zweite Kunde findet eine
Kundenkarten-App mit Coupons oder einen digitalen Kassenzettel toll. Das sagt eine Studie des
ECC Köln in Zusammenarbeit mit
Demandware.
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78 %
der Kunden können es sich vorstellen, Produkte in der Umgebung oder Bilder zu scannen und so Informationen über
Preis und Verkaufsort erhalten, sagt eine eBay-Studie.
Rund 30 Prozent des Umsatzes
bei Starbucks werden inzwischen per Mobile Payment,
Prepaid-Karten oder Gutscheine
abgewickelt. Rund 10 Millionen
Kunden zahlen insgesamt per App.
Die US-Marktforscher von IHS
Technology rechnen damit, dass
in vier Jahren bereits 64 Prozent
aller in den Handel kommenden
Mobiltelefone
NFC-fähig
sein werden.
39 %
11
der Kunden werden eine Filiale
wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich nicht besuchen, wenn
sie auf der Website des Retailers
keine Angaben zur Warenverfügbarkeit in der Filiale finden. Das
sagt eine von Forrester Consulting
durchgeführte Studie (im Auftrag
von Accenture und hybris) mit
dem Titel „Customer Desires Vs.
Retailer Capabilities: Minding the
Omni-Channel Commerce Gap“.
Insgesamt erwarten 71 Prozent der
Kunden aktuelle Informationen zur
Filialverfügbarkeit
Fast die Hälfte der SmartphoneBesitzer sucht nach stationären
Geschäften in ihrer Nähe. Das sagt
eine Sonderauswertung von Apprupt
im Rahmen der 36. W3B-Umfrage
gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Fittkau & Maaß.
Um kostenloses W-Lan
vor Ort zu nutzen, würden
51 Prozent der Smartphone-Besitzer im Gegenzug ihre E-Mail-Adresse
herausrücken.
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82 %
aller verkauften Mobiltelefone
werden 2014 Smartphones sein.
Das wären 30 Millionen Geräten,
sagt der Branchenverband Bitkom.
5.000 Euro
Mit
kann man ein mittelgroßes Kaufhaus mit
Beacons ausstatten, so die Kalkulation
der Managementberatung Mücke, Sturm
& Company. Der Kundenkontaktpreis
liege durch die Bluetooth-Low-EnergyTechnik bei diesem Beispiel bei rund 0,12
Euro.
55 %
Laut einer aktuellen NielsenStudie würden
der Deutschen in einem Geschäft nicht
mit ihrem Smartphone oder Tablet zahlen,
selbst wenn der Vorgang sicher sei. Lediglich 26 Prozent der Befragten können sich
vorstellen, Produkte per Handy zu bezahlen.
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Mobile Payment muss zum
spielerischen Spaß werden
Haben Sie sich in letzter Zeit einmal einen Kassenplatz im Supermarkt oder
an der Tankstelle angesehen? Da sieht es ungefähr so aus, wie auf einer Messe.
Eine zusammengewürfelte Ausstellungsfläche für Bezahlsysteme. Und nun kommen noch Mobile
Payment-Systeme dazu. Auch da herrscht ein Wirrwarr der Systeme.
K
ein Wunder, dass die Kassierer keinen Bock darauf haben, der Handel lustlos reagiert oder gleich das Handtuch wirft, weil er im Wirrwarr der Systeme, Standards
und Anbieter schlicht den Überblick verliert. Und der Kunde?
Ach ja, der Kunde! Den haben im Grunde alle Anbieter dabei
ein wenig vergessen.
Die Situation erinnert ein wenig an den Formatkrieg bei der
Einführung der Videokassette: VHS, Betamax, Video2000 oder
VCR kämpften damals um die Kunden. Im Mobile Payment
sind es vor allem Verfahren mittels Near Field Communication
(NFC) und Bluetooth per BEacon - mal mit Pin, mal mit QRCode, mal beides, mal auch auf völlig anderem Wege.
Mehr als 27 verschiedene Payment-Dienstleister zählte jüngst
Mobiforge. Bekannte Namen sind dabei wie PayPal, Kreditkartenanbieter, die Telkos, IT-Dienstleister und jede Menge Startups, die das Handy zur Geldbörse machen (wollen).
NFC-Bezahlverfahren klappen berührungslos, man muss nur
das Smartphone in die Nähe eines Kassenterminals halten.
Aber iPhones unterstützen kein NFC und werden es wohl auch
nie. Zudem streiten sich die Markteilnehmer darum, wo und
wie das Sicherheitselement integriert wird. Auf der SIM-Karte
oder im Gerät? Eine Machtfrage zwischen Gerätehersteller
und Mobilfunk-Anbieter. So wird das nichts.
Hinzu kommen auf der andere Seite der Kasse, Anbieter von
iPad-Kassensystemen wie Orderbird, iZettle, Payleven, Sumup,
Square und Streetpay, bei denen mit Karte bezahlt, dann aber
per Dongle am iPad oder iPhone abgerechnet wird. Zumindest
für die kommenden Jahre taugliche Lösungen für Dönerbuden,
Restaurants und die eine oder andere Boutique.
Die ganz großen Erwartungen aber ruhen auf der mobilen
Geldbörse. Da ruhen sie in aller Breite. Denn die Fragmentierung des mobilen Marktes hemmt den gesamten Markt und
blockiert den Kopf für die wirklich wichtigen Fragen.
Vision von PayPal
für Beacon
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Neue Hoffnung: Beacon, das auf die Technologie Bluetooth
Low Energy (BLE) setzt. Günstig einsetzbar und verbraucht
weniger Akku als die alte Bluetooth-Technik. Zudem lassen
sich damit vom Markt per Beacon-Station Werbebotschaften
an Kunden vor der Tür senden. BLE hat eine Reichweite von
bis zu 30 Metern und macht damit auch Indoor-Navigation
möglich. Auch, wenn gerade mal kein Internet in der Nähe ist.
NFC funkt gerade einmal eine Handbreit.
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Noch mehr Durcheinander? Gerne doch.
Die Anbieter wissen nämlich selbst nicht genau, in welche
Richtung sich der Markt und die Technik entwickelt. Kreditkartenanbieter Mastercard bietet seinen Service MasterPass
mit NFC und QR-Code-Technik an. Yapital, von der Otto Group
ins Rennen geschickt und unter anderem bei Rewe im Rollout,
setzt auf QR-Code und Beacon. Die Beispiele ließen sich endlos
in unterschiedlichen Kombinationen fortsetzen.
Beacon, der Leuchturm, gilt jedoch fast schon als Heilsbringer. Das Investment ist vergleichsweise günstig, die Optionen
sind vielseitig. Da stört es auch wenig, dass noch längst nicht
jeder Handynutzer den neuen energieschonenden Standard
Bluetooth Low Energy (BLE) nutzen kann - geschweige denn
davon weiß (Das Learning bislang ist ja: Bluetooth aus, weil das
den Akku schont).
Die ersten Anbieter stehen schon parat, um zu zeigen, was
Beacon leisten kann. Barcoo testet die Bluetooth-Technologie
im Mymuesli Laden in München und sendet den Nutzern
Nachrichten mit besonderen Angeboten. Couponing-Anbieter
Gettings plant mit dem Payment Services-Anbieter net mobile
AG einen Piloten in Düsseldorf. Shopnow tummelt sich unterstützt mit Springer-Geld, in Läden in Hamburg und Berlin
und das Hamburger Start-up Yoints von Sarik Weber pilotiert
Testläufe in Drogerieketten. Der Nachteil: Es wird erstmal nur
in Marketing-Kategorien gedacht. Gezahlt werden muss auf
klassischem Weg.
Immerhin: Paypal zeigt, dass mit Beacon und der Übermittlung
der Daten an das Kassensystem der Händler auch die Bezahlung per Gesichtserkennung keine Zukunftsmusik mehr ist.
Tests für das freihändige Bezahlen laufen derzeit in Berlin.
Klingt besser als mit dem QR-Code herumzufuchteln - bis
einen die Kassiererin auf dem Bild partout nicht wiedererkennen will. Da klingen Experimente mit Stimmerkennung
schon vielversprechender - und sicherer. Doch wer einmal Siri
auf dem iPhone ausprobiert hat, der weiß, noch ist das eher
Science Fiction.
Wer sich am Ende durchsetzt?
Ein Blick auf den Formatkrieg bei den Videokassetten zeigt,
dass nicht unbedingt die überlegene Technik sein muss. Das
Rennen entschieden damals Marketing-Konzepte und der
Preis.
Gerade, wenn es ums Geld geht, spielen vertrauenswürdige
Marken eine Rolle. Da hat sogar die Deutsche Post als Spätstar-
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Starbucks: Trinkgeld via App
ter mit Paysmart eine Chance, wenn man den Absender deutlich herausstreicht. Aber auch die Kreditkartenanbieter und
PayPal können hier punkten. Denen vertraut der Kunde ja im
Zweifel ohnehin schon und ist womöglich gerade hier künftig
eher bereit, eine biometrischen Identifizierung mitzumachen,
die dann Pin-Codes und QR-Codes überflüssig macht.
Wichtig auch: die Verbreitung. Das ist besonders für Paypal
von Vorteil, weil es bestehende Gewohnheiten seiner Millionen Nutzer aus der Onlinewelt schlicht in die Kohlenstoffwelt
transferieren kann.
Nutzwert, Zeitersparnis, Bequemlichkeit - das sollen die
Mehrwerte für den Kunden sein. Klappt aber nur, wenn eine
„One-Size-Fits-All-Unisex“-Lösung da ist, die Bezahlung,
Coupons und Co in einem bietet. Überall. In allen Kanälen.
Wenn der Kunde beim Einkauf schon nicht mehr zwischen Kanälen trennt, wird er das auch nicht beim Payment tun. Reine
Loyality-Lösungen werden da wohl nur noch die HardcoreSchnäppchenjäger erreichen. Gleichwohl ist auch das noch ein
Massenmarkt.
Trotzdem wird es noch lange dauern bis Mobile Payment vom
Fleck kommt. Weniger Komplexität, mehr Feature (Coupons, Peer-to-Peer-Überweisung) und Bequemlichkeit, sind
nur Bausteine, aber nicht das Fundament. Überzeugen kann
Mobile Payment nur dann, wenn es etwas aufbietet, was der
klassische Bezahlvorgang, jener unangenehmste Moment
beim Einkauf, sonst nicht bietet - Spaß nämlich. Über Belohnungsanreize, kleine intelligente Helferfunktionen wie eine
Einkaufshistorie oder Trinkgeld-Optionen bei der StarbucksApps.
Über die Starbucks-App laufen übrigens inzwischen schon
rund 10 Prozent aller Transaktionen. Das kann man in weiten
Teilen der Vielseitigkeit der App und Milieu-Vorteilen zuschreiben, aber auch dem Sinn für Details. Die neue Version
wird einen Schüttelmodus enthalten, um den Bezahl-Barcode
auf dem Bildschirm anzuzeigen.
Man kann das kindisch oder blödsinnig finden. Aber das ist
genau der Ansatz den es braucht, um das Bezahlen zum spielerischen Vergnügen zu machen. Dann fragt kein Mensch mehr
nach dem Format.
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Yapital-Boss Nils Winkler will das
Schmerzzentrum ausschalten
Yapital-Geschäftsführer Nils Winkler möchte das Bezahlsystem als eine Art Schweizer Taschenmesser
für das Crosschannel-Geschäft etablieren. Mobile Payment - überall, jederzeit, kinderleicht.
Etliche renommierte Partner im Handel, darunter Rewe, Görtz und einige Versender konnte die
Tochter der Otto Group bereits überzeugen. Jetzt gilt es, die Kunden zu begeistern.
Kaum eine Woche vergeht ohne neue Meldungen, dass
ein Handelsunternehmen an Yapital andockt. Sie drücken ganz schön aufs Tempo. Nachholbedarf – oder ist
der Andrang so groß?
Nils Winkler: Nachholbedarf haben wir keinen. Wir sind von
Beginn an mit hohem Tempo unterwegs. Die Nachfrage im
Markt ist extrem hoch. Parallel entwickeln wir das Produkt
weiter.
Sie sind aber immer noch eher unterhalb des Radars
des Massenmarkts unterwegs.
Nils Winkler: Das ist kein Nachteil. Die Händler haben wir
unter Vertrag, aber da müssen natürlich erst auch noch die
technischen Implementierungen vollzogen werden. Aber wir
werden sicher schon in wenigen Monaten einen Punkt erreichen, an dem wir in der Breite stärker auf die Pauke hauen.
Wir trommeln dann gemeinsam mit dem Partner.
Und dann gibt es auch noch eine Yapital Mastercard.
Wozu denn das? Ich dachte, ich brauche mein Plastik
nicht mehr?
Nils Winkler: Die Yapital Mastercard kann man überall einsetzen, wo eine Bezahlung per QR-Code noch nicht möglich
ist. Außerdem ist Mobile Payment in der Masse noch nicht
im Herzen angekommen. Wenn man aber die Vorteile eine
mobilen Applikation mit der Guthaben-Funktion einer Karte
verbindet und der Kunde in Echtzeit Guthaben auf die Karte
laden kann, erhöht man die Flexibilität für den Verbraucher
enorm.
Ich muss die Karte immer aufladen?
Nils Winkler: Wie auch bei der Yapital-App können Sie künftig auch Autofunding wählen.
Warum fahren Sie beim Thema Guthaben zweigleisig?
Nils Winkler: Die eine Hälfte der Menschen möchte nicht
darüber nachdenken, ob sie gerade noch ein Guthaben haben.
Für diese mehr convenience-orientierten Kunden gibt es
Autofunding. Die andere Hälfte bevorzugt eine genauere
Kontrolle über ihr Budget und will gezielt Guthaben aufladen.
Aber auch das geht bequem binnen Sekunden.
Stichwort Vielfalt: Ist es derzeit nicht ein grundsätzliches Problem von M-Payment, dass zu viele Standards, Technologien, Handlingmethoden und Kassen-
systeme nebeneinander existieren? Wer wird sich da
durchsetzen – NFC oder Beacon?
Nils Winkler: Yapital (lacht). NFC im Handy unterstützen
wir nicht. Denn wenn Mobile Payment im Herzen der Kunden
ankommen soll, muss es so einfach wie möglich sein und die
Nutzung über alle Kanäle und Plattformen identisch. Da macht
es keinen Sinn über iPhone und Android-Handy unterschiedliche Wege anzubieten. NFC fehlt es zudem an Flexibilität. Ein
QR-Code ist dagegen universell einsetzbar. An der Kasse, an
der Plakatwand, im Regal, im Schaufenster in einer Anzeige.
Sie setzen also auf Beacon?
Nils Winkler: NFC in der Karte hat vielleicht noch einen
gewissen Convenience-Faktor, weil man die Karte bei Kleinbeträgen nur an das Kassensystem hält, aber dafür lohnt sich
der Aufwand nicht. Es kann aber auch auf Dauer nicht die
Lösung sein, einen Laden mit Beacon zuzupflastern und den
Kunden mit Informationen und Features zu bombardieren:
Wir nutzen die Bluetooth Low Energy (BLE) in erster Linie als
Funkverbindung zwischen dem Smartphone und dem Point
of Sale, wenn es kein Mobilfunknetz gibt. Beacon dürfte auch
noch nicht das Ende der Evolution sein. In Zukunft werden
noch eine ganze Reihe weiterer Technologien auf den Markt
kommen –Ultraschall oder auch intelligente LED, die mit dem
Handy kommunizieren.
“Man muss den
Bezahlvorgang so
selbstverständlich
wie möglich
gestalten.“
Yapital-Boss Nils Winkler gibt
NFC kaum eine Chance
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Fehlt es nicht ohnehin noch am Killer-Feature, das die
Nutzer wirklich für Mobile Payment begeistert?
Nils Winkler: Ein Schlüssel für den Erfolg wird in der
Einfachheit der Anwendung liegen. Beim Bezahlen wird im
Gehirn das Schmerzentrum angesprochen. Also muss man
den Bezahlvorgang so selbstverständlich gestalten, dass die
Kunden gar nicht mehr darüber nachdenken müssen. Hinzu
kommt: Wenn man nach dem Bezahlen etwas in Händen hält,
dann wird das Belohnungszentrum aktiviert. Das wird aber
mit einer reinen Mobile Payment-Anwendung nicht gelingen.
Da braucht es in der Tat Zusatzfunktionen.
„Im Web kann
der QR-Code eine
Alternative zum
Passwort und zur
E-Mail sein.“
Ein Beispiel bitte.
Nils Winkler: Finanztransaktionen von Nutzer zu Nutzer
beispielsweise, wenn Sie sich im Restaurant die Rechnung
teilen wollen, aber kein Bargeld dabei haben, haben einen hohen Reiz. Yapital bietet solch eine Funktion und wir beobachten hier eine steigende Nutzung.
Und wie steht es um digitale Treuepunkte, Coupons?
Noch fehlt das bei Yapital. Aber doch sicher nicht
mehr lange?
Nils Winkler: Wir bereiten da gerade etwas vor. Aber wir
werden uns dabei nicht zwischen Händler und Kunden
stellen. Stattdessen werden wir dem Händler erlauben,
seinen Kunden mit einer geringen Frequenz ein Angebot
auf das Handy zu schicken. Beispielsweise, wenn der Kunde
gerade im Laden steht. Was wir aber nicht wollen, ist, dass
der Kunden im Laden dann gerade womöglich Coupons eines
Mitbewerbers geschickt bekommt.
Glaubt man diversen Umfragen fehlt es den Kunden
noch am Vertrauen in das Bezahlen per Handy. Große
Marken haben da sicher einen Vertrauensvorschuss.
Müsste sich da nicht auch Yapital eher des vertrauenswürdigen Namens der Mutter Otto Group bedienen?
Nils Winkler: Im B2B-Bereich weiß natürlich jeder um die
Beteiligung der Otto Group. Aber wenn wir das im B2CBereich darstellen würden, würden wir einen gefühlten
Wettbewerb zu den Handelspartnern herstellen. Das wollen
wir nicht. Außerdem haben die Kunden ja auch ein hohes
Vertrauen in die Marken, bei denen sie regelmäßig einkaufen.
Davon profitiert dann ja auch Yapital.
Yapital ist in erster Linie ein Crosschannel-System.
Wo liegen die Vorzüge für einen Onlineshop?
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Nils Winkler: Die größten Vorteile hat sicherlich der Multichannel-Händler, weil ihm Yapital eine 360-Grad-Ansicht
seines Kunden verschafft. Was hat ein Kunde online eingekauft, was hat er im Laden geholt? Im Web kann der QR-Code
eine wesentliche Alternative zur Eingabe von E-Mail und
Passwort sein. Das ist bequemer und sicherer, weil wir jetzt
schon mit der Zwei-Faktor-Authentifizierung arbeiten. Wir
gehen davon aus, dass der Zwang zur Zwei-Faktor-Authentifizierung im Onlinehandel nicht mehr lange auf sich warten
lässt. Die EZB, die Nationalbanken und die Finanz-Aufsichtsbehörden der EU-Staaten arbeiten derzeit an entsprechenden
Empfehlungen. Außerdem stellen wir fest, dass Yapital-Nutzer
beim Online-Einkauf lieber den QR-Code nutzen, als E-Mail
und Passwort. Diese Kunden kommen zudem öfter in den Shop
und sind konsumfreudiger.
QR-Code, Pin und Passwort können doch wohl kaum
der Weisheit letzter Schluss sein? Gesichtserkennung
oder Bezahlung per Fingerabdruck auf dem Handy
klingen doch deutlich komfortabler.
Nils Winkler: Gesichtserkennung wäre mir zu unsicher. Aber
biometrische Daten werden eine zunehmende Rolle spiele. Ich
bin ein Fan von Voice Recognition. Noch ist die Technik dafür
in einem sehr frühen Stadium. Aber stellen Sie sich vor: Sie
stehen an der Kasse und sagen schlicht: „Ich bezahle mit Yapital“. Und der Kassierer sagt nur noch: Danke, Herr Kolbrück.
Auf Wiedersehen.“ Das wäre doch cool.
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Tolle Ideen für die
Zukunft des Handels
Digitale Komponenten versprechen dem stationären Handel einen zweiten Frühling. Wir
stellen spannende Lösungen vor, die das Smartphone noch mehr zum Einkaufsbegleiter Nummer 1 machen und zeigen, wie das Schaufenster sprechen lernt.
VIP:
Interaktive Lösungen für das Schaufenster der Zukunft gibt
es inzwischen reichlich. Einen interessanten Ansatz wählt
ameria mit der Virtual & Interactive Promotion (VIP). Über
eine Rückprojektion kann eine lebensgroße Promoterin und
anderer digitaler Inhalt auf eine Projektionsfläche „gebeamt“
werden. Die Interaktion erfolgt dann mittels Gestensteuerung.
Vorbeigehende Passanten werden mit Hilfe der Microsoft
Kinect erkannt und auf spielerische Weise angesprochen. Zusammen mit PayPal QR Shopping Funktionen kann dann auch
direkt am Schaufenster eingekauft werden, was der virtuelle
Berater empfiehlt. Seit Mitte Februar begrüßt beispielsweise
die virtuelle Promoterin „Anna“ in einer Testphase vorbeilaufende Passanten in Schaufenstern der BASE-Shops von ePlus
in Düsseldorf, Osnabrück und Ludwigshafen.
Cortexica:
Weltweit wird mit dem Smartphone fotografiert wie verrückt,
Modefotos werden via Instagram und Co schrilliardenfach
geteilt. Da macht eine Software Sinn, die die auf der Straße
fotografierten Schuhe oder das im Cafe abgelichtete Kleid
erkennt und per App entsprechende Vorschläge aus einem
Webshop liefert. „FindSimilar“ nennt sich die entsprechende
Software von Cortexica Visual Systems. Tesco und Zalando
gehören zu den Testern.
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Powa Tag:
Noch mehr Vielseitigkeit verspricht Powa Tag: Das Tool
macht es möglich, den Artikel direkt oder von einer Anzeige
abzufotografieren und dann sofort zu kaufen. So weit, so normal. Das Tool nutzt aber auch QR-Codes und Audiosignale
zur Erkennung. Dann kann man direkt aus der TV-Werbung
heraus bestellen.
Der lokale Handel soll aber nicht leer ausgehen. Erfolgt der
Kauf nach dem der Kunde beispielsweise ein Kleid in einem
Schaufenster fotografiert hat, dann wird der Verkauf mittels
ortsbezogenenen Daten und Beacon-Technologie dem Händler zugeschrieben.
Carrefour, Laura Ashley, Adidas, Burger King und andere testen das. Der Anbieter kassiert eine Provision für Geschäfte
über die eierlegende Wollmilchsau.
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Mall2Go
Ihr Arbeitgeber wird sich vermutlich bedanken, wenn plötzlich Lieferanten in Serie mit Obst, Gemüse und Wasserkästen
durchs Haus rennen, um den Mitarbeitern die WochenendEinkäufe zu bringen. Dennoch hat die Einkaufs-App Mall2Go
von T-Systems einen gewissen Charme. Derzeit testet der
Konzern die App, mit der die Mitarbeiter Lebensmittel mobil
bestellen und am gleichen Tag an den Schreibtisch liefern
lassen können. An die Multi-Shop-Plattform können unterschiedliche stationäre Einzelhändler andocken.
Yapital Business
Yapital launcht eine App eigens für Business-Kunden. Damit
erhalten auch kleinere Händler und Dienstleister wie Friseure,
Kioskbesitzer oder Taxifahrer die Möglichkeit, ihren Kunden
Bezahlen mit dem Smartphone anzubieten. Dazu wird dann
kein Kassensystem oder eine Dongle-Krücke, sondern nur
ein Smartphone oder ein Tablet-PC benötigt. Die YapitalBusiness-App generiert auf dem Display des geschäftseigenen
Endgerätes einen QR-Code, der mit einer Referenz hinterlegt
ist, über die die Zahlung abwickelt wird. Der Kunde scannt den
QR-Code mit der eigenen Yapital-App auf dem Smartphone,
mit einem Klick auf „Bestätigen“ sind Haarschnitt, Zeitschrift
oder Stadtfahrt bezahlt.
Density
Das klingt ein bisschen spooky: Die New Yorker DigitalAgentur Rounded will über die eindeutige Mac-Adresse von
Smartphones und eine App namens Density ermitteln, in
welchem Geschäft sich der Kunde vorher aufgehalten hat oder
in welches er womöglich danach geht. Damit sich das lohnt,
müssen die Händler kooperieren. Schöne Aussichten für
Werbung und so.
Shopkick
Kunden vor dem Schaufenster oder am Regal per Beacon-Stationen im Laden mittels Bluetooth-Low Energy Bonuspunkte,
Rabatte, Coupons oder auch nur Werbung aufs Handy zu
beamen, wird gerade zum Rettungsanker für den stationären
Handel hochgejazzt. Etliche App-Anbieter wittern da das
große Geschäft. Die womöglich besten Startchancen hat da
Shopkick.
Das Start-up hat in den USA bereits über 6 Millionen Mitglieder und kooperiert unter anderem mit Macy’s, Best Buy
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und JCPenney, hat also ordentlich Erfahrungen gesammelt.
ProSiebenSat.1 bringt Shopkick nun nach Deutschland, hat
sich mit einem einstelligen Millionenbetrag an der ShoppingApp beteiligt. Die verspricht ihrem Nutzer übrigens schon mal
einen Rabatt allein dafür, dass er den Laden betritt.
Pizza Hut
Pizza am Tisch virtuell selbst belegen. Diese Lösung der Chaotic Moon Studios schaut sich Pizza Hut an. Über einen Touchscreen auf der Tischoberfläche können Kunden Salami, Pilze,
Artischocken und so weiter auf ihre Wunschpizza packen,
direkt bestellen und dann per Smartphone zahlen.
Philipps
Sind Beacons wirklich der Weisheit letzter Schluss, um dem
Kunden ein Leuchtfeuer an Nachrichten auf das Handy zu
„funken“, wenn er im Laden ist? Vielleicht nicht. Philipps testet ein System mit LED-Lichtsignalen. Das sieht - zumindest
als InStore-Lösung - sehr interessant aus. DiePhilipps-Grafik
unten erklärt das Grundprizip.
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Mobile Commerce: Wer jetzt
nicht rennt, wird abgehängt
Muss sich der stationäre Handel wirklich mit Mobile Commerce beschäftigen? Brick & Mortar klingt doch alles andere als mobil. Wie dringend das Thema ist, zeigt sich daran,
welche Bedeutung Online-Wettbewerber dem mobilen Kunden beimessen. Da nicht mitzuspielen, konnte sträflich werden. Denn alle Signale stehen auf Wachstum.
D
er Handel im Web ist ein Onlinehandel der zwei
Geschwindigkeiten. Hier jene, die aufs Tempo
drücken und genauso wie der Kunde jeder KanalDenke abschwören, dort jene, die weiter Artikel 3 des Kölner
Grundgesetzes zitieren: „Et hätt noch emmer joot jejange.“
Doch 2014 gilt diese Formel nicht einmal mehr im Rheinland.
Hinterherzuhecheln, das mag in der alten Desktopwelt gerade
noch so gut gehen. Doch in der mobilen Konsumwelt mit ihren
nochmals beschleunigten und weiter ausdifferenzierenden
Innovationszyklen bei Technik und Kundenverhalten, werden
solche Händler endgültig den Anschluss verlieren.
Schon jetzt nutzt etwa jeder vierte Konsument ein Mobilgerät
mindestens einmal im Monat für den Online-Einkauf. Das
sagt die „Multichannel-Studie“ der Wirtschaftsprüfungs- und
Beratungsgesellschaft PwC.
Ziel 50 Prozent
Es ist da fast schon konservativ zu nennen, wenn die Otto
Group bis 2016 über alle Online-Marken hinweg 50 Prozent
des Online-Traffics mobil erwirtschaften will. Bereits heute
verbuchen einige der Online-Shops 30 Prozent (Otto.de) bis zu
40 Prozent der Besuche (myToys) über Smartphones und Tablets. Tendenz steigend. Dafür sorgt allein schon der Wandel
vom Desktop zum Tablet. Der Absatz der Tablets zieht locker
an den klobigen Rechnern vorbei. (Grafik: Statista)
Das beobachten auch andere Player.
Beispiel Zalando. Dort macht Mobile mittlerweile 35 Prozent des Traffic aus. Und der mobile Traffic kannibalisiert
nur zu einem Bruchteil den Desktop-Traffic. Jeder zehnte
Euro kommt mittlerweile auf diesem Weg in die Ladenkasse.
Beispiel Spreadshirt: Dort rechnet man damit, dass innerhalb
eines Jahres 25 Prozent des Umsatzes mit einem Besuch über
ein Tablet oder Smartphone beginnt.
Sie dürfen ruhig meinen, dass das wenig ist.
Ist es auch.
Bei eBay sind bereits 40 Prozent aller Transaktionen von
mobilen Technologien beeinflusst. Jede Sekunde wird in
Deutschland ein Artikel mobil gekauft.
2018 erreicht Mobile Commerce das heutige Volumen des
E-Commerce
Amazon und eBay haben Mobile, auch angesichts einer imposanten Menge an Mobile-only-Nutzern, denn auch längst ganz
oben auf der Agenda stehen. Mit der richtigen Strategie kann
sogar der stationäre Handel wieder aufschließen. Wal-Mart,
Best Buy und Target erreichen in den USA sogar einen noch
höheren Anteil an Mobile-only-Kunden als die Marktplätze.
Gerade den stationären Händler bietet zudem Mobile Payment
mittelfristig ein Einfallstor, um sich den hybriden Kunden
auch mobil ins Gedächtnis einzubrennen.
Eine Studie von eBay nennt die beliebtesten mobilen
Shopping-Kategorien
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alleine. ASAP54, unterstützt via e.ventures auch mit OttoGeld, will Mode auf der Straße und im Schaufenster per App
erkennen. Im Zweifel wird ein ähnliches Produkt angezeigt. Es
ist nicht der erste und sicher nicht der letzte Anlauf in diesem
Segment.
Zu optimistisch? Vielleicht. Denn glaubt man einer aktuellen
Verbraucherumfrage von eBay und Deloitte, denken die Kunden selbst eher noch etwas konservativer über die ShoppingZukunft. Aber die gleichen Verbraucher fanden vor zehn
Jahren vermutlich auch ein Handy noch nicht so wichtig.
Der Absatz der Tablets zieht locker an den klobigen Rechnern vorbei. Die haben gegenwärtig bessere Konversionsraten als Smartphones (unten). Das aber liegt auch an den
teils grottigen mobilen Auftritten der Händler
(Grafiken: Statista)
Bei den Top-Playern in den USA hält man eine Prognose von
Goldman Sachs vermutlich sogar noch für untertrieben: 2018
erreicht das weltweite Volumen von Mobile Commerce deren
Glaskugel nach nämlich das Volumen des gesamten E-Commerce-Volumens von 2013.
Amazon hat auf die ersten mobilen Anstrenungen des
Einzelhandels längst reagiert und pusht nun sogar das
Bilderkennungs-Feature Flow in seiner App. Damit hält man
die Smartphone-Kamera vor das Produkt, die Shopping-App
erkennt anhand von Größe, Form und Farbe das Produkt und
macht dann die Bestellung in einem Rutsch bei Amazon möglich. Ja, da weint der stationäre Handel. Doch das ist nur ein
Nebeneffekt. Amazon geht es um die Stärkung seines mobilen
Kanals. Jetzt - bevor es andere tun.
Denn Amazon ist mit der Bildererkennungsidee ja nicht
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Händler sehen das ein bisschen anders: 56 Prozent der OnlineHändler sind der Meinung, dass der Einkauf über mobile
Endgeräte das klassische Online-Shopping per Desktop oder
Notebook dauerhaft ablösen wird. 77 Prozent der deutschen
Online-Händler bereiten sich auf den Ansturm im M-Commerce vor. Zu diesem Ergebnis kommt die Umfrage des Forschungsinstituts ibi research an der Universität Regensburg.
Wer es nicht tut, der denkt womöglich an die Konversionsraten. Sie sind gerade auf dem Smartphone im Schnitt ein
Trauerspiel.
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Mobile Commerce-Studie:
Die griffbereite Einkaufstüte
wird Alltag
Douglas MacArthur ist der meistdekorierte Soldat in der
Geschichte der US-Streitkräfte. Der Mann hat der Nachwelt
auch einige interessante Überlegungen hinterlassen, wie
man Schlachten gewinnt. Quasi eine amerikanisierte Variante von der „Kunst des Krieges“ von Sunzi. „The history of
the failure of war can almost be summed up in two words: too
late“, lautet so ein Satz.
Aber auch da gilt: Wer das nicht hinbekommt, ist vielleicht
einfach selbst schuld daran und darf sich nicht wundern, wenn
vom Trend zu Mobile vor allem die Top-Handelsmarken profitieren, weil sie sich auch mobil im Relevant Set festsetzen.
Erste Schritte
Was also wäre als „Erste Hilfe“ zu tun, um als stationärer Hänlder mobil nicht völlig ins Hintreffen zu geraten.
Eine mobil optimierte Kundenansprache in den Mailings.
Schließlich werden immer mehr Mails mobil gelesen.
Eine mobil optimierte Website, die dem Kunden auf einfache
Art den Weg in den Laden anzeigt.
Ein, so er denn ansteht, Relaunch des Webshops, der zunächst
Mobile first in den Fokus rückt. Ganz sicher profitiert davon
auch die Desktop-Version.
Der Einsatz von Tablets im Laden zur Beratung des Kunden
samt einer Verknüpfung mit dem Warenwirtschaftssystem.
Dzu braucht es ein Warenwirtschaftsystem, das möglichst in
Echtzeit den Artikelbestand abfragt. Alternativ lassen sich
Batch-Prozesse einrichten, die die Verfügbarkeit beispielsweise zweimal am Tag abgefragen. Das gibt Sicherheit, wenn
der Mitarbeiter am Tablet für den Kunden die Ware bestellt.
Mobiles Web wird Alltag (Grafik: Statista)
Er könnte eine zur Veröffentlichung anstehende Mobile-Studie von Google und der Otto Group einleiten, die belegt, wie
weit sich Mobile schon in unserem Alltag eingenistet hat und
wie sehr die Zeit drängt, wenn Händler nicht den Anschluss
an den Mobile Commerce verlieren wollen.
Kernnaussage: In Deutschland besitzt 2014 jeder Zweite ein
Smartphone. 26 Prozent mehr als 2013. Bereits jeder fünfte
Bundesbürger hat 2014 ein Tablet. Ein Plus von 38 Prozent.
Und sie shoppen damit zunehmend wie selbstverständlich.
Andere Studien-Zahlen von Google zeigen, dass 67 Prozent
der Smartphone-Nutzer ohne Handy gar nicht mehr aus dem
Haus gehen ( jedenfalls nicht freiwillig). Beinahe jeder nutzt
es zuhause, 72 Prozent auch im Geschäft.
Die Untersuchung von Google zur Mobile Purchase Journey
belegt zudem, dass 53 Prozent der deutschen SmartphoneNutzer auch mit dem Handy shoppen. 95 Prozent tun das
rund um Fashion und Lifestyle, 80 Prozent bei Consumer
Electronics. Dabei wird das Smartphone vor allem abends
vor dem TV zur Produktinformation und zum Kauf genutzt.
Wichtig zu wissen: Dabei ist der Kunde selten direkt im
Kaufrausch, sucht eher Infos und Inspiration. Dem sollte die
Gestaltung des mobilen Shops Rechnung tragen.
Doch gerade auf mobilen Websites hapert es da noch. Etwas
mehr als jeder Zweite beklagt, dass er auf mobilen Websites
nicht genügend Informationen findet. Das sagen Studienergebnisse von ExactTarget aus den USA.
Dabei lassen sich gerade diese Nutzer gut aktivieren. 84 Prozent der Konsumenten, die sich in den letzten 6 Monaten für
E-Mails einer Marke angemeldet haben, haben basierend auf
diesen Mails bereits Käufe getätigt. Beinahe die Hälfte davon
nutzte für den Einkauf ein Mobilgerät. Kein Wunder: 91 Prozent der Anwender rufen mit dem Smartphone mindestens
einmal täglich ihre E-Mails ab.
Gut zu wissen für stationäre Händler: 73 Prozent der
Befragten halten das Freigeben der Standortdaten an einen
Shop für ziemlich oder sehr nützlich. Unter Umständen.
Denn natürlich müssen die Händler dann dafür auch etwas
bieten.
Aber um das zu wissen, muss man ja kein Sterne-General
sein.
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21
Digitalisierung: Bedrohung oder
Chance für lokale Händler?
Der Händler vor Ort kann immer noch gegen die Web-Welt punkten. Mobile Endgeräte nehmen
dabei eine Schlüsselrolle ein. Location Based Services werden zum wichtigen Instrument.
Stephan Theiß, Geschäftsführer von Gelbe Seiten Marketing, macht deshalb in einem Gastbeitrag für etailment den stationären Händlern Mut.
W
as liest man derzeit nicht alles über den Handel vor
Ort: von Sterbephasen ist die Rede, düsterer Zukunft,
verwaisten Fußgängerzonen oder gar Geisterstädten.
Schuld haben, so kann man im gleichen Atemzug lesen, die
bösen Händler aus dem World Wide Web. „Die Schleuse ist
offen. Die Onlinehändler werden dem klassischen Einzelhandel in den nächsten Jahren immer mehr und immer schneller
Umsätze wegnehmen“, stößt Handelsexperte Professor Gerrit
Heinemann in das gleiche Horn. Doch so schlecht kann ein real
anfassbarer Store doch nicht sein: Warum sonst eröffnen pure
Online-Player wie der Bekleidungshändler „Gap“ Geschäfte,
auch wenn sie nur zeitweise wie Pilze aus dem Boden schießen
(Stichwort: Pop-Ups)?
Doch zurück zu dem vermeintlichen Problemkind: der alt oder
neu eingesessene Handel. Dieser profitiert allen Unkenrufen
zum Trotz schon alleine dadurch, dass viele Shopper zwar
online suchen – aber dann lieber offline zuschlagen. So hat
beispielsweise eine Studie von Vodafone und Google ergeben,
dass 37 Prozent der Kunden „ROPO“ einkaufen: „Research
Online, Purchase Offline“. Online ordern im Vergleich dazu
nur 31 Prozent der Kunden. Schon hier wird sichtbar, dass
der lokale Handel weiterhin eine hohe Daseinsberechtigung
genießt. Verbraucher profitieren hier von mehreren Vorteilen: Sie können Produkte anschauen, ausprobieren, erhalten
eine persönliche Beratung und ein individuelles Angebot. Sie
können die Ware direkt mitnehmen und wissen, an wen sie
sich mit Serviceanfragen wenden können. Auch die Bezahlung
bei einem realen Kassierer empfinden viele im Vergleich zu
Online-Bezahldiensten nach wie vor als vertrauenswürdiger.
Dass die direkte Verfügbarkeit ein Vorzug des stationären
Handels ist, wissen auch Online-Händler. Sie versuchen
diesen Nachteil durch eine besonders schnelle Lieferung auszugleichen. Auch wenn die Mini-Drohnen, die Ware innerhalb
von 30 Minuten zu Kunden fliegen, noch Zukunftsmusik sind,
müssen Kunden heute nicht mehr lange auf ihre Bestellungen
warten. Aber die persönliche Beratung und die individuelle
Angebotsgestaltung im Laden können online nicht vollständig
umgesetzt werden.
Diese Stärken sind das Basiskapital des stationären Handels.
Die Frage ist, wie lokale Händler ihre Vorteile auch in der digitalen Welt ausspielen können, um perspektivisch nicht vom
E-Commerce ersetzt zu werden. Das Gebot der Stunde in diesem Fall: „If you can’t beat them join them.“ Denn die digitale
Welt bietet stationären Händlern viele Chancen: sie können
ihre Zielgruppen über einen zusätzlichen Kanal ansprechen
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und so neue Kunden ins Geschäft locken oder ihre Produkte
sogar selber online verkaufen. Voraussetzung ist es jedoch, mit
seinen Angeboten in der digitalen Welt präsent zu sein. Denn
wer online nicht gefunden werden kann, der existiert gerade
für jüngere Zielgruppen praktisch nicht.
In diesem Zusammenhang nehmen mobile Endgeräte eine
Schlüsselrolle ein. Es gilt, die „Always-on“-Gesellschaft
mit Angeboten, die mobile User interessieren, zur richtigen
Zeit dort abzuholen, wo sie sich bewegen. Diese Ausgangslage könnte Location Based Services (LBS) (endlich) zum
Durchbruch verhelfen. Seit Beginn des Handyzeitalters
wurden seitens der Anbieter immer große Hoffnungen mit
LBS verknüpft, lange waren Verbraucher jedoch zögerlich und
skeptisch, weil der Mehrwert fehlte oder nicht groß genug war.
Jetzt scheint sich das tatsächlich zu ändern.
Wie eine Untersuchung von Goldmedia zeigt, nutzt bereits
mehr als die Hälfte der Nutzer mehrmals im Monat Location
Based Services. Jeder Vierte plant, diese noch häufiger zu verwenden. Viele standortbezogene Dienste beruhen derzeit noch
darauf, dass aktiv nach etwas gesucht wird – wie bei der Suche
nach dem nächstgelegenen Schuhladen oder der Recherche
nach der Edelboutique in der Umgebung.
Idealerweise erreichen die Händler vor Ort den User jedoch,
ohne dass er aktiv werden muss. Es geht darum, über Technologie und digitale Informationen das reale Leben der Menschen zu erleichtern. In der Praxis sieht das dann so aus, dass
der Nutzer anhand seiner Interessen die zu ihm passenden Angebote bekommt. Aber eben nicht mehr als Pull-, sondern als
Push-Dienst: Die guten Angebote müssen den Nutzer finden –
lautet daher die Devise. Sie kommen ihm überspitzt formuliert
in den Mund geflogen. Damit sich diese Technologie allerdings
durchsetzt, muss der Handel erstens Aufklärung betreiben und
zweitens den verantwortungsvollen Umgang mit Kundendaten
zusichern.
Über den Autor:
Stephan Theiß, Geschäftsführer von Gelbe
Seiten Marketing, ist diplomierter Wirtschaftsinformatiker. Vor seiner Zeit bei
Gelbe Seiten verantwortete er als Leiter des
Produktmanagements bei der 1&1 Internet
AG das Mobilfunkgeschäft. Davor hat er
als Unternehmer Software- und InternetUnternehmen aufgebaut.