Dr. Peter Hitpaß Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen eV

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Dr. Peter Hitpaß Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen eV
Dr. Peter Hitpaß
Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.
Hamburg - Mecklenburg-Vorpommern - Schleswig-Holstein
Neue Medien und Mietrecht -
I.
Überblick
Breitbandkabel- und Satellitenempfang halten sich in Deutschland mittlerweile die
Waage. In Deutschland gab es im Juli 2010 37,5 Millionen TV-Haushalte. Davon
empfangen 19,3 Millionen Haushalte (Marktanteil 51,4 Prozent) das klassische
Kabelfernsehen. 16 Millionen Haushalte (Marktanteil 42,8 Prozent) empfangen ihre
Fernseh- und Radioprogramme über Satellit. 4,2 Millionen TV-Haushalte nutzen DVB-TTechnik (Marktanteil 11,1 Prozent) und 0,9 Millionen TV-Haushalte (Marktanteil
2,3 Prozent) nutzen das Internetfernsehen IPTV. (Das deutsche Breitbandkabel, Fakten
und Perspektiven 2011, Anga Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber e.V., S. 3).
Die Digitalisierungsquote ist von 25,7 Prozent in 2005 auf 67,8 Prozent in 2011
gestiegen. Mitte 2011 haben 25,5 Millionen Haushalte (67,8 Prozent) ihre
Fernsehprogramme digital empfangen, 12,1 Millionen Haushalte (32,2 Prozent) nutzen
noch den klassischen analogen Empfang (Digitalisierungsbericht 2011, Die
Medienanstalten in Verbindung mit TNS Infratest Media Research).
Im Jahr 2011 waren 77 Prozent der privaten Haushalte mit einem Internetzugang
ausgestattet, davon besaß die Mehrheit (93 Prozent, 28 Millionen private Haushalte)
eine schnelle Internetverbindung (Breitbandanschluss). Die Zugangswege zum Internet
sind sehr vielfältig, eine Reihe von Haushalten nutzt dabei mehrere Verbindungsarten.
Am weitesten verbreitet ist der DSL-Anschluss (82 Prozent der Haushalte mit
Internetzugang nutzen diese Art des Breitbandanschlusses). 1/3 der Haushalte mit
Internetzugang (29 Prozent) verwendete weitere Breitbandanschlussarten, um ins
Internet zu gelangen. Hierzu zählen kabelgebundene Internetanbindungen z.B. über TVKabel, Stromkabel oder Glasfaserkabel, mit denen 11 Prozent der Haushalte mit
Internetzugang
ausgestattet
waren
(Statistisches
Bundesamt
Deutschland,
Pressemitteilung Nr. 474 vom 19. Dezember 2011).
Der Begriff Neue Medien bezieht sich auf zeitbezogene neue Medientechniken.
Anfänglich wurde damit das Radio bezeichnet, in den Anfängen des Fernsehens wurde
der Begriff dafür gebraucht, und mit dem Aufkommen von Videotext und BTX wurden
diese als Neue Medien ausgezeichnet. Seit Mitte der 1990er Jahre ist er für alle
elektronischen, digitalen, interaktiven Medien und im Kontext Multimedia und
Netzpublikationen gebräuchlich (http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Medien, aufgerufen
am 23. Februar 2012).
II.
Die Rechtsprechung
Die Rechtsprechung wird im Laufe der Jahre und Jahrzehnte immer wieder mit
technischen Entwicklungen konfrontiert. Sie reagiert darauf immer mit den Mitteln des
Mietrechts. Meilensteine dazu sind die ersten Breitbandkabelnetze Anfang der 1980er
Jahre, die ersten Set-Top-Boxen im Jahr 1988, das Auftauchen von Parabolantennen in
den 1990er Jahren, die Ausweitung der Fremdsprachenprogramme im analogen wie
auch im digitalen Bereich in den Breitbandkabelnetzen ab dem Jahr 2000, die
-2Einführung der DVB-T-Technik im Jahr 2003, der Start des Internetfernsehens ab 2009
und das Auftauchen der ersten Smart-TVs ab dem Jahr 2011.
III. Die Parabolantennen
Seit Einführung des Breitbandkabels in den 1980er-Jahren und dem Aufkommen von
Satelliten-/Parabolantennen im Verlauf der 1990er-Jahre ist diese Technik Gegenstand
von Gerichtsurteilen. Vermieter und Mieter streiten darum, ob der (ausländische)
Mitbürger Fernseh- und Radioprogramme in seiner Heimatsprache über eigens
angebrachte Parabolantennen empfangen, oder ob der Vermieter ihn auf das
Fremdsprachenangebot im deutschen Breitbandkabel verweisen darf.
Ausgangspunkt bzw. „Mütter aller Urteile“ waren zwei Rechtsentscheide des OLG
Frankfurt/Main bzw. des OLG Karlsruhe (OLG Frankfurt/Main, Rechtsentscheid vom 22.
Juli 1992, NJW 1992, S. 2490; OLG Karlsruhe, Rechtsentscheid vom 24. August 1993,
NJW 1993, S. 2815). Beide Rechtsentscheide gewähren einem ausländischen Mieter
das Recht auf Anbringung einer Parabolantenne unter Berufung auf das Grundrecht der
Informationsfreiheit. Das Grundrecht des Hauseigentümers oder Vermieters auf
Eigentum habe dagegen zurückzustehen.
Auch das BVerfG beschäftigte sich mit mehreren Beschlüssen im Verlauf der 1990erJahre mit der Thematik (Beschluss vom 9. Februar 1994, WuM 1994, S. 251; Beschluss
vom 15. Juni 1994, WuM 1994, S. 365; Beschluss vom 14. September 1995, WuM
1995, S. 693). Dabei bestätigte das BVerfG die beiden Rechtsentscheide und billigte
einem türkischen Staatsangehörigen trotz bestehendem Kabelanschluss die Installation
einer Parabolantenne „angesichts der kleinen Zahl ausländischer Programme, die in das
inländische Kabelnetz eingespeist werden,“ zu.
Bis zur Jahrtausendwende entwickelte sich eine widersprüchliche Rechtsprechung: Ein
Teil der Gerichte war der Auffassung, der Mieter habe jedenfalls dann einen Anspruch
darauf, dass der Vermieter die Anbringung einer Parabolantenne für den
Satellitenempfang genehmige, wenn ein Kabelanschluss nicht bestehe und die
vorhandene Gemeinschaftsantenne des Hauses nur den Empfang der üblichen drei
bzw. der terrestrisch (über Antenne) empfangbaren Fernsehprogramme ermögliche. Von
anderen Zivilgerichten wurde ein derartiger Anspruch des Mieters abgelehnt. Dabei
wurde
unter
Abwägung
der
verfassungsmäßigen
Grundrechte
dem
Eigentumsgrundrecht des Vermieters der Vorrang vor dem Informationsrecht des
Mieters gegeben. Die Rechtsprechung hat sich dabei insbesondere auf ästhetische
Gesichtspunkte berufen, die eine Verunstaltung des Mietobjekts durch die
Parabolantennen nicht zuließen.
Seit der Jahrtausendwende hat sich die Rechtsprechung unterschiedlich
weiterentwickelt. Eine einheitliche Linie oder herrschende Meinung ist nicht zu erkennen.
In den Urteilen tauchen die Problembereiche Informationsfreiheit, Ästhetik,
Staatsangehörigkeit oder Berufsausübung in unterschiedlichen Fallgestaltungen immer
wieder auf. Dabei kommen die Gerichte bei gleich oder ähnlich gelagerten
Sachverhalten teilweise zu völlig unterschiedlichen rechtlichen Einschätzungen, die wir
im Folgenden darstellen.
Zwischenzeitlich handelt es sich bei den Haushalten, die ihre Fernseh- und
Radioprogramme mittels einer Parabolantenne empfangen, nicht nur um ausländische
Mitbürger, sondern zunehmend auch um Deutsche. Das juristische Informationssystem
„Juris“ verzeichnet zur Stichworteingabe „Parabolantenne“ über 995 Treffer. Deshalb
erhebt die folgende Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung keinen Anspruch auf
Vollständigkeit.
-3-
IV. Die Rechtsprechung im Mietrecht von 2000 bis 2012
1.
AG Herne-Wanne, Urteil vom 28. Juli 2000, WuM 2001, S. 277 - Ästhetik
Eine auf mobilem Ständer ohne feste Verbindung mit dem Baukörper auf dem
Balkon der Mietwohnung installierte Parabolantenne braucht der Mieter auf das
Verlangen des Vermieters nicht zu beseitigen, sofern eine einschlägige ästhetische
Beeinträchtigung des Hausanblicks nicht besteht. Das Gericht hat nach einer
Besichtigung vor Ort Folgendes ausgeführt.
„Angesichts der Höhe des Ständers wird deutlich, dass eine ästhetische
Beeinträchtigung vorliegend nicht zu erwarten ist, zumal im Sommer, wenn – wovon
sich das Gericht an Ort und Stelle überzeugen konnte – der Balkon mit
Balkonblumen so versehen ist, dass praktisch ein Blick auf die
Satellitenempfangsanlage von dem Hauszugang aus praktisch nicht möglich ist. Die
von den Beklagten hier betriebene Satellitenempfangsanlage ist letztlich nicht
anders zu beurteilen als ein aufgestellter Sonnenschirm, den naturgemäß bei
entsprechender Wetterlage ein Blitz treffen kann, der vom Balkon herunterfallen
kann und somit zu Schäden bei Dritten führen kann. Da die
Satellitenempfangsanlage jedoch nicht mit dem Baukörper verbunden ist, scheidet
zur Überzeugung des Gerichts eine mögliche Haftung bei vielleicht eintretenden
Schäden der Klägerin aus. Es ist vorliegend allein Sache der Beklagten, für
derartige Schäden zu haften, nicht anders als bei einem vom Winde verwehten
Sonnenschirm“, so das Gericht.
2.
LG Erfurt, Urteil vom 17. August 2001, GE 2001, S. 1467 ff. - Ästhetik
Die Installation einer Parabolantenne auf dem Balkon bedarf der Genehmigung des
Vermieters, der optische und ästhetische Veränderungen am Haus nicht
einschränkungslos
zu
dulden
hat.
Bei
Vorhandensein
einer
Gemeinschaftsantennenanlage muss der Vermieter auch eine relativ geringe
optische Beeinträchtigung durch eine Parabolantenne auf dem Balkon (hinter der
Balkonverkleidung nur schemenhaft sichtbar) nicht dulden.
3.
LG Coburg, Az. 33 S 90/01, AG Kronach, Az. 1 C 665/00, MMR 2001/10, S. XII f. Informationsfreiheit
Das LG Coburg hat die Anbringung einer Parabolspiegel-Antennenanlage an der
Außenwand einer Mietwohnung für zulässig erklärt, indem es das vorinstanzliche
Urteil des AG Kronach im Wesentlichen bestätigt hat. Die Beklagten montierten an
die Außenwand an der Rückseite ihrer Mietwohnung eine ParabolspiegelAntennenanlage, obwohl das Gebäude an das Breitbandkabelnetz angeschlossen
war. Sie nutzten die Anlage dazu, mehrere Fernsehprogramme ihres Heimatlandes
zu empfangen. Beide Gerichte waren der Auffassung, dass in diesem Fall das
Anbringen der Antennen noch zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache im
Sinne der §§ 535, 536 BGB (alter Fassung) gehört. Zu dieser Einschätzung kamen
sie nach einer Abwägung des Grundrechts des Mieters auf Informationsfreiheit nach
Art. 5 GG und des Vermieters aus Art. 14 GG hinsichtlich der äußeren Gestaltung
seines Gebäudes. Zwar könne das Recht des Mieters auf Informationsfreiheit dann
hinter den Eigentumsinteressen des Vermieters zurücktreten, wenn der Vermieter
über einen Breitbandkabelanschluss oder mittels Installation einer Hausantenne die
Voraussetzungen für den Empfang ausländischer Rundfunkprogramme in der
Muttersprache des Mieters bereits geschaffen hat. Eine Verweisung auf derartige
technische Empfangsmöglichkeiten werde jedoch dem Informationsinteresse des
Mieters dann nicht gerecht, wenn er auf einen Kabelanschluss verwiesen wird, der
ihm nur einen beschränkten oder gar keinen Zugang zu seinem Heimatprogramm
-4verschaffe. Da in diesem Fall nur die Möglichkeit bestehe, lediglich ein
entgeltpflichtiges Fernsehprogramm über den Kabelanschluss zu beziehen, das
Informationsinteresse aber grundsätzlich auch das Recht umfasse, sich aus
verschiedenen unabhängigen Quellen zu informieren, sei dem Informationsinteresse
der Vorrang einzuräumen.
4.
AG Regensburg, Urteil vom 20. Januar 2003, WuM 2007, S. 287 - Mobiler
Ständer
Ist im Mietvertragsformular (nur) das „Anbringen“ von Einzelantennen nicht erlaubt,
so ist der Mieter berechtigt, in dem von ihm mitgemieteten Garten auf einem
Ständer eine normal große Satellitenschüssel aufzustellen. Allein der Umstand,
dass der Vermieter aus ästhetischen oder „ideologischen“ Gründen
Parabolantennen ablehnt, gibt ihm nicht das Recht, in seinem Eigentum
grundsätzlich eine Nutzung von Parabolantennen zu untersagen.
5.
LG Berlin, Beschluss
Staatsangehörigkeit
vom
27.
November
2003,
GE
2004,
S. 181 -
Ein ehemals ausländischer Mieter kann sich nach seiner Einbürgerung nicht auf die
Rechtsprechung des BVerfGs berufen, wonach über das bestehende Kabelnetz ein
Anspruch auf Anbringung einer Parabolantenne zur Information mit
heimatsprachlichen Sendungen besteht.
6.
LG Magdeburg, Urteil
Staatsbürgerschaft
vom
19.
Februar
2004,
ZMR
2004,
S. 757 -
Kann der ausländische Mieter fünf Programme über Kabel-TV (mit Zusatzgerät)
empfangen und stört die geplante Parabolantenne nennenswert das Gesamtbild der
Außenfassade, so ist dem Eigentumsrecht des Vermieters der Vorrang
einzuräumen.
7.
BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. Januar 2005, NZM 2005, S. 252 Staatsangehörigkeit
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass es nach der
fachgerichtlichen Rechtsprechung dem ausländischen Mieter regelmäßig zugemutet
werden kann, die Kabelanlage statt einer Satellitenempfangsanlage zu nutzen,
wenn auf diese Weise Zugang zu Programmen in der Sprache des ausländischen
Mieters besteht. Bei der mietrechtlichen Prüfung eines Rechts auf Anbringung einer
Parabolantenne sind für den Bezug der Programmpakete mit weiteren
ausländischen Programmen aufzubringende Kosten in der Abwägung zwischen den
Vermieter- und Mieterinteressen zu berücksichtigen. Es ist verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden, wenn die Abwägung zulasten des Mieters ausfällt, sofern die
Zusatzkosten nicht so hoch sind, dass sie nutzungswillige Interessenten
typischerweise davon abhalten, das Programmpaket zu beziehen.
8.
AG Frankfurt, Urteil vom 9. Februar 2004, ZMR 2005, S. 458 - Deutscher
Einem deutschen Staatsangehörigen steht kein Anspruch auf Installation einer
Parabolantenne zu, um sich - z.B. aus beruflichen oder privaten Gründen - über
ausländische Medien informieren zu können. Eine Gleichbehandlung mit
ausländischen Mitbürgern, denen auf diese Weise eine Teilhabe am politischen und
kulturellen Leben ihrer Heimat ermöglicht werden soll, kann nicht verlangt werden.
-59.
AG Reutlingen, Urteil vom 14. Dezember 2005, WuM 2006, S. 190 Staatsangehörigkeit
Ein inländisch aufgewachsener, deutscher Nutzer einer Genossenschaftswohnung,
der Moslem geworden ist, hat keinen Anspruch auf Installation einer
Parabolantenne. Die Installation dieser Antenne entsprach im Streitfall nicht dem
vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache.
10. AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 19. Dezember 2005, WE 2006, S. 138 Mobiler Ständer
Sind sowohl über das Kabelnetz als auch über eine Gemeinschaftssatellitenanlage
als alternative Empfangsmöglichkeiten je sieben türkischsprachige TV-Programme
gegen ein monatliches Entgelt von 8 bis 26 Euro zu empfangen, ist das Aufstellen
einer mietereigenen SAT-Schüssel neben der Terrasse (Gemeinschaftsfläche)
rechtswidrig. Eine SAT-Schüssel beeinträchtigt im Gegensatz zu Gartenmöbeln das
Gestaltungsrecht des Vermieters am Garten.
11. KG Berlin, Urteil vom 11. Oktober 2007, NZM 2008, S. 39 - Deutscher
Ein deutscher Staatsangehöriger kurdischer Herkunft kann das vom Vermieter
verlangte Entfernen einer Parabolantenne auf dem Balkon der Wohnung, mit der
kurdische Fernsehprogramme empfangen werden können, und das allein auf den
Wechsel der Staatsangehörigkeit gestützt wird, jedenfalls dann erfolgreich
abwehren, wenn der Vermieter dem Mieter vietnamesischer Staatsangehörigkeit,
der die darunter liegende Wohnung bewohnt, die Anbringung einer vergleichbaren
Parabolantenne gestattet hat.
12. AG Hamburg-Altona, Urteil vom 13. Dezember 2007 - Ästhetik
Das Urteil erging gegen ein VNW-Mitgliedsunternehmen. Nach den
Entscheidungsgründen des Urteils war das Unternehmen verpflichtet, die
Parabolantenne auf dem Balkon ihrer Mieter zu dulden, da eine ästhetische
Beeinträchtigung der Fassade des Gebäudes damit nicht verbunden war. Aus den
Entscheidungsgründen:
„So vielfältig wie die Menschen sind, so breit muss die Spannweite zulässiger
Gestaltungen auch des Balkonbereichs sein. Ein Mehrfamilienhaus wie dasjenige
der Klägerin bekommt Gesicht dadurch, dass die geometrische Form durch die
unterschiedlichen Gestaltungen seitens der Mieter eine Veränderung erfährt, die
dem Erscheinungsbild individuelle Züge verleiht . . . Die den vielen rechten Winkeln
und quadratischen Formen entgegenstehenden gelegentlichen eingestreuten Kreise
bzw. erkennbaren Halbkreise der Parabolantennen bedeuten einen gelungen
Kontrast, der den Zweck des Gebäudes, nämlich ein möglichst freientfaltetes
Wohnen zu ermöglichen, auf positive Art unterstreicht.“
13. AG Frankfurt, Urteil vom
Fremdsprachenprogramme
20.
August
2009,
ZMR
2010,
S. 123 -
Bietet der Kabelnetzbetreiber ausreichend Programme in der Heimatsprache des
Mieters an, können die Mieter erfolgreich hierauf verwiesen werden und müssen
eine eigenmächtig angebrachte SAT-Schüssel entfernen.
14. LG Krefeld, Urteil vom 10. März 2010, WuM 2010, S. 293 - Staatsangehörigkeit
Der Vermieter kann die Erlaubnis zur Installation einer Parabolantenne auf dem
Balkon widerrufen, wenn der ausländische Mieter Rundfunkprogramme aus seinem
-6Heimatland über eine neuinstallierte Gemeinschafts-Satellitenanlage des Vermieters
empfangen kann.
15. AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 22. Juni 2011, MIETERJOURNAL 3/2011,
S. 15 - Ästhetik
Das Anbringen der Parabolantenne an der Fassade des Hauses stellt einen
vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache dar. Eine Erlaubnis des Vermieters wurde
nicht erteilt.
16. AG Regensburg, Urteil vom 14. September 2011, WuM 2011, S. 617 - Ästhetik
Das Aufstellen einer unauffälligen Parabolantenne an unauffälliger Stelle ohne
nennenswerte ästhetische Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters ist dem
Wohnungsmieter im mitvermieteten Gartenteil des Hausgrundstücks durch
Formularmietvertrag nicht zu untersagen.
V. Digitale Fremdsprachenprogramme, Rechtsprechung von 1998 bis 2007
Seit Einführung der sogenannten Set-Top-Boxen (später Decoder) und der Promotion
digitaler Fremdsprachenprogramme durch die großen Kabelnetzbetreiber hat sich in
diesem Segment eine eher vermieterfreundliche Rechtsprechung entwickelt. Die
Botschaft: Dem (ausländischen) Mieter kann zugemutet werden, die Kosten für einen
Digitalanschluss zu übernehmen, um dann ausreichend Fremdsprachenprogramme in
seiner Heimatsprache empfangen zu können. Auch für eine Parabolantenne fallen
Kosten an, unter finanziellen Aspekten seien diese Sachverhalte ähnlich zu beurteilen.
Kabel Deutschland bietet in seinem Senderpaket Kabel International im Moment 37
Programme in Englisch, Griechisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch,
Spanisch und Türkisch an (www.kabeldeutschland.de, aufgerufen am 26. Januar 2012).
Die Basis für die Rechtsprechung zu den Digitaldecodern legte ein Urteil des LG
Lübeck:
1. LG Lübeck, Urteil vom 29. Dezember 1998, NZM 1999, S. 1044
Die erste Entscheidung, die sich mit der Problematik der Set-Top-Boxen
auseinandersetzt, ist ein Urteil des Landgerichts Lübeck vom 29. Dezember 1998
(NZM 1999, S. 1044). Das LG Lübeck hat entschieden, dass ein türkischer Mieter
keinen Anspruch auf Anbringung einer Parabolantenne hat, wenn er türkische
Fremdsprachenprogramme auch mittels einer Set-Top-Box oder einer Smart-Card
empfangen kann.
Im
streitgegenständlichen
Fall
konnte
der
Mieter
ein
türkisches
Fremdsprachenprogramm über den Breitbandkabelanschluss empfangen. Nach
Auskunft der Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen in Kiel vom 12.
November 1998 hatte der Mieter darüber hinaus die Möglichkeit mithilfe einer
sogenannten Set-Top-Box sowie einer Smart-Card der Deutschen Telekom AG zwei
digitale türkischsprachige Programme zu empfangen. Vor diesem Hintergrund sah
das Gericht die Weigerung des Wohnungsunternehmens, der Installation einer
Parabolantenne zuzustimmen, nicht als treuwidrig an.
„Die Kläger (Mieter) haben nichts dazu vorgetragen, dass diese insgesamt drei
Programme nicht geeignet und in der Lage sind, ihren Anspruch auf Information zu
befriedigen. Auch fehlt es an jeglichem Vortrag dazu, dass und aus welchen
-7Gründen diese über eine Parabolantenne zu empfangenden türkischsprachigen
Programme die Interesse der Kläger in geeigneter Form wahren würden. Den
Einwand der Kläger, dass ihnen aus finanziellen Gründen die Anschaffung und der
Betrieb der sogenannten Set-Top-Box nicht zumutbar sei, hält die Kammer nicht für
überzeugend. Auch die Anschaffung und fachgerechte Installation einer
Parabolantenne verursacht Kosten. Diese unterscheiden sich nicht so erheblich von
denen einer Set-Top-Box, als dass dies entscheidendes Gewicht bei der Abwicklung
der übrigen Interessen zwischen Mieter und Vermieter haben könnte.
Aus den vorstehenden Gründen vermag die Kammer keine Umstände festzustellen,
die zugunsten des Informationsinteresses der Kläger die Gestattung einer
Parabolantenne gebieten würden. Denn selbst wenn die Kläger trotz deutscher
Staatsangehörigkeit für ihre Information auf türkischsprachige Programme
angewiesen sind, ist dieses Bedürfnis doch durch das vorhandene Angebot genügt.“
In der Folgezeit haben sich mehrere Gerichte mit dieser Problematik beschäftigt und
zumeist im Sinne des Vermieters entschieden. Der Mieter musste in den jeweiligen
Fällen sich auf eine Set-Top-Box verweisen lassen, er durfte eine eigene
Parabolantenne nicht installieren. Zwischenzeitlich scheint sich eine Rechtsprechung
mit einer herrschenden Meinung auf der Basis des Urteils des LG Lübeck
herauszukristallisieren. Im Folgenden zitieren wir dazu einige Urteile:
2. LG Konstanz, Urteil vom 23. November 2001, WuM 2002, S. 210
Bei der Abwägung der widerstreitenden, grundrechtlich geschützten Interessen von
Mieter und Vermieter sind seine Staatsangehörigkeit (hier: aus Kasachstan
stammender Deutscher), vorhandene Kenntnisse der deutschen Sprache und (hier
erfolgte) Integration zu berücksichtigen. Das Interesse eines in der Bundesrepublik
Deutschland lebenden Ausländers, durch Empfang der Programme seines
Heimatlandes die kulturelle und sprachliche Verbindung aufrecht zu erhalten und
sich über das dortige Geschehen zu unterrichten, ist anzuerkennen. Besteht die
Möglichkeit, über einen vorhandenen Kabelanschluss mittels eines Decoders,
dessen Anschaffungskosten deutlich unter denen des Erwerbs und der Installation
einer Parabolantenne liegen, ein gebührenpflichtiges Vollprogramm des Heimatlands
zu empfangen, könne das Informationsinteresse des Ausländers beim Vorliegen
weiterer Umstände hinter dem Eigentumsinteresse des Vermieters zurücktreten.
3. LG München I, Urteil vom 5.August 2004, WuM 2004, S. 659
Der Vorteil der Programmvielfalt des über Parabolantenne zu empfangenden
ausländischen Rundfunks und der Nachteil eingeschränkter Programmvielfalt und
höherer Kosten des Kabelempfangs mit Set-Top-Box begründen den Anspruch des
deutschen Wohnungsmieters gegen den Vermieter auf Duldung der Installation einer
Satellitenschüssel zugunsten des Informationsbedürfnisses seines türkischen
Lebensgefährten in nicht eingetragener Lebenspartnerschaft.
4. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14. Februar 2005, WuM 2007, S. 379
Ist die Wohnung mit Breitbandkabelanschluss ausgestattet, der digitale
Zusatzprogramme empfangen lässt, ist regelmäßig ein sachbezogener Grund
gegeben, dass der Vermieter dem Mieter die Installation einer Parabolantenne am
Gebäude nicht erlaubt.
5. AG Hamburg-Harburg, Urteil vom 22. März 2006, WE 2006, S. 130
-8Dieses Urteil ist zugunsten eines VNW-Mitgliedsunternehmens ergangen. Es konnte
von seinen Mietern verlangen, die an einem Balkongeländer installierte
Parabolantenne zu entfernen. Die Mieter hätten unstreitig die Möglichkeit, durch
digitales Fernsehen bei Anschaffung eines Decoders insgesamt neun türkische
Programme zu empfangen. Deshalb musste das Informationsinteresse der Mieter
hinter dem Interesse des Wohnungsunternehmens an der Wahrung eines
einheitlichen optischen Gesamteindrucks der Hausfassade zurücktreten.
VI. Das digitale Antennenfernsehen - DVB-T: Rechtsprechung von 2003 bis 2005
DVB-T (Digital Video Broadcasting Terrestrial) ermöglicht die Übertragung von
Fernsehprogrammen über eine herkömmliche Hausantenne. Der Umstieg von der
analogen auf die digitale Terrestrik begann 1998 und wurde 2008 bundesweit
abgeschlossen. Damit wurde in Deutschland die Fernsehverbreitung über die
terrestrische Antenne abgeschafft und auf eine kleine digitale Antenne umgestellt. Ein
Vorteil von DVB-T ist die Möglichkeit des portablen und mobilen Empfangs, d.h. digitale
TV-Bilder oder Datendienste können von kleinem Minifernseher im Auto oder vom
Taschencomputer über eine bleistiftgroße Stabantenne empfangen werden.
Das digitale Fernsehen ist am 4. August 2003 in der Region Berlin/Potsdam gestartet.
Die letzten analogen Rundfunknetzsender wurden am 25. November 2008 auf DVB-T
umgestellt. Der DVB-T-Versorgungsgrad der Bevölkerung in Deutschland liegt bei über
90 Prozent. Mehr als 74 Millionen Deutsche können das digitale Antennenfernsehen
über eine Hausantenne - auf oder unter dem Dach - empfangen (10 Jahre DVB-T in
Deutschland, Bericht des Umstiegs von analogem auf digitales Antennenfernsehen in
Deutschland, erstellt von: Taskforce DVB-T Deutschland von ARD und ZDF, S. 3, 6).
DVB-T konnte sich bis heute in der Wohnungswirtschaft nicht durchsetzen. Die
überwiegende Mehrheit der Wohnungsunternehmen setzt auf Breitbandkabel bzw.
Satellitenempfang über eine Gemeinschaftsantennenanlage. Bundesweit nutzen
lediglich 4,2 Millionen Haushalte DVB-T.
Gegenwärtig werden in Hamburg 28 Programme, in Mecklenburg-Vorpommern 8 und in
Schleswig-Holstein 24 DVB-T-Programme ausgestrahlt (Quelle: www.dvb-tnord.de/programme/index.html, aufgerufen am 26. Januar 2012). Damit ist dieses
Programmangebot dem Spektrum bei Breitbandkabel und Satelliten deutlich unterlegen.
Gerichtsurteile datieren nur aus dem Zeitraum 2003 bis 2006, nahezu ausschließlich aus
Berlin. Danach waren DVB-T-Anlagen nicht mehr Gegenstand gerichterlicher
Auseinandersetzungen.
Folgende Urteile beschäftigen sich mit der Materie:
1. LG Berlin, Beschluss vom 21. August 2003, GE 2003, S. 1613
Der Vermieter ist nicht aufgrund seiner Instandhaltungspflicht verpflichtet, dem Mieter
den Empfang digitalen Fernsehens zu ermöglichen oder ihm eine Set-Top-Box zu
stellen.
Nach Einstellung des terrestrischen Fernsehempfangs in Berlin erwarb der Mieter eine
Set-Top-Box zum Empfang des seit 1. März 2003 digital ausgestrahlten
Fernsehprogramms. Er verlangte vom Vermieter den Ersatz der Anschaffungskosten.
Nach Auffassung des Landgerichts hat der Mieter keinen Anspruch auf Instandsetzung
der Wohnung zum digitalen Fernsehempfang. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz
wegen Mangelbeseitigung scheidet aus, da der Vermieter den Wegfall des
-9herkömmlichen Fernsehempfangs nicht zu vertreten hat. Der Wegfall des
herkömmlichen Fernsehempfangs beeinträchtigt auch nicht den vertragsgemäßen
Gebrauch der Mietsache. Aus dem Mietvertrag lässt sich nicht herleiten, dass der
Vermieter immer für eine Fernsehempfangsmöglichkeit zu sorgen hat. Der Mieter hat
lediglich das Recht, auf eigene Kosten andere Möglichkeiten - insbesondere eine
Satelliten-Anlage - zu nutzen, soweit ein Breitbandkabelanschluss nicht vorhanden ist.
Soweit sich der Mieter auf seine Grundrechte beruft, begründen diese jedenfalls
keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Kostentragung. Der Fernsehempfang
gehört auch nicht zur Ausstattung der Mietsache. Der Wegfall des terrestrischen
Fernsehempfangs ist auch keine die Mietsache negativ beeinflussende
Umwelteinwirkung.
2. AG Berlin-Lichtenberg, Urteil vom 26. März 2004, GE 2004, S. 629
Das AG Berlin-Lichtenberg hat entschieden, dass der Modernisierungszuschlag
aufgrund der Installation einer Satellitenschüssel nicht entfällt, wenn der Mieter seinen
Fernsehempfang von Satellitenempfang auf DVB-T umstellt.
3. LG Berlin, Urteil vom 28. Mai 2004, GE 2004, S. 964
Das LG Berlin hat durch dieses Urteil das Urteil des AG Berlin-Lichtenberg bestätigt.
Der Einbau von rückkanalfähigem Breitbandkabel stellt danach keine
Modernisierungsmaßnahme dar. Es besteht noch kein Anspruch auf Duldung des
Einbaus
eines
rückkanalfähigen
Breitbandkabelanschlusses
als
Modernisierungsmaßnahme, weil nach der derzeitigen Verkehrsauffassung
(erheblicher,
objektivierbarer
Nutzerkreis)
noch
keine
nachhaltige
Gebrauchswerterhöhung der Mietsache erfolgt.
In den Entscheidungsgründen führt das Gericht aus, dass aufgrund des in Berlin
eingeführten und mittels Set-Top-Box frei empfangbaren Digitalfernsehens ein
Anschluss an ein Breitbandkabelnetz derzeit noch keine Verbesserungsmaßnahme
darstellt. Der Qualitätsabstand zwischen dem Kabelempfang und dem mittels Set-TopBox zu realisierenden Empfang der digital ausgestrahlten Programme ist deutlich
zurückgegangen.
Hinsichtlich
der
Programmvielfalt
stehen
nach
dem
unwidersprochenen Vortrag der Kläger 27 Digitalfernsehprogramme einem Angebot
von rund 34 analog und ohne Zusatzkosten zu empfangenen Programme im
Kabelnetz gegenüber.
4. AG Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 23. Juli 2004, GE 2004, S. 1530
Das Gericht hat entschieden, dass der Vermieter die Antennenanlage auch nach
Umstellung auf DVB-T als funktionierende Gemeinschaftsantennenanlage weiterhin
unterhalten muss. Dies als Voraussetzung dafür, dass der Mieter mittels einer von ihm
auf eigene Kosten anzuschaffenden Set-Top-Box das digitale Fernsehen störungsfrei
empfangen kann.
5. BGH, Urteil vom 20. Juli 2005, WuM 2005, S. 576
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der vom Vermieter beabsichtigte
Anschluss einer Wohnanlage an ein rückkanalfähiges Breitbandkabelnetz auch im
Empfangsbereich des in Berlin zu empfangenden terrestrischen Digitalfernsehens
(DVB-T) weiterhin eine Verbesserung der Mietsache im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 1
BGB darstellt und die dafür erforderlichen Arbeiten deshalb vom Mieter zu dulden sind.
- 10 Damit hob der BGH eine entgegenstehende Entscheidung des LG Berlin (Urteil vom
28. Mai 2004, GE 2004, S. 964, vgl. dazu oben 3.) auf.
Nach Auffassung des BGH hat der Mieter gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 BGB
Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache zu dulden. Ob eine Maßnahme zur
Verbesserung der gemieteten Räume vorliegt, ist objektiv, d.h. nicht nach der Wertung
des derzeitigen Mieters zu bestimmen; entscheidend ist, ob der Maßnahme nach der
Verkehrsanschauung eine Wohnwertverbesserung zugemessen wird, sodass der
Vermieter damit rechnen kann, dass die Wohnung von künftigen Mietinteressenten
eher angemietet werden wird als eine vergleichbare Wohnung, bei der die Maßnahme
nicht durchgeführt worden ist. Der BGH hat im Streitfalle eine Wohnwertverbesserung
angenommen. Nach dem vom LG Berlin festgestellten Sachverhalt sind nach dem
gegenwärtigen Entwicklungsstand über das Breitbandkabelnetz im Gegensatz zum
Digitalfernsehen zusätzlich etwa 30 Hörfunkprogramme in Stereo-Qualität zu
empfangen. Hinzu kommen zu den 34 analogen Fernsehprogrammen des
Kabelnetzes, denen 27 Fernsehprogramme des Digitalfernsehens gegenüberstehen,
etwa 60 weitere über das Kabelnetz mithilfe eines Decoders digital zu empfangende
in- und ausländische Fernsehprogramme sowie die zukünftige Möglichkeit interaktiver
Mediennutzung. Nach Auffassung des BGH hat das Berufungsgericht insbesondere
nicht berücksichtigt, dass zu den 60 digitalen Zusatzprogrammen des Kabelnetzes
zahlreiche
ausländische
Fernsehprogramme
gehören.
Angesichts
des
Ausländeranteils der Berliner Bevölkerung und der darauf beruhenden Nachfrage nach
ausländischen Fernsehprogrammen, die auch in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über
die Aufstellung von Parabolantennen zum Empfang ausländischer Fernsehprogramme
zum Ausdruck kommt, kommt der BGH zu der Auffassung, dass der Anschluss an das
Breitbandkabelnetz, das ausländische Programme in erheblicher Anzahl zur Verfügung
stellt und insoweit die zusätzliche Aufstellung von Parabolantennen entbehrlich macht,
gegenüber dem Digitalfernsehen, das diese Möglichkeit zurzeit nicht bietet, von
wesentlichem Vorteil sei.
Da somit der von der Klägerin beabsichtigte Anschluss der Wohnanlage an das
rückkanalfähige Breitbandkabelnetz nach dem gegenwärtigen Stand der technischen
Entwicklung als Maßnahme zur Verbesserung der Mietsache anzusehen ist, erstreckt
sich nach Auffassung des BGH die grundsätzlich bestehende Duldungspflicht der
Beklagten nicht nur auf die Arbeiten, die für den Anschluss der von ihr gemieteten
Wohnung an das Breitbandkabelnetz erforderlich sind, sondern ebenso auch die
Verlegung der Kabel durch die Wohnung der Beklagten in die darüber liegende
Wohnung, um deren Anschluss an das Breitbandkabelnetz zu ermöglichen.
Der BGH stellt ausdrücklich klar, dass die Aufrüstung bzw. Erstinstallation von
Breitbandkabelnetzen
auf
neuestem
technischem
Standard
eine
Wohnwertverbesserung ist. Darüber hinaus stellt der BGH klar, dass das
Breitbandkabelnetz aufgrund der digitalen Programme dem Mieter mehr Vorteile bietet
als das terrestrische Digitalfernsehen (DVB-T).
VII. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des
freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs - Art. 28 und 29 EG-Vertrag auf dem
Gebiet der Nutzung von Parabolantennen vom 27. Juni 2001
Bei diesem Papier der EU-Kommission handelte es sich nicht um europäisches Recht,
sondern um ein Positionspapier zur Interpretation der Rechtsbestimmungen des EGVertrages. Die Kernbotschaft lautete: Jeder EU-Bürger hat ein Recht darauf, sein
gewünschtes Fernsehprogramm empfangen zu können. Denn zu einem freien
Warenverkehr gehöre nach Auffassung der EU-Kommission auch der Zugang. Auf 19
Seiten Text legt die EU-Kommission die Bedeutung der Art. 28 und 49 EG-Vertrag in
- 11 Bezug auf die Nutzung von Parabolantennen aus. Danach sind Parabolantennen
grundsätzlich zulässig. Der Satellitenempfang müsse zu angemessenen Bedingungen
kostentechnisch möglich sein. Sie schlägt vor, dass dieses beispielsweise durch die
Installation von Parabolantennen in den Innenhöfen statt an der Außenwand eines
Gebäudes geschehen soll. Eine weitere Lösung sei die Installation einer
Gemeinschaftsparabolantenne statt einer Vielzahl von Einzelantennen. Bislang wurde
der sachlich und örtlich zuständige Europäische Gerichtshof nicht von einem deutschen
Gericht
bezüglich
der
Auslegung
des
EG-Vertrages
(EGV)
und
der
Kommissionsmitteilung angerufen.
Dennoch haben sich einige deutsche Gerichte mit der Materie befasst:
1. LG Berlin, Urteil vom 27. Januar 2003, GE 2003, S. 1021
Die Versagung der Genehmigung zur Anbringung einer Parabolantenne durch den
Vermieter stellt keinen Verstoß gegen die Freiheit des Warenverkehrs gemäß Art. 28
EGV und die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs gemäß Art. 49, 50 EGV dar, denn
die Freiheiten des Gemeinschaftsrechts wirken grundsätzlich nur zwischen den
Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und ihren Bürgern. Keinesfalls vermögen sie den
einzelnen Bürger dazu zu zwingen, seine Rechtspositionen zur Verwirklichung der
Freiheit eines anderen Bürgers ohne Weiteres aufzugeben.
2. LG Berlin, Urteil vom 15. März 2004, MM 2004, S. 264
Ein deutscher Mieter kann ein anerkennenswertes Interesse an der Installation einer
Parabolantenne zum Empfang ausländischer (hier: arabischer) Fernseh- und
Rundfunksender bei Vorhandensein eines Kabelanschlusses weder aus seinem
Informationsinteresse gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG herleiten noch aus Art. 49 EGV.
Die Norm richtet sich an die Mitgliedsstaaten der EG und begründet Abwehrrechte
gegen den Staat. Es ergibt sich hieraus jedoch keine unmittelbare Drittwirkung für
das Privatverhältnis zwischen den Bürgern.
3. BGH, Urteil vom 16. November 2005, WuM 2006, S. 28
Mit dieser Entscheidung ist der BGH erstmalig auf die Gültigkeit dieser EU-Mitteilung
eingegangen. Grundsätzlich hat der Mieter bei einem im Haus vorhandenen
Breitbandkabelanschluss nur unter eingeschränkten Voraussetzungen einen
Anspruch auf die Installation einer eigenen Parabolantenne zum Empfang von
Satellitenfernsehen. Die in Art. 49 EGV geregelte Dienstleistungsfreiheit ist nict
schrankenlos gewährleistet. Gleiches gilt für die in Art. 10 der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistete Informationsfreiheit. Kein Mieter
darf mit Berufung auf die EU-Mitteilung eine Parabolantenne installieren. Der BGH
hat mit seinem Urteil klargestellt, dass die EU-Mitteilung nichts an der
bundesdeutschen Rechtslage und der Rechtsprechung bundesdeutscher Gerichte
ändert.
VIII. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von 2005 bis 2010
Sorgten bis zur ZPO-Reform die Rechtsentscheide der Oberlandesgerichte
(möglicherweise) für juristische Klarheit bei Mietstreitigkeiten, ist der BGH seit dem 1.
Januar 2002 für die Revision in Wohnraummietsachen zuständig. Bis Anfang Februar
2008 veröffentlichte der VIII. Senat seither ca. 302 Entscheidungen mit miet- und/oder
mietprozessrechtlichem Bezug (Börstinghaus, „Gefühltes Mietrecht: Von Kahlschlag bis
Interessenrechtsprechung“ in NZM 2008, S. 225 ff.).
- 12 Eine „Juris“-Recherche ergab, dass es im Zeitraum 2002 bis Anfang 2012 618
Entscheidungen des VIII. Senats des BGH mit mietrechtlichem Bezug gegeben hat.
Deshalb musste sich der BGH mehrfach mit der Problematik der Parabolantennen
beschäftigen:
1. Urteil vom 2. März 2005, NZM 2005, S. 335
Kann der ausländische (hier: russische) Mieter fünf Heimatprogramme mittels von
ihm zusätzlich anzuschaffenden Decoders über den hauseigenen Kabelanschluss
empfangen und stört die geplante Parabolantenne am hierfür vorgesehenen Platz
(hier: Metallgitter eines Fensters an der rückwärtigen Außenfassade) das Gesamtbild
der Gebäudefassade, weil diese Gehwegen, Parkplätzen und Nachbarhäusern
zugewandt ist, so ist es nicht weiter zu beanstanden, wenn das Instanzgericht dem
Eigentumsrecht des Vermieters aus Art. 14 GG Vorrang einräumt.
2. Beschluss vom 17. Mai 2006, WuM 2006, S. 396
Wird die Klage eines Vermieters auf Beseitigung einer durch den Mieter errichteten
Satellitenempfangsantenne abgewiesen, richtet sich die Beschwer des Vermieters
nach dem Wertverlust, den er durch eine von der Satellitenempfangsantenne
verursachten
Beeinträchtigung
der
Substanz
und/oder
des
optischen
Gesamteindrucks seines Hauses erleidet. Der BGH hat dabei einen Beschwerdewert
von 300 Euro angenommen.
3. Beschluss vom 17. April 2007, WuM 2007, S. 380
Ist die Mietwohnung an das Breitbandkabel angeschlossen, ist regelmäßig ein Grund
zur Versagung der Genehmigung einer Parabolantenneninstallation am Gebäude
gegeben. Dies gilt auch für Ausländer, die Programme ihrer Heimatländer über
digitales Kabelprogramm zur Befriedigung ihres Informationsinteresses empfangen
können. Nach Auffassung des BGH war im Streitfall der Empfang von insgesamt
sieben Fernsehsendern des Herkunftslandes des Mieters ausreichend, um das
bestehende Informationsinteresse zu befriedigen.
4. Urteil vom 16. Mai 2007, WuM 2007, S. 381
Eine Klausel in einem formularmäßigen Wohnraummietvertrag, die den Mietern die
Anbringung einer eigenen Parabolantenne immer und ausnahmslos dann untersagt,
wenn die Wohnung an eine Gemeinschaftsantenne oder an eine mit einem
Breitbandkabelnetz verbundene Verteileranlage angeschlossen ist und somit auch
Fälle erfasst, in denen ein „ausländischer“ Mieter aufgrund seiner grundrechtlich
geschützten Interessen einen Anspruch auf die Anbringung oder Aufstellung einer
Parabolantenne hat, weil sein Interesse am Empfang von Programmen seines
Herkunftslandes durch ein kostenpflichtiges zusätzliches Kabelprogramm nicht
gedeckt werden kann, ist wegen unangemessener Benachteiligung insgesamt
unwirksam.
Hängt nach einer Klausel im Wohnraummietvertrag die Anbringung einer zusätzlichen
Antenne von der schriftlichen Zustimmung des Vermieters ab, so kann dieser nicht
die Beseitigung einer vom (ausländischen) Mieter ohne seine Zustimmung
angebrachten bzw. aufgestellten mobilen Parabolantenne verlangen, wenn er zur
Duldung der Antenne verpflichtet ist. Ist durch die Anbringung oder Aufstellung einer
Parabolantenne weder eine Substanzverletzung noch eine nennenswerte ästhetische
Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters zu besorgen, sondern verursacht die
- 13 Antenne keine oder lediglich geringfügige optische Beeinträchtigungen, etwa weil sie
auf dem Fußboden im hinteren Bereich auf einem sichtgeschützten Balkon aufgestellt
ist, so kann der Vermieter wegen des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interesses
des Mieters am zusätzlichen Empfang von ausländischen Satellitenprogrammen nach
Treu und Glauben verpflichtet sein, einer solchen Aufstellung zuzustimmen.
Im Streitfall hatten die Mieter auf dem Fußboden des Balkons ohne feste Verbindung
zum Gebäude eine Parabolantenne aufgestellt. Die tatrichterlichen Feststellungen
des Berufungsgerichts dazu waren unzureichend. Das Berufungsgericht ist von einer
Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Gebäudes ausgegangen, ohne
Feststellungen zu der durch die Antenne konkret verursachten optischen
Beeinträchtigungen zu treffen. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des
Berufungsgerichts deshalb aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Dennoch bleibt der Eindruck, der BGH habe seine bis zu diesem Zeitpunkt relativ
stringente Rechtsprechung aufgeweicht bzw. zurückgedreht.
5. Urteil vom 10. Oktober 2007, WuM 2007, S. 678
Verlangt der Vermieter von einem ausländischen Mieter (hier: türkischer Staatsbürger
alevitischen Glaubens) einer mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestatteten
Wohnung die Entfernung einer auf dem Balkon der Wohnung aufgestellten
Parabolantenne, ist auch dann eine fallbezogene Abwägung des Eigentumsrechts
des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) mit den grundrechtlich geschützten
Interessen des Mieters erforderlich, wenn dieser sich nicht nur auf sein
Informationsrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG, sondern auch auf das
Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit (Art. 4 GG) beruft, weil die im
Breitbandkabelnetz angebotenen türkischsprachigen Programme nicht über Inhalte
des alevitischen Glaubens berichten.
Im Streitfall hatte der Mieter eine Parabolantenne auf dem Balkon aufgestellt, weil er
in den sechs türkischsprachigen Programmen, die er über seinen
Breitbandkabelanschluss empfangen konnte, seinen Glauben nicht ausreichend
berücksichtigt fand.
Der BGH gab der Entfernungsklage des Vermieters statt. Durch die Parabolantenne
werde das Erscheinungsbild des Gebäudes auf Dauer verändert und ästhetisch
beeinträchtigt. Damit beeinträchtige der Mieter das Eigentumsgrundrecht des
Vermieters. Der Mieter könne darüber hinaus mittels eines Digitalreceivers sechs
türkische Programme empfangen. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit sei nicht
beeinträchtigt, da er sich auch aus anderen Quellen, wie z.B. Zeitschriften, Büchern
oder das Internet über den alevitischen Glauben informieren könne.
6. Beschluss vom 16. September 2009, NZM 2010, S. 119
Das Informationsinteresse türkischer Mieter, kurdischer Volkszugehörigkeit, an
Sendeinhalten in kurdischer Sprache übersteigt, selbst wenn sich die Mieter derlei
Quellen auch über Zeitungen oder das Internet erschließen können, das Interesse
des vermietenden Eigentümers am parabolantennenfreien Erhalt seiner Immobilie
jedenfalls dann, wenn die konkrete Beeinträchtigung des Eigentums bei
fachgerechter Montage rein optisch - und dazu eher gering - ausfällt.
Dem Vermieter obliegt es, unter solchen Voraussetzungen darzulegen und
gegebenenfalls zu beweisen, dass die vom konkret gewünschtem Sender hier: ROJ-
- 14 TV) ausgestrahlten Programme verfassungswidrig sind oder gegen das deutsche
Strafrecht verstoßende Inhalte verbreiten. Der BGH hat die vom Berufungsgericht
zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.
7. Beschluss vom 21. September 2010, GE 2010, S. 1681
Der Wunsch eines Mieters, Fernsehprogramme in HD-Qualität empfangen zu
können, berechtigt ihn nicht, eine Parabolantenne auf dem Balkon anzubringen. Im
Streitfalle hatte ein Mieter eine Parabolantenne auf dem Balkon installiert, um damit
hochauflösende TV-Programme empfangen zu können. Der Vermieter hatte ihn
daraufhin aufgefordert, die Parabolantenne unverzüglich zu entfernen. Der Mieter
argumentierte, der eingespeiste Kabelnetzbetreiber biete keine Programme in HDQualität an. In den Entscheidungsgründen führt der BGH u.a. aus:
„. . . dabei ist zu berücksichtigen, dass das - gleichrangige - Grundrecht des
Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt ist, wenn von ihm
verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Die
erforderliche Abwägung, ob das Informationsrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1
Satz 1 Halbsatz 2 GG im konkreten Fall das Eigentumsrecht des Vermieters aus
Art. 14 Abs. 1 GG überwiegt, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters und vom
Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar. . . . dabei ist das Berufungsgericht
zutreffend davon ausgegangen, dass dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG
grundrechtlichen Informationsbedürfnis des Mieters in der Regel hinreichend
Rechnung getragen wird, wenn der Vermieter - wie hier - einen
Breitbandkabelanschluss bereitstellt, der den Empfang von Programmen in
genügender Zahl und Qualität gewährleistet.“
IX. Das Internet-Fernsehen, Rechtsprechung 2008 bis Anfang 2012
Mit Internet Protocol Television (IPTV) wird allgemein der Übertragungsweg Internet für
Fernsehprogramme und Filme im Gegensatz zu klassischem Rundfunk, Kabel oder
Satellit bezeichnet. IPTV ist weder ein Standard noch ein Konzept und damit nur ein
Gattungsbegriff, der in sehr vielen unterschiedlichen Ausprägungen anzutreffen ist. Die
unterschiedlichen Ausprägungen reichen vom einfachen IPTV über Computer oder
Handy
bis
zum
High-End-TV-Endgerät
(http://de.wikipedia.org/wiki/Internet_Protocol_Television, aufgerufen am 26. Januar
2012).
2006 kamen mit der Internationalen Funkausstellung in Berlin in Deutschland erste
Angebote auf den Markt. Heute existieren drei Anbieter für IPTV in Deutschland. Zum
einen Alice mit dem Angebot „Alice TV“, Vodafone mit „Vodafone TV“ und die Deutsche
Telekom mit „Entertain“.
Das Programm der Deutschen Telekom enthält zurzeit über 70 frei empfangbare TVSender und über 40 Pay-TV-Sender (Quelle: http://www.iptv-anbieter.info/iptvprovider/iptv-anbieter.html aufgerufen am 2. Januar 2012).
Die Zahl der verkauften internettauglichen Fernsehgeräte in Deutschland ist von
400.000 Geräten im Jahr 2009 über 2 Millionen in 2010 auf 4 Millionen in 2011
gestiegen (Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Das Jahr des Fernsehers“, vom 3. Januar
2012).
Mietrechtlich relevant ist das Internetfernsehen in den vergangenen Jahren im Vergleich
zum Übertragungsweg Parabolantenne geworden. Dazu spielte zunächst der
Empfangsweg über den heimischen PC, später über IPTV-fähige Fernsehgeräte eine
- 15 Rolle. Entscheidend für die Rechtsprechung war dabei die technische Entwicklung vom
„Ruckelbild“ auf dem heimischen Computer bis zur HD-Qualität bei den SmartFernsehern neuester Generation.
1.
AG Frankfurt, Urteil vom 21. Juli 2008, Info M 2008, S. 368
Einem eingebürgerten Wohnraummieter ausländischer Herkunft steht kein Anspruch
dahin zu, dass der Vermieter eine ungenehmigte auf das Dach des Hauses
installierte Parabolantenne duldet, wenn er seine „Heimatsender“ jedenfalls per
Internet (per Videostream) empfangen kann. Eine Ausnahme kann nur dann
gemacht werden, wenn ein entsprechender Internet-Zugang bzw. -Empfang nicht
möglich ist; dies aber hat der Mieter darzulegen und zu beweisen.
Das AG Frankfurt hat als erstes deutsches Gericht entschieden, dass ein
ausländischer Mieter seine Parabolantenne entfernen muss, wenn er seine
„Heimatsender“ auch über das Internet empfangen kann. Im Streitfall hatte ein
ausländischer Mieter, der jetzt die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt,
ungenehmigt eine Parabolantenne auf dem Dach des Hauses installiert. Das
Gericht hat dem Vermieter einen Beseitigungsanspruch zugesprochen. In den
Entscheidungsgründen heißt es dazu u.a.:
„Neue technische Möglichkeiten sprechen indes zugunsten des Vermieters. So ist
es dem Mieter grundsätzlich auch zuzumuten, einen Decoder, eine D-Box oder SetTop-Box für die entsprechende Erreichbarkeit zu verwenden . . .
Es ist auch allgemein bekannt, dass neue technische Möglichkeiten den
problemfreien Empfang ermöglichen, Sendeanstalten ihre Sendung per VideoStream, also mittels einer Übertragung komprimierter Video- und Audiodateien, per
Internet anbieten oder über diese Leitungen Sendungen eingespeist werden
können.
Hier indes ist es nicht als unverhältnismäßig hoch zu betrachten, wenn der Mieter
seinen gewünschten Fernsehempfang via Internet erhält . . . Der Vergleich der hier
tangierten Grundrechte kann nämlich unter strenger Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht dazu führen, dass der Vermieter einen
Eingriff in Art. 14 GG deswegen zu dulden hätte, weil der Mieter nicht auf die dem
Zeitalter entsprechende Möglichkeiten des Empfangs über einen PC mittels
Internetleitung zurückgreift.“
Aus diesen Gründen hatte das Gericht dem Vermieter den Beseitigungsanspruch
hinsichtlich der Parabolantenne gegen seinen Mieter zugestanden.
2.
AG Bielefeld, Urteil vom 10. März 2009, ZMR 2009, S. 690
Ein Anspruch auf Entfernung der Parabolantenne besteht dann nicht, wenn über
einen digitalen Hausanschluss nicht einmal 10 Prozent der über Parabolantennen
zu empfangenden TV-Programme erreicht werden. Die Nutzung des Internet-TV ist
zumutbar, aber nicht vergleichbar.
„Die Klägerin trägt darüber hinaus vor, dass über das Internet Informationen in
nahezu unbegrenztem Umfang eingeholt werden könnten. Grundsätzlich hält das
Gericht eine Nutzung des Internets insoweit für zumutbar, allerdings nicht für
vergleichbar. Es ist dem Gericht nicht bekannt, ob die von den Beklagten
bevorzugten Programme auch über das Internet „live“ in geeigneter
Programmqualität d.h. „ruckelfrei“ ohne ständiges „Nachladen“ empfangbar sind. Ein
- 16 konkreter Vortrag der Klägerin hierzu fehlt. Zwischen allgemein zugänglichen
Informationen über das Internet und dem Verfolgen bestimmter Fernsehprogramme,
um die sprachliche und kulturelle Verbundenheit zum Heimatland zu halten, besteht
jedoch nach Auffassung des Gerichts ein qualitativer Unterschied, der bei der
Vergleichsbarkeitsprüfung zu berücksichtigen ist.“
3.
AG Berlin-Wedding, Urteil vom 20. Mai 2010, GE 2010, S. 1429
Der Vermieter kann Entfernung einer an der Fassade des Gebäudes angebrachten
Parabolantenne verlangen, wenn der Mieter zusätzliche Fernsehprogramme auch
über das Internet empfangen kann.
Das Gericht geht in seinen Entscheidungsgründen auch auf die technische Qualität
ein, die bereits das AG Frankfurt in seinem Urteil angeschnitten hatte:
„Die Beklagten berufen sich vielmehr darauf, dass es beim Empfang von
Datensätzen via Internet zu Übertragungsstörungen kommen könne. Bei
Internetverbindungen handele es sich um kontrollierte Prozesse, die nicht selten mit
rechtsgeschäftlichen Handlungen verknüpft werden. Nur über die Parabolantenne
sei eine authentische Berichterstattung über regionale Geschehnisse gewährleistet.
Die Ausführungen bieten keinen hinreichend konkreten Anhaltspunkt dafür, dass
und aus welchen Gründen der - grundsätzlich verfügbare - Internetzugang die
Beklagten unverhältnismäßig belasten würde. Die pauschal aufgeworfenen Zweifel
an der inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit der übertragenen Signale werden
nicht belegt; der allgemein gehaltene Hinweis auf die Möglichkeit von Zensur reicht
insoweit nicht aus.
Eine ansprechendere Bildqualität kann ohne nennenswerte Probleme erreicht
werden, indem der PC mit einem Fernsehgerät verbunden wird. Die insoweit
darlegungsbelasteten Beklagten haben nicht konkret vorgetragen, aus welchen
Gründen ihnen eine Nutzung des Internets nicht zumutbar ist.“
Theesfeld bestätigt in ihrer Anmerkung zu diesem Urteil die Ausführungen des
Gerichts zu den technischen Möglichkeiten:
„Neue technische Möglichkeiten sprechen aber für den Vermieter. So ist es dem
Mieter grundsätzlich auch zumutbar, einen Decoder, eine D-Box oder Set-Top-Box
für die gewünschte Erreichbarkeit zu verwenden. Den günstigsten Zugang muss der
Vermieter nicht stellen.“ (Rechtsanwältin Claudia Theesfeld, jurisPR MietR 5/2011,
Anm. 1).
4.
AG Berlin-Wedding, Urteil vom 16. Juli 2010, GE 2010, S. 1205
Besteht für den ausländischen Mieter eine Möglichkeit, Fernsehempfang auf
alternativem Wege (hier: über Internet) zu empfangen, entfällt grundsätzlich der
Anspruch des Mieters eine Parabolantenne aufzustellen. Es kommt nicht darauf an,
ob der Mieter über Internet verfügt, denn er muss im zumutbaren Rahmen auch
Zusatzkosten in Kauf nehmen, um Fernsehprogramme zu empfangen.
5.
AG Augsburg, Urteil vom 26. Juli 2011, WuM 2011, S. 504
Überragt die vom Mieter auf dem Balkon der Wohnung aufgestellte Parabolantenne
das Balkongeländer und ist sie aus größerer Entfernung gut sichtbar, ist eine
optische Beeinträchtigung des Miethauses gegeben.
- 17 Der ausländische Mieter kann zum Empfang von Rundfunk-Heimatsendern in
Augsburg auf die Nutzung des Internets verwiesen werden. Dazu das Gericht in
seinen Entscheidungsgründen:
„Die Beklagten mögen als ukrainische Staatsangehörige als Ausfluss ihres durch
Art. 5 GG geschützten Informationsinteresses bezüglich ihrer Heimat grundsätzlich
einen Anspruch darauf haben, sich den Empfang ukrainischer Sender
sicherzustellen, allerdings nicht auf jede von ihnen gewünschte Weise wie
beispielsweise durch Aufstellen einer Parabolantenne. Die Möglichkeiten via
Internet fernzusehen sind gegeben und erfordern bei technischer Unversiertheit
kaum mehr Unterstützung durch Dritte als bei technischer Unversiertheit auch die
Inanspruchnahme via Parabol erfordert. Fernsehen via Internet geht nicht nur via
PC sondern mit TV-Geräten neuer Generation auch direkt mit dem Fernseher. Das
Verbot einer optisch das gesamte Mietshaus verunstaltenden Parabolantenne
vernichtet nicht das Recht des Mieters auf heimatsprachige Informationen sondern
verweist ihn nur auf einen anderen Zugang zu diesem Recht. Dementsprechend hat
ein Vermieter auch das Recht, Mieter auf andere Empfangsmöglichkeiten zu
verweisen, die sein Eigentumsrecht weniger beeinträchtigen.“
Bislang wurde der BGH nicht mit der Problematik Internetfernsehen und
Parabolantenne befasst. Interessant ist, dass die deutschen Instanzgerichte mit
fortschreitender Technik (zunächst PC, mit Ruckelbild, zum ausgereiften IPTVFernseher) ihre Urteile entsprechend dem technischen Fortschritt ändern.
Vorläufiger Abschluss dieser Serie ist die Entscheidung des AG Augsburg, den
ausländischen Mieter auf das Internetfernsehen zu verweisen.
6.
LG Berlin, Urteil vom 25. Oktober 2011, GE 2011, S. 1556
Das LG Berlin gab dem Mieter recht. Er musste die von ihm installierte
Parabolantenne nicht zugunsten des Fernsehempfangs über Internet entfernen.
„Die über das Internet (wwwi.tv) gegebene Möglichkeit diverse Fernsehsender,
einschließlich Staatsfernsehsender aus Ägypten zu verfolgen, stellt zurzeit noch
keinen adäquaten Ersatz für eine nach heutigen Vorstellungen üblichen und
einwandfreien Fernsehempfang dar, wie er über Parabolantennen möglich ist.“
Das Gericht zitiert aus dem Gutachten eines Sachverständigen:
„Um einen einwandfreien Empfang zu ermöglichen für ägyptische TV-Sender, bleibt
nur die Installation auf dem Balkon oder eine Dachmontage.“
7.
Neues „Frankfurter Landrecht“
Möglichkeiten des Internets
zu
Parabolantennen
und
den
neuen
Im Zuge der Modernisierung der Kabelversorgung in ihren Wohnanlagen hat eine
große Frankfurter Wohnungsgesellschaft von ihren Mietern die Beseitigung von
Parabolantennen verlangt und dabei eine Flut von Entfernungsklagen losgetreten.
Schauplätze sind das AG Frankfurt, das AG Frankfurt - Abteilung Hoechst sowie
das LG Frankfurt. In mehreren Urteilen haben die Gerichte die Mieter dazu
verpflichtet, ihre Parabolantennen abzubauen, weil der Empfang z.B. iranischer oder
indischer Fernsehprogramme über das Internet möglich ist. Den Mietern sei
zumutbar, sich entsprechende Kenntnisse für die Bedienung derartiger Fernseher
anzueignen oder dazu familiäre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies gelte umso
mehr, als für den Anschluss und den Betrieb einer Parabolantenne ebenfalls
technische Kenntnisse erforderlich sind. Sämtliche Urteile sind im Zeitraum April bis
Juli 2011 ergangen.
- 18 -
Nele Rave gibt in ihrem Aufsatz („Neues Frankfurter Landrecht“ zu Parabolantennen
und den neuen Möglichkeiten des Internet, GE 2011, S. 1529) einen Überblick über
die Entscheidungen in Frankfurt.
Die herrschende Meinung in Frankfurt lautet daher: Dem ausländischen Mieter
(unabhängig von Bildung und Alter) ist es zuzumuten, seine Parabolantenne
abzubauen, um entsprechende Fremdsprachenprogramme in eigener Sprache über
das Internet empfangen zu können.
X. EuGH-Urteil vom 4. Oktober 2011, MMR 2011, S. 817
1.
Überblick
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit zwei Urteilen jeweils vom
4. Oktober 2011 entschieden: Ein Lizenzsystem für die Weiterverbreitung von
Fußballspielen, das Rundfunkanstalten eine gebietsabhängige Exklusivität für
einzelne Mitgliedsstaaten einräumt und den Fernsehzuschauern untersagt, diese
Sendung in den anderen Mitgliedsstaaten mittels einer Decoderkarte anzusehen,
verstößt gegen das Unionsrecht.
Karen Murphy, Gaststätteninhaberin im Vereinigten Königsreich, setzte sich nach
sechs Jahren gerichtlicher Auseinandersetzung vor dem EuGH gegen die Premier
League durch. Sie wollte die hohen Abonnementsgebühren für den Fußball der
englischen Premier League beim Bezahlsender Sky nicht länger bezahlen und
kaufte sich stattdessen ein Abonnement mittels einer Decoderkarte bei einem
griechischen Bezahlsender. Dessen Programme speiste sie über eine
Parabolantenne in den Fernseher ihrer Gastwirtschaft ein. Der EuGH gab
schließlich Karen Murphy und nicht Sky recht.
2.
Aus den Entscheidungsgründen
„Mit seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass nationale Rechtsvorschriften, die
die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer Decoderkarten
untersagen, gegen den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen und weder im
Hinblick auf das Ziel, die Rechte des geistigen Eigentums zu schützen, noch durch
das Ziel, die Anwesenheit der Öffentlichkeit in den Fußballstadien zu fördern,
gerechtfertigt werden können. . . . aus analogen Gründen verstößt ein System
exklusiver Lizenzen auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union, weil die
Lizenzverträge es untersagen ausländische Decoderkarten Fernsehzuschauern zur
Verfügung zu stellen, die die Sendungen außerhalb des Mitgliedsstaates sehen
wollen, für den die Lizenz erteilt wurde (Gerichtshof der Europäischen Union,
Pressemitteilung Nr. 102/11, Luxemburg, den 4. Oktober 2011, Urteil in den
Rechtssachen C-403/08 und C-429/08 Football Association Premier League
u.a. / QC Leisure u. a. Karen Murphy/Media Protection Services Ltd.).
3.
Mietrechtliche Auswirkungen
Mit anderen Worten: Ein Bewohner eines EU-Mitgliedsstaates kann sich über eine
Parabolantenne mittels eines Decoders ausländische Fernsehprogramme
herunterladen, ohne diese Programme von einheimischen (teureren) Anbietern
beziehen zu müssen. In erster Linie eine Frage des Wettbewerbsrechts, in zweiter
Linie eine Frage der Informationsfreiheit. Der Europäische Gerichtshof hat seinen
Fokus auf das Wettbewerbsrecht gelegt. Was bedeutet die Entscheidung unter
mietrechtlichen Gesichtspunkten für Vermieter und Mieter in Deutschland?
- 19 -
Beim ersten Hinsehen: Nichts.
Beim genaueren Hinsehen könnte das Urteil in den nächsten Jahren Auswirkungen
auf das Verhältnis Vermieter und Mieter im Bereich des Grundrechts zur
Informationsfreiheit haben. Es könnte möglicherweise eine Stärkung des
Informationswegs „Parabolantenne“ bedeuten, auch wenn diese nicht unmittelbar
Streitgegenstand des Verfahrens vor dem EuGH war. Das Urteil könnte generell
mieterfreundliche
Auswirkungen
haben,
indem
möglicherweise
der
Informationsfreiheit ein Vorrang eingeräumt wird.
XI. UMTS-Dachantennenanlagen
1.
Überblick
Das Universal Mobile Telecommunications System (UMTS) ist ein
Mobilfunkstandard der dritten Generation (3G), mit dem deutlich höhere
Datenübertragungsraten (bis zu 84 MBit/Sekunde) als mit dem Mobilfunkstandard
der
zweiten
Generation
(2G),
dem
GSM-Standard
möglich
sind.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Universal_Mobile_Telecommunications_System)
aufgerufen am 8. Dezember 2011.
Nach Angaben des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation
und neue Medien e.V., Berlin (BITKOM) gab es in der Europäischen Union Ende
2010 rund 650 Millionen Mobilfunkanschlüsse. Nach Angaben des gleichen
Verbandes nutzen im Jahr 2010 800 Millionen Menschen weltweit den
Mobilfunkstandard UMTS, ein Plus von 37 Prozent im Verhältnis zum Vorjahr. Für
2011 prognostiziert der Verband weltweit eine Milliarde UMTS-Anschlüsse
(Presseinformation Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und
neue Medien e.V., Berlin, BITKOM, vom 28. Juli 2010).
Nach Angaben der Bundesnetzagentur existierten deutschlandweit zum Stichtag 16.
August
2011
69.667
Antennenstandorte
mit
Mobilfunk.
(http://emf2.bundesnetzagentur.de\statistik_funk.html) aufgerufen am 1. Dezember
2011.
Seit ihrer Einführung in den 1990er Jahren stehen die Dachantennen der
Mobilfunknetzbetreiber in den Schlagzeilen. Überschriften wie „Angst vor
Funkmasten“, „Sendemasten machen Bürger mobil“, „Anwohner fürchten Gefahren
durch Handy-Sender“ beherrschten den deutschen Blätterwald und verunsichern
Vermieter und Mieter.
Eine UMTS-Dachantennenanlage kann für den Vermieter ein lukratives Geschäft
sein. Für die Vermietung eines Standortes zahlen Antennenbetreiber zwischen
5.000 und 10.000 Euro jährlich. In Einzelfällen wurden sogar Einnahmen in einer
Preisspanne von 15.000 bis 20.000 Euro jährlich je Standort erzielt.
Die Befürchtung von Mietern vor Strahlungen, die Androhung von Mietminderungen
bzw. Kündigungen des Mietverhältnisses und möglichem Auszug aus der Wohnung
sind rechtliche Aspekte, die das Vermieter-Mieter-Verhältnis belasten können. Die
Öffentlichkeit kann sich auf den Internetseiten der Bundesnetzagentur über
Standorte von Mobilsendeanlagen in Deutschland und Ergebnissen von Messreihen
informieren (http://emf2.bundesnetzagentur.de).
2.
Rechtsgrundlagen
- 20 -
a.
Bundes-Immissionsschutzgesetz
Die 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
(VO über elektromagnetische Felder – 26. BImSchV) vom 16. Dezember 1996
regelt die Errichtung und den Betrieb von Hochfrequenz- und
Niederfrequenzanlagen, die gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen
wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden. Die Verordnung enthält
Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor
schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche
Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder (Veröffentlichung im
Bundesgesetzblatt 1996, Teil I, S. 1966 ff.).
b.
3.
Musterbauordnung 2008
Die Musterbauordnung 2008 definiert in § 61 Abs. 1 Nr. 4 Mobilfunkmasten als
verfahrensfreie Bauvorhaben. Demnach sind Masten, Antennen und ähnliche
Anlagen mit einer Höhe von bis zu 10 Metern und zugehöriger
Versorgungseinheit mit einem Brutto-Rauminhalt von bis zu 10 Kubikmetern
verfahrensfrei.
Rechtsprechung
Die Rechtsprechung befasst sich mit diesem Komplex seit Ende der 1990er Jahre.
Die Gerichte gehen in ihren Urteilen davon aus, dass, wenn die in der 26.
BImschVO geregelten Werte eingehalten bzw. nicht überschritten werden, eine
derartige Anlage grundsätzlich zulässig ist. Im Bestreitensfall müsste der Mieter
nachweisen, dass die Grenzwerte überschritten sind und dadurch konkrete
Gesundheitsgefährdungen bestehen. Die herrschende Meinung in den
Instanzgerichten hat dabei Mietminderungsansprüche des Mieters abgelehnt. Dazu
drei exemplarische Fälle:
Zeitraum von 1997 bis 2003
a.
BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17. Februar 1997, ZMR 1997, S. 218
f.
Das BVerfG bestätigte mit dieser Entscheidung den Grenzwert von 100
Mikrotesla bei Niederfrequenzanlagen mit einer Frequenz von 50 Hz. Diese
Grenzwerte sind in der 26. BImSchV in Anhang 2 zu § 3 festgelegt. Im
Streitfalle hatten sich die Beschwerdeführer gegen den Betrieb einer neben
ihrem Wohnhaus errichteten Transformatorenstation gewandt. Der Betrieb der
Transformatorenstation beeinträchtige die Beschwerdeführer nur unwesentlich
in der Benutzung ihres Grundstücks. Das auf das Grundstück einwirkende
elektromagnetische Feld gefährde die Gesundheit der sich darauf aufhaltenden
Personen nicht. Das eingeholte Sachverständigengutachten habe zwischen der
Transformatorenstation und der Außenwand des Wohnhauses Messwerte
zwischen 0,8 und 4,3 Mikrotesla ergeben. Diese lägen weit unter dem
strengsten zurzeit von der Strahlenschutzkommission empfohlenen Richtwert
von 100 Mikrotesla. Seit dem 1. Januar 1997 seien zudem in der Verordnung
über elektromagnetische Felder die Anforderungen zum Schutz vor und zur
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen konkretisiert und Grenzwerte
festgelegt worden, die im Rahmen des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB auch im zivilen
Nachbarrecht zu beachten sind.
b.
AG Frankfurt, Urteil vom 25. Juni 2001, NZM 2001, S. 1031
- 21 -
Das Gericht hatte die Klage eines Mieters wegen der Einwirkung elektromagnetischer Strahlen durch eine Mobilfunkanlage auf Minderung des Mietzinses um
20 % abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts war die Wohnung nicht mit
einem Mangel im Sinne des § 537 Abs. 1 BGB (alter Fassung) behaftet. Auch
dieses Gericht bestätigt die 26. BImSchV:
„Zwar ist gerichtsbekannt, dass die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte von kritischen Stimmen und Interessenvertretern nicht durchweg als dem
Gesundheitsschutz genügend anerkannt werden. Derlei, auch von den Klägern
geteilte Zweifel, können jedoch nicht dazu führen, dass die gesetzlich normierten Grenzwerte in einem Zivilprozess für nicht verbindlich erachtet würden.
Dass die Gerichte sich im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung an bestehende
gesetzliche Normen zu halten haben, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Zu
diesen Normen zählt auch die 26. BImSchV . . .“.
Im Weiteren erkennt das Gericht die Furcht bzw. Angst des Mieters vor
Elektrosmog nicht als Mangel der Mietsache an:
„Ist bei Einhaltung der normierten Grenzwerte eine Gesundheitsbeeinträchtigung demnach grundsätzlich nicht anzunehmen, vermag die bloße
Furcht vor negativen Umwelteinwirkungen einen Mangel der Mietsache nicht zu
begründen. Das erkennende Gericht vermag die entgegenstehende Auffassung
des Amtsgerichts München (Urteil vom 01.04.1998, WuM 1999, 111 f.), wonach
bereits
die
nachvollziehbare
Furcht
des
Mieters
vor
Gesundheitsbeeinträchtigungen einen Mangel der Mietsache darstellten, nicht
zu teilen“, so das AG Frankfurt (zum zitierten Urteil des AG München, s.u. III.)
c.
BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. Februar 2002, ZMR 2002, S. 578
Die dritte Kammer des ersten Senats des BVerfGs hat eine
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Diese betraf die
Bewertung der Gesundheitsgefahren durch Elektrosmog. Die Klage des
Beschwerdeführers gegen eine in der Nähe seines Grundstücks gelegene
Mobilfunkanlage, die nach seiner Auffassung seine Gesundheit schädige, war
vor den Verwaltungsgerichten gescheitert.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Fragen, ob der Verordnungsgeber die
geltenden
Immissionsgrenzwerte
zum
Schutz
vor
hypothetischen
Gefährdungen verschärfen muss und unter welchen Voraussetzungen die
Gerichte verpflichtet sind, Beweis über die neue Behauptung zu erheben, die
geltenden Grenzwerte seien angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse
zur Gefährlichkeit von Immissionen überholt.
Die Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos.
Aus den Gründen: Das BVerfG bestätigt in seinem Nicht-Annahmebeschluss
die Grenzwerte der 26. BImSchV. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken, dass das OVG aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG keine Pflicht des Staates
gefolgert hat, die geltenden Grenzwerte zum Schutz vor Immissionen bereits
dann zu verschärfen, wenn noch keine verlässlichen wissenschaftlichen
Erkenntnisse über deren gesundheitsschädliche Wirkungen vorliegen. Eine
Pflicht des Staates zur Vorsorge gegen rein hypothetische Gefährdungen
bestehe
nicht.
Die
geltenden
Grenzwerte
könnten
nur
dann
verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar ist, dass sie die
- 22 menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützen. Das Grundrecht auf
Leben und Gesundheit verlangt nicht von den Gerichten, den Verordnungsgeber auf einer wissenschaftlich ungeklärten Grundlage zur Herabsetzung von
Grenzwerten zu verpflichten, weil nachteilige Auswirkungen von Immissionen
auf die menschliche Gesundheit nicht ausgeschlossen werden können. Es ist
vielmehr eine politische Entscheidung, ob in einer solchen Situation der
Ungewissheit Vorsorgemaßnahmen durch den Staat ergriffen werden sollen.
Die Grenzwerte der 26. BImSchV würden durch eine von der Strahlenschutzkommission gebildete Expertengruppe laufend kontrolliert.
Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung ist es Aufgabe des
Verordnungsgebers und nicht der Gerichte, die einmal getroffene
Vorsorgeentscheidung mit Blick auf den Fortschritt der wissenschaftlichen
Erkenntnisse unter Kontrolle zu halten. Diese Verteilung der Verantwortung für
die Risikoeinschätzung trägt auch den nach Funktion und Verfahrensweise
unterschiedlichen Erkenntnismöglichkeiten beider Gewalten Rechnung.
Solange die Situation der Ungewissheit über eine komplexe Gefährdungslage
andauert, kommt es daher für den Schutz der Gesundheit verstärkt darauf an,
dass sich die Exekutive in geeigneter Weise des wissenschaftlichen
Sachverstandes versichert, um rechtzeitig und angemessen auf neue
Erkenntnisse reagieren zu können.
4.
Mindermeinungen
Zeitraum 1997 bis 2003
Die Gegner der Mobilfunkanlagen weisen in ihren Veröffentlichungen immer wieder
auf ungeklärte Gefährdungen hin. Bislang sei es den Betreibern von
Mobilfunkanlagen nicht gelungen, den Beweis zu erbringen, dass der Betrieb keine
Gesundheitsschäden hervorrufe. Auch der Bundesgerichtshof schließe in seinen
beiden Urteilen derartige Schäden nicht aus. Der Ausschluss von
Sachverständigengutachten zur Frage gesundheitlicher Auswirkungen sei
rechtsstaatlich nicht vertretbar, vielmehr müsse auf die Erkenntnisse des jeweiligen
Tatrichters abgestellt werden (so z.B. Kniep, Abwehransprüche gegen den Betrieb
von Mobilfunkanlagen in DWW 2005, S. 101). Einige Gerichte unterstützen in ihren
Urteilen ebenfalls diese Auffassung.
a.
AG München, Urteil vom 1. April 1998, WuM 1999, S. 111 f.
Lässt der Vermieter nach Vereinbarung des Mietvertrages über eine
Obergeschosswohnung auf dem Flachdach des Gebäudes die Sende- und
Empfangsanlage des Betreibers eines Mobilfunk-Telekommunikationsnetzes
errichten, sodass der Mieter die Wohnung in nachvollziehbarer Furcht vor
Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Kraftfelder nutzen muss, ist
ein Mangel der Mietsache gegeben.
Das Gericht hat einen Minderungsanspruch von 20 % bejaht, weil angesichts
warnender Stimmen kritischer Wissenschaftler nicht unvernünftig erscheinende
Zweifel bestünden und die daraus resultierende nachvollziehbare Furcht eine
Beeinträchtigung im Sinne des § 537 Abs. 1 BGB (alter Fassung) darstelle.
... „denn für das Wohlbefinden der Beklagten kommt es nicht auf sofort spürbare Einwirkungen der Antennenanlage an, sondern auf die Furcht vor Gesundheitsschäden, mag diese sich auch später als unbegründet darstellen ...
- 23 -
Diese Furcht stellt eine Beeinträchtigung im Sinne von § 537 Abs. 1 BGB dar.
Vermieter und Mieter stehen jedenfalls während eines bestehenden
Mietverhältnisses in einem Treueverhältnis zueinander. Ein Mieter hat Anspruch
darauf, dass sein Vermieter nicht nachträglich das Anwesen in einer bei
Abschluss des Mietvertrages nicht vorhersehbaren Weise nutzt und dem Mieter
die Angst aufbürdet, hierdurch (mindestens langfristig) gesundheitlich
geschädigt werden zu können. Dies gilt umso mehr, wenn es dem Vermieter
möglich und zumutbar wäre, den Mietern durch geeignete Abhilfemaßnahmen
entgegenzukommen.“
b.
AG Hamburg, Urteil vom 24. Juli 2001, WuM 2001, S. 515
Ein Nachteil der Lage einer Wohnung ist darin zu sehen, dass sich auf dem
Dach des nahe gelegenen Hochhauses mehrere Mobilfunkantennen befinden.
Auch wenn nicht abschließend geklärt ist, ob und inwieweit die von einer
solchen Anlage ausgehende Strahlung gesundheitsschädlich ist, wirkt sich doch
allein die Existenz der Antennen nachteilig auf die Wertschätzung der Wohnung
aus.
5.
BGH schafft Klarheit - 2004
Erstmalig beschäftigte sich der BGH in zwei parallel gelagerten Verfahren im Jahr
2004 mit dieser Thematik. Durch seine Urteile bestätigt er die herrschende Meinung
in der Rechtsprechung.
BGH, Urteile vom 13. Februar 2004, ZMR 2004, S. 415
Der BGH hatte über die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen
Voraussetzungen von einem Unternehmen verlangt werden kann, den Betrieb von
Mobilfunksendeanlagen wegen der davon ausgehenden elektromagnetischen
Felder zu unterlassen. In den Entscheidungsgründen hat der BGH u.a. dazu
folgendes ausgeführt:
Die Klage wurde vom LG Hanau abgewiesen, die Berufung vom OLG Frankfurt am
Main zurückgewiesen.
Der Bundesgerichtshof hat einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2
BGB für nicht begründet erachtet, weil die Kläger die von der Mobilfunkanlage der
Beklagten ausgehenden elektromagnetischen Felder nach § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB
dulden müssen. Danach besteht eine Duldungspflicht, wenn die von der Anlage
ausgehenden Immissionen zu keiner oder nur zu einer unwesentlichen
Beeinträchtigung führen. Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, hängt nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats von dem Empfinden eines verständigen
Menschen und davon ab, was diesem auch unter Würdigung anderer öffentlicher
und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist.
Dabei steht dem Tatrichter ein auf die konkreten Umstände des Einzelfalls
bezogener Beurteilungsspielraum zu. Hierbei hat er indes zu beachten, dass nach §
906 Abs. 1 Satz 2 BGB eine unwesentliche Beeinträchtigung "in der Regel" dann
vorliegt, wenn - wie hier - die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen
festgelegten Grenzen oder Richtwerte von den ermittelten und bewerteten
Immissionen nicht überschritten werden. Die Einhaltung solcher Grenzen oder
Richtwerte schließt zwar das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht
aus, hat aber Indizwirkung zugunsten einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung.
- 24 -
Hiervon ist das Berufungsgericht ausgegangen. Rechtlich nicht zu beanstanden ist
auch die Annahme, dass die Kläger die Indizwirkung nicht erschüttert haben. Hierzu
wäre darzulegen gewesen, dass ein wissenschaftlich begründeter Zweifel an der
Richtigkeit der in der BImSchV festgelegten Grenzwerte und ein fundierter Verdacht
einer Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Felder unterhalb dieser
Werte besteht. Daran fehlt es. Wissenschaft und Forschung ist - wie das
Berufungsgericht festgestellt hat - bislang nicht der Nachweis gelungen, dass
athermische Effekte elektromagnetischer Felder, zumal unterhalb der durch die 26.
BImSchV gezogenen Grenzen, zu gesundheitlichen Schäden führen können.
Darauf beruhen die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission vom 13./14.
September 2001, die Grundlage für die festgesetzten Grenzwerte sind. Bei diesem
Forschungsstand war es nicht verfahrensfehlerhaft, dass das Berufungsgericht kein
Sachverständigengutachten zu der Frage der gesundheitlichen Auswirkungen von
elektromagnetischen Feldern eingeholt hat. Ein solches Gutachten hätte nur diesen
Stand der Forschung widerspiegeln können und ist daher nicht geeignet, neue
Erkenntnisse zu vermitteln.
6.
Rechtsprechung von 2006 bis 2007
a.
BGH, Urteil vom 15. März 2006, ZMR 2006, S. 670
Mit diesem Urteil hat der BGH entschieden, dass dem Mieter einer Wohnung
kein Anspruch gegen den Vermieter auf Unterlassung des Betriebs einer
Mobilfunksendeanlage zusteht, wenn die Anlage die in der 26. BImSchV
festgelegten Grenzwerte für elektromagnetische Felder nicht überschreitet.
Im Streitfall hatte der Mieter einen Herzschrittmacher und sah sich deshalb
durch die elektromagnetische Strahlung besonders gefährdet. Der BGH hat in
seinem Urteil nochmals klargestellt, dass in der Rechtsprechung und im
Schrifttum anerkannt sei, dass eine Mietwohnung keinen Sachmangel (§ 536
BGB) aufweise, wenn eine in der Nähe gelegener Mobilfunksendeanlage die in
der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte für elektromagnetische Felder nicht
überschreitet.
b.
LG Hamburg, Urteil vom 21. Juni 2007, WuM 2007, S. 692
Eine Mietwohnung weist keinen Sachmangel auf, wenn eine in der Nähe
gelegene Mobilfunksendeanlage, die in der 26. BImSchV festgelegten
Grenzwerte nicht überschreitet (Anschluss an BGH WuM 2006, S. 304). Eine
„differenzierende
Betrachtung“
bei
begründeter
Besorgnis
einer
Gesundheitsgefahr ist im hier zu entscheidenden Streitfall entgegen der
erstinstanzlichen Entscheidung des AG Hamburg-Harburg (WuM 2007, S. 621)
ohne konkrete Grundlage und daher nicht anzustellen.
Das AG Hamburg-Harburg hatte in seinem Urteil vom 8. Januar 2007 (WuM
2007, S. 621) in seinen Leitsätzen u.a. ausgeführt:
„Sind die in der 26. BImSchV genannten Grenzwerte (deutlich) unterschritten,
rechtfertigt der aufgrund des Restrisikos begründete Mangel der Mietsache eine
Minderung in Höhe von 10 Prozent der Brutto-Warmmiete.“ Diese Aussage war
vom LG Hamburg kassiert worden, vgl. dazu auch die Anmerkung von Herkner,
Mietmangel Mobilfunk in WuM 2007, S. 662, und dem Beitrag von Kniep „Zu
Mobilfunk und kommunaler Planung“ (in WuM 2007, S. 611).
- 25 -
c.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Entscheidung vom 3. Juli
2007, NVwZ 2008, S. 1215
In dieser Entscheidung hat sich der Europäische Gerichtshof mit
Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkanlagen beschäftigt und die Beschwerde
eines deutschen Staatsangehörigen abgelehnt, der sich gegen die
Genehmigung zur Erhöhung eines bereits vorhandenen Antennenträgers in
einer Entfernung von ca. 20 Metern zu einem Wohnhaus gewandt hatte.
Zuvor war der Beschwerdeführer am 20. Januar 2001 vor dem
Verwaltungsgerichts Koblenz, am 20. August 2001 vor dem OVG RheinlandPfalz und am 28. Februar 2002 vor dem BVG mit seiner Klage gegen die
Grenzwerte der 26. BImSchV gescheitert. Der Gerichtshof stellt dazu u.a. fest:
„Im Hinblick auf die Frage, ob die angegriffene Genehmigung rechtsmäßig
erteilt wurde, stellt der Gerichtshof fest, dass die Genehmigung auf den
einschlägigen Gesetzesbestimmungen beruhte und dass die von der Anlage
ausgehende Strahlung unbestritten die von der Bundesregierung festgelegten
maßgeblichen Grenzwerte nicht überschritten hat.
Der Gerichtshof erkennt ferner an, dass mit der Erteilung der angegriffenen
Genehmigung ein legitimes Ziel verfolgt wurde, nämlich das Interesse am
wirtschafltichen Wohl des Landes sowie das Interesse der Allgemeinheit an der
Nutzung der Mobilfunktechnik.“ (Vgl. dazu auch die Anmerkung von Kniep
„Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkanlagen“ in WuM 2009, S. 383.)
Bei der Problematik von Mobilfunkanlagen hat sich relativ schnell eine
herrschende Meinung ausgebildet. Danach sind Mobilfunkanlagen zulässig,
solange die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte nicht überschritten
werden. Der Mieter hat keine Widerspruchsmöglichkeiten gegen eine derartige
Anlage, Mietminderungsansprüche scheiden ebenfalls aus.
XII. 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, GEZ-Einzugsermächtigung
1.
Überblick
Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben vom 15. bis 21.
Dezember 2010 den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterzeichnet.
Die Ministerpräsidenten nehmen damit einen grundlegenden Systemwechsel bei der
Erhebung der finanziellen Mittel für die Tätigkeiten des öffentlichen-rechtlichen
Rundfunks in Deutschland vor. Die bisherige an den Besitz eines Empfangsgerätes
gekoppelte
Rundfunkgebühr
wird
durch
einen
Beitrag
ersetzt.
Anknüpfungstatbestand dieses Beitrags soll die Wohnung bzw. Betriebsstätte sein.
Ziel ist es, eine höhere Beitragsgerechtigkeit und u.a. eine deutlich
datenschutzgerechtere Beitragserhebung herbeizuführen.
„Künftig besteht als wesentliche Neuerung eine Beitragspflicht für Wohnungsinhaber
im privaten Bereich und für Betriebsstätteninhaber im nicht privaten Bereich. Auch
der nicht private Bereich trägt demnach weiterhin zur Rundfunkfinanzierung bei. Der
öffentlich-rechtliche Rundfunk fördert im besonderen Maße die Grundlagen der
Informationsgesellschaft und leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration und
Teilhabe an demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozessen. Davon
profitiert sowohl der private als auch der nicht private Bereich, der neben
- 26 gewerblichen und sonstigen selbstständigen Erwerbstätigkeiten
Tätigkeiten zu gemeinnützigen und öffentlichen Zwecken umfasst.
überdies
In dem nicht mehr an Rundfunkempfangsgeräte angeknüpft wird, wird ein
zukunftssicheres Beitragsmodell auf den Weg gebracht und damit der Konvergenz
der Medien Rechnung getragen. Hiermit entfällt auch eine besondere Gebühr auf
neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere PC). Die Umwandlung der
Finanzierungsform gewährleistet nach derzeitigem Kenntnisstand und auf der
Grundlage des vorkommenden Datenmaterials zudem Beitragsstabilität und
Aufkommensneutralität. Auch die Aufteilung des Beitragsaufkommens zwischen
privatem Bereich und Unternehmen sowie der öffentlichen Hand bleibt grundsätzlich
gleich.“ (Begründung zum 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher
Staatsverträge (15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag), S. 2 und 3.)
Dieser Staatsvertrag tritt am 1. Januar 2013 in Kraft, da alle Länderparlamente bis
zum 31. Dezember 2011 diesen Staatsvertrag ratifiziert haben.
2.
Mietrechtliche Auswirkungen
Gem. § 2 des Staatsvertrages ist für jede Wohnung von deren Inhaber
(Beitragsschuldner) der Rundfunkbeitrag zu entrichten.
Zuständig für den Beitragseinzug bleibt die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in Köln.
Dieses regelt § 10 Abs. 7 des Staatsvertrages:
„Jede Landesrundfunkanstalt nimmt die ihr nach diesem Staatsvertrag
zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz
oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen
Verwaltungsgemeinschaft
betriebene
Stelle
der
öffentlich-rechtlichen
Landesrundfunkanstalten selbst wahr. Die Landesrundfunkanstalt ist ermächtigt,
einzelne Tätigkeiten bei der Durchführung des Beitragseinzugs und der Ermittlung
von Beitragsschuldnern auf Dritte zu übertragen und das Nähere durch die Satzung
nach § 9 Abs. 2 zu regeln.“
Knackpunkt ist die Regelung in § 9 des Staatsvertrages:
„Die zuständige Landesrundfunkanstalt kann von jedem Beitragsschuldner . . .
Auskunft über die in § 8 Abs. 4 genannten Daten verlangen. Kann die zuständige
Landesrundfunkanstalt den Inhaber einer Wohnung oder einer Betriebsstätte nicht
feststellen, ist der Eigentümer oder der vergleichbar dinglich Berechtigte der
Wohnung oder des Grundstücks, auf dem sich die Betriebsstätte befindet,
verpflichtet, der Landesrundfunkanstalt Auskunft über den tatsächlichen Inhaber der
Wohnung
oder
der
Betriebsstätte
zu
erteilen.
Bei
Wohnungseigentumsgemeinschaften kann die Auskunft auch vom Verwalter
verlangt werden.“
Mit dieser Regelung wird das Wohnungsunternehmen gezwungen, u.a. den Namen
und das Geburtsdatum, frühere Namen, alle vorhandenen Angaben zur Lage der
Wohnung und zu dem Beginn des Mietverhältnisses der GEZ zu melden, für den
Fall, dass die GEZ den Inhaber der Wohnung bzw. den Beitragsschuldner nicht
ausmachen
kann.
Das
Wohnungsunternehmen
wird
dadurch
zum
„Erfüllungsgehilfen“ bzw. „Verrichtungsgehilfen“ der GEZ. Diese Vorschrift macht
Wohnungsunternehmen in unverhältnismäßiger Weise zu „Hilfsorganen“ der GEZ.
Damit wird in unvertretbarer Weise in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der
Wohnung eingegriffen. Hinzukommt, dass das Wohnungsunternehmen in vielen
- 27 Fällen gar nicht die in § 8 Abs. 4 geregelten Daten aus ihrer Mietverwaltung
produzieren können, da sie beispielsweise frühere Namen ihrer Mieter gar nicht
kennen (können). Die Regelung im Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist
unverhältnismäßig, da das Wohnungsunternehmen zur Datenübermittlung
verpflichtet wird, obgleich die GEZ zur Feststellung von Beitragspflichtigen bereits
auf Daten aus Melderegistern, von Adresshändlern, Arbeitgebern, Versicherungen,
Versandhäusern oder auch Inkassounternehmen zurückgreifen kann. Da die GEZGebühr künftig je Haushalt erhoben wird, nicht mehr geräteabhängig, macht das die
Meldung einzelner Mieter grundsätzlich überflüssig. Mit § 9 wird der GEZ unter
Aufweichung
des
Datenschutzes
ein
weiterer
billiger
Weg
zur
Informationsbeschaffung eröffnet.
„Hamburg muss Zuträgerdienste von Vermietern über ihre Mieter für die GEZ
stoppen“, so der Mieterverein von Hamburg in seiner Presseerklärung vom 20.
Oktober 2011.
Vermieter- und Mieterverbände haben fruchtlos an die Landtage appelliert, dieser
Regelung nicht zuzustimmen.
XIII. Funkbasierte Ablesesysteme - Duldungspflicht trotz „Funkwellenangst“
1.
Überblick
Die
Erfassung
von
Wärme-Wasserverbräuchen
zum
Zwecke
der
verbrauchsabhängigen Abrechnung blickt in Deutschland auf eine lange Tradition
zurück. Um die Verbrauchskosten verursachergerecht zu verteilen, ist eine
entsprechende gebäudetechnische Ausstattung zur Erfassung der Wärme- und
Wasserverbräuche erforderlich. Standen für die Erfassung des Wärmeverbrauches
zu Beginn die Heizkostenverteiler auf Basis des Verdunstungsprinzips im Fokus,
sind z.B. bei der Techem GmbH, Eschborn, seit den 1980er Jahren elektronische
Heizkostenverteiler (EHKV) sowie elektronische Wärmezähler im Einsatz. Über
Mobilfunk werden die Verbrauchsdaten aus der jeweiligen Wohnung an den
jeweiligen Energiedienstleister übertragen. Ein Betreten der Wohnung oder des
Gebäudes durch den Ableser entfällt ebenso wie die hierfür erforderliche
Terminabstimmung. Eine hohe Kundenakzeptanz und Zuverlässigkeit in der
Datenerfassung haben in den vergangenen Jahren zu einem zunehmenden Einsatz
von Funklösungen geführt. Die Techem GmbH verwaltet heute über 16 Millionen
Funkgeräte für funkgestützte Systeme zur verbrauchsabhängigen Erfassung und
Abrechnung (Dr. Arne Kähler, Dr. Jochen Ohl, Winfried Simon, „Massentaugliche
Systemlösung - Verbrauchsdaten mobil und stationär ablesen“ in Haus- und
Gebäudeautomation, Heft 7/2010, S. 35 - 37).
Zum Jahresbeginn 2012 verzeichnete Techem ca. 22 Millionen funkbasierte
Ablesesysteme in Deutschland. Der Anteil von Techem in diesem Markt liegt derzeit
bei ca. 70 Prozent. Das Unternehmen geht bei der zukünftigen Marktentwicklung
von einem weiteren Zuwachs der Funktechnologie aus. Wohnungsunternehmen
schätzen den geringeren organisatorischen Aufwand beim Ablesevorgang, dazu
gehören beispielsweise Schwierigkeiten, nicht in alle Wohnungen zu kommen und
die Vermeidung von Schätzungen, die meist zu Ärger mit den Mietern führen.
Zudem besteht mit der Funktechnologie die Möglichkeit, Echtzeitdaten (sogenannte
Fernauslesung) aus den Wohnungen zu beziehen und beim Mietermonitoring oder
Leerstandsmanagement auf aktuelle Daten zurückzugreifen.
2.
BGH, Urteil vom 28. September 2011, NZM 2011, S. 804
- 28 Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Mieterin den Einbau der
funkbasierten Zähler zu dulden hat. Ein Anspruch ergibt sich für die Heizenergieund
Warmwasserzähler
aus
§4
Abs.
2
Satz 1
Halbsatz 2
der
Heizkostenverordnung. Diese Norm erfasst entgegen der Ansicht der Revision nicht
nur die Erstausstattung der Mieträume mit Heizkostenerfassungsgeräten und den
Austausch unbrauchbar gewordener Geräte, sondern begründet auch eine
Duldungspflicht des Mieters für den Austausch noch funktionstechnischer
Messgeräte
durch
modernere
Systeme,
so
der
BGH
in
seinen
Entscheidungsgründen.
Neben diesen rein mietrechtlichen Gesichtspunkten geht der BGH in den
Entscheidungsgründen auch auf die Duldungspflicht trotz „Funkwellenangst“ ein:
„Die von der Beklagten vermuteten gesundheitsschädlichen Wirkungen der
Funktechnik sind nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts wissenschaftlich nicht belegt und daher aus Sicht eines
objektiven Mieters nicht geeignet, die mit Funkablesesystemen verbundenen
Nutzungsvorteile zu entwerten. Hinzukommt, dass die Beklagte den Einbau eines
funkbasierten
Ablesesystems
zur
Erfassung
des
Wärmeund
Warmwasserverbrauchs
ohnehin
nach
§4
Abs. 2
Satz 1
Halbsatz 2
Heizkostenverordnung zu dulden hat, sodass sich im Rahmen des § 554 Abs. 2
BGB nur noch die Frage stellt, ob die mit dem Austausch des Kaltwasserzählers
verbundene Vervollständigung des Funksystems den Wohnwert der Mieträume
verbessert.“
3.
LG Berlin, Beschluss vom 22. Oktober 2010, NZM 2011, S. 806
Das LG Berlin argumentiert in seinem Hinweisbeschluss ähnlich wie der
Bundesgerichtshof:
„Aus den vorstehenden Erwägungen lässt sich gleichfalls eine angenommene
Wohnwertverbesserung i.S.v. § 554 Abs. 1 BGB herleiten, die zur Duldungspflicht
führt. Hiergegen sind Härtegründe nicht ersichtlich, zumal die behauptete
Gesundheitsgefahr durch Funkstrahlen lediglich abstrakt vorgetragen wird, ohne
das objektivierbare Kriterien ersichtlich wären, die nach dem aktuellen Stand der
Wissenschaft die - immerhin zur Verwendung zugelassenen - Geräte als kausale
Quelle konkreter Beeinträchtigungen erscheinen lassen.“
4.
Die Gegenmeinung: Frank Ulrich Mann, Freiburg, Gastkommentar, NZM
aktuell, NZM 2011 Nr. 24, S. V und VI
In seinem Gastkommentar nimmt Mann die Entscheidung des BGH aufs Korn.
„Zusätzliche Zwangsbestrahlung von Mietern oder: Doch mehr als nur unbegründete
Vermutung einer Gesundheitsgefahr?“ so die Überschrift seines Kommentars.
Seiner Auffassung nach handelt es sich bei diesen „Smart-Metern“ um „richtige“
kleine Mobilfunksender. Der BGH habe bei seiner Entscheidung den Kampf von
Bürgerinitiativen, Studien des Bundesamtes für Strahlenschutz, eine
„Krebswarnung“ der WHO vom Mai 2011 zur Mobilfunkpolitik sowie Art. 8 Abs. 1
EMRK außer Acht gelassen. Sein Fazit:
„Ob Funksender gegen den Willen des Bewohners in eine Wohnung gesetzt werden
dürfen, wird durch allgemeine mietrechtliche Bestimmungen überhaupt nicht erfasst.
Ihr Einbau ist daher bis zu einer ausdrücklichen Grundrecht angemessenen
Regelung des Gesetzgebers unzulässig! Unter Berücksichtigung der genannten
Aspekte ist die Entscheidung des BGH, jedenfalls mit der gegebenen, die oben
- 29 genannte Fakten ignorierenden Begründung, nicht nachvollziehbar und zumindest
des Vorsorgegedankens kontraproduktiv: Es gibt deutlich bessere Erkenntnisse,
wenn man sich ein wenig um die Tiefe der eigentlichen Problematik sorgt. Deshalb
seien Mieter wie Instanzgerichte von dieser Stelle motiviert, Mut zu beweisen und
einen neuen Fall zum BGH, gegebenenfalls zum BVerfG zu bringen, damit diese
höchstrichterliche Rechtsprechung korrigiert werden kann. Und Vermieter: Lieber
Hände weg von Smart-Metern!“
5.
Vorläufige Bewertung
Die Auseinandersetzung zwischen Mann und dem Bundesgerichtshof erinnert stark
an die jahrelange Diskussion um die Zulässigkeit von Funkmasten. Über den Lauf
der Jahre hat sich in dieser Problematik eine herrschende Meinung entwickelt.
Demnach sind Funkmasten verwaltungsrechtlich und mietrechtlich zulässig. Es
bleibt abzuwarten, inwieweit sich andere Instanzgerichte, der Bundesgerichtshof
oder gegebenenfalls das BVerfG verhalten werden, wenn sie erneut mit der Materie
befasst werden. Vermutlich wird sich auch hier eine herrschende Meinung
herausbilden, die den Einbau von funkbasierten Ablesesystemen als mietrechtlich
zulässig erklärt.
XIV. Ausbau des Glaserfasernetzes durch die Deutsche Telekom AG
1.
Überblick
Die Deutsche Telekom AG baut ihr Glasfasernetz unter dem Motto „Fiber to the
home“ (kurz: FTTH) aus. Dabei legt sie das Glasfaserkabel bis in die Wohnung des
Kunden. Auf diese Weise lässt sich das Geschwindigkeitspotenzial der
Glasfasertechnologie am besten nutzen. Bis zu 1 Gigabit pro Sekunde im Download
und bis zu 0,5 Gigabit pro Sekunde im Upload werden in Zukunft möglich sein.
Damit schafft die Deutsche Telekom AG neben der Satellitenempfangsanlage, dem
Breitbandkabel und dem Telefonkupferdraht einen vierten Empfangsweg fürs
Telefonieren, Fernsehen und Internet. Dem Wohnungsunternehmen als Vermieter
eröffnen sich damit in Zukunft Wettbewerbsvorteile im Verhältnis zu herkömmlichen
Breitbandkabelanbietern.
Bis Ende 2011 hat die Telekom ihr Glasfasernetz in folgenden zehn Städten
ausgebaut:
Hannover,
Neu-Isenburg,
Offenburg,
Mettmann,
Potsdam,
Kornwestheim, Raststadt, Braunschweig, Henningsdorf und Brühl. Dort werden rund
160.000 Haushalte erreicht. Für 2012 plant das Unternehmen den Marktgang in
Amberg, Aschaffenburg, Bergneustadt, Erlangen, Freising, Friedrichsdorf, Goldbach
Hösbach, Gummersbach, Kempten, Kiel und Münster (Pressemitteilung Deutsche
Telekom AG vom 15. April 2011, unveröffentlichtes Telekom-Material vom 17.
Oktober 2011).
2.
Wohnungswirtschaftliches Referenzprojekt
Die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Annington haben am 8. Dezember
2011 eine strategische Innovationspartnerschaft geschlossen. Ziel dieser
Zusammenarbeit ist es, bundesweit 171.000 Wohnungen des Bochumer Konzerns
mit TV-Diensten zu versorgen. Die Wohnungen werden Schritt für Schritt an das
neue Glasfasernetz der Deutschen Telekom AG angeschlossen. Der Startschuss für
die Ausbaumaßnahmen fällt Anfang 2012. Bereits im ersten Quartal 2013 werden
mehr als 40.000 Wohnungen an das TV-Netz angeschlossen sein, Pressemitteilung
Deutsche Telekom AG vom 8. Dezember 2011.
- 30 -
3.
Mietrechtliche Auswirkungen
Der Angriff der Deutschen Telekom AG auf die Regelung in § 2 Nr. 15
Betriebskostenverordnung, (Novelle des Telekommunikationsgesetzes vgl. unten)
dürfte im unmittelbaren Zusammenhang mit der Einführung von Glasfasernetzen zu
sehen sein. Die Streichung der Vorschrift hätte zur Folge, dass die Deutsche
Telekom AG den Mietern ohne Beteiligung des Vermieters unmittelbar ihre Produkte
anbieten könnte.
XV. Novelle des Telekommunikationsgesetzes
Telekom AG auf das Betriebskostenrecht
1.
-
der
Angriff
der
Deutschen
Überblick
Der Deutsche Bundestag hat am 27. Oktober 2011 die Novelle des
Telekommunikationsgesetzes (TKG) beschlossen. Der Gesetzentwurf erweitert die
Rechte der Kunden im Telekommunikationsmarkt deutlich. Z.B wurde gesetzlich klar
geregelt, dass bei Anrufen auf Sonderrufnummern eine Warteschleife weder bei
einem Telefonat aus dem Festnetz noch aus dem Mobilfunknetz Kosten verursachen
darf. Auch bei Umzug und Anbieterwechsel stärkt der Gesetzgeber die Rechte der
Verbraucher. Wenn die Leistung am neuen Wohnort nicht angeboten wird, haben die
Kunden zukünftig ein Sonderkündigungsrecht. Für Fälle des Anbieterwechsels ist
vorgesehen, dass die Unterbrechung höchstens einen Kalendertag dauern darf
(Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,
Pressemitteilung Nr. 228 vom 27. Oktober 2011).
2.
Mietrechtliche Auswirkungen
In der Novelle regelt der Gesetzgeber nicht nur Fallgestaltungen, die die breite
Öffentlichkeit interessieren, sondern auch eine wohnungswirtschaftliche
Fragestellung.
Im
Rahmen
der
Novelle
wurde
eine
Novelle
der
Betriebskostenverordnung verabschiedet. In § 2 Nr. 15 Betriebskostenverordnung
(BetrKV) wurden die Worte „Breitbandkabelnetz“ durch „Breitbandnetz“ und
„Breitbandkabelanschlüsse“ durch „Breitbandanschlüsse“ ersetzt.
§ 2 Nr. 15 BetrKV lautet in der neuen Fassung wie folgt:
㤠2 Aufstellung der Betriebskosten
Betriebskosten im Sinne von § 1 sind: . . . 15. die Kosten
a) . . .
b) . . . des Betriebs der mit einem Breitbandnetz verbundenen privaten
Verteileranlage, hierzu gehören die Kosten entsprechend Buchstabe a), ferner die
laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandanschlüsse.“
„Die geltende Betriebskostenverordnung ermöglicht mit § 2 Nr. 15 die Umlage von
Kosten für eine TV-Grundversorgung, die über Breitbandkabelnetze angeboten
werden. Mit der Änderung wird klargestellt, dass die Umlagefähigkeit der Kosten für
den Betrieb, die Wartung und die monatlichen Entgelte für die Grundversorgung mit
Fernsehen und Hörfunk alle leitungsgebundenen Breitbandinfrastrukturen erfasst.
Die technologieneutrale Ausgestaltung der Regelung erfolgt mit Blick auf die
technische Fortentwicklung, die entsprechenden Angebote sowohl über
herkömmliche klassische Telekommunikationsnetze als auch über neue moderne
- 31 Breitbandinfrastrukturen wie z.B. Glasfasernetze ermöglicht.“ (Deutscher
Bundestag, Ausschussdrucksache 17(9) 641 vom 25. Oktober 2011, S. 117).
Im Rahmen des § 2 Nr. 15 BetrKV war bisher nur die Umlage der durch ein
Breitbandkabelnetz
entstehenden
Kosten
sowie
der
Kosten
von
Breitbandkabelanschlüssen möglich. Die restriktive Auslegung dieses Begriffs führte
dazu, dass Vermieter keinen Anlass zum Wechsel auf eine TV-Versorgung mittels
einer Breitband-Telefonleitung hatten. Denn in der Folge mussten sie damit
rechnen, die anfallenden Betriebskosten nicht auf die Mieter umlegen zu können.
Mit der Novelle wird sichergestellt, dass die Umlagefähigkeit der Kosten für den
Betrieb, die Wartung und die monatlichen Entgelte für die Grundversorgung mit
Fernsehen und Hörfunk aller leitungsgebundenen Breitbandinfrastrukturen erfasst
sind. Damit ist die Regelung technologieoffen formuliert und ermöglicht dem
Vermieter die technologieunabhängige Umlage der Kosten - und damit letztlich auch
den Anbieterwechsel. (Haus und Grund Deutschland, http://www.haus-und-grundleipzig.de\aktuelles.html?newsid=116??title=Betriebskosten aufgerufen am 1.
Dezember 2011).
3.
Der Angriff der Deutschen Telekom AG
In ihrer Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft
und Technologie des Deutschen Bundestages am 8. Juni 2011 der Deutschen
Telekom AG, Bonn, Juni 2011, versucht das Unternehmen, die Änderung der
Betriebskostenverordnung zu torpedieren und fordert eine Streichung der Vorschrift.
„6.
Abbau
von
(Nebenkostenprivileg).
Marktverzerrungen
gegenüber
TV-Kabelnetzen
Gleiche Wettbewerbschancen für alle Unternehmen, die Haushalte mit schnellem
Internet versorgen, tragen mit dazu bei, die Dynamik im Markt zu erhöhen und den
Aufbau der nächsten Netzgeneration zu beschleunigen. Hier gibt es Defizite. Die
meisten Mieter bezahlen ihren Kabelanschluss über die Nebenkosten - egal ob sie
ihn nutzen oder nicht. Ein Mieter, der also bei einem TK-Unternehmen
Internetfernsehen (IPTV) bestellt, zahlt für das TV-Signal im Endeffekt doppelt. Es
gibt keine Wahlfreiheit und auch keine echte Transparenz über die Gesamtkosten
eines Breitbandanschlusses über das TV-Kabel im Vergleich mit Angeboten zu TKNetzbetreibern. Unternehmen, die in alternative Breitbandnetze auf Glasfaserbasis
investieren, haben unter diesen Bedingungen kaum Anreize und auch kaum eine
Chance, Kunden anzuschließen. Nachdem die Kabelnetzbetreiber massiv in den TKMarkt und den Verkauf von Breitbandprodukten eingestiegen sind, ist diese
Sonderbehandlung nicht mehr gerechtfertigt. Um die erheblichen Marktverzerrungen
zulasten der TK-Unternehmen zu beseitigen und um die Finanzierungsmöglichkeiten
für neue Netze zu verbessern, muss Chancengleichheit hergestellt werden. Hierzu
bedarf es einer entsprechenden Änderung der Betriebskostenverordnung, die im
Rahmen der laufenden TKG-Novelle erfolgen sollte. Die Vorschrift des § 2 Nr. 15
BetrKV sollte gestrichen werden. Das ist der ordnungspolitisch sauberste Weg im
Vergleich zu einer Ausweitung der Regelung auf Breitbandnetze und -angebote“
(Stellungnahme Deutsche Telekom AG, S. 4).
4.
Mietrechtliche Auswirkungen
Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.
lehnt diesen Vorschlag entschieden ab. Der Vorschlag trägt nicht dazu bei, die
Breitbandanbindung in Deutschland zu fördern. Eine Streichung der Vorschrift würde
bedeuten, dass in bis zu 24 Millionen Mietverträgen zulasten der Vermieter
- 32 eingegriffen würde. Mietrechtlich ist es auf der Grundlage des § 556 BGB erlaubt zu
vereinbaren, dass die Mieter die Kosten der mit einem Breitbandkabel verbundenen
Verteileranlagen als Betriebskosten tragen. Die Vorschrift ist grundsätzlich
anbieterneutral und auf alle Breitbandtechnologien, also auch auf Glasfaser,
anwendbar. Eine Folge der Streichung wäre, dass die Sammelinkassoverträge
zwischen Wohnungsunternehmen und TV-Anbietern aufgelöst und neue nicht mehr
geschlossen werden. Dies würde für die davon betroffenen Mieter aufgrund des
Wegfalls des Sammelinkassos Kostensteigerungen bei der Medienversorgung in
Höhe von durchschnittlich mindestens 50 Prozent bedeuten.
Durch die anbieterneutrale
Bedenkenträgern Rechnung.
5.
Formulierung
trägt
der
Gesetzgeber
allen
Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Der Bundesrat hat auf seiner Sitzung vom 25. November 2011 den
Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen. Dieser hat auf
seiner Sitzung vom 14. Dezember 2011 das Thema auf den 8. Februar 2012 vertagt.
An diesem Tag wurde u.a. § 2 Nr. 15 BetrKV in der neuen Fassung verabschiedet.
XVI. Social Media - Facebook, Twitter und Co.
1.
Überblick
Social Media wie Twitter, Facebook und Co. revolutionieren das Internet und
erweitern seine Durchschlagskraft. Die Aufstände in den arabischen Ländern
Anfang vergangenen Jahres wären ohne diese Netzwerke nicht möglich gewesen.
Genauso effektiv wurden die Demonstrationen gegen „Stuttgart 21“ gezielt über
soziale Netzwerke gesteuert. Internetnutzer können über Social Media Nachrichten
in Sekundenschnelle an eine unbestimmte Vielzahl anderer Nutzer schicken und
neue Kontakte knüpfen.
Facebook (englisch sinngemäß „Studentenjahrbuch“) ist eine Webseite zum
Erstellen und Betreiben sozialer Netzwerke, die der Facebook Inc. mit Sitz im
kalifonischen Menlo Park gehört.
Die Plattform wurde 2004 von Mark Zuckerberg gegründet, der damals an der
Harvard University studierte. Jeder Benutzer verfügt über eine Profilseite, auf der er
sich vorstellen und Fotos oder Videos hochladen kann. Auf der Pinnwand des
Profils können Besucher öffentlich sichtbare Nachrichten hinterlassen oder
Notizen/Bloggs veröffentlichen (http://de.wikipedia.org/wiki/Facebook) aufgerufen
am 28. Dezember 2011).
Wohnungsunternehmen können sich auf Facebook mit einer Fanseite darstellen.
8,1 Prozent aller deutschen Wohnungsgenossenschaften waren im August 2011 mit
einer Seite auf Facebook vertreten und 3,1 Prozent auf Twitter. 33 Prozent aller
gefragten Wohnungsgenossenschaften planen einen Auftritt bei Facebook und 23,4
Prozent bei Twitter. (Caroline Schmitter - Die Bedeutung des Internet zur
Mitgliederkommunikation bei Wohnungsgenossenschaften - eine erste Auswertung
empirischer Ergebnisse, Nr. 115 August 2011, S. 20, Westfälische Wilhelms
Universität Münster, Institut für Genossenschaftswesen, http://www.wiwi.unimuenster.de/06/aktuelles/material/ap115_schmitter.pdf).
2.
Daten, Zahlen, Fakten
- 33 Facebook verzeichnet weltweit 950 Millionen Nutzer. Wäre Facebook ein Land,
wäre es das drittgrößte nach der Einwohnerzahl nach China und Indien. In
Deutschland nutzen 41 Millionen Nutzer dieses Portal. (www.google.com\adplanner,
aufgerufen am 2. Februar 2012.)
3.
Mietrechtliche Auswirkungen
Social Media sind ein Instrument für Kommunikation. Auch für Social Media gelten
Gesetze. Aufgrund des Entwicklungstempos von Social Media im Internet können
die gesetzlichen Rahmenbedingungen oftmals nicht Schritt halten. Das Internet
agiert weltweit, Gesetze stoßen an den Landesgrenzen an ihre Grenzen. Für
Deutsche User gelten Deutsche Gesetze. Direkt, ehrlich und authentisch soll Social
Media-Kommunikation sein. Es mögen sich zwar der Ton und die Beziehung zum
Kunden geändert haben, nicht aber die Gesetze. Bei der Kommunikation über
Social Media dürfen weder das Wohnungsunternehmen noch der Mieter vergessen,
dass sie sich nicht in einem privaten Kreis, sondern im weltweiten Kontext bewegen.
Deshalb gelten bei Social Media im Bereich der Meinungsäußerung die gleichen
Regeln wie im wirklichen Leben.
Wer falsche Tatsachen behauptet und sie nicht nachweisen kann macht sich
möglicherweise der üblen Nachrede schuldig (§ 186 StGB), wer dies tut, obwohl er
sogar weiß, dass die Tatsache falsch ist, begeht möglicherweise eine Verleumdung
(§ 187 StGB).
Die Verletzung der Ehre einer Person ist als Beleidigung strafbar (§ 185 StBG).
Wohnungsunternehmen und Mieter können gegenseitig durch herabwürdigende
Meinungen, sogenannte Schmähungen, rechtwidrig in ihren Rechten verletzt
werden (§ 823 BGB).
Da Facebook vielfach von Nutzern, die auch gleichzeitig Mieter eines
Wohnungsunternehmens sein können, genutzt werden, bewegen sich beide
momentan primär im Bereich des deutschen Strafrechts. Ein Mieter, der Unwahres
über sein Wohnungsunternehmen auf der Facebook-Seite postet, ein
Wohnungsunternehmen welches sich nachteilig über seine Mieter auslässt kann
sich mit strafrechtlichen Folgen konfrontiert sehen.
Eine mietrechtliche Bedeutung haben Social Media-Plattformen wie Facebook,
Twitter etc. gegenwärtig nicht. Dies kann sich aber ändern. Dies mögen folgende
Fallgestaltungen aus einer norddeutschen Großstadt bei einem großen
Wohnungsunternehmen verdeutlichen:
Beide Fälle spielen in einem Hochhaus mit 16 Stockwerken. Dort leben 420 Mieter,
vor allem in kleineren Wohnungen. Diese werden vor allem von jüngeren,
alleinstehenden Menschen im Alter von 18 bis 25 gemietet. Das
Wohnungsunternehmen hatte in der Vergangenheit immer wieder Ärger mit dem
Objekt, weil die Mieter aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammen.
Der Aufzug in diesem Hochhaus war vier Monate außer Betrieb, weil einer der
Mieter ein Feuer im Fahrstuhlschacht entzündet hatte. Er hatte diese Brandstiftung
später der Polizei gegenüber zugegeben.
Im zweiten Fall hatte sich ein junger Mann um eine Wohnung in diesem Objekt
beworben. Der Mietsachbearbeiter hatte jedoch vor Vertragsabschluss ein
„mulmiges“ Gefühl, ob sich dieser Mieter in die Nachbarschaft einfügt.
- 34 Das Wohnungsunternehmen hatte daraufhin auf Facebook nach beiden Mietern
recherchiert und war fündig geworden. Beide hatten ihre Profile so gepostet, dass
jeder Nutzer weltweit darauf Zugriff nehmen konnte. Es gab keine Einschränkungen
hinsichtlich des Zugriffs auf die Daten. Bei beiden Profilen hätte das
Wohnungsunternehmen nicht an den jeweiligen Nutzer vermietet bzw. hatte beim
Mietinteressenten später auch den Mietvertragsabschluss abgelehnt, weil die
Äußerungen auf den Profilen menschenverachtend, umweltverachtend,
demokratiefeindlich, strafrechtlich relevant (BtMG) und rechtsradikal waren. Hätte
das Wohnungsunternehmen beim ersten Fall dieses vorher gewusst, hätte es an
den späteren Brandstifter die Wohnung nicht vermietet. Im zweiten Fall hat das
Wohnungsunternehmen aufgrund des Facebook-Profils und seiner Verantwortung
für die soziale Durchmischung in dem Objekt und den anderen Mietern gegenüber
eine Vermietung abgelehnt.
Beide Verhaltensweisen dürften nach geltendem deutschen Recht zulässig sein,
insbesondere da beide Nutzer wussten, dass weltweit jede Person Zugriff auf ihr
Profil nehmen konnten. Sie hatten bewusst keine Beschränkungen beim Profil
vorgenommen. Im Arbeitsrecht gelten im Moment ähnliche Regelungen. Bei einer
Bewerbung um einen Arbeitsplatz darf der Arbeitgeber „allgemein zugängliche
Daten“ erheben. Dazu gehören Informationen aus dem Internet, wenn sie über eine
Suchmaschine auffindbar sind, bei Daten aus beruflich orientierten Netzwerken (z.B.
XING), wenn sie für alle Mitglieder einsehbar sind. Ob auch Daten aus privaten
sozialen Netzwerken einsehbar sind (für alle Mitglieder einsehbar) ist im
Arbeitsrecht streitig. Tabu sind im Arbeitsrecht Daten, die nur für „Freunde“
einsehbar sind. Überträgt man die Regelungen aus dem Arbeitsrecht auf die beiden
oben genannten Fälle, hat das Wohnungsunternehmen rechtmäßig und zulässig
gehandelt.
XVII. Abschaltung der analogen Rundfunkübertragung über Satellit zum 30. April
2012 - Umstellung auf digitales Fernsehen
1.
Überblick
Die privaten und öffentlich rechtlichen Rundfunksender übertragen seit dem 30.
April 2012 um 03:00 Uhr ihre TV- und Hörfunkprogramme über Satellit nur noch in
digitaler Technik. Die analogen Signale wurden zu diesem Zeitpunkt abgeschaltet.
Für Haushalte, die ihre Empfangssignale bisher über das Breitbandkabel oder über
terrestrische Antennen erhalten, ändert sich nichts. Das gleiche gilt für
Fernsehzuschauer, die ihre Programme über DVB-T oder Internetfernsehen sehen.
Kabelhaushalte, die über eine Gemeinschaftsanlage analoge Eingangssignale über
einen Satelliten empfangen, die über ein Kabelnetz im Haus verbreitet werden, sind
unmittelbar von der Abschaltung zum 30. April 2012 betroffen.
2.
Mietrechtliche Bedeutung
Für ein Wohnungsunternehmen, welches Gemeinschaftssatellitenanlagen betreibt,
ist es von Bedeutung, ob die Umrüstung von analog auf digital eine
Modernisierungsmaßnahme ist, die eine Mieterhöhung nach § 559 BGB ermöglicht.
Horst sieht in der Umstellung der Empfangstechnik auf digitales Fernsehen eine
Modernisierungsmaßnahme, die Grundlage einer Mieterhöhung sein kann. (Horst,
Umstellung auf Digitalfernsehen - Rechte des Mieters und Verpflichtungen des
Vermieters in GE 2011, S. 1665).
- 35 „Dies lässt sich gleich mehrfach begründen. Zunächst einmal liegen in der höheren
Empfangsqualität in Bild und Ton nach HDTV-Standard eine Maßnahme zur
Verbesserung
des
Wohnwertes
und
gleichzeitig
eine
nachhaltige
Gebrauchswerterhöhung der Mieträume. Neben einer erhöhten Programmvielfalt in
erheblich gesteigerter Empfangsqualität bietet das digitale Fernsehen zusätzliche
Verbesserungen in Form eines elektronischen Programmführers (EPG), der
Basisinformationen rund um die Sendung und Hintergrundangaben zu Spielfilmen,
Sportereignissen und Schauspielern bietet. Hinzu tritt die Möglichkeit zum
individuellen Empfang von Filmen und Serien auf Abruf (Video-on-demand).
Schließlich wird zeitversetztes Fernsehen angeboten. . . . Da im April 2012 der
analoge Betrieb im Fernsehbereich abgeschaltet wird und es deswegen ohne
Rücksicht auf einen eigenen Entschluss des Vermieters notwendig wird, auf
digitalen Fernsehempfang umzurüsten, kann der Vermieter die Miete auch
deswegen erhöhen, weil er die Umrüstung in Folge eines Umstandes vorgenommen
hat, den er nicht zu vertreten hat.“
Nach Auffassung von Horst kommen für die Mieterhöhung drei Alternativen infrage:
„Der Vermieter kann über das einseitige Modernisierungsverfahren vorgehen und
nach Ankündigung (§ 554 BGB) und Durchführung der Baumaßnahme die Miete
erhöhen (§ 559 BGB). Er kann alternativ dazu eine zweiseitige
Modernisierungsvereinbarung konkret bezogen auf diese Baumaßnahme, mit dem
Mieter abschließen und hier auch Absprachen zur Mieterhöhung treffen. Zum Dritten
kann er auch den modernisierten Standard der Wohnung im Rahmen einer
allgemeinen Mieterhöhung (§ 558 BGB) berücksichtigen.“
Der Mieter trägt die Kosten für einen eventuell erforderlichen digitalen Receiver
selbst.
„Der Vermieter ist auch nicht verpflichtet, seinen Mietern einen digitalen Receiver
oder ein digitales Empfangsgerät zur Verfügung zu stellen. Für die Anschaffung
dieser Geräte ist der Mieter auf eigene Kosten zuständig. Auch zu einer
Umwandlung des digitalen Empfangssignals in ein analoges Signal, um den Mietern
die Anschaffung von digitalen Geräten zu ersparen, ist der Vermieter nicht
verpflichtet.“ Dieses ist herrschende Meinung in der Rechtsprechung, so das LG
Hamburg, ZMR 2009, S. 796; LG Berlin, GE 2003, S. 1613; AG Neukölln, NJW
2005, S. 371, zuvor bereits: Schach, Mietrechtliche Aspekte der Umstellung auf
digitales Fernsehen, GE 2002, S. 1090 ff. (vgl. Horst, ebenda)
XVIII.
Fazit/Empfehlungen
Die technische Entwicklung im Bereich der neuen Medien wird weitergehen. Die
Veränderungsprozesse werden sich im Verhältnis zu den vergangenen 30 Jahren
deutlich beschleunigen. In 10 Jahren wird das Internetfernsehen die Parabolantenne
endgültig vertrieben haben. Streitereien zwischen Vermietern und Mietern auf der
Basis des Eigentumsgrundrechtes gegen das Grundrecht auf Informationsfreiheit
dürften dann endgültig der Vergangenheit angehören. Die Technik wird so weit
fortschreiten, dass jeder Mieter bzw. jeder Mensch sich zukünftig aus weltweit
zugänglichen Quellen nicht nur in seiner Wohnung informieren kann. Diese Technik
wird so dynamisch, dass das Eigentumsgrundrecht des Vermieters nicht mehr
tangiert sein wird.
Die Rechtsprechung hat diese Materie in den vergangenen Jahren nahezu
ausschließlich mit dem Mietrecht, insbesondere den §§ 535 ff. BGB begleitet. Eine
Begleitung in der Form, wie sie der Gesetzgeber z.B. durch die Mietrechtsreform,
- 36 geregelt hat. Dies wird auch in Zukunft der Fall sein. Das deutsche Mietrecht ist
ausreichend, um technische Sachverhalte, die sich außerhalb seiner Hemisphäre
abspielen, zu analysieren, zu beurteilen und zu entscheiden.
„Auch wenn Juristen nicht alles wissen können, dürfen sie sich bei der Rezeption
externer Standards das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen. Durch das Dickicht
externer Standards können im Mietrecht nur die Wertungen des Mietrechts den Weg
weisen. Oder anders gewendet: Über mietrechtliche Fragen entscheidet das
Mietrecht, entscheidet das Mietrecht, entscheidet das Mietrecht!“ (Prof. Beate Gsell,
„Die Bedeutung technischer Normen, des Stands der Technik und des
verkehrsüblichen Zustands bei der Vermietung von Wohn- und Geschäftsräumen“ in
WuM 2011, S. 491 (S. 499).
Dem ist nichts hinzuzufügen!