NST-N 10/2009 Gesamtausgabe - Niedersächsischer Städtetag

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NST-N 10/2009 Gesamtausgabe - Niedersächsischer Städtetag
43935
Niedersächsischer Städtetag
10/2009
Verlag WINKLER & STENZEL GmbH
Burgwedel
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S37. Jahrgang
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– Oktober 2009
16 a inISSN
1615-0511
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Nachrichten
Impressum
Herausgeber:
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Prinzenstraße 23, 30159 Hannover
Telefon 0511 36894-0
Telefax 0511 36894-30
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redaktionellen Inhalt
Niedersächsischer Städtetag
10/2009
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Hauptgeschäftsführer
Heiger Scholz
Verlag, Gesamtherstellung
und Anzeigenverwaltung:
Winkler & Stenzel GmbH
Schulze-Delitzsch-Straße 35
30938 Burgwedel
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ISSN 1615-0511
Inhalt
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Die Zeitschrift erscheint monatlich. Es können auch Doppelhefte erscheinen. Bezugspreis jährlich 48,- ¤, Einzelpreis 4,50 ¤ zzgl.
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Zum Titelbild
Stadt Bad Pyrmont
Blick von der Fontäne auf den
Hylligen Born
NST-N 10/2009
Das Stadtporträt
Stadt Bad Pyrmont -------------------------------------------------------------------------------- 178
Editorial ------------------------------------------------------------------------------------------- 179
Allgemeine Verwaltung
Die Politiker – besser als ihr Ruf ------------------------------------------------------------------ 180
Aktuelle Seminartermine--------------------------------------------------------------------- 182, 183
Geschäftsbericht ----------------------------------------------------------------------------------- 185
Finanzen und Haushalt
Quo Vadis Strukturpolitik?------------------------------------------------------------------------ 199
DSGV unterstützt Kommunen in Fragen zur Sicherheit von kommunalen Anlagen--------- 199
Das Stichwort: Nichtanwendungserlass-------------------------------------------------------- 200
Planung und Bauen
Aus der Beratungspraxis: Erhebung von Straßenausbaubeiträgen------------------------ 202
Lärmgeminderte Straßen im kommunalen Straßenbau----------------------------------------- 203
Schule, Kultur und Sport
„Die Kunst zu fördern“ ---------------------------------------------------------------------------- 204
Schüler, digitale Medien, große Politik----------------------------------------------------------- 207
Jugend, Soziales und Gesundheit
Fördergruppen in den kommunalen Kindertagesstätten der Gemeinde Stuhr --------------- 209
Kinder- und jugendfreundliche Stadt: Visionen und Anstrengungen -------------------------- 210
Personalien --------------------------------------------------------------------------------------- 208
Schrifttum ---------------------------------------------------------------------------------------- 212
177
DAS STADTPORTRÄT
Bad Pyrmont –
Badeort mit südländischem Flair
Als sogenanntes „Fürstenbad“ beherbergte Bad Pyrmont bereits in früheren
Jahrhunderten die europäische Prominenz aus Adel und Politik und hat sich
mit seinen zahlreichen Quellen vom
Heilbad zu einer Wellnessoase mitten
im Weserbergland entwickelt. Historische Gebäude, großzügige Alleen und
blühende Gartenanlagen verschaffen
dem Kurort südländisches Ambiente,
und das mitten in Deutschland – so nah
und so gut.
Die Hufeland Therme mit warmer Sole
lockt viele Menschen, die sich dem
Wellnesstrend verschrieben haben. In
den Innen- und Außenbecken mit warmer Sole sorgen verschiedene Massagedüsen für Entspannung, wie auch
die stündliche Aquagymnastik unter
fachmännischer Anleitung. Ergänzt
wird das Angebot durch eine großzügige und attraktive Saunalandschaft
mit verschiedenen Saunen und einem
Saunagarten. Zur Abkühlung geht es
in den Saunagarten oder in das Schneeparadies. Die natürlichen Heilmittel
Moor, Sole und Wasser finden Anwendung bei unterschiedlichen Therapien
für Gesundheit und Wohlbefinden. Zusätzlich gibt es in Bad Pyrmont mit der
„Pyrmonter Welle“ ein sport­liches und
familiengerechtes Erlebnisbad, wo neben dem Hallenwellen- und Freibad
auch therapeutische Anwendungen
und eine attraktive Cafeteria zu finden
sind.
178
Der historische Kurpark, eine Mischung
aus streng barockem Alleensystem
und englischem Landschaftsgarten, ist
das Schmuckstück von Bad Pyrmont.
Er wurde nach der Auszeichnung
‚Schönster Park Deutschlands 2005‘
auch international von einer Fachjury
beim Wettbewerb ‚Schönster Park Europas 2006‘ als bester deutscher Mitbewerber mit dem 5. Platz ausgezeichnet. Der Palmengarten ist das außergewöhnliche Herzstück des Kurparks
und zugleich die nördlichste Palmenfreianlage Europas. 330 bis zu elf Meter hohe Palmen verschiedener Arten
und über 400 subtropische Gewächse
begeistern jedes Jahr die Besucher
dieser Anlage.
Der Kurpark ist auch die Bühne für viele Open Air-Veranstaltungen wie das
„Kleine Fest im großen Kurpark“ am
ersten Wochenende im August oder
auch das bekannte Lichterfest, der
„Goldene Sonntag“, am ersten Wochenende im September. Als Sahnehäubchen gilt das attraktive ganzjährige Veranstaltungsprogramm, vor allem
der „Pyrmonter Sommer“ mit zahlreichen Veranstaltungen und prominenten
Künstlern auf der Schlossinsel. Hier
führt auch die „Pyrmonter Theater
Companie“, bestehend aus bekannten
deutschen Schauspielern, die Tradition
der Sommerbespielung mit Stücken in
historischer Kulisse fort.
Festung und Schloss, die ehemalige
Sommerresidenz der Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, sind ebenfalls sehens- und erlebenswert. Die begehba-
ren Wallanlagen mit den Kasematten
und der Eckbastion, sowie das Schloss,
welches 1706 vom Fürsten Anton Ulrich zu Waldeck-Pyrmont im barocken
Stil erbaut wurde, gehören zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Hier befindet sich auch das Museum für Stadtund Badgeschichte, wo jedes Jahr interessante Ausstellungen zu sehen
sind.
Bad Pyrmont, mitten im Weserbergland
gelegen, ist mit seiner abwechslungsreichen Landschaft ideal für Wanderer
und Naturliebhaber. Gut ausgeschilderte Wege rund um den traditionsreichen Kurort führen durch wunderschöne Natur, und an der Strecke laden gemütliche Gasthöfe zum Verweilen ein.
Auf der BahnRadRoute Hellweg-Weser, einer der reizvollsten Radstrecken
im Weserbergland, radelt man vom
Schiedersee kommend nach Bad Pyr­
mont. Weiter durch das romantische
Emmertal, an der WeserrenaissancePerle „Schloss Hämelschenburg“ vorbei, erreicht man den Weserradweg,
Deutschlands bekanntesten Radweg.
Weitere Informationen erhalten Sie unter Touristinformation, Europa-Platz 1,
31812 Bad Pyrmont, Telefon 05281
940511, Telefax 05281 940555, Internet: www.badpyrmont.de, E-Mail:
[email protected].
NST-N 10/2009
EDITORIAL
Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren,
dieses Heft erscheint zur Städteversammlung, zur 16. seit der Gründung
unseres Verbandes. Hervorgegangen ist er aus dem Zusammenschluss des alten Städtetages der
kreisfreien Städte mit dem Niedersächsischen Städtebund, der seit
dem 2. Weltkrieg die kreisangehörigen Städte vertrat. In den Zeiten der
großen Gebiets- und Funktionalreform der 70er Jahre war deutlich geworden, dass die alte Teilung den
Interessen der Städte (und auch damals schon etlicher Gemeinden)
nicht mehr entsprach; schon damals
war auch ein einheitlicher Verband
aller niedersächsischen Städte, Gemeinden und Samtgemeinden im
Gespräch, denn vor allem der große
Unterschied der hauptamtlich oder
rein ehrenamtlich verwalteten Gemeinden war mit der Gebietsreform
entfallen: Zumindest in der Samt­
gemeindeverwaltung stand nun allen
Gemeinden professioneller Sachver­
stand zur Verfügung. Gleichwohl, zur
Einheit auch mit dem damaligen
Landgemeindetag ist es nicht gekommen, und diese Teilung in der
Ver­tretung der niedersächsischen
Städte und Gemeinden besteht bis
heute; so ist der Niedersächsische
Städtetag der kommunale Spitzenverband, in dem sich Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden ebenso aufgehoben wissen wie kreisfreie
Städte, St. Andreasberg mit 2000
Einwohnern ebenso wie die Landeshauptstadt mit mehr als einer halben
Million Menschen.
In diesen Monaten ist die Einheit und
Solidarität der niedersächsischen
Städte, Gemeinden und Samtgemeinden besonders gefordert, aber
auch gefährdet: Nach wenigen finanziell guten Jahren rutschen mit der
Finanz­krise und ihren Auswirkungen
wieder mehr und mehr Kommunen
in die roten Zahlen, Steuer- und Einnahmeverluste von zehn Prozent und
mehr sind eher die Regel als die Ausnahme. Das sind Zeiten, in denen
jedem das Hemd zunächst einmal
näher ist als die Jacke; deutlich wird
das zum Beispiel an der Diskussion
NST-N 10/2009
über den „Zukunftsvertrag“, den die
Landes­regierung vorgeschlagen hat.
Im Kern geht es darum, dass hochdefizitäre Städte und Gemeinden
sich mit Nachbarkommunen zusammenschließen sollen und der neue
Verbund dafür von drei Vierteln seiner Kassenkredite (Liquiditätskredite) befreit werden und künftig in besonderen Genuss von Strukturförderung kommen soll. In meinem September-Editorial bin ich näher darauf
eingegangen.
Hier gibt es nun aus unterschiedlichen Richtungen Anfragen ver­schie­
dener Mitglieder: Ist es angemessen,
einzelne Städte und Ge­meinden so
zu entlasten, wenn andere doch aus
eigener Kraft und durch (anscheinend) größere Haushaltsdisziplin
besser dastehen? Soll die Förderpolitik des Landes wirklich umgestellt
werden – das geht ja nicht ohne Verluste bei anderen Kommunen ab?
Was nützt der „Zukunftsver­trag“ den
Städten, Gemeinden und Samt­
gemeinden, die von ihm keinen Gebrauch machen können – weil Fusion keine Lösung ist, kein Fusions­
partner zur Verfügung steht oder aus
anderen Gründen – die aber gleich­
wohl über den Finanzausgleich zur
Finanzierung beitragen sollen?
Teilweise rächt sich hier vielleicht,
dass die Überschrift über die geplante gemeinsame Erklärung von Landesregierung und Kommunalen
Spitzen­verbänden zu großartig gewählt ist: Es geht nicht um die Zukunft der niedersächsischen Kommunen, sondern um eine Hilfe für
extrem, aber nicht aussichtslos, finanzschwache Städte, Gemeinden,
Samtgemeinden (und ursprünglich
v. a. Landkreise). Im Kern aber geht
es um die Solidarität aller Kommunen mit einander – denn alle Teile des
Landes haben in der Vergangenheit
zu verschiedenen Zeiten Hilfe benötigt und können wieder einmal in diese Situation kommen. Städte und
Gemeinden haben in Niedersachsen
eine Geschichte von Jahrhunderten,
zum Teil 1000 Jahren und mehr – da
hilft der Blick auf nur ein oder zwei
laufende Jahre nicht. Auch gegenwärtig werden ja etliche Kommunen
aus dem Finanzausgleich vorab bevorzugt bedient – Bedarfszuweisung
heißt das dann. Heute, am 4. Oktober, ist nicht alles klar mit dem Zukunftsvertrag, es wird noch etlicher
Gespräche und eines intensiven Ringens auch um einzelne Formulierungen bedürfen; vielleicht scheitert das
Vorhaben auch; bei der Städteversammlung werden wir schlauer sein
– aber gewiss ist auch: „Einigkeit
macht stark“, das ist nicht nur der
Wappenspruch Belgiens, das ist
auch die Voraussetzung für eine starke, kompetente und wirksame Interessenvertretung der niedersächsischen Städte, Gemeinden und Samtgemeinden – also auch ein gutes
Motto für die Städtever­sammlung in
Bad Pyrmont, findet
mit den besten Grüßen
179
ALLGEMEINE VERWALTUNG
Die Politiker – besser als ihr Ruf
von Nikolaus Blome
Unser Autor Nikolaus Blome ist Leiter
der Parlamentsredaktion der BILD-Zeitung; wir dokumentieren im folgenden
einen Artikel, den er bereits in der Zeitschrift „Berliner Republik“ 1/2009 veröffentlicht hat.
Super-Wahljahr 2009. Fünfzehn Mal
wird in Deutschland gewählt, so oft in
einem Jahr wie seit 1994 nicht mehr.
Wähler und Gewählte, Bürger und (ihre)
Politiker erwartet ein Maximum an persönlichem Kontakt, an Rede und Gegenrede, an öffentlich diskutierter Politik schlechthin. Heraus­kommen könnte
freilich ein Minimum an Verstehen. Wo
„Super“ drauf steht, ist Enttäuschung
drin: Politikverdrossenheit bei den Wählern. Und Wählerverdrossenheit bei den
Politikern. Schon der dritte Leser-Kommentar beim gerade frisch aufgelegten
ZDF-Wahl-Blog nimmt es vorweg. Dort
schrieb am 4. Januar ein „arno wahl“:
„Wem soll denn das „Super-Wahljahr“
von Nutzen sein...? Den Parteien – oder
dem Wähler...? Für das Wahlvolk wird
sich niemals etwas ändern.“
Kaum ein Berufsgruppe ist so unten
durch wie die der Politiker in Deutschland. Selbst Gruppen wie elder Statesmen und Hartz-IV-Empfänger, die ansonsten nichts gemein haben, können
sich auf eines sofort einigen: dass die
amtierenden Politiker in Wahrheit durch
die Bank unfähig sind, unehrlich, eitel
und immer nur an das eigene, nie aber
an das „Gemeinwohl“ denken. So tief
eingefressen hat sich dieser Main­
stream, dass die Beweislast längst bei
den Angeklagten liegt. Nicht wer sie erhebt, muss die schweren Vorwürfe beweisen, sondern der muss sie entkräften, gegen den sie erhoben werden. In
keinem anderen Land in Europa stehen
die Politiker in derart jammervollem Ruf
wie in Deutsch­land. Ob zu recht, fragt
so gut wie niemand.
180
Inmitten eines eher lustlosen Wahlkampfes und mit wacher Erinnerung an
Andrea Ypsilantis Wortbruch, Kurt
Becks verdruckste SPD-Führung, an
die Schlammschlacht in der Berliner
Landes-CDU oder Peter Sodanns unsägliche Chaos-Kandidatur für das Amt
des Bundespräsidenten mag es schwerer als zu anderen Zeiten fallen, Politiker
ganz generell zu ver­teidigen. Dabei sind
die meisten in dieser Reihe binnen vergleichsweise kurzer Fristen an ihrem
Vorhaben Gescheiterte, also von jenem
„politischen System“ aussortiert worden, für dessen vermeintliche Minder­
wertigkeit sie als „Beweis“ angeführt
werden. Aber auch die jüngste Auf­
wertung des Politischen insgesamt vermag nichts am Ruf der Politiker ändern.
Im Angesicht von Wirtschaftskrise und
Märkten, die durchgehen wie Rinderherden im Gewitter, ist der starke Staat
wieder in Mode. Ist Politik ist zwar wieder „in“. Aber Politiker bleiben „out“.
Die Vorurteile sind stärker.
Wer dagegen fair richten will, darf zuvorderst zwei Dinge nicht vermengen.
Es gibt zwar nicht wenig schlechte Politik. Das heißt: „schlechte Politik“, gemessen an bestimmten Maßstäben.
Das können z. B. marktwirtschaft­liche
Maßstäbe sein, oder hoch moralische
oder rein praktisch-pragmatische. In
jedem Fall jedoch gilt: Schlechte Politik
wird keinesfalls automatisch auch von
schlechten Menschen gemacht.
Nein, ich bleibe dabei: Deutsche Politiker sind nicht faul, korrupt und machtbesessen. Sie sind besser, als alle Vorurteile behaupten, und weit besser als
ihr Ruf. Aber: Noch nicht einmal die Politiker selber sprechen das auch aus.
Öffentlich, wohl gemerkt, und nicht jenen Wagenburgen aus Trotz und (ebenso pauschaler) Publikumsverachtung,
die in Berlin längst viel weiter um sich
gegriffen hat, als die Deutschen ahnen.
Wenn ein Vorwurf viele Politiker in
Deutschland zu Recht trifft, dann der,
dass sie sich gegen ungerechtfertige
Vorwürfe zu wenig wehren. Vielleicht
aus ehrbaren Motiven. Vielleicht, weil
sie denken, dass der Souverän in der
Demokratie per definitionem nicht kritisiert werden darf. Weil Kritik am Wähler rechthaberisch wirken könnte wie
Kritik an der Demokratie. Wäre es so,
es wäre falsche Rücksichtnahme, meine ich. Und ein offensiver Antritt gegen
die zum Teil geradezu aberwitzigen Vorurteile ist nicht nur ein intellektuelles
Vergnügen – sondern auch ein Leichtes.
Nehmen wir nur folgenden Dreiklang
frivoler Substanzlosigkeit, den allerlei
„Parteien­kritiker“ und „Politikverdrossene“ gerade im Super-Wahljahr mehr
als einmal anschlagen werden: Politiker
sind eine abgeschottete Kaste; der
Bundestag besteht eh‘ nur aus Lehrern
und Beamten, und die Parteien machen
alle Personalfragen unter sich aus und
fürchten frische Querein­steiger.
Der Reihe nach.
1.
In seinem fulminanten Essay „Bürger
auf die Barrikaden!“ wetterte Ende 2002
der Zeithistoriker Arnulf Baring gegen
die Versozialstaatlichung der NachWende-Bundesrepublik, die er „DDR
light“ nannte. Als Symptom dieser „Entartung“ (!) wertete Baring den Umstand,
dass die Bundestags-Politiker, diese
„drohnenhafte Herrschaftskaste“, sich
vorwiegend aus Beamtentum und Gewerkschaften rekrutiere. Aha.
Wahr ist: Der Beruf des Politikers kennt
keine formalen Bedingungen. Es
braucht kein Studium, kein Abitur, noch
nicht einmal einen gültigen Schul­
abschluss dafür. Wenn in Deutschland
über die soziale Undurchlässigkeit bestimmter Gesellschafts- und Berufsgruppen geklagt wird, ist die Politik am
wenigsten gemeint. Der Darmstädter
Professor Michael Hartmann hat die
Karrierewege von insgesamt 6.500 Ingenieuren, Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern untersucht, die in den
Jahren 1955, 1965, 1975 und 1985 promoviert wurden. Ergebnis, grob gesagt:
Das gehobene Bürgertum bleibt auf
den Elitepositionen der Wirtschaft am
weitest­gehenden unter sich. „Es ist eine
geschlossene Gesellschaft“, so Hart­
mann. Seinen Untersuchungen zufolge
stammten 2007 in den hundert größten
deutschen Unternehmen vier Fünftel
der Manager aus den „oberen drei Prozent der Gesellschaft“. In Politik und
Wissenschaft da­gegen stelle sich eine
wesentlich buntere Mischung mit Vertretern aus Mittelschicht und Arbeiterhaushalten her. So viel zu den Fakten.
Und noch etwas widerlegt den Vorwurf
der Kastenbildung. Über den Zugang
zur Spitzengruppe in Wirtschaft, Justiz
oder Wissenschaft ent­scheiden in der
Regel kleine Runden von Vertretern
eben dieser Spitzen­gruppen. Professoren berufen Professoren auf Lehrstühle,
Top-Manager berufen Top-Manager in
Vorstände. Eine korrigierende Instanz
NST-N 10/2009
ALLGEMEINE VERWALTUNG
greift bestenfalls in Extremfällen ein.
Kein Wunder also: Kommerzielle Benimm-Schulen für Wirtschafts-Nachwuchs gibt es zu Hauf. Für einen an­
gehenden Manager ist es wichtig, jenen
Umgang mit Messer, Gabel und Rotweinglas zu beherrschen, den seine
Top-Vorgesetzten pflegen. Von ähnlichen Angeboten für Politiker ist dagegen nichts bekannt. Natürlich werden
sie ebenfalls von ihresgleichen auf
Wahllisten und Posten gesetzt. Aber der
Wähler hat bei einer stattlichen Zahl der
Personalent­scheidungen das letzte
Wort, an der Urne nämlich. Politiker sollten sich deshalb nicht anders darstellen,
als die, die ihn in Mehrheit wählen und
von durchschnittlichem Habitus sind.
An dieser grundsätzlichen Einschätzung ändert auch der berechtigte Hinweis nichts, dass man den Wählern an
der Urne durchaus ein mehr an Freiheit
bei der Wahl der Kandidaten lassen
könnte – ohne die unerläss­liche Rolle
der Parteien übermäßig zu beschneiden. Bei bayerischen Landtagswahlen
etwa kann der Wähler mit seiner Zweitstimme entweder den Listenvorschlag
„seiner“ Partei in genau der Kandida-
ten-Reihung übernehmen, wie sie auf
dem Stimmzettel vorliegt. Oder er kann
mit seiner Zweitstimme gezielt einen
Kandidaten wählen, ihn auch von ganz
hinten auf der Liste in den Landtag zu
hieven versuchen. Die Bayern machen
eifrig Gebrauch davon: Bei der Landtagswahl 2008 zogen z. B. im Bezirk
Oberbayern für die CSU letztlich elf Politiker in den neuen Landtag ein, die gemessen an ihrem ursprünglichen Listenplatz und dem ein­getretenen Zweitstimmen-Ergebnis der CSU „eigentlich“
draußen ge­blieben wären. Sogar der
Kandidat vom letzten Listenplatz 45
schaffte es mit „seinen“ Stimmen auf
Platz 14 und damit klar auf einen Landtagssitz. Das Verfahren begünstigt tendenziell bürgernahe Kandidaten, die
sich im Wahlkampf nicht nur der Bezirksdelegierten-Konferenz bei der
Listenauf­stellung bekannt machen,
sondern auch beim Bürger.
Reformbedarf gibt es punktuell also.
Doch wer ganz generell über die „Politikerkaste“ schwadroniert, stellt sich
quer zu den banalsten Weis­heiten des
Alltags. Zum Beispiel dieser, die für angehende Politiker gilt wie für ebensol-
che Chemiker, Polizisten, Lehrer oder
Steuerberater: Wer beizeiten und planvoll einen bestimmten Beruf anstrebt,
erreicht ihn mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als einer, der die ersten
zehn Jahre irgend etwas anderes oder
gar nichts versucht hätte. Anders gesagt: Bestimmte Karrieremuster führen
häufiger zum Ziel, ein Spitzenpolitiker
zu werden, als andere. Im Laufe der
Jahrzehnte hat sich das Politiker-Gewerbe professionalisiert, es entwickeln
typische Karrierewege, Erfolgs- und
Verhaltensmuster – warum auch nicht?
Verkrachte Taxifahrer werden nun einmal seltener Minister (obwohl es schon
vorgekommen ist) als Männer und Frauen, die früh in diesen Beruf eingestiegen
sind. „Ochsen­tour“ wird der meist mühevolle Aufstieg genannt, tatsächlich
sind es fast ausschließlich die Parteien,
die den Politiker-Nachwuchs rekrutieren und ausbilden. Aber wer denn
sonst? Den Parteien ein mafia-artiges
Monopol auf die Nachwuchsbeschaffung vorzuhalten (wie der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim) ist in
etwa so plausibel, wie den deutschen
Hand­werksbetrieben anzulasten, sie
181
NST-N 10/2009
ALLGEMEINE VERWALTUNG
hätten sich die Lehrlingsausbildung unter den Nagel gerissen. Und nichts unterscheidet die „Ochsentour“ eines Politikers qualitativ vom Karriereklettern
eines Managers auf den ver­schiedenen
Sprossen der firmeninternen Hierarchie. Deshalb bleibt es ein Rätsel, warum Menschen, die relativ früh im Leben die Politik zu ihrem Beruf machen,
„Berufspolitiker“ geschimpft werden,
aber niemand von „Berufs-Juristen“
oder Berufs-Chirurgen“ spricht.
oder die Pfarrerstochter aus der Nachbargemeinde waren“.
Kurzum: Politik ist keine abgeschottete
Kaste, sondern ein echter Auf­steigerBeruf. Wer diese (relative) Offenheit genutzt hat, zieht den be­sonderen Neid
jener auf sich, die sie nicht genutzt haben – aber nicht darauf gestoßen werden wollen. Die Durchschnittsdeutschen mögen nicht gern von Leuten
regiert werden, die keine besseren
Startchancen hatten als sie selbst, aber
so viel mehr aus ihnen zu machen
wussten. Der Historiker Paul Nolte
sagt: Es hat „mit der Einsicht in das
eigene Ver­sagen zu tun, von ganz normalen Menschen regiert zu werden, die
gestern noch der Handwerker-Sohn
Im 2005 gewählten Bundestag sind exakt 122 so genannte „Grundberufe“
vertreten. Das heißt, die (anfangs) 614
Abgeordneten sind in 122 ver­schie­
denen Berufen ausgebildet. Die Gruppe
der Juristen ist mit Abstand die größte
(143 von 614 Abgeordneten). Auf den
Plätzen folgen Gymnasiallehrer (34),
Politologen (28), Diplom-Volkswirte (26)
und Ingenieure (20). Über Qualität und
Wesen des Parlaments sagt das erst
einmal rein gar nichts. Wahrscheinlich
wichtiger ist da die Frauen-Quote: Der
Bundestag wird immer weiblicher. 1949
waren nur 6,8 Prozent der Parlamentarier Frauen, 2005 schon 32 Prozent.
2.
„Der Bundestag ist mal voller und mal
leerer. Aber immer voller Lehrer“, heißt
ein schier unsterblicher Satz, der gleichwohl leicht zu widerlegender Unfug ist.
Auch das „Beamten-Parlament“ existiert nicht, zumindest nicht mit den Folgen, die unterstellt werden. Ein paar
Zahlen genügen, das zu belegen.
Aktuelle Seminartermine
Schreiben für Internet und Intranet
Nur zehn Prozent der Informationen, die wir täglich erhalten, nehmen wir bewusst
wahr und verarbeiten sie weiter. Das Internet ist zu „der“ Informationsquelle der Gegenwart geworden. Und gerade hier entscheidet sich beim ersten Blick auf eine
Seite in Sekundenschnelle, ob ein Text bis zum Ende gelesen wird. Neben den multimedialen Inhalten transportieren auch im Internet die Texte die wichtigsten Informationen. Gründe genug, um sich mit den speziellen Anforderungen an das Schreiben von Texten für das Internet und Intranet zu beschäftigen.
Referent: Michael Konken lehrt Journalismus und Politik an der Uni Vechta sowie
Kommunikation an der Fachhochschule Olden­burg/Ostfriesland. Konken arbeitete
als freier Journalist für den Deutschlandfunk in Köln, Radio Bremen sowie verschiedene Zeitungen. Er ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten­verbandes.
3. November 2009, in Hannover
Vergabe von Planer- und Beratungsleistungen nach der VOF
In der kommunalen Praxis sind die öffentlichen Auftraggeber in der Regel mit öffentlichen und beschränkten Ausschreibungen sowie Offenen und Nichtoffenen Verfahren
nach der VOB/A und VOL/A vertraut. Die Vergabe von freiberuflichen Leistungen richtet sich nach der VOF und erfolgt im Wege des Verhandlungsverfahrens. Zum Großteil
handelt es sich hierbei um die Vergabe von Archi­tekten- und Ingenieurleistungen; zunehmend werden jedoch auch Beratungsleistungen in größerem Umfang vergeben.
Im Seminar werden die aktuellen rechtlichen Grundlagen der VOF erläutert und auch
auf die beabsichtigte Neuregelung der VOF ein­gegangen. Mit einer konkreten Darstellung von vergaberechtlichen Stolpersteinen kann das Seminar helfen, die verfahrensrechtlichen Anforderungen an ein Verhandlungsverfahren rechtssicher zu
meistern. Dabei sollen Beispiele aus der kommunalen und anwaltlichen Praxis behandelt werden, um häufig wiederkehrende Fehler praxisnah darzustellen.
Abgerundet wird das Seminar durch die Erörterung der neuen VOF.
Referent: Dr. Dietrich Borchert, Rechtsanwalt bei bbt-Rechtsanwälte, Hannover.
9. November 2009 in Hannover
182
Ausführliche Informationen zu Inhalten, Kosten und Anmeldung im Inter­net unter
www.innovative-stadt.de.
Aber am spannendsten ist folgende
Zahl: Vier von zehn der Bundestagsabgeordneten, Tendenz steigend, saßen
zuvor in einem Landtag oder einer anderen Volksver­tretung. Mehr als 55 Prozent besitzen einen so genannten „legislativen oder exekutiven Hintergrund“.
Vulgo: Sie verstehen was vom Geschäft; der Politiker-Stand professionalisiert sich. Ein Grund zum Jammern?
Ebenso wenig stichhaltig ist die Klage,
im Parlament säßen nur Beamte oder
Lehrer. Tatsächlich beträgt die LehrerQuote nur 12,5 Prozent, aber die Quote der bei Bund, Länder oder Kommunen Beschäftigten ist in­zwischen auf 42
Prozent angestiegen. Allein: Ist das
auch relevant? Von den 15 Bundestagsabgeordneten, deren Name mit A
beginnt, waren oder sind eine ganze
Reihe bei öffentlichen Arbeitgebern beschäftigt, bevor sie in den Bundestag
eintraten. Der Diplom-Jurist Peter Albach (CDU/CSU) zum Beispiel ist Bürgermeister der Stadt Weißensee. Lale
Akgün (SPD), Diplompsychologin, war
zuletzt Leiterin des Landeszentrums für
Zu­wanderung in Solingen; Volkshochschullehrer Rainer Arnold (SPD) Fachbereichsleiter EDV an der Volkshochschule Stuttgart; und Karl Addicks
(FDP), Arzt, leitete zuletzt ein Entwicklungshilfeprojekt der GTZ in Marrakesch/Marokko. Eine uniforme, gleichgeschaltete Gruppe wird man sie beim
bösesten Willen nicht nennen können.
Sie bringen die verschiedensten Hintergründe und Erfahrungen in den Bundestag mit. Das kann man nicht ohne
weiteres für weniger wertvoll erachten
als die Anwesenheit eines Unternehmers oder Gewerkschaftssekretärs.
Aber nüchterne Zahlen haben es leider
schwer gegen jenes seltsame Sehnen,
das sich auf Volksvertretungen in aller
Welt projiziert: Dass sie das Volk nicht
nur vertreten, sondern auch sein getreues Abbild sein mögen. Sozial, soziologisch und sonst wie. Allein: Kaum
jemand redet darüber, welchen Preis
das hätte. Im 2002 gewählten Bundestag hatten zum Beispiel 81 Prozent der
Abgeordneten Abitur oder Fachabitur.
In Deutschland insgesamt sind es aber
derzeit nur knapp 40 Prozent eines
Jahrganges, die Abitur machen. Soll
also die Hälfte der Abi-Abgeordneten
das Parlament verlassen? Gut 70 Prozent der Abgeordneten besaßen zudem
einen Hochschulabschluss; mehr als
drei mal so viel wie der Rest der Bürger.
Im Vergleich zum Volk ist unter den
NST-N 10/2009
ALLGEMEINE VERWALTUNG
Volksvertretern die Altersgruppe der
50- bis 64jährigen um ein Mehrfaches
größer, die der unter 29jährigen und der
über 70jährigen drastisch kleiner. Wäre
es andersherum automatisch besser?
Die politische Wissenschaft ist sich deshalb auch einig, dass es eine so genannte „sozialstatistische“ Spiegelbildlichkeit in frei gewählten Parla­menten
nicht gibt. Allein in Diktaturen, die sich
mit Pseudo-Parlamenten schmücken,
ist ein genaues Abbild der Bevölkerung
(theoretisch) denk- bzw. machbar: Der
große Chef sucht die Abgeordneten
persönlich aus, und wenn er denn mag
nach „sozialstatistischen“ Kriterien.
Trotzdem: Zu stark der (Irr-)Glaube, den
Interessen einer sehr großen Gruppe sei
am besten gedient, wenn sie von einer
maßstabsgetreu verkleinerten Gruppe
wahrgenommen werden. Das freilich ist
so abwegig wie die Annahme, eine Bundesliga-Mannschaft könne die Herzen
ihrer Fans nur erobern, wenn die Spieler
allesamt aus der heimischen Region
stammen – und deren Eigenarten reproduzieren. Die Spieler des FC Bayern
ziehen aber nur einmal im Jahr fürs Foto
kurze Lederhosen an. Und holen hernach fast immer die Meisterschale.
3.
Sich als Anti-Politiker zu gebärden, ist
ein probates Mittel, ein be­deutender
Politiker zu werden. Das gilt für Deutschland, aber ebenso für die USA, wo (fast)
jeder mit Anfangs-Aufmerksamkeit
rechnen darf, der verspricht, es „denen
in Washington“ mal so richtig zu zeigen.
Barack Obama bringt es darin zur
wahren Meisterschaft: Kaum einer geht
so professionell unprofessionell an die
Sache wie er. Und kann nach ge­
wonnener Wahl sogar eine Truppe geriebener Washington-Insider ins Kabinett und seine Stäbe berufen, ohne dafür gescholten zu werden.
Zugegeben, es gibt durchaus Quereinsteiger, aus denen erfolgreiche Politiker
wurden. Bundespräsident Horst Köhler zum Beispiel pflegt sein „unbequemes“ Nicht-Politiker-Image, garniert es
(wie sein Vor-Vor-Vor­gänger Richard
von Weizsäcker) mitunter mit ziemlich
wohlfeilen Attacken auf „die Politik“ und
hat daraus eine sehr politische Interpretation seines Amtes kondensiert.
Dem Publikum gefällt es; Köhler kam
schon früh in seiner Amtszeit auf traumhaft hohe Popularitätswerte. Andere
erfolgreiche Quereinsteiger kamen aus
der Wirtschaft: Richard v. Weiz­säcker
NST-N 10/2009
Aktuelle Seminartermine
Energieeinsparverordnung (EnEV) und Denkmalschutz:
Wie soll das passen?
Energiethemen sind im Jahr 2009 ein Dauerbrenner: Im Januar traten das Erneuerbare Energien Wärmegesetz (EEWärmeG) und das Erneuerbare Energiegesetz (EEG)
in Kraft. Die neue Energie­einsparverordnung (EnEV 2009) wurde am 30. April 2009
im Bundesgesetzblatt verkündet und wird am 1. Oktober 2009 in Kraft treten. Ziel
der novellierten Energieeinsparverordnung ist es, den Energiebedarf für Heizung und
Warmwasser im Gebäude­bereich um etwa 30 Prozent zu senken. In einem weiteren
Schritt sollen ab 2012 die energetischen Anforderungen nochmals um bis zu 30
Prozent erhöht werden.
Damit gilt zunächst für Bauherren oder Eigentümer, die ab dem 1. Oktober 2009
einen Bauantrag einreichen, eine Bauanzeige er­statten oder mit Baumaßnahmen
beginnen, die nicht ge­nehmigungspflichtig sind, die verschärfte Energieeinsparver­
ordnung 2009.
Bei der Modernisierung von Altbauten hat der Bauherr bei größeren Umbaumaßnahmen die Wahl zwischen zwei Alternativen:
Bei größeren baulichen Änderungen an der Gebäudehülle (z. B. Dach, Fassade,
Fenster) werden die Anforderungen an diese Bauteile um durchschnittlich 30 Prozent
verschärft. Nach der Sanierung muss der Jahres-Primärenenergiebedarf des Gebäudes um 30 Prozent geringer sein und die Gebäudehülle um 15 Prozent besser
gedämmt sein als bisher.
Hierbei kommt es zu bestimmten Nachrüstpflichten für Eigentümer von Altbauten.
Zur Kontrolle werden Unternehmererklärungen ein­geführt, Sichtprüfungen durch den
Bezirksschornsteinfegermeister vorgenommen und Ordnungswidrigkeitentatbestände geschaffen und ggf. geahndet.
Zudem zeigt die weiterhin gültige EnEV 2007, deren Umsetzung seit einiger Zeit die
ordentliche Gerichtsbarkeit beschäftigt, dass selbst bei Neubauten rechtliche Unklarheiten bestehen.
Noch wesentlich schwieriger ist die Anwendung bei denkmal­geschützten Objekten;
treffen hier doch regelmäßig ganz unter­schiedliche Interessen in Form von Bauaufsicht, Denkmalschutz und betroffenen Eigentümern aufeinander. Erfahren Sie auf
diesem Seminar, welche Anforderungen man in diesem Bereich stellen muss, stellen
kann und wo auch die rechtlichen Grenzen sind, die betroffene Eigentümer einer
denkmalgeschützten Immobilie nicht mehr hinnehmen müssen.
Schließlich werden aktuelle und für die kommunale Praxis wichtige Gerichtsentscheidungen aus dem Bereich des Denkmalschutzes vorgestellt.
Referenten: Dipl.-Ing. Hilmar Zander, Sachgebietsleiter für Baustatik, Be­reich Bauordnung, Fachbereich Planen und Stadtent­wicklung, Landeshauptstadt Hannover.
Dipl.-Ing. Sven Philipp, Mitarbeiter im Sachgebiet Bau­statik, Landeshauptstadt
Hannover. Hans Karsten Schmaltz, Vizepräsident und Vorsitzender Richter des
1. Senats beim OVG Lüneburg a.D., Autor beim NBauO-Kommentar Große-Suchsdorf / Lindorf / Schmaltz / Wiechert, 8. Aufl., 2006 und beim Denkmalschutz­
kommentar. 16. November 2009 in Hannover
Update § 89 NBauO
§ 89 NBauO ist für die Bauaufsichtsbehörde die zentrale Vorschrift, um gegen baurechtswidrige Zustände vorgehen zu können. Gegen bauaufsichtliche Maßnahmen
klagen die Adressaten regelmäßig vor den Verwaltungsgerichten. Andererseits werden Bauaufsichts­behörden (gerne) von Nachbarn in Anspruch genommen, um gegen
baurechtswidrige Zustände einzuschreiten. Um hier ein Stück Rechtssicherheit zu
geben, wird dieses Praktikerseminar an­geboten.
Sie erhalten einen komprimierten Überblick über den Aufbau und die Handhabung
dieser Norm und werden dabei aktiv einbezogen. Die Referenten stellen Ihnen Sachverhalte aktueller Urteile vor, die dann gemeinsam gelöst werden.
Zudem verfolgt dieses Seminar einen außergewöhnlichen Ansatz, indem die Referenten ausführlicher darlegen, wie Sie Arbeit im Umgang mit § 89 NBauO vermeiden
können. Zum einen durch eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten, zum anderen
durch ein­fache, aber ausreichende Begründungen bei verschiedenen (Zwangs-)
maßnahmen
Referenten: Ingo Behrens, Richter am VG Hannover, Dr. jur. Arnd Stiel, Betriebswirt
(IWW), Rechtsanwalt bei Ruhlmann Rechtsanwälte, Lehrbeauftragter an der LeibnizUni­versität Hannover
3. Dezember 2009 in Hannover
Ausführliche Informationen zu Inhalten, Kosten und Anmeldung im Inter­net unter
www.innovative-stadt.de.
183
ALLGEMEINE VERWALTUNG
war Manager bei Boehringer, bevor er
in die Politik ging; Kurt Biedenkopf bei
Henkel, Ernst Albrecht bei Bahlsen.
Günter Gaus war Journalist und Walter Riester bei der IG Metall.
Aber es gibt wahrscheinlich viele, viele
mehr, die scheiterten. Zuletzt gaben der
Wissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker und der Wissenschaftsmanager
Konrad Schily auf. „Spiegel“-Gründer
Rudolf Augstein hielt es keine Legislaturperiode im Bundestag aus. Der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht
Rupert Scholz blieb nur rund ein Jahr
Verteidigungsminister unter Helmut
Kohl. Schöngeist Christoph Stölzl war
schnell zerrieben in der Berliner CDU,
die er in ihrer tiefsten Depression 2002
übernahm. Professor Paul Kirchhoff
hatte nach den wenigen Wochen im
Wahlkampfteam von Angela Merkel
2005 vollauf genug von der Politik. Sein
Fazit: „Nie wieder“. Und wer erinnert
sich noch an Jost Stollmann, den Prototypen des modernen Polit-Quereinsteigers: jung, dynamisch, braun gebrannt; ein erfolgreicher Self­madeUnter­nehmer, Chef von CompuNet,
Wirtschaftsminister in spe? Im Wahlkampf 1998 jauchzte das Publikum, als
Stollmann freimütig-kokett erklärte,
dass er das SPD-Wahlprogramm nie gelesen hatte. „Stollmann ist die personi­
fizierte Nach-Kohl-Ära“, schrieb die
ZEIT, „Missionar der Mitte“ nannte ihn
Die Woche. Aber Stollmanns politischer
Sachverstand und Instinkt reichten bei
weitem nicht aus, sich etwa gegen den
raumgreifenden Oskar Lafontaine zu
behaupten. Immerhin hatte Stollmann
Rückgrat genug, dem Spiel schließlich
selbst ein Ende zu machen.
184
Trotzdem: Die Bürger bleiben felsenfest
davon überzeugt, Politiker wären umso
weniger wert, je länger sie im Geschäft
sind. Dass es die Politik selbst sei, die
aus anfangs guten Leuten schnell
schlechte mache. Und dass deshalb
frisch und unbeleckt logischerweise bedeutet: besser und tatkräftiger. Wollen
wir das wirklich glauben? Nein, wollen
wir nicht. Zumindest dann nicht, wenn
es um unser privates Wohl und Wehe
geht. Denn wem würden wir z. B. unsere Altersversorgung anvertrauen? Einem Bank-Berater, der sich mit den
Worten vorstellt: „Guten Tag, ich bin
neu hier. Bis vor vier Wochen habe ich
bei der Bundeswehr Panzer ge­fahren.“?
Was denken wir, wenn ein Krankenhaus
sein Herzchirurgie-Team als „unverbrauchte Quereinsteiger“ anpreist? An-
ders herum: Die Gleichung „Erfahrung
schafft Vertrauen“ gilt überall. Nur nicht
für Politiker. Dabei ist Erfahrung, auch
„Praxis“ genannt, zentrale Bedingung
für gute Politik, die ja nur dann gut sein
kann, wenn sie verwirklicht wird (sonst
bleibt sie lediglich eine gute Idee). Eine
gute Idee politisch durchzusetzen, ist
aber mindestens so anspruchsvoll, wie
sie zu haben. Es ist ein Ge­schäft, das
man lernen muss: Es geht um Mehrheiten, Timing und kontrollierte Kommunikation, um Lufthoheit, viel Geduld und
noch mehr Kalkül – und zwar in so unterschiedlichen Foren wie einem
Bezirks-Partei­rat, einer TV-Talkshow
oder einem Bürgerfest. Es geht immer
wieder aufs Neue um die Verknüpfung
von aktuell relevanten Informationen,
die aus den verschiedensten Bereichen
stammen und deren Absender die
unter­schiedlichsten Absichten damit
verbinden. Politik zu verstehen und zu
„machen“, ist ein hochkomplexer Vorgang, der sich mal im Hinterzimmer, mal
auf dem Marktplatz zuträgt.
Das alles beherrscht womöglich auch
der eine oder andere Querein­steiger.
Aber selbstverständlich ist es nicht; und
schon gar nicht, wenn der Kandidat in
ganz anderen Entscheidungsverfahren
und Hierarchie-Systemen groß geworden ist, etwa in der Wirtschaft oder einer Universität. Doch das Publikum verschließt Augen und Ohren. Die Sehnsucht nach Quereinsteigern, die ja
nichts anderes ist als die Verachtung
des etablierten Personals, färbt längst
den allgemeinen Sprachgebrauch: „Erfahren“ meint bei Politikern „kennt alle
schmutzigen Tricks“ oder: „hat ein Dutzend Leichen im Keller“. Für den Rest
der Menschheit dagegen meint „erfahren“ so viel wie „besonnen“ oder „lebensklug“. Ein „erfahrener Manager“
steht im Zenit seiner Kunst und Karriere. Ein Quereinsteiger wiederum, der in
Politik so positive Assoziationen weckt
wie „frischer Wind“ und „neue Ideen“,
müsste sich in einem Konzern gegen
anfängliche Skepsis behaupten, sich
erst einmal „beweisen“, bevor er ernst
ge­nommen wird.
Überhaupt sind viele der allergrößten
Denkmäler der deutschen Nach­
kriegspolitik nicht anders als Berufspolitiker zu nennen. Konrad Adenauer
war schon in der Weimarer Republik
Oberbürgermeister von Köln. Willy
Brandt war nach seinen Jahren als
Emigrant und Widerstandskämpfer kurze Zeit Journalist, dann Abgeordneter,
Berliner Bürgermeister, Partei­vorsitzen­
der, Minister, schließlich Kanzler – und
über seinen Sturz hinaus noch mehr als
ein Jahrzehnt Chef der ältesten deutschen Partei. Auch Helmut Schmidt
war – nach vier Jahren als Beamter bei
der Senats­behörde – immer nur Politiker, bis er das Amt des Kanzlers verlor.
Helmut Kohl (CDU-Mitgliedsnummer
246) hatte anfangs zwei Jahre für die
chemische Industrie gearbeitet. Dann
war er jüngster Landtags­abgeordneter
in Rheinland-Pfalz und sein weiteres
Leben und Berufs­leben war die Politik,
nicht zum Schaden des Landes.
Schließlich Franz Josef Strauß: Er war
nie in seinem erlernten Beruf als Gymnasiallehrer tätig, sondern zeitlebens
CSU-Mann.
Fazit: Wer Berufspolitiker wegen des
Berufsmäßigen ihres Daseins ver­achtet
und deshalb möglichst viele Quereinsteiger will, der sollte den Gedanken
endlich einmal auch zu Ende denken
– und zum einzig verläss­lichen Mittel
völliger Durchmischung greifen, dem
Los. Die Griechen im antiken Athen taten es: Sie ließen, wie von Aristoteles
in seiner „Politik“ angeregt, regelmäßig
das Los entscheiden, wer sie regieren
sollte. Aber das will heute irgendwie
auch keiner mehr.
Was lehrt das alles nun? Zum Beispiel,
dass es wesentlich leichter ist als gedacht, Politiker ganz allgemein zu verteidigen. Keinesfalls jeden ihre Beschlüsse oder Pläne. Wohl aber ihren
Ruf als Gruppe, als Berufs­gruppe. Und
weil es, wie gezeigt, so einfach ist, bleibt
auf die Frage, warum es kaum einer tut,
nur die Antwort: Weil es kaum einer will.
Dem Publikum mag man das nachsehen, den Politikern ist es anzukreiden.
Was hindert sie, offensiver mit Vorwürfen umzugehen? Welche Rück­
sichtnahme versiegelt ihnen die Lippen,
wenn sie Vorurteilen und jenen, die sie
äußern, entgegen treten könnten? Sich
taub zu stellen ist nie eine Option, wenn
das Ansehen des eigenen Standes sich
dem überführter Kinderschänder stetig
nähert. Aber es ist erst keine Option,
wenn eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise das Vertrauen in die Soziale
Markt­wirtschaft, die parlamentarische
Demokratie und die sie tragenden Eliten
in Deutschland erschüttert – oder gar
schon verzehrt. Es gilt das Müntefe­
ring’sche Gesetz: „Die Verdrossenen
sind an ihrer Verdrossenheit selbst mehr
schuld als die Politik.“ Darüber ist zu
reden. Am besten im Super-Wahljahr.
NST-N 10/2009
ALLGEMEINE VERWALTUNG
Geschäftsbericht
Rechtsform
Der Niedersächsische Städtetag ist ein
kommunaler Spitzenverband kreisfreier
und kreisangehöriger Städte, Gemeinden
und Samtgemeinden und ist als eingetragener Verein organisiert. Er ist am 1. Januar 1973 aus einer Fusion des früheren
Nieder­sächsischen Städtetages mit dem
Niedersächsischen Städte­bund entstanden und führte bis 1984 die Bezeichnung
Städteverband.
Der Niedersächsische Städtetag ist Landesverband des Deutschen Städtetages.
Im Präsidium, im Hauptausschuss und in
den Fachausschüssen des Deutschen
Städ­tetages wirken Vertreterinnen und
Vertreter der Mitglieder des Nieder­säch­
sischen Städtetages mit.
Der Niedersächsische Städtetag ist derzeit
im Rahmen einer Gastmitgliedschaft Mitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Diese wird ab dem 1. Ja­nuar
2010 in eine Vollmitgliedschaft übergehen.
Dann werden auch in den Gremien des
Deutschen Städte- und Gemeindebundes
Vertreterinnen und Vertreter der Mit­glieder
des Niedersächsischen Städtetages mitwirken können.
Mitgliederstruktur
Dem Niedersächsischen Städtetag gehören zurzeit 128 Städte, Gemeinden und
Samtgemeinden an, in denen insgesamt
4,683 Mio. Einwohnerinnen und Ein­wohner
leben. Außerordentliche Mitglieder sind
die Stadt Bremerhaven, der Zweckverband Großraum Braunschweig und die
Region Hannover.
Von den Mitgliedern haben:
• 19 weniger als 10.000 Einwohner,
• 60 zwischen 10.000 und 30.000
Einwohner
• 49 mehr als 30.000 Einwohner.
Für die Jahre 2008 und 2009 ist die Stadt
Hemmingen (18.540 Ew.) Gastmitglied des
Verbandes geworden.
Präsidium
In der 182. Sitzung am 6. März 2008 wählte das Präsidium turnusgemäß Ober­bür­
germeister Ulrich Mädge, Hansestadt Lüneburg, zum Präsidenten; Ober­bürger­
meister Heiner Pott, Stadt Lingen (Ems),
wurde in der 186. Sitzung am 12. Februar
2009 als Nachfolger des Celler Oberbürgermeisters Dr. h.c. Martin Biermann zum
Vizepräsidenten gewählt.
Zwischen März 2007 und Oktober 2009
fanden zehn Sitzungen des Präsidiums
statt. Das Geschäftsführende Präsidium
tagte in dieser Zeit fünfzehn Mal.
Geschäftsstelle
Für das Jahr 2009 weist der Stellenplan
der Geschäftsstelle 14 Stellen in fünf Refe­
NST-N 10/2009
raten aus. Der langjährige Beigeordnete
und Geschäftsführer des Nieder­sächsi­
schen Städtetages Paul Krause trat mit
Ablauf des 31. Januar 2008 nach Ablauf
seiner Wahlzeit in den Ruhestand. Zum
Nachfolger war bereits im Juli 2007 Geschäftsführer Christian Geiger gewählt
worden.
Ministerialdirigent a. D. Robert Thiele berät weiterhin die Geschäftsstelle und die
Mitglieder des Niedersächsischen Städtetages in kommunalverfassungsrecht­
lichen Fragen. Er ist dabei regelmäßig
dienstags ab 13.00 Uhr in der Geschäfts­
stelle zu erreichen.
Internetangebote
Unter den Internetadressen www.nst.de
und www.nst-intern.de stellt die Ge­
schäftsstelle umfangrei­che Informationen
im Internet bereit. So sind alle HVB-Schrei­
ben, NST-Info-Beiträge, NST-Umwelt-InfoBeiträge und Ratstelegramme seit dem
Jahr 2000 abrufbar. Zusätzlich werden diese Informatio­nen auch tagesaktuell per
E-Mail bereit gestellt.
Das Informationsangebot richtet sich auch
an Mandatsträgerinnen und Mandats­trä­
ger, die das erfor­derliche Kennwort von
ihrer jeweiligen Verwaltung erhalten kön­
nen.
Auf der öffentlich zugänglichen Internetseite des Verbandes werden aktuelle Infor­
mationen wie Pres­semitteilungen und Termine der Verbandsarbeit sowie die Ver­
bandszeitschrift NST-Nachrichten mit allen Beiträgen veröffentlicht.
Parlamentarische Abende
Die Parlamentarischen Abende des Niedersächsischen Städtetages sind inzwi­
schen eine feste Einrichtung unmittelbar
vor der Sommerpause des Parlaments geworden. Gartensaal und Terrasse des
Neuen Rathauses in Hannover bieten den
perfekten Rahmen für anregende Gespräche mit den Mitgliedern der Landesregierung und den Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages.
In der Freiherr-vom-Stein-Klause der Geschäftsstelle finden regelmäßig in­formelle
Begegnungen mit Abgeordneten und anderen Gesprächspartnern statt.
Gemeindeordnung
Wie nicht anders zu erwarten, hat es erneut Änderungen der Gemeindeord­nung
gegeben. Der Niedersächsische Landtag
hat am 12. Mai 2009 das Gesetz zur Än­
derung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts und an­derer
Gesetze verabschiedet. Das Gesetz sieht
eine Vielzahl gesetzlicher Anpas­sungen
vor, die zum großen Teil weniger bedeutsam sind. Von größerer Bedeutung dürften
Änderungen im Bereich der Bürger­be­
gehren/Bürgerentscheide nach § 22b
NGO sein. Hier wird – die aus Sicht des
NST begrüßenswerte – Möglichkeit einge­
räumt, schon mit der Anzeige der Einleitung eines Bürgerbegehrens eine Entschei­
dung über dessen Zulässigkeit zu beantragen. Für den Bereich der Samtgemeinden wur­den Neuerungen eingeführt, die
deren Neubildung oder Zusammenschluss
er­leich­tern sollen. Daneben wurde einem
dringenden Wunsch der kommunalen
Spit­zen­verbände Rechnung getragen und
eine Regelung eingeführt, die für den Bereich des Sponsorings mehr Rechtssicherheit und Transparenz erhoffen lässt.
Ausführliche Darstellungen der Änderungen finden sich in der Mai-Ausgabe 2009
der NST-N.
Interkommunale Zusammenarbeit
In einer gemeinsamen Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spit­
zenverbände Niedersachsens und der
Niedersächsischen Landesregierung vom
25. Februar 2008 ist die Bedeutung der
Interkommunalen Zusammenarbeit betont
worden. Die Beteiligten haben ihren gemeinsamen Willen und ihre Bereit­schaft
er­klärt, die Interkommunale Zusammenarbeit wegen der ihr inne­w ohnenden
Chancen auch weiterhin zu unterstützen.
Dabei wurde die Freiwillig­keit dieses Instruments ebenso betont wie die Zusage
des Landes, möglicher­weise durch Zusammenarbeit eintretende Einsparungen
den Kommunen in vollem Umfang zu belassen und diese nicht auf Zuweisungen
des Landes anzurechnen oder LandesFinanzausgleichs­mittel zur Erfüllung kommunaler Aufgaben zu schmälern. Der
Wortlaut der Erklä­rung ist der März-Ausgabe 2008 der NST-N abgedruckt.
Projekt Kommunalverfassungsgesetz
In der Koalitionsvereinbarung zwischen
CDU und FDP für die aktuelle LandtagsWahlperiode findet sich die Vereinbarung,
die Kommunalgesetze (NGO, NLO und Regionsgesetz) zu einem einheitlichen Niedersächsischen Kommunalver­fassungs­
gesetz zusammenzufassen und die ehrenamtlichen Mitwirkungs­möglichkeiten zu
verbessern. Das Gesetz soll Anfang 2011
verabschiedet werden und zu Beginn der
nächsten Kommunalwahlperiode (1. November 2011) in Kraft treten.
Die Geschäftsstelle ist in die konzeptionelle Erarbeitung des Kommunal­verfas­
sungs­gesetzes eingebunden. Sie wird sich
dabei dafür einsetzen, dass das Land sich
bei der Anzahl der zusammenzufassenden
Gesetze möglichst einschränkt, um ein im
Ergebnis noch handhabbares Gesetzeswerk für die kommu­nale Ebene ent­stehen
185
ALLGEMEINE VERWALTUNG
zu lassen. Dabei wird bei der grundsätzlich
begrüßenswerten Stärkung des Ehren­
amtes darauf zu achten sein, dass diese
nur dann gelingen kann, wenn auch auf
der Grundlage des neuen Gesetzes die
Funktionsfähigkeit der gemeindlichen
Ebene gewahrt bleibt. Im Übrigen fordern
wir erneut, die Mitwirkungsmöglichkeiten
der Städte und Gemeinden auf Kreisebene zu ver­bessern, namentlich durch die
Errichtung eines Ge­meindeaus­schusses
auf Landkreisebene.
Forderung nach Erweiterung
des Aufgabenbereichs der kreis­
angehörigen Städte, Gemeinden
und Samtgemeinden
In seiner Entscheidung vom 6. Dezember
2007 hat der Staatsgerichtshof unter an­
derem ausdrücklich festgestellt, dass der
sachliche Ge­währleistungsbereich der institutionellen Selbstverwaltungsgarantie
neben den Auf­gaben des eigenen auch
die des übertragenen Wirkungskreises
umfasst und diese den Gemeinden zuge­
ordnet. Das Niedersächsische Verfassungsgericht hat damit einen Zu­ständig­
keits­vorrang zugunsten der gemeindlichen
Ebene konstatiert, den das Land unter Be­
achtung des Konnexitätsprinzips zu erfüllen hat.
Nach umfassender Vorbereitung und gemeinsamer Beratung in den Gremien des
Niedersächsischen Städtetages und des
Niedersächsischen Städte- und Gemein­
debundes wurde daher ein Katalog von
Aufgaben erarbeitet, dessen künftige
Wahrnehmung auf der gemeindlichen
(statt bisher auf der Landkreis-) Ebene wir
nunmehr reklamieren. Ein ganzes Bündel
von Aufgaben, wie zum Beispiel die
Kinder­betreu­ung, die Bearbeitung von Anträgen auf Elterngeld und Wohngeld, die
Erteilung von Baugenehmigungen etc.
sollte unserer Auffassung nach künftig
besser vor Ort in den Städten, Gemeinden
und Samtgemeinden wahrgenommen
werden. Hierdurch erhoffen wir uns insbesondere einen Beitrag zur Erhöhung der
Bürgerfreundlichkeit und zur Stärkung der
gemeindlichen Ebene. Der Forderungskatalog ist dem Nie­dersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff MdL von NST
und NSGB im März 2009 vorgelegt worden
(s. auch NST-N 3-4/2009 S. 59).
186
Lüchow-Dannenberg-Gesetz
Im letzten Geschäftsbericht hat die Geschäftsstelle berichtet, dass der NST im
Ge­setzgebungsverfahren eine überaus kritische Stellungnahme zum sog. „LüchowDannenberg-Gesetz“ abgegeben hatte.
Diese Auffassung des NST hat der Nieder­
sächsische Staatsgerichtshof mit Urteil
vom 6. Dezember 2007 im Ergebnis bestä­
tigt und das Gesetz teilweise für nichtig
erklärt, und zwar hinsicht­lich der Vorschrif­
ten, mit denen im Bereich Lüchow-Dan-
nenberg sämtliche Aufgaben des über­
trage­nen Wirkungskreises auf den Landkreis verlagert worden sind. Über dieses
Urteil, das eindeutig als Stärkung der gemeindlichen Ebene gegenüber den Landkreisen bewertet werden kann, haben wir
in der Ausgabe Januar 2008 der Ver­bands­
zeit­schrift NST-N ausführlich berichtet.
Regelung zu Sponsoring
Mit dem Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalverfassungs­rechts
vom 13. Mai 2009 ist in Niedersachsen
erstmalig eine Sponsoringregelung in das
Kommunalverfassungsrecht aufgenommen worden, um den Kommunen mehr
Si­cherheit bei der Entgegennahme von
Spenden, Schenkungen und ähnlichen
Zu­wendungen zu geben. Damit ist der Gesetzgeber einem dringenden Anliegen des
Niedersächsischen Städtetages nachgekommen, um vor dem Hintergrund ver­
schärfter strafrechtlicher Vorschriften über
die Vorteilsannahme und der zunehmen­
den Bedeutung freiwilliger Leistungen für
die Erfüllung kommunaler Aufgaben mehr
Rechtssicherheit und Transparenz zu
schaffen.
Förderung des Ehrenamtes
Die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements ist seit vielen Jahren ein wichti­
ges Thema und wird von allen politischen
Ebenen unterstützt und mit Nachdruck vorangebracht. Die Geschäftsstelle hat verschiedene Aktivitäten sowohl von der Bundes- wie auch von der Landesebene begleitet und die Mit­gliedschaft darüber regelmäßig informiert.
Mit dem Stichwort Hilfen für Helfer ist auf
Bundesebene das Gesetz zur weiteren
Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements Ende 2007 verabschiedet worden.
Damit sind einige grundlegende Veränderungen im Gemeinnützigkeits- und Spen­
denrecht vorgenommen worden. Im Zuge
dieser Veränderungen ist auch der Grundbetrag der steuerfreien Aufwandsentschädigung und die damit einherge­hende sog.
Übungsleiterpauschale angehoben worden. Als Folge hiervon hat sich der Niedersächsische Städtetag dafür eingesetzt,
dass die steuerfreien Aufwands­entschädi­
gungssätze, die für Ratsmitglieder im sog.
Ratsherrenerlass bundesweit einheitlich
geregelt sind, entsprechend angehoben
werden. Diese niedersächsische Initiative,
die pauschalen Steuerfreibeträge nach
fast 20 Jahren anzuheben, war zumindest
zum Teil erfolgreich. Nach Beschluss der
Finanzministerkonferenz wurde eine pauschale Anhebung um 15 Prozent vorgenommen. Die Erhöhung der pau­schalen
Steuerfreibeträge ist rückwirkend zum
1. Januar 2009 festgesetzt worden.
Nicht erreichbar war allerdings in diesem
Zusammenhang, dass die Aufwands­ent­
schädigung, die ehrenamtlich rechtlichen
Betreuern gewährt wird, vergleich­bar der
Übungsleiterpauschale angehoben wird.
Dies wurde vom Bundesgesetz­geber ab­
gelehnt. Der Bundesrat hat dazu in seiner
860. Sitzung Mitte Juli 2009 eine Ent­
schließung gefasst, mit der der Bundesrat
den Bundestag auffordert, im Jahres­
steuergesetz 2010 die Aufwandsentschädigung der ehrenamtlichen Betreuer nach
§ 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1835 a BGB
entsprechend der sog. „Übungsleiterpau­
schale“ in Höhe von jährlich 2.100 Euro
von der Ein­kommensteuerpflicht zu be­
freien. Hier bleibt abzuwarten, ob dieser
Vorstoß erfolgreich sein wird.
Für die Landesebene ist zu erwähnen,
dass neben anderen Projekten und
Wettbe­werben die niedersächsische Ehrenamtskarte unter dem Motto „Ehrenamt
ist Gold wert!“ ins Leben gerufen worden
ist. Mit ihr sollen erbrachte Leistungen der
freiwillig Aktiven für das Gemeinwohl gewürdigt werden. Die damit ver­bundene
Wertschät­zung des Engagements beschränkt sich aber nicht nur auf die förmliche Anerken­nung, sondern es werden
auch Vergünstigungen gewährt. Es handelt sich herbei sowohl um öffentliche als
auch um private Angebote. Trotz der finanziell schwer absehbaren Folgen für die
Städte, Gemeinden und Samtgemeinden,
auf die wir hingewiesen haben, wird das
Projekt im Grundsatz von den kommunalen Spitzen­verbänden unterstützt.
Bereits zum sechsten Mal findet in diesem
Jahr der Wettbewerb „Unbezahlbar und
freiwillig – der Niedersachsenpreis für Bürgerengagement“ statt. Damit werden eh­
renamtlich Aktive in den Mittelpunkt gestellt. „Unbezahlbare“ Menschen, die
„freiwil­lig“ für andere ihr Bestes geben,
können Preise im Gesamtwert von 30.000
Euro gewinnen. Kernpunkt dieses landesweiten Wett­bewerbs ist die Wertschätzung
der vielen Aktiven, ihre Motivation zu stärken und die gesellschaftliche Anerkennung nachhaltig zu fördern.
Dienstleistungsrichtlinie
Die 2006 von der EU beschlossene Dienstleistungsrichtlinie (DLR) muss bis Ende
2009 in nationales Recht umgesetzt werden. Sie sieht u. a. vor, dass die Mitglied­
staaten Einheitliche Ansprechpartner (EA)
einrichten, über die aus­ländische Dienstleistungserbringer alle mit der Aufnahme
und Ausübung der Tätigkeit verbun­denen
Verfahren abwickeln können. Die DLR erfordert außerdem, dass Verfahren und Formalitäten online abgewickelt werden können müssen.
Einheitliche Ansprechpartner (EA)
Bei der nationalen Umsetzung in Deutschland liegt die Kompetenz zur Ein­richtung
der EA bei den Ländern. Der EA soll nicht
nur für ausländische, sondern auch für inländische Dienstleistungserbringer zu-
NST-N 10/2009
ALLGEMEINE VERWALTUNG
ständig sein. Er hat die Funktionen, zum
einen Informationsaufgaben für den
Dienstleistungserbringer zu übernehmen
und zum anderen Koordinierungsaufgaben zwischen Dienst­leistungserbringern
und zu­ständigen Behörden zu erfüllen,
ohne selbst zu­ständige Behörde sein zu
müssen.
In Gesprächen mit der Landesregierung
und in Schreiben an den Ministerpräsi­
denten haben die kommunalen Spitzenverbände gefordert, die EA bei Kommunen
anzusiedeln und damit auf bewährte Strukturen aufzusetzen. Diese sinnvolle Ver­
ortung hat schließlich auch die Landesre­
gierung überzeugt, und sie hat die kreis­
freien und großen selbst­ständigen Städte,
die Region Hannover sowie die Land­kreise
zu EA bestimmt. Daneben wird es einen
weiteren zentralen EA im Ressort­bereich
des Wirtschafts­ministeriums geben. In
verschiede­nen Arbeitskreisen werden gegenwärtig die not­wendigen Strukturen abgestimmt und geschaffen, damit die DLR
Ende 2009 auch in Niedersachsen umgesetzt ist.
EU-Förderung
Seit vielen Jahren bilden die Förderprogramme des Europäischen Fonds für
regio­nale Entwicklung (EFRE) eine wesentliche Rolle in der niedersächsischen
Wirt­schaftspolitik. Auch in der Förderperiode 2007 bis 2013 sind Programme und
In­strumente eingesetzt, die ein großes
Spektrum unterschiedlicher Förder­berei­
che abdecken. Die Programme sind so
konzipiert, dass sie im gesamten Landesgebiet, in Ballungsräumen ebenso wie im
ländlichen Raum, gleicher­maßen genutzt
werden können.
Über 1,2 Milliarden Euro fließen allein aus
dem EFRE in der gegenwärtigen Förder­
peri­ode nach Niedersachsen. Davon entfällt mit 589 Millionen Euro fast die Hälfte
dieser Summe auf die „Konvergenzregion
Lüneburg“. In vier Förder­schwerpunkten
werden sowohl kleine und mittlere Unternehmen gefördert als auch Innovationska­
pazitäten und gesellschaftliche Wissenspotentiale entwickelt sowie Infrastrukturen und Um­weltmaßnahmen gefördert.
Zudem können mit den Fördermitteln
städtische Gebiete nachhaltig erneuert
und entwickelt werden.
Um die regionalen Akteure noch umfassender an den Umsetzungs- und Ent­schei­
dungsprozessen der EFRE-Programme zu
beteiligen, sind sog. Regionale Teilbud­gets
(RTB) der kreisfreien Städte und Landkreise gebildet. Aus diesen Budgets werden
Projekte gefördert, die im besonderen Interesse der Regionen liegen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der KMUFörderung, in der die Kommunen in einem
begrenzten Umfang eigene Bewilligungsent­
scheidungen treffen können. Diese neue
NST-N 10/2009
Möglichkeit der EU-Förderung ist vom Niedersächsischen Städtetag nachdrücklich
gefordert und begrüßt worden.
Kooperationsvereinbarung zur
gemeinsamen Einführung von
E-Government in Niedersachsen
Nach langjähriger Vorbereitung wurde am
17. Oktober 2007 die Kooperationsver­
einbarung zur gemeinsamen Einführung
von E-Government in Niedersachsen von
Ministerpräsident Wulff MdL und den Präsidenten der Kommunalen Spitzenver­
bände unterzeichnet.
Im Rahmen der Kooperation werden seitdem folgende Ziele verfolgt:
1. Kommunen und Landesbehörden geben ihren „Kunden“ umfassende Mög­
lich­kei­ten zur elektronischen Information, Kommunikation und Trans­aktion.
Insbesondere bieten sie gemeinsam ein
übersichtliches und um­fassendes In­
formationssystem über die Dienstleistungen der Verwaltung an und eröffnen
einen Zugang nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. dem Justizkom­
munikationsgesetz, der auch Nachrichten mit qualifizierter Signatur und Ver­
schlüsselung akzeptiert.
2. Land und Kommunen führen den Datenaustausch untereinander grundsätz­
lich elektronisch durch verwaltungsübergreifende Geschäftsprozesse werden durch elektronische Verfahren über
ein gemeinsames Behördennetz unter­
stützt.
3. Land und Kommunen stellen für geeignete Dienstleistungen der Ver­waltungen
optimierte Online-Verfahren im Internet
bereit. Dabei stimmen sie das Vorge­hen
untereinander ab und nutzen nach
Möglichkeit gemeinsam bereitgestellte
Anwendungen.
Im August 2008 wurde die Kooperationsvereinbarung um ein Projekt „IT-Um­
setzung der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie“ erweitert. Im Rahmen dieses Projektes soll die grundlegende ITBasis-Infrastruktur zur Umsetzung der
EU-Dienstleistungs­richtlinie (EU-DLR) gemeinschaftlich aufgebaut werden. Die
wichtigsten Geschäfts­prozesse zur Aufnahme und Ausübung einer Dienst­
leistungstätigkeit sollen elektro­nisch abgewickelt werden können.
Inzwischen arbeiten in zahlreichen Arbeitsgruppen weit über 100 Vertreterinnen
und Vertreter der Kommunen gemeinsam
mit Landesvertretern an der Schaffung
ent­sprechender Lösungen.
Vergaberecht
Das Vergaberecht hat sich im Berichtszeitraum auf allen Ebenen erheblich verän­
dert: Auf Bundesebene ist nach ausführlicher Diskussion im April 2009 die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-
schränkungen (GWB) – Kartellver­gabe­
gesetz – in Kraft getreten. Nicht beschlossen wurden hingegen bis heute die Novellierung der Vergabeverordnung und vor
allem die Novellen der VOB/A und der
VOL/A. Auf Landesebene ist hingegen
noch im Dezember 2008 eine Neu­fassung
des Landes­ver­gabegesetzes beschlossen
worden. Ein wichtiger Anlass hierzu war
eine Ent­scheidung des Europäischen Gerichtshofs, der am 3. April 2008 (C 346/06)
die Ta­riftreueregelung im damals geltenden Niedersächsischen Landesvergabegesetz für unzulässig erklärt hat. Das heute geltende Landesver­gabegesetz beschränkt sich darauf, die Einhaltung für
allgemein verbindlich erklärter Tarifverträge vorzu­schrei­ben.
Die Diskussion um das Vergaberecht wurde außerdem wesentlich geprägt durch
die sog. „Alhorn-Entscheidung“ des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Juni
2007, nach der kommunale Grundstücksverkäufe grundsätzlich auszuschrei­ben
seien, wenn der Kaufvertrag eine Bauerrichtungsverpflichtung enthalten soll. Hin­
tergrund dieses Urteils war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom
18. Januar 2007 (sog. Roanne-Entscheidung); andere, aber nicht alle Oberlandesgerichte und einige Vergabekammern folgten der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf. Bei der Novel­lierung des Kartellvergaberechts wurde durch geänderte Definition der Baukonzes­sion und des Bauauftrags auf diese Recht­sprechung reagiert; über einen Vorlage­beschluss des
OLG Düsseldorf zur Frage der europarechtlichen Zulässigkeit dieser Regelungen wird der Europäische Gerichtshof voraussichtlich im Jahr 2010 ent­scheiden.
Modernisiertes Beamtenrecht
für Niedersachsen
Nach längeren Vorbereitungsarbeiten sind
das Gesetz zur Modernisierung des Nie­
dersächsischen Beamtenrechts vom
25. März 2009 (Nds. GVBl. S. 72) und die
neue Niedersächsische Laufbahnverordnung vom 30. März 2009 (Nds. GVBl.
S. 118) ab 1. April 2009 und die Verordnung
zum Nebentätigkeitsrecht und zur Än­
derungen von Verordnungen zur Arbeitszeit und über Sonderurlaub vom 6. April 2009 (Nds. GVBl. S. 140) zum 10. April
2009 in Kraft getreten. Damit hat Niedersachsen von den im Zuge der Föderalismusreform 2006 geschaffenen neuen Gesetzgebungskompetenzen Gebrauch gemacht. Die Befugnis zur Regelung der Statusangelegenheiten liegt seither als konkurrierende Gesetz­gebung beim Bund; für
das Besoldungs-, Versorgungs- und Laufbahnrecht liegt die Ge­s etz­g ebungs­
kompetenz bei den Ländern.
Ausgangspunkt für die Neugestaltung des
Landesbeamtenrechts ist das Be­amten­
statusgesetz des Bundes vom 17. Juni
187
ALLGEMEINE VERWALTUNG
2008 (BGBl. I S. 1010) gewesen, das die
Grundstrukturen der statusprägenden
Rechte und Pflichten für die Beamten in
den Ländern einheitlich regelt. Danach ist
das Beamtenrecht in Niedersachsen jetzt
in zwei Gesetzen geregelt – im bundeseinheitlich geltenden Beamtenstatusgesetz und ergänzend im eigenständigen
Niedersächsischen Beamtengesetz.
Wesentliche Inhalte des modernisierten
Beamtenrechts:
• Verschlankung und Flexibilisierung des
Laufbahnrechts (nur noch zwei Lauf­
bahn­gruppen 1 und 2 sowie Beschränkung der Laufbahnen auf zehn ge­bün­
delte Fachrichtungen),
• Stärkung des Laufbahnprinzips (unter
bestimmten Voraussetzungen Ein­
stellung in einem höheren Amt als dem
Einstiegsamt),
• Fortfall der Mindestaltersgrenze des
vollendeten 27. Lebensjahres für die
Beru­fung in das Beamtenverhältnis auf
Lebenszeit,
• einheitliche Dauer der Probezeit von drei
Jahren für alle Laufbahnen (ein­schließ­
lich anderer Bewerber),
• erleichterte Wechselmöglichkeiten zwischen dem öffentlichen Dienst und der
Privatwirtschaft,
• Beibehaltung der gesetzlichen Altersgrenze Vollendung des 65. Lebens­
jahres, wobei der Eintritt in den Ruhestand um bis zu drei Jahre hinaus­
geschoben wer­den kann aus dienstlichen Gründen mit Zustimmung des Beamten oder auf An­trag des Beamten,
wenn dienstliche Interessen nicht ent­
gegenstehen.
Als Niedersächsischer Städtetag haben
wir grundsätzlich begrüßt, dass das Land
die durch die Föderalismusreform gewonnen Gestaltungsspielräume für eine zu­
kunfts­orientierte Anpassung und Neuordnung des öffentlichen Dienst­rechts mit den
Regelungen genutzt hat. Allerdings sind
einige Vorstellungen, die wir in enger Zu­
sammenarbeit mit unserer Mitgliedschaft
entwickelt haben, nicht bzw. nicht ausrei­
chend berücksichtigt worden (zum Beispiel
Verzicht auf Wartezeiten zur Verleihung von
Beförderungsämtern, Abschaffung des
Landespersonalaus­schusses, grundlegende Vereinfachungen im Nebentätigkeitsrecht und im Personalakten­recht).
188
Reform der Leistungsprämien- und
-zulagenverordnung
Mit der Änderungsverordnung zur Leistungsprämien- und -zulagenverordnung
vom 23. November 2008 (Nds. GVBl.
S. 362) ist für den kommunalen Bereich
der Kreis der möglichen Berechtigten einer
Leistungszahlung so weit ausgedehnt
worden, wie es bundesgesetzlich möglich
ist. Zusätzlich zu der Aufstockung des
Vom­hundert­satzes von zehn auf 15 Pro-
zent kann die Höchstgrenze jetzt in dem
Umfang ausge­weitet werden, in dem von
der Möglichkeit der Vergabe von Leistungsstufen kein Gebrauch gemacht wird.
Das bedeutet in der Praxis, dass eine Anhebung des Vomhundertsatzes um nochmals bis zu 15 Prozent zulässig ist. Auch
gelten Leis­tungs­prämien, die wegen einer
erbrachten Teamleistung von mehreren
Beamten gewährt werden, für die Berechnung zusammen nur als eine Leistungsprämie, die allerdings zusammen 150 v. H.
nicht überschreiten dürfen.
Im Anhörungsverfahren hat der Niedersächsische Städtetag die schon mehrmals
vorgetragene Forderung erneuert, in Niedersachsen möglichst schnell die leis­
tungsbezogene Bezahlung der Beamtenschaft einzuführen, wie sie bei den Be­
schäftigten tarifvertraglich schon seit Anfang 2007 besteht. Die mit der ge­änderten
Verordnung geschaffenen erweiterten
Möglichkeiten der Zahlung von Leistungs­
prämien und Leistungszulagen haben wir
deshalb nur als einen Schritt in die rich­tige
Richtung angesehen, die als Zwischenlösung auf dem Weg zu einer umfas­senden
Novellierung des Besoldungsrechts von
uns zwar akzeptiert wird. Mit der Verordnung darf aber keine präjudizierende Wirkung für künftige gesetzliche Re­gelungen
einhergehen.
Fusion der kommunalen Studien­
institute in Braunschweig, Hannover
und Ol­denburg
Eine Fusion der drei kommunalen Studieninstitute in Niedersachsen stand bereits
wiederholt in der Diskussion. Die Planungen konnten jedoch im Ergebnis aus unter­
schiedlichen Gründen bislang nicht realisiert werden. Nach etlichen Jahren der Vor­
bereitung, nicht zuletzt auch bedingt durch
die Gründung der Kommunalen Fach­
hochschule für Verwaltung, sowie begleitet
und unterstützt auch von den kommu­nalen
Spitzenverbänden ist am 12. Juni 2009 der
Ver­schmelzungsvertrag von allen drei Instituten einstimmig beschlossen worden.
Damit ist jetzt ein Studieninstitut in kommunaler Trägerschaft für ganz Nieder­sach­
sen geschaffen worden, das seinen Mitgliedern zukunftssicher berufs­orientierte
und praxisnahe Bildungsangebote unterbreitet. Die Aufgabenver­teilung auf die
Stand­orte ist wie folgt vorgesehen:
Standort Braunschweig:
- Kommunalberatung
(NSI Consult GmbH)
- Ausbildungszentrale II
(Prüfungsamt Fach­hochschule,
Rechtsbehelfsver­fah­ren, Leitstelle,
Nach­wuchswerbung u. a.)
Standort Hannover:
- Vereinsangelegenheiten, Institutsleitung
- Allgemeine Verwaltung
- Ausbildungszentrale I
(Lehrgangsplanung, Prüfungswesen,
Curriculare Entwick­lung u. a.)
- Kommunale Fachhochschule für
Verwaltung in Niedersachsen
Standort Oldenburg:
‑ Fortbildung
Kommunale Fachhochschule für
Verwaltung in Niedersachsen
Die Niedersächsische Fachhochschule für
Verwaltung und Rechtspflege in Hildes­
heim ist durch das Gesetz zur Neuordnung
in der Ausbildung für den gehobenen
nichttechnischen Verwaltungsdienst in
Niedersachsen vom 13. September 2007
mit Ablauf des 30. September 2007 aufgelöst worden. Gleichzeitig ist die Kommunale Fachhochschule für Verwaltung in
Niedersachsen als eine für die Ausbildung
für Laufbahnen des gehobenen allgemeinen Ver­w altungsdienstes anerkannte
Fach­hochschule in nichtstaatlicher Verantwortung gegründet worden.
Träger der Fachhochschule war zunächst
das Niedersächsische Studieninstitut in
Hannover. Nach erfolgter Fusion der Studieninstitute Braunschweig, Hannover und
Oldenburg im Juni 2009 ist jetzt der neue
Verein Rechtsnachfolger und damit Trä­ger
der Fachhochschule. Die Fachhochschule ist als Einrichtung der Kommunen einmalig in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Verbindung des Studieninstitutes mit
der Fachhochschule unter einem Trägerverein ist be­sonders gut geeignet, Syn­
ergieeffekte im Hinblick auf den möglichen
Austausch zwischen beiden Berei­chen zu
erzielen.
Die bisherigen Diplomstudiengänge Verwaltungswirt und Verwaltungsbetriebswirt
sind noch bis ins Jahr 2010 akkreditiert,
so dass der letzte Einstellungsjahrgang für
die Diplomstudiengänge der des Jahres
2010 sein wird. Die Einführung des Ba­
chelor ist für das Jahr 2011 vorgesehen.
Als Niedersächsischer Städtetag haben
wir schon frühzeitig für die Gründung der
kommunalen Fachhochschule plädiert
und gemeinsam mit den anderen kommu­
nalen Spitzenverbänden den Prozess in
enger Abstimmung mit den kommunalen
Studieninstituten konstruktiv unterstützt.
Zensus 2011
Im Jahr 2011 wird in Deutschland, wie in
den übrigen Mitgliedstaaten der Europäi­
schen Union, ein Zensus als Bevölkerungs-, Gebäude- und Wohnungs­zählung
durchgeführt. Zukünftig sollen laut den
EU-Vorgaben alle zehn Jahre europaweite
Volkszählungen durchgeführt werden.
In Deutschland wird die Volkszählung 2011
erstmals als ein registergestützter Zen­sus
durchgeführt, bei der auf eine Befragung
aller Einwohner verzichtet wird und die erforderlichen Daten weitgehend aus vor-
NST-N 10/2009
ALLGEMEINE VERWALTUNG
handenen Registern, wie den Melderegis­
tern und den Registern der Bundesagentur
für Arbeit, gewonnen werden. Die Re­
gisterdaten werden mit moderner Informationstechnik aus­gewertet. Ergänzend wer­
den die Gebäude- und Wohnungseigentümer postalisch befragt.
Das entsprechende Bundesgesetz ist inzwischen in Kraft getreten. Das Land Nie­
dersachsen muss nun ein entsprechendes
Landesgesetz erarbeiten. In den Ge­
sprächen mit der Landesregierung ist jetzt
darauf hinzuwirken, dass der Aufwand für
Städte, Gemeinden und Samtgemeinden
vertretbar bleibt und insbesondere auch
finanziell entschädigt wird.
Wahlkostenerstattung durch das
Land
Das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Integration (MI) hat die
Verordnung zur Kostenerstattung bei Wahlen und Volksabstimmungen über­arbeitet.
In die Neufassung wurden insbesondere
überarbeitete Erstattungs­beträge eingear­
beitet. Neben den sog. „Ergänzungsbeträgen“ (Erstattung von Kosten je wahlbe­
rechtigter Person in Höhe von nunmehr
0,81 Euro bzw. in Städten mit mehr als
100.000 Wahlberechtigten 0,92 Euro) sind
auch die sog. „Grundbeträge“ erhöht worden. Hier erfolgt jetzt eine Erstattung in
Höhe 225 Euro je Wahlvor­stand (bisher:
144 Euro je Wahlvorstand).
Mit der Anhebung dieses Grundbetrages,
die ursprünglich seitens des MI nicht be­
absichtigt war, wurde das Land insbesondere der Kritik des NST gerecht, der schon
frühzeitig moniert hatte, dass dieser seit
bereits ca. 20 Jahren an­gewandte Erstat­
tungssatz erneut nicht angepasst werden
sollte. Die Grund­beträge dienen der Zah­
lung des sog. „Erfrischungsgeldes“ an die
ehrenamtlichen Mitglie­der der Wahlvor­
stände, die von den Städten, Gemeinden
und Samt­gemeinden schon seit Langem
in der Regel deutlich mehr als die vom
Land in der Vergangenheit angesetzten 16
Euro pro Person be­zahlt bekommen. Die
Veröffentlichung der geänderten Verord­
nung ist mittlerweile erfolgt (Nds. GVBl.
2009, S. 227)
Kommunalfinanzen
Die Lage der Kommunalfinanzen war während des Berichtszeitraums wiederum ein
Schwerpunkt der Geschäftsstellenarbeit
und Gegenstand regelmäßiger Erörterun­
gen in den Gremien des Verbandes.
Allgemeine Finanzlage
Trotz der bis in das Jahr 2008 hinein mehrjährigen erfreulichen Entwicklung bei den
Steuereinnahmen und im kommunalen Finanzausgleich war im Berichtszeit­raum
festzustellen, dass nach wie vor viele kommunale Haushalte strukturelle Defizite aufweisen und mit dramatisch hohen Kassenkrediten gestützt werden müssen.
NST-N 10/2009
Selbst in dieser guten mehrjährigen Phase
gelang es jedoch nicht, den Kassen­kre­
ditstand der niedersächsischen Kommunen in Höhe von etwa vier Milliarden Euro
abzubauen; er stagnierte stattdessen auf
hohem Niveau. Im Hinblick auf die sich für
die nächsten Jahre abzeichnende Kombination aus massiven Ein­nahme­ausfällen
und zu erwartenden steigenden Soziallasten ist zu befürchten, dass der bereits jetzt
vom Staatsgerichtshof als verfassungswidrig bezeichnete Zustand der Finanzierung
defizitärer Haushalte mit Kassenkrediten
sich noch weiter verschärfen könnte.
Grundlagen haben erst­mals die grö­ßeren
Städte deutlich profitieren können. In den
Vorjahren hatten mit jeder neuen statistischen Grundlage die größeren Städte einen geringeren Anteil am Gesamt­auf­
kommen erhalten. Ebenso wurden im Jahr
2008 die Sockel­beträge, die zur Be­rech­
nung des Schlüssels herangezogen werden, auf ihre Angemessenheit über­prüft.
Da von nahezu allen Beteiligten in Bund
und Ländern eine Beibehaltung der aktuellen Sockelbeträge präferiert wurde, kam
es insoweit zu keiner Veränderung.
Die im Jahr 2008 aufgetretene weltweite
Finanz- und Wirtschaftskrise wurde erst­
mals in den Erwartungen der Mai-Steuerschätzung 2009 berücksichtigt. Danach
ergeben sich dramatische Verminderungen der Steuereinnahmen der Bundes-,
Landes- und kommunalen Ebene in
Deutschland. Da die hohen Steuermin­der­
ein­nahmen des Landes die Kommunen
systembedingt im kommunalen Finanzaus­
gleich mit einem Jahr Verzögerung treffen
werden, wird die Negativentwicklung im
Jahr 2010 besonders ausgeprägt sein. Der
Orientierungsdatenerlass des Landes für
den Planungszeitraum 2009 bis 2013 geht
davon aus, dass die Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich sich im Jahr
2010 im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent verringern werden, während der
durchschnittliche Rückgang des Gemein­
deanteils an der Einkommensteuer knapp
zehn Prozent betragen wird. Insgesamt ist
aus heutiger Sicht davon auszugehen,
dass das Einnahmeniveau des Jahres
2008 erst etwa im Jahr 2013 wieder erreicht werden kann.
Zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung im Zeichen der Finanz- und Wirtschaftskrise haben Bund und Länder
2008/2009 Maßnahmen zur Stabilisierung
der wirtschaftlichen Entwicklung beschlossen und entsprechende Gesetzge­
bungs­verfahren in kürzester Zeit abgeschlossen. Hierbei wurden in mehrmonatiger Folge zwei Konjunkturpakete, vorwiegend bestehend aus erheb­lichen staatlichen Mehr­ausgaben, zur Stabilisierung
von Wachstum und Be­schäftigung umgesetzt. Zu be­rücksichtigen ist aus kommunaler Sicht, dass die mit den Konjunkturpaketen ver­bundenen steuerlichen Erleichterungen die Steuereinnahmen der
Städte und Ge­meinden in den kommenden Jahren belasten werden.
Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer
Etwa zehn Jahre nach der endgültigen Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und
ihres Ersatzes durch einen Gemeindeanteil
an der Umsatzsteuer konnte im Jahr 2008
ein neuer, dauerhaft fortschreibungsfähiger
Schlüssel für die Ver­teilung des Gemeindeanteils auf die einzelnen Gemeinden vereinbart werden. Der zwischen Bund, Ländern und Kommunen gefundene Schlüssel
stellt einen akzeptablen Kom­promiss dar.
Er basiert auf den Merkmalen Gewerbe­
steuerauf­kommen, Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen und bezahlten Löhnen. Um abrupte Ein­nahme­
ausfälle zu verhindern, wird für einen neun­
jährigen Übergangszeitraum der alte
Schlüssel mit kontinuierlich abnehmendem
Gewicht weiterhin mit berücksich­tigt.
Neuverteilung des Gemeindeanteils an
der Einkommensteuer
Im Jahr 2008 wurde, wie alle drei Jahre,
der Aufteilungsschlüssel für den Gemein­
deanteil an der Einkommensteuer auf eine
neue statistische Grundlage gestellt. Aufgrund der Verwendung neuer statistischer
Konjunkturpakete
Im Rahmen des Konjunkturpaketes II wurde auch ein Investitionsprogramm von
rund zehn Milliarden Euro bundesweit für
Investitionen der Kommunen und Länder
aufge­legt, zu 75 Prozent durch den Bund
und zu 25 Prozent durch die Länder (mit
den Kommunen gemeinsam) finanziert. Investitionsschwerpunkte waren der Bil­
dungsbereich, insbe­sondere Kindergärten,
Schulen und die Infrastruktur. In Nieder­
sachsen gelang es erfreulicherweise, in
konstruktiver Zusammenarbeit mit der
Lan­desebene eine äu­ßerst schnelle Umsetzung der Maßnahmen und große Freiräume für die Kommu­nen zu erreichen.
Die Arbeit der Geschäftsstelle und der
Gremien des Verbandes war um die
Jahres­wende 2008/2009 sowie im Frühjahr 2009 in hohem Maße dominiert durch
die Not­wendigkeit, die rechtliche, planerische und politische Begleitung der verschiedenen Bausteine des Investitionsprogramms sicherzustellen. Das betraf
sowohl das Nie­dersächsische Zukunftsinvestitionsgesetz (Pauschalmittel) als auch
die kommuna­len Förderprogramme zu den
weiteren Förderschwerpunkten Schulin­
frastruktur, Breitbandverkabelung, Krankenhäuser, Hochwasserschutz und Alt­
lastensanierung.
Gewerbesteuerreform
Seit der Unternehmenssteuerreform, die
zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist,
gab es keine erneute ernsthafte Diskussi-
189
ALLGEMEINE VERWALTUNG
on über die Zukunft der Gewerbe­steuer.
Durch die Einführung einer sog. Zinsschranke sowie die 25-prozentige Hin­
zurech­nung sämtlicher Fremdkapitalzinsen sowie 25 Prozent der Finanzierungsanteile von Mieten, Pachten, Leasingraten
und Lizenzgebühren wurde die Gewerbesteuer durch Siche­rung des nationalen
Steuersubstrats vor internationalen
Steuer­sparkon­struktionen tendenziell gestärkt. Allerdings kam es auf Initiative des
Finanzaus­schusses des Bundesrates im
Rahmen des Bürger­entlastungsgesetzes
zu einer teilweisen Rück­nahme dieser Regelung. So wurde die Freigrenze bei der
Zins­schranke von einer Mio. Euro auf drei
Mio. Euro angehoben, allerdings beschränkt auf den Ver­anla­gungszeitraum
2008 bis 2010. Für die weitere Entwicklung
der Gewerbesteuerpoli­tik dürfte der Ausgang der Bundestagswahl 2009 und die
an­schließende Regie­rungsbildung von
großer Bedeutung sein.
Neuregelung von § 33 Grundsteuergesetz
In einigen Regionen Deutschlands existieren seit einigen Jahren Massenleer­stände.
Die Folge war eine zunehmende Anzahl
von Erlassanträgen bei der Grundsteuer,
worauf jedoch nur bei vorübergehenden
atypischen Leerständen ein Anspruch be­
stand. Ein Urteil des Bundesfinanzhofes
2007 hatte diese Rechtsprechungspraxis
verworfen. Hierdurch waren für die Zukunft
erhebliche Grundsteuerausfälle zu be­
fürchten. Es gelang jedoch, eine gesetzliche Neu­regelung von § 33 Grundsteuerge­
setz zu erreichen, welche zwar nicht die
umfassenden Erlasskriterien einschränkt,
zumindest aber das steuerliche Aus­
fallvolumen aus diesen Erlassansprüchen
mehr als halbiert.
Kommunaler Finanzausgleich
in Niedersachsen
Im Berichtszeitraum wurde die Verbund­
quote der Steuerbeteiligungen für den
kommunalen Finanzausgleich ab dem
Jahr 2007 von 15,05 auf 15,5 v. H. an­geho­
ben. Diese erfreuliche Tatsache bedeutet
allerdings lediglich die partielle Wieder­
gutmachung der mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2005 vorgenommenen Absen­
kung. Bis zur Wiederanhebung der Verbundquote auf die bis 2005 geltenden
16,09 v. H. verlieren die nie­dersächsischen
Kommunen weiter Jahr für Jahr rund 100
Millionen Euro an Verbundmasse, die ihnen sonst zugestanden hätte.
190
Ein Ärgernis ist jedoch der 2005 eingeführte sog. Flächenansatz, durch den insbe­
sondere den Landkreisen mehr Finanzausgleichsmittel zugewiesen werden in der
Absicht, dem von der Landesregierung propagierten Ziel einer Förderung des länd­
lichen Raums zum Durchbruch zu verhelfen. Im Gesetzgebungsver­fahren hatte der
Niedersächsische Städtetag dargestellt,
dass der gewählte Maßstab nicht sachge­
recht ist; dies fand jedoch keinen parlamentarischen Widerhall. Allerdings ist eine
Verfassungs­beschwerde der Region Hannover anhängig, mit der diese dem Nie­
dersächsischen Staatsgerichtshof Gelegenheit zur Überprüfung der Verfas­sungs­
­gemäßheit des Flächenansatzes gibt. Mit
einer Entscheidung ist voraussichtlich im
Laufe des Jah­res 2010 zu rechnen.
Dagegen hat das Verfahren vor dem
Staatsgerichtshof, mit dem elf Städte und
Gemein­den sich gegen die mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2005 vor­genommene
Verbund­kürzung gewährt haben, inzwischen einen Abschluss gefunden. Mit Urteil des Staatsgerichtshofs vom 7. März
2008 wurden die Ver­fassungs­beschwerden
für un­begründet erklärt. Zwar habe grundsätzlich jede niedersächsische Kommune
einen individuellen Anspruch auf eine angemessene finanzielle Mindestausstattung im Rahmen des Finanzausgleichs.
Dieser An­spruch stehe jedoch unter dem
Vorbe­halt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes. Wenn das Land sich seinerseits in einer Haushaltsnotlage befinde,
könne es selbst die ansonsten geltende
Unter­grenze der finanziellen Mindest­
ausstattung einer Kommune unterschreiten, auch wenn die betroffene Kommune
dann nicht einmal einen Mindestbestand
an freiwilli­gen Selbstverwaltungsauf­gaben
mehr wahrnehmen könne. Bezüglich der
erforderli­chen vergleichenden Betrachtung der finanziellen Belange von Land
und Kommu­n en billigt der Staats­
gerichtshof dem Land einen weiten, verfassungsgerichtlich nicht überprüfbaren
Gestaltungsspielraum zu. Auch eine Pflicht
des Landesgesetz­gebers, die Kommu­nen
in einem formalisierten Verfahren an der
Ermittlung der hierfür relevanten Pa­
rameter zu beteiligen, bestehe nicht.
Stattdessen hat das Land als finanzpoliti­
schen Schwerpunkt Entschuldungshilfen
nur für stark defizitäre Kommunen in den
Blick genommen, die bislang zu den Dauerempfängern von Bedarfszuweisungen
zählen. Hier ist es durch eine geänderte
Vergabepraxis der Bedarfszuweisungen
prinzipiell möglich, eine größere einmalige
(„kapitalisierte“) Bedarfszuweisung zu erhalten, wenn sodann die Notwendigkeit
weiterer Be­d arfszuweisungen voraus­
sichtlich dauerhaft entfällt. Ähn­liches gilt
für fusions­willige Kommunen, sofern deren
Zusammenschluss bei Über­nahme eines
Teils der aufgelaufenen Altschulden nachhaltig konsolidiert werden kann. Es liegt
auf der Hand, dass im Rahmen des für
Bedarfszuweisungen jährlich insgesamt
zur Verfügung stehenden Betrages nur die
Entschuldung von recht klei­nen Kommunen überhaupt finanzierbar ist.
Daneben sind die Aktivitäten des Innenministeriums zum sog. „Zukunftsvertrag“ zu
nennen. Hier wurde den kommunalen Spitzenverbänden im Sommer 2009 das An­
gebot unterbreitet, einen mit jährlich zusätzlichen 70 Millionen Euro gespeisten Fonds
einzurichten. Die Hälfte der Summe soll von
der Landes­regierung, die an­dere Hälfte aus
den Mitteln des kommunalen Finanzausgleichs aufgebracht werden. Auch hier sollen nach den ursprünglichen Vorstellungen
der Landesregierung dieje­nigen Kommunen
über etliche Jahre hinweg von Unter­
stützungszahlen profitieren können, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Vorzugsweise sollen dies fusio­nierende Kommunen sein, welche sodann aus eigener
Kraft fähig seien, ohne wei­tere Haus­
haltsdefizite zu wirtschaften. Ob ein solcher
Zukunftsvertrag zu­stande kommt und mit
welchem genauen Inhalt, ist Gegenstand
weiterer politischer Ge­spräche zwi­schen
Landesregierung und kommunalen Spitzenverbänden im Herbst des Jahres 2009.
Als einziger Lichtblick des Urteils ist eine
Ausführung des Staatsgerichtshofs in der
Urteilsbegründung zu bewerten, wonach
der ständige Einsatz neuer Kassen­kredite
(seit 2006: „Liquiditätskredite“) ohne echte Rückzahlungsperspektive aus verfas­
sungsrechtlicher Sicht einen Formen­
missbrauch darstelle. Der Gesetz­geber sei
bei fortschreitender Konsolidierung des
Landeshaushalts verfassungs­rechtlich
ver­pflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass
die entgegen den gesetzlichen Vorschriften aufgenommenen Kassenkredite auf
ein zulässiges Maß zurück­geführt würden.
Dies sei eine gemeinsam von Land und
kommunalen Gebiets­körperschaften zu
bewälti­gende Aufgabe.
Der so genannte ertragsteuerliche Querverbund ist eine zentrale Finanzierungs­
säule des öffentlichen Personennahverkehrs. Sein Finanzierungsvolumen beträgt
bundesweit rund 1,4 Milliarden Euro jährlich. Er war durch eine um­strittene Ent­
scheidung des Bundesfinanzhofs aus dem
Jahr 2007 in Frage gestellt worden. Im
Zusam­menwirken mit dem Bundesministerium der Finanzen gelang es den kom­
munalen Spitzenverbänden, erstmals eine
weitreichende gesetzliche Absicherung
dieser Verlustverrechnungsmöglichkeiten
zu erreichen.
Eine Initiative des Landes zur nachhaltigen
Rückführung des Gesamtbetrages der in
den niedersächsischen Kommunen inzwischen aufgelaufenen Kassen­kredite ist jedoch bislang nicht angekündigt worden.
Reform des Gemeindehaushaltsrechts (NKR)
Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Gemeindehaushaltsrechts und zur Änderung
gemeindewirtschaftlicher Vorschriften
Absicherung des ertragsteuerlichen
Querverbundes
NST-N 10/2009
ALLGEMEINE VERWALTUNG
vom 15. November 2005 ist in Niedersachsen ein neues kommunales Haushaltsund Rechnungswesen (NKR) geschaffen
wor­den, das auf der Basis der kaufmännischen Buchführung die bisherige Kameralistik ersetzt. Spätestens nach einer
sechsjährigen Übergangs­zeit haben ab
dem Haus­haltsjahr 2012 alle niedersächsischen kommunalen Gebietskörperschaften dieses neue Recht anzuwenden. Zur
Umsetzung des Rechts sind etliche Fragen und Probleme zu klären bzw.
Anwendungs­hinweise zu erarbeiten. Deshalb ist eine Ar­beitsgruppe „Umsetzung
Doppik“ gebildet worden, in der neben
dem Innenmi­niste­rium und den kommunalen Spitzenver­bän­den auch Vertreter
aus der kommu­nalen Praxis mitwirken. Die
Arbeitsergeb­nisse dieser Arbeitsgruppe
werden im In­ternet­auftritt des Innenministeriums kontinuierlich veröffentlicht.
Weiteren Anpassungsbedarf gibt es bei
der Bildung des Gesamtabschlusses nach
dem neuen Recht sowie in der Eigenbetriebsverordnung. Für beide Be­reiche sind
ebenfalls entsprechende Arbeitsgruppen
gebildet worden, die Novellierungsvor­
schläge erar­beiten.
Kommunales Abgabenrecht
Seit fast 15 Jahren gibt es Bestrebungen
für eine Grundsteuerreform, die bis heute
nicht auf den Weg gebracht worden ist.
Man hatte gehofft, dass spätestens im Zu­
sammenhang mit der Reform der Erbschaftsteuer und des Bewertungsrechts
auch Lösungen für die Grundsteuerrecht
gefunden werden, doch alle von den
verschie­denen Institutionen und Arbeitsgruppen vorgelegten Arbeitsentwürfe sind
verworfen worden. Zuletzt hat der Deutsche Bundestag Anfang Juli 2009 einen
Antrag für die Umsetzung einer Grundsteuerreform mit den Stimmen von CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen
von Grünen und Links­fraktion abgelehnt.
Es bleibt abzu­warten, ob das Reformvorhaben in der nächsten Wahl­periode gelingen wird.
Bei der Erhebung der Vergnügungssteuer
hat sich die Rechtsprechung dahin gehend
verfestigt, dass eine Pauschalbesteuerung
nach dem Stückzahlmaßstab re­gelmäßig
für nicht zulässig erachtet wird. Zuletzt hat
das Bundesverfassungs­gericht zum Ham­
burgischen Spielgerätesteuergesetz festgestellt, dass die Verwendung des Stück­
zahlmaßstabs für die Besteuerung von
Gewinnspielauto­maten unter den heutigen
Gegebenheiten den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ver­letzt.
Abzuwarten bleibt auch, wie sich die EUDienstleistungsrichtlinie auf die Er­hebung
von Verwaltungsgebühren konkret auswirken wird. Nach Nieder­sächsischem Ver­
waltungskostenrecht werden Verwaltungsgebühren bisher nach dem Kostende­
NST-N 10/2009
ckungsprinzip unter Berücksichtigung des
Äquivalenzprinzips erhoben, d.h. bei der
Bemessung der Gebühr muss auch der
Wert des Gegen­standes der Amtshandlung berücksichtigt werden. Die EUDienstleistungsricht­linie gilt ab 1. Januar
2010 un­mittelbar und hat zur Folge, dass
die Gebühren­sätze, die richtlinienrelevant
und bislang äquivalenzorientiert berechnet
worden sind, angepasst werden müssen.
In diesem Zusammenhang sind jedoch
noch etliche Rechtsfragen klärungsbe­
dürftig.
Regierungskommission Klimaschutz
Die Landesregierung hat im Rahmen der
Nachhaltigkeitsstrategie im Berichtszeit­
raum eine Regierungskommission „Klimaschutz“ eingesetzt. Vertreter der Landes­
regierung sollen dort gemeinsam mit den
Kommunen, der Wirtschaft, Gewerk­
schaften sowie anderen mit den Thema befassten Institutionen und Verbänden Empfehlungen für das Regierungshandeln erarbeiten, die der recht­zeitigen Vorbe­reitung
auf die Folgen des Klimawandels für Niedersachsen sowie der Vermeidung von
Treibhausgasimmissionen dienen und die
auf Landesebene umsetzbar sind. In einzelnen Arbeitsgruppen findet eine umfassende Analyse des Klimaschutzes und des
Energieverbrauchs in Niedersachsen, der
Gebäude­energie, zu erneuerbaren Energien
sowie zur Kraftwärmekopplung, zu Fragen
des Klimawandels in der Land- und Forst­
wirtschaft ebenso wie im Naturschutz, Wasserwirtschaft und zum Boden­schutz statt.
Die Geschäftsstelle sowie kommunale
Praktiker und Praktikerinnen sind in der
Kommission wie auch in den Arbeitskreisen vertreten.
Luftqualität
Mit der Diskussion und Umsetzung von
ersten Umweltzonen haben die Städte und
Gemeinden einen großen Beitrag zur Bekämpfung der Feinstaubproblematik in
den Ballungsräumen im Berichtszeitraum
geleistet. Die Städte und Gemeinden der
sog. Ballungsräume 2 sind in den Planungsvorbereitungen für diese Diskussions- und Ausweisungsplanungen.
Aus Sicht des Niedersächsischen Städtetages bleibt es völlig unakzeptabel, dass
die EU, der Bund und das Land Niedersachsen im Bereich des Straßenverkehrs
den Städten und Ge­meinden die Hauptlast
der Feinstaubbekämpfung auf­gebürdet
hat. Die Erfolgsaus­sichten kommunaler
Maßnahmen bleiben bei allen Anstrengun­
gen auf lokaler Ebene eng begrenzt, solange der Schadstoffausstoß von Pkw und
Lkw nicht durch geeignete Maßnahmen
an der Quelle gesenkt wird. Unter anderem
werden Um­weltzonen helfen, die Feinstaubbelastung zu senken. Sie hängt aber
nicht nur vom Straßenverkehr vor Ort ab,
sondern Maßgeblich auch von externen
Faktoren wie der Wetterlage oder der sog.
Hintergrund­belastung.
Zurzeit bereitet das Bundesumweltministerium eine Änderung des Immissions­
schutzrechtes zur innerstaatlichen normativen Umsetzung einer überarbeiteten EULuftqualitätsrichtlinie vor. Die neue Richtlinie hat alle bereits eingeführten Luftquali­
tätswerte übernommen. Dazu gehören
auch die ab 2010 geltenden Grenzwerte
für Stickoxid und Benzol. Hier sind große
Probleme für die Städte und Gemeinden
bei der Einhaltung des Grenzwertes bereits jetzt abzusehen. Neue Qualitätswerte wur­den für Feinstaubpartikel mit einem
Durchmesser von unter 2,5 Mikrometer
(PM 2,5) festgelegt.
Projekt „Klimawandel und
Kommunen“
Das unter der Schirmherrschaft des Nie­
der­s ächsischen Ministerpräsidenten
Christian Wulff MdL stehende Projekt
„Klimawandel und Kommunen“ ist im Be­
richtszeit­raum von den kommunalen Spitzenverbänden in Niedersachsen sowie
leistungs­starken Partnern aus der Energieund Finanzwirtschaft gegründet worden.
Ziel des Projektes ist es,
• das Thema Klimaschutz und Klimawandel auf den Handlungsrahmen der
Kommu­nen zu projizieren,
• praktikable Handlungsoptionen für die
Kommunen zu identifizieren, zu erarbei­
ten und zu kommunizieren,
• über die Kommunen auch die Bürger für
Fragen des Klimaschutzes zu sensibili­
sieren und
• den Austausch und die Zusammenarbeit von Kommunen und anderen
Netzwer­ken im Bereich des Klimaschutzes zu unterstützen.
Kommunales Portal U
Die Europäische Union hat die Mitgliedstaaten verpflichtet, durch gesetzliche Re­
gelungen einen öffentlichen Zugang zu
Umweltinformationen bei Verwaltungsträ­
gern zu schaffen. Nach dem Niedersächsischen Umweltinformationsgesetz sind
alle Kommunalbehörden verpflichtet, bestimmte Umweltinformationen elektronisch be­reitzustellen. Bund und Länder
haben, um diesen Verpflichtungen nachzukommen, das sog. „Portal U“ entwickelt. Dieses wird gemeinsam von Bund
und Ländern be­trieben. Damit auch die
Einheitlichkeit der Darstellung im kommunalen Bereich ge­währleistet bzw. angeboten werden kann, haben der Niedersächsische Städtetag und die anderen kommunalen Spitzenverbände mit dem Niedersächsischen Um­weltministerium ein
sog. kommunales Portal U (www.portalu.
niedersachsen.de) entwickelt. Die Testphase wurde im Berichts­zeitraum abgeschlossen und der regu­läre Betrieb ist aufgenommen worden.
191
ALLGEMEINE VERWALTUNG
Gesetz über die Ladenöffnungszeiten
Im Zuge der Föderalismusreform 2006 haben die Länder die Kompetenz er­halten,
die Ladenöffnungszeiten neu zu regeln.
Dies ist für Niedersachsen mit dem Gesetz
über die Ladenöffnungszeiten vom 8. März
2007 (Nds. GVBl. S. 111) geschehen, das
insoweit das Ladenschlussgesetz des
Bundes abgelöst hat. Das Gesetz enthält
die weitgehende Freigabe der Öffnungszeiten an Werk­tagen, die dem Einzelhandel die erforderliche Flexibilität geben soll,
sich auf die Bedürfnisse der Verbraucher
einzu­stellen. Der Sonn- und Feiertagsschutz gebietet es allerdings, die Ausnahmen für die Öffnungen an Sonn- und Feier­
tagen auf das notwendige Maß zu beschränken. Mit dem Gesetz sollen gleich­
zeitig auch bürokratische Regelungen abgebaut wer­den.
In Anbetracht der bundesweiten Tendenz,
die Ladenöffnungszeiten freizugeben,
kann sich Niedersachsen dieser Bewegung nicht verschließen. Deshalb haben
wir uns als Niedersächsischer Städtetag
– nach umfangreicher Beteiligung unserer
Mitglieder – mit den grundsätzlichen Zielen des Gesetzes einverstanden erklärt.
Gleichzeitig haben wir zum Ausdruck gebracht, dass das Gesetz mit den weit rei­
chenden Öffnungszeiten sich allerdings
unter Umständen erheblich nachteilig auf
den ländlichen Raum auswirken kann.
192
Von besonderer Bedeutung sind die Regelungen zu den anerkannten Ausflugs­or­
ten, die erweiterte Möglichkeiten zur Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen haben. In einer gemeinsamen Eingabe des
Niedersächsischen Städtetages mit der
Konfö­deration Evangelischer Kirchen in
Niedersachsen und dem Katholischen
Büro sowie dem Handelsverband BAG
Niedersachsen an die Sozialministerin und
den Wirt­schaftsminister ist unter Hinweis
auf die vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Grundsätze für die Anerkennung
von Aus­flugsorten nach dem Niedersächsischen Gesetz über die Ladenöffnungszeiten darauf aufmerksam gemacht worden, dass die durch die Privilegierung der
Ausflugsorte beim Sonntagsverkauf entstehenden Kaufkraftverlagerungen eindeutig zulasten der kleinstädtisch-gemeindlichen Um­landkommunen größerer
Städte gehen. Diesem Problem kann nur
mit einer Geset­zesnovellierung begegnet
werden, indem die an Sonntagen in Ausflugsorten zuläs­sigen Sorti­mente wieder
weitestgehend auf das zurückgeführt werden, was vor der gesetz­lichen Neuregelung galt. Dieser Optimierungsbedarf ist
auch vom Land aner­kannt worden. Mit
dem Gesetz über die Sonn- und Feiertagsregelung für Ver­kaufs­stellen vom 20. Februar 2009 (Nds. GVBl. S. 31) ist deshalb
in Ausflugs­orten der Verkauf von Bekleidung und Schmuck aus dem sonntägli-
chen Waren­angebot wie­der herausgenommen worden. Als Ausgleich für das
reduzierte Warenangebot ist aber gleichzeitig die Zahl zulässiger Sonn- und
Feiertags­öffnungen von vier auf acht pro
Jahr für Ausflugsorte erhöht worden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass
die Landesregierung gesetzlich beauf­tragt
ist, bis zum 21. März 2010 die Auswirkungen des Ladenöffnungsgesetzes zu über­
prüfen.
Personenstandswesen
Am 1. Januar 2009 ist das Personenstandsrechtsreformgesetz in Kraft getreten. Es enthält diverse rechtliche Änderungen. Hierbei macht insbesondere die
Vielzahl der Regelungen mit IT-Bezug
deutlich, dass sich die Standesämter auf
grundlegende Veränderungen im täglichen
Verwaltungsvollzug einzustellen haben. So
werden die Personenstandsregister ab
Anfang 2009 elektronisch geführt, jedoch
wird für den Übergang vom papiergeführten Buchwesen auf die elektronische Registerführung ein Übergangszeitraum bis
Ende 2013 ermöglicht.
Die elektronische Registerführung ermöglicht künftig auch die Beantragung einer
Personenstandsurkunde bei einem anderen als dem zuständigen Standesamt und
die elektronische Übermittlung der Urkunde an das Standesamt, bei dem Ausstel­
lung beantragt wurde.
Das Land Niedersachsen beabsichtigt bis
auf Weiteres nicht, von der Er­mächtigung
zur Einführung eines Landespersonenstandsregisters Gebrauch zu machen. Des
Weiteren wird es zunächst für die Jahre
2007 bis 2010 die Kosten für die Entwick­
lung des für die sichere elektronische Datenübermittlung erforder­lichen personen­
standsrechtlichen Datenstandards gemeinsam mit den anderen Ländern finan­
zie­ren. Auch hält es an der Grundentscheidung fest, das Personenstandswesen in
kommunaler Verantwortung durch die
Stan­desämter vollziehen zu lassen.
Die Einführung der elektronischen Registerführung verursacht Kosten. Diese kön­
nen zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht
verifiziert werden. Deshalb haben sich die
kommunalen Spitzenverbände bereit erklärt, die mit dem neuen Gesetz ge­
sammelten Erfahrungen durch eine Evaluation auszuwerten. Hierfür soll ein Erfah­
rungsschatz von zwei bis drei Jahren zugrunde gelegt werden. Im Laufe des Jahres 2011 sollen dann beispielhafte Kommunen verschiedener Größen­k lassen
ausge­wählt werden, bei denen Arbeitsabläufe mit dem neuen elektronischen Verfahren be­reits erprobt und routinemäßig
eingesetzt werden. Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Evaluation wird in enger
Zusammenarbeit mit den kommunalen
Spitzenver­bänden erfolgen.
Änderung der Arbeitszeitverordnung
für die Feuerwehren
Der Europäische Gerichtshof hatte im Juli
2005 entschieden, dass die Tätig­keiten,
die von den Einsatzkräften einer hauptberuflichen Feuerwehr ausgeübt werden, in
der Regel in den Anwendungsbereich der
EU-Arbeitszeitrichtlinie fallen, so dass die
darin festgelegte Obergrenze von 48 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit grundsätz­
lich nicht überschritten werden darf.
In der Folge musste die Verordnung über
die Arbeitszeit der Beamten des Feuer­
wehrdienstes, die eine durchschnittliche
wöchentliche Arbeitszeit von 56 Stunden
vorsah, an das EU-Recht angepasst werden. Um aber Gestaltungsmöglichkeiten
für die Städte zu eröffnen, ist die Möglichkeit einer sog. Opt-out-Regelung vorgesehen, die es in den einzelnen Standorten
ermöglicht, die regelmäßige wöchentliche
Ar­beitszeit (48 Stunden) auf dem Prinzip
der Freiwilligkeit der Feuerwehrbeamten
im Einzelfall zu verlängern, um so die bisherigen 24-Stunden-Schichtdienste beibe­
halten und eventuelle Personalengpässe
bis zur Ausbildung erforderlicher zusätzli­
cher Feuerwehrkräfte überprüfen zu können. Die Verordnung ist am 13. Juli 2007
in Kraft getreten (Nds. GVBl. S. 296).
Die Verordnung ist in enger Absprache
zwischen Innenministerium und Nieder­
sächsischem Städtetag erfolgt, wobei es
insbesondere durch die Opt-out-Regelung
den Standorten ermöglicht wird, individuelle Vorortregelungen zu treffen.
Digitalfunk für Behörden und
Organisationen mit Sicherheits­
aufgaben (BOS)
In den nächsten Jahren soll das analoge
Funknetz durch ein digitales Funknetz in
Deutschland abgelöst werden. Die Kosten
dieses Basis­netzes werden zu je 50 Prozent vom Bund und den Ländern getragen.
Mit Blick auf den Finanzierungs­anteil des
Landes stellt sich für die kommunale Seite die Frage, in welcher Form sie an den
Kosten zu beteiligen ist. In einer Reihe von
Ge­sprächen zwischen den kommu­nalen
Spitzenverbänden und dem Innenministerium sind bis­lang folgende wichtige Ergebnisse erzielt worden:
1. Für die kommunale Betriebskostenbeteiligung wird ein pauschaler Be­mes­
sungs­betrag in Höhe von 14 Millionen
Euro jährlich zugrunde gelegt. Der kommunale Anteil daran beträgt 30 Prozent
= 4,2 Millionen Euro jährlich. Das
Innenmi­nisterium hat verbindlich zugesagt, diesen Betrag als Höchst­grenze
über einen Zeitraum von fünf Jahren
festzuschreiben (Nicht­anwendung von
Preisgleitklau­seln in diesem Zeitraum).
Der Fest­schreibungszeitraum beginnt,
sobald der ersten Kommune die Nut­
zungs­möglichkeit des Netzes uneinge­
NST-N 10/2009
ALLGEMEINE VERWALTUNG
schränkt zur Verfügung steht. Der Zeitpunkt ist voraussichtlich dann erreicht,
wenn das Netz in einem definierten Bereich errichtet ist und der vertraglich
durchgeführte „Er­weiterte Probebetrieb“ (Dauer sechs Monate) dort abge­
schlossen wurde.
2. Die prozentuale Beteiligung der Kommunen an den Betriebskosten des Landes wird nach fünf Jahren einer Revision unterzogen.
3. Kreisfreie Städte, Region Hannover und
Landkreise brauchen im ersten Jahr der
Nutzung keine Beteiligung an den Betriebskosten des Landes zu entrich­ten,
soweit sie dem Digitalfunk zum frühstmöglichen Zeitpunkt beitreten und eine
flächende Einführung gewährleisten.
4. Das Land beabsichtigt noch (mindestens) eine weitere Ausschreibung von
Endge­räten und bietet den Kommunen
an, sich im Rahmen der geltenden
rechtlichen Rahmenbedingungen daran zu beteiligen. Dieses wird voraus­
sicht­lich für jede Kommune der verbindlichen Festlegung einer konkreten
Be­stell­menge bedürfen. Der Abruf wird
dann über einen längeren Zeitraum individuell möglich sein.
5. Es ist beabsichtigt, eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Innen­minis­
terium und kommunalen Spitzenverbänden zu erarbeiten, die auf der Grund­lage
der Abstimmungen erstellt wird und zwischen dem Land und jeder kreisfreien
Stadt, jedem Landkreis und der Region
Hannover zu schließen sein wird.
Schulgesetz
Wie schon in der Vergangenheit war der
Schulbereich erneut etlichen Änderungen
unterworfen. Es gab insbesondere auch
zwei Änderungen des Niedersächsischen
Schulgesetzes. Im Jahr 2008 wurde das
bis dahin be­stehende Verbot der Errich­
tung neuer Gesamtschulen gestrichen.
Dieses wurde seitens des NST ausdrücklich begrüßt, anders als die damit einhergehende Verpflichtung, parallel zu Gesamt­
schulen auch das dreigliedrige Schulsystem vorhalten zu müssen. Ebenfalls seitens des Verbandes kritisiert wurde die mit
diesem Gesetz vorgenommene Erhöhung
der Mindestzügigkeiten von IGS’en und
nach Schulzweigen gegliederten KGS’en
von vier auf nunmehr fünf Züge.
Eine weitere Schulgesetznovelle hat der
Landtag im Juni 2009 beschlossen. Mit
dieser wurden insbesondere die noch bestehenden Vollen Halbtagsschulen zum
August 2010 abgeschafft und das zwölfjährige Abitur auch an allen Gesamt­
schulen eingeführt. Der NST hat diese Gesetzesinitiative zum Anlass ge­nommen,
darauf hinzuweisen, dass landesweit nicht
nur an den Standorten der bisherigen Vollen Halbtags­schulen ein Bedarf an gebun-
NST-N 10/2009
denen Ganztags-Grundschulen besteht,
den das Land füllen muss. Zum sog. „Turbo-Abitur“ wurde betont, dass bei dessen
Ein­führung eine erhebliche Entschlackung
der Unterrichtsinhalte hätte er­folgen müs­
sen. Der NST hat gefordert, dieses nunmehr dringend nachzuholen. Des Weiteren
wurde erneut darauf hin­gewiesen, dass
die bestehenden Möglich­keiten der Zu­
sammenarbeit von Hauptschulen und Realschulen nicht ausreichen und dass den
Schulträgern die Option gegeben werden
muss, diese Schulen je nach den örtli­chen
Bedürfnissen auch inhaltlich zu einer neuen Schulform zusammenzufassen.
Kommunalisierung von Schulen
Die im Rahmen der letzten Städteversammlung im März 2007 in Celle be­
schlosse­nen „Celler Thesen“ zur kommunalen Bildungspolitik beinhalten die Forderung, die Kommunalisierung von Schulen zu erproben. Ministerpräsident Wulff
hat sich ebenfalls für einen Modellversuch
ausgesprochen. Erste An­zeichen dafür,
dass das Kultusministerium diesem
Wunsch entsprechen könnte und dass ge­
meinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden ein Schulversuch für den Bereich der Grund­schulen vorbereitet werden könnte, scheinen sich allerdings nicht
zu bestätigen.
Mittagessen an Schulen
Eine der Forderungen des NST für die
neue Landtagswahlperiode be­stand darin,
dass das Land sich zur Ausweitung der
Ganztagsbetreuung an den Kosten der
Mittagsverpflegung beteiligen sollte.
Erstmals im Jahr 2008 hat das Land zur
Unterstützung bedürftiger Schülerinnen
und Schüler einen Zuschuss für die Mittagsversorgung bereitgestellt. Abweichend
von den Vorstellungen der kommunalen
Spitzenverbände wird dieser nicht für
Schülerinnen und Schüler an allen Schulen
gewährt, an denen tatsächlich ein Mit­
tagessen angeboten wird, sondern nur für
solche, die an förmlich genehmigten Ganztagsschulen unterrichtet werden. Das
Land verlangt dabei eine Kofinanzierung
auf örtlicher Ebene, wobei auf unser Drängen hin von ersten Überlegungen abgewi­
chen wurde, diese zwingend vom Schulträger zu erwarten. Vielmehr kann die Kofi­
nanzie­rung auch durch sonstige örtliche
Initiativen (Eltern- oder Fördervereine, Stiftungen etc.) erbracht werden. Der vom
Land angenommene durchschnittliche Essenspreis von 2,50 Euro wurde von uns
als deutlich zu niedrig bewertet. Der Nie­
dersächsi­sche Landtag hat auch für das
Jahr 2009 Haushaltsmittel bereitgestellt,
um dieses Programm fortzuführen. In Gesprächen mit Landesregierung und Koaliti­
onsfraktionen bemüht sich die Geschäftsstelle, die Regelung dauerhaft zu sichern.
Verwaltungsaufwand in
Eigenverantwortlichen Schulen
Als der Landtag im Juli 2006 beschloss,
sog. Eigenverantwortliche Schulen einzu­
führen, haben die kommunalen Spitzenverbände darauf hingewiesen, dass Schulen neue Aufgaben nur dann übertragen
werden dürfen, wenn das Land auch dafür
sorgt, dass diese Aufgaben personell
wahrgenommen werden können. Das
Land bestreitet nach wie vor, dass Mehraufwand in den Schul­sekretariaten anfällt,
die Schulträger weisen uns aber immer
wieder darauf hin, dass diese Einschätzung nicht zutrifft. Daher ist auf Anregung
der NST-Ge­schäftsstelle ein Arbeitskreis
der kommunalen Spitzenverbände unter
Mitwirkung von Praktikerinnen und Praktikern aus den Schulverwaltungen gegründet worden, der den Versuch unternimmt,
eine systematisierte Abfrage unter den
Mitgliedern durchzuführen, auf deren
Grundlage dem Land fundiert nach­gewie­
sen werden kann, dass ein tatsächlicher
Mehraufwand entstanden ist. Diesen
müsste das Land seinen in der Vergangenheit getroffenen Zusagen zufolge nach
dem Grundsatz des Konnexitätsprinzips
finanziell aus­glei­chen.
Kultur rund um die Uhr
Nach 1999, 2002 und 2005 wurde vom
4. bis 7. September 2008 zum vierten Mal
die Kulturinitiative „Kultur rund um die
Uhr“ durchgeführt. Unter der Schirm­herr­
schaft des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff MdL haben
NST und NSGB ihre Mitglieder gemeinsam
dazu aufgerufen, die Be­deutung des Enga­
gements der niedersächsischen Städte,
Gemeinden und Samtgemeinden für die
Kulturarbeit unter Beweis zu stellen. Dieser Beweis ist aus Sicht der Geschäftsstelle erneut gelungen. Mehr als 80 teilnehmende Kommunen haben sich mit weit
über 300 Einzelveranstaltungen an der Initiative beteiligt.
Novellierung des Niedersächsischen
Denkmalschutzgesetzes
Bei den in unregelmäßigen Abständen
stattfindenden Gesprächen zwischen den
kommunalen Spitzenverbänden, den Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie dem Landesamt für Denkmalpflege
wurden Eckpunkte einer Novellierung des
Nie­der­sächsischen Denkmalschutzgesetzes erörtert. Neben einzelnen Aspekten
der Archäologie soll versucht werden, das
Verursacherprinzip bei Baumaßnahmen
stär­ker im Gesetz zu verankern; auch wird
über Regelungen zu energetischen Sanie­
rungsmaßnahmen und Solaranlagen an
Denkmälern nachgedacht. Daneben würde eine Niedersächsische Dankmalkommission installiert, die allerdings nicht im
Ge­setz verankert ist. Eine Arbeitsgruppe
der kommunalen Spitzenverbände unter
Fe­d erführung des Niedersächsischen
193
ALLGEMEINE VERWALTUNG
Städtetages hat sich mit den geplanten
Geset­zesänderungen befasst, sah jedoch
keinen grundlegenden Bedarf zur Ände­
rung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes. Nachdem jedoch inzwischen ein Gesetzentwurf der Landtagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vorliegt,
hat das Ministerium an­gekündigt, einen
eigenen Gesetzentwurf vorlegen zu
wollen.
Einrichtung einer Niedersächsischen
Denkmalkommission
Auf Anregung des Niedersächsischen Heimatbundes hat der Minister für Wissen­
schaft und Kultur eine Niedersächsische
Denkmalkommission installiert. Das Gre­
mium soll eng an das Niedersächsische
Landesamt für Denkmalpflege ange­
bunden sein und das Recht haben, Stellungnahmen zu grundsätzlichen Problemen und Fragestellungen der Denkmalpflege abzugeben. Die Kommission soll
auch gegen­über dem Landesamt Empfehlungen zur Überprüfung von Objekten auf
ihre Wer­tigkeit abgeben dürfen. Eine Aufsichtsfunktion wird der Kommission nicht
zuge­standen.
Der Niedersächsische Städtetag hat sich
gegen die Einrichtung einer Denkmal­
kommission ausgesprochen, weil zu befürchten sei, dass diese aktiv und un­
gefragt auf die Entscheidungen der Unteren Denkmalschutzbehörden einzu­wirken
ver­su­che. Ein Gremium mit Beratungsfunktion wird neben dem Landes­amt für Denk­
malpflege nicht als erforderlich angesehen.
Der Niedersächsische Städtetag ent­sendet
gleichwohl – wie auch die beiden anderen
kommunalen Spitzenverbände – einen Vertreter in die Denkmalkom­mission.
SGB II und Pflege
Neben einer Fülle von Einzelthemen unterschiedlichster Art haben vor allem drei
Themenfelder die Arbeit des Städtetages
im Sozialbereich im Berichtszeitraum ge­
prägt. An erster Stelle zu nennen ist der
zwischen Bund, Ländern und Kommunen
verabredete massive Ausbau der Betreuungskapazitäten für Kinder im Alter von bis
zu drei Jahren (vgl. hierzu Abschnitt „Kinder und Jugendliche“). Ein zweiter Schwerpunkt ist die Diskussion um die Zukunft
der SGB II-Trägerschaft nach dem Urteil
des Bundesverfassungs­gerichts vom Dezember 2007. Drittens schließlich wurde
insbesondere die Geschäftsstelle stark
durch lan­desrechtliche Folgen aus dem
Bundesgesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom 28.
Mai 2008 in Anspruch genommen.
Sozialgesetzbuch II
194
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 20. Dezember 2007 ist
die Erbringung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in der
organi­satorischen Form der Arbeitsge-
meinschaften verfassungswidrig. Die notwendige Neuregelung muss spätestens
mit Ablauf des Jahres 2010 in Kraft treten.
Aus praktischen Gründen wäre jedoch
eine deutlich frühere Entscheidung über
die Systemfrage sinnvoll gewesen.
Es stellte sich jedoch trotz intensiver Diskussionen über diverse unterschiedliche
Reformmodelle schließlich heraus, dass
vor der Bundestagswahl im September
2009 keine Einigung möglich sein würde.
Somit wird die Frage, welche Organisati­
ons­form(en) im Bereich des SGB II ab 2011
bestehen sollen, ein vorrangiges und drängendes Thema des Jahres 2010 werden.
Pflegeversicherung
Im letzten Geschäftsbericht (NST-N
3/2007) wurde ausführlich dargestellt, in
wel­c hem verbandspolitischen Spannungsfeld der Niedersächsische Städtetag sich im Bereich der Pflegeversicherung
befindet. Weiterhin gilt generell, dass im
Bereich der Pflegeversicherung die Interessengegensätze in Niedersachsen sehr
hart auf­einanderprallen.
Die neuen Vorgaben des Bundesrechts waren in mühevollen Verhandlungen im zweiten Halbjahr 2008 sowie in 2009 in die für
Niedersachsen geltenden Landes­rah­men­
verträge einzuarbeiten. Daneben gelang es,
eine vom Niedersächsischen Sozialministerium erwünschte und unter dessen Moderation ausgehandelte Verein­barung über
die Begründung von Pflegestützpunkten in
Niedersachsen mit den Verbänden der Pflegekassen auszuhandeln. Kernstück dieser
Vereinbarung ist ein finanzielles Angebot
der Kassen, bis zu einer Höhe von rund zwei
Millionen Euro jährlich Pflegestützpunkte in
den Kreisen und kreisfreien Städten finanziell zu unter­stützen. Die Teilnahme an diesem Programm steht jeder berechtigten
Kommune frei.
Zunehmender politischer Druck in Niedersachsen besteht, was die Höhe der Pfle­
gesätze für die stationäre Pflege angeht.
Traditionell sind diese in Nieder­sachsen
besonders niedrig, was auch daran liegt,
dass hier der Anteil von Einrichtungen in
privater Trägerschaft besonders hoch ist.
Insbesondere die Landesarbeitsgemein­
schaft der Freien Wohlfahrtspflege hat
durch eine Kampagne der Jahre 2008/2009
massiv öffentlich darauf hingewiesen,
dass Insolvenzen ihrer Pflegeeinrichtungen nicht mehr ausgeschlossen werden
könnten. Vor diesem Hintergrund beschloss – nach intensiver Erörterung in
den Fachgremien des Verbandes – das
Präsidium des Verbandes im Februar
2009, den Städten die Anwendung eines
so genannten „Vereinfachten Verfahrens“
zur begrenzten Erhöhung von Pflegeent­
gelten zu emp­fehlen. Die Abwägung zwischen fiskalischen und sozialpolitischen
Gesichtspunkten in diesem Themenfeld
wird auch künftig eine besondere Heraus­
forderung für die nieder­sächsischen Sozialhilfeträger sein.
Seniorenservicebüros
2008 wurde vom Sozialministerium, leider
ohne jegliche Abstimmung mit den kom­
munalen Spitzenverbänden, ein Landesprogramm zur Förderung von Seniorenser­
vicebüros aufgelegt. Ziel dieser Einrichtungen ist es, dem erhöhten Beratungsund Unterstützungsbedarf älterer Menschen im Zusammenhang mit dem demo­
grafi­schen Wandel zu entsprechen. Die
Förderung des Landes ist eine Anschub­
finan­zierung in Höhe von 40.000 Euro jährlich (Personal- und Sachkosten) und endet
nach vier Jahren. Nachdem in einem ersten Schritt 16 Seniorenservicebüros ge­
nehmigt wurden, hat das Land seine Fördermittel inzwischen soweit aufgestockt,
dass bis zum Jahresende 2011 in jedem
Land­kreis und jeder kreisfreien Stadt die
Förderung eines solchen Büros möglich
ist. Wie stets fragt sich auch bei dieser
Anschubfinanzierung, wie nach Ablauf von
vier Jahren der weitere Betrieb gewähr­
leistet werden soll. Immerhin ist es den
kommunalen Spitzenverbänden in den
Ver­handlungen über die Pflegestütz­punkte
gelungen durchzusetzen, dass Pflegestütz­
punkte und Seniorenservice­büros organisatorisch miteinander kombiniert werden
können.
Integration
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist das Thema
Integration von zunehmender Bedeutung.
Anlässlich des Integrations­gipfels auf Bundesebene Mitte 2007 wurde der nationale
Integrationsplan vor­gestellt. Die kommunalen Spitzenverbände sind in einem eigenen Beitrag neben der Bundesre­gierung
und den Ländern Selbstverpflichtungen
zur Verbesserung der Integration eingegangen. Selbstverpflichtungen für ihre Mitglieder haben die kommunalen Spit­zen­
verbände naturgemäß nicht abgegeben.
In einer ersten Zwischenbilanz ist fest­
gestellt worden, dass die Städte, Gemeinden, Samt­gemeinden und Landkreise in
Deutschland das Thema Integration noch
stärker in den Mittelpunkt ihres Handelns
gerückt haben und sie sich auf vielfältige
Weise engagieren, um allen Bürgerinnen
und Bürgern die Teilhabe am sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben zu
ermöglichen.
Auf Landesebene ist das Handlungsprogramm Integration unter Beteiligung der
kommunalen Spitzenverbände fortgeschrieben worden. Schwerpunkte waren
die Bereiche Sprache und Bildung, Übergang Schule/Beruf, Integration in das Er­
werbsleben, interkulturelle Öffnung und
interkulturelle Kompetenz, Lebensbedin­
gungen von Frauen, Integration vor Ort,
Religion und Gesundheit.
NST-N 10/2009
ALLGEMEINE VERWALTUNG
Diesem wichtigen gesellschaftlichen Anliegen wird dort, wo die Integration stattfin­
det, nämlich an der kommunalen Basis,
bereits in vielfältiger Art und Weise Rech­
nung getragen. Bei verschiedenen Gegebenheiten wird dies immer wieder deutlich. Damit diese guten positiven Beispiele landesweit bekannt werden, haben unsere Mitglieder künftig die Möglichkeit, in
loser Folge über ihre Aktivitäten vor Ort in
un­serer Verbandszeitschrift, den NSTNachrichten, zu berichten.
Rechte der Menschen
mit Behinderung
Die Rechte der behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen sind seit
Mitte 2001 im Sozialgesetzbuch Neuntes
Buch – Rehabilitation und Teilhabe behin­
derter Menschen (SGB IX) geregelt. Es hat
zum Ziel, behinderte und von Behinde­rung
bedrohte Menschen in ihrer Selbstbestimmung und in der gleich­berechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu
fördern. Allerdings ergeben sich die konkreten monetären Leistungsansprüche
nicht aus dem SGB IX, sondern aus den
entsprechenden Leistungsgesetzen. Beispielhaft zu nennen sind hier das Persönli­
che Budget und für behinderte und von
Behinderung bedrohte Kinder die Früher­
kennung und Frühförderung. Hier sind die
konkreten Leistungsgesetze das SGB XII
(Sozialhilfe) bzw. SGB V (Gesetzliche
Kranken­versicherung) und SGB XII.
Seit dem 1. Januar 2008 besteht ein
Rechtsanspruch auf ein Persönliches Budget, d.h. der behinderte oder von Behinderung bedrohte Mensch kann beantragen, die ihm zustehenden Leistungen zur
Teilhabe über ein Persönliches Budget –
auch Rehabilitationsträger übergreifend
– zu erhalten. Damit soll den Leistungs­
berech­tigten in eigener Verantwortung ein
möglichst selbst bestimmtes Leben ermöglicht werden. Das Per­sönliche Budget
wird dann als Komplex­leistung von den
beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend erbracht.
zung der Früh­förderungsverordnung erar­
bei­tet. Die einvernehmliche Verständigung
auf einheitliche Parameter – einschließlich
der Fi­nanzierung – war ein langer Weg und
ausgesprochen schwierig. Dies lag auch
daran, dass die Struktu­ren der Kostenträger, hier gesetzliche Krankenkassen und
Sozialhilfeträger, äußerst unterschiedlich
sind. Vor diesem Hintergrund erfolgt die
praktische Umsetzung der Erbringung von
Leistungen, der Früherkennung und Früh­
förde­rung als Komplexleistun­g, nur sehr
zögerlich.
Das Diskriminierungsverbot für Menschen
mit Behinderung ist im Grundgesetz
(Art. 3) und ebenso in Art. 3 der Niedersächsischen Verfassung verankert. Neben
dem Bestehen sozialrechtlicher Ansprüche sollen Menschen mit Behinde­rung
ohne besondere Erschwernisse gleiche
Chancen zur Teilhabe am Leben in der
Gesell­schaft haben. Das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes gibt
den Rahmen für die Bundesebene vor. Vor
diesem Hintergrund hat der Landes­
gesetzgeber Ende 2007 das Gesetz zur
Gleichstellung von Menschen mit Be­
hinderungen beschlos­sen. Es war eines
der ersten Gesetze, das nach Ein­führung
der Konnexität auf dem Weg gebracht
worden ist. Die finanziellen Auswirkungen
wurden in der Folgekos­tenabschätzung
im Hinblick auf das Konnexitätsprinzip zunächst als geringfügig dargestellt. Hier
konnten die kommunalen Spitzenverbände im Ge­setzgebungsver­fahren erreichen,
dass die kommunalen Gebietskörperschaf­
ten einen Ausgleich erhalten; die kommunalen Spitzen­verbän­de hatten den notwendigen Kostenaus­gleich auf wenigstens 4,7 Millionen Euro beziffert, das Land
war jedoch nur bereit, 1,5 Millionen Euro
anzuerkennen. Das Gesetz soll nun zum
31. Dezember 2010 evaluiert werden; dabei müsste nachvollziehbar dargelegt
werden, dass dieser Be­trag nicht ausreicht.
Die kommunalen Spitzenverbände haben
unter Beteiligung von kommunalen Prak­
tikern in einer Arbeitsgruppe verbandsinterne Rahmenempfehlungen erarbeitet,
die die Verhandlungen und die Umsetzung
des Persönlichen Budgets vor Ort unter­
stüt­zen sollen.
Ziel der Behindertenpolitik ist die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft, in der
Menschen mit Behinderung von Anfang
an ein Leben in der Mitte der Gesell­schaft
ohne Barrieren führen und ihre Rechte
ausüben können. Dies wird auch dadurch
deutlich, dass der Bundesgesetzgeber die
UN-Menschenrechtskon­vention kurz­fristig
in nationales Recht umgesetzt hat.
Im Bereich der Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinde­
rung bedrohter Kinder ist es das Ziel, die
entsprechenden Leistungen als Komplex­
leis­tungen zuständigkeitsübergreifend zur
Verfügung zu stellen. Dafür haben die
kom­munalen Spitzenverbände zusammen
mit den Landesverbänden der Krankenkas­
sen und den Spitzenverbänden der freien
Wohlfahrtspflege auf Landesebene eine
Landes­rahmenempfehlung zur Umset-
Zeitgleich hat der Deutsche Bundestag
eine Entschließung angenommen, in der
festgestellt wird, dass das Übereinkommen den Paradigmenwechsel in der Politik für Menschen mit Behinderungen bestätigt. Der Deutsche Bundestag fordert
die Bundesregierung darin auf, insbesondere im schulischen Bereich für die
Einbezie­hung von Menschen mit Behinderungen Sorge zu tragen. Es ist davon
auszugehen, dass die Umsetzung des
NST-N 10/2009
Übereinkommens in der nächsten Legislaturperiode mit Nachdruck begonnen
wird.
Kinder und Jugendliche
Ein Schwerpunkt der Verbandsarbeit war
in den vergangenen Jahren das breite
Spektrum des Bereichs Kinder und Jugendliche. Nur zwei besonders wichtige
The­men sollen hier erwähnt werde.
Ausbau des Betreuungsangebotes
für Kinder
Die Jugendministerkonferenz, die zuständige Bundesministerin und die kommuna­
len Spitzenverbände haben sich anlässlich
ihrer Zusammenkunft im April 2007 („Krippengipfel“) auf Folgendes verständigt:
Bis zum Jahr 2013 soll es in der Bundesrepublik Deutschland Betreuungsplätze
für unter Dreijährige in den Kindertageseinrichtungen und der Tagespflege gemäß
dem europäischen Standard von bundesweit durchschnittlich 35 Prozent geben.
Damit hat man sich darauf verständigt,
dass bereits ab Januar 2005 geltende
Tagesbetreu­ungsausbaugesetz (TAG) und
damit verbundene Ausbau­ziel von 20 Prozent auszuwei­ten.
Im September 2007 haben die Länder der
bundes­weiten Einführung eines Rechts­
anspruchs auf ein Betreuungsangebot für
alle Kin­der vom vollendeten 1. bis zum
3. Lebensjahr mit Beginn des Kindergartenjahres 2013/2014 zu­gestimmt. Bund,
Län­der und Kommunen waren sich einig,
dass das ehrgeizige Ausbauziel nur mit
ge­meinsamen Anstrengungen erreicht
werden kann.
Zur Finanzierung des Ausbaus der Kinderbetreuungsangebote beteiligt sich der
Bund einmalig an den Investitions- und
dauerhaft an den Betriebskosten. Die Län­
der haben sich verpflichtet, die Bundesmittel tatsächlich und zusätzlich den Kom­
munen und Trägern zur Verfügung zu stellen und außerdem ebenfalls finanzielle
Voraussetzungen zu schaffen, dass die
vereinbarten Ziele erreicht werden.
Auf dieser Basis ist Ende vergangenen
Jahres das Kinderförderungsgesetz mit
den Detailregelungen verabschiedet worden.
Auf Landesebene haben bereits kurz nach
dem Krippengipfel die ersten Spitzenge­
spräche zwischen der Landesregierung
und den kommunalen Spitzen­verbänden
zur möglichst zügigen Umsetzung des Ausbaus der Kinder­betreuungsangebote stattgefunden. In konstruktiven Gesprächen
sind auf der Grundlage des vorhande­nen
Datenmaterials im Wesentlichen die finanziellen Parameter vereinbart worden.
Für das Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2008 bis 2013 ist
zwischen Bund und Ländern eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen worden.
195
ALLGEMEINE VERWALTUNG
Die darauf basierende Landes-Förderrichtlinie „Investitionen Kinder­betreuung“
hat nach derzeitigen Erkenntnissen vor Ort
viel Irritation und Un­zufriedenheit in der
praktischen Um­setzung erzeugt. Insbesondere hat sich auch gezeigt, dass die
vom Land vorgesehene fünfprozentige
Kofinanzie­rung mit Landesmitteln bei den
Investitionskosten bei weitem nicht auskömmlich ist.
Die Betriebskostenfinanzierung erfolgt auf
der Grundlage des Ende 2008 vom Bun­
desgesetzgeber verabschiedeten Kinderförderungsgesetzes. Die Bundes­mittel
wer­den über erhöhte Umsatzsteueranteile an die Länder weitergegeben. Auf
Landes­ebene haben die Niedersächsische
Landesregierung und die Arbeitsge­
meinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens für die Umsetzung
die finan­ziellen Rahmenbedingungen in
einer gemeinsamen Er­klärung festgelegt.
Dabei ist zu­nächst das Finanzvolumen,
das benötigt wird, um das Ausbauziel bis
2013 zu errei­chen, festgelegt worden.
Hierfür sind alle ab dem 18. Oktober 2007
neu zu schaf­fenden Plätze in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege, d.h.
ober­halb eines landesweiten Ausbaustandes von 6,9 Prozent für unter Dreijährige,
ein­geflossen. Pro Krippenplatz sind Kosten in Höhe von 12.000 Euro bei einer
acht­stündigen Betreuung zugrunde gelegt
worden, wobei für die Berechnung des Fi­
nanzvolumens eine Betreuung von sechs
Stunden angesetzt wurde. Die bisherige
Personalkosten­finanzierung ist in die Berechnung ebenfalls mit eingeflossen.
Abge­setzt wurde ein unterstellter Elternbeitrag von 25 Prozent sowohl für Krippenplätze wie auch für die Kinder­
tagespflege. Die nach dieser Berechnung
ermittelte Gesamt­summe der Be­triebs­
kostenzuschüsse für Krippen und Kindertagespflege wird für die gleich­mäßige Finanzierung aller Betreu­ungsplätze für unter Dreijährige verwen­det. Für das Jahr
2011 ist eine Revisions­klausel vereinbart
worden, da die Ermitt­lung des Finanzvolumens in wesentlichen Berei­chen auf
Schätzungen beruht.
Zur Umsetzung dieser gemeinsamen Erklärung hat der Niedersächsische Land­tag
inzwischen eine Änderung des Kindertagesstättengesetzes verabschiedet und die
Änderung der entsprechenden Durchführungsverordnung ist vom zu­ständigen Mi­
nisterium auf den Weg gebracht worden.
Für den Bereich der Kindertagespflege ist
vereinbart worden, dass die gesamte Landesförderung bis einschließlich 2010 über
die Förderrichtlinie zum Landesprogramm
„Familie mit Zukunft“ erfolgt.
Kinderschutz
196
Das Thema Kinderschutz bzw. die Kindeswohlgefährdung ist schon immer ein
Schwerpunkt im Bereich der Umsetzung
der Kinder- und Jugendhilfe gewesen und
wird es auch künftig sein. An­gesichts aktueller Fälle von Kindesvernachlässigung
und sogar Kindestötung hat das Thema in
der politischen Diskussion eine beson­dere
Dynamik erhalten, die sich allerdings leider
nicht immer an der Sache orien­tiert.
Bereits im Dezember 2006 fand in Niedersachsen auf Initiative der Sozial­ministerin
die erste niedersächsische Kinderschutzkonferenz statt. Dies war der Auftakt für
einen regelmäßigen und breiten Dialog der
Landesregierung mit den unterschiedli­
chen Expertenverbänden. Die kommunalen Spitzenverbände werden ebenfalls ein­
gebunden. Im Weiteren wurden vom Land
verschiedene Projekte ins Leben gerufen,
wie bei­spielsweise Familienhebammen
und Familienbildungsstätten. Außerdem
wurde ein Internet-Portal www.kinderschutz-niedersachsen.de eingerichtet. Auf
dieser Internet­seite soll allen Interessierten
aktuelle Informationen zur Verfügung ge­
stellt werden.
Ferner ist seitens der Sozialministerin ein
Gesetzentwurf für die Schaffung eines verbindlichen Einlade- und Meldewesens auf
den Weg gebracht worden, der sich noch
in der politischen Diskussion bzw. parlamentarischen Beratung befindet. Die kommunalen Spitzenverbände haben hierzu
eine sehr kritische Stellungnahme abgegeben. Im Übrigen wird dieses Gesetzesvorhaben auch von vielen Fachleuten und
anderen Verbände als wenig hilfreich in
Sache angesehen.
Erklärung zur Bedeutung des Sports
Einer der Partner, mit denen die Geschäftsstelle in regelmäßigem Kontakt steht, ist
auch der Landessportbund. Gemeinsam
mit diesem und dem Nieder­sächsischen
Ministerium für Inneres und Sport wurde
im Mai 2007 eine ge­meinsame Erklärung
zur Bedeutung des Sports herausgegeben. Diese steht unter der Überschrift
„Sport tut den Menschen in Kommunen
gut!“ und ist in der Juni-Ausgabe 2007 der
NST-N abgedruckt.
Nichtraucherschutzgesetz
Zum 1. August 2007 ist das Niedersächsische Nichtraucherschutzgesetz (Nds.
GVBl. S. 337) in Kraft getreten. Mit dem
Gesetz wird das Ziel verfolgt, vor den Ge­
fahren des Passivrauchens wirksam zu
schützen und die dadurch aus­gelösten
Krankheiten zu vermeiden. Niedersachsen
hatte schon vor dem Gesetz eine Reihe
von Regelungen, wie z. B. den Runderlass
des Kultusministeriums vom 3. Juni 2005
„Rauchen und Konsum alkoholischer Getränke in der Schule“, ge­schaffen. Es blieben jedoch noch erhebliche Lücken, vor
allem bei öffentlich zu­gäng­lichen Einrichtungen. Diese Lücken sind jetzt mit dem
Gesetz ge­schlossen worden. Es sieht
Rauchverbote außer in Gaststätten und in
Disko­theken vor allem auch in allen niedersächsischen Verwaltungsgebäuden vor
und erstreckt sich auf Landes- und kommunale Behörden ebenso wie auf Gerichte, An­stalten und Körper­schaften des öffentlichen Rechts, wie z. B. Kammern.
Als Niedersächsischer Städtetag haben
wir die mit dem Gesetzesvorhaben ver­
folgte Zielsetzung ausdrücklich begrüßt.
Als Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008, mit
dem die Nichtraucherschutzgesetze aus
Baden-Württemberg und Berlin teilweise
für verfassungswidrig erklärt wurden, ist
das Niedersächsische Nicht­raucherschutz­
ge­setz durch das Änderungsgesetz vom
10. Dezember 2008 (Nds. GVBl. S. 380)
ge­ändert worden, nach dem das generelle Rauchverbot nicht in Gaststätten mit
weni­ger als 75 qm Gastfläche und ohne
abgetrennten Neben­raum, in denen keine
zube­reiteten Speisen verabreicht werden
und zu denen Personen mit nicht vollen­
detem 18. Lebensjahr der Zutritt verwehrt
wird, nicht gilt. Diese Gaststätten müssen
am Eingangsbereich in deutlich erkennbarer Weise als Rauchergaststätten, zu
de­nen Personen mit nicht vollendetem
18. Lebensjahr keinen Zutritt haben, ge­
kenn­­zeich­net sein.
Niedersächsisches
Raumordnungsgesetz
Im Juni 2007 hat das Land Niedersachsen
das Niedersächsische Raumordnungs­
gesetz grundlegend novelliert und dabei
vereinfacht und dann neu bekannt ge­
macht. Der Niedersächsische Städtetag
hat diese Novellierung kritisch begleitet,
vor allem aber die Straffung des Gesetzes
begrüßt.
Nachdem jedoch der Bund im Dezember
2008 sein Raumordnungsgesetz ebenfalls
grundlegend geändert hat, besteht erneuter Handlungsbedarf für den Landesge­
setzgeber: Wegen der verfassungsrechtlichen Änderungen aufgrund der Födera­
lismusreform unterliegt die Raumordnung
der konkurrierenden Gesetzgebung mit
Abweichungsmöglichkeit der Länder. Danach werden durch das Bundesgesetz Teile des Niedersächsischen Raumordnungsgesetzes zu­nächst einmal verdrängt; es
bedarf einer besonderen gesetzgeberischen Ent­scheidung des Niedersächsi­
schen Landtages, wenn abweichend vom
Bundesrecht die alte oder andere nieder­
sächsische Landesregelungen gelten soll.
Ein besonderes Problem entsteht dabei
für die kreisfreien Städte und die Stadt
Göttingen, deren Flächennutzungspläne
in der Vergangenheit die Funktion des regionalen Raumordnungsprogramms inne
hatten, diese aber durch das Bundesgesetz verlieren. Auf Initiative der Geschäfts­
stelle des Niedersächsischen Städtetages
hat eine gemeinsame Arbeitsgruppe der
NST-N 10/2009
ALLGEMEINE VERWALTUNG
Landesregierung und der betroffenen
Städte Ansätze zu einer Neuregelung erar­
beitet; die gesetzliche Umsetzung steht
noch aus.
Zum Umgang mit der Neufassung des
Raumordnungsgesetzes des Bundes hat
die Landesregierung im Übrigen im Juni
2009 Hinweise herausgegeben, die den
Betei­ligten den Umgang mit dem Bundesrecht bis zum Erlass eines neuen Landes­
geset­zes erleichtern sollen. Der Niedersächsische Städtetag wird bei der Neufassung des Landesraumordnungsgesetzes beteiligt.
Landesraumordnungsprogramm
Die Gesamtnovellierung des Landesraumordnungsprogramms wurde im Jahre 2008
abgeschlossen. Damit wurde auch die seit
1984 bestehende Aufteilung des Landes­
raumordnungsprogramms in einen Gesetzesteil I und einen Ver­ordnungsteil II auf­
gegeben. Die entsprechenden rechtlichen
Voraussetzungen hierzu hatte eine vor­
hergehende Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und
Landesplanung (NROG) vom 26. April
2007 geschaffen.
Die wesentliche Diskussion zur Novellierung hatte bereits im vorangegangenen
Berichtszeitraum stattgefunden. Aus
Sicht des Niedersächsischen Städtetages war dabei vor allem eine Beibehaltung des Zentrale-Orte-Konzeptes wichtig, verbunden mit der Forderung, dieses
Konzept funktionsfähig zu erhalten. Insbesondere sollte verhindert werden, dass
gewachsene städtische Zentren gegenüber dem ländlichen Raum benachteiligt
wurden.
Im April 2009 hat das Niedersächsische
Ministerium für Ernährung, Landwirt­schaft,
Verbraucherschutz und Landesentwicklung das Verfahren zu einer Fortschreibung
des Landesraumordnungsprogramms eingeleitet. Das Haupt­thema dieser Fort­
schreibung ist die Rohstoffversorgung.
Der Niedersächsische Städtetag hat sich
zu den einzelnen geplanten Standorten
nicht geäußert, jedoch in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen der ge­planten Änderungen auf
die kommunale Bauleitplanung bedacht
werden muss und die berechtigten Hinweise der einzelnen Standortgemeinden
berücksichtigt werden sollen.
Städtebauförderung
Bei der Städtebauförderung hat es im Berichtszeitraum – ausgehend von der Föde­
ralismusreform – eine grundlegende Umorientierung gegeben: Das bis­herige „Nor­
malprogramm“ soll innerhalb der nächsten
Jahre bis auf Null zurück­gefahren wer­den.
Neuaufnahmen sind nicht mehr möglich,
die laufenden Fördermaßnahmen sollen
so schnell wie möglich beendet werden.
Die Programmkomponente „Soziale Stadt“
NST-N 10/2009
wird fortgesetzt. Zur Programm­kompo­
nente „Stadtumbau West“ ist das Land
einer seit lang erhobenen Forderung des
Niedersächsischen Städtetages nachge­
kommen und hat erstmals im Programmjahr 2008 Landesmittel zur Gegenfinanzie­
rung bereitgestellt. Im selben Jahr erfolgt
auch erstmals eine Kofinanzierung der
Programm­komponente „Aktive Stadt- –
und Ortsteilzentren“. Seit 2009 gibt es daneben die Programmkomponente „Städtebaulicher Denkmalschutz“, für das Land
von Anfang an eine Kofinanzierung zur
Verfügung stellt. In den Jahren 2008 und
2009 standen außerdem Mittel aus dem
„Investitionspakt zur energetischen Sanie­
rung sozialer Infrastruktur“ zur Verfügung,
die in Anlehnung an die Regeln der Städtebauförderung verteilt wurden. Die Geschäftsstelle des Nieder­sächsischen Städtetages hat an den jeweiligen Einplanungsbesprechungen des Landes teilge­
nommen, hatte dabei aber keinen Einfluss
auf die Mittelverteilung im einzelnen.
6. Regierungskommission
Im Berichtszeitraum ist die 6. Regierungskommission des Landes Niedersachsen
„Energie- und Ressourceneffizienz“ gegründet worden. Basierend auf den
Themen­vorschlägen der 5. Regierungskommission befasst sich die Kommission
mit den zukunftsorientierten Schwerpunkt­
themen
• Immissionsrechtehandel,
• Ressourceneffizienz,
• Kreislaufwirtschaft und Produktverantwortung,
• Bodenschutz,
• Chemie.
In der Kommission – wie auch in den Arbeitskreisen – sind die Geschäftsstelle so­
wie kommunale Praktiker und Praktikerinnen vertreten.
Novellierung der Niedersächsischen
Bauordnung
Unter Leitung der Geschäftsstelle hat eine
Arbeitsgruppe aus Praktikern Vor­schläge
zur Novellierung der Bauordnung erarbeitet. Sie ist dabei von der Interessenlage
aller am Bau Beteiligten ausgegangen und
hat vorgeschlagen, das Bauordnungs­recht
solle darauf verzichten, Dinge zu prüfen,
die sich aus­schließlich auf den Nutzwert
und den Komfort einer Immobilie beziehen. Im Wesentlichen müsse es darum
gehen, Konflikte zwischen Nachbarn und
Konflikte zwischen Einzelnen und der Allgemeinheit zu minimieren. Leitverfahren
sollte künftig das vereinfachte Bau­
genehmi­gungsverfahren sein, in dem allerdings weiterhin der Grenzabstand und
die Stellplatzpflicht geprüft werden
müssten.
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe waren
die Grundlage für eine Stellungnahme, die
die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen
Spitzenverbände zu Eckpunkten des Landes Niedersachsen für eine novellierte
Bauordnung abgegeben hat. Das zu­
ständige Sozialministerium hat in der Zwischenzeit mehrfach einen um­fassenden
Gesetzentwurf angekündigt, der sich an
der Musterbauordnung 2002 der Baumi­
nisterkonferenz der Länder orientieren und
so zu einer bundesweiten Vereinheitli­
chung des Bauordnungsrechts beitragen
soll. Bislang wurde ein solcher Entwurf jedoch noch nicht für die Verbändeanhörung
freigegeben.
Wohnraumförderung
Im Rahmen der Föderalismusreform hat
der Bund den Ländern die Zuständigkeit
für die Wohnungsbauförderung übertragen. Für die Jahre 2007 bis 2013 werden
jährlich Kompensationsmittel auf die Länder übertragen, von denen Nieder­sachsen
jeweils 39,9 Millionen Euro erhält. Das
Land hat daraufhin für die Jahre ab 2007
erneut Wohnraumförderprogramme aufgelegt, nachdem es zuvor im Jahre 2006
die Wohnraumförderung ganz ausgesetzt
hatte. Gefördert wird jetzt sowohl selbst
ge­nutzter als auch gemieteter Wohn­
raum.
Die kommunalen Spitzenverbände wurden
bereits sehr frühzeitig in die Über­legun­gen
zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Wohnraumförderung einbe­zogen
und hatten so Gelegenheit, auch im Detail
an der Formulierung mitzuwirken. Dem
schließlich vorgelegten Gesetzentwurf
konnte dann nahezu vorbehaltlos zuge­
stimmt werden.
EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
Bei der im Jahre 2000 in Kraft getretenen
Wasserrahmenrichtlinie waren im Be­
richtszeitraum einige wichtige Bearbeitungsschritte abzuschließen: Im Dezember 2007 mussten die wichtigsten Wasserbewirtschaftungsfragen veröffentlicht
werden; im Dezember 2008 wurden die
Entwürfe des Bewirtschaftungsplans und
des Maß­nahmeprogramms veröffentlicht.
Der Niedersächsische Städtetag hat die
vom Land hierzu eingesetzten Arbeitsgruppen durch die Mitarbeiter der Geschäftsstelle und Vertreter aus den Mitgliedstädten und Gemeinden begleitet.
Bewirtschaftungsplan und Maßnahmeprogramm wurden nicht nur in Landes­
behörden, sondern auch bei den unteren
Wasserbehörden ausgelegt. Ende 2009
sind diese Dokumente förm­lich von der
Landesregierung zu beschließen.
Dichtigkeitsprüfung von Grundstücksentwässerungsanlagen
Nach § 18a Wasserhaushaltsgesetz ist
Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl
der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt
wird. Für die Errichtung und den Betrieb
von Abwasseranlagen gelten die allgemeinen anerkannten Regeln der Technik. In
197
ALLGEMEINE VERWALTUNG
den Medien ist im Berichtszeitraum häufig
über die sog. Dichtigkeits­prüfung von privaten Grundstücksentwässerungsanlagen
berichtet worden. Um der erheblichen Ver­
unsi­cherung entgegenzuwirken, hat der
Niedersächsische Städtetag sich dieser
Prob­lematik angenommen und unter Beteiligung des Niedersächsischen Umwelt­
ministe­riums und kommunaler Praktiker
und Praktikerinnen „Eckpunkte zur Dichtig­
keits­prüfung für Grundstücksent­wässe­
rungsanlagen“ erarbeitet. Diese erklärenden Eck­punkte sowie die vor­handenen
gesetzlichen sowie technischen Regelwerke sind ausreichend, um den gesetzlichen,
ökonomischen und ökologischen Ver­
pflich­­tun­gen im Bereich der Abwasserbeseitigung gerecht zu werden.
Kostentransparenz in der Abfallwirtschaft
Das Niedersächsische Ministerium für
Umwelt und Klimaschutz beabsichtigte im
Berichtszeitraum einen interkommunalen
Kennzahlenvergleich für kommunale Ab­
fallwirtschaftsbetriebe, um die Transparenz der Kosten der Abfallwirtschaft zu
erhö­hen.
Der Niedersächsische Städtetag hat sich
gegen diesen geplanten landesweiten
Kennzahlenvergleich ausgesprochen, da
er eine Ungleichbehandlung der Abfall­
wirtschaftsbetriebe bedeutet hätte. Transparenz ist vor Ort durch die Offen­legung
der Kosten im Rahmen der Gebührenkalkulation gegeben. Ein landes­weiter Ver­
gleich kann nicht die Vielzahl der regionalen Besonderheiten erfassen. Als abge­
stimmtes Ergebnis mit dem Ministerium
wird nunmehr – vergleichbar mit der jährlich zu veröffentlichen Abfallbilanz – entsprechende Kostenblöcke der Abfallentsor­
gung mit veröffentlicht.
LAGA-Merkblatt 31
Die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall
(LAGA), eine Vollzugskoordinierungsein­
rich­tung der Länder, hat im Berichtszeitraum das Merkblatt 31 überarbeitet, das
die technische Anforderungen an den Vollzug der Elektroaltgeräteentsorgung be­
schreibt. Der überarbeitete Entwurf hätte
für die öffentlich-rechtlichen Ent­sorgungs­
träger erhebliche Investitionen und damit
Gebührensteigerung für die Bürgerinnen
und Bürger bedeutet. Die Ge­schäftsstelle
ist durch das Nieder­sächsische Umwelt­
ministerium gebeten worden, in einer gemeinsamen Arbeits­gruppe eine Überarbei­
tung des Merkblattentwurfs vor­zunehmen,
die zu konsensfähigen und praktikablen
Vorschlägen führen soll. Die Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit erfolgreich abgeschlos­
sen und ihren konsensualen Vorschlag der
LAGA zur Zustimmung vorgelegt.
198
Gewerbliche Sammlung von Altpapier
Anfang 2007 hat die sehr große Nachfrage
nach Sekundärrohstoffen ins­besondere
aus dem asiatischen Raum zu einem erheblichen Anstieg der Erlöse in diesem
Marktsegment geführt. Als Folge gab es
sog. „Häuserkämpfe“ um das Altpapier.
Mit dem konjunkturell bedingten Einbrechen der Nachfrage und dem Sinken ist
es seit 2008 zu einer Beruhigung in diesem
Bereich gekommen.
Durch eine Änderung der Rechtsprechung
der Verwaltungsgerichte und der Ober­
verwaltungsgerichte im Berichtszeitraum
bei Eilentscheidungen hat sich gezeigt, dass
die „überwiegenden öffentlichen Interessen“
gegen den Interessen der ge­werblichen
Sammler nachrangig eingestuft wurde. Dabei spielte es keine Rolle, ob bereits vorhandene Systeme in den Kommunen etabliert
waren. Der Begriff der Sammlung wurde genauso wenig hinterfragt, wie die These, dass
die kommunale Abfallentsorgung den Charakter einer „Garantenfunktion“ habe und
sich flexibel verhalten müsse. Nach Aussage der Gerichte waren Gebühren­risiken deshalb auch vernachlässigbar. In einem Grundsatzurteil hat demgegen­über das Bundesver­
wal­tungsgericht am 18. Juni 2009 in deutlicher Weise zugunsten der öffentlich-rechtli­
chen Entsor­gungsträger entschieden. Das
Gericht führte aus, dass private Haus­halte
ihren Hausmüll einschließlich seiner ver­wert­
baren Bestandteile (Altpapier) grundsätzlich
den öffentlich-rechtlichen Ent­sorgungs­trä­
gern zu überlassen haben.
Unabhängig von der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichtes wird es Auf­
gabe des Städtetages bei der Umsetzung
der EU-Abfallrahmenrichtlinie in nationa­les
Recht sein, bei der Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfall­gesetzes die ge­
trennte Sammlung von Haushaltsabfällen
so abzusichern, dass die Kommunen als
öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger in
der Lage sind, diese unabhängig von
Marktschwankungen bei den Wertstoffen
flächendeckend in gleich bleibender Qua­
lität für alle Bürgerinnen und Bürger zu betreiben.
Kurortverordnung
Die am 1. Mai 2005 in Kraft getretene neue
Verordnung über die staatliche Aner­
kennung von Kur- und Erholungsorten
(KurortVO) beinhaltete einige Regelun­gen,
die aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände verbesserungs­bedürftig wa­ren.
Einerseits war nach der Fassung des Jahres 2005 diese Verordnung befristet und
wäre am 31. Dezember 2011 außer Kraft
getreten. Dieses Außer-Kraft-Treten ist aus
Sicht der Planungssicherheit für die prädikatisierten/zu prädikatisierenden Orte
kritikwürdig, da diese die Gewissheit benötigen, dauerhaft auf die Prädikatisie­
rungsmöglichkeit zurückgreifen zu können, die sie im Wettbewerb mit anderen
Tou­rismusregionen dringend benötigen.
Andererseits sieht die KurortVO vor, dass
alle Kommunen sich spätestens bis zum
30. April 2010 einer neuen Anerkennung
un­terwerfen und hierfür sämtliche für die
Prädikatisierung erforderlichen Un­terlagen
einreichen müssen. Beide Punkte haben
die kommunalen Spitzenverbände von Anfang an kritisch gesehen.
Durch eine Änderung der Verordnung im
März 2009 ist nun zumindest die Gel­
tungsdauer der Kurortverordnung bis zum
31. Dezember 2017 verlängert worden.
Damit ergibt sich für die prädikatisierten
Orte zumindest eine Ver­besserung der
Planungssicherheit, wenn auch nach wie
vor ein völliger Wegfall der Befristung der
Verlängerung der Geltungsdauer vorzugswürdig wäre. Die weitere Regelung, wo­
nach alte Prädikati­sierungen bis zum 30.
April 2010 fortbestehen und anschließend
entfallen, wenn sie nicht zuvor erneuert
worden sind, ist weiterhin gültig.
Breitband
Im Rahmen der Kooperationsvereinbarung
zur gemeinsamen Einführung von
E-Govern­ment in Niedersachsen wurde
die Breitbandinitiative Niedersachsen ins
Le­ben gerufen. Hier arbeiten die Kommunalen Spitzenverbände mit der Landes­
regie­rung eng zusammen, um die Versorgung bisher unversorgter Gebiete mit
breitban­digen Internetanschlüssen zu erreichen. Diese stellen immer mehr einen
erhebli­chen Standortfaktor dar.
In zahlreichen Veranstaltungen wurden die
Möglichkeiten zur Förderung der Breit­
bandversorgung dargestellt.
Im Rahmen des Konjunkturpaketes II wird
der Breitbandausbau im Rahmen eines
Wettbewerbes und einer Ausschreibung
gefördert. Beide Verfahren werden von der
Geschäftsstelle intensiv begleitet.
Musterkonzessionsverträge für die
Strom- und Gasversorgung
Die bereits im vorangegangenen Berichtszeitraum begonnenen Verhandlungen mit
verschiedenen Regionalversorgern über
neue Musterkonzessionsverträge wurden
fortgesetzt. Gemeinsam mit dem Niedersächsischen Städte- und Ge­meindebund
sowie dem Gemeinde- und Städtebund
Sachsen-Anhalt wurden Verhandlungen
mit E.On Avacon noch im Jahre 2007 abgeschlossen. Mit allen anderen Regional­
ver­sorgern konnte ein Abschluss bisher
nicht erzielt werden. Hauptstreitpunkt ist
dabei immer die Endschaftsklausel, also
die Regelung der Bedingung, unter denen
nach Auslaufen des Konzessionsertrages
das Energie­versorgungsnetz an den neuen Vertragspartner der Gemeinde – oder
die Ge­meinde selbst – herauszugeben ist.
Daneben sind wichtige Verhandlungspunkte, wie Aufteilung der Folgekosten
wäh­rend des laufenden Vertrages sowie
die Herausgabe der Daten zur Berechnung
der Konzessionsabgabe und zur Fest­
stellung des Wertes des Netzes.
NST-N 10/2009
FINANZEN UND HAUSHALT
Quo Vadis Strukturpolitik?
von Dr. h. c. Martin Biermann
Das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland (Art. 72 Abs. 2 Ziff. 3) fordert den Bund auf, dann gesetzgeberisch tätig zu werden, wenn auf andere
Weise die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nicht gewahrt werden
kann. Dieses Postulat liegt ganz vielen
Gesetzen zu Grunde. Es ist eine tragende Säule unseres funktionierenden Föderalismus in Deutschland. Das gesamte System des Finanzausgleiches und
der viel­fältigen Ergänzungszuweisungen der Länder und der Kommunen
unter­einander beruhen auf diesem Prinzip und sind fester Bestandteil der
Durchsetzung des Verfassungsauftrages. Die Einheitlichkeit der Lebens­
verhältnisse ergibt sich eben nicht von
selbst und auch der Markt alleine richtet es nicht. Dies ist der Grund, weshalb
Strukturpolitik eine der Kern­aufgabe
staatlichen Handelns sein muss. Es ist
geradezu seine Ver­pflichtung.
Immer mehr häufen sich die Anzeichen,
dass es auf vielen Gebieten in Deutschland zu Fehlentwicklungen, zu einer
Verletzung des Gebotes kommt. Die
sogenannten „ländlichen Räume“ werden mannigfaltig von Entwicklungen
abgekoppelt. Die Zentren und das direkte Umfeld prosperieren, während
sich die Fläche entvölkert. Hier gibt es
nicht nur in den neuen Bundesländern
inzwischen dramatische Entwicklungen. Es vergeht deshalb fast kein Tag,
an dem nicht Politiker aller Parteien die
Stärkung des ländlichen Raumes fordern. Doch folgen den Worten ent­
sprechende Taten?
Gerade in der Gesundheitspolitik gibt
es aktuell große Sorgen, ob die medizinische Versorgung auf dem Land
noch ausreichend gewährleistet werden kann. Es soll sogar schon Gemeinden geben, die dazu über­gegangen
sind, Medizinern besondere Dotatio-
nen zu gewähren, wenn sie sich dazu
entschließen, sich auf dem „flachen
Land“ niederzulassen. Dies kann für
die Kommunen teuer werden. Aber
dies in der Öffentlichkeit bereits diskutierte Phänomen ist nicht das einzige
problematische Feld.
Von der Öffentlichkeit unbemerkt läuft
zurzeit ein Prozess ab, der inner­halb
der Bundesrepublik energiepolitisch
regional zu großen Ver­werfungen führen könnte. Die Entsolidarisierung der
strukturstarken Ballungsräume von der
Fläche, dem sogenannten ländlichen
Raum, steht auf dem Spiel. In den
nächsten drei Jahren wird von den
Kommunen über einen Großteil der
Konzessionsverträge an Energieversorger entschieden. Es handelt sich um
mehrere tausend Konzessionsverträge.
Hiermit werden wichtige Weichen gestellt. Für die Stadt- und Gemeinderäte eine große Herausforderung, weil
Die Deutsche Sparkassenakademie informiert:
DSGV unterstützt Kommunen in Fragen zur Sicherheit von
kommunalen Anlagen
Informationsveranstaltung für Kämmerer bietet Hintergrundwissen
Die Sparkassen-Finanzgruppe unterstützt auch in schwierigen Zeiten die Kommunen mit Informationsveranstaltungen zur Sicherheit von kommunalen Anlagen. In Kooperation mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen
Städte- und Gemeindebund bietet der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) seit Dezember 2008 über
die Deutsche Spar­kassenakademie in Informationsveranstaltungen „Zur Sicherheit von kommunalen Anlagen“ Hintergrundwissen für Mitarbeiter in Kämmereien an.
In der Berichterstattung über die Haushaltssituation von
Kommunen stand in den vergangenen Jahren zumeist die
Verschuldungssituation der Kommunen im Fokus. Laut
Kassenstatistik verfügten die deutschen Kommunen im
Juli 2008 über ca. 38,3 Mrd. Euro Einlagen. Die Sicherheit
dieser Einlagen rückt in Zeiten der aktuellen Finanzmarktkrise verstärkt ins Blickfeld des Interesses.
Die Veranstaltungen boten daher die Möglichkeit, sich
über das deutsche Einlagensicherungssystem sowie über
kommunale Anlagemöglichkeiten und ihre Risiken zu informieren. Holger Weustenfeld, bei der Bundes­anstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht verantwortlich für das
Referat Einlagensicherung, Entschädigungseinrichtungen
und Sicherungsfonds, informierte über die unterschiedli-
NST-N 10/2009
chen Einlagen- und Institutssicherungs­s ysteme in
Deutschland, deren gesetzliche Grundlagen und aktuelle
Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene.
Experten aus der Sparkassen-Finanzgruppe referierten
zur Sicherheit von einzelnen An­lage­instrumenten.
Dass innerhalb eines Tages ein derart breites Themenspektrum ab­gedeckt werden konnte, wurde von den Teilnehmern positiv beurteilt. Aufgrund der guten Resonanz
wird die Deutsche Sparkassenakademie die Veranstaltung
am 22. Oktober 2009 erneut anbieten. Bereits seit September 2007 unterstützt der DSGV die Kommunen mit
der regelmäßig über die Deutsche Sparkassenakademie
angebotenen Fortbildungsreihe „Kommunales Zins- und
Schuldenmanagement“. Ziel der Bausteinreihe ist es, den
geänderten Ansprüchen kommunaler Kunden gerecht zu
werden und über die umfangreichen Möglichkeiten eines
modernen kommunalen Zins- und Schuldenmanagements
zu informieren.
Weitere Informationen stehen auf der Homepage www.
deutsche-sparkassenakademie.de zur Verfügung. Mit einem Marktanteil von rund 55 Prozent im Kommunalkreditgeschäft sind Sparkassen und Landes­banken der wichtigste Finanzpartner der Städte und Gemeinden.
199
FINANZEN UND HAUSHALT
Nichtanwendungserlass
Unter einem sog. Nichtanwendungserlass in Steuerangelegenheiten versteht
man Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), die im Bundessteuerblatt wie eine allgemeine Verwaltungsvorschrift veröffent­licht werden.
Diese verpflichten die Finanzbehörden, eine bestimmte, gleichzeitig im Bundessteuerblatt veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht
über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Diese Praxis wird
häufig kritisiert. Das BMF hat sich dazu in einer Pressemitteilung Anfang Juli
d.J. wie folgt geäußert:
Immer wieder wird die Behauptung aufgestellt, das Bundesministerium der Finanzen würde mit seiner Praxis der Nichtanwendungserlasse das Gebot rechtstaatlichen Verhaltens verletzen. Diesen Vorwurf weist das Bundes­ministerium
der Finanzen entschieden zurück und nimmt dazu wie folgt Stellung:
1.Der Bundesfinanzhof ist nicht das Bundesverfassungsgericht:
In einem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ergangene und rechtskräftig gewordene Urteile binden nur die am Rechtsstreit Be­teiligten (§ 110
Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Nur eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die eine Gesetzes­norm für mit dem Grundgesetz
vereinbar oder nicht vereinbar erklärt, hat allgemeinverbindliche Wirkung.
2.Das Bundesministerium der Finanzen entscheidet nicht allein, sondern im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder:
Hat der BFH eine Gerichtsentscheidung zur amtlichen Veröf­fent­lichung bestimmt, prüfen die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, ob
das BFH-Urteil von den Finanzämtern im Interesse der Rechtssicherheit und
der Gleichmäßigkeit der Besteuerung über den entschiedenen Einzelfall hinaus
angewandt werden kann. Zu dieser eigenverantwortlichen Prüfung der Rechtsanwendung ist die Verwaltung aufgrund des Artikels 20 Abs. 3 GG berechtigt
und ver­pflichtet. In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle entscheidet sich
die Finanzverwaltung für eine allgemeine Anwendung des BFH-Urteils.
Ziel eines Nichtanwendungserlasses ist es dabei nicht – wie fälschlich behauptet – Steuermehreinnahmen zu erzielen, sondern dem BFH Gelegenheit
zu geben, in einem neuen Verfahren seine Rechtsauf­fassung zu über­prüfen.
3.Es gibt nur einen verschwindend geringen Anteil von Nichtanwendungserlassen, nämlich ca. 1,6 Prozent:
Von 1.237 (Stand 18. Oktober 2005 bis 17. Juni 2009) durch den BFH zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmten Entscheidungen sahen die obersten
Finanzbehörden des Bundes und der Länder nur in 20 Fällen die Notwendigkeit, einen Nichtanwendungserlass [Glossar] zu be­schließen, also nur in ca.
jedem 60. Fall.
4.Entgegen oft geäußerter Kritik kann ein Nichtanwendungserlass auch zu Gunsten der Steuerpflichtigen wirken:
So zum Beispiel im Fall des BFH-Urteils vom 18. April 2002 – III R 15/00: Der
BFH wollte die Anerkennung von Aufwendungen für die krankheits- oder behinderungsbedingte Unterbringung in einem Alten(wohn)heim als außergewöhnliche Belastung nur unter sehr ein­geschränkten Voraussetzungen zulassen. Die obersten Finanz­behör­den des Bundes und der Länder sehen das
zugunsten der Bürgerinnen und Bürger anders (BMF-Schreiben vom 20. Januar 2003, BStBl 2003 Teil I S. 89).
200
5.Gelegentlich ist ein Nichtanwendungserlass unumgänglich, weil sich der BFH
selbst wider­spricht:
Ein Nichtanwendungserlass ist geboten, wenn verschiedene Senate des BFH
unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten und keine Anrufung des großen Senats erfolgt.
diese Entscheidungen nicht nur für die
energiepolitische Zukunft ihrer Kommune innerhalb der nächsten Jahr­
zehnte maßgebend sein werden, sondern Energiepolitik ist neben Klima­
schutzpolitik immer auch Industrieund Gewerbepolitik.
Dabei spielt eine Frage eine zentrale
Rolle: Erneuere ich die Konzession mit
einem flächendeckenden Regionalversorger oder mache ich mich unab­
hängig?
Wenn man dem glaubt, was fast wöchentlich publiziert wird, dann kommt
man leicht zu dem Schluss, lasst uns
wieder eigene Stadtwerke gründen. Es
ist Zeit, die Strom- und Gasversorgung
in die eigene Hand zu nehmen und uns
nicht länger von den Großkonzernen
angeblich „abkassieren“ zu lassen. Das
Geschäft können wir auch selbst machen. Landauf, landab sind Beratungsbüros mit dieser Botschaft unterwegs
und antichambrieren in den Rathäusern. Doch ist das wirklich so? Erfahrungsgemäß sind die schnellen Antworten meistens die falschen. Das Leben ist differenzierter.
Mit der Liberalisierung der Energiemärkte und dem diskriminierungsfreien
Netzzugang (EnWG 1998), der jedem
Anbieter die Durchleitung durch fremde
Netze gewährleistet, ist eine Veränderung eingetreten, die eine Rückkehr zur
Situation von vor 1998 ein für allemal
ausschließt. Bis zur Liberalisierung bestimmte die Kommune gleichzeitig mit
dem Konzessionsvertrag über die Netze, wer der alleinige Gebietsversorger
für alle Strom- und Gaskunden der Gemeinde für die nächsten meist zwanzig
Jahre sein sollte. Dies war eine sehr angenehme Situation für denjenigen, der
die Konzession bekam. Er war Monopolist, konnte an seinen Netzen verdienen und zusätzlich aus Vertrieb von
Strom und Gas. Er war konkurrenzlos.
Diese Situation gibt es heute nicht
mehr, sie wird auch nie wieder kommen. Wurden früher mit den Netzen die
Gewinne gemacht, sind sie heute reguliert. Die Bundesnetzagentur legt
scharfe Maßstäbe an. Ge­winne aus
Netzen unterliegen einer strengen Kontrolle. Die Anreiz­regulierung erhöht den
Druck zusätzlich. Im Rahmen der An­
reiz­­regulierung werden durch die Regulierungsbehörden Erlösobergrenzen
für den Netzbetreiber festgelegt, aufgrund derer die Netzentgelte ermittelt
werden. Die tatsächlichen Kosten des
NST-N 10/2009
FINANZEN UND HAUSHALT
Netzbetreibers für das Netz sind nicht
automatisch die von der Bundesnetzagentur zur Ermittlung der Erlösobergrenze zugrunde gelegten Kosten. Es
besteht die Gefahr, sogar im Rahmen
der von der Bundesnetzagentur vorgenommenen Kosten­prüfung Kosten unterhalb der tatsächlichen Kosten anerkannt zu be­kommen und aufgrund der
dann zu niedrigen Erlösobergrenze
Geld zu verlieren.
Jede Kommune sollte deshalb sehr genau prüfen, wie ist meine lang­fristige
Perspektive? Erwirtschafte ich mit dem
Netz in den nächsten Jahrzehnten ausreichend Rendite für die Zahlung der
Konzessionsab­gabe? Wie sieht die Gewerbesteuereinnahme bei der Ertragslage aus? Habe ich genug Mittel, um
die notwendigen Investitionen in die
Sicherheit des Netzes oder etwa dessen Ausbau zu tätigen? Welche Kosten
ent­stehen mir zur Steuerung der Netze? Was kostet mich das technologische Know-how, das ich vorhalten
muss? Wie hoch sind die Kosten für
die gesetzlichen Anforderungen, die
ich als Netzbetreiber zu erfüllen habe?
Wer alle diese Fragen nachhaltig – d. h.
über Jahrzehnte – positiv be­antworten
kann, für den könnte ein eigenes Stadtwerk Sinn machen.
Aber wer kann heute schon bei der dramatischen gesellschaftlichen Veränderung gerade auf dem Energiemarkt guten Gewissens alle diese Fragen positiv beantworten? Genau das ist aber
dringend geboten, denn die Entscheidung, ein eigenes Stadtwerk zu betreiben, verlangt hohe Investitionen, die
sich über Jahrzehnte rechnen müssen.
Eine Fehlent­scheidung in dieser Frage
könnte für die Kommune und damit ihre
Bürgerinnen und Bürger verheerende
Folgen haben.
Hatte vor der Liberalisierung ohne
staatlich festgelegte Netznutzungsent­
gelte der Versorger noch die Möglichkeit, seine Rendite entweder aus den
Netzen oder dem Vertrieb zu erwirtschaften, weil er Ja das Monopol der
Versorgung der Kunden hatte, so steht
ihm diese Möglichkeit heute nicht mehr
zur Verfügung.
Die Gleichung, wer die Netze hat, hat
auch die Kunden, stimmt heute nicht
mehr. Man muss sich nur den großen
Markt der Anbieter im Internet ansehen
um zu begreifen, dass hier ein harter
Wettbewerb Platz gegriffen hat. Der
Preiswettbewerb ist so extrem gewor-
NST-N 10/2009
den, dass nur aus dem Vertrieb allein
am Einzelkunden zum Teil nur noch
sehr geringe Margen erwirtschaftet
werden können. Die ersten Marktanbieter, die besonders schneidig mit
Dumpingpreisen aufgetreten sind, beginnen bereits sich zurückzuziehen
oder ihre Preisstruktur anzupassen.
Der Wettbewerb greift und die Zahl der
Kunden, die wechseln, wächst und
wird weiter wachsen. Das ist auch politisch gewollt. Strom und Gas sind
unpersön­liche Produkte, zu denen niemand eine persönliche Bindung hat,
mit denen er emotional auch nichts verbindet – wie etwa beim Autokauf. Während er dort bei grundsätzlicher Zufriedenheit erst mühsam durch geschickte Werbestrategien und Vermarktung
vom Wechsel zu einem anderen Fabrikat überzeugt werden muss, ist dies
bei dem Produkt Strom und Gas völlig
irrelevant. Das einzige, was hier für den
Vertrieb marktent­scheidend ist, ist neben dem Preis allein die Tatsache der
ständigen Verfügbarkeit, der Versorgungssicherheit.
Kommunen, die ein eigenes Stadtwerk
betreiben, haben also heute entgegen
früheren Zeiten keinen garantierten Absatz mehr. Den Risiken aus dem Netz
folgen die Risiken aus dem Vertrieb. Sofern die Kommune die Energie nicht
selbst erzeugt, stellt sich die Frage, welche Mengen kauft sie von außen ein?
Kaufe ich langfristig? Kaufe ich kurzfristig? Oder spekuliere ich und kaufe an
der Börse in Leipzig in der Hoffnung,
eine gute Marge, ein Schnäppchen erzielen zu können? Habe ich dazu das
qualifizierte Personal, das den Vertrieb
managen kann? Oder, wenn ich es
selbst nicht habe, kann ich mir diese
Dienstleistung einkaufen und wenn, zu
welchen Kosten? Welche vertraglichen
Bindungen muss ich eingehen, ohne
meinen Absatz definitiv zu kennen und
steuern zu können, z. B. bei „Pay-ortake“-Optionen?
Natürlich sind dies alles für die großen
deutschen Stadtwerke keine entscheidenden Fragen. Sie verfügen über alle
technischen und kauf­männischen Kapazitäten um auf dem Markt im Wettbewerb bestehen zu können. Gilt das
aber auch für den Großteil der deutschen Kommunen gerade in Flächenländern? Was ist mit ihnen? Können
sie sich im rasant vollziehenden Strukturwandel energiepolitisch am Markt
behaupten? Und sind die kleineren
Städte und Gemeinden in der Lage,
ihren Bürgerinnen und Bürger kostengünstig zu annähernd den gleichen
Preisen Strom und Gas mit absoluter
Versorgungssicherheit zu liefern wie es
die Regional­versorger seit Jahrzehnten
beweisen?
Dies sind ernst zu nehmende Fragen,
die für die Strukturpolitik Deutsch­lands
von herausragender Bedeutung sein
werden. Wollen wir weiter etwa gleiche
Lebensbedingungen in Ballungsräumen und im ländlichen Raum ermöglichen oder entsolidarisieren sich die
Ballungsräume mit ihren kostengünstigen Strukturen, entziehen der Fläche
in ihrem Umland, dem sogenannten
„Speckgürtel“, die noch lohnenden
„Rosinen“ aus dem kommunalen Kuchen und überlassen den Rest sich
selbst? Hier ist die Strukturpolitik der
jeweiligen Länder gefordert, Antworten
zu geben.
Die Strukturen der letzten zwanzig Jahre waren relativ konstant. Neben den
Stadtwerken der Großstädte, die sich
auf ihr Versorgungsgebiet beschränkten (Örtlichkeitsprinzip), waren für die
Vielzahl der Kommunen die großen Regionalversorger zuständig. Durch den
Mix von vielen sehr unterschiedlichen
Gemeinden, leistungsstarken und leistungsschwachen, strukturstarken und
strukturschwachen, konnten die Nachteile der großen Flächenversorgung einigermaßen kompensiert werden. Es
entstanden Synergien. Die Netznutzungsentgelte im gesamten konzessionalen Ver­sorgungsgebiet wurden einheitlich ermittelt, so dass die schwächeren Gemeinden profitierten und die
stärkeren einen quasi „Solidarbeitrag“
leisteten.
Nun ist das mit der Solidarität so eine
Sache. Die einen sind da gelinde gesagt sehr zurückhaltend und nicht geneigt, ihren Strukturvorteil preiszu­
geben, die anderen aber auf Solidarität
angewiesen, wenn die Schere nicht
weiter auseinander gehen soll. Die Erkenntnis der freiwilligen Solidarität, die
es zweifellos gibt, hat erfahrungsgemäß nur dort eine Chance, wo diese
die eigenen Interessen nicht tangiert.
Dort aber, wo Wettbewerb herrscht,
sucht man Solidarität meistens vergebens, und Kommunen stehen selbstverständlich untereinander im Wettbewerb, z. B. in der Infrastrukturpolitik,
der Ansiedlungspolitik, der Baulandausweisung oder der kulturellen Versorgung.
201
FINANZEN UND HAUSHALT
Eine auf Solidarität aufbauende Strukturpolitik kann deshalb nicht dem freien Markt des Wettbewerbs überlassen
werden. Hier sind die dafür verantwortlichen Länder und der Bund durch entsprechende Rahmen­setzungen gefordert, annähernd einheitliche Lebensbedingungen in Stadt und Land zu gewährleisten. Dies gilt nicht nur für ein
ausreichendes infrastrukturelles Angebot an Straßen und Bahnen oder im
Bildungs­bereich, nicht nur heute für einen schnellen Internetzugang in der
Kommunikationstechnologie, sondern
sicherlich auch in der Frage der preisgünstigsten marktgerechten Energieversorgung um im ländlichen Raum
überhaupt Entwicklungschancen zu
wahren.
Von Berthold Brecht stammt der Satz:
„Stell dir vor, es gibt Krieg und keiner
geht hin“. In Anlehnung an dieses inzwischen berühmte Zitat sei die Frage
gestattet, „Stell dir vor, eine strukturschwache Gemeinde schreibt eine
Konzession aus und keiner bewirbt
sich“. Was dann? Ist dies eine irreale
Frage? Wohl kaum. Sie könnte sehr
schnell Realität werden, wenn der Gedanke der Regionalversorgung nicht
mehr trägt.
Die Regionalversorgung ist Anfang des
vorigen Jahrhunderts entstanden, gerade um den ländlichen Raum von der
Entwicklung in den Städten nicht abzukoppeln sondern ihm die gleichen
Entwicklungschancen einzu­räumen.
Gehen die leistungsstärkeren Kommunen jetzt aber eigene Wege, wäre dies
verheerend für den strukturungünstigeren ländlichen Raum oder die großen
kommunalen Energieversorger müssten ver­pflichtet werden auch die strukturschwächeren zu gleichen Konditionen zu versorgen. Davon ist aber nirgendwo die Rede.
202
Niemand wird bezweifeln wollen, dass
die Energieversorgung heute zu den
fundamentalen Grundlagen der Daseinsvorsorge in einer modernen
Dienstleistungs- und Produktionsgesellschaft zählt. Daraus folgt, dass
letztlich die öffentliche Hand einen entsprechenden Sicherstellungsauftrag zu
gewährleisten hat. Dieser Auftrag obliegt nicht den heutigen großen privaten Regionalversorgungsunternehmen.
Zwar wären sie gesetzlich gehalten
nach Auslaufen des Konzessionsvertrages, wenn kein anderes Konzessionsunternehmen folgt, noch ein weite-
res Jahr das Netz aufrecht­zuerhalten
und die Versorgung zu sichern, aber
danach fallt die Ver­pflichtung weg. Sie
können nicht gezwungen werden, auf
Dauer un­rentable Versorgung gewährleisten zu müssen.
Nun wird eingewandt werden können,
dieser Fall ist so abwegig, so rein theoretisch, er kann nicht eintreten. Diese
Einschätzung allerdings könnte sich als
fataler Irrtum herausstellen. Das Regionalversorgungsprinzip ist wie jedes
Solidarprinzip ein System mit guten
und schlechten Risiken, mit gewinnund verlustbringenden Merkmalen. Es
bricht zusammen und verliert für jeden
Betreiber die Grundlage, wenn sich die
gewinn­bringenden Teile verselbstständigen und damit dem allgemeinen Deckungsbeitrag entziehen. Und diese
Gefahr ist keineswegs irreal, wenn immer mehr Kommunen aus – aus ihrer
Sicht – nachvollziehbaren Gründen –
weil es sich für sie rechnet – beim Regionalversorger aus­steigen, ihm die
Konzession verweigern und andere
Wege beschreiten.
Wird aus einem einst tragfähigen und
leistungsstarken Regionalversorger mit
einem breit gefächerten zusammenhängenden Versorgungsgebiet ein lückenhafter Flickenteppich, ist dies wirtschaftlich nicht mehr vertretbar. Dann
gibt es nur zwei Alternativen. Die eine
ist schon beschrieben und hat zur Folge, der einstige Regionalversorger
steigt aus und bewirbt sich nicht um
weitere Konzessionen oder alternativ
die Strom- und Gasbezugs­kosten dort
im Restgebiet explodieren, weil die
Netzkosten erheblich steigen. Es müssten völlig neue Strukturen aufgebaut
werden. Die Synergievorteile würden
zerstört. Dass dies für die Kunden billiger werden würde ist abwegig, der
ländliche Raum bezahlt die Zeche.
Beides kann niemand wollen. Es ist
deshalb höchste Zeit, dass sich die Politik dieses Problems bewusst wird und
Lösungen sucht und findet. Viel Zeit
bleibt nicht, denn die Mehrheit der
Konzessionsverträge läuft in den
nächsten drei Jahren aus, dann sind
die Strukturen für die nächsten zwanzig
Jahre zementiert.
Aus der Beratungspraxis
Erhebung von Straßenausbaubeiträgen
Die Geschäftsstelle wurde gefragt, ob es zulässig ist, eine im Frühjahr 2008
beschlossene und rückwirkend zu Anfang 2005 in Kraft getretene Straßenausbaubeitragssatzung, wieder aufzuheben. Hierzu wurde folgende Stellungnahme abgegeben:
Die Grundsätze der Einnahmebeschaffung sind in § 83 Niedersächsische
Gemeindeordnung (NGO) geregelt. Nach Absatz 2 Satz 2 dieser Vorschrift
besteht eine Rechtspflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht.
Diese Regelung ist in den vergangenen Jahren mehrfach verändert worden.
Bis zum Ende des Jahres 2005 bestand keine Verpflichtung, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Mit dem Gesetz vom 15. November 2005 (Nds.
GVBl. S. 342) wurde damals diese Regelung gestrichen, sie ist aber inzwischen mit Gesetz vom 7. Dezember 2006 (Nds. GVBl. S. 575) wieder aufgenommen worden. Damit wurde die frühere Gesetzesfassung wieder hergestellt und eine kommunalrechtliche Verpflichtung zur Er­hebung von Straßenausbaubeiträgen besteht nicht.
Somit kann eine bestehende Ausbaubeitragssatzung auch ohne weitere
Voraussetzungen wieder aufgehoben werden. Ihre Beibehaltung kann ebenso wenig wie der Erlass durch die Kommunalaufsichtsbehörde er­zwungen
werden (vgl. Thiele, NGO-Kommentar, 8. Auflage, S. 331).
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings noch, dass – wenn
und solange eine Beitragssatzung besteht – die entstandenen Beiträge zu
erheben sind, d. h. auf sie kann im Voraus nicht verzichtet werden. Die
Nichterhebung von Beiträgen bei bestehender Satzung kann strafrechtlich
Untreue sein (vgl. Rosenzweig in NKAG-Kommentar, Rosenzweig/Freese,
§ 6 RdNr. 20 m.w.N.).
NST-N 10/2009
PLANUNG UND BAUEN
Lärmgeminderte Straßen im kommunalen
Straßenbau
Gemeinsame Informationsveranstaltung des Bauindustriever­bandes
und des Niedersächsischen Städtetages
Die Verringerung des Verkehrslärms
gehört seit vielen Jahren zu den vordringlichen Zielen der Politik und der
kommunalen Verwaltungen. Das Konjunkturpaket II ermöglicht nun den
Kommunen Investitionen genau in diesem Bereich.
Der Niedersächsische Städtetag hat
daher gemeinsam mit dem Bau­
industrieverband Niedersachsen-Bremen bei einer Veranstaltung am
15. September 2009 in Hannover die
Möglichkeiten hierzu aufgezeigt. Prof.
Dr. Rolf Warmbold vom Bauindustrieverband und Oberbürger­meister Heiner Pott, Vizepräsident des Niedersächsischen Städtetages, konnten
hierzu Fachleute aus kommunalen Tiefbauämtern, Straßenbau­unternehmen
und den Mischwerken begrüßen.
Prof. Warmbold unterstrich insbesondere den Rahmen der aufgezeigten Investitionsmöglichkeiten aufgrund der
gesetzlichen Vorgaben und der Grundgesetzänderung in Artikel 104b. Das
Niedersächsische Innen­ministerium
habe darauf hingewiesen, dass die Begründung für die Maß­nahmen die Zielsetzung Lärmschutz erkennen lassen
müsse. Dies sei z. B. beim Austausch
des Großsteinpflasters gegen Asphaltfahrbahndecken und einer Vorgabe der
Lärmminderung mit ungefährer Dezibelangabe gegeben. Ein anderer Ansatz sei die Sanierung lärmverursachender Fahrbahnteile wie Schachtdeckel und Straßenbahngleisplatten.
Oberbürgermeister Pott erklärte, dass
für die kommunalen Straßen insge­samt
ein erheblicher Sanierungs- und Investitionsbedarf bestehe. Die Mittel aus
dem Konjunkturpaket seien da nicht
viel mehr als ein Tropfen auf den heißen
Stein. Gleichwohl begrüßte er die Förderung und wies darauf hin, dass die
Fördermittel gerade für das Ziel der
Lärmminderung eine Reihe von wich-
tigen Straßensanierungsprojekten in
den Kommunen möglich mache.
Dr. Berthold Vogelsang, Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz, zeigte auf, wie Lärmschutz
durch Straßenbau erreicht werden kann.
Prof. Dr.-Ing. Michael P. Wistuba, Institut für Straßen­wesen, TU Braunschweig, berichtete über die wissenschaftliche Ent­wicklung von Asphaltdeckschichten zur Lärmminderung.
Dipl.-Geologe Malte Quakenack von
der Dr. Moll GmbH & Co. KG nannte
Maßnahmen zur Umsetzung von lärmtechnisch optimierten Bau­weisen und
verwies auf bereits in Deutschland realisierte lärmmindernde Asphaltdecken.
Der Vortrag von Dipl.-Ing. Lothar Drüschner, DEUTAG GmbH & Co. KG, verdeutlichte, dass Innovationen im Regelwerk den neuen Asphaltmischgutkonzepten zur Absenkung der Radimmissionen nicht entgegen­stehen.
von links: Prof. Dr. Rolf Warmbold, Dipl.-Geo. Malte Quakenack, Dipl.-Ing. Lothar Drüschner, Heiner Pott, Prof. Dr.-Ing. Michael P. Wistuba,
Dr. Berthold Vogelsang.
NST-N 10/2009
203
SCHULE, KULTUR UND SPORT
„Die Kunst zu fördern“
Die Stiftung Niedersachsen als Partner und Förderer der Kultur1
von Dr. Matthias Dreyer, Stiftung Niedersachsen
„Die Kunst zu fördern“ war das Leitmotiv des 20-jährigen Jubiläums der Stiftung Niedersachsen im Jahr 2007. Es
beschreibt sehr treffend die Herausforderungen, denen sich eine kulturfördernde Stiftung gegenübersieht. Mittel
für Kunst und Kultur verteilen zu können, ist ein Privileg – es ist zugleich aber
auch eine sehr anspruchs- und verantwortungsvolle Aufgabe. Der finanzielle
Rahmen ist nicht unbegrenzt. Die Ideen
und Bedürfnisse der kulturellen Einrichtungen und der Kulturschaffenden in
Niedersachsen übertreffen diesen bei
Weitem. Die richtige Auswahl zu treffen,
Prioritäten zu setzen und Qualität zu objektivieren, ist eine Kunst.
Die Stiftung Niedersachsen versteht
sich dabei nicht nur als „Mittelgeber“
oder „reiner Förderer“ – sie möchte
Partner sein für die Kunst und Kultur in
Niedersachsen. Der folgende Beitrag
stellt die Stiftung und ihre inhaltliche Arbeit vor. Einige wesentliche Eckdaten
seien vorangestellt:
• Die Stiftung Niedersachsen wurde
1986 als gemeinnützige Stiftung des
bürgerlichen Rechts errichtet – mit
dem Zweck, Kunst, Kultur, Bildung,
Wissenschaft und Forschung im Interesse des Gemeinwohls des Landes Niedersachsen zu fördern.
• Die Geschäftsstelle der Stiftung
steht mit ihren Erfahrungen und Kontakten den Projektträgern für Auskünfte und Beratung jederzeit zur
Verfügung. Das Team besteht im
Wesentlichen aus Generalsekretär
Joachim Werren, zwei Projektreferentinnen sowie einer kleinen administrativen Einheit.
• Im laufenden Geschäftsjahr 2009
wird die Stiftung Fördermittel von gut
4,5 bis fünf Millionen Euro für Kunst
und Kultur in Niedersachsen bereitstellen.
• In ihrem gut 20-jährigen Wirken hat
die Stiftung Niedersachsen knapp 65
Millionen Euro an Fördermitteln ausgeschüttet und insgesamt ca. 1.000
204
1 Überarbeitete Fassung eines Vortrags im Rahmen der Sitzung des Arbeitskreises der Niedersächsischen Kulturdezernentinnen und Kulturdezernenten am 5. Juni 2009 in Bramsche
Projekte unterschiedlicher Größenordnung unterstützt.
• Die Stiftung Niedersachsen ist eine
„richtige Stiftung“; das heißt, sie ist
mit Kapital ausgestattet. Das Stiftungsvermögen beläuft sich zurzeit
auf gut 53 Millionen Euro.
Die Erwirtschaftung von Erträgen aus
dem Stiftungskapital ist nicht immer ein
einfaches Unterfangen. Die Finanz- und
Wirtschaftskrise geht am Stiftungssektor nicht spurlos vorbei. Das drastisch
sinkende Zinsniveau und gefallene Unternehmerrenditen schmälern die Handlungsspielräume der Stiftungen in
Deutschland. Stiftungen müssen auf
den dauerhaften Erhalt ihres Kapitals
achten. Es kann nur so viel zur Verwirklichung des Stiftungszwecks eingesetzt
werden, wie sich aus den Finanzanlagen
erwirtschaften lässt – auch im Interesse
der Projektträger. Nur so ist zu gewährleisten, dass Stiftungen auf lange Sicht
die Substanz haben, zuverlässiger Partner für die Kunst und Kultur zu sein,
auch in wirtschaftlich schlechten Jahren
oder in Phasen, in denen die öffentliche
Hand ihre kulturellen Aufwendungen reduziert.
Neben Erträgen aus dem Vermögen stehen der Stiftung Zuwendungen vom
Land Niedersachsen aus der zweckgebunden zu verwendenden Glücksspielabgabe zur Verfügung. Diese ist geregelt im Niedersächsischen Glücksspielgesetz. Die Glücksspielabgabe spielt
eine zentrale Rolle bei der Neuordnung
der niedersächsischen Stiftungslandschaft zum 1. Januar 2009. Bis Ende
2008 gab es drei Kulturstiftungen, die
landesweit in Niedersachsen tätig waren: die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Niedersächsische Lottostiftung und die Stiftung Niedersachsen.
Die beiden zuletzt genannten Stiftungen
wurden vom Land errichtet. Neben der
Kulturförderung war die Niedersächsische Lottostiftung auch im Bereich Umwelt engagiert.
Zum 1. Januar 2009 ist eine Bündelung
der Landesstiftungen erfolgt („Drei-Säulen-Modell“). Die Stiftung Niedersachsen nimmt als einzige Landeskulturstiftung die Kulturförderung in Niedersach-
sen wahr; sie hat die Kulturförderung
der Niedersächsischen Lottostiftung
übertragen bekommen. Neben der Kultur gibt es eine Landesumweltstiftung
mit der Niedersächsischen Bingostiftung für Umwelt und Entwicklungszusammenarbeit sowie eine Landessportstiftung mit der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung.
Für die Stiftung Niedersachsen bedeutet diese Umstrukturierung eine deutliche Erhöhung ihres Fördervolumens
aber auch eine Erweiterung ihres Förderspektrums. Bis zur Neuordnung lag
beispielsweise die Unterstützung der
Freien Theaterszene – und auch zum
Teil der Soziokultur – fast ausschließlich
bei der Niedersächsischen Lottostiftung. Es gab faktisch eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Landesstiftungen.
Die Bereiche Freie Theater und Soziokultur werden nun von der Stiftung Niedersachsen gefördert. Zügig wurde der
Kontakt und die Zusammenarbeit mit
den relevanten Ansprechpartnern, wie
z. B. dem Landesverband der Freien
Theater oder der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur, gesucht. Anfängliche
Befürchtungen, dass die eher kleinteiligen Förderfelder von der Stiftung Niedersachsen vernachlässigt werden
könnten, scheinen ausgeräumt.
Dass die Stiftung Niedersachsen den
Anspruch der kleinteiligen Förderung
ernst nimmt, dokumentiert die Statistik:
bis Ende August 2009 wurden über 110
Projekte mit einem Antragsvolumen von
jeweils bis zu 10.000 Euro bewilligt. Die
Gesamtfördersumme bei diesen kleinteiligen Projekten beträgt bislang gut
670.000 Euro. Der größte Teil dieser Förderungen liegt im Bereich der freien
Theater.
Es ist ein Anliegen der Stiftung Niedersachsen, beim Übergang der Kulturförderung, den Kulturträgern Kontinuität
zu gewährleisten. Der Prozess ist noch
nicht vollständig abgeschlossen; es ist
aber ein guter Weg beschritten worden.
Das Bild der Stiftung Niedersachsen
wird geprägt durch die kulturellen Inhal-
NST-N 10/2009
SCHULE, KULTUR UND SPORT
te. Ihren Zweck verwirklicht sie operativ
– mit eigenen Programmen – und fördernd – indem Projekte Dritter unterstützt werden. Bei ihren Programmen
arbeitet die Stiftung mit Partnern vor Ort
an den verschiedenen Standorten zusammen.
Das größte Vorhaben der Stiftung ist
der Internationale Violin-Wettbewerb
Hannover, der alle drei Jahre stattfindet
und in 2009 vom 28. September bis
zum 10. Oktober zum siebten Mal veranstaltet wird. Er ist im internationalen
Vergleich der höchstdotierte Wettbewerb seiner Art. 35 der besten jungen
Violinisten aus aller Welt, die von einer
Jury ausgewählt wurden, stellen in Hannover ihr Können unter Beweis. Partner
bei der Durchführung des Wettbewerbs
sind die Hochschule für Musik und Theater Hannover, der Norddeutsche
Rundfunk und das Niedersächsische
Staatsorchester Hannover.
Der Internationale Violin-Wettbewerb
schließt weitere Programmteile ein, wie
z. B. das neue Format „Classic-Lounge“
in den Herrenhäuser Gärten, mit dem
eine neue junge Zielgruppe angesprochen wurde. Die Idee und das Konzept
waren erfolgreich. Es wurden jeweils ca.
200 junge Menschen erreicht, die im
Wesentlichen über das Internet angesprochen wurden. Mit „Zu Gast im Klassenzimmer“ wird die Klassik Schülern
aus ganz Niedersachsen näher gebracht. Es haben sich über 40 Schulen
mit gut 2.000 Schülern aller Schulformen für dieses Unterrichtsformat angemeldet. Der Wettbewerb bleibt aber
nicht nur in Hannover: Die Teilnehmer
und Preisträger des Wettbewerbs spielen in einer Konzertreihe „Zu Gast in Niedersachsen“ in acht verschiedenen
Städten des Landes. Der Wettbewerb
wird auf diese Weise wirksamer als bisher in die Fläche getragen.
Neben der Musik ist die Literatur ein
Schwerpunkt bei den Programmen der
Stiftung Niedersachsen. Im Literatur Labor Wolfenbüttel spricht die Stiftung mit
talentierten Schülerinnen und Schülern
den literarischen Nachwuchs an und
lädt sie nach Wolfenbüttel ein, wo sie
mit etablierten und erfolgreichen Schriftstellern individuell des eigene Talent zu
erkennen und zu entwickeln lernen. Mit
diesem Programm in Kooperation mit
der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel werden die Entwicklungsmöglichkeiten der „jüngsten Literaten“ gefördert.
NST-N 10/2009
Seit 1994 vergibt die Stiftung Niedersachsen den »SPECTRUM« – Internationaler Preis für Fotografie. Mit dem
Preis wird angestrebt, Niedersachsen
auf höchstem Niveau in den internationalen fotografischen Diskurs einzubinden. Es wird eng mit dem Sprengel-Museum Hannover zusammen gearbeitet.
Preisträgerin in 2008 war Helen Levitt
aus den USA. Seit kurzem steht der
neue Preisträger fest: Es ist der irakische Fotograf Bahman Jalili, dessen
Werk mit einer Ausstellung in 2011 im
Sprengel Museum Hannover vorgestellt
wird, die sicherlich auf großes öffentliches Interesses stoßen dürfte.
Zum Europa-Kolleg – ein weiteres Programm der Stiftung – werden seit sechs
Jahren 20 Schülerinnen und Schüler aus
deutschen Schulen im europäischen
Ausland und aus ausländischen Schulen mit deutschem Zweig für zwei Wochen nach Wolfenbüttel in die Herzog
August Bibliothek eingeladen. Die jungen Menschen sollen als Botschafter
für niedersächsische Städte und Regionen gewonnen werden. Sie arbeiten,
forschen und diskutieren gemeinsam
mit renommierten Wissenschaftlern zu
wichtigen Fragen Europas. Das Kolleg
setzte sich in 2009 beispielsweise mit
dem Einfluss der Religionen auf die
Staaten der EU auseinander.
Ein noch „junges“ Programm der Stiftung Niedersachsen sind im wahrsten
Sinne des Wortes die »COMMUNAUTEN«. Auf Initiative der Stiftung wurden
in Emden, Meppen, Oldenburg, Osnabrück und Papenburg in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kulturträgern
und Schulen vor Ort Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 9 und 18
Jahren zu Stadtführern – den »COMMUNAUTEN« – ausgebildet. Ziel des
Programms ist es, das Interesse an der
eigenen Stadt zu wecken und eine Auseinandersetzung über ihre Geschichte
und Gegenwart anzuregen. Das Programm wird in 2010 fortgesetzt.
Als Landeskulturstiftung versteht sich
die Stiftung Niedersachsen auch als
„Beförderer“ des privaten Engagements. Sie ist Treuhänderin von Unterstiftungen; per Geschäftsbesorgungsvertrag übernimmt sie das Management
von kleineren Stiftungen. Die Geschäftsstelle der Stiftung Niedersachsen bietet
ihre Erfahrung an, um privates, auf Gemeinwohl bezogenes Engagement zu
unterstützen. Sie kann Mitbürger oder
Institutionen anregen und beraten, Kapital für gemeinnützige Zwecke bereit-
zustellen. So zählt zu den treuhänderischen Stiftungen z. B. die Dürer-Sammlung der Konrad Liebmann-Stiftung, die
im Kunstgeschichtlichen Museum in
Osnabrück untergebracht ist. Per Geschäftsbesorgung betreut die Stiftung
Niedersachsen z. B. die Stiftung Kulturschatz Bauernhof in Cloppenburg.
Die zweite Säule der Arbeit der Stiftung
Niedersachsen ist die Projektförderung.
Bis 2008 wurden im Jahr durchschnittlich ca. 40 bis 50 Vorhaben bewilligt. Die
Fördersummen reichen von kleineren
Beträgen bis zu sechsstelligen Beträgen, wie z. B. für die Landesmusikakademie in Wolfenbüttel, das Portal zur
Geschichte in Bad Gandersheim oder
das Höhleninformationszentrum in Bad
Grund. Die Förderung verteilt sich auf
alle Landesteile Niedersachsens, wobei
die Stiftung – verankert in der Satzung
– eine besondere Verpflichtung im AltBezirk Weser-Ems hat.
Mit der Neuordnung der Stiftungslandschaft hat sich die Zahl der Anträge und
der Bewilligungen insbesondere durch
Projekte im kleinteiligen Bereich sehr
stark erhöht.
Was prägt die Fördertätigkeit
der Stiftung?
• Die Stiftung fördert die kulturellen
Schätze Niedersachsens. Die inhaltliche und künstlerische Qualität der
Projekte stehen dabei eindeutig an
erster Stelle; sie sind ausschlaggebende Bewertungsfaktoren.
• Als Landeskulturstiftung und europäische Regionalstiftung – mit Kunst
und Kultur in ganz Niedersachsen im
Blick – konzentriert sich die Förderung auf Vorhaben mit überörtlicher
Ausstrahlung und Wirkung.
• Zusammenarbeit und Vernetzung
zwischen den verschiedenen Projektpartnern finden besondere Berücksichtigung.
• Die Stiftung fördert Projekte, die
(neue) Wege der kulturellen Vermittlung und Teilhabe eröffnen und auch
ein bisher fernes Kulturpublikum ansprechen. Gerade die Bildung und
die Vermittlung gewinnen für den kulturellen Bereich angesichts der gesellschaftlichen und demografischen
Veränderungen an Gewicht.
• Die Projekte sollen nachhaltig wirken
und sich durch ihren exemplarischen
und innovativen Charakter, ein schlüssiges Konzept und eine professionelle Durchführung auszeichnen.
205
SCHULE, KULTUR UND SPORT
• Ein Schwerpunkt der Stiftung Niedersachsen ist das Engagement in
strukturellen Maßnamen, mit denen
die kulturelle Infrastruktur in den niedersächsischen Regionen dauerhaft
gestärkt und weiterentwickelt und
der Kulturstandort Niedersachsen
substanziell gefördert wird.
• Häufig stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach Folge- und
Betriebskosten. Die Stiftung sieht
grundsätzlich von institutionellen
Förderungen ab, um sich nicht den
Handlungsspielraum und die Flexibilität für spätere Förderungen zu beschneiden.
• Die Stiftung arbeitet – angesichts der
begrenzten Mittel und der hohen
Zahl an Anträgen – insbesondere bei
großen Vorhaben häufig mit Partnern
zusammen. Es werden Mischfinanzierungen praktiziert. Ein Beispiel
hierfür sind die Projektanträge, die
im Rahmen der EU-Förderung an die
Stiftung herangetragen werden.
Die Stiftung gibt durchaus eigene Impulse, kann aber nur ergänzend wirken.
Wie andere Kulturstiftungen kann sie
die öffentliche Kulturpolitik und Kulturfinanzierung nicht ersetzen. Die kulturelle Verantwortung der öffentlichen
Hand kann nicht von privaten Trägern
übernommen werden.
Einige exemplarische Projekte – ohne
Anspruch auf Repräsentativität – zeigen
das Spektrum der Tätigkeit der Stiftung
Niedersachsen.
Sie erwirbt z. B. Kulturgüter und stellt
sie in unterschiedlicher Form gemeinnützigen Einrichtungen zur Verfügung.
Eines der außergewöhnlichsten Projekte war der Ankauf des Music of ManArchives für die Hochschule für Musik
und Theater Hannover. Dies ist eine
Weltmusik-Sammlung mit 45.000
Schallplatten, 500 Musikinstrumenten
und über 8.000 Büchern. In Kooperation mit der Universität Hildesheim wird
ein Centre for Worldmusic eingerichtet
– mit dem Archiv als Nukleus.
Für das Wilhelm Busch Museum Hannover wurde 2008 die Sammlung/der
Nachlass F. K. Waechter erworben und
damit der Rang des Museums als das
Haus für Karikatur und kritische Grafik
in Deutschland unterstrichen.
206
Mit der Förderung des Ankaufs von Pokalen aus der Silberkammer der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg aus der
Sammlung von Yves Saint Laurent wird
Kulturgut für das Land Niedersachsen
gesichert und am Museumsstandort
Celle ausgestellt.
Kulturförderung ist immer zugleich auch
eine Investition in einen Standort. Das
gilt für die kommunale Ebene genauso
wie für die Landesperspektive. Ein Beispiel für eine strukturelle Förderung
durch die Stiftung, die nachhaltige kulturelle und auch wirtschaftliche Folgewirkungen für einen Standort hat, ist
Emden. Mit
• der Kunsthalle Emden, Stiftung
Henri und Eske Nannen,
• dem Ostfriesischen Landes­
museum und der Rüstkammer,
• der Stiftung Johannes a Lasco
Bibliothek und
• der geplanten Erschließung und
Restaurierung der Neuen Kirche
hat Emden ein überregional und national
bekanntes kulturelles Profil erhalten. Die
Stiftung Niedersachsen hat hierzu wesentliche, auch finanzielle, Impulse gegeben. Sie ist selbstverständlich nicht
allein für den Ausbau dieser Institutionen verantwortlich. Maßnahmen in diesem Umfang setzen – wie bereits beschrieben – das Zusammenwirken und
das Engagement von verschiedenen
Akteuren und der lokalen Politik voraus.
Es ist auch manchmal ein etwas längerer Atem erforderlich. Die Stiftung hat
die genannten Einrichtungen mit über
vier Millionen Euro gefördert. Die Gesamtinvestitionen betrugen rund 25 Millionen Euro.
Die gezielte strukturelle Förderung hat
sich für den Standort – nicht nur in kultureller Hinsicht – gelohnt; die Stiftung
hat hierzu die wesentlichen Eckwerte recherchiert: die Besuchszahlen der Einrichtungen stiegen von 137.000 in fünf
Jahren auf 216.000 im Jahr 2006. Die
Übernachtungszahlen sind in den letzten
zehn Jahren um ca. 10 bis 20 Prozent
auf knapp 100.000 gestiegen. Neben
den Eintrittsgeldern von ca. 700.000
Euro p. a. geben die Besucher nochmals
ca. fünf Millionen Euro in der Gastronomie oder im Handel in Emden aus.
Die durch Kontinuität geprägte Zusammenarbeit zwischen einer Kommune
und der Stiftung hat sich in einer deutlichen kulturellen Aufwertung Emdens
manifestiert. Die Stiftung Niedersachsen war hierbei nicht nur Mittelgeber,
sondern stand auch als Berater und
Multiplikator zur Seite.
Es sind aber nicht nur die großen Projekte und Förderungen, die das kultu-
relle Leben Niedersachsens ausmachen. Gerade die Vielzahl an kleinteiligen Projekten in der Fläche prägt die
kulturelle Vielfalt und das kulturelle
Image unseres Landes. Diese Vorhaben
sind wichtig für die Menschen vor Ort.
Die Stiftung ermöglicht mit der Förderung der kleineren Projekte neue, innovative Vorhaben; es ließen sich etliche
Beispiele aufzählen.
Mit Musikland Niedersachsen sei abschließend ein Vorhaben vorgestellt,
das nicht nur von übergeordnetem Landesinteresse ist, sondern auch für die
Musikschaffenden vor Ort einen hohen
Nutzen hat.
Musikland Niedersachsen ist ein Gemeinschaftsvorhaben des Landes Niedersachsen, der Niedersächsischen
Sparkassenstiftung und der Stiftung
Niedersachsen. Organisatorisch ist dieses Projekt bei der Stiftung Niedersachsen angesiedelt. Ziele von Musikland
Niedersachsen sind im Wesentlichen
• die bessere Vernetzung der Akteure
des musikalischen Sektors in Niedersachsen,
• die Verbesserung und Stärkung der
Musikvermittlung und
• die Schaffung einer Marke „Musikland Niedersachsen“ zur besseren
nationalen und internationalen Wahr­
nehmung der niedersächsischen Angebote.
Seit Mai 2008 ist die Geschäftsstelle
vom Musikland Niedersachsen aktiv.
Das flächendeckende Angebot an Kunst
und Kultur in Niedersachsen ist eine besondere Herausforderung für alle Kulturförderer. Die Stiftung Niedersachsen
leistet ihren Beitrag, um es zu pflegen
und weiterzuentwickeln; sie wird weiterhin ein zuverlässiger Partner sein –
auch für die Kommunen in unserem
Land. Kultur zu ermöglichen, sie zu fördern, wird dabei stets eine Kunst bleiben.
Weitere Informationen unter:
Stiftung Niedersachsen:
www.stnds.de
Internationaler Violin-Wettbewerb
Hannover:
www.violin-wettbewerb.de
Musikland Niedersachsen:
www.musikland-niedersachsen.de
Zum Programm »COMMUNAUTEN«
der Stiftung Niedersachsen ist ein
Handbuch erschienen, das die einzelnen Projekte beispielhaft vorstellt. Es ist
zu beziehen über [email protected].
NST-N 10/2009
SCHULE, KULTUR UND SPORT
Schüler, digitale Medien, große Politik
n-21: Schulen in Niedersachsen online e.V.
von Harald Einecke,
Geschäftsführer n-21: Schulen in Niedersachsen Online e.V.
Für die Schüler der n-21-Online-Redaktion ist die Berichterstattung live
von der 16. Städte­versammlung in
Bad Pyrmont am 21./22. Oktober
2009 ein großes und interessantes
Erlebnis.
Seit fünf Jahren können Schülergruppen als Online-Redakteure live aus
dem Niedersächsischen Landtag, von
großen Sportereignissen oder von
Stadt- und Schulfesten berichten.
„Das Projekt von n-21: Schulen in Niedersachsen online e. V. baut nicht nur
eine Brücke zwischen jungen Menschen, Politik und Gesellschaft, sondern nutzt auch digitale Medien wie
Notebook und Podcast, um Be­richte
und Interviews direkt ins Internet zu
stellen“, erklärt der Geschäfts­führer
des Vereins n-21, Harald Einecke.
Damit die Nachwuchsjournalisten auch
gut vorbereitet sind, bekommen sie im
Vorfeld eine Checkliste, die ihnen dabei
hilft, ihre Interviews, Be­richte und Recherchen wie ein Profi anzugehen. Nur
wer hartnäckig seine Themen bearbeitet, wird auch hinterher ein zufriedenstellendes Ergebnis abliefern können.
Natürlich muss auch die technische
Umsetzung, also die multimediale Aufbereitung der Inhalte für den Webauftritt, gelernt werden. So sind Fachbegriffe wie Hypertext und Screendesign
schon bald keine Fremd­worte mehr.
Die Wahl der Textfarbe, das Abspeichern von Fotos, die Festlegung der
Spaltenbreite, das Einbinden von Logos – all das bereitet den Schülern
nach einer kurzen Eingewöhnungsphase schon bald keine Probleme mehr.
Die Jugendlichen sollen lernen, dass
Computer nicht nur zum Chatten oder
Spielen da sind, sondern auch als
Werkzeug für anspruchsvolle Tätigkeiten. Sie werden mit dem Medium Internet vertraut gemacht und erfahren
gleichzeitig, wie es ist, verantwortungsvolle Aufgaben zu über­nehmen.
Funkvernetzte Notebooks, Internetzugang, Digitalkameras, Mikrofone und
NST-N 10/2009
Aufnahmegeräte werden den Schülern
gestellt, natürlich kann aber auch jeder
sein eigenes Equipment zur Hand nehmen. Wichtig ist, dass die Teilnehmer
durch Kreativität und Begeisterung für
Impulse sorgen, nicht nur nach außen,
sondern auch für sich persönlich.
„Wir möchten den Spürsinn für Recherche wecken und die Lust am Lernen
fördern: Interviews mit dem Ministerpräsidenten Christian Wulff MdL, der
Landtagsvizepräsidentin Astrid Vockert MdL, dem Präsidenten des Niedersächsischen Städtetages Ulrich
Mägde und die Veröffentlichung dieser
Beiträge im Internet tragen dazu bei,
Medienkompetenz, soziale und sprachliche Kompetenzen zu erweitern“,
macht Einecke deutlich. „Ich bin überzeugt, dass das für die Mitglieder der
Online- oder Schulinternetradio- Redaktionen die beste Form der politischen Bildung ist“, ergänzt der Geschäftsführer des Vereins n-21.
Ziele der n-21 Partnerschaft von Wirtschaft, Politik und kommunalen Spitzenverbänden sind die Verbesserung
der IT-Ausstattung der Schulen, die Bereitstellung von Unterrichtskonzepten
und die Förderung der Lehrerfortbildung. Medienkonzepte der Schulen
sollen diese einzelnen Aufgabenstellungen in ein Konzept zur Förderung
der IT- und Medien­kompetenz zusammenfassen.
Niedersachsen ist nicht erst nach Bereitstellung von über 40 Millionen Euro
für das Mobile Lernen aus dem Konjunkturpaket II bundesweit Spitzenreiter bei der Integration der digitalen Medien im Unterricht durch Laptopklassen. Der Name „mobiles lernen-21:
Notebooks für Nieder­sachsen“ ist Programm. Aufbauend auf dieses Ausstattungsprogramm gibt es seit 2003 Fördermittel des Landes für Systembetreuung der IT-Ausstattung für Schulen.
Das Gesamtvolumen von zehn Millionen Euro jährlich wird zu 50 Prozent
vom Land Niedersachsen als Träger
der inneren Schulangelegenheiten und
zu 50 Prozent von den Schulträgern als
Träger der äußeren Schulangelegenheiten zur Verfügung gestellt.
Warum digitales Lernen?
Digitales Lernen ist ein zentrales Element des Lernens im 21. Jahr­hundert.
207
SCHULE, KULTUR UND SPORT
Schüler wachsen bereits jetzt ganz
selbstverständlich in einer Netzwelt
auf; in den Schulen hat diese Netzwelt
aber noch nicht überall Einzug gehalten. Dabei ist in der Arbeitswelt von
heute digitales Arbeiten die neue vierte Kulturtechnik, die verbunden mit einer hohen Selbst­ständigkeit der Mitarbeiter und der fortlaufenden Arbeit in
Teams selbst­verständlich in allen Berufen verlangt wird. Die neue Arbeitswelt ist auf Menschen angewiesen, die
selbst denken, kreativ sind, Probleme
lösen und eigene Vorstellungen haben.
Der Maschinenarbeiter, der An­wei­
sungen nur noch durchführt, ist nicht
mehr gefragt.
Und in der Schule?
Hier gilt es eine neue Lehr- und Lernkultur zu schaffen. Digitales Lernen
meint daher nicht den Ersatz des bisherigen lehrergestützten Frontalunter­
richts durch Frontalunterricht mit Power­
point und Laptop oder die Nutzung von
Lernplattformen als Dateiablage. Digitales Lernen meint stattdessen ein Lernen, das nicht mehr an bestimmte Lernzeiten und den Ort Schule gebunden
ist, stattdessen durch Nutzung des
Webs jederzeit und von jedem Ort aus
stattfindet. Zeitgleich geht es um neue
Unterrichtsformen mit hoher Eigenaktivität der Lernenden, einen hohen Grad
an Teamarbeit mit zugleich zeitgemäßen
Arbeitsmitteln. Teamarbeit mit Notebook, Kommunikation mit Mitschülern
und Lehrern auf Lernplattformen oder
Dokumentationen der Lernergebnisse,
individuelle auf den unter­schied­lichen
Leistungsstand ausgerichtete Übungen
im Unterricht an der Schule oder außerhalb haben das Potenzial, eine am
Schüler und seinen individuellen Fortschritten orientierte Schule des 21. Jahrhunderts zu schaffen.
Zur Finanzierung setzen n-21 und die
Niedersächsische Landesregierung
u. a. auf das Prinzip des Bildungssponsorings. Mit Unterstützung von Unternehmen, Verbänden, Banken und
Sparkassen werden viele der genannten Projekte in den Schulen Niedersachsens zeitnah realisiert. Es entstehen über das Sponsoring hinaus zwischen Schulen, Eltern und Sponsoren
echte Partnerschaften, von denen alle
Seiten profitieren.
Alle Beteiligten sind sich bewusst, dass
es in ihrem eigenen Interesse liegt, die
Qualität der Schulausbildung durch
Einsatz digitaler Medien zu optimieren,
um den Herausforderungen der Wissensgesellschaft ge­wachsen zu sein.
Auch die starke Zunahme bei der Vernetzung von Schulen mit ihren Außenstellen oder mit anderen Schulen und
Schul­trägern zeigt in die richtige Richtung zur Optimierung der Kommunikationswege. Ziel ist es, auch alle Kindergärten in Nieder­sachsen in diese Kommunikationsstruktur einzubinden.
PERSONALIEN
Karin Jabs-Kiesler, Bürgermeisterin
Lothar Koch, MdL, Träger des Bundesder Stadt Osnabrück konnte am 1. Okverdienstkreuzes, Ehrenbürgermeister
tober 2009 ihr 70. Lebensjahr vollender Stadt Duderstadt, vollendete am 27.
den.
September 2009 sein 70. Lebensjahr.
Bereits seit mehr als 36 Jahren ist er in
Der Geschäftsführer des Sparkassenherausragender Weise als Ratsmitglied
verband Niedersachsen Günter Disund zugleich als stv. Bürgermeister und
telrath wurde am 5. Oktober 2009
Ortsbürgermeister in der Kommunal­
60 Jahre alt.
politik tätig. Seit 1994 gehört Lothar
Koch dem Niedersächsischen Landtag
Der Bundestagsabgeordnete Georg
an
und ist amtierender
Alterspräsident
Schirmbeck
MdB aus dem Landkreis
AZ-45X45
:. 25.01.2008
10:32
Uhr
des Landesparlaments.
Osnabrück konnte am 6. Oktober 2009
seinen 60. Geburtstag feiern.
tschland.de
www.plan-deu
208
Öffne deine
Augen für
meine Welt.
Werde
Pate!
Am 20. Oktober 2009 konnte die Landtagsabgeordnete Karin Stief-Kreihe
MdL aus der Stadt Meppen ihren 60.
Geburtstag feiern.
Sein 50. Lebensjahr vollendet am
22. Oktober 2009 der Geschäftsführer
des Niedersächsischen Landkreistages Dr. Hubert Meyer.
Die Stadt Wunstorf ehrte in der Ratssitzung vom 23. September 2009 den
Ratsherrn Johannes Grobelny für seine 25jährige ehrenamtliche Tätigkeit.
Bürgermeister Rolf-Axel Eberhardt
überreichte im Namen des Verbandes
die Ehrenurkunden des Niedersächsischen Städtetages.
Jürgen Badur, Bürgermeister der
Stadt Buxtehude wird am 15. November 2009 sein 60. Lebensjahr vollenden.
Der Europaabgeordnete Sven Giegold
MdEP aus Dörverden wird am 17. November 2009 seinen 40. Geburtstag
feiern können.
Sein 60. Lebensjahr vollendet am
21. No­vember 2009 der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend Dr. Hermann Kues
MdB.
Der Bürgermeister der Stadt Twistringen Karl Meyer wird am 23. November
2009 60 Jahre alt.
Ebenfalls 60 Jahre alt wird am 28. November 2009 der Erste Stadtrat der
Stadt Göttingen Hans-Peter Suermann.
NST-N 10/2009
JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT
„Integration in den Städten, Gemeinden und Samtgemeinden“ – die­se Überschrift steht für eine Artikelserie aus der kommunalen Praxis.
In loser Folge stellen Mitgliedskommunen des Städtetages konkrete Maßnahmen vor, mit denen sie sich um
die Förderung der Integration vor Ort bemühen. Die
Geschäftsstelle freut sich über Aufsätze aus der
Mitglied­schaft. Der erste solche Aufsatz wurde uns
von der Mitgliedsgemeinde Stuhr zur Verfügung gestellt.
Fördergruppen in den kommunalen
Kindertagesstätten der Gemeinde Stuhr
Ein erfolgreiches Konzept zur Integration von Kindern
mit Migrations­hintergrund
von Heide Berwing und Detlev Gellert
Die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund kann nicht früh genug
beginnen. Diese Aussage dürfte wohl
unbestritten sein. Aber mit welchen Mitteln, Methoden und Ressourcen dieses
Unterfangen erfolgreich gestaltet werden kann, darüber gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen. Der frühzeitige Erwerb der deutschen Sprache
ist sicher ein wesentlicher Bereich, der
in der frühen Bildung von Kindern mit
Migrationshintergrund eine wichtige
Rolle spielt. Kinder lernen aber Sprache
nicht nur in der Sprechsituation, sondern vor allem im Handeln, im Erkunden
und Entdecken, im Spiel mit anderen
Kindern und am Sprachvorbild der Erwachsenen. Erfolgreiche Sprachförderung, und über die Sprachförderung
erfolgreiche Integration, darf also nicht
nur isolierte Sprechsituationen umfas-
sen, in denen Sprache gelehrt wird,
sondern muss im Alltag des Kindes
ganzheitlich langfristig implementiert
sein. Nur so kann die fremde Sprache
für das Kind an Bedeutung gewinnen
und zum geschätzten Kontakt- und
Kommunikationsmittel werden. Nur so
wird es über einen langen Zeitraum Motive entwickeln, die über die Aneignung
der Sprache auch zu einer sozialen Integration führen.
Einrichtung von Fördergruppen
in der Gemeinde Stuhr
Bereits im Kindergartenjahr 1998/99
wurden in der Gemeinde Stuhr in der
kommunalen Kindertagesstätte Brinkum / Meyerstraße Fördergruppen eingerichtet. Zu diesem Zeitpunkt war in
der Kindertagesstätte ein Anteil von 30
Prozent Kindern mit Migrationshinter-
grund vorhanden. Im Sinne von § 7
Abs. 2 Satz 3 (KiTaG) stellte die Gemeinde Stuhr als Träger der Kindertagesstätte fest, dass in diesen Gruppen
ein besonderer Förderbedarf durch eine
vermehrte Anzahl von Kindern ausländischer Herkunft und Kindern aus besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen vorhanden war.
Das Besondere der Fördergruppen ist
– neben einem spezifischen Betreu­
ungs­schlüssel und zusätzlichem Personal – die Ausrichtung ihrer Arbeit auf
die ganze Lebenssituation der Kinder
und ihrer Eltern und eine Förderung in
der gesamten Kindergartenzeit des Kindes, und nicht nur mit begrenzter Stundenanzahl im letzten Kindergartenjahr.
Das Konzept der Fördergruppen wurde
von der Kindergartenleitung Brinkum
Meyerstraße und der Fachbe­ratung der
kommunalen Kindergärten der Gemeinde Stuhr entwickelt. Im Laufe der Zeit
wurde es von Kindergartenleitung und
Förderkräften fortgeschrieben.
Vor der Einrichtung der Fördergruppen
musste ein großer Teil der Förderkinder
im Einzugsbereich der Kindertagesstätte Brinkum / Meyerstraße nach Beendigung der Kindergartenzeit wegen
mangelnder Schulreife den Schulkindergarten besuchen. Für einige dieser
Kinder stellte selbst der Schulkindergarten eine zu hohe Anforderung dar.
Zusätzlich kam es zu starken Spannungen zwischen den Eltern. Wegen der
vielen ausländischen Kinder hatten die
deutschen Eltern die Befürchtung, dass
ihre Kinder nicht mehr gut betreut und
gefördert werden. Diese Situation war
der Integration der Kinder mit Migrationshintergrund äußerst abträglich und
machte eine schnelle und nachhaltige
Lösung erforderlich.
NST-N 10/2009
209
JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT
Zur Lebenssituation der Förder­
kinder und ihrer Familien
Der größte Teil der Förderkinder kommt
aus Familien mit Migrationshinter­
grund. Herkunftsländer sind Syrien, Albanien, Libanon, Kosovo, Polen, Türkei
und Russland. In diesen Familien wird
in der Regel die Muttersprache gesprochen. Kontakte gibt es oft nur zu Familien desselben Herkunftslandes, selten zu deutschen Familien oder dem
deutsch sprechenden Umfeld. Daher
haben die Kinder oft bis zur Einschulung nur im Kindergarten die Möglichkeit, deutsch zu lernen. Etwa 20 Prozent der Förderkinder kommen aus
besonders benachteiligten Familien
deutscher Herkunft.
Interkultureller Ansatz
Die Fördergruppen haben angesichts
der vielfältigen sprachlichen und kul-
Kinder- und jugendfreundliche Stadt:
Visionen und
Anstrengungen
Kinder- und Jugendfreundlichkeit sind Standortfaktoren für junge Familien
und Fachkräfte. Daher verankern viele Gemeinden und Städte im Wettbewerb um Unter­nehmen und kluge Köpfe Themen einer kinder- und jugendfreundlichen Stadtentwicklung in Leitbildern und lokalen Projekten. Es geht
unter anderem um Dienstleistungen und Angebote für Kin­der, Jugendliche
und Familien, um die Gestaltung des Lebensraums Stadt und Gemeinde
sowie um Fragen der Mobilität.
Verwaltungen stehen vor der Aufgabe, die Beschlüsse im Zusammenwirken
der unterschiedlichen Interessen der Fachressorts umzusetzen. Das Deutsche Institut für Urbanistik führt am 26. und 27. November 2009 in Berlin
ein Seminar durch, in dem Erfahrungen mit Instrumenten, Verfahren und
den Umsetzungsstrukturen kinder- und jugendfreundlicher Maßnahmen
und Strategien sowie die Qualitäten kinder- und jugendfreundlicher Stadtgestaltung diskutiert werden. Dabei wird auch der Zusammenhang von
Beteiligungs- und Bildungsangeboten erörtert, als eine Möglichkeit Kindern
und Jugendlichen das Rüstzeug zu vermitteln, mit dessen Hilfe sie aktiv
an Planungsprozessen mitwirken können.
Im Mittelpunkt des Seminars steht der Erfahrungsaustausch zu folgenden
Fragen:
• Welche Wege und Instrumente zur Umsetzung kinder- und jugendfreund­
licher Planung gibt es?
• Wie können Aspekte kinder- und jugendfreundlicher Planung im alltäg­
lichen Verwal­tungshandeln und in Planungsprozessen verankert werden?
• Welchen Beitrag kann kinder- und jugendfreundliche Stadtplanung zur
Lösung von sozia­len Problemen (wie Kinderarmut) leisten?
• Welche Beteiligungsstrategien gibt es, um Jugendliche stärker als bisher
zu erreichen?
• Was ist kinder- und jugendfreundliche Stadtgestaltung?
• Warum sind baukulturelle Bildungsangebote und Mobilitätserziehung
für Kinder und Ju­gendliche sinnvoll?
Die Veranstaltung richtet sich an Dezernentinnen und Dezernenten, Führungs- und Fachpersonal aus Stadtentwicklungs-, Stadt- und Verkehrsplanungs-, Sozial-, Jugend- und Umweltämtern sowie an Ratsmitglieder.
Weitere Informationen, detailliertes Seminarprogramm/Kontakt, Kosten und
Anmeldung:
210
http://www.difu.de/seminare/difu-seminare-anzeige.php?id=1925
turellen Hintergründe der betreuten
Kinder eine anspruchsvolle Integrations­
aufgabe. Ziel der pädagogischen Arbeit ist es, ein gemeinsames Leben und
Lernen von deutschen Kindern und
Kindern anderer Nationalitäten zu ermöglichen. Die Kinder sollen befähigt
werden, sich im Alltag zu orientieren,
sich mit der sozialen Realität auseinander zu setzen und die gesellschaftlichen Angebote gleichberechtigt wahrzunehmen. Wir wollen das Miteinander
aller Kinder fördern, indem wir die Gemeinsamkeiten betonen und zum Aus­
gangs­punkt unseres pädagogischen
Handelns machen. Gleichzeitig sollen
aber auch die jeweiligen kulturellen Eigenständigkeiten erkannt und akzeptiert werden.
Um Kinder zu befähigen, ihre gegenwärtigen und zukünftigen Lebens­
situationen bewältigen zu können, ist
es notwendig, an den aktuellen Lebenssituationen und Alltagserfahrungen, den Bedürfnissen und Interessen
der Kinder anzusetzen. Dies versuchen
wir z. B. bei der Projektplanung, Materialauswahl und der Raumgestaltung
zu berücksichtigen.
Sprachförderung
in den Fördergruppen
Bei der Unterstützung des Spracherwerbs und der Sprachförderung ist es
uns wichtig, dass die Kinder in ihrer
Herkunftssprache respektiert und bestätigt werden. Mit der Erstsprache
werden dem Kind Werte, Normen und
Regeln vermittelt, die Ausdruck seines
kulturellen Hintergrundes sind. Darüber
hinaus hat sich gezeigt, dass eine gut
ausgebildete Erstsprache eine wichtige
Grundlage zum Erwerb der Zweitsprache Deutsch ist.
Rahmenbedingungen
der Fördergruppen
Die Fördergruppen werden als Halbtagsgruppen im Vor- oder Nachmittag
geführt. In diesen Gruppen können
zwischen 20 und 22 Kinder aufgenommen werden, davon höchstens fünf
Kinder mit Förderbedarf. Die Kinder
werden von zwei sozialpädagogischen
Fachkräften betreut, denen jeweils wöchentlich zusätzlich 0,5 Stunden für
Teambesprechungen zur Verfügung
stehen. Ergänzend zum Gruppenpersonal arbeiten zwei heilpädagogische
Fachkräfte mit je 31,5 Wochenstunden
in den Fördergruppen. Jede Förderkraft betreut drei Gruppen und steht
NST-N 10/2009
JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT
daher jeder Gruppe wöchentlich mit
10,5 Stunden zur Verfügung.
Die Einrichtung der Fördergruppen
wurde lange Zeit von dritter Seite nicht
gefördert. Die zusätzlich erforderlichen
Mittel wurden von der Gemeinde Stuhr
bereitgestellt. Erst im Rahmen des
Sprachförderprogramms des Landes
Niedersachsen wird ein Teil der zusätzlichen Personalkosten gefördert. Die
Reduzierung der Platzzahl in den Gruppen erfolgt nach wie vor freiwillig.
Sprachförderung im
Kindertagesstätten-Alltag
Durch die Reduzierung der Gruppenstärke und den zusätzlichen Einsatz
einer heilpädagogischen Fachkraft ist
es möglich, individueller auf die Bedürfnisse der Förderkinder einzugehen.
Um die Kinder beim Erwerb der Zweitsprache zu unterstützen, werden alltägliche und wiederkehrende Situationen für einen Dialog genutzt. Das Anziehen vor dem Spiel auf dem Außengelände, Essenssituationen, Dialoge
beim Spielen oder bei Angeboten bieten den Kindern die Möglichkeit, sich
am sprachlichen Vorbild der Erzieherin
zu orientieren und damit erste Fähigkeiten im Deutschen zu erwerben. Der
Alltag in der Gruppe wird so „sprachfreundlich“ und so „sprechanregend“
wie möglich gestaltet. Da Kinder Sprache über die Orientierung an Sprachvorbildern und in Handlungszusammenhängen erwerben, ist es wichtig,
den Zusammenhang von Handeln und
Sprechen, von Erfahrung und Begriff
immer wieder zu berücksichtigen und
zu betonen.
Sprachförderung durch die
heilpädagogische Fachkraft
Aufgabe der heilpädagogischen Fachkraft ist die kontinuierliche individuelle
Förderung der Migrantenkinder und
der Kinder aus besonders benachteiligten Familien. Dabei gilt es, die Kinder
positiv in ihren Möglichkeiten zu unterstützen und Störungen frühzeitig durch
ein gezieltes Förderangebot zu begegnen bzw. ihnen vorzubeugen. Die Angebote aus den Bereichen Sprache,
Motorik, Wahrnehmung, Kognition und
Konzentrationsfähigkeit werden so aufbereitet, dass die Kinder nicht einseitig,
sondern ganzheitlich gefördert werden.
Durch gezielte Beobachtungen stellt
die Förderkraft fest, welche Sprachkompetenzen beim Kind vorhanden
sind und auf welche Ressourcen zur
NST-N 10/2009
Sprachförderung in der Familie zurückgegriffen werden kann. Zur Feststellung der Sprach­kompetenzen von Migrantenkindern setzen die Förderkräfte den Be­obachtungsbogen „sismik“
(Sprachverhalten und Interesse bei
Migranten­kindern in Kindertageseinrichtungen) ein. Diese differenzierten
Beobachtungen bilden die Grundlage
für die Planung einer strukturierten und
systematischen Sprachförderung. Die
Förderangebote werden dann an dem
Lernbedarf des jeweiligen Kindes (z. B.
Wortschatzerweiterung, Sprachverständnis, grammatisches Wissen) ausgerichtet. Die Förderung findet in Kleingruppen oder in der Gesamtgruppe
statt. Die Zusammensetzung der Kleingruppen richtet sich nach dem jeweiligen Förderangebot. Sie können multikulturell zusammengesetzt sein, können aber auch nur aus Kindern einer
Herkunfts­sprache bestehen.
Zusammenarbeit mit den Eltern
Ein wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit mit den Kindern ist die
Zu­sammenarbeit mit den Eltern. Kenntnisse über die Situation der Familie,
über Erziehungsvorstellungen und Erziehungsstile sind die Voraussetzung
für eine Arbeit, die sich an den Lebenssituationen und Bedürfnissen der Kinder orientieren will und Erziehung als
eine gemeinsame Aufgabe von Kinder­
tages­stätte und Familie versteht. Die
Eltern sollen darin unterstützt werden,
sich an der Arbeit in der Einrichtung zu
beteiligen. Voraussetzung für eine Mitwirkung ist, dass Eltern sich anerkannt
und akzeptiert fühlen.
In der Arbeit in der Kindertagesstätte
ist allerdings vielfach zu beobachten,
dass sich die drei Gruppen zugewanderte Familien, deutsche sozial benachteiligte Familien und sonstige
deutsche Eltern ohne offensichtliche
Probleme voneinander abgrenzen. Da
sich negative Einstellungen und Vorurteile von Eltern auch auf die Arbeit mit
den Kindern und deren Beziehungen
untereinander auswirken, stellt sich in
der Förderarbeit im besonderen Maße
die Aufgabe, bestehende Barrieren
zwischen den Eltern abzubauen.
Die Gruppenkräfte und die jeweilige
Förderkraft planen Elternaktivitäten gemeinsam (z. B. Elternabende, Gruppenfeste). Dabei gilt es, die inhaltliche
und organisatorische Gestaltung auf
die vielschichtige Elternschaft abzu­
stimmen (z. B. einfache, klare Darstellung, Einsatz von Bildmaterial, Kontaktaufnahme ermöglichen, bei bestimmten Themen für Übersetzung sorgen).
Aufgabe der Förderkraft ist außerdem
eine kontinuierliche Begleitung der Eltern mit Migrationshintergrund und der
sozial benachteiligten Eltern: Vom Aufnahmegespräch bei Kindergarteneintritt, über regelmäßige Elterngespräche, eventuelle Kriseninterventionsgespräche und Hausbesuche bis zum
Abschlussgespräch kurz vor der Einschulung. Bei der Aufnahme von Kindern machen wir gute Erfahrungen mit
dem Einsatz des Aufnahmebogens aus
der Arbeitsmappe „Wir verstehen uns
gut“ (Elke Schlösser/Ökotopia Verlag).
Mit Hilfe des Aufnahmebogens können
Missverständnisse, die aus Unkenntnis
über individuelle Ausgangspositionen
erwachsen, eingegrenzt werden. Für
Eltern mit Migrationshintergrund und
Eltern mit geringem Bildungsniveau
werden schriftliche Informationen gesondert aufbereitet. Wir setzen aber
verstärkt auf die mündliche Kommunikation, da einige Fördereltern nicht lesen und schreiben können.
Zusammenarbeit mit anderen
Institutionen
Fast alle Familien aus besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen
benötigen zusätzlich zu unserem Beratungs- und Unterstützungsangebot
spezifische Hilfen. Durch eine intensive
Zusammenarbeit mit zahlreichen Einrichtungen (Frühförderung, Kinderzentrum, Sozialdienst, Familienhelfern,
Kinderärzten, ortsansässigen Therapeuten) ist es möglich, spezifische Hilfen zunächst zu initiieren und dann eine
regelmäßige Nutzung des Hilfs- oder
Therapieangebotes sicherzustellen.
Zusammenarbeit
mit der Grundschule
Für die Fördergruppenarbeit ist ein
Austausch zwischen Kindertagesstätte und Grundschule besonders wichtig.
Die Förderkräfte begleiten und unterstützen die Förderkinder und ihre Eltern
von der Schulanmeldung bis zur Einschulung. Wurden die Kinder zwei oder
drei Jahre in unseren Fördergruppen
betreut, er­geben Kindergartenuntersuchung und Sprachstandsfeststellung
in der Regel, dass keine vorschulische
Sprachförderung durch die Schule notwendig ist. Seit Einführung dieser Maßnahme wurde aber trotzdem jedes Jahr
211
JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT
eine Gruppe von fünf bis sechs Kindern
gebildet. Hierfür werden Migrantenkinder ausgewählt, die erst kurze Zeit den
Kindergarten besuchen, oder Kinder
die aufgrund fehlender Anregung und
Unterstützung durch die Eltern noch
zusätzlich gefördert werden sollen. Die
Förderung dieser Kinder findet in enger
Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätte und Grundschule in den für
die Kinder vertrauten Räumen der Kindertagesstätte statt.
Schlussbemerkung
Durch die praktische Umsetzung des
beschriebenen Fördergruppenkonzeptes können die wesentlichen Ziele, die
1998 mit der Einrichtung von Fördergruppen verfolgt wurden, erreicht werden. Innerhalb der vielschichtigen Elternschaft der Kindertagesstätte Brinkum / Meyerstraße hat sich ein gedeihliches Miteinander entwickelt. Vorbehalte und eventuell auftretende Span­
nungen können frühzeitig erkannt und
durch eine intensive Elternarbeit weitestgehend ausgeräumt werden. Der
Einsatz der Förderkräfte und die Reduzierung der Gruppenstärke ermöglichen eine gute Förderung sowohl der
Kinder mit Migrationshintergrund, als
auch aller Kinder deutscher Herkunft.
Mit dieser frühen intensiven Förderung
kognitiver, sozialer und sprachlicher
Fähigkeiten können bereits in unserer
Kindertagesstätte die Weichen für den
Integrationsprozess gestellt werden.
Sie sind eine wichtige, nicht zu unterschätzende Voraussetzung für die Zugänge zu Bildung, Ausbildung und Arbeit.
Das Konzept der Fördergruppen wurde
dem Bedarf angepasst auf weitere Kindertagesstätten der Gemeinde Stuhr
übertragen. Auch hier erweist es sich
durch seine langfristige, ganzheitliche
Ausrichtung als Erfolgsmodell.
Zu den Autoren:
Heide Berwing ist Erzieherin und Heilpädagogin, sie arbeitet seit 1993 in der
Leitung der Kindertagesstätte StuhrBrinkum / Meyerstraße.
Detlev Gellert ist Dipl. Sozialpädagoge. Von 1987 bis 2002 arbeitete er als
Fachberater für Kindertagesstätten
und Integrationsgruppen in der Gemeinde Stuhr. Seit 2002 ist er in der
Verwaltung tätig, seit 2004 als Fachbereichsleiter für Bildung, Kultur und Freizeit.
Kontaktadressen:
Gemeinde Stuhr
Blockener Straße 6, 28816 Stuhr
E-Z. B.: [email protected]
Kindertagesstätte
Brinkum-Meyerstraße
Meyerstraße 2 und 4, 28816 Stuhr
E-Z. B.: Kiga.Brinkum.Meyerstr@
stuhr.de
SCHRIFTTUM
Jungen und Mädchen: wie sie lernen
Welche Unterschiede im Lernstil
Sie kennen müssen
Mit Lernmodul Lernen und Schreiben
von Vera F. Birkenbihl
4. Auflage, 144 Seiten, Paperback,
9,95 Euro, ISBN 978-3-8029-4689-9,
WALHALLA Fachverlag, Regensburg, 2009
www.walhalla.de
Die Zahl der Sonderschüler steigt stetig, und
immer mehr Jungen gelten als die neuen Sorgenkinder des Bildungssystems. Als eine der Ursachen identifiziert die Autorin in diesem Buch die
Tatsache, dass unsere Schulen eklatante gehirnspezi­fischen Geschlechtsunterschiede bisher im
Unter­richt nicht berücksichtigen. Die Leiterin des
Instituts für gehirn-gerechtes Arbeiten bietet Eltern
und Pädagogen konkrete Hilfestellung, um dieser
Entwicklung intelligent entgegenzusteuern. Das
Buch liefert praxisorien­tierte Anregungen, um
Lernen leichter, spielerischer und gehirn-gerechter zu gestalten. Ein Praxis-Modul unterstützt
lese- und schreib­s chwache Kinder mit zehn
Techniken beim Erlernen dieser wesentlichen
Kompeten­zen.
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Anhand der neuesten Erkenntnisse der Forschung
belegt die Autorin ihre Thesen. Zahlreiche Beispiele veranschaulichen, warum geschlechtertypi­sche
Merkmale in der Ausbildung von Kindern nicht
berücksichtigt, son­dern sogar in den Vordergrund
gerückt werden sollten. Die Reihenfolge der Lernfenster verläuft bei Jungen und Mädchen zeitversetzt. Bilden Jungen zum Beispiel erst ihre Grobund dann ihre Feinmotorik aus und verspüren
einen viel größeren Bewegungsdrang, läuft diese
Entwicklung bei Mädchen genau anders herum
ab. Einzelne Fertigkeiten entwickeln Kinder zum
Teil mit einem Altersunterschied, der sich über
eine Spanne von fünf Jahren erstreckt. In der
herkömmlichen Einteilung in Klassenstu­fen finden
solche Differenzen keine Beachtung. Vera F. Birkenbihl plädiert in „Jungen und Mädchen: wie sie
lernen“ eindrucksvoll dafür, „UNTERSCHIEDE zu
AKZEPTIEREN und systematisch zu Stärken
unse­rer Kinder auszubauen“.
Bräth/Eickmann/Galas
Niedersächsisches Schulgesetz
Kommentar
2009, 48 Euro
LinkLuchterhand, Köln
ISBN 978-3-472-07528-8
Der Schulgesetzkommentar für Niedersachsen ist
in seiner 6. Auflage erschienen. Durch Novellierungen des Niedersächsischen Schulgesetzes ist
eine Überarbeitung des Kommentars notwendig
geworden. Der Kommentar behandelt die häufig
im Schulalltag auftretenden Fragen und bietet
Lösungs­vorschläge. Ergänzt werden die Kommentierungen durch ausführliche Hinweise auf die
ergangenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften
sowie auf die veröffentlichte Literatur. Die angegebene Literatur ist auf den Stand von Juni 2009
gebracht worden. Das gilt auch für die zitierten
Rechts- und Verwaltungs­vorschriften.
Kommentiert werden in der Neuauflage die sich
aus den Schulgesetznovellen 2008 und 2009 ergebenden Änderungen:
• Neuordnung der beruflichen Grundbildung,
• Verschiebung des Einschulungsstichtages,
• Verpflichtung der Hauptschulen, berufsbildende Inhalte anzubieten,
• Profilierung der Realschulen und
• endgültige Abschaffung der Vollen Halbtagsschulen.
Ausführlich kommentiert werden in der Neuauflage auch die neuen für die Schulträger wichtigen
Vorschriften, die die Arbeit der Gesamtschulen
betreffen. Das reicht von der Aufhebung des
Verbots, neue Gesamtschulen zu errichten, bis zu
der im Sommer 2009 vom Landtag für Integrierte
Gesamtschulen und für nach Schuljahrgängen
gegliederte Kooperative Gesamtschulen beschlossenen Verkürzung der Schulzeit bis zum
Abitur. Der Kommentar geht auch detailliert auf
die Errichtungsbedingungen für Gesamtschulen
ein. Es werden die neuen Bestimmungen der
beruflichen Grundbildung kommentiert. Dabei sind
berücksichtigt die gerade zur Umsetzung der
Gesetzesänderungen erlassene Verordnung über
Berufsbildende Schulen und die dazu gehörigen,
neu gefassten, Ergänzenden Bestimmungen.
Die Autoren sind Kenner des Niedersächsischen
Schulrechts und haben sich durch zahlreiche
Publikationen ausgewiesen. Peter Bräth, Ministerialrat, ist Leiter des Referates „Schulrecht, Eltern- und Schülervertretung, Schulträger, Ganztagsschulen, Landesschulbeirat“ im Niedersächsischen Kultusministerium. Er ist zuständig für die
Schulgesetzgebung und ist daneben Herausgeber
der Zeitschrift „SchulVerwaltung Niedersachsen“.
Manfred Eickmann, Ministerial­rat, ist Leiter des
Referates „Grundsätzliche und übergreifende
Angelegen­heiten des berufsbildenden Schulwesens“ im Niedersächsischen Kultus­ministerium.
Dr. Dieter Galas, Ministerialdirigent a.D., war bis
zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst
Leiter der Abteilung „Schulformüber­greifende
Angelegenheiten, Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, Kirchen“ im Niedersächsischen Kultusministerium.
NST-N 10/2009
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