NST-N 10/2009 Gesamtausgabe - Niedersächsischer Städtetag
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NST-N 10/2009 Gesamtausgabe - Niedersächsischer Städtetag
43935 Niedersächsischer Städtetag 10/2009 Verlag WINKLER & STENZEL GmbH Burgwedel g n u l m er amktob s er 2. O ont v te nd 2 yrm d ä 1. u ad P t 2 B S37. Jahrgang . m – Oktober 2009 16 a inISSN 1615-0511 Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club ADFC-Tourenportal Rund 200.000 Radkilometer Konkrete Tourenvorschläge Routing-Funktion von A nach B Alle Bett & Bike-Gastbetriebe .. . . Komplettes Paket zu jeder Tour: Freikilometer für ADFC-Mitglieder GPS-Dateien Kartenabschnitte und Höhenprofile zum Ausdrucken Tourenbeschreibungen www.adfc-tourenportal.de ReisenPLUS PLUS Kennen Sie schon das Komplett-Paket ADFC-ReisenPlus? Gebündelte Radreise-infos: Bett & Bike Übernachtungsverzeichnis, Radtourenkarte u.v.m. Anklicken: www.adfc.de/reisenplus Nachrichten Impressum Herausgeber: Niedersächsischer Städtetag Prinzenstraße 23, 30159 Hannover Telefon 0511 36894-0 Telefax 0511 36894-30 eMail: [email protected] Internet: www.nst.de Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt Niedersächsischer Städtetag 10/2009 Schriftleitung: Hauptgeschäftsführer Heiger Scholz Verlag, Gesamtherstellung und Anzeigenverwaltung: Winkler & Stenzel GmbH Schulze-Delitzsch-Straße 35 30938 Burgwedel Telefon 05139 8999-0 Telefax 05139 8999-50 ISSN 1615-0511 Inhalt Zurzeit ist die Anzeigenpreisliste Nr. 10 vom 1. Januar 2007 gültig. Die Zeitschrift erscheint monatlich. Es können auch Doppelhefte erscheinen. Bezugspreis jährlich 48,- ¤, Einzelpreis 4,50 ¤ zzgl. Versandkosten. In den Verkaufspreisen sind 7 % Mehrwertsteuer enthalten. Für die Mitglieder des Niedersächsischen Städtetages ist der Bezug durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Wir bitten, Bestellungen der Zeit schrift an den Verlag zu richten. Mit dem Namen des Verfassers veröffent lichte Beiträge stellen nicht immer die Auf fassung der Schriftleitung bzw. des Herausgebers dar. Die Beiträge in der Rubrik „Nachrichten aus Wirtschaft und Technik“ erscheinen außerhalb der Verantwortung der Schriftleitung. Für den Inhalt der Anzeigen übernimmt der Verlag keine Gewähr. Nachdruck und Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Redaktion. Es ist ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages nicht gestattet, fotografische Vervielfältigungen, Mikrofilme, Mikrofotos u.ä. von den Zeitschriftenheften, von einzelnen Beiträgen oder von Teilen daraus herzustellen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Zum Titelbild Stadt Bad Pyrmont Blick von der Fontäne auf den Hylligen Born NST-N 10/2009 Das Stadtporträt Stadt Bad Pyrmont -------------------------------------------------------------------------------- 178 Editorial ------------------------------------------------------------------------------------------- 179 Allgemeine Verwaltung Die Politiker – besser als ihr Ruf ------------------------------------------------------------------ 180 Aktuelle Seminartermine--------------------------------------------------------------------- 182, 183 Geschäftsbericht ----------------------------------------------------------------------------------- 185 Finanzen und Haushalt Quo Vadis Strukturpolitik?------------------------------------------------------------------------ 199 DSGV unterstützt Kommunen in Fragen zur Sicherheit von kommunalen Anlagen--------- 199 Das Stichwort: Nichtanwendungserlass-------------------------------------------------------- 200 Planung und Bauen Aus der Beratungspraxis: Erhebung von Straßenausbaubeiträgen------------------------ 202 Lärmgeminderte Straßen im kommunalen Straßenbau----------------------------------------- 203 Schule, Kultur und Sport „Die Kunst zu fördern“ ---------------------------------------------------------------------------- 204 Schüler, digitale Medien, große Politik----------------------------------------------------------- 207 Jugend, Soziales und Gesundheit Fördergruppen in den kommunalen Kindertagesstätten der Gemeinde Stuhr --------------- 209 Kinder- und jugendfreundliche Stadt: Visionen und Anstrengungen -------------------------- 210 Personalien --------------------------------------------------------------------------------------- 208 Schrifttum ---------------------------------------------------------------------------------------- 212 177 DAS STADTPORTRÄT Bad Pyrmont – Badeort mit südländischem Flair Als sogenanntes „Fürstenbad“ beherbergte Bad Pyrmont bereits in früheren Jahrhunderten die europäische Prominenz aus Adel und Politik und hat sich mit seinen zahlreichen Quellen vom Heilbad zu einer Wellnessoase mitten im Weserbergland entwickelt. Historische Gebäude, großzügige Alleen und blühende Gartenanlagen verschaffen dem Kurort südländisches Ambiente, und das mitten in Deutschland – so nah und so gut. Die Hufeland Therme mit warmer Sole lockt viele Menschen, die sich dem Wellnesstrend verschrieben haben. In den Innen- und Außenbecken mit warmer Sole sorgen verschiedene Massagedüsen für Entspannung, wie auch die stündliche Aquagymnastik unter fachmännischer Anleitung. Ergänzt wird das Angebot durch eine großzügige und attraktive Saunalandschaft mit verschiedenen Saunen und einem Saunagarten. Zur Abkühlung geht es in den Saunagarten oder in das Schneeparadies. Die natürlichen Heilmittel Moor, Sole und Wasser finden Anwendung bei unterschiedlichen Therapien für Gesundheit und Wohlbefinden. Zusätzlich gibt es in Bad Pyrmont mit der „Pyrmonter Welle“ ein sportliches und familiengerechtes Erlebnisbad, wo neben dem Hallenwellen- und Freibad auch therapeutische Anwendungen und eine attraktive Cafeteria zu finden sind. 178 Der historische Kurpark, eine Mischung aus streng barockem Alleensystem und englischem Landschaftsgarten, ist das Schmuckstück von Bad Pyrmont. Er wurde nach der Auszeichnung ‚Schönster Park Deutschlands 2005‘ auch international von einer Fachjury beim Wettbewerb ‚Schönster Park Europas 2006‘ als bester deutscher Mitbewerber mit dem 5. Platz ausgezeichnet. Der Palmengarten ist das außergewöhnliche Herzstück des Kurparks und zugleich die nördlichste Palmenfreianlage Europas. 330 bis zu elf Meter hohe Palmen verschiedener Arten und über 400 subtropische Gewächse begeistern jedes Jahr die Besucher dieser Anlage. Der Kurpark ist auch die Bühne für viele Open Air-Veranstaltungen wie das „Kleine Fest im großen Kurpark“ am ersten Wochenende im August oder auch das bekannte Lichterfest, der „Goldene Sonntag“, am ersten Wochenende im September. Als Sahnehäubchen gilt das attraktive ganzjährige Veranstaltungsprogramm, vor allem der „Pyrmonter Sommer“ mit zahlreichen Veranstaltungen und prominenten Künstlern auf der Schlossinsel. Hier führt auch die „Pyrmonter Theater Companie“, bestehend aus bekannten deutschen Schauspielern, die Tradition der Sommerbespielung mit Stücken in historischer Kulisse fort. Festung und Schloss, die ehemalige Sommerresidenz der Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, sind ebenfalls sehens- und erlebenswert. Die begehba- ren Wallanlagen mit den Kasematten und der Eckbastion, sowie das Schloss, welches 1706 vom Fürsten Anton Ulrich zu Waldeck-Pyrmont im barocken Stil erbaut wurde, gehören zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Hier befindet sich auch das Museum für Stadtund Badgeschichte, wo jedes Jahr interessante Ausstellungen zu sehen sind. Bad Pyrmont, mitten im Weserbergland gelegen, ist mit seiner abwechslungsreichen Landschaft ideal für Wanderer und Naturliebhaber. Gut ausgeschilderte Wege rund um den traditionsreichen Kurort führen durch wunderschöne Natur, und an der Strecke laden gemütliche Gasthöfe zum Verweilen ein. Auf der BahnRadRoute Hellweg-Weser, einer der reizvollsten Radstrecken im Weserbergland, radelt man vom Schiedersee kommend nach Bad Pyr mont. Weiter durch das romantische Emmertal, an der WeserrenaissancePerle „Schloss Hämelschenburg“ vorbei, erreicht man den Weserradweg, Deutschlands bekanntesten Radweg. Weitere Informationen erhalten Sie unter Touristinformation, Europa-Platz 1, 31812 Bad Pyrmont, Telefon 05281 940511, Telefax 05281 940555, Internet: www.badpyrmont.de, E-Mail: [email protected]. NST-N 10/2009 EDITORIAL Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren, dieses Heft erscheint zur Städteversammlung, zur 16. seit der Gründung unseres Verbandes. Hervorgegangen ist er aus dem Zusammenschluss des alten Städtetages der kreisfreien Städte mit dem Niedersächsischen Städtebund, der seit dem 2. Weltkrieg die kreisangehörigen Städte vertrat. In den Zeiten der großen Gebiets- und Funktionalreform der 70er Jahre war deutlich geworden, dass die alte Teilung den Interessen der Städte (und auch damals schon etlicher Gemeinden) nicht mehr entsprach; schon damals war auch ein einheitlicher Verband aller niedersächsischen Städte, Gemeinden und Samtgemeinden im Gespräch, denn vor allem der große Unterschied der hauptamtlich oder rein ehrenamtlich verwalteten Gemeinden war mit der Gebietsreform entfallen: Zumindest in der Samt gemeindeverwaltung stand nun allen Gemeinden professioneller Sachver stand zur Verfügung. Gleichwohl, zur Einheit auch mit dem damaligen Landgemeindetag ist es nicht gekommen, und diese Teilung in der Vertretung der niedersächsischen Städte und Gemeinden besteht bis heute; so ist der Niedersächsische Städtetag der kommunale Spitzenverband, in dem sich Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden ebenso aufgehoben wissen wie kreisfreie Städte, St. Andreasberg mit 2000 Einwohnern ebenso wie die Landeshauptstadt mit mehr als einer halben Million Menschen. In diesen Monaten ist die Einheit und Solidarität der niedersächsischen Städte, Gemeinden und Samtgemeinden besonders gefordert, aber auch gefährdet: Nach wenigen finanziell guten Jahren rutschen mit der Finanzkrise und ihren Auswirkungen wieder mehr und mehr Kommunen in die roten Zahlen, Steuer- und Einnahmeverluste von zehn Prozent und mehr sind eher die Regel als die Ausnahme. Das sind Zeiten, in denen jedem das Hemd zunächst einmal näher ist als die Jacke; deutlich wird das zum Beispiel an der Diskussion NST-N 10/2009 über den „Zukunftsvertrag“, den die Landesregierung vorgeschlagen hat. Im Kern geht es darum, dass hochdefizitäre Städte und Gemeinden sich mit Nachbarkommunen zusammenschließen sollen und der neue Verbund dafür von drei Vierteln seiner Kassenkredite (Liquiditätskredite) befreit werden und künftig in besonderen Genuss von Strukturförderung kommen soll. In meinem September-Editorial bin ich näher darauf eingegangen. Hier gibt es nun aus unterschiedlichen Richtungen Anfragen verschie dener Mitglieder: Ist es angemessen, einzelne Städte und Gemeinden so zu entlasten, wenn andere doch aus eigener Kraft und durch (anscheinend) größere Haushaltsdisziplin besser dastehen? Soll die Förderpolitik des Landes wirklich umgestellt werden – das geht ja nicht ohne Verluste bei anderen Kommunen ab? Was nützt der „Zukunftsvertrag“ den Städten, Gemeinden und Samt gemeinden, die von ihm keinen Gebrauch machen können – weil Fusion keine Lösung ist, kein Fusions partner zur Verfügung steht oder aus anderen Gründen – die aber gleich wohl über den Finanzausgleich zur Finanzierung beitragen sollen? Teilweise rächt sich hier vielleicht, dass die Überschrift über die geplante gemeinsame Erklärung von Landesregierung und Kommunalen Spitzenverbänden zu großartig gewählt ist: Es geht nicht um die Zukunft der niedersächsischen Kommunen, sondern um eine Hilfe für extrem, aber nicht aussichtslos, finanzschwache Städte, Gemeinden, Samtgemeinden (und ursprünglich v. a. Landkreise). Im Kern aber geht es um die Solidarität aller Kommunen mit einander – denn alle Teile des Landes haben in der Vergangenheit zu verschiedenen Zeiten Hilfe benötigt und können wieder einmal in diese Situation kommen. Städte und Gemeinden haben in Niedersachsen eine Geschichte von Jahrhunderten, zum Teil 1000 Jahren und mehr – da hilft der Blick auf nur ein oder zwei laufende Jahre nicht. Auch gegenwärtig werden ja etliche Kommunen aus dem Finanzausgleich vorab bevorzugt bedient – Bedarfszuweisung heißt das dann. Heute, am 4. Oktober, ist nicht alles klar mit dem Zukunftsvertrag, es wird noch etlicher Gespräche und eines intensiven Ringens auch um einzelne Formulierungen bedürfen; vielleicht scheitert das Vorhaben auch; bei der Städteversammlung werden wir schlauer sein – aber gewiss ist auch: „Einigkeit macht stark“, das ist nicht nur der Wappenspruch Belgiens, das ist auch die Voraussetzung für eine starke, kompetente und wirksame Interessenvertretung der niedersächsischen Städte, Gemeinden und Samtgemeinden – also auch ein gutes Motto für die Städteversammlung in Bad Pyrmont, findet mit den besten Grüßen 179 ALLGEMEINE VERWALTUNG Die Politiker – besser als ihr Ruf von Nikolaus Blome Unser Autor Nikolaus Blome ist Leiter der Parlamentsredaktion der BILD-Zeitung; wir dokumentieren im folgenden einen Artikel, den er bereits in der Zeitschrift „Berliner Republik“ 1/2009 veröffentlicht hat. Super-Wahljahr 2009. Fünfzehn Mal wird in Deutschland gewählt, so oft in einem Jahr wie seit 1994 nicht mehr. Wähler und Gewählte, Bürger und (ihre) Politiker erwartet ein Maximum an persönlichem Kontakt, an Rede und Gegenrede, an öffentlich diskutierter Politik schlechthin. Herauskommen könnte freilich ein Minimum an Verstehen. Wo „Super“ drauf steht, ist Enttäuschung drin: Politikverdrossenheit bei den Wählern. Und Wählerverdrossenheit bei den Politikern. Schon der dritte Leser-Kommentar beim gerade frisch aufgelegten ZDF-Wahl-Blog nimmt es vorweg. Dort schrieb am 4. Januar ein „arno wahl“: „Wem soll denn das „Super-Wahljahr“ von Nutzen sein...? Den Parteien – oder dem Wähler...? Für das Wahlvolk wird sich niemals etwas ändern.“ Kaum ein Berufsgruppe ist so unten durch wie die der Politiker in Deutschland. Selbst Gruppen wie elder Statesmen und Hartz-IV-Empfänger, die ansonsten nichts gemein haben, können sich auf eines sofort einigen: dass die amtierenden Politiker in Wahrheit durch die Bank unfähig sind, unehrlich, eitel und immer nur an das eigene, nie aber an das „Gemeinwohl“ denken. So tief eingefressen hat sich dieser Main stream, dass die Beweislast längst bei den Angeklagten liegt. Nicht wer sie erhebt, muss die schweren Vorwürfe beweisen, sondern der muss sie entkräften, gegen den sie erhoben werden. In keinem anderen Land in Europa stehen die Politiker in derart jammervollem Ruf wie in Deutschland. Ob zu recht, fragt so gut wie niemand. 180 Inmitten eines eher lustlosen Wahlkampfes und mit wacher Erinnerung an Andrea Ypsilantis Wortbruch, Kurt Becks verdruckste SPD-Führung, an die Schlammschlacht in der Berliner Landes-CDU oder Peter Sodanns unsägliche Chaos-Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten mag es schwerer als zu anderen Zeiten fallen, Politiker ganz generell zu verteidigen. Dabei sind die meisten in dieser Reihe binnen vergleichsweise kurzer Fristen an ihrem Vorhaben Gescheiterte, also von jenem „politischen System“ aussortiert worden, für dessen vermeintliche Minder wertigkeit sie als „Beweis“ angeführt werden. Aber auch die jüngste Auf wertung des Politischen insgesamt vermag nichts am Ruf der Politiker ändern. Im Angesicht von Wirtschaftskrise und Märkten, die durchgehen wie Rinderherden im Gewitter, ist der starke Staat wieder in Mode. Ist Politik ist zwar wieder „in“. Aber Politiker bleiben „out“. Die Vorurteile sind stärker. Wer dagegen fair richten will, darf zuvorderst zwei Dinge nicht vermengen. Es gibt zwar nicht wenig schlechte Politik. Das heißt: „schlechte Politik“, gemessen an bestimmten Maßstäben. Das können z. B. marktwirtschaftliche Maßstäbe sein, oder hoch moralische oder rein praktisch-pragmatische. In jedem Fall jedoch gilt: Schlechte Politik wird keinesfalls automatisch auch von schlechten Menschen gemacht. Nein, ich bleibe dabei: Deutsche Politiker sind nicht faul, korrupt und machtbesessen. Sie sind besser, als alle Vorurteile behaupten, und weit besser als ihr Ruf. Aber: Noch nicht einmal die Politiker selber sprechen das auch aus. Öffentlich, wohl gemerkt, und nicht jenen Wagenburgen aus Trotz und (ebenso pauschaler) Publikumsverachtung, die in Berlin längst viel weiter um sich gegriffen hat, als die Deutschen ahnen. Wenn ein Vorwurf viele Politiker in Deutschland zu Recht trifft, dann der, dass sie sich gegen ungerechtfertige Vorwürfe zu wenig wehren. Vielleicht aus ehrbaren Motiven. Vielleicht, weil sie denken, dass der Souverän in der Demokratie per definitionem nicht kritisiert werden darf. Weil Kritik am Wähler rechthaberisch wirken könnte wie Kritik an der Demokratie. Wäre es so, es wäre falsche Rücksichtnahme, meine ich. Und ein offensiver Antritt gegen die zum Teil geradezu aberwitzigen Vorurteile ist nicht nur ein intellektuelles Vergnügen – sondern auch ein Leichtes. Nehmen wir nur folgenden Dreiklang frivoler Substanzlosigkeit, den allerlei „Parteienkritiker“ und „Politikverdrossene“ gerade im Super-Wahljahr mehr als einmal anschlagen werden: Politiker sind eine abgeschottete Kaste; der Bundestag besteht eh‘ nur aus Lehrern und Beamten, und die Parteien machen alle Personalfragen unter sich aus und fürchten frische Quereinsteiger. Der Reihe nach. 1. In seinem fulminanten Essay „Bürger auf die Barrikaden!“ wetterte Ende 2002 der Zeithistoriker Arnulf Baring gegen die Versozialstaatlichung der NachWende-Bundesrepublik, die er „DDR light“ nannte. Als Symptom dieser „Entartung“ (!) wertete Baring den Umstand, dass die Bundestags-Politiker, diese „drohnenhafte Herrschaftskaste“, sich vorwiegend aus Beamtentum und Gewerkschaften rekrutiere. Aha. Wahr ist: Der Beruf des Politikers kennt keine formalen Bedingungen. Es braucht kein Studium, kein Abitur, noch nicht einmal einen gültigen Schul abschluss dafür. Wenn in Deutschland über die soziale Undurchlässigkeit bestimmter Gesellschafts- und Berufsgruppen geklagt wird, ist die Politik am wenigsten gemeint. Der Darmstädter Professor Michael Hartmann hat die Karrierewege von insgesamt 6.500 Ingenieuren, Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern untersucht, die in den Jahren 1955, 1965, 1975 und 1985 promoviert wurden. Ergebnis, grob gesagt: Das gehobene Bürgertum bleibt auf den Elitepositionen der Wirtschaft am weitestgehenden unter sich. „Es ist eine geschlossene Gesellschaft“, so Hart mann. Seinen Untersuchungen zufolge stammten 2007 in den hundert größten deutschen Unternehmen vier Fünftel der Manager aus den „oberen drei Prozent der Gesellschaft“. In Politik und Wissenschaft dagegen stelle sich eine wesentlich buntere Mischung mit Vertretern aus Mittelschicht und Arbeiterhaushalten her. So viel zu den Fakten. Und noch etwas widerlegt den Vorwurf der Kastenbildung. Über den Zugang zur Spitzengruppe in Wirtschaft, Justiz oder Wissenschaft entscheiden in der Regel kleine Runden von Vertretern eben dieser Spitzengruppen. Professoren berufen Professoren auf Lehrstühle, Top-Manager berufen Top-Manager in Vorstände. Eine korrigierende Instanz NST-N 10/2009 ALLGEMEINE VERWALTUNG greift bestenfalls in Extremfällen ein. Kein Wunder also: Kommerzielle Benimm-Schulen für Wirtschafts-Nachwuchs gibt es zu Hauf. Für einen an gehenden Manager ist es wichtig, jenen Umgang mit Messer, Gabel und Rotweinglas zu beherrschen, den seine Top-Vorgesetzten pflegen. Von ähnlichen Angeboten für Politiker ist dagegen nichts bekannt. Natürlich werden sie ebenfalls von ihresgleichen auf Wahllisten und Posten gesetzt. Aber der Wähler hat bei einer stattlichen Zahl der Personalentscheidungen das letzte Wort, an der Urne nämlich. Politiker sollten sich deshalb nicht anders darstellen, als die, die ihn in Mehrheit wählen und von durchschnittlichem Habitus sind. An dieser grundsätzlichen Einschätzung ändert auch der berechtigte Hinweis nichts, dass man den Wählern an der Urne durchaus ein mehr an Freiheit bei der Wahl der Kandidaten lassen könnte – ohne die unerlässliche Rolle der Parteien übermäßig zu beschneiden. Bei bayerischen Landtagswahlen etwa kann der Wähler mit seiner Zweitstimme entweder den Listenvorschlag „seiner“ Partei in genau der Kandida- ten-Reihung übernehmen, wie sie auf dem Stimmzettel vorliegt. Oder er kann mit seiner Zweitstimme gezielt einen Kandidaten wählen, ihn auch von ganz hinten auf der Liste in den Landtag zu hieven versuchen. Die Bayern machen eifrig Gebrauch davon: Bei der Landtagswahl 2008 zogen z. B. im Bezirk Oberbayern für die CSU letztlich elf Politiker in den neuen Landtag ein, die gemessen an ihrem ursprünglichen Listenplatz und dem eingetretenen Zweitstimmen-Ergebnis der CSU „eigentlich“ draußen geblieben wären. Sogar der Kandidat vom letzten Listenplatz 45 schaffte es mit „seinen“ Stimmen auf Platz 14 und damit klar auf einen Landtagssitz. Das Verfahren begünstigt tendenziell bürgernahe Kandidaten, die sich im Wahlkampf nicht nur der Bezirksdelegierten-Konferenz bei der Listenaufstellung bekannt machen, sondern auch beim Bürger. Reformbedarf gibt es punktuell also. Doch wer ganz generell über die „Politikerkaste“ schwadroniert, stellt sich quer zu den banalsten Weisheiten des Alltags. Zum Beispiel dieser, die für angehende Politiker gilt wie für ebensol- che Chemiker, Polizisten, Lehrer oder Steuerberater: Wer beizeiten und planvoll einen bestimmten Beruf anstrebt, erreicht ihn mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als einer, der die ersten zehn Jahre irgend etwas anderes oder gar nichts versucht hätte. Anders gesagt: Bestimmte Karrieremuster führen häufiger zum Ziel, ein Spitzenpolitiker zu werden, als andere. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich das Politiker-Gewerbe professionalisiert, es entwickeln typische Karrierewege, Erfolgs- und Verhaltensmuster – warum auch nicht? Verkrachte Taxifahrer werden nun einmal seltener Minister (obwohl es schon vorgekommen ist) als Männer und Frauen, die früh in diesen Beruf eingestiegen sind. „Ochsentour“ wird der meist mühevolle Aufstieg genannt, tatsächlich sind es fast ausschließlich die Parteien, die den Politiker-Nachwuchs rekrutieren und ausbilden. Aber wer denn sonst? Den Parteien ein mafia-artiges Monopol auf die Nachwuchsbeschaffung vorzuhalten (wie der Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim) ist in etwa so plausibel, wie den deutschen Handwerksbetrieben anzulasten, sie 181 NST-N 10/2009 ALLGEMEINE VERWALTUNG hätten sich die Lehrlingsausbildung unter den Nagel gerissen. Und nichts unterscheidet die „Ochsentour“ eines Politikers qualitativ vom Karriereklettern eines Managers auf den verschiedenen Sprossen der firmeninternen Hierarchie. Deshalb bleibt es ein Rätsel, warum Menschen, die relativ früh im Leben die Politik zu ihrem Beruf machen, „Berufspolitiker“ geschimpft werden, aber niemand von „Berufs-Juristen“ oder Berufs-Chirurgen“ spricht. oder die Pfarrerstochter aus der Nachbargemeinde waren“. Kurzum: Politik ist keine abgeschottete Kaste, sondern ein echter AufsteigerBeruf. Wer diese (relative) Offenheit genutzt hat, zieht den besonderen Neid jener auf sich, die sie nicht genutzt haben – aber nicht darauf gestoßen werden wollen. Die Durchschnittsdeutschen mögen nicht gern von Leuten regiert werden, die keine besseren Startchancen hatten als sie selbst, aber so viel mehr aus ihnen zu machen wussten. Der Historiker Paul Nolte sagt: Es hat „mit der Einsicht in das eigene Versagen zu tun, von ganz normalen Menschen regiert zu werden, die gestern noch der Handwerker-Sohn Im 2005 gewählten Bundestag sind exakt 122 so genannte „Grundberufe“ vertreten. Das heißt, die (anfangs) 614 Abgeordneten sind in 122 verschie denen Berufen ausgebildet. Die Gruppe der Juristen ist mit Abstand die größte (143 von 614 Abgeordneten). Auf den Plätzen folgen Gymnasiallehrer (34), Politologen (28), Diplom-Volkswirte (26) und Ingenieure (20). Über Qualität und Wesen des Parlaments sagt das erst einmal rein gar nichts. Wahrscheinlich wichtiger ist da die Frauen-Quote: Der Bundestag wird immer weiblicher. 1949 waren nur 6,8 Prozent der Parlamentarier Frauen, 2005 schon 32 Prozent. 2. „Der Bundestag ist mal voller und mal leerer. Aber immer voller Lehrer“, heißt ein schier unsterblicher Satz, der gleichwohl leicht zu widerlegender Unfug ist. Auch das „Beamten-Parlament“ existiert nicht, zumindest nicht mit den Folgen, die unterstellt werden. Ein paar Zahlen genügen, das zu belegen. Aktuelle Seminartermine Schreiben für Internet und Intranet Nur zehn Prozent der Informationen, die wir täglich erhalten, nehmen wir bewusst wahr und verarbeiten sie weiter. Das Internet ist zu „der“ Informationsquelle der Gegenwart geworden. Und gerade hier entscheidet sich beim ersten Blick auf eine Seite in Sekundenschnelle, ob ein Text bis zum Ende gelesen wird. Neben den multimedialen Inhalten transportieren auch im Internet die Texte die wichtigsten Informationen. Gründe genug, um sich mit den speziellen Anforderungen an das Schreiben von Texten für das Internet und Intranet zu beschäftigen. Referent: Michael Konken lehrt Journalismus und Politik an der Uni Vechta sowie Kommunikation an der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland. Konken arbeitete als freier Journalist für den Deutschlandfunk in Köln, Radio Bremen sowie verschiedene Zeitungen. Er ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes. 3. November 2009, in Hannover Vergabe von Planer- und Beratungsleistungen nach der VOF In der kommunalen Praxis sind die öffentlichen Auftraggeber in der Regel mit öffentlichen und beschränkten Ausschreibungen sowie Offenen und Nichtoffenen Verfahren nach der VOB/A und VOL/A vertraut. Die Vergabe von freiberuflichen Leistungen richtet sich nach der VOF und erfolgt im Wege des Verhandlungsverfahrens. Zum Großteil handelt es sich hierbei um die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen; zunehmend werden jedoch auch Beratungsleistungen in größerem Umfang vergeben. Im Seminar werden die aktuellen rechtlichen Grundlagen der VOF erläutert und auch auf die beabsichtigte Neuregelung der VOF eingegangen. Mit einer konkreten Darstellung von vergaberechtlichen Stolpersteinen kann das Seminar helfen, die verfahrensrechtlichen Anforderungen an ein Verhandlungsverfahren rechtssicher zu meistern. Dabei sollen Beispiele aus der kommunalen und anwaltlichen Praxis behandelt werden, um häufig wiederkehrende Fehler praxisnah darzustellen. Abgerundet wird das Seminar durch die Erörterung der neuen VOF. Referent: Dr. Dietrich Borchert, Rechtsanwalt bei bbt-Rechtsanwälte, Hannover. 9. November 2009 in Hannover 182 Ausführliche Informationen zu Inhalten, Kosten und Anmeldung im Internet unter www.innovative-stadt.de. Aber am spannendsten ist folgende Zahl: Vier von zehn der Bundestagsabgeordneten, Tendenz steigend, saßen zuvor in einem Landtag oder einer anderen Volksvertretung. Mehr als 55 Prozent besitzen einen so genannten „legislativen oder exekutiven Hintergrund“. Vulgo: Sie verstehen was vom Geschäft; der Politiker-Stand professionalisiert sich. Ein Grund zum Jammern? Ebenso wenig stichhaltig ist die Klage, im Parlament säßen nur Beamte oder Lehrer. Tatsächlich beträgt die LehrerQuote nur 12,5 Prozent, aber die Quote der bei Bund, Länder oder Kommunen Beschäftigten ist inzwischen auf 42 Prozent angestiegen. Allein: Ist das auch relevant? Von den 15 Bundestagsabgeordneten, deren Name mit A beginnt, waren oder sind eine ganze Reihe bei öffentlichen Arbeitgebern beschäftigt, bevor sie in den Bundestag eintraten. Der Diplom-Jurist Peter Albach (CDU/CSU) zum Beispiel ist Bürgermeister der Stadt Weißensee. Lale Akgün (SPD), Diplompsychologin, war zuletzt Leiterin des Landeszentrums für Zuwanderung in Solingen; Volkshochschullehrer Rainer Arnold (SPD) Fachbereichsleiter EDV an der Volkshochschule Stuttgart; und Karl Addicks (FDP), Arzt, leitete zuletzt ein Entwicklungshilfeprojekt der GTZ in Marrakesch/Marokko. Eine uniforme, gleichgeschaltete Gruppe wird man sie beim bösesten Willen nicht nennen können. Sie bringen die verschiedensten Hintergründe und Erfahrungen in den Bundestag mit. Das kann man nicht ohne weiteres für weniger wertvoll erachten als die Anwesenheit eines Unternehmers oder Gewerkschaftssekretärs. Aber nüchterne Zahlen haben es leider schwer gegen jenes seltsame Sehnen, das sich auf Volksvertretungen in aller Welt projiziert: Dass sie das Volk nicht nur vertreten, sondern auch sein getreues Abbild sein mögen. Sozial, soziologisch und sonst wie. Allein: Kaum jemand redet darüber, welchen Preis das hätte. Im 2002 gewählten Bundestag hatten zum Beispiel 81 Prozent der Abgeordneten Abitur oder Fachabitur. In Deutschland insgesamt sind es aber derzeit nur knapp 40 Prozent eines Jahrganges, die Abitur machen. Soll also die Hälfte der Abi-Abgeordneten das Parlament verlassen? Gut 70 Prozent der Abgeordneten besaßen zudem einen Hochschulabschluss; mehr als drei mal so viel wie der Rest der Bürger. Im Vergleich zum Volk ist unter den NST-N 10/2009 ALLGEMEINE VERWALTUNG Volksvertretern die Altersgruppe der 50- bis 64jährigen um ein Mehrfaches größer, die der unter 29jährigen und der über 70jährigen drastisch kleiner. Wäre es andersherum automatisch besser? Die politische Wissenschaft ist sich deshalb auch einig, dass es eine so genannte „sozialstatistische“ Spiegelbildlichkeit in frei gewählten Parlamenten nicht gibt. Allein in Diktaturen, die sich mit Pseudo-Parlamenten schmücken, ist ein genaues Abbild der Bevölkerung (theoretisch) denk- bzw. machbar: Der große Chef sucht die Abgeordneten persönlich aus, und wenn er denn mag nach „sozialstatistischen“ Kriterien. Trotzdem: Zu stark der (Irr-)Glaube, den Interessen einer sehr großen Gruppe sei am besten gedient, wenn sie von einer maßstabsgetreu verkleinerten Gruppe wahrgenommen werden. Das freilich ist so abwegig wie die Annahme, eine Bundesliga-Mannschaft könne die Herzen ihrer Fans nur erobern, wenn die Spieler allesamt aus der heimischen Region stammen – und deren Eigenarten reproduzieren. Die Spieler des FC Bayern ziehen aber nur einmal im Jahr fürs Foto kurze Lederhosen an. Und holen hernach fast immer die Meisterschale. 3. Sich als Anti-Politiker zu gebärden, ist ein probates Mittel, ein bedeutender Politiker zu werden. Das gilt für Deutschland, aber ebenso für die USA, wo (fast) jeder mit Anfangs-Aufmerksamkeit rechnen darf, der verspricht, es „denen in Washington“ mal so richtig zu zeigen. Barack Obama bringt es darin zur wahren Meisterschaft: Kaum einer geht so professionell unprofessionell an die Sache wie er. Und kann nach ge wonnener Wahl sogar eine Truppe geriebener Washington-Insider ins Kabinett und seine Stäbe berufen, ohne dafür gescholten zu werden. Zugegeben, es gibt durchaus Quereinsteiger, aus denen erfolgreiche Politiker wurden. Bundespräsident Horst Köhler zum Beispiel pflegt sein „unbequemes“ Nicht-Politiker-Image, garniert es (wie sein Vor-Vor-Vorgänger Richard von Weizsäcker) mitunter mit ziemlich wohlfeilen Attacken auf „die Politik“ und hat daraus eine sehr politische Interpretation seines Amtes kondensiert. Dem Publikum gefällt es; Köhler kam schon früh in seiner Amtszeit auf traumhaft hohe Popularitätswerte. Andere erfolgreiche Quereinsteiger kamen aus der Wirtschaft: Richard v. Weizsäcker NST-N 10/2009 Aktuelle Seminartermine Energieeinsparverordnung (EnEV) und Denkmalschutz: Wie soll das passen? Energiethemen sind im Jahr 2009 ein Dauerbrenner: Im Januar traten das Erneuerbare Energien Wärmegesetz (EEWärmeG) und das Erneuerbare Energiegesetz (EEG) in Kraft. Die neue Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) wurde am 30. April 2009 im Bundesgesetzblatt verkündet und wird am 1. Oktober 2009 in Kraft treten. Ziel der novellierten Energieeinsparverordnung ist es, den Energiebedarf für Heizung und Warmwasser im Gebäudebereich um etwa 30 Prozent zu senken. In einem weiteren Schritt sollen ab 2012 die energetischen Anforderungen nochmals um bis zu 30 Prozent erhöht werden. Damit gilt zunächst für Bauherren oder Eigentümer, die ab dem 1. Oktober 2009 einen Bauantrag einreichen, eine Bauanzeige erstatten oder mit Baumaßnahmen beginnen, die nicht genehmigungspflichtig sind, die verschärfte Energieeinsparver ordnung 2009. Bei der Modernisierung von Altbauten hat der Bauherr bei größeren Umbaumaßnahmen die Wahl zwischen zwei Alternativen: Bei größeren baulichen Änderungen an der Gebäudehülle (z. B. Dach, Fassade, Fenster) werden die Anforderungen an diese Bauteile um durchschnittlich 30 Prozent verschärft. Nach der Sanierung muss der Jahres-Primärenenergiebedarf des Gebäudes um 30 Prozent geringer sein und die Gebäudehülle um 15 Prozent besser gedämmt sein als bisher. Hierbei kommt es zu bestimmten Nachrüstpflichten für Eigentümer von Altbauten. Zur Kontrolle werden Unternehmererklärungen eingeführt, Sichtprüfungen durch den Bezirksschornsteinfegermeister vorgenommen und Ordnungswidrigkeitentatbestände geschaffen und ggf. geahndet. Zudem zeigt die weiterhin gültige EnEV 2007, deren Umsetzung seit einiger Zeit die ordentliche Gerichtsbarkeit beschäftigt, dass selbst bei Neubauten rechtliche Unklarheiten bestehen. Noch wesentlich schwieriger ist die Anwendung bei denkmalgeschützten Objekten; treffen hier doch regelmäßig ganz unterschiedliche Interessen in Form von Bauaufsicht, Denkmalschutz und betroffenen Eigentümern aufeinander. Erfahren Sie auf diesem Seminar, welche Anforderungen man in diesem Bereich stellen muss, stellen kann und wo auch die rechtlichen Grenzen sind, die betroffene Eigentümer einer denkmalgeschützten Immobilie nicht mehr hinnehmen müssen. Schließlich werden aktuelle und für die kommunale Praxis wichtige Gerichtsentscheidungen aus dem Bereich des Denkmalschutzes vorgestellt. Referenten: Dipl.-Ing. Hilmar Zander, Sachgebietsleiter für Baustatik, Bereich Bauordnung, Fachbereich Planen und Stadtentwicklung, Landeshauptstadt Hannover. Dipl.-Ing. Sven Philipp, Mitarbeiter im Sachgebiet Baustatik, Landeshauptstadt Hannover. Hans Karsten Schmaltz, Vizepräsident und Vorsitzender Richter des 1. Senats beim OVG Lüneburg a.D., Autor beim NBauO-Kommentar Große-Suchsdorf / Lindorf / Schmaltz / Wiechert, 8. Aufl., 2006 und beim Denkmalschutz kommentar. 16. November 2009 in Hannover Update § 89 NBauO § 89 NBauO ist für die Bauaufsichtsbehörde die zentrale Vorschrift, um gegen baurechtswidrige Zustände vorgehen zu können. Gegen bauaufsichtliche Maßnahmen klagen die Adressaten regelmäßig vor den Verwaltungsgerichten. Andererseits werden Bauaufsichtsbehörden (gerne) von Nachbarn in Anspruch genommen, um gegen baurechtswidrige Zustände einzuschreiten. Um hier ein Stück Rechtssicherheit zu geben, wird dieses Praktikerseminar angeboten. Sie erhalten einen komprimierten Überblick über den Aufbau und die Handhabung dieser Norm und werden dabei aktiv einbezogen. Die Referenten stellen Ihnen Sachverhalte aktueller Urteile vor, die dann gemeinsam gelöst werden. Zudem verfolgt dieses Seminar einen außergewöhnlichen Ansatz, indem die Referenten ausführlicher darlegen, wie Sie Arbeit im Umgang mit § 89 NBauO vermeiden können. Zum einen durch eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten, zum anderen durch einfache, aber ausreichende Begründungen bei verschiedenen (Zwangs-) maßnahmen Referenten: Ingo Behrens, Richter am VG Hannover, Dr. jur. Arnd Stiel, Betriebswirt (IWW), Rechtsanwalt bei Ruhlmann Rechtsanwälte, Lehrbeauftragter an der LeibnizUniversität Hannover 3. Dezember 2009 in Hannover Ausführliche Informationen zu Inhalten, Kosten und Anmeldung im Internet unter www.innovative-stadt.de. 183 ALLGEMEINE VERWALTUNG war Manager bei Boehringer, bevor er in die Politik ging; Kurt Biedenkopf bei Henkel, Ernst Albrecht bei Bahlsen. Günter Gaus war Journalist und Walter Riester bei der IG Metall. Aber es gibt wahrscheinlich viele, viele mehr, die scheiterten. Zuletzt gaben der Wissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker und der Wissenschaftsmanager Konrad Schily auf. „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein hielt es keine Legislaturperiode im Bundestag aus. Der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht Rupert Scholz blieb nur rund ein Jahr Verteidigungsminister unter Helmut Kohl. Schöngeist Christoph Stölzl war schnell zerrieben in der Berliner CDU, die er in ihrer tiefsten Depression 2002 übernahm. Professor Paul Kirchhoff hatte nach den wenigen Wochen im Wahlkampfteam von Angela Merkel 2005 vollauf genug von der Politik. Sein Fazit: „Nie wieder“. Und wer erinnert sich noch an Jost Stollmann, den Prototypen des modernen Polit-Quereinsteigers: jung, dynamisch, braun gebrannt; ein erfolgreicher SelfmadeUnternehmer, Chef von CompuNet, Wirtschaftsminister in spe? Im Wahlkampf 1998 jauchzte das Publikum, als Stollmann freimütig-kokett erklärte, dass er das SPD-Wahlprogramm nie gelesen hatte. „Stollmann ist die personi fizierte Nach-Kohl-Ära“, schrieb die ZEIT, „Missionar der Mitte“ nannte ihn Die Woche. Aber Stollmanns politischer Sachverstand und Instinkt reichten bei weitem nicht aus, sich etwa gegen den raumgreifenden Oskar Lafontaine zu behaupten. Immerhin hatte Stollmann Rückgrat genug, dem Spiel schließlich selbst ein Ende zu machen. 184 Trotzdem: Die Bürger bleiben felsenfest davon überzeugt, Politiker wären umso weniger wert, je länger sie im Geschäft sind. Dass es die Politik selbst sei, die aus anfangs guten Leuten schnell schlechte mache. Und dass deshalb frisch und unbeleckt logischerweise bedeutet: besser und tatkräftiger. Wollen wir das wirklich glauben? Nein, wollen wir nicht. Zumindest dann nicht, wenn es um unser privates Wohl und Wehe geht. Denn wem würden wir z. B. unsere Altersversorgung anvertrauen? Einem Bank-Berater, der sich mit den Worten vorstellt: „Guten Tag, ich bin neu hier. Bis vor vier Wochen habe ich bei der Bundeswehr Panzer gefahren.“? Was denken wir, wenn ein Krankenhaus sein Herzchirurgie-Team als „unverbrauchte Quereinsteiger“ anpreist? An- ders herum: Die Gleichung „Erfahrung schafft Vertrauen“ gilt überall. Nur nicht für Politiker. Dabei ist Erfahrung, auch „Praxis“ genannt, zentrale Bedingung für gute Politik, die ja nur dann gut sein kann, wenn sie verwirklicht wird (sonst bleibt sie lediglich eine gute Idee). Eine gute Idee politisch durchzusetzen, ist aber mindestens so anspruchsvoll, wie sie zu haben. Es ist ein Geschäft, das man lernen muss: Es geht um Mehrheiten, Timing und kontrollierte Kommunikation, um Lufthoheit, viel Geduld und noch mehr Kalkül – und zwar in so unterschiedlichen Foren wie einem Bezirks-Parteirat, einer TV-Talkshow oder einem Bürgerfest. Es geht immer wieder aufs Neue um die Verknüpfung von aktuell relevanten Informationen, die aus den verschiedensten Bereichen stammen und deren Absender die unterschiedlichsten Absichten damit verbinden. Politik zu verstehen und zu „machen“, ist ein hochkomplexer Vorgang, der sich mal im Hinterzimmer, mal auf dem Marktplatz zuträgt. Das alles beherrscht womöglich auch der eine oder andere Quereinsteiger. Aber selbstverständlich ist es nicht; und schon gar nicht, wenn der Kandidat in ganz anderen Entscheidungsverfahren und Hierarchie-Systemen groß geworden ist, etwa in der Wirtschaft oder einer Universität. Doch das Publikum verschließt Augen und Ohren. Die Sehnsucht nach Quereinsteigern, die ja nichts anderes ist als die Verachtung des etablierten Personals, färbt längst den allgemeinen Sprachgebrauch: „Erfahren“ meint bei Politikern „kennt alle schmutzigen Tricks“ oder: „hat ein Dutzend Leichen im Keller“. Für den Rest der Menschheit dagegen meint „erfahren“ so viel wie „besonnen“ oder „lebensklug“. Ein „erfahrener Manager“ steht im Zenit seiner Kunst und Karriere. Ein Quereinsteiger wiederum, der in Politik so positive Assoziationen weckt wie „frischer Wind“ und „neue Ideen“, müsste sich in einem Konzern gegen anfängliche Skepsis behaupten, sich erst einmal „beweisen“, bevor er ernst genommen wird. Überhaupt sind viele der allergrößten Denkmäler der deutschen Nach kriegspolitik nicht anders als Berufspolitiker zu nennen. Konrad Adenauer war schon in der Weimarer Republik Oberbürgermeister von Köln. Willy Brandt war nach seinen Jahren als Emigrant und Widerstandskämpfer kurze Zeit Journalist, dann Abgeordneter, Berliner Bürgermeister, Parteivorsitzen der, Minister, schließlich Kanzler – und über seinen Sturz hinaus noch mehr als ein Jahrzehnt Chef der ältesten deutschen Partei. Auch Helmut Schmidt war – nach vier Jahren als Beamter bei der Senatsbehörde – immer nur Politiker, bis er das Amt des Kanzlers verlor. Helmut Kohl (CDU-Mitgliedsnummer 246) hatte anfangs zwei Jahre für die chemische Industrie gearbeitet. Dann war er jüngster Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz und sein weiteres Leben und Berufsleben war die Politik, nicht zum Schaden des Landes. Schließlich Franz Josef Strauß: Er war nie in seinem erlernten Beruf als Gymnasiallehrer tätig, sondern zeitlebens CSU-Mann. Fazit: Wer Berufspolitiker wegen des Berufsmäßigen ihres Daseins verachtet und deshalb möglichst viele Quereinsteiger will, der sollte den Gedanken endlich einmal auch zu Ende denken – und zum einzig verlässlichen Mittel völliger Durchmischung greifen, dem Los. Die Griechen im antiken Athen taten es: Sie ließen, wie von Aristoteles in seiner „Politik“ angeregt, regelmäßig das Los entscheiden, wer sie regieren sollte. Aber das will heute irgendwie auch keiner mehr. Was lehrt das alles nun? Zum Beispiel, dass es wesentlich leichter ist als gedacht, Politiker ganz allgemein zu verteidigen. Keinesfalls jeden ihre Beschlüsse oder Pläne. Wohl aber ihren Ruf als Gruppe, als Berufsgruppe. Und weil es, wie gezeigt, so einfach ist, bleibt auf die Frage, warum es kaum einer tut, nur die Antwort: Weil es kaum einer will. Dem Publikum mag man das nachsehen, den Politikern ist es anzukreiden. Was hindert sie, offensiver mit Vorwürfen umzugehen? Welche Rück sichtnahme versiegelt ihnen die Lippen, wenn sie Vorurteilen und jenen, die sie äußern, entgegen treten könnten? Sich taub zu stellen ist nie eine Option, wenn das Ansehen des eigenen Standes sich dem überführter Kinderschänder stetig nähert. Aber es ist erst keine Option, wenn eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft, die parlamentarische Demokratie und die sie tragenden Eliten in Deutschland erschüttert – oder gar schon verzehrt. Es gilt das Müntefe ring’sche Gesetz: „Die Verdrossenen sind an ihrer Verdrossenheit selbst mehr schuld als die Politik.“ Darüber ist zu reden. Am besten im Super-Wahljahr. NST-N 10/2009 ALLGEMEINE VERWALTUNG Geschäftsbericht Rechtsform Der Niedersächsische Städtetag ist ein kommunaler Spitzenverband kreisfreier und kreisangehöriger Städte, Gemeinden und Samtgemeinden und ist als eingetragener Verein organisiert. Er ist am 1. Januar 1973 aus einer Fusion des früheren Niedersächsischen Städtetages mit dem Niedersächsischen Städtebund entstanden und führte bis 1984 die Bezeichnung Städteverband. Der Niedersächsische Städtetag ist Landesverband des Deutschen Städtetages. Im Präsidium, im Hauptausschuss und in den Fachausschüssen des Deutschen Städtetages wirken Vertreterinnen und Vertreter der Mitglieder des Niedersäch sischen Städtetages mit. Der Niedersächsische Städtetag ist derzeit im Rahmen einer Gastmitgliedschaft Mitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Diese wird ab dem 1. Januar 2010 in eine Vollmitgliedschaft übergehen. Dann werden auch in den Gremien des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Vertreterinnen und Vertreter der Mitglieder des Niedersächsischen Städtetages mitwirken können. Mitgliederstruktur Dem Niedersächsischen Städtetag gehören zurzeit 128 Städte, Gemeinden und Samtgemeinden an, in denen insgesamt 4,683 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner leben. Außerordentliche Mitglieder sind die Stadt Bremerhaven, der Zweckverband Großraum Braunschweig und die Region Hannover. Von den Mitgliedern haben: • 19 weniger als 10.000 Einwohner, • 60 zwischen 10.000 und 30.000 Einwohner • 49 mehr als 30.000 Einwohner. Für die Jahre 2008 und 2009 ist die Stadt Hemmingen (18.540 Ew.) Gastmitglied des Verbandes geworden. Präsidium In der 182. Sitzung am 6. März 2008 wählte das Präsidium turnusgemäß Oberbür germeister Ulrich Mädge, Hansestadt Lüneburg, zum Präsidenten; Oberbürger meister Heiner Pott, Stadt Lingen (Ems), wurde in der 186. Sitzung am 12. Februar 2009 als Nachfolger des Celler Oberbürgermeisters Dr. h.c. Martin Biermann zum Vizepräsidenten gewählt. Zwischen März 2007 und Oktober 2009 fanden zehn Sitzungen des Präsidiums statt. Das Geschäftsführende Präsidium tagte in dieser Zeit fünfzehn Mal. Geschäftsstelle Für das Jahr 2009 weist der Stellenplan der Geschäftsstelle 14 Stellen in fünf Refe NST-N 10/2009 raten aus. Der langjährige Beigeordnete und Geschäftsführer des Niedersächsi schen Städtetages Paul Krause trat mit Ablauf des 31. Januar 2008 nach Ablauf seiner Wahlzeit in den Ruhestand. Zum Nachfolger war bereits im Juli 2007 Geschäftsführer Christian Geiger gewählt worden. Ministerialdirigent a. D. Robert Thiele berät weiterhin die Geschäftsstelle und die Mitglieder des Niedersächsischen Städtetages in kommunalverfassungsrecht lichen Fragen. Er ist dabei regelmäßig dienstags ab 13.00 Uhr in der Geschäfts stelle zu erreichen. Internetangebote Unter den Internetadressen www.nst.de und www.nst-intern.de stellt die Ge schäftsstelle umfangreiche Informationen im Internet bereit. So sind alle HVB-Schrei ben, NST-Info-Beiträge, NST-Umwelt-InfoBeiträge und Ratstelegramme seit dem Jahr 2000 abrufbar. Zusätzlich werden diese Informationen auch tagesaktuell per E-Mail bereit gestellt. Das Informationsangebot richtet sich auch an Mandatsträgerinnen und Mandatsträ ger, die das erforderliche Kennwort von ihrer jeweiligen Verwaltung erhalten kön nen. Auf der öffentlich zugänglichen Internetseite des Verbandes werden aktuelle Infor mationen wie Pressemitteilungen und Termine der Verbandsarbeit sowie die Ver bandszeitschrift NST-Nachrichten mit allen Beiträgen veröffentlicht. Parlamentarische Abende Die Parlamentarischen Abende des Niedersächsischen Städtetages sind inzwi schen eine feste Einrichtung unmittelbar vor der Sommerpause des Parlaments geworden. Gartensaal und Terrasse des Neuen Rathauses in Hannover bieten den perfekten Rahmen für anregende Gespräche mit den Mitgliedern der Landesregierung und den Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages. In der Freiherr-vom-Stein-Klause der Geschäftsstelle finden regelmäßig informelle Begegnungen mit Abgeordneten und anderen Gesprächspartnern statt. Gemeindeordnung Wie nicht anders zu erwarten, hat es erneut Änderungen der Gemeindeordnung gegeben. Der Niedersächsische Landtag hat am 12. Mai 2009 das Gesetz zur Än derung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts und anderer Gesetze verabschiedet. Das Gesetz sieht eine Vielzahl gesetzlicher Anpassungen vor, die zum großen Teil weniger bedeutsam sind. Von größerer Bedeutung dürften Änderungen im Bereich der Bürgerbe gehren/Bürgerentscheide nach § 22b NGO sein. Hier wird – die aus Sicht des NST begrüßenswerte – Möglichkeit einge räumt, schon mit der Anzeige der Einleitung eines Bürgerbegehrens eine Entschei dung über dessen Zulässigkeit zu beantragen. Für den Bereich der Samtgemeinden wurden Neuerungen eingeführt, die deren Neubildung oder Zusammenschluss erleichtern sollen. Daneben wurde einem dringenden Wunsch der kommunalen Spitzenverbände Rechnung getragen und eine Regelung eingeführt, die für den Bereich des Sponsorings mehr Rechtssicherheit und Transparenz erhoffen lässt. Ausführliche Darstellungen der Änderungen finden sich in der Mai-Ausgabe 2009 der NST-N. Interkommunale Zusammenarbeit In einer gemeinsamen Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spit zenverbände Niedersachsens und der Niedersächsischen Landesregierung vom 25. Februar 2008 ist die Bedeutung der Interkommunalen Zusammenarbeit betont worden. Die Beteiligten haben ihren gemeinsamen Willen und ihre Bereitschaft erklärt, die Interkommunale Zusammenarbeit wegen der ihr innew ohnenden Chancen auch weiterhin zu unterstützen. Dabei wurde die Freiwilligkeit dieses Instruments ebenso betont wie die Zusage des Landes, möglicherweise durch Zusammenarbeit eintretende Einsparungen den Kommunen in vollem Umfang zu belassen und diese nicht auf Zuweisungen des Landes anzurechnen oder LandesFinanzausgleichsmittel zur Erfüllung kommunaler Aufgaben zu schmälern. Der Wortlaut der Erklärung ist der März-Ausgabe 2008 der NST-N abgedruckt. Projekt Kommunalverfassungsgesetz In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und FDP für die aktuelle LandtagsWahlperiode findet sich die Vereinbarung, die Kommunalgesetze (NGO, NLO und Regionsgesetz) zu einem einheitlichen Niedersächsischen Kommunalverfassungs gesetz zusammenzufassen und die ehrenamtlichen Mitwirkungsmöglichkeiten zu verbessern. Das Gesetz soll Anfang 2011 verabschiedet werden und zu Beginn der nächsten Kommunalwahlperiode (1. November 2011) in Kraft treten. Die Geschäftsstelle ist in die konzeptionelle Erarbeitung des Kommunalverfas sungsgesetzes eingebunden. Sie wird sich dabei dafür einsetzen, dass das Land sich bei der Anzahl der zusammenzufassenden Gesetze möglichst einschränkt, um ein im Ergebnis noch handhabbares Gesetzeswerk für die kommunale Ebene entstehen 185 ALLGEMEINE VERWALTUNG zu lassen. Dabei wird bei der grundsätzlich begrüßenswerten Stärkung des Ehren amtes darauf zu achten sein, dass diese nur dann gelingen kann, wenn auch auf der Grundlage des neuen Gesetzes die Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Ebene gewahrt bleibt. Im Übrigen fordern wir erneut, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Städte und Gemeinden auf Kreisebene zu verbessern, namentlich durch die Errichtung eines Gemeindeausschusses auf Landkreisebene. Forderung nach Erweiterung des Aufgabenbereichs der kreis angehörigen Städte, Gemeinden und Samtgemeinden In seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2007 hat der Staatsgerichtshof unter an derem ausdrücklich festgestellt, dass der sachliche Gewährleistungsbereich der institutionellen Selbstverwaltungsgarantie neben den Aufgaben des eigenen auch die des übertragenen Wirkungskreises umfasst und diese den Gemeinden zuge ordnet. Das Niedersächsische Verfassungsgericht hat damit einen Zuständig keitsvorrang zugunsten der gemeindlichen Ebene konstatiert, den das Land unter Be achtung des Konnexitätsprinzips zu erfüllen hat. Nach umfassender Vorbereitung und gemeinsamer Beratung in den Gremien des Niedersächsischen Städtetages und des Niedersächsischen Städte- und Gemein debundes wurde daher ein Katalog von Aufgaben erarbeitet, dessen künftige Wahrnehmung auf der gemeindlichen (statt bisher auf der Landkreis-) Ebene wir nunmehr reklamieren. Ein ganzes Bündel von Aufgaben, wie zum Beispiel die Kinderbetreuung, die Bearbeitung von Anträgen auf Elterngeld und Wohngeld, die Erteilung von Baugenehmigungen etc. sollte unserer Auffassung nach künftig besser vor Ort in den Städten, Gemeinden und Samtgemeinden wahrgenommen werden. Hierdurch erhoffen wir uns insbesondere einen Beitrag zur Erhöhung der Bürgerfreundlichkeit und zur Stärkung der gemeindlichen Ebene. Der Forderungskatalog ist dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff MdL von NST und NSGB im März 2009 vorgelegt worden (s. auch NST-N 3-4/2009 S. 59). 186 Lüchow-Dannenberg-Gesetz Im letzten Geschäftsbericht hat die Geschäftsstelle berichtet, dass der NST im Gesetzgebungsverfahren eine überaus kritische Stellungnahme zum sog. „LüchowDannenberg-Gesetz“ abgegeben hatte. Diese Auffassung des NST hat der Nieder sächsische Staatsgerichtshof mit Urteil vom 6. Dezember 2007 im Ergebnis bestä tigt und das Gesetz teilweise für nichtig erklärt, und zwar hinsichtlich der Vorschrif ten, mit denen im Bereich Lüchow-Dan- nenberg sämtliche Aufgaben des über tragenen Wirkungskreises auf den Landkreis verlagert worden sind. Über dieses Urteil, das eindeutig als Stärkung der gemeindlichen Ebene gegenüber den Landkreisen bewertet werden kann, haben wir in der Ausgabe Januar 2008 der Verbands zeitschrift NST-N ausführlich berichtet. Regelung zu Sponsoring Mit dem Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts vom 13. Mai 2009 ist in Niedersachsen erstmalig eine Sponsoringregelung in das Kommunalverfassungsrecht aufgenommen worden, um den Kommunen mehr Sicherheit bei der Entgegennahme von Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen zu geben. Damit ist der Gesetzgeber einem dringenden Anliegen des Niedersächsischen Städtetages nachgekommen, um vor dem Hintergrund ver schärfter strafrechtlicher Vorschriften über die Vorteilsannahme und der zunehmen den Bedeutung freiwilliger Leistungen für die Erfüllung kommunaler Aufgaben mehr Rechtssicherheit und Transparenz zu schaffen. Förderung des Ehrenamtes Die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements ist seit vielen Jahren ein wichti ges Thema und wird von allen politischen Ebenen unterstützt und mit Nachdruck vorangebracht. Die Geschäftsstelle hat verschiedene Aktivitäten sowohl von der Bundes- wie auch von der Landesebene begleitet und die Mitgliedschaft darüber regelmäßig informiert. Mit dem Stichwort Hilfen für Helfer ist auf Bundesebene das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements Ende 2007 verabschiedet worden. Damit sind einige grundlegende Veränderungen im Gemeinnützigkeits- und Spen denrecht vorgenommen worden. Im Zuge dieser Veränderungen ist auch der Grundbetrag der steuerfreien Aufwandsentschädigung und die damit einhergehende sog. Übungsleiterpauschale angehoben worden. Als Folge hiervon hat sich der Niedersächsische Städtetag dafür eingesetzt, dass die steuerfreien Aufwandsentschädi gungssätze, die für Ratsmitglieder im sog. Ratsherrenerlass bundesweit einheitlich geregelt sind, entsprechend angehoben werden. Diese niedersächsische Initiative, die pauschalen Steuerfreibeträge nach fast 20 Jahren anzuheben, war zumindest zum Teil erfolgreich. Nach Beschluss der Finanzministerkonferenz wurde eine pauschale Anhebung um 15 Prozent vorgenommen. Die Erhöhung der pauschalen Steuerfreibeträge ist rückwirkend zum 1. Januar 2009 festgesetzt worden. Nicht erreichbar war allerdings in diesem Zusammenhang, dass die Aufwandsent schädigung, die ehrenamtlich rechtlichen Betreuern gewährt wird, vergleichbar der Übungsleiterpauschale angehoben wird. Dies wurde vom Bundesgesetzgeber ab gelehnt. Der Bundesrat hat dazu in seiner 860. Sitzung Mitte Juli 2009 eine Ent schließung gefasst, mit der der Bundesrat den Bundestag auffordert, im Jahres steuergesetz 2010 die Aufwandsentschädigung der ehrenamtlichen Betreuer nach § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1835 a BGB entsprechend der sog. „Übungsleiterpau schale“ in Höhe von jährlich 2.100 Euro von der Einkommensteuerpflicht zu be freien. Hier bleibt abzuwarten, ob dieser Vorstoß erfolgreich sein wird. Für die Landesebene ist zu erwähnen, dass neben anderen Projekten und Wettbewerben die niedersächsische Ehrenamtskarte unter dem Motto „Ehrenamt ist Gold wert!“ ins Leben gerufen worden ist. Mit ihr sollen erbrachte Leistungen der freiwillig Aktiven für das Gemeinwohl gewürdigt werden. Die damit verbundene Wertschätzung des Engagements beschränkt sich aber nicht nur auf die förmliche Anerkennung, sondern es werden auch Vergünstigungen gewährt. Es handelt sich herbei sowohl um öffentliche als auch um private Angebote. Trotz der finanziell schwer absehbaren Folgen für die Städte, Gemeinden und Samtgemeinden, auf die wir hingewiesen haben, wird das Projekt im Grundsatz von den kommunalen Spitzenverbänden unterstützt. Bereits zum sechsten Mal findet in diesem Jahr der Wettbewerb „Unbezahlbar und freiwillig – der Niedersachsenpreis für Bürgerengagement“ statt. Damit werden eh renamtlich Aktive in den Mittelpunkt gestellt. „Unbezahlbare“ Menschen, die „freiwillig“ für andere ihr Bestes geben, können Preise im Gesamtwert von 30.000 Euro gewinnen. Kernpunkt dieses landesweiten Wettbewerbs ist die Wertschätzung der vielen Aktiven, ihre Motivation zu stärken und die gesellschaftliche Anerkennung nachhaltig zu fördern. Dienstleistungsrichtlinie Die 2006 von der EU beschlossene Dienstleistungsrichtlinie (DLR) muss bis Ende 2009 in nationales Recht umgesetzt werden. Sie sieht u. a. vor, dass die Mitglied staaten Einheitliche Ansprechpartner (EA) einrichten, über die ausländische Dienstleistungserbringer alle mit der Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit verbundenen Verfahren abwickeln können. Die DLR erfordert außerdem, dass Verfahren und Formalitäten online abgewickelt werden können müssen. Einheitliche Ansprechpartner (EA) Bei der nationalen Umsetzung in Deutschland liegt die Kompetenz zur Einrichtung der EA bei den Ländern. Der EA soll nicht nur für ausländische, sondern auch für inländische Dienstleistungserbringer zu- NST-N 10/2009 ALLGEMEINE VERWALTUNG ständig sein. Er hat die Funktionen, zum einen Informationsaufgaben für den Dienstleistungserbringer zu übernehmen und zum anderen Koordinierungsaufgaben zwischen Dienstleistungserbringern und zuständigen Behörden zu erfüllen, ohne selbst zuständige Behörde sein zu müssen. In Gesprächen mit der Landesregierung und in Schreiben an den Ministerpräsi denten haben die kommunalen Spitzenverbände gefordert, die EA bei Kommunen anzusiedeln und damit auf bewährte Strukturen aufzusetzen. Diese sinnvolle Ver ortung hat schließlich auch die Landesre gierung überzeugt, und sie hat die kreis freien und großen selbstständigen Städte, die Region Hannover sowie die Landkreise zu EA bestimmt. Daneben wird es einen weiteren zentralen EA im Ressortbereich des Wirtschaftsministeriums geben. In verschiedenen Arbeitskreisen werden gegenwärtig die notwendigen Strukturen abgestimmt und geschaffen, damit die DLR Ende 2009 auch in Niedersachsen umgesetzt ist. EU-Förderung Seit vielen Jahren bilden die Förderprogramme des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) eine wesentliche Rolle in der niedersächsischen Wirtschaftspolitik. Auch in der Förderperiode 2007 bis 2013 sind Programme und Instrumente eingesetzt, die ein großes Spektrum unterschiedlicher Förderberei che abdecken. Die Programme sind so konzipiert, dass sie im gesamten Landesgebiet, in Ballungsräumen ebenso wie im ländlichen Raum, gleichermaßen genutzt werden können. Über 1,2 Milliarden Euro fließen allein aus dem EFRE in der gegenwärtigen Förder periode nach Niedersachsen. Davon entfällt mit 589 Millionen Euro fast die Hälfte dieser Summe auf die „Konvergenzregion Lüneburg“. In vier Förderschwerpunkten werden sowohl kleine und mittlere Unternehmen gefördert als auch Innovationska pazitäten und gesellschaftliche Wissenspotentiale entwickelt sowie Infrastrukturen und Umweltmaßnahmen gefördert. Zudem können mit den Fördermitteln städtische Gebiete nachhaltig erneuert und entwickelt werden. Um die regionalen Akteure noch umfassender an den Umsetzungs- und Entschei dungsprozessen der EFRE-Programme zu beteiligen, sind sog. Regionale Teilbudgets (RTB) der kreisfreien Städte und Landkreise gebildet. Aus diesen Budgets werden Projekte gefördert, die im besonderen Interesse der Regionen liegen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der KMUFörderung, in der die Kommunen in einem begrenzten Umfang eigene Bewilligungsent scheidungen treffen können. Diese neue NST-N 10/2009 Möglichkeit der EU-Förderung ist vom Niedersächsischen Städtetag nachdrücklich gefordert und begrüßt worden. Kooperationsvereinbarung zur gemeinsamen Einführung von E-Government in Niedersachsen Nach langjähriger Vorbereitung wurde am 17. Oktober 2007 die Kooperationsver einbarung zur gemeinsamen Einführung von E-Government in Niedersachsen von Ministerpräsident Wulff MdL und den Präsidenten der Kommunalen Spitzenver bände unterzeichnet. Im Rahmen der Kooperation werden seitdem folgende Ziele verfolgt: 1. Kommunen und Landesbehörden geben ihren „Kunden“ umfassende Mög lichkeiten zur elektronischen Information, Kommunikation und Transaktion. Insbesondere bieten sie gemeinsam ein übersichtliches und umfassendes In formationssystem über die Dienstleistungen der Verwaltung an und eröffnen einen Zugang nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. dem Justizkom munikationsgesetz, der auch Nachrichten mit qualifizierter Signatur und Ver schlüsselung akzeptiert. 2. Land und Kommunen führen den Datenaustausch untereinander grundsätz lich elektronisch durch verwaltungsübergreifende Geschäftsprozesse werden durch elektronische Verfahren über ein gemeinsames Behördennetz unter stützt. 3. Land und Kommunen stellen für geeignete Dienstleistungen der Verwaltungen optimierte Online-Verfahren im Internet bereit. Dabei stimmen sie das Vorgehen untereinander ab und nutzen nach Möglichkeit gemeinsam bereitgestellte Anwendungen. Im August 2008 wurde die Kooperationsvereinbarung um ein Projekt „IT-Um setzung der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie“ erweitert. Im Rahmen dieses Projektes soll die grundlegende ITBasis-Infrastruktur zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (EU-DLR) gemeinschaftlich aufgebaut werden. Die wichtigsten Geschäftsprozesse zur Aufnahme und Ausübung einer Dienst leistungstätigkeit sollen elektronisch abgewickelt werden können. Inzwischen arbeiten in zahlreichen Arbeitsgruppen weit über 100 Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen gemeinsam mit Landesvertretern an der Schaffung entsprechender Lösungen. Vergaberecht Das Vergaberecht hat sich im Berichtszeitraum auf allen Ebenen erheblich verän dert: Auf Bundesebene ist nach ausführlicher Diskussion im April 2009 die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe- schränkungen (GWB) – Kartellvergabe gesetz – in Kraft getreten. Nicht beschlossen wurden hingegen bis heute die Novellierung der Vergabeverordnung und vor allem die Novellen der VOB/A und der VOL/A. Auf Landesebene ist hingegen noch im Dezember 2008 eine Neufassung des Landesvergabegesetzes beschlossen worden. Ein wichtiger Anlass hierzu war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der am 3. April 2008 (C 346/06) die Tariftreueregelung im damals geltenden Niedersächsischen Landesvergabegesetz für unzulässig erklärt hat. Das heute geltende Landesvergabegesetz beschränkt sich darauf, die Einhaltung für allgemein verbindlich erklärter Tarifverträge vorzuschreiben. Die Diskussion um das Vergaberecht wurde außerdem wesentlich geprägt durch die sog. „Alhorn-Entscheidung“ des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Juni 2007, nach der kommunale Grundstücksverkäufe grundsätzlich auszuschreiben seien, wenn der Kaufvertrag eine Bauerrichtungsverpflichtung enthalten soll. Hin tergrund dieses Urteils war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 18. Januar 2007 (sog. Roanne-Entscheidung); andere, aber nicht alle Oberlandesgerichte und einige Vergabekammern folgten der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf. Bei der Novellierung des Kartellvergaberechts wurde durch geänderte Definition der Baukonzession und des Bauauftrags auf diese Rechtsprechung reagiert; über einen Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf zur Frage der europarechtlichen Zulässigkeit dieser Regelungen wird der Europäische Gerichtshof voraussichtlich im Jahr 2010 entscheiden. Modernisiertes Beamtenrecht für Niedersachsen Nach längeren Vorbereitungsarbeiten sind das Gesetz zur Modernisierung des Nie dersächsischen Beamtenrechts vom 25. März 2009 (Nds. GVBl. S. 72) und die neue Niedersächsische Laufbahnverordnung vom 30. März 2009 (Nds. GVBl. S. 118) ab 1. April 2009 und die Verordnung zum Nebentätigkeitsrecht und zur Än derungen von Verordnungen zur Arbeitszeit und über Sonderurlaub vom 6. April 2009 (Nds. GVBl. S. 140) zum 10. April 2009 in Kraft getreten. Damit hat Niedersachsen von den im Zuge der Föderalismusreform 2006 geschaffenen neuen Gesetzgebungskompetenzen Gebrauch gemacht. Die Befugnis zur Regelung der Statusangelegenheiten liegt seither als konkurrierende Gesetzgebung beim Bund; für das Besoldungs-, Versorgungs- und Laufbahnrecht liegt die Ges etzg ebungs kompetenz bei den Ländern. Ausgangspunkt für die Neugestaltung des Landesbeamtenrechts ist das Beamten statusgesetz des Bundes vom 17. Juni 187 ALLGEMEINE VERWALTUNG 2008 (BGBl. I S. 1010) gewesen, das die Grundstrukturen der statusprägenden Rechte und Pflichten für die Beamten in den Ländern einheitlich regelt. Danach ist das Beamtenrecht in Niedersachsen jetzt in zwei Gesetzen geregelt – im bundeseinheitlich geltenden Beamtenstatusgesetz und ergänzend im eigenständigen Niedersächsischen Beamtengesetz. Wesentliche Inhalte des modernisierten Beamtenrechts: • Verschlankung und Flexibilisierung des Laufbahnrechts (nur noch zwei Lauf bahngruppen 1 und 2 sowie Beschränkung der Laufbahnen auf zehn gebün delte Fachrichtungen), • Stärkung des Laufbahnprinzips (unter bestimmten Voraussetzungen Ein stellung in einem höheren Amt als dem Einstiegsamt), • Fortfall der Mindestaltersgrenze des vollendeten 27. Lebensjahres für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, • einheitliche Dauer der Probezeit von drei Jahren für alle Laufbahnen (einschließ lich anderer Bewerber), • erleichterte Wechselmöglichkeiten zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft, • Beibehaltung der gesetzlichen Altersgrenze Vollendung des 65. Lebens jahres, wobei der Eintritt in den Ruhestand um bis zu drei Jahre hinaus geschoben werden kann aus dienstlichen Gründen mit Zustimmung des Beamten oder auf Antrag des Beamten, wenn dienstliche Interessen nicht ent gegenstehen. Als Niedersächsischer Städtetag haben wir grundsätzlich begrüßt, dass das Land die durch die Föderalismusreform gewonnen Gestaltungsspielräume für eine zu kunftsorientierte Anpassung und Neuordnung des öffentlichen Dienstrechts mit den Regelungen genutzt hat. Allerdings sind einige Vorstellungen, die wir in enger Zu sammenarbeit mit unserer Mitgliedschaft entwickelt haben, nicht bzw. nicht ausrei chend berücksichtigt worden (zum Beispiel Verzicht auf Wartezeiten zur Verleihung von Beförderungsämtern, Abschaffung des Landespersonalausschusses, grundlegende Vereinfachungen im Nebentätigkeitsrecht und im Personalaktenrecht). 188 Reform der Leistungsprämien- und -zulagenverordnung Mit der Änderungsverordnung zur Leistungsprämien- und -zulagenverordnung vom 23. November 2008 (Nds. GVBl. S. 362) ist für den kommunalen Bereich der Kreis der möglichen Berechtigten einer Leistungszahlung so weit ausgedehnt worden, wie es bundesgesetzlich möglich ist. Zusätzlich zu der Aufstockung des Vomhundertsatzes von zehn auf 15 Pro- zent kann die Höchstgrenze jetzt in dem Umfang ausgeweitet werden, in dem von der Möglichkeit der Vergabe von Leistungsstufen kein Gebrauch gemacht wird. Das bedeutet in der Praxis, dass eine Anhebung des Vomhundertsatzes um nochmals bis zu 15 Prozent zulässig ist. Auch gelten Leistungsprämien, die wegen einer erbrachten Teamleistung von mehreren Beamten gewährt werden, für die Berechnung zusammen nur als eine Leistungsprämie, die allerdings zusammen 150 v. H. nicht überschreiten dürfen. Im Anhörungsverfahren hat der Niedersächsische Städtetag die schon mehrmals vorgetragene Forderung erneuert, in Niedersachsen möglichst schnell die leis tungsbezogene Bezahlung der Beamtenschaft einzuführen, wie sie bei den Be schäftigten tarifvertraglich schon seit Anfang 2007 besteht. Die mit der geänderten Verordnung geschaffenen erweiterten Möglichkeiten der Zahlung von Leistungs prämien und Leistungszulagen haben wir deshalb nur als einen Schritt in die richtige Richtung angesehen, die als Zwischenlösung auf dem Weg zu einer umfassenden Novellierung des Besoldungsrechts von uns zwar akzeptiert wird. Mit der Verordnung darf aber keine präjudizierende Wirkung für künftige gesetzliche Regelungen einhergehen. Fusion der kommunalen Studien institute in Braunschweig, Hannover und Oldenburg Eine Fusion der drei kommunalen Studieninstitute in Niedersachsen stand bereits wiederholt in der Diskussion. Die Planungen konnten jedoch im Ergebnis aus unter schiedlichen Gründen bislang nicht realisiert werden. Nach etlichen Jahren der Vor bereitung, nicht zuletzt auch bedingt durch die Gründung der Kommunalen Fach hochschule für Verwaltung, sowie begleitet und unterstützt auch von den kommunalen Spitzenverbänden ist am 12. Juni 2009 der Verschmelzungsvertrag von allen drei Instituten einstimmig beschlossen worden. Damit ist jetzt ein Studieninstitut in kommunaler Trägerschaft für ganz Niedersach sen geschaffen worden, das seinen Mitgliedern zukunftssicher berufsorientierte und praxisnahe Bildungsangebote unterbreitet. Die Aufgabenverteilung auf die Standorte ist wie folgt vorgesehen: Standort Braunschweig: - Kommunalberatung (NSI Consult GmbH) - Ausbildungszentrale II (Prüfungsamt Fachhochschule, Rechtsbehelfsverfahren, Leitstelle, Nachwuchswerbung u. a.) Standort Hannover: - Vereinsangelegenheiten, Institutsleitung - Allgemeine Verwaltung - Ausbildungszentrale I (Lehrgangsplanung, Prüfungswesen, Curriculare Entwicklung u. a.) - Kommunale Fachhochschule für Verwaltung in Niedersachsen Standort Oldenburg: ‑ Fortbildung Kommunale Fachhochschule für Verwaltung in Niedersachsen Die Niedersächsische Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Hildes heim ist durch das Gesetz zur Neuordnung in der Ausbildung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst in Niedersachsen vom 13. September 2007 mit Ablauf des 30. September 2007 aufgelöst worden. Gleichzeitig ist die Kommunale Fachhochschule für Verwaltung in Niedersachsen als eine für die Ausbildung für Laufbahnen des gehobenen allgemeinen Verw altungsdienstes anerkannte Fachhochschule in nichtstaatlicher Verantwortung gegründet worden. Träger der Fachhochschule war zunächst das Niedersächsische Studieninstitut in Hannover. Nach erfolgter Fusion der Studieninstitute Braunschweig, Hannover und Oldenburg im Juni 2009 ist jetzt der neue Verein Rechtsnachfolger und damit Träger der Fachhochschule. Die Fachhochschule ist als Einrichtung der Kommunen einmalig in der Bundesrepublik Deutschland. Die Verbindung des Studieninstitutes mit der Fachhochschule unter einem Trägerverein ist besonders gut geeignet, Syn ergieeffekte im Hinblick auf den möglichen Austausch zwischen beiden Bereichen zu erzielen. Die bisherigen Diplomstudiengänge Verwaltungswirt und Verwaltungsbetriebswirt sind noch bis ins Jahr 2010 akkreditiert, so dass der letzte Einstellungsjahrgang für die Diplomstudiengänge der des Jahres 2010 sein wird. Die Einführung des Ba chelor ist für das Jahr 2011 vorgesehen. Als Niedersächsischer Städtetag haben wir schon frühzeitig für die Gründung der kommunalen Fachhochschule plädiert und gemeinsam mit den anderen kommu nalen Spitzenverbänden den Prozess in enger Abstimmung mit den kommunalen Studieninstituten konstruktiv unterstützt. Zensus 2011 Im Jahr 2011 wird in Deutschland, wie in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäi schen Union, ein Zensus als Bevölkerungs-, Gebäude- und Wohnungszählung durchgeführt. Zukünftig sollen laut den EU-Vorgaben alle zehn Jahre europaweite Volkszählungen durchgeführt werden. In Deutschland wird die Volkszählung 2011 erstmals als ein registergestützter Zensus durchgeführt, bei der auf eine Befragung aller Einwohner verzichtet wird und die erforderlichen Daten weitgehend aus vor- NST-N 10/2009 ALLGEMEINE VERWALTUNG handenen Registern, wie den Melderegis tern und den Registern der Bundesagentur für Arbeit, gewonnen werden. Die Re gisterdaten werden mit moderner Informationstechnik ausgewertet. Ergänzend wer den die Gebäude- und Wohnungseigentümer postalisch befragt. Das entsprechende Bundesgesetz ist inzwischen in Kraft getreten. Das Land Nie dersachsen muss nun ein entsprechendes Landesgesetz erarbeiten. In den Ge sprächen mit der Landesregierung ist jetzt darauf hinzuwirken, dass der Aufwand für Städte, Gemeinden und Samtgemeinden vertretbar bleibt und insbesondere auch finanziell entschädigt wird. Wahlkostenerstattung durch das Land Das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Integration (MI) hat die Verordnung zur Kostenerstattung bei Wahlen und Volksabstimmungen überarbeitet. In die Neufassung wurden insbesondere überarbeitete Erstattungsbeträge eingear beitet. Neben den sog. „Ergänzungsbeträgen“ (Erstattung von Kosten je wahlbe rechtigter Person in Höhe von nunmehr 0,81 Euro bzw. in Städten mit mehr als 100.000 Wahlberechtigten 0,92 Euro) sind auch die sog. „Grundbeträge“ erhöht worden. Hier erfolgt jetzt eine Erstattung in Höhe 225 Euro je Wahlvorstand (bisher: 144 Euro je Wahlvorstand). Mit der Anhebung dieses Grundbetrages, die ursprünglich seitens des MI nicht be absichtigt war, wurde das Land insbesondere der Kritik des NST gerecht, der schon frühzeitig moniert hatte, dass dieser seit bereits ca. 20 Jahren angewandte Erstat tungssatz erneut nicht angepasst werden sollte. Die Grundbeträge dienen der Zah lung des sog. „Erfrischungsgeldes“ an die ehrenamtlichen Mitglieder der Wahlvor stände, die von den Städten, Gemeinden und Samtgemeinden schon seit Langem in der Regel deutlich mehr als die vom Land in der Vergangenheit angesetzten 16 Euro pro Person bezahlt bekommen. Die Veröffentlichung der geänderten Verord nung ist mittlerweile erfolgt (Nds. GVBl. 2009, S. 227) Kommunalfinanzen Die Lage der Kommunalfinanzen war während des Berichtszeitraums wiederum ein Schwerpunkt der Geschäftsstellenarbeit und Gegenstand regelmäßiger Erörterun gen in den Gremien des Verbandes. Allgemeine Finanzlage Trotz der bis in das Jahr 2008 hinein mehrjährigen erfreulichen Entwicklung bei den Steuereinnahmen und im kommunalen Finanzausgleich war im Berichtszeitraum festzustellen, dass nach wie vor viele kommunale Haushalte strukturelle Defizite aufweisen und mit dramatisch hohen Kassenkrediten gestützt werden müssen. NST-N 10/2009 Selbst in dieser guten mehrjährigen Phase gelang es jedoch nicht, den Kassenkre ditstand der niedersächsischen Kommunen in Höhe von etwa vier Milliarden Euro abzubauen; er stagnierte stattdessen auf hohem Niveau. Im Hinblick auf die sich für die nächsten Jahre abzeichnende Kombination aus massiven Einnahmeausfällen und zu erwartenden steigenden Soziallasten ist zu befürchten, dass der bereits jetzt vom Staatsgerichtshof als verfassungswidrig bezeichnete Zustand der Finanzierung defizitärer Haushalte mit Kassenkrediten sich noch weiter verschärfen könnte. Grundlagen haben erstmals die größeren Städte deutlich profitieren können. In den Vorjahren hatten mit jeder neuen statistischen Grundlage die größeren Städte einen geringeren Anteil am Gesamtauf kommen erhalten. Ebenso wurden im Jahr 2008 die Sockelbeträge, die zur Berech nung des Schlüssels herangezogen werden, auf ihre Angemessenheit überprüft. Da von nahezu allen Beteiligten in Bund und Ländern eine Beibehaltung der aktuellen Sockelbeträge präferiert wurde, kam es insoweit zu keiner Veränderung. Die im Jahr 2008 aufgetretene weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise wurde erst mals in den Erwartungen der Mai-Steuerschätzung 2009 berücksichtigt. Danach ergeben sich dramatische Verminderungen der Steuereinnahmen der Bundes-, Landes- und kommunalen Ebene in Deutschland. Da die hohen Steuerminder einnahmen des Landes die Kommunen systembedingt im kommunalen Finanzaus gleich mit einem Jahr Verzögerung treffen werden, wird die Negativentwicklung im Jahr 2010 besonders ausgeprägt sein. Der Orientierungsdatenerlass des Landes für den Planungszeitraum 2009 bis 2013 geht davon aus, dass die Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich sich im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent verringern werden, während der durchschnittliche Rückgang des Gemein deanteils an der Einkommensteuer knapp zehn Prozent betragen wird. Insgesamt ist aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass das Einnahmeniveau des Jahres 2008 erst etwa im Jahr 2013 wieder erreicht werden kann. Zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung im Zeichen der Finanz- und Wirtschaftskrise haben Bund und Länder 2008/2009 Maßnahmen zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung beschlossen und entsprechende Gesetzge bungsverfahren in kürzester Zeit abgeschlossen. Hierbei wurden in mehrmonatiger Folge zwei Konjunkturpakete, vorwiegend bestehend aus erheblichen staatlichen Mehrausgaben, zur Stabilisierung von Wachstum und Beschäftigung umgesetzt. Zu berücksichtigen ist aus kommunaler Sicht, dass die mit den Konjunkturpaketen verbundenen steuerlichen Erleichterungen die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden in den kommenden Jahren belasten werden. Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer Etwa zehn Jahre nach der endgültigen Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und ihres Ersatzes durch einen Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer konnte im Jahr 2008 ein neuer, dauerhaft fortschreibungsfähiger Schlüssel für die Verteilung des Gemeindeanteils auf die einzelnen Gemeinden vereinbart werden. Der zwischen Bund, Ländern und Kommunen gefundene Schlüssel stellt einen akzeptablen Kompromiss dar. Er basiert auf den Merkmalen Gewerbe steueraufkommen, Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen und bezahlten Löhnen. Um abrupte Einnahme ausfälle zu verhindern, wird für einen neun jährigen Übergangszeitraum der alte Schlüssel mit kontinuierlich abnehmendem Gewicht weiterhin mit berücksichtigt. Neuverteilung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer Im Jahr 2008 wurde, wie alle drei Jahre, der Aufteilungsschlüssel für den Gemein deanteil an der Einkommensteuer auf eine neue statistische Grundlage gestellt. Aufgrund der Verwendung neuer statistischer Konjunkturpakete Im Rahmen des Konjunkturpaketes II wurde auch ein Investitionsprogramm von rund zehn Milliarden Euro bundesweit für Investitionen der Kommunen und Länder aufgelegt, zu 75 Prozent durch den Bund und zu 25 Prozent durch die Länder (mit den Kommunen gemeinsam) finanziert. Investitionsschwerpunkte waren der Bil dungsbereich, insbesondere Kindergärten, Schulen und die Infrastruktur. In Nieder sachsen gelang es erfreulicherweise, in konstruktiver Zusammenarbeit mit der Landesebene eine äußerst schnelle Umsetzung der Maßnahmen und große Freiräume für die Kommunen zu erreichen. Die Arbeit der Geschäftsstelle und der Gremien des Verbandes war um die Jahreswende 2008/2009 sowie im Frühjahr 2009 in hohem Maße dominiert durch die Notwendigkeit, die rechtliche, planerische und politische Begleitung der verschiedenen Bausteine des Investitionsprogramms sicherzustellen. Das betraf sowohl das Niedersächsische Zukunftsinvestitionsgesetz (Pauschalmittel) als auch die kommunalen Förderprogramme zu den weiteren Förderschwerpunkten Schulin frastruktur, Breitbandverkabelung, Krankenhäuser, Hochwasserschutz und Alt lastensanierung. Gewerbesteuerreform Seit der Unternehmenssteuerreform, die zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, gab es keine erneute ernsthafte Diskussi- 189 ALLGEMEINE VERWALTUNG on über die Zukunft der Gewerbesteuer. Durch die Einführung einer sog. Zinsschranke sowie die 25-prozentige Hin zurechnung sämtlicher Fremdkapitalzinsen sowie 25 Prozent der Finanzierungsanteile von Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzgebühren wurde die Gewerbesteuer durch Sicherung des nationalen Steuersubstrats vor internationalen Steuersparkonstruktionen tendenziell gestärkt. Allerdings kam es auf Initiative des Finanzausschusses des Bundesrates im Rahmen des Bürgerentlastungsgesetzes zu einer teilweisen Rücknahme dieser Regelung. So wurde die Freigrenze bei der Zinsschranke von einer Mio. Euro auf drei Mio. Euro angehoben, allerdings beschränkt auf den Veranlagungszeitraum 2008 bis 2010. Für die weitere Entwicklung der Gewerbesteuerpolitik dürfte der Ausgang der Bundestagswahl 2009 und die anschließende Regierungsbildung von großer Bedeutung sein. Neuregelung von § 33 Grundsteuergesetz In einigen Regionen Deutschlands existieren seit einigen Jahren Massenleerstände. Die Folge war eine zunehmende Anzahl von Erlassanträgen bei der Grundsteuer, worauf jedoch nur bei vorübergehenden atypischen Leerständen ein Anspruch be stand. Ein Urteil des Bundesfinanzhofes 2007 hatte diese Rechtsprechungspraxis verworfen. Hierdurch waren für die Zukunft erhebliche Grundsteuerausfälle zu be fürchten. Es gelang jedoch, eine gesetzliche Neuregelung von § 33 Grundsteuerge setz zu erreichen, welche zwar nicht die umfassenden Erlasskriterien einschränkt, zumindest aber das steuerliche Aus fallvolumen aus diesen Erlassansprüchen mehr als halbiert. Kommunaler Finanzausgleich in Niedersachsen Im Berichtszeitraum wurde die Verbund quote der Steuerbeteiligungen für den kommunalen Finanzausgleich ab dem Jahr 2007 von 15,05 auf 15,5 v. H. angeho ben. Diese erfreuliche Tatsache bedeutet allerdings lediglich die partielle Wieder gutmachung der mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2005 vorgenommenen Absen kung. Bis zur Wiederanhebung der Verbundquote auf die bis 2005 geltenden 16,09 v. H. verlieren die niedersächsischen Kommunen weiter Jahr für Jahr rund 100 Millionen Euro an Verbundmasse, die ihnen sonst zugestanden hätte. 190 Ein Ärgernis ist jedoch der 2005 eingeführte sog. Flächenansatz, durch den insbe sondere den Landkreisen mehr Finanzausgleichsmittel zugewiesen werden in der Absicht, dem von der Landesregierung propagierten Ziel einer Förderung des länd lichen Raums zum Durchbruch zu verhelfen. Im Gesetzgebungsverfahren hatte der Niedersächsische Städtetag dargestellt, dass der gewählte Maßstab nicht sachge recht ist; dies fand jedoch keinen parlamentarischen Widerhall. Allerdings ist eine Verfassungsbeschwerde der Region Hannover anhängig, mit der diese dem Nie dersächsischen Staatsgerichtshof Gelegenheit zur Überprüfung der Verfassungs gemäßheit des Flächenansatzes gibt. Mit einer Entscheidung ist voraussichtlich im Laufe des Jahres 2010 zu rechnen. Dagegen hat das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof, mit dem elf Städte und Gemeinden sich gegen die mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2005 vorgenommene Verbundkürzung gewährt haben, inzwischen einen Abschluss gefunden. Mit Urteil des Staatsgerichtshofs vom 7. März 2008 wurden die Verfassungsbeschwerden für unbegründet erklärt. Zwar habe grundsätzlich jede niedersächsische Kommune einen individuellen Anspruch auf eine angemessene finanzielle Mindestausstattung im Rahmen des Finanzausgleichs. Dieser Anspruch stehe jedoch unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes. Wenn das Land sich seinerseits in einer Haushaltsnotlage befinde, könne es selbst die ansonsten geltende Untergrenze der finanziellen Mindest ausstattung einer Kommune unterschreiten, auch wenn die betroffene Kommune dann nicht einmal einen Mindestbestand an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben mehr wahrnehmen könne. Bezüglich der erforderlichen vergleichenden Betrachtung der finanziellen Belange von Land und Kommun en billigt der Staats gerichtshof dem Land einen weiten, verfassungsgerichtlich nicht überprüfbaren Gestaltungsspielraum zu. Auch eine Pflicht des Landesgesetzgebers, die Kommunen in einem formalisierten Verfahren an der Ermittlung der hierfür relevanten Pa rameter zu beteiligen, bestehe nicht. Stattdessen hat das Land als finanzpoliti schen Schwerpunkt Entschuldungshilfen nur für stark defizitäre Kommunen in den Blick genommen, die bislang zu den Dauerempfängern von Bedarfszuweisungen zählen. Hier ist es durch eine geänderte Vergabepraxis der Bedarfszuweisungen prinzipiell möglich, eine größere einmalige („kapitalisierte“) Bedarfszuweisung zu erhalten, wenn sodann die Notwendigkeit weiterer Bed arfszuweisungen voraus sichtlich dauerhaft entfällt. Ähnliches gilt für fusionswillige Kommunen, sofern deren Zusammenschluss bei Übernahme eines Teils der aufgelaufenen Altschulden nachhaltig konsolidiert werden kann. Es liegt auf der Hand, dass im Rahmen des für Bedarfszuweisungen jährlich insgesamt zur Verfügung stehenden Betrages nur die Entschuldung von recht kleinen Kommunen überhaupt finanzierbar ist. Daneben sind die Aktivitäten des Innenministeriums zum sog. „Zukunftsvertrag“ zu nennen. Hier wurde den kommunalen Spitzenverbänden im Sommer 2009 das An gebot unterbreitet, einen mit jährlich zusätzlichen 70 Millionen Euro gespeisten Fonds einzurichten. Die Hälfte der Summe soll von der Landesregierung, die andere Hälfte aus den Mitteln des kommunalen Finanzausgleichs aufgebracht werden. Auch hier sollen nach den ursprünglichen Vorstellungen der Landesregierung diejenigen Kommunen über etliche Jahre hinweg von Unter stützungszahlen profitieren können, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Vorzugsweise sollen dies fusionierende Kommunen sein, welche sodann aus eigener Kraft fähig seien, ohne weitere Haus haltsdefizite zu wirtschaften. Ob ein solcher Zukunftsvertrag zustande kommt und mit welchem genauen Inhalt, ist Gegenstand weiterer politischer Gespräche zwischen Landesregierung und kommunalen Spitzenverbänden im Herbst des Jahres 2009. Als einziger Lichtblick des Urteils ist eine Ausführung des Staatsgerichtshofs in der Urteilsbegründung zu bewerten, wonach der ständige Einsatz neuer Kassenkredite (seit 2006: „Liquiditätskredite“) ohne echte Rückzahlungsperspektive aus verfas sungsrechtlicher Sicht einen Formen missbrauch darstelle. Der Gesetzgeber sei bei fortschreitender Konsolidierung des Landeshaushalts verfassungsrechtlich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die entgegen den gesetzlichen Vorschriften aufgenommenen Kassenkredite auf ein zulässiges Maß zurückgeführt würden. Dies sei eine gemeinsam von Land und kommunalen Gebietskörperschaften zu bewältigende Aufgabe. Der so genannte ertragsteuerliche Querverbund ist eine zentrale Finanzierungs säule des öffentlichen Personennahverkehrs. Sein Finanzierungsvolumen beträgt bundesweit rund 1,4 Milliarden Euro jährlich. Er war durch eine umstrittene Ent scheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2007 in Frage gestellt worden. Im Zusammenwirken mit dem Bundesministerium der Finanzen gelang es den kom munalen Spitzenverbänden, erstmals eine weitreichende gesetzliche Absicherung dieser Verlustverrechnungsmöglichkeiten zu erreichen. Eine Initiative des Landes zur nachhaltigen Rückführung des Gesamtbetrages der in den niedersächsischen Kommunen inzwischen aufgelaufenen Kassenkredite ist jedoch bislang nicht angekündigt worden. Reform des Gemeindehaushaltsrechts (NKR) Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Gemeindehaushaltsrechts und zur Änderung gemeindewirtschaftlicher Vorschriften Absicherung des ertragsteuerlichen Querverbundes NST-N 10/2009 ALLGEMEINE VERWALTUNG vom 15. November 2005 ist in Niedersachsen ein neues kommunales Haushaltsund Rechnungswesen (NKR) geschaffen worden, das auf der Basis der kaufmännischen Buchführung die bisherige Kameralistik ersetzt. Spätestens nach einer sechsjährigen Übergangszeit haben ab dem Haushaltsjahr 2012 alle niedersächsischen kommunalen Gebietskörperschaften dieses neue Recht anzuwenden. Zur Umsetzung des Rechts sind etliche Fragen und Probleme zu klären bzw. Anwendungshinweise zu erarbeiten. Deshalb ist eine Arbeitsgruppe „Umsetzung Doppik“ gebildet worden, in der neben dem Innenministerium und den kommunalen Spitzenverbänden auch Vertreter aus der kommunalen Praxis mitwirken. Die Arbeitsergebnisse dieser Arbeitsgruppe werden im Internetauftritt des Innenministeriums kontinuierlich veröffentlicht. Weiteren Anpassungsbedarf gibt es bei der Bildung des Gesamtabschlusses nach dem neuen Recht sowie in der Eigenbetriebsverordnung. Für beide Bereiche sind ebenfalls entsprechende Arbeitsgruppen gebildet worden, die Novellierungsvor schläge erarbeiten. Kommunales Abgabenrecht Seit fast 15 Jahren gibt es Bestrebungen für eine Grundsteuerreform, die bis heute nicht auf den Weg gebracht worden ist. Man hatte gehofft, dass spätestens im Zu sammenhang mit der Reform der Erbschaftsteuer und des Bewertungsrechts auch Lösungen für die Grundsteuerrecht gefunden werden, doch alle von den verschiedenen Institutionen und Arbeitsgruppen vorgelegten Arbeitsentwürfe sind verworfen worden. Zuletzt hat der Deutsche Bundestag Anfang Juli 2009 einen Antrag für die Umsetzung einer Grundsteuerreform mit den Stimmen von CDU/ CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen von Grünen und Linksfraktion abgelehnt. Es bleibt abzuwarten, ob das Reformvorhaben in der nächsten Wahlperiode gelingen wird. Bei der Erhebung der Vergnügungssteuer hat sich die Rechtsprechung dahin gehend verfestigt, dass eine Pauschalbesteuerung nach dem Stückzahlmaßstab regelmäßig für nicht zulässig erachtet wird. Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht zum Ham burgischen Spielgerätesteuergesetz festgestellt, dass die Verwendung des Stück zahlmaßstabs für die Besteuerung von Gewinnspielautomaten unter den heutigen Gegebenheiten den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt. Abzuwarten bleibt auch, wie sich die EUDienstleistungsrichtlinie auf die Erhebung von Verwaltungsgebühren konkret auswirken wird. Nach Niedersächsischem Ver waltungskostenrecht werden Verwaltungsgebühren bisher nach dem Kostende NST-N 10/2009 ckungsprinzip unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips erhoben, d.h. bei der Bemessung der Gebühr muss auch der Wert des Gegenstandes der Amtshandlung berücksichtigt werden. Die EUDienstleistungsrichtlinie gilt ab 1. Januar 2010 unmittelbar und hat zur Folge, dass die Gebührensätze, die richtlinienrelevant und bislang äquivalenzorientiert berechnet worden sind, angepasst werden müssen. In diesem Zusammenhang sind jedoch noch etliche Rechtsfragen klärungsbe dürftig. Regierungskommission Klimaschutz Die Landesregierung hat im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie im Berichtszeit raum eine Regierungskommission „Klimaschutz“ eingesetzt. Vertreter der Landes regierung sollen dort gemeinsam mit den Kommunen, der Wirtschaft, Gewerk schaften sowie anderen mit den Thema befassten Institutionen und Verbänden Empfehlungen für das Regierungshandeln erarbeiten, die der rechtzeitigen Vorbereitung auf die Folgen des Klimawandels für Niedersachsen sowie der Vermeidung von Treibhausgasimmissionen dienen und die auf Landesebene umsetzbar sind. In einzelnen Arbeitsgruppen findet eine umfassende Analyse des Klimaschutzes und des Energieverbrauchs in Niedersachsen, der Gebäudeenergie, zu erneuerbaren Energien sowie zur Kraftwärmekopplung, zu Fragen des Klimawandels in der Land- und Forst wirtschaft ebenso wie im Naturschutz, Wasserwirtschaft und zum Bodenschutz statt. Die Geschäftsstelle sowie kommunale Praktiker und Praktikerinnen sind in der Kommission wie auch in den Arbeitskreisen vertreten. Luftqualität Mit der Diskussion und Umsetzung von ersten Umweltzonen haben die Städte und Gemeinden einen großen Beitrag zur Bekämpfung der Feinstaubproblematik in den Ballungsräumen im Berichtszeitraum geleistet. Die Städte und Gemeinden der sog. Ballungsräume 2 sind in den Planungsvorbereitungen für diese Diskussions- und Ausweisungsplanungen. Aus Sicht des Niedersächsischen Städtetages bleibt es völlig unakzeptabel, dass die EU, der Bund und das Land Niedersachsen im Bereich des Straßenverkehrs den Städten und Gemeinden die Hauptlast der Feinstaubbekämpfung aufgebürdet hat. Die Erfolgsaussichten kommunaler Maßnahmen bleiben bei allen Anstrengun gen auf lokaler Ebene eng begrenzt, solange der Schadstoffausstoß von Pkw und Lkw nicht durch geeignete Maßnahmen an der Quelle gesenkt wird. Unter anderem werden Umweltzonen helfen, die Feinstaubbelastung zu senken. Sie hängt aber nicht nur vom Straßenverkehr vor Ort ab, sondern Maßgeblich auch von externen Faktoren wie der Wetterlage oder der sog. Hintergrundbelastung. Zurzeit bereitet das Bundesumweltministerium eine Änderung des Immissions schutzrechtes zur innerstaatlichen normativen Umsetzung einer überarbeiteten EULuftqualitätsrichtlinie vor. Die neue Richtlinie hat alle bereits eingeführten Luftquali tätswerte übernommen. Dazu gehören auch die ab 2010 geltenden Grenzwerte für Stickoxid und Benzol. Hier sind große Probleme für die Städte und Gemeinden bei der Einhaltung des Grenzwertes bereits jetzt abzusehen. Neue Qualitätswerte wurden für Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von unter 2,5 Mikrometer (PM 2,5) festgelegt. Projekt „Klimawandel und Kommunen“ Das unter der Schirmherrschaft des Nie ders ächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff MdL stehende Projekt „Klimawandel und Kommunen“ ist im Be richtszeitraum von den kommunalen Spitzenverbänden in Niedersachsen sowie leistungsstarken Partnern aus der Energieund Finanzwirtschaft gegründet worden. Ziel des Projektes ist es, • das Thema Klimaschutz und Klimawandel auf den Handlungsrahmen der Kommunen zu projizieren, • praktikable Handlungsoptionen für die Kommunen zu identifizieren, zu erarbei ten und zu kommunizieren, • über die Kommunen auch die Bürger für Fragen des Klimaschutzes zu sensibili sieren und • den Austausch und die Zusammenarbeit von Kommunen und anderen Netzwerken im Bereich des Klimaschutzes zu unterstützen. Kommunales Portal U Die Europäische Union hat die Mitgliedstaaten verpflichtet, durch gesetzliche Re gelungen einen öffentlichen Zugang zu Umweltinformationen bei Verwaltungsträ gern zu schaffen. Nach dem Niedersächsischen Umweltinformationsgesetz sind alle Kommunalbehörden verpflichtet, bestimmte Umweltinformationen elektronisch bereitzustellen. Bund und Länder haben, um diesen Verpflichtungen nachzukommen, das sog. „Portal U“ entwickelt. Dieses wird gemeinsam von Bund und Ländern betrieben. Damit auch die Einheitlichkeit der Darstellung im kommunalen Bereich gewährleistet bzw. angeboten werden kann, haben der Niedersächsische Städtetag und die anderen kommunalen Spitzenverbände mit dem Niedersächsischen Umweltministerium ein sog. kommunales Portal U (www.portalu. niedersachsen.de) entwickelt. Die Testphase wurde im Berichtszeitraum abgeschlossen und der reguläre Betrieb ist aufgenommen worden. 191 ALLGEMEINE VERWALTUNG Gesetz über die Ladenöffnungszeiten Im Zuge der Föderalismusreform 2006 haben die Länder die Kompetenz erhalten, die Ladenöffnungszeiten neu zu regeln. Dies ist für Niedersachsen mit dem Gesetz über die Ladenöffnungszeiten vom 8. März 2007 (Nds. GVBl. S. 111) geschehen, das insoweit das Ladenschlussgesetz des Bundes abgelöst hat. Das Gesetz enthält die weitgehende Freigabe der Öffnungszeiten an Werktagen, die dem Einzelhandel die erforderliche Flexibilität geben soll, sich auf die Bedürfnisse der Verbraucher einzustellen. Der Sonn- und Feiertagsschutz gebietet es allerdings, die Ausnahmen für die Öffnungen an Sonn- und Feier tagen auf das notwendige Maß zu beschränken. Mit dem Gesetz sollen gleich zeitig auch bürokratische Regelungen abgebaut werden. In Anbetracht der bundesweiten Tendenz, die Ladenöffnungszeiten freizugeben, kann sich Niedersachsen dieser Bewegung nicht verschließen. Deshalb haben wir uns als Niedersächsischer Städtetag – nach umfangreicher Beteiligung unserer Mitglieder – mit den grundsätzlichen Zielen des Gesetzes einverstanden erklärt. Gleichzeitig haben wir zum Ausdruck gebracht, dass das Gesetz mit den weit rei chenden Öffnungszeiten sich allerdings unter Umständen erheblich nachteilig auf den ländlichen Raum auswirken kann. 192 Von besonderer Bedeutung sind die Regelungen zu den anerkannten Ausflugsor ten, die erweiterte Möglichkeiten zur Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen haben. In einer gemeinsamen Eingabe des Niedersächsischen Städtetages mit der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen und dem Katholischen Büro sowie dem Handelsverband BAG Niedersachsen an die Sozialministerin und den Wirtschaftsminister ist unter Hinweis auf die vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Grundsätze für die Anerkennung von Ausflugsorten nach dem Niedersächsischen Gesetz über die Ladenöffnungszeiten darauf aufmerksam gemacht worden, dass die durch die Privilegierung der Ausflugsorte beim Sonntagsverkauf entstehenden Kaufkraftverlagerungen eindeutig zulasten der kleinstädtisch-gemeindlichen Umlandkommunen größerer Städte gehen. Diesem Problem kann nur mit einer Gesetzesnovellierung begegnet werden, indem die an Sonntagen in Ausflugsorten zulässigen Sortimente wieder weitestgehend auf das zurückgeführt werden, was vor der gesetzlichen Neuregelung galt. Dieser Optimierungsbedarf ist auch vom Land anerkannt worden. Mit dem Gesetz über die Sonn- und Feiertagsregelung für Verkaufsstellen vom 20. Februar 2009 (Nds. GVBl. S. 31) ist deshalb in Ausflugsorten der Verkauf von Bekleidung und Schmuck aus dem sonntägli- chen Warenangebot wieder herausgenommen worden. Als Ausgleich für das reduzierte Warenangebot ist aber gleichzeitig die Zahl zulässiger Sonn- und Feiertagsöffnungen von vier auf acht pro Jahr für Ausflugsorte erhöht worden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Landesregierung gesetzlich beauftragt ist, bis zum 21. März 2010 die Auswirkungen des Ladenöffnungsgesetzes zu über prüfen. Personenstandswesen Am 1. Januar 2009 ist das Personenstandsrechtsreformgesetz in Kraft getreten. Es enthält diverse rechtliche Änderungen. Hierbei macht insbesondere die Vielzahl der Regelungen mit IT-Bezug deutlich, dass sich die Standesämter auf grundlegende Veränderungen im täglichen Verwaltungsvollzug einzustellen haben. So werden die Personenstandsregister ab Anfang 2009 elektronisch geführt, jedoch wird für den Übergang vom papiergeführten Buchwesen auf die elektronische Registerführung ein Übergangszeitraum bis Ende 2013 ermöglicht. Die elektronische Registerführung ermöglicht künftig auch die Beantragung einer Personenstandsurkunde bei einem anderen als dem zuständigen Standesamt und die elektronische Übermittlung der Urkunde an das Standesamt, bei dem Ausstel lung beantragt wurde. Das Land Niedersachsen beabsichtigt bis auf Weiteres nicht, von der Ermächtigung zur Einführung eines Landespersonenstandsregisters Gebrauch zu machen. Des Weiteren wird es zunächst für die Jahre 2007 bis 2010 die Kosten für die Entwick lung des für die sichere elektronische Datenübermittlung erforderlichen personen standsrechtlichen Datenstandards gemeinsam mit den anderen Ländern finan zieren. Auch hält es an der Grundentscheidung fest, das Personenstandswesen in kommunaler Verantwortung durch die Standesämter vollziehen zu lassen. Die Einführung der elektronischen Registerführung verursacht Kosten. Diese kön nen zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht verifiziert werden. Deshalb haben sich die kommunalen Spitzenverbände bereit erklärt, die mit dem neuen Gesetz ge sammelten Erfahrungen durch eine Evaluation auszuwerten. Hierfür soll ein Erfah rungsschatz von zwei bis drei Jahren zugrunde gelegt werden. Im Laufe des Jahres 2011 sollen dann beispielhafte Kommunen verschiedener Größenk lassen ausgewählt werden, bei denen Arbeitsabläufe mit dem neuen elektronischen Verfahren bereits erprobt und routinemäßig eingesetzt werden. Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Evaluation wird in enger Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden erfolgen. Änderung der Arbeitszeitverordnung für die Feuerwehren Der Europäische Gerichtshof hatte im Juli 2005 entschieden, dass die Tätigkeiten, die von den Einsatzkräften einer hauptberuflichen Feuerwehr ausgeübt werden, in der Regel in den Anwendungsbereich der EU-Arbeitszeitrichtlinie fallen, so dass die darin festgelegte Obergrenze von 48 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit grundsätz lich nicht überschritten werden darf. In der Folge musste die Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des Feuer wehrdienstes, die eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 56 Stunden vorsah, an das EU-Recht angepasst werden. Um aber Gestaltungsmöglichkeiten für die Städte zu eröffnen, ist die Möglichkeit einer sog. Opt-out-Regelung vorgesehen, die es in den einzelnen Standorten ermöglicht, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (48 Stunden) auf dem Prinzip der Freiwilligkeit der Feuerwehrbeamten im Einzelfall zu verlängern, um so die bisherigen 24-Stunden-Schichtdienste beibe halten und eventuelle Personalengpässe bis zur Ausbildung erforderlicher zusätzli cher Feuerwehrkräfte überprüfen zu können. Die Verordnung ist am 13. Juli 2007 in Kraft getreten (Nds. GVBl. S. 296). Die Verordnung ist in enger Absprache zwischen Innenministerium und Nieder sächsischem Städtetag erfolgt, wobei es insbesondere durch die Opt-out-Regelung den Standorten ermöglicht wird, individuelle Vorortregelungen zu treffen. Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheits aufgaben (BOS) In den nächsten Jahren soll das analoge Funknetz durch ein digitales Funknetz in Deutschland abgelöst werden. Die Kosten dieses Basisnetzes werden zu je 50 Prozent vom Bund und den Ländern getragen. Mit Blick auf den Finanzierungsanteil des Landes stellt sich für die kommunale Seite die Frage, in welcher Form sie an den Kosten zu beteiligen ist. In einer Reihe von Gesprächen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem Innenministerium sind bislang folgende wichtige Ergebnisse erzielt worden: 1. Für die kommunale Betriebskostenbeteiligung wird ein pauschaler Bemes sungsbetrag in Höhe von 14 Millionen Euro jährlich zugrunde gelegt. Der kommunale Anteil daran beträgt 30 Prozent = 4,2 Millionen Euro jährlich. Das Innenministerium hat verbindlich zugesagt, diesen Betrag als Höchstgrenze über einen Zeitraum von fünf Jahren festzuschreiben (Nichtanwendung von Preisgleitklauseln in diesem Zeitraum). Der Festschreibungszeitraum beginnt, sobald der ersten Kommune die Nut zungsmöglichkeit des Netzes uneinge NST-N 10/2009 ALLGEMEINE VERWALTUNG schränkt zur Verfügung steht. Der Zeitpunkt ist voraussichtlich dann erreicht, wenn das Netz in einem definierten Bereich errichtet ist und der vertraglich durchgeführte „Erweiterte Probebetrieb“ (Dauer sechs Monate) dort abge schlossen wurde. 2. Die prozentuale Beteiligung der Kommunen an den Betriebskosten des Landes wird nach fünf Jahren einer Revision unterzogen. 3. Kreisfreie Städte, Region Hannover und Landkreise brauchen im ersten Jahr der Nutzung keine Beteiligung an den Betriebskosten des Landes zu entrichten, soweit sie dem Digitalfunk zum frühstmöglichen Zeitpunkt beitreten und eine flächende Einführung gewährleisten. 4. Das Land beabsichtigt noch (mindestens) eine weitere Ausschreibung von Endgeräten und bietet den Kommunen an, sich im Rahmen der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen daran zu beteiligen. Dieses wird voraus sichtlich für jede Kommune der verbindlichen Festlegung einer konkreten Bestellmenge bedürfen. Der Abruf wird dann über einen längeren Zeitraum individuell möglich sein. 5. Es ist beabsichtigt, eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Innenminis terium und kommunalen Spitzenverbänden zu erarbeiten, die auf der Grundlage der Abstimmungen erstellt wird und zwischen dem Land und jeder kreisfreien Stadt, jedem Landkreis und der Region Hannover zu schließen sein wird. Schulgesetz Wie schon in der Vergangenheit war der Schulbereich erneut etlichen Änderungen unterworfen. Es gab insbesondere auch zwei Änderungen des Niedersächsischen Schulgesetzes. Im Jahr 2008 wurde das bis dahin bestehende Verbot der Errich tung neuer Gesamtschulen gestrichen. Dieses wurde seitens des NST ausdrücklich begrüßt, anders als die damit einhergehende Verpflichtung, parallel zu Gesamt schulen auch das dreigliedrige Schulsystem vorhalten zu müssen. Ebenfalls seitens des Verbandes kritisiert wurde die mit diesem Gesetz vorgenommene Erhöhung der Mindestzügigkeiten von IGS’en und nach Schulzweigen gegliederten KGS’en von vier auf nunmehr fünf Züge. Eine weitere Schulgesetznovelle hat der Landtag im Juni 2009 beschlossen. Mit dieser wurden insbesondere die noch bestehenden Vollen Halbtagsschulen zum August 2010 abgeschafft und das zwölfjährige Abitur auch an allen Gesamt schulen eingeführt. Der NST hat diese Gesetzesinitiative zum Anlass genommen, darauf hinzuweisen, dass landesweit nicht nur an den Standorten der bisherigen Vollen Halbtagsschulen ein Bedarf an gebun- NST-N 10/2009 denen Ganztags-Grundschulen besteht, den das Land füllen muss. Zum sog. „Turbo-Abitur“ wurde betont, dass bei dessen Einführung eine erhebliche Entschlackung der Unterrichtsinhalte hätte erfolgen müs sen. Der NST hat gefordert, dieses nunmehr dringend nachzuholen. Des Weiteren wurde erneut darauf hingewiesen, dass die bestehenden Möglichkeiten der Zu sammenarbeit von Hauptschulen und Realschulen nicht ausreichen und dass den Schulträgern die Option gegeben werden muss, diese Schulen je nach den örtlichen Bedürfnissen auch inhaltlich zu einer neuen Schulform zusammenzufassen. Kommunalisierung von Schulen Die im Rahmen der letzten Städteversammlung im März 2007 in Celle be schlossenen „Celler Thesen“ zur kommunalen Bildungspolitik beinhalten die Forderung, die Kommunalisierung von Schulen zu erproben. Ministerpräsident Wulff hat sich ebenfalls für einen Modellversuch ausgesprochen. Erste Anzeichen dafür, dass das Kultusministerium diesem Wunsch entsprechen könnte und dass ge meinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden ein Schulversuch für den Bereich der Grundschulen vorbereitet werden könnte, scheinen sich allerdings nicht zu bestätigen. Mittagessen an Schulen Eine der Forderungen des NST für die neue Landtagswahlperiode bestand darin, dass das Land sich zur Ausweitung der Ganztagsbetreuung an den Kosten der Mittagsverpflegung beteiligen sollte. Erstmals im Jahr 2008 hat das Land zur Unterstützung bedürftiger Schülerinnen und Schüler einen Zuschuss für die Mittagsversorgung bereitgestellt. Abweichend von den Vorstellungen der kommunalen Spitzenverbände wird dieser nicht für Schülerinnen und Schüler an allen Schulen gewährt, an denen tatsächlich ein Mit tagessen angeboten wird, sondern nur für solche, die an förmlich genehmigten Ganztagsschulen unterrichtet werden. Das Land verlangt dabei eine Kofinanzierung auf örtlicher Ebene, wobei auf unser Drängen hin von ersten Überlegungen abgewi chen wurde, diese zwingend vom Schulträger zu erwarten. Vielmehr kann die Kofi nanzierung auch durch sonstige örtliche Initiativen (Eltern- oder Fördervereine, Stiftungen etc.) erbracht werden. Der vom Land angenommene durchschnittliche Essenspreis von 2,50 Euro wurde von uns als deutlich zu niedrig bewertet. Der Nie dersächsische Landtag hat auch für das Jahr 2009 Haushaltsmittel bereitgestellt, um dieses Programm fortzuführen. In Gesprächen mit Landesregierung und Koaliti onsfraktionen bemüht sich die Geschäftsstelle, die Regelung dauerhaft zu sichern. Verwaltungsaufwand in Eigenverantwortlichen Schulen Als der Landtag im Juli 2006 beschloss, sog. Eigenverantwortliche Schulen einzu führen, haben die kommunalen Spitzenverbände darauf hingewiesen, dass Schulen neue Aufgaben nur dann übertragen werden dürfen, wenn das Land auch dafür sorgt, dass diese Aufgaben personell wahrgenommen werden können. Das Land bestreitet nach wie vor, dass Mehraufwand in den Schulsekretariaten anfällt, die Schulträger weisen uns aber immer wieder darauf hin, dass diese Einschätzung nicht zutrifft. Daher ist auf Anregung der NST-Geschäftsstelle ein Arbeitskreis der kommunalen Spitzenverbände unter Mitwirkung von Praktikerinnen und Praktikern aus den Schulverwaltungen gegründet worden, der den Versuch unternimmt, eine systematisierte Abfrage unter den Mitgliedern durchzuführen, auf deren Grundlage dem Land fundiert nachgewie sen werden kann, dass ein tatsächlicher Mehraufwand entstanden ist. Diesen müsste das Land seinen in der Vergangenheit getroffenen Zusagen zufolge nach dem Grundsatz des Konnexitätsprinzips finanziell ausgleichen. Kultur rund um die Uhr Nach 1999, 2002 und 2005 wurde vom 4. bis 7. September 2008 zum vierten Mal die Kulturinitiative „Kultur rund um die Uhr“ durchgeführt. Unter der Schirmherr schaft des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff MdL haben NST und NSGB ihre Mitglieder gemeinsam dazu aufgerufen, die Bedeutung des Enga gements der niedersächsischen Städte, Gemeinden und Samtgemeinden für die Kulturarbeit unter Beweis zu stellen. Dieser Beweis ist aus Sicht der Geschäftsstelle erneut gelungen. Mehr als 80 teilnehmende Kommunen haben sich mit weit über 300 Einzelveranstaltungen an der Initiative beteiligt. Novellierung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes Bei den in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Gesprächen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden, den Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie dem Landesamt für Denkmalpflege wurden Eckpunkte einer Novellierung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes erörtert. Neben einzelnen Aspekten der Archäologie soll versucht werden, das Verursacherprinzip bei Baumaßnahmen stärker im Gesetz zu verankern; auch wird über Regelungen zu energetischen Sanie rungsmaßnahmen und Solaranlagen an Denkmälern nachgedacht. Daneben würde eine Niedersächsische Dankmalkommission installiert, die allerdings nicht im Gesetz verankert ist. Eine Arbeitsgruppe der kommunalen Spitzenverbände unter Fed erführung des Niedersächsischen 193 ALLGEMEINE VERWALTUNG Städtetages hat sich mit den geplanten Gesetzesänderungen befasst, sah jedoch keinen grundlegenden Bedarf zur Ände rung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes. Nachdem jedoch inzwischen ein Gesetzentwurf der Landtagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vorliegt, hat das Ministerium angekündigt, einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen zu wollen. Einrichtung einer Niedersächsischen Denkmalkommission Auf Anregung des Niedersächsischen Heimatbundes hat der Minister für Wissen schaft und Kultur eine Niedersächsische Denkmalkommission installiert. Das Gre mium soll eng an das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege ange bunden sein und das Recht haben, Stellungnahmen zu grundsätzlichen Problemen und Fragestellungen der Denkmalpflege abzugeben. Die Kommission soll auch gegenüber dem Landesamt Empfehlungen zur Überprüfung von Objekten auf ihre Wertigkeit abgeben dürfen. Eine Aufsichtsfunktion wird der Kommission nicht zugestanden. Der Niedersächsische Städtetag hat sich gegen die Einrichtung einer Denkmal kommission ausgesprochen, weil zu befürchten sei, dass diese aktiv und un gefragt auf die Entscheidungen der Unteren Denkmalschutzbehörden einzuwirken versuche. Ein Gremium mit Beratungsfunktion wird neben dem Landesamt für Denk malpflege nicht als erforderlich angesehen. Der Niedersächsische Städtetag entsendet gleichwohl – wie auch die beiden anderen kommunalen Spitzenverbände – einen Vertreter in die Denkmalkommission. SGB II und Pflege Neben einer Fülle von Einzelthemen unterschiedlichster Art haben vor allem drei Themenfelder die Arbeit des Städtetages im Sozialbereich im Berichtszeitraum ge prägt. An erster Stelle zu nennen ist der zwischen Bund, Ländern und Kommunen verabredete massive Ausbau der Betreuungskapazitäten für Kinder im Alter von bis zu drei Jahren (vgl. hierzu Abschnitt „Kinder und Jugendliche“). Ein zweiter Schwerpunkt ist die Diskussion um die Zukunft der SGB II-Trägerschaft nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2007. Drittens schließlich wurde insbesondere die Geschäftsstelle stark durch landesrechtliche Folgen aus dem Bundesgesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom 28. Mai 2008 in Anspruch genommen. Sozialgesetzbuch II 194 Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 20. Dezember 2007 ist die Erbringung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in der organisatorischen Form der Arbeitsge- meinschaften verfassungswidrig. Die notwendige Neuregelung muss spätestens mit Ablauf des Jahres 2010 in Kraft treten. Aus praktischen Gründen wäre jedoch eine deutlich frühere Entscheidung über die Systemfrage sinnvoll gewesen. Es stellte sich jedoch trotz intensiver Diskussionen über diverse unterschiedliche Reformmodelle schließlich heraus, dass vor der Bundestagswahl im September 2009 keine Einigung möglich sein würde. Somit wird die Frage, welche Organisati onsform(en) im Bereich des SGB II ab 2011 bestehen sollen, ein vorrangiges und drängendes Thema des Jahres 2010 werden. Pflegeversicherung Im letzten Geschäftsbericht (NST-N 3/2007) wurde ausführlich dargestellt, in welc hem verbandspolitischen Spannungsfeld der Niedersächsische Städtetag sich im Bereich der Pflegeversicherung befindet. Weiterhin gilt generell, dass im Bereich der Pflegeversicherung die Interessengegensätze in Niedersachsen sehr hart aufeinanderprallen. Die neuen Vorgaben des Bundesrechts waren in mühevollen Verhandlungen im zweiten Halbjahr 2008 sowie in 2009 in die für Niedersachsen geltenden Landesrahmen verträge einzuarbeiten. Daneben gelang es, eine vom Niedersächsischen Sozialministerium erwünschte und unter dessen Moderation ausgehandelte Vereinbarung über die Begründung von Pflegestützpunkten in Niedersachsen mit den Verbänden der Pflegekassen auszuhandeln. Kernstück dieser Vereinbarung ist ein finanzielles Angebot der Kassen, bis zu einer Höhe von rund zwei Millionen Euro jährlich Pflegestützpunkte in den Kreisen und kreisfreien Städten finanziell zu unterstützen. Die Teilnahme an diesem Programm steht jeder berechtigten Kommune frei. Zunehmender politischer Druck in Niedersachsen besteht, was die Höhe der Pfle gesätze für die stationäre Pflege angeht. Traditionell sind diese in Niedersachsen besonders niedrig, was auch daran liegt, dass hier der Anteil von Einrichtungen in privater Trägerschaft besonders hoch ist. Insbesondere die Landesarbeitsgemein schaft der Freien Wohlfahrtspflege hat durch eine Kampagne der Jahre 2008/2009 massiv öffentlich darauf hingewiesen, dass Insolvenzen ihrer Pflegeeinrichtungen nicht mehr ausgeschlossen werden könnten. Vor diesem Hintergrund beschloss – nach intensiver Erörterung in den Fachgremien des Verbandes – das Präsidium des Verbandes im Februar 2009, den Städten die Anwendung eines so genannten „Vereinfachten Verfahrens“ zur begrenzten Erhöhung von Pflegeent gelten zu empfehlen. Die Abwägung zwischen fiskalischen und sozialpolitischen Gesichtspunkten in diesem Themenfeld wird auch künftig eine besondere Heraus forderung für die niedersächsischen Sozialhilfeträger sein. Seniorenservicebüros 2008 wurde vom Sozialministerium, leider ohne jegliche Abstimmung mit den kom munalen Spitzenverbänden, ein Landesprogramm zur Förderung von Seniorenser vicebüros aufgelegt. Ziel dieser Einrichtungen ist es, dem erhöhten Beratungsund Unterstützungsbedarf älterer Menschen im Zusammenhang mit dem demo grafischen Wandel zu entsprechen. Die Förderung des Landes ist eine Anschub finanzierung in Höhe von 40.000 Euro jährlich (Personal- und Sachkosten) und endet nach vier Jahren. Nachdem in einem ersten Schritt 16 Seniorenservicebüros ge nehmigt wurden, hat das Land seine Fördermittel inzwischen soweit aufgestockt, dass bis zum Jahresende 2011 in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt die Förderung eines solchen Büros möglich ist. Wie stets fragt sich auch bei dieser Anschubfinanzierung, wie nach Ablauf von vier Jahren der weitere Betrieb gewähr leistet werden soll. Immerhin ist es den kommunalen Spitzenverbänden in den Verhandlungen über die Pflegestützpunkte gelungen durchzusetzen, dass Pflegestütz punkte und Seniorenservicebüros organisatorisch miteinander kombiniert werden können. Integration Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist das Thema Integration von zunehmender Bedeutung. Anlässlich des Integrationsgipfels auf Bundesebene Mitte 2007 wurde der nationale Integrationsplan vorgestellt. Die kommunalen Spitzenverbände sind in einem eigenen Beitrag neben der Bundesregierung und den Ländern Selbstverpflichtungen zur Verbesserung der Integration eingegangen. Selbstverpflichtungen für ihre Mitglieder haben die kommunalen Spitzen verbände naturgemäß nicht abgegeben. In einer ersten Zwischenbilanz ist fest gestellt worden, dass die Städte, Gemeinden, Samtgemeinden und Landkreise in Deutschland das Thema Integration noch stärker in den Mittelpunkt ihres Handelns gerückt haben und sie sich auf vielfältige Weise engagieren, um allen Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe am sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen. Auf Landesebene ist das Handlungsprogramm Integration unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände fortgeschrieben worden. Schwerpunkte waren die Bereiche Sprache und Bildung, Übergang Schule/Beruf, Integration in das Er werbsleben, interkulturelle Öffnung und interkulturelle Kompetenz, Lebensbedin gungen von Frauen, Integration vor Ort, Religion und Gesundheit. NST-N 10/2009 ALLGEMEINE VERWALTUNG Diesem wichtigen gesellschaftlichen Anliegen wird dort, wo die Integration stattfin det, nämlich an der kommunalen Basis, bereits in vielfältiger Art und Weise Rech nung getragen. Bei verschiedenen Gegebenheiten wird dies immer wieder deutlich. Damit diese guten positiven Beispiele landesweit bekannt werden, haben unsere Mitglieder künftig die Möglichkeit, in loser Folge über ihre Aktivitäten vor Ort in unserer Verbandszeitschrift, den NSTNachrichten, zu berichten. Rechte der Menschen mit Behinderung Die Rechte der behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen sind seit Mitte 2001 im Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behin derter Menschen (SGB IX) geregelt. Es hat zum Ziel, behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen in ihrer Selbstbestimmung und in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu fördern. Allerdings ergeben sich die konkreten monetären Leistungsansprüche nicht aus dem SGB IX, sondern aus den entsprechenden Leistungsgesetzen. Beispielhaft zu nennen sind hier das Persönli che Budget und für behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder die Früher kennung und Frühförderung. Hier sind die konkreten Leistungsgesetze das SGB XII (Sozialhilfe) bzw. SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) und SGB XII. Seit dem 1. Januar 2008 besteht ein Rechtsanspruch auf ein Persönliches Budget, d.h. der behinderte oder von Behinderung bedrohte Mensch kann beantragen, die ihm zustehenden Leistungen zur Teilhabe über ein Persönliches Budget – auch Rehabilitationsträger übergreifend – zu erhalten. Damit soll den Leistungs berechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbst bestimmtes Leben ermöglicht werden. Das Persönliche Budget wird dann als Komplexleistung von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend erbracht. zung der Frühförderungsverordnung erar beitet. Die einvernehmliche Verständigung auf einheitliche Parameter – einschließlich der Finanzierung – war ein langer Weg und ausgesprochen schwierig. Dies lag auch daran, dass die Strukturen der Kostenträger, hier gesetzliche Krankenkassen und Sozialhilfeträger, äußerst unterschiedlich sind. Vor diesem Hintergrund erfolgt die praktische Umsetzung der Erbringung von Leistungen, der Früherkennung und Früh förderung als Komplexleistung, nur sehr zögerlich. Das Diskriminierungsverbot für Menschen mit Behinderung ist im Grundgesetz (Art. 3) und ebenso in Art. 3 der Niedersächsischen Verfassung verankert. Neben dem Bestehen sozialrechtlicher Ansprüche sollen Menschen mit Behinderung ohne besondere Erschwernisse gleiche Chancen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft haben. Das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes gibt den Rahmen für die Bundesebene vor. Vor diesem Hintergrund hat der Landes gesetzgeber Ende 2007 das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Be hinderungen beschlossen. Es war eines der ersten Gesetze, das nach Einführung der Konnexität auf dem Weg gebracht worden ist. Die finanziellen Auswirkungen wurden in der Folgekostenabschätzung im Hinblick auf das Konnexitätsprinzip zunächst als geringfügig dargestellt. Hier konnten die kommunalen Spitzenverbände im Gesetzgebungsverfahren erreichen, dass die kommunalen Gebietskörperschaf ten einen Ausgleich erhalten; die kommunalen Spitzenverbände hatten den notwendigen Kostenausgleich auf wenigstens 4,7 Millionen Euro beziffert, das Land war jedoch nur bereit, 1,5 Millionen Euro anzuerkennen. Das Gesetz soll nun zum 31. Dezember 2010 evaluiert werden; dabei müsste nachvollziehbar dargelegt werden, dass dieser Betrag nicht ausreicht. Die kommunalen Spitzenverbände haben unter Beteiligung von kommunalen Prak tikern in einer Arbeitsgruppe verbandsinterne Rahmenempfehlungen erarbeitet, die die Verhandlungen und die Umsetzung des Persönlichen Budgets vor Ort unter stützen sollen. Ziel der Behindertenpolitik ist die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderung von Anfang an ein Leben in der Mitte der Gesellschaft ohne Barrieren führen und ihre Rechte ausüben können. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der Bundesgesetzgeber die UN-Menschenrechtskonvention kurzfristig in nationales Recht umgesetzt hat. Im Bereich der Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinde rung bedrohter Kinder ist es das Ziel, die entsprechenden Leistungen als Komplex leistungen zuständigkeitsübergreifend zur Verfügung zu stellen. Dafür haben die kommunalen Spitzenverbände zusammen mit den Landesverbänden der Krankenkas sen und den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege auf Landesebene eine Landesrahmenempfehlung zur Umset- Zeitgleich hat der Deutsche Bundestag eine Entschließung angenommen, in der festgestellt wird, dass das Übereinkommen den Paradigmenwechsel in der Politik für Menschen mit Behinderungen bestätigt. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung darin auf, insbesondere im schulischen Bereich für die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen Sorge zu tragen. Es ist davon auszugehen, dass die Umsetzung des NST-N 10/2009 Übereinkommens in der nächsten Legislaturperiode mit Nachdruck begonnen wird. Kinder und Jugendliche Ein Schwerpunkt der Verbandsarbeit war in den vergangenen Jahren das breite Spektrum des Bereichs Kinder und Jugendliche. Nur zwei besonders wichtige Themen sollen hier erwähnt werde. Ausbau des Betreuungsangebotes für Kinder Die Jugendministerkonferenz, die zuständige Bundesministerin und die kommuna len Spitzenverbände haben sich anlässlich ihrer Zusammenkunft im April 2007 („Krippengipfel“) auf Folgendes verständigt: Bis zum Jahr 2013 soll es in der Bundesrepublik Deutschland Betreuungsplätze für unter Dreijährige in den Kindertageseinrichtungen und der Tagespflege gemäß dem europäischen Standard von bundesweit durchschnittlich 35 Prozent geben. Damit hat man sich darauf verständigt, dass bereits ab Januar 2005 geltende Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) und damit verbundene Ausbauziel von 20 Prozent auszuweiten. Im September 2007 haben die Länder der bundesweiten Einführung eines Rechts anspruchs auf ein Betreuungsangebot für alle Kinder vom vollendeten 1. bis zum 3. Lebensjahr mit Beginn des Kindergartenjahres 2013/2014 zugestimmt. Bund, Länder und Kommunen waren sich einig, dass das ehrgeizige Ausbauziel nur mit gemeinsamen Anstrengungen erreicht werden kann. Zur Finanzierung des Ausbaus der Kinderbetreuungsangebote beteiligt sich der Bund einmalig an den Investitions- und dauerhaft an den Betriebskosten. Die Län der haben sich verpflichtet, die Bundesmittel tatsächlich und zusätzlich den Kom munen und Trägern zur Verfügung zu stellen und außerdem ebenfalls finanzielle Voraussetzungen zu schaffen, dass die vereinbarten Ziele erreicht werden. Auf dieser Basis ist Ende vergangenen Jahres das Kinderförderungsgesetz mit den Detailregelungen verabschiedet worden. Auf Landesebene haben bereits kurz nach dem Krippengipfel die ersten Spitzenge spräche zwischen der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden zur möglichst zügigen Umsetzung des Ausbaus der Kinderbetreuungsangebote stattgefunden. In konstruktiven Gesprächen sind auf der Grundlage des vorhandenen Datenmaterials im Wesentlichen die finanziellen Parameter vereinbart worden. Für das Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung“ 2008 bis 2013 ist zwischen Bund und Ländern eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen worden. 195 ALLGEMEINE VERWALTUNG Die darauf basierende Landes-Förderrichtlinie „Investitionen Kinderbetreuung“ hat nach derzeitigen Erkenntnissen vor Ort viel Irritation und Unzufriedenheit in der praktischen Umsetzung erzeugt. Insbesondere hat sich auch gezeigt, dass die vom Land vorgesehene fünfprozentige Kofinanzierung mit Landesmitteln bei den Investitionskosten bei weitem nicht auskömmlich ist. Die Betriebskostenfinanzierung erfolgt auf der Grundlage des Ende 2008 vom Bun desgesetzgeber verabschiedeten Kinderförderungsgesetzes. Die Bundesmittel werden über erhöhte Umsatzsteueranteile an die Länder weitergegeben. Auf Landesebene haben die Niedersächsische Landesregierung und die Arbeitsge meinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens für die Umsetzung die finanziellen Rahmenbedingungen in einer gemeinsamen Erklärung festgelegt. Dabei ist zunächst das Finanzvolumen, das benötigt wird, um das Ausbauziel bis 2013 zu erreichen, festgelegt worden. Hierfür sind alle ab dem 18. Oktober 2007 neu zu schaffenden Plätze in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege, d.h. oberhalb eines landesweiten Ausbaustandes von 6,9 Prozent für unter Dreijährige, eingeflossen. Pro Krippenplatz sind Kosten in Höhe von 12.000 Euro bei einer achtstündigen Betreuung zugrunde gelegt worden, wobei für die Berechnung des Fi nanzvolumens eine Betreuung von sechs Stunden angesetzt wurde. Die bisherige Personalkostenfinanzierung ist in die Berechnung ebenfalls mit eingeflossen. Abgesetzt wurde ein unterstellter Elternbeitrag von 25 Prozent sowohl für Krippenplätze wie auch für die Kinder tagespflege. Die nach dieser Berechnung ermittelte Gesamtsumme der Betriebs kostenzuschüsse für Krippen und Kindertagespflege wird für die gleichmäßige Finanzierung aller Betreuungsplätze für unter Dreijährige verwendet. Für das Jahr 2011 ist eine Revisionsklausel vereinbart worden, da die Ermittlung des Finanzvolumens in wesentlichen Bereichen auf Schätzungen beruht. Zur Umsetzung dieser gemeinsamen Erklärung hat der Niedersächsische Landtag inzwischen eine Änderung des Kindertagesstättengesetzes verabschiedet und die Änderung der entsprechenden Durchführungsverordnung ist vom zuständigen Mi nisterium auf den Weg gebracht worden. Für den Bereich der Kindertagespflege ist vereinbart worden, dass die gesamte Landesförderung bis einschließlich 2010 über die Förderrichtlinie zum Landesprogramm „Familie mit Zukunft“ erfolgt. Kinderschutz 196 Das Thema Kinderschutz bzw. die Kindeswohlgefährdung ist schon immer ein Schwerpunkt im Bereich der Umsetzung der Kinder- und Jugendhilfe gewesen und wird es auch künftig sein. Angesichts aktueller Fälle von Kindesvernachlässigung und sogar Kindestötung hat das Thema in der politischen Diskussion eine besondere Dynamik erhalten, die sich allerdings leider nicht immer an der Sache orientiert. Bereits im Dezember 2006 fand in Niedersachsen auf Initiative der Sozialministerin die erste niedersächsische Kinderschutzkonferenz statt. Dies war der Auftakt für einen regelmäßigen und breiten Dialog der Landesregierung mit den unterschiedli chen Expertenverbänden. Die kommunalen Spitzenverbände werden ebenfalls ein gebunden. Im Weiteren wurden vom Land verschiedene Projekte ins Leben gerufen, wie beispielsweise Familienhebammen und Familienbildungsstätten. Außerdem wurde ein Internet-Portal www.kinderschutz-niedersachsen.de eingerichtet. Auf dieser Internetseite soll allen Interessierten aktuelle Informationen zur Verfügung ge stellt werden. Ferner ist seitens der Sozialministerin ein Gesetzentwurf für die Schaffung eines verbindlichen Einlade- und Meldewesens auf den Weg gebracht worden, der sich noch in der politischen Diskussion bzw. parlamentarischen Beratung befindet. Die kommunalen Spitzenverbände haben hierzu eine sehr kritische Stellungnahme abgegeben. Im Übrigen wird dieses Gesetzesvorhaben auch von vielen Fachleuten und anderen Verbände als wenig hilfreich in Sache angesehen. Erklärung zur Bedeutung des Sports Einer der Partner, mit denen die Geschäftsstelle in regelmäßigem Kontakt steht, ist auch der Landessportbund. Gemeinsam mit diesem und dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport wurde im Mai 2007 eine gemeinsame Erklärung zur Bedeutung des Sports herausgegeben. Diese steht unter der Überschrift „Sport tut den Menschen in Kommunen gut!“ und ist in der Juni-Ausgabe 2007 der NST-N abgedruckt. Nichtraucherschutzgesetz Zum 1. August 2007 ist das Niedersächsische Nichtraucherschutzgesetz (Nds. GVBl. S. 337) in Kraft getreten. Mit dem Gesetz wird das Ziel verfolgt, vor den Ge fahren des Passivrauchens wirksam zu schützen und die dadurch ausgelösten Krankheiten zu vermeiden. Niedersachsen hatte schon vor dem Gesetz eine Reihe von Regelungen, wie z. B. den Runderlass des Kultusministeriums vom 3. Juni 2005 „Rauchen und Konsum alkoholischer Getränke in der Schule“, geschaffen. Es blieben jedoch noch erhebliche Lücken, vor allem bei öffentlich zugänglichen Einrichtungen. Diese Lücken sind jetzt mit dem Gesetz geschlossen worden. Es sieht Rauchverbote außer in Gaststätten und in Diskotheken vor allem auch in allen niedersächsischen Verwaltungsgebäuden vor und erstreckt sich auf Landes- und kommunale Behörden ebenso wie auf Gerichte, Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie z. B. Kammern. Als Niedersächsischer Städtetag haben wir die mit dem Gesetzesvorhaben ver folgte Zielsetzung ausdrücklich begrüßt. Als Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008, mit dem die Nichtraucherschutzgesetze aus Baden-Württemberg und Berlin teilweise für verfassungswidrig erklärt wurden, ist das Niedersächsische Nichtraucherschutz gesetz durch das Änderungsgesetz vom 10. Dezember 2008 (Nds. GVBl. S. 380) geändert worden, nach dem das generelle Rauchverbot nicht in Gaststätten mit weniger als 75 qm Gastfläche und ohne abgetrennten Nebenraum, in denen keine zubereiteten Speisen verabreicht werden und zu denen Personen mit nicht vollen detem 18. Lebensjahr der Zutritt verwehrt wird, nicht gilt. Diese Gaststätten müssen am Eingangsbereich in deutlich erkennbarer Weise als Rauchergaststätten, zu denen Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr keinen Zutritt haben, ge kennzeichnet sein. Niedersächsisches Raumordnungsgesetz Im Juni 2007 hat das Land Niedersachsen das Niedersächsische Raumordnungs gesetz grundlegend novelliert und dabei vereinfacht und dann neu bekannt ge macht. Der Niedersächsische Städtetag hat diese Novellierung kritisch begleitet, vor allem aber die Straffung des Gesetzes begrüßt. Nachdem jedoch der Bund im Dezember 2008 sein Raumordnungsgesetz ebenfalls grundlegend geändert hat, besteht erneuter Handlungsbedarf für den Landesge setzgeber: Wegen der verfassungsrechtlichen Änderungen aufgrund der Födera lismusreform unterliegt die Raumordnung der konkurrierenden Gesetzgebung mit Abweichungsmöglichkeit der Länder. Danach werden durch das Bundesgesetz Teile des Niedersächsischen Raumordnungsgesetzes zunächst einmal verdrängt; es bedarf einer besonderen gesetzgeberischen Entscheidung des Niedersächsi schen Landtages, wenn abweichend vom Bundesrecht die alte oder andere nieder sächsische Landesregelungen gelten soll. Ein besonderes Problem entsteht dabei für die kreisfreien Städte und die Stadt Göttingen, deren Flächennutzungspläne in der Vergangenheit die Funktion des regionalen Raumordnungsprogramms inne hatten, diese aber durch das Bundesgesetz verlieren. Auf Initiative der Geschäfts stelle des Niedersächsischen Städtetages hat eine gemeinsame Arbeitsgruppe der NST-N 10/2009 ALLGEMEINE VERWALTUNG Landesregierung und der betroffenen Städte Ansätze zu einer Neuregelung erar beitet; die gesetzliche Umsetzung steht noch aus. Zum Umgang mit der Neufassung des Raumordnungsgesetzes des Bundes hat die Landesregierung im Übrigen im Juni 2009 Hinweise herausgegeben, die den Beteiligten den Umgang mit dem Bundesrecht bis zum Erlass eines neuen Landes gesetzes erleichtern sollen. Der Niedersächsische Städtetag wird bei der Neufassung des Landesraumordnungsgesetzes beteiligt. Landesraumordnungsprogramm Die Gesamtnovellierung des Landesraumordnungsprogramms wurde im Jahre 2008 abgeschlossen. Damit wurde auch die seit 1984 bestehende Aufteilung des Landes raumordnungsprogramms in einen Gesetzesteil I und einen Verordnungsteil II auf gegeben. Die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen hierzu hatte eine vor hergehende Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung (NROG) vom 26. April 2007 geschaffen. Die wesentliche Diskussion zur Novellierung hatte bereits im vorangegangenen Berichtszeitraum stattgefunden. Aus Sicht des Niedersächsischen Städtetages war dabei vor allem eine Beibehaltung des Zentrale-Orte-Konzeptes wichtig, verbunden mit der Forderung, dieses Konzept funktionsfähig zu erhalten. Insbesondere sollte verhindert werden, dass gewachsene städtische Zentren gegenüber dem ländlichen Raum benachteiligt wurden. Im April 2009 hat das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung das Verfahren zu einer Fortschreibung des Landesraumordnungsprogramms eingeleitet. Das Hauptthema dieser Fort schreibung ist die Rohstoffversorgung. Der Niedersächsische Städtetag hat sich zu den einzelnen geplanten Standorten nicht geäußert, jedoch in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen der geplanten Änderungen auf die kommunale Bauleitplanung bedacht werden muss und die berechtigten Hinweise der einzelnen Standortgemeinden berücksichtigt werden sollen. Städtebauförderung Bei der Städtebauförderung hat es im Berichtszeitraum – ausgehend von der Föde ralismusreform – eine grundlegende Umorientierung gegeben: Das bisherige „Nor malprogramm“ soll innerhalb der nächsten Jahre bis auf Null zurückgefahren werden. Neuaufnahmen sind nicht mehr möglich, die laufenden Fördermaßnahmen sollen so schnell wie möglich beendet werden. Die Programmkomponente „Soziale Stadt“ NST-N 10/2009 wird fortgesetzt. Zur Programmkompo nente „Stadtumbau West“ ist das Land einer seit lang erhobenen Forderung des Niedersächsischen Städtetages nachge kommen und hat erstmals im Programmjahr 2008 Landesmittel zur Gegenfinanzie rung bereitgestellt. Im selben Jahr erfolgt auch erstmals eine Kofinanzierung der Programmkomponente „Aktive Stadt- – und Ortsteilzentren“. Seit 2009 gibt es daneben die Programmkomponente „Städtebaulicher Denkmalschutz“, für das Land von Anfang an eine Kofinanzierung zur Verfügung stellt. In den Jahren 2008 und 2009 standen außerdem Mittel aus dem „Investitionspakt zur energetischen Sanie rung sozialer Infrastruktur“ zur Verfügung, die in Anlehnung an die Regeln der Städtebauförderung verteilt wurden. Die Geschäftsstelle des Niedersächsischen Städtetages hat an den jeweiligen Einplanungsbesprechungen des Landes teilge nommen, hatte dabei aber keinen Einfluss auf die Mittelverteilung im einzelnen. 6. Regierungskommission Im Berichtszeitraum ist die 6. Regierungskommission des Landes Niedersachsen „Energie- und Ressourceneffizienz“ gegründet worden. Basierend auf den Themenvorschlägen der 5. Regierungskommission befasst sich die Kommission mit den zukunftsorientierten Schwerpunkt themen • Immissionsrechtehandel, • Ressourceneffizienz, • Kreislaufwirtschaft und Produktverantwortung, • Bodenschutz, • Chemie. In der Kommission – wie auch in den Arbeitskreisen – sind die Geschäftsstelle so wie kommunale Praktiker und Praktikerinnen vertreten. Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung Unter Leitung der Geschäftsstelle hat eine Arbeitsgruppe aus Praktikern Vorschläge zur Novellierung der Bauordnung erarbeitet. Sie ist dabei von der Interessenlage aller am Bau Beteiligten ausgegangen und hat vorgeschlagen, das Bauordnungsrecht solle darauf verzichten, Dinge zu prüfen, die sich ausschließlich auf den Nutzwert und den Komfort einer Immobilie beziehen. Im Wesentlichen müsse es darum gehen, Konflikte zwischen Nachbarn und Konflikte zwischen Einzelnen und der Allgemeinheit zu minimieren. Leitverfahren sollte künftig das vereinfachte Bau genehmigungsverfahren sein, in dem allerdings weiterhin der Grenzabstand und die Stellplatzpflicht geprüft werden müssten. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe waren die Grundlage für eine Stellungnahme, die die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände zu Eckpunkten des Landes Niedersachsen für eine novellierte Bauordnung abgegeben hat. Das zu ständige Sozialministerium hat in der Zwischenzeit mehrfach einen umfassenden Gesetzentwurf angekündigt, der sich an der Musterbauordnung 2002 der Baumi nisterkonferenz der Länder orientieren und so zu einer bundesweiten Vereinheitli chung des Bauordnungsrechts beitragen soll. Bislang wurde ein solcher Entwurf jedoch noch nicht für die Verbändeanhörung freigegeben. Wohnraumförderung Im Rahmen der Föderalismusreform hat der Bund den Ländern die Zuständigkeit für die Wohnungsbauförderung übertragen. Für die Jahre 2007 bis 2013 werden jährlich Kompensationsmittel auf die Länder übertragen, von denen Niedersachsen jeweils 39,9 Millionen Euro erhält. Das Land hat daraufhin für die Jahre ab 2007 erneut Wohnraumförderprogramme aufgelegt, nachdem es zuvor im Jahre 2006 die Wohnraumförderung ganz ausgesetzt hatte. Gefördert wird jetzt sowohl selbst genutzter als auch gemieteter Wohn raum. Die kommunalen Spitzenverbände wurden bereits sehr frühzeitig in die Überlegungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Wohnraumförderung einbezogen und hatten so Gelegenheit, auch im Detail an der Formulierung mitzuwirken. Dem schließlich vorgelegten Gesetzentwurf konnte dann nahezu vorbehaltlos zuge stimmt werden. EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) Bei der im Jahre 2000 in Kraft getretenen Wasserrahmenrichtlinie waren im Be richtszeitraum einige wichtige Bearbeitungsschritte abzuschließen: Im Dezember 2007 mussten die wichtigsten Wasserbewirtschaftungsfragen veröffentlicht werden; im Dezember 2008 wurden die Entwürfe des Bewirtschaftungsplans und des Maßnahmeprogramms veröffentlicht. Der Niedersächsische Städtetag hat die vom Land hierzu eingesetzten Arbeitsgruppen durch die Mitarbeiter der Geschäftsstelle und Vertreter aus den Mitgliedstädten und Gemeinden begleitet. Bewirtschaftungsplan und Maßnahmeprogramm wurden nicht nur in Landes behörden, sondern auch bei den unteren Wasserbehörden ausgelegt. Ende 2009 sind diese Dokumente förmlich von der Landesregierung zu beschließen. Dichtigkeitsprüfung von Grundstücksentwässerungsanlagen Nach § 18a Wasserhaushaltsgesetz ist Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Für die Errichtung und den Betrieb von Abwasseranlagen gelten die allgemeinen anerkannten Regeln der Technik. In 197 ALLGEMEINE VERWALTUNG den Medien ist im Berichtszeitraum häufig über die sog. Dichtigkeitsprüfung von privaten Grundstücksentwässerungsanlagen berichtet worden. Um der erheblichen Ver unsicherung entgegenzuwirken, hat der Niedersächsische Städtetag sich dieser Problematik angenommen und unter Beteiligung des Niedersächsischen Umwelt ministeriums und kommunaler Praktiker und Praktikerinnen „Eckpunkte zur Dichtig keitsprüfung für Grundstücksentwässe rungsanlagen“ erarbeitet. Diese erklärenden Eckpunkte sowie die vorhandenen gesetzlichen sowie technischen Regelwerke sind ausreichend, um den gesetzlichen, ökonomischen und ökologischen Ver pflichtungen im Bereich der Abwasserbeseitigung gerecht zu werden. Kostentransparenz in der Abfallwirtschaft Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz beabsichtigte im Berichtszeitraum einen interkommunalen Kennzahlenvergleich für kommunale Ab fallwirtschaftsbetriebe, um die Transparenz der Kosten der Abfallwirtschaft zu erhöhen. Der Niedersächsische Städtetag hat sich gegen diesen geplanten landesweiten Kennzahlenvergleich ausgesprochen, da er eine Ungleichbehandlung der Abfall wirtschaftsbetriebe bedeutet hätte. Transparenz ist vor Ort durch die Offenlegung der Kosten im Rahmen der Gebührenkalkulation gegeben. Ein landesweiter Ver gleich kann nicht die Vielzahl der regionalen Besonderheiten erfassen. Als abge stimmtes Ergebnis mit dem Ministerium wird nunmehr – vergleichbar mit der jährlich zu veröffentlichen Abfallbilanz – entsprechende Kostenblöcke der Abfallentsor gung mit veröffentlicht. LAGA-Merkblatt 31 Die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA), eine Vollzugskoordinierungsein richtung der Länder, hat im Berichtszeitraum das Merkblatt 31 überarbeitet, das die technische Anforderungen an den Vollzug der Elektroaltgeräteentsorgung be schreibt. Der überarbeitete Entwurf hätte für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungs träger erhebliche Investitionen und damit Gebührensteigerung für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Die Geschäftsstelle ist durch das Niedersächsische Umwelt ministerium gebeten worden, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe eine Überarbei tung des Merkblattentwurfs vorzunehmen, die zu konsensfähigen und praktikablen Vorschlägen führen soll. Die Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit erfolgreich abgeschlos sen und ihren konsensualen Vorschlag der LAGA zur Zustimmung vorgelegt. 198 Gewerbliche Sammlung von Altpapier Anfang 2007 hat die sehr große Nachfrage nach Sekundärrohstoffen insbesondere aus dem asiatischen Raum zu einem erheblichen Anstieg der Erlöse in diesem Marktsegment geführt. Als Folge gab es sog. „Häuserkämpfe“ um das Altpapier. Mit dem konjunkturell bedingten Einbrechen der Nachfrage und dem Sinken ist es seit 2008 zu einer Beruhigung in diesem Bereich gekommen. Durch eine Änderung der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und der Ober verwaltungsgerichte im Berichtszeitraum bei Eilentscheidungen hat sich gezeigt, dass die „überwiegenden öffentlichen Interessen“ gegen den Interessen der gewerblichen Sammler nachrangig eingestuft wurde. Dabei spielte es keine Rolle, ob bereits vorhandene Systeme in den Kommunen etabliert waren. Der Begriff der Sammlung wurde genauso wenig hinterfragt, wie die These, dass die kommunale Abfallentsorgung den Charakter einer „Garantenfunktion“ habe und sich flexibel verhalten müsse. Nach Aussage der Gerichte waren Gebührenrisiken deshalb auch vernachlässigbar. In einem Grundsatzurteil hat demgegenüber das Bundesver waltungsgericht am 18. Juni 2009 in deutlicher Weise zugunsten der öffentlich-rechtli chen Entsorgungsträger entschieden. Das Gericht führte aus, dass private Haushalte ihren Hausmüll einschließlich seiner verwert baren Bestandteile (Altpapier) grundsätzlich den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträ gern zu überlassen haben. Unabhängig von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wird es Auf gabe des Städtetages bei der Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie in nationales Recht sein, bei der Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes die ge trennte Sammlung von Haushaltsabfällen so abzusichern, dass die Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger in der Lage sind, diese unabhängig von Marktschwankungen bei den Wertstoffen flächendeckend in gleich bleibender Qua lität für alle Bürgerinnen und Bürger zu betreiben. Kurortverordnung Die am 1. Mai 2005 in Kraft getretene neue Verordnung über die staatliche Aner kennung von Kur- und Erholungsorten (KurortVO) beinhaltete einige Regelungen, die aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände verbesserungsbedürftig waren. Einerseits war nach der Fassung des Jahres 2005 diese Verordnung befristet und wäre am 31. Dezember 2011 außer Kraft getreten. Dieses Außer-Kraft-Treten ist aus Sicht der Planungssicherheit für die prädikatisierten/zu prädikatisierenden Orte kritikwürdig, da diese die Gewissheit benötigen, dauerhaft auf die Prädikatisie rungsmöglichkeit zurückgreifen zu können, die sie im Wettbewerb mit anderen Tourismusregionen dringend benötigen. Andererseits sieht die KurortVO vor, dass alle Kommunen sich spätestens bis zum 30. April 2010 einer neuen Anerkennung unterwerfen und hierfür sämtliche für die Prädikatisierung erforderlichen Unterlagen einreichen müssen. Beide Punkte haben die kommunalen Spitzenverbände von Anfang an kritisch gesehen. Durch eine Änderung der Verordnung im März 2009 ist nun zumindest die Gel tungsdauer der Kurortverordnung bis zum 31. Dezember 2017 verlängert worden. Damit ergibt sich für die prädikatisierten Orte zumindest eine Verbesserung der Planungssicherheit, wenn auch nach wie vor ein völliger Wegfall der Befristung der Verlängerung der Geltungsdauer vorzugswürdig wäre. Die weitere Regelung, wo nach alte Prädikatisierungen bis zum 30. April 2010 fortbestehen und anschließend entfallen, wenn sie nicht zuvor erneuert worden sind, ist weiterhin gültig. Breitband Im Rahmen der Kooperationsvereinbarung zur gemeinsamen Einführung von E-Government in Niedersachsen wurde die Breitbandinitiative Niedersachsen ins Leben gerufen. Hier arbeiten die Kommunalen Spitzenverbände mit der Landes regierung eng zusammen, um die Versorgung bisher unversorgter Gebiete mit breitbandigen Internetanschlüssen zu erreichen. Diese stellen immer mehr einen erheblichen Standortfaktor dar. In zahlreichen Veranstaltungen wurden die Möglichkeiten zur Förderung der Breit bandversorgung dargestellt. Im Rahmen des Konjunkturpaketes II wird der Breitbandausbau im Rahmen eines Wettbewerbes und einer Ausschreibung gefördert. Beide Verfahren werden von der Geschäftsstelle intensiv begleitet. Musterkonzessionsverträge für die Strom- und Gasversorgung Die bereits im vorangegangenen Berichtszeitraum begonnenen Verhandlungen mit verschiedenen Regionalversorgern über neue Musterkonzessionsverträge wurden fortgesetzt. Gemeinsam mit dem Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund sowie dem Gemeinde- und Städtebund Sachsen-Anhalt wurden Verhandlungen mit E.On Avacon noch im Jahre 2007 abgeschlossen. Mit allen anderen Regional versorgern konnte ein Abschluss bisher nicht erzielt werden. Hauptstreitpunkt ist dabei immer die Endschaftsklausel, also die Regelung der Bedingung, unter denen nach Auslaufen des Konzessionsertrages das Energieversorgungsnetz an den neuen Vertragspartner der Gemeinde – oder die Gemeinde selbst – herauszugeben ist. Daneben sind wichtige Verhandlungspunkte, wie Aufteilung der Folgekosten während des laufenden Vertrages sowie die Herausgabe der Daten zur Berechnung der Konzessionsabgabe und zur Fest stellung des Wertes des Netzes. NST-N 10/2009 FINANZEN UND HAUSHALT Quo Vadis Strukturpolitik? von Dr. h. c. Martin Biermann Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Art. 72 Abs. 2 Ziff. 3) fordert den Bund auf, dann gesetzgeberisch tätig zu werden, wenn auf andere Weise die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nicht gewahrt werden kann. Dieses Postulat liegt ganz vielen Gesetzen zu Grunde. Es ist eine tragende Säule unseres funktionierenden Föderalismus in Deutschland. Das gesamte System des Finanzausgleiches und der vielfältigen Ergänzungszuweisungen der Länder und der Kommunen untereinander beruhen auf diesem Prinzip und sind fester Bestandteil der Durchsetzung des Verfassungsauftrages. Die Einheitlichkeit der Lebens verhältnisse ergibt sich eben nicht von selbst und auch der Markt alleine richtet es nicht. Dies ist der Grund, weshalb Strukturpolitik eine der Kernaufgabe staatlichen Handelns sein muss. Es ist geradezu seine Verpflichtung. Immer mehr häufen sich die Anzeichen, dass es auf vielen Gebieten in Deutschland zu Fehlentwicklungen, zu einer Verletzung des Gebotes kommt. Die sogenannten „ländlichen Räume“ werden mannigfaltig von Entwicklungen abgekoppelt. Die Zentren und das direkte Umfeld prosperieren, während sich die Fläche entvölkert. Hier gibt es nicht nur in den neuen Bundesländern inzwischen dramatische Entwicklungen. Es vergeht deshalb fast kein Tag, an dem nicht Politiker aller Parteien die Stärkung des ländlichen Raumes fordern. Doch folgen den Worten ent sprechende Taten? Gerade in der Gesundheitspolitik gibt es aktuell große Sorgen, ob die medizinische Versorgung auf dem Land noch ausreichend gewährleistet werden kann. Es soll sogar schon Gemeinden geben, die dazu übergegangen sind, Medizinern besondere Dotatio- nen zu gewähren, wenn sie sich dazu entschließen, sich auf dem „flachen Land“ niederzulassen. Dies kann für die Kommunen teuer werden. Aber dies in der Öffentlichkeit bereits diskutierte Phänomen ist nicht das einzige problematische Feld. Von der Öffentlichkeit unbemerkt läuft zurzeit ein Prozess ab, der innerhalb der Bundesrepublik energiepolitisch regional zu großen Verwerfungen führen könnte. Die Entsolidarisierung der strukturstarken Ballungsräume von der Fläche, dem sogenannten ländlichen Raum, steht auf dem Spiel. In den nächsten drei Jahren wird von den Kommunen über einen Großteil der Konzessionsverträge an Energieversorger entschieden. Es handelt sich um mehrere tausend Konzessionsverträge. Hiermit werden wichtige Weichen gestellt. Für die Stadt- und Gemeinderäte eine große Herausforderung, weil Die Deutsche Sparkassenakademie informiert: DSGV unterstützt Kommunen in Fragen zur Sicherheit von kommunalen Anlagen Informationsveranstaltung für Kämmerer bietet Hintergrundwissen Die Sparkassen-Finanzgruppe unterstützt auch in schwierigen Zeiten die Kommunen mit Informationsveranstaltungen zur Sicherheit von kommunalen Anlagen. In Kooperation mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund bietet der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) seit Dezember 2008 über die Deutsche Sparkassenakademie in Informationsveranstaltungen „Zur Sicherheit von kommunalen Anlagen“ Hintergrundwissen für Mitarbeiter in Kämmereien an. In der Berichterstattung über die Haushaltssituation von Kommunen stand in den vergangenen Jahren zumeist die Verschuldungssituation der Kommunen im Fokus. Laut Kassenstatistik verfügten die deutschen Kommunen im Juli 2008 über ca. 38,3 Mrd. Euro Einlagen. Die Sicherheit dieser Einlagen rückt in Zeiten der aktuellen Finanzmarktkrise verstärkt ins Blickfeld des Interesses. Die Veranstaltungen boten daher die Möglichkeit, sich über das deutsche Einlagensicherungssystem sowie über kommunale Anlagemöglichkeiten und ihre Risiken zu informieren. Holger Weustenfeld, bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht verantwortlich für das Referat Einlagensicherung, Entschädigungseinrichtungen und Sicherungsfonds, informierte über die unterschiedli- NST-N 10/2009 chen Einlagen- und Institutssicherungss ysteme in Deutschland, deren gesetzliche Grundlagen und aktuelle Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene. Experten aus der Sparkassen-Finanzgruppe referierten zur Sicherheit von einzelnen Anlageinstrumenten. Dass innerhalb eines Tages ein derart breites Themenspektrum abgedeckt werden konnte, wurde von den Teilnehmern positiv beurteilt. Aufgrund der guten Resonanz wird die Deutsche Sparkassenakademie die Veranstaltung am 22. Oktober 2009 erneut anbieten. Bereits seit September 2007 unterstützt der DSGV die Kommunen mit der regelmäßig über die Deutsche Sparkassenakademie angebotenen Fortbildungsreihe „Kommunales Zins- und Schuldenmanagement“. Ziel der Bausteinreihe ist es, den geänderten Ansprüchen kommunaler Kunden gerecht zu werden und über die umfangreichen Möglichkeiten eines modernen kommunalen Zins- und Schuldenmanagements zu informieren. Weitere Informationen stehen auf der Homepage www. deutsche-sparkassenakademie.de zur Verfügung. Mit einem Marktanteil von rund 55 Prozent im Kommunalkreditgeschäft sind Sparkassen und Landesbanken der wichtigste Finanzpartner der Städte und Gemeinden. 199 FINANZEN UND HAUSHALT Nichtanwendungserlass Unter einem sog. Nichtanwendungserlass in Steuerangelegenheiten versteht man Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), die im Bundessteuerblatt wie eine allgemeine Verwaltungsvorschrift veröffentlicht werden. Diese verpflichten die Finanzbehörden, eine bestimmte, gleichzeitig im Bundessteuerblatt veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Diese Praxis wird häufig kritisiert. Das BMF hat sich dazu in einer Pressemitteilung Anfang Juli d.J. wie folgt geäußert: Immer wieder wird die Behauptung aufgestellt, das Bundesministerium der Finanzen würde mit seiner Praxis der Nichtanwendungserlasse das Gebot rechtstaatlichen Verhaltens verletzen. Diesen Vorwurf weist das Bundesministerium der Finanzen entschieden zurück und nimmt dazu wie folgt Stellung: 1.Der Bundesfinanzhof ist nicht das Bundesverfassungsgericht: In einem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ergangene und rechtskräftig gewordene Urteile binden nur die am Rechtsstreit Beteiligten (§ 110 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Nur eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die eine Gesetzesnorm für mit dem Grundgesetz vereinbar oder nicht vereinbar erklärt, hat allgemeinverbindliche Wirkung. 2.Das Bundesministerium der Finanzen entscheidet nicht allein, sondern im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder: Hat der BFH eine Gerichtsentscheidung zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, prüfen die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, ob das BFH-Urteil von den Finanzämtern im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung über den entschiedenen Einzelfall hinaus angewandt werden kann. Zu dieser eigenverantwortlichen Prüfung der Rechtsanwendung ist die Verwaltung aufgrund des Artikels 20 Abs. 3 GG berechtigt und verpflichtet. In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle entscheidet sich die Finanzverwaltung für eine allgemeine Anwendung des BFH-Urteils. Ziel eines Nichtanwendungserlasses ist es dabei nicht – wie fälschlich behauptet – Steuermehreinnahmen zu erzielen, sondern dem BFH Gelegenheit zu geben, in einem neuen Verfahren seine Rechtsauffassung zu überprüfen. 3.Es gibt nur einen verschwindend geringen Anteil von Nichtanwendungserlassen, nämlich ca. 1,6 Prozent: Von 1.237 (Stand 18. Oktober 2005 bis 17. Juni 2009) durch den BFH zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten Entscheidungen sahen die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nur in 20 Fällen die Notwendigkeit, einen Nichtanwendungserlass [Glossar] zu beschließen, also nur in ca. jedem 60. Fall. 4.Entgegen oft geäußerter Kritik kann ein Nichtanwendungserlass auch zu Gunsten der Steuerpflichtigen wirken: So zum Beispiel im Fall des BFH-Urteils vom 18. April 2002 – III R 15/00: Der BFH wollte die Anerkennung von Aufwendungen für die krankheits- oder behinderungsbedingte Unterbringung in einem Alten(wohn)heim als außergewöhnliche Belastung nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen zulassen. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder sehen das zugunsten der Bürgerinnen und Bürger anders (BMF-Schreiben vom 20. Januar 2003, BStBl 2003 Teil I S. 89). 200 5.Gelegentlich ist ein Nichtanwendungserlass unumgänglich, weil sich der BFH selbst widerspricht: Ein Nichtanwendungserlass ist geboten, wenn verschiedene Senate des BFH unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten und keine Anrufung des großen Senats erfolgt. diese Entscheidungen nicht nur für die energiepolitische Zukunft ihrer Kommune innerhalb der nächsten Jahr zehnte maßgebend sein werden, sondern Energiepolitik ist neben Klima schutzpolitik immer auch Industrieund Gewerbepolitik. Dabei spielt eine Frage eine zentrale Rolle: Erneuere ich die Konzession mit einem flächendeckenden Regionalversorger oder mache ich mich unab hängig? Wenn man dem glaubt, was fast wöchentlich publiziert wird, dann kommt man leicht zu dem Schluss, lasst uns wieder eigene Stadtwerke gründen. Es ist Zeit, die Strom- und Gasversorgung in die eigene Hand zu nehmen und uns nicht länger von den Großkonzernen angeblich „abkassieren“ zu lassen. Das Geschäft können wir auch selbst machen. Landauf, landab sind Beratungsbüros mit dieser Botschaft unterwegs und antichambrieren in den Rathäusern. Doch ist das wirklich so? Erfahrungsgemäß sind die schnellen Antworten meistens die falschen. Das Leben ist differenzierter. Mit der Liberalisierung der Energiemärkte und dem diskriminierungsfreien Netzzugang (EnWG 1998), der jedem Anbieter die Durchleitung durch fremde Netze gewährleistet, ist eine Veränderung eingetreten, die eine Rückkehr zur Situation von vor 1998 ein für allemal ausschließt. Bis zur Liberalisierung bestimmte die Kommune gleichzeitig mit dem Konzessionsvertrag über die Netze, wer der alleinige Gebietsversorger für alle Strom- und Gaskunden der Gemeinde für die nächsten meist zwanzig Jahre sein sollte. Dies war eine sehr angenehme Situation für denjenigen, der die Konzession bekam. Er war Monopolist, konnte an seinen Netzen verdienen und zusätzlich aus Vertrieb von Strom und Gas. Er war konkurrenzlos. Diese Situation gibt es heute nicht mehr, sie wird auch nie wieder kommen. Wurden früher mit den Netzen die Gewinne gemacht, sind sie heute reguliert. Die Bundesnetzagentur legt scharfe Maßstäbe an. Gewinne aus Netzen unterliegen einer strengen Kontrolle. Die Anreizregulierung erhöht den Druck zusätzlich. Im Rahmen der An reizregulierung werden durch die Regulierungsbehörden Erlösobergrenzen für den Netzbetreiber festgelegt, aufgrund derer die Netzentgelte ermittelt werden. Die tatsächlichen Kosten des NST-N 10/2009 FINANZEN UND HAUSHALT Netzbetreibers für das Netz sind nicht automatisch die von der Bundesnetzagentur zur Ermittlung der Erlösobergrenze zugrunde gelegten Kosten. Es besteht die Gefahr, sogar im Rahmen der von der Bundesnetzagentur vorgenommenen Kostenprüfung Kosten unterhalb der tatsächlichen Kosten anerkannt zu bekommen und aufgrund der dann zu niedrigen Erlösobergrenze Geld zu verlieren. Jede Kommune sollte deshalb sehr genau prüfen, wie ist meine langfristige Perspektive? Erwirtschafte ich mit dem Netz in den nächsten Jahrzehnten ausreichend Rendite für die Zahlung der Konzessionsabgabe? Wie sieht die Gewerbesteuereinnahme bei der Ertragslage aus? Habe ich genug Mittel, um die notwendigen Investitionen in die Sicherheit des Netzes oder etwa dessen Ausbau zu tätigen? Welche Kosten entstehen mir zur Steuerung der Netze? Was kostet mich das technologische Know-how, das ich vorhalten muss? Wie hoch sind die Kosten für die gesetzlichen Anforderungen, die ich als Netzbetreiber zu erfüllen habe? Wer alle diese Fragen nachhaltig – d. h. über Jahrzehnte – positiv beantworten kann, für den könnte ein eigenes Stadtwerk Sinn machen. Aber wer kann heute schon bei der dramatischen gesellschaftlichen Veränderung gerade auf dem Energiemarkt guten Gewissens alle diese Fragen positiv beantworten? Genau das ist aber dringend geboten, denn die Entscheidung, ein eigenes Stadtwerk zu betreiben, verlangt hohe Investitionen, die sich über Jahrzehnte rechnen müssen. Eine Fehlentscheidung in dieser Frage könnte für die Kommune und damit ihre Bürgerinnen und Bürger verheerende Folgen haben. Hatte vor der Liberalisierung ohne staatlich festgelegte Netznutzungsent gelte der Versorger noch die Möglichkeit, seine Rendite entweder aus den Netzen oder dem Vertrieb zu erwirtschaften, weil er Ja das Monopol der Versorgung der Kunden hatte, so steht ihm diese Möglichkeit heute nicht mehr zur Verfügung. Die Gleichung, wer die Netze hat, hat auch die Kunden, stimmt heute nicht mehr. Man muss sich nur den großen Markt der Anbieter im Internet ansehen um zu begreifen, dass hier ein harter Wettbewerb Platz gegriffen hat. Der Preiswettbewerb ist so extrem gewor- NST-N 10/2009 den, dass nur aus dem Vertrieb allein am Einzelkunden zum Teil nur noch sehr geringe Margen erwirtschaftet werden können. Die ersten Marktanbieter, die besonders schneidig mit Dumpingpreisen aufgetreten sind, beginnen bereits sich zurückzuziehen oder ihre Preisstruktur anzupassen. Der Wettbewerb greift und die Zahl der Kunden, die wechseln, wächst und wird weiter wachsen. Das ist auch politisch gewollt. Strom und Gas sind unpersönliche Produkte, zu denen niemand eine persönliche Bindung hat, mit denen er emotional auch nichts verbindet – wie etwa beim Autokauf. Während er dort bei grundsätzlicher Zufriedenheit erst mühsam durch geschickte Werbestrategien und Vermarktung vom Wechsel zu einem anderen Fabrikat überzeugt werden muss, ist dies bei dem Produkt Strom und Gas völlig irrelevant. Das einzige, was hier für den Vertrieb marktentscheidend ist, ist neben dem Preis allein die Tatsache der ständigen Verfügbarkeit, der Versorgungssicherheit. Kommunen, die ein eigenes Stadtwerk betreiben, haben also heute entgegen früheren Zeiten keinen garantierten Absatz mehr. Den Risiken aus dem Netz folgen die Risiken aus dem Vertrieb. Sofern die Kommune die Energie nicht selbst erzeugt, stellt sich die Frage, welche Mengen kauft sie von außen ein? Kaufe ich langfristig? Kaufe ich kurzfristig? Oder spekuliere ich und kaufe an der Börse in Leipzig in der Hoffnung, eine gute Marge, ein Schnäppchen erzielen zu können? Habe ich dazu das qualifizierte Personal, das den Vertrieb managen kann? Oder, wenn ich es selbst nicht habe, kann ich mir diese Dienstleistung einkaufen und wenn, zu welchen Kosten? Welche vertraglichen Bindungen muss ich eingehen, ohne meinen Absatz definitiv zu kennen und steuern zu können, z. B. bei „Pay-ortake“-Optionen? Natürlich sind dies alles für die großen deutschen Stadtwerke keine entscheidenden Fragen. Sie verfügen über alle technischen und kaufmännischen Kapazitäten um auf dem Markt im Wettbewerb bestehen zu können. Gilt das aber auch für den Großteil der deutschen Kommunen gerade in Flächenländern? Was ist mit ihnen? Können sie sich im rasant vollziehenden Strukturwandel energiepolitisch am Markt behaupten? Und sind die kleineren Städte und Gemeinden in der Lage, ihren Bürgerinnen und Bürger kostengünstig zu annähernd den gleichen Preisen Strom und Gas mit absoluter Versorgungssicherheit zu liefern wie es die Regionalversorger seit Jahrzehnten beweisen? Dies sind ernst zu nehmende Fragen, die für die Strukturpolitik Deutschlands von herausragender Bedeutung sein werden. Wollen wir weiter etwa gleiche Lebensbedingungen in Ballungsräumen und im ländlichen Raum ermöglichen oder entsolidarisieren sich die Ballungsräume mit ihren kostengünstigen Strukturen, entziehen der Fläche in ihrem Umland, dem sogenannten „Speckgürtel“, die noch lohnenden „Rosinen“ aus dem kommunalen Kuchen und überlassen den Rest sich selbst? Hier ist die Strukturpolitik der jeweiligen Länder gefordert, Antworten zu geben. Die Strukturen der letzten zwanzig Jahre waren relativ konstant. Neben den Stadtwerken der Großstädte, die sich auf ihr Versorgungsgebiet beschränkten (Örtlichkeitsprinzip), waren für die Vielzahl der Kommunen die großen Regionalversorger zuständig. Durch den Mix von vielen sehr unterschiedlichen Gemeinden, leistungsstarken und leistungsschwachen, strukturstarken und strukturschwachen, konnten die Nachteile der großen Flächenversorgung einigermaßen kompensiert werden. Es entstanden Synergien. Die Netznutzungsentgelte im gesamten konzessionalen Versorgungsgebiet wurden einheitlich ermittelt, so dass die schwächeren Gemeinden profitierten und die stärkeren einen quasi „Solidarbeitrag“ leisteten. Nun ist das mit der Solidarität so eine Sache. Die einen sind da gelinde gesagt sehr zurückhaltend und nicht geneigt, ihren Strukturvorteil preiszu geben, die anderen aber auf Solidarität angewiesen, wenn die Schere nicht weiter auseinander gehen soll. Die Erkenntnis der freiwilligen Solidarität, die es zweifellos gibt, hat erfahrungsgemäß nur dort eine Chance, wo diese die eigenen Interessen nicht tangiert. Dort aber, wo Wettbewerb herrscht, sucht man Solidarität meistens vergebens, und Kommunen stehen selbstverständlich untereinander im Wettbewerb, z. B. in der Infrastrukturpolitik, der Ansiedlungspolitik, der Baulandausweisung oder der kulturellen Versorgung. 201 FINANZEN UND HAUSHALT Eine auf Solidarität aufbauende Strukturpolitik kann deshalb nicht dem freien Markt des Wettbewerbs überlassen werden. Hier sind die dafür verantwortlichen Länder und der Bund durch entsprechende Rahmensetzungen gefordert, annähernd einheitliche Lebensbedingungen in Stadt und Land zu gewährleisten. Dies gilt nicht nur für ein ausreichendes infrastrukturelles Angebot an Straßen und Bahnen oder im Bildungsbereich, nicht nur heute für einen schnellen Internetzugang in der Kommunikationstechnologie, sondern sicherlich auch in der Frage der preisgünstigsten marktgerechten Energieversorgung um im ländlichen Raum überhaupt Entwicklungschancen zu wahren. Von Berthold Brecht stammt der Satz: „Stell dir vor, es gibt Krieg und keiner geht hin“. In Anlehnung an dieses inzwischen berühmte Zitat sei die Frage gestattet, „Stell dir vor, eine strukturschwache Gemeinde schreibt eine Konzession aus und keiner bewirbt sich“. Was dann? Ist dies eine irreale Frage? Wohl kaum. Sie könnte sehr schnell Realität werden, wenn der Gedanke der Regionalversorgung nicht mehr trägt. Die Regionalversorgung ist Anfang des vorigen Jahrhunderts entstanden, gerade um den ländlichen Raum von der Entwicklung in den Städten nicht abzukoppeln sondern ihm die gleichen Entwicklungschancen einzuräumen. Gehen die leistungsstärkeren Kommunen jetzt aber eigene Wege, wäre dies verheerend für den strukturungünstigeren ländlichen Raum oder die großen kommunalen Energieversorger müssten verpflichtet werden auch die strukturschwächeren zu gleichen Konditionen zu versorgen. Davon ist aber nirgendwo die Rede. 202 Niemand wird bezweifeln wollen, dass die Energieversorgung heute zu den fundamentalen Grundlagen der Daseinsvorsorge in einer modernen Dienstleistungs- und Produktionsgesellschaft zählt. Daraus folgt, dass letztlich die öffentliche Hand einen entsprechenden Sicherstellungsauftrag zu gewährleisten hat. Dieser Auftrag obliegt nicht den heutigen großen privaten Regionalversorgungsunternehmen. Zwar wären sie gesetzlich gehalten nach Auslaufen des Konzessionsvertrages, wenn kein anderes Konzessionsunternehmen folgt, noch ein weite- res Jahr das Netz aufrechtzuerhalten und die Versorgung zu sichern, aber danach fallt die Verpflichtung weg. Sie können nicht gezwungen werden, auf Dauer unrentable Versorgung gewährleisten zu müssen. Nun wird eingewandt werden können, dieser Fall ist so abwegig, so rein theoretisch, er kann nicht eintreten. Diese Einschätzung allerdings könnte sich als fataler Irrtum herausstellen. Das Regionalversorgungsprinzip ist wie jedes Solidarprinzip ein System mit guten und schlechten Risiken, mit gewinnund verlustbringenden Merkmalen. Es bricht zusammen und verliert für jeden Betreiber die Grundlage, wenn sich die gewinnbringenden Teile verselbstständigen und damit dem allgemeinen Deckungsbeitrag entziehen. Und diese Gefahr ist keineswegs irreal, wenn immer mehr Kommunen aus – aus ihrer Sicht – nachvollziehbaren Gründen – weil es sich für sie rechnet – beim Regionalversorger aussteigen, ihm die Konzession verweigern und andere Wege beschreiten. Wird aus einem einst tragfähigen und leistungsstarken Regionalversorger mit einem breit gefächerten zusammenhängenden Versorgungsgebiet ein lückenhafter Flickenteppich, ist dies wirtschaftlich nicht mehr vertretbar. Dann gibt es nur zwei Alternativen. Die eine ist schon beschrieben und hat zur Folge, der einstige Regionalversorger steigt aus und bewirbt sich nicht um weitere Konzessionen oder alternativ die Strom- und Gasbezugskosten dort im Restgebiet explodieren, weil die Netzkosten erheblich steigen. Es müssten völlig neue Strukturen aufgebaut werden. Die Synergievorteile würden zerstört. Dass dies für die Kunden billiger werden würde ist abwegig, der ländliche Raum bezahlt die Zeche. Beides kann niemand wollen. Es ist deshalb höchste Zeit, dass sich die Politik dieses Problems bewusst wird und Lösungen sucht und findet. Viel Zeit bleibt nicht, denn die Mehrheit der Konzessionsverträge läuft in den nächsten drei Jahren aus, dann sind die Strukturen für die nächsten zwanzig Jahre zementiert. Aus der Beratungspraxis Erhebung von Straßenausbaubeiträgen Die Geschäftsstelle wurde gefragt, ob es zulässig ist, eine im Frühjahr 2008 beschlossene und rückwirkend zu Anfang 2005 in Kraft getretene Straßenausbaubeitragssatzung, wieder aufzuheben. Hierzu wurde folgende Stellungnahme abgegeben: Die Grundsätze der Einnahmebeschaffung sind in § 83 Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) geregelt. Nach Absatz 2 Satz 2 dieser Vorschrift besteht eine Rechtspflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht. Diese Regelung ist in den vergangenen Jahren mehrfach verändert worden. Bis zum Ende des Jahres 2005 bestand keine Verpflichtung, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Mit dem Gesetz vom 15. November 2005 (Nds. GVBl. S. 342) wurde damals diese Regelung gestrichen, sie ist aber inzwischen mit Gesetz vom 7. Dezember 2006 (Nds. GVBl. S. 575) wieder aufgenommen worden. Damit wurde die frühere Gesetzesfassung wieder hergestellt und eine kommunalrechtliche Verpflichtung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen besteht nicht. Somit kann eine bestehende Ausbaubeitragssatzung auch ohne weitere Voraussetzungen wieder aufgehoben werden. Ihre Beibehaltung kann ebenso wenig wie der Erlass durch die Kommunalaufsichtsbehörde erzwungen werden (vgl. Thiele, NGO-Kommentar, 8. Auflage, S. 331). Anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings noch, dass – wenn und solange eine Beitragssatzung besteht – die entstandenen Beiträge zu erheben sind, d. h. auf sie kann im Voraus nicht verzichtet werden. Die Nichterhebung von Beiträgen bei bestehender Satzung kann strafrechtlich Untreue sein (vgl. Rosenzweig in NKAG-Kommentar, Rosenzweig/Freese, § 6 RdNr. 20 m.w.N.). NST-N 10/2009 PLANUNG UND BAUEN Lärmgeminderte Straßen im kommunalen Straßenbau Gemeinsame Informationsveranstaltung des Bauindustrieverbandes und des Niedersächsischen Städtetages Die Verringerung des Verkehrslärms gehört seit vielen Jahren zu den vordringlichen Zielen der Politik und der kommunalen Verwaltungen. Das Konjunkturpaket II ermöglicht nun den Kommunen Investitionen genau in diesem Bereich. Der Niedersächsische Städtetag hat daher gemeinsam mit dem Bau industrieverband Niedersachsen-Bremen bei einer Veranstaltung am 15. September 2009 in Hannover die Möglichkeiten hierzu aufgezeigt. Prof. Dr. Rolf Warmbold vom Bauindustrieverband und Oberbürgermeister Heiner Pott, Vizepräsident des Niedersächsischen Städtetages, konnten hierzu Fachleute aus kommunalen Tiefbauämtern, Straßenbauunternehmen und den Mischwerken begrüßen. Prof. Warmbold unterstrich insbesondere den Rahmen der aufgezeigten Investitionsmöglichkeiten aufgrund der gesetzlichen Vorgaben und der Grundgesetzänderung in Artikel 104b. Das Niedersächsische Innenministerium habe darauf hingewiesen, dass die Begründung für die Maßnahmen die Zielsetzung Lärmschutz erkennen lassen müsse. Dies sei z. B. beim Austausch des Großsteinpflasters gegen Asphaltfahrbahndecken und einer Vorgabe der Lärmminderung mit ungefährer Dezibelangabe gegeben. Ein anderer Ansatz sei die Sanierung lärmverursachender Fahrbahnteile wie Schachtdeckel und Straßenbahngleisplatten. Oberbürgermeister Pott erklärte, dass für die kommunalen Straßen insgesamt ein erheblicher Sanierungs- und Investitionsbedarf bestehe. Die Mittel aus dem Konjunkturpaket seien da nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Gleichwohl begrüßte er die Förderung und wies darauf hin, dass die Fördermittel gerade für das Ziel der Lärmminderung eine Reihe von wich- tigen Straßensanierungsprojekten in den Kommunen möglich mache. Dr. Berthold Vogelsang, Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz, zeigte auf, wie Lärmschutz durch Straßenbau erreicht werden kann. Prof. Dr.-Ing. Michael P. Wistuba, Institut für Straßenwesen, TU Braunschweig, berichtete über die wissenschaftliche Entwicklung von Asphaltdeckschichten zur Lärmminderung. Dipl.-Geologe Malte Quakenack von der Dr. Moll GmbH & Co. KG nannte Maßnahmen zur Umsetzung von lärmtechnisch optimierten Bauweisen und verwies auf bereits in Deutschland realisierte lärmmindernde Asphaltdecken. Der Vortrag von Dipl.-Ing. Lothar Drüschner, DEUTAG GmbH & Co. KG, verdeutlichte, dass Innovationen im Regelwerk den neuen Asphaltmischgutkonzepten zur Absenkung der Radimmissionen nicht entgegenstehen. von links: Prof. Dr. Rolf Warmbold, Dipl.-Geo. Malte Quakenack, Dipl.-Ing. Lothar Drüschner, Heiner Pott, Prof. Dr.-Ing. Michael P. Wistuba, Dr. Berthold Vogelsang. NST-N 10/2009 203 SCHULE, KULTUR UND SPORT „Die Kunst zu fördern“ Die Stiftung Niedersachsen als Partner und Förderer der Kultur1 von Dr. Matthias Dreyer, Stiftung Niedersachsen „Die Kunst zu fördern“ war das Leitmotiv des 20-jährigen Jubiläums der Stiftung Niedersachsen im Jahr 2007. Es beschreibt sehr treffend die Herausforderungen, denen sich eine kulturfördernde Stiftung gegenübersieht. Mittel für Kunst und Kultur verteilen zu können, ist ein Privileg – es ist zugleich aber auch eine sehr anspruchs- und verantwortungsvolle Aufgabe. Der finanzielle Rahmen ist nicht unbegrenzt. Die Ideen und Bedürfnisse der kulturellen Einrichtungen und der Kulturschaffenden in Niedersachsen übertreffen diesen bei Weitem. Die richtige Auswahl zu treffen, Prioritäten zu setzen und Qualität zu objektivieren, ist eine Kunst. Die Stiftung Niedersachsen versteht sich dabei nicht nur als „Mittelgeber“ oder „reiner Förderer“ – sie möchte Partner sein für die Kunst und Kultur in Niedersachsen. Der folgende Beitrag stellt die Stiftung und ihre inhaltliche Arbeit vor. Einige wesentliche Eckdaten seien vorangestellt: • Die Stiftung Niedersachsen wurde 1986 als gemeinnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts errichtet – mit dem Zweck, Kunst, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Forschung im Interesse des Gemeinwohls des Landes Niedersachsen zu fördern. • Die Geschäftsstelle der Stiftung steht mit ihren Erfahrungen und Kontakten den Projektträgern für Auskünfte und Beratung jederzeit zur Verfügung. Das Team besteht im Wesentlichen aus Generalsekretär Joachim Werren, zwei Projektreferentinnen sowie einer kleinen administrativen Einheit. • Im laufenden Geschäftsjahr 2009 wird die Stiftung Fördermittel von gut 4,5 bis fünf Millionen Euro für Kunst und Kultur in Niedersachsen bereitstellen. • In ihrem gut 20-jährigen Wirken hat die Stiftung Niedersachsen knapp 65 Millionen Euro an Fördermitteln ausgeschüttet und insgesamt ca. 1.000 204 1 Überarbeitete Fassung eines Vortrags im Rahmen der Sitzung des Arbeitskreises der Niedersächsischen Kulturdezernentinnen und Kulturdezernenten am 5. Juni 2009 in Bramsche Projekte unterschiedlicher Größenordnung unterstützt. • Die Stiftung Niedersachsen ist eine „richtige Stiftung“; das heißt, sie ist mit Kapital ausgestattet. Das Stiftungsvermögen beläuft sich zurzeit auf gut 53 Millionen Euro. Die Erwirtschaftung von Erträgen aus dem Stiftungskapital ist nicht immer ein einfaches Unterfangen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise geht am Stiftungssektor nicht spurlos vorbei. Das drastisch sinkende Zinsniveau und gefallene Unternehmerrenditen schmälern die Handlungsspielräume der Stiftungen in Deutschland. Stiftungen müssen auf den dauerhaften Erhalt ihres Kapitals achten. Es kann nur so viel zur Verwirklichung des Stiftungszwecks eingesetzt werden, wie sich aus den Finanzanlagen erwirtschaften lässt – auch im Interesse der Projektträger. Nur so ist zu gewährleisten, dass Stiftungen auf lange Sicht die Substanz haben, zuverlässiger Partner für die Kunst und Kultur zu sein, auch in wirtschaftlich schlechten Jahren oder in Phasen, in denen die öffentliche Hand ihre kulturellen Aufwendungen reduziert. Neben Erträgen aus dem Vermögen stehen der Stiftung Zuwendungen vom Land Niedersachsen aus der zweckgebunden zu verwendenden Glücksspielabgabe zur Verfügung. Diese ist geregelt im Niedersächsischen Glücksspielgesetz. Die Glücksspielabgabe spielt eine zentrale Rolle bei der Neuordnung der niedersächsischen Stiftungslandschaft zum 1. Januar 2009. Bis Ende 2008 gab es drei Kulturstiftungen, die landesweit in Niedersachsen tätig waren: die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Niedersächsische Lottostiftung und die Stiftung Niedersachsen. Die beiden zuletzt genannten Stiftungen wurden vom Land errichtet. Neben der Kulturförderung war die Niedersächsische Lottostiftung auch im Bereich Umwelt engagiert. Zum 1. Januar 2009 ist eine Bündelung der Landesstiftungen erfolgt („Drei-Säulen-Modell“). Die Stiftung Niedersachsen nimmt als einzige Landeskulturstiftung die Kulturförderung in Niedersach- sen wahr; sie hat die Kulturförderung der Niedersächsischen Lottostiftung übertragen bekommen. Neben der Kultur gibt es eine Landesumweltstiftung mit der Niedersächsischen Bingostiftung für Umwelt und Entwicklungszusammenarbeit sowie eine Landessportstiftung mit der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung. Für die Stiftung Niedersachsen bedeutet diese Umstrukturierung eine deutliche Erhöhung ihres Fördervolumens aber auch eine Erweiterung ihres Förderspektrums. Bis zur Neuordnung lag beispielsweise die Unterstützung der Freien Theaterszene – und auch zum Teil der Soziokultur – fast ausschließlich bei der Niedersächsischen Lottostiftung. Es gab faktisch eine Arbeitsteilung zwischen den beiden Landesstiftungen. Die Bereiche Freie Theater und Soziokultur werden nun von der Stiftung Niedersachsen gefördert. Zügig wurde der Kontakt und die Zusammenarbeit mit den relevanten Ansprechpartnern, wie z. B. dem Landesverband der Freien Theater oder der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur, gesucht. Anfängliche Befürchtungen, dass die eher kleinteiligen Förderfelder von der Stiftung Niedersachsen vernachlässigt werden könnten, scheinen ausgeräumt. Dass die Stiftung Niedersachsen den Anspruch der kleinteiligen Förderung ernst nimmt, dokumentiert die Statistik: bis Ende August 2009 wurden über 110 Projekte mit einem Antragsvolumen von jeweils bis zu 10.000 Euro bewilligt. Die Gesamtfördersumme bei diesen kleinteiligen Projekten beträgt bislang gut 670.000 Euro. Der größte Teil dieser Förderungen liegt im Bereich der freien Theater. Es ist ein Anliegen der Stiftung Niedersachsen, beim Übergang der Kulturförderung, den Kulturträgern Kontinuität zu gewährleisten. Der Prozess ist noch nicht vollständig abgeschlossen; es ist aber ein guter Weg beschritten worden. Das Bild der Stiftung Niedersachsen wird geprägt durch die kulturellen Inhal- NST-N 10/2009 SCHULE, KULTUR UND SPORT te. Ihren Zweck verwirklicht sie operativ – mit eigenen Programmen – und fördernd – indem Projekte Dritter unterstützt werden. Bei ihren Programmen arbeitet die Stiftung mit Partnern vor Ort an den verschiedenen Standorten zusammen. Das größte Vorhaben der Stiftung ist der Internationale Violin-Wettbewerb Hannover, der alle drei Jahre stattfindet und in 2009 vom 28. September bis zum 10. Oktober zum siebten Mal veranstaltet wird. Er ist im internationalen Vergleich der höchstdotierte Wettbewerb seiner Art. 35 der besten jungen Violinisten aus aller Welt, die von einer Jury ausgewählt wurden, stellen in Hannover ihr Können unter Beweis. Partner bei der Durchführung des Wettbewerbs sind die Hochschule für Musik und Theater Hannover, der Norddeutsche Rundfunk und das Niedersächsische Staatsorchester Hannover. Der Internationale Violin-Wettbewerb schließt weitere Programmteile ein, wie z. B. das neue Format „Classic-Lounge“ in den Herrenhäuser Gärten, mit dem eine neue junge Zielgruppe angesprochen wurde. Die Idee und das Konzept waren erfolgreich. Es wurden jeweils ca. 200 junge Menschen erreicht, die im Wesentlichen über das Internet angesprochen wurden. Mit „Zu Gast im Klassenzimmer“ wird die Klassik Schülern aus ganz Niedersachsen näher gebracht. Es haben sich über 40 Schulen mit gut 2.000 Schülern aller Schulformen für dieses Unterrichtsformat angemeldet. Der Wettbewerb bleibt aber nicht nur in Hannover: Die Teilnehmer und Preisträger des Wettbewerbs spielen in einer Konzertreihe „Zu Gast in Niedersachsen“ in acht verschiedenen Städten des Landes. Der Wettbewerb wird auf diese Weise wirksamer als bisher in die Fläche getragen. Neben der Musik ist die Literatur ein Schwerpunkt bei den Programmen der Stiftung Niedersachsen. Im Literatur Labor Wolfenbüttel spricht die Stiftung mit talentierten Schülerinnen und Schülern den literarischen Nachwuchs an und lädt sie nach Wolfenbüttel ein, wo sie mit etablierten und erfolgreichen Schriftstellern individuell des eigene Talent zu erkennen und zu entwickeln lernen. Mit diesem Programm in Kooperation mit der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel werden die Entwicklungsmöglichkeiten der „jüngsten Literaten“ gefördert. NST-N 10/2009 Seit 1994 vergibt die Stiftung Niedersachsen den »SPECTRUM« – Internationaler Preis für Fotografie. Mit dem Preis wird angestrebt, Niedersachsen auf höchstem Niveau in den internationalen fotografischen Diskurs einzubinden. Es wird eng mit dem Sprengel-Museum Hannover zusammen gearbeitet. Preisträgerin in 2008 war Helen Levitt aus den USA. Seit kurzem steht der neue Preisträger fest: Es ist der irakische Fotograf Bahman Jalili, dessen Werk mit einer Ausstellung in 2011 im Sprengel Museum Hannover vorgestellt wird, die sicherlich auf großes öffentliches Interesses stoßen dürfte. Zum Europa-Kolleg – ein weiteres Programm der Stiftung – werden seit sechs Jahren 20 Schülerinnen und Schüler aus deutschen Schulen im europäischen Ausland und aus ausländischen Schulen mit deutschem Zweig für zwei Wochen nach Wolfenbüttel in die Herzog August Bibliothek eingeladen. Die jungen Menschen sollen als Botschafter für niedersächsische Städte und Regionen gewonnen werden. Sie arbeiten, forschen und diskutieren gemeinsam mit renommierten Wissenschaftlern zu wichtigen Fragen Europas. Das Kolleg setzte sich in 2009 beispielsweise mit dem Einfluss der Religionen auf die Staaten der EU auseinander. Ein noch „junges“ Programm der Stiftung Niedersachsen sind im wahrsten Sinne des Wortes die »COMMUNAUTEN«. Auf Initiative der Stiftung wurden in Emden, Meppen, Oldenburg, Osnabrück und Papenburg in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kulturträgern und Schulen vor Ort Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 9 und 18 Jahren zu Stadtführern – den »COMMUNAUTEN« – ausgebildet. Ziel des Programms ist es, das Interesse an der eigenen Stadt zu wecken und eine Auseinandersetzung über ihre Geschichte und Gegenwart anzuregen. Das Programm wird in 2010 fortgesetzt. Als Landeskulturstiftung versteht sich die Stiftung Niedersachsen auch als „Beförderer“ des privaten Engagements. Sie ist Treuhänderin von Unterstiftungen; per Geschäftsbesorgungsvertrag übernimmt sie das Management von kleineren Stiftungen. Die Geschäftsstelle der Stiftung Niedersachsen bietet ihre Erfahrung an, um privates, auf Gemeinwohl bezogenes Engagement zu unterstützen. Sie kann Mitbürger oder Institutionen anregen und beraten, Kapital für gemeinnützige Zwecke bereit- zustellen. So zählt zu den treuhänderischen Stiftungen z. B. die Dürer-Sammlung der Konrad Liebmann-Stiftung, die im Kunstgeschichtlichen Museum in Osnabrück untergebracht ist. Per Geschäftsbesorgung betreut die Stiftung Niedersachsen z. B. die Stiftung Kulturschatz Bauernhof in Cloppenburg. Die zweite Säule der Arbeit der Stiftung Niedersachsen ist die Projektförderung. Bis 2008 wurden im Jahr durchschnittlich ca. 40 bis 50 Vorhaben bewilligt. Die Fördersummen reichen von kleineren Beträgen bis zu sechsstelligen Beträgen, wie z. B. für die Landesmusikakademie in Wolfenbüttel, das Portal zur Geschichte in Bad Gandersheim oder das Höhleninformationszentrum in Bad Grund. Die Förderung verteilt sich auf alle Landesteile Niedersachsens, wobei die Stiftung – verankert in der Satzung – eine besondere Verpflichtung im AltBezirk Weser-Ems hat. Mit der Neuordnung der Stiftungslandschaft hat sich die Zahl der Anträge und der Bewilligungen insbesondere durch Projekte im kleinteiligen Bereich sehr stark erhöht. Was prägt die Fördertätigkeit der Stiftung? • Die Stiftung fördert die kulturellen Schätze Niedersachsens. Die inhaltliche und künstlerische Qualität der Projekte stehen dabei eindeutig an erster Stelle; sie sind ausschlaggebende Bewertungsfaktoren. • Als Landeskulturstiftung und europäische Regionalstiftung – mit Kunst und Kultur in ganz Niedersachsen im Blick – konzentriert sich die Förderung auf Vorhaben mit überörtlicher Ausstrahlung und Wirkung. • Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den verschiedenen Projektpartnern finden besondere Berücksichtigung. • Die Stiftung fördert Projekte, die (neue) Wege der kulturellen Vermittlung und Teilhabe eröffnen und auch ein bisher fernes Kulturpublikum ansprechen. Gerade die Bildung und die Vermittlung gewinnen für den kulturellen Bereich angesichts der gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen an Gewicht. • Die Projekte sollen nachhaltig wirken und sich durch ihren exemplarischen und innovativen Charakter, ein schlüssiges Konzept und eine professionelle Durchführung auszeichnen. 205 SCHULE, KULTUR UND SPORT • Ein Schwerpunkt der Stiftung Niedersachsen ist das Engagement in strukturellen Maßnamen, mit denen die kulturelle Infrastruktur in den niedersächsischen Regionen dauerhaft gestärkt und weiterentwickelt und der Kulturstandort Niedersachsen substanziell gefördert wird. • Häufig stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach Folge- und Betriebskosten. Die Stiftung sieht grundsätzlich von institutionellen Förderungen ab, um sich nicht den Handlungsspielraum und die Flexibilität für spätere Förderungen zu beschneiden. • Die Stiftung arbeitet – angesichts der begrenzten Mittel und der hohen Zahl an Anträgen – insbesondere bei großen Vorhaben häufig mit Partnern zusammen. Es werden Mischfinanzierungen praktiziert. Ein Beispiel hierfür sind die Projektanträge, die im Rahmen der EU-Förderung an die Stiftung herangetragen werden. Die Stiftung gibt durchaus eigene Impulse, kann aber nur ergänzend wirken. Wie andere Kulturstiftungen kann sie die öffentliche Kulturpolitik und Kulturfinanzierung nicht ersetzen. Die kulturelle Verantwortung der öffentlichen Hand kann nicht von privaten Trägern übernommen werden. Einige exemplarische Projekte – ohne Anspruch auf Repräsentativität – zeigen das Spektrum der Tätigkeit der Stiftung Niedersachsen. Sie erwirbt z. B. Kulturgüter und stellt sie in unterschiedlicher Form gemeinnützigen Einrichtungen zur Verfügung. Eines der außergewöhnlichsten Projekte war der Ankauf des Music of ManArchives für die Hochschule für Musik und Theater Hannover. Dies ist eine Weltmusik-Sammlung mit 45.000 Schallplatten, 500 Musikinstrumenten und über 8.000 Büchern. In Kooperation mit der Universität Hildesheim wird ein Centre for Worldmusic eingerichtet – mit dem Archiv als Nukleus. Für das Wilhelm Busch Museum Hannover wurde 2008 die Sammlung/der Nachlass F. K. Waechter erworben und damit der Rang des Museums als das Haus für Karikatur und kritische Grafik in Deutschland unterstrichen. 206 Mit der Förderung des Ankaufs von Pokalen aus der Silberkammer der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg aus der Sammlung von Yves Saint Laurent wird Kulturgut für das Land Niedersachsen gesichert und am Museumsstandort Celle ausgestellt. Kulturförderung ist immer zugleich auch eine Investition in einen Standort. Das gilt für die kommunale Ebene genauso wie für die Landesperspektive. Ein Beispiel für eine strukturelle Förderung durch die Stiftung, die nachhaltige kulturelle und auch wirtschaftliche Folgewirkungen für einen Standort hat, ist Emden. Mit • der Kunsthalle Emden, Stiftung Henri und Eske Nannen, • dem Ostfriesischen Landes museum und der Rüstkammer, • der Stiftung Johannes a Lasco Bibliothek und • der geplanten Erschließung und Restaurierung der Neuen Kirche hat Emden ein überregional und national bekanntes kulturelles Profil erhalten. Die Stiftung Niedersachsen hat hierzu wesentliche, auch finanzielle, Impulse gegeben. Sie ist selbstverständlich nicht allein für den Ausbau dieser Institutionen verantwortlich. Maßnahmen in diesem Umfang setzen – wie bereits beschrieben – das Zusammenwirken und das Engagement von verschiedenen Akteuren und der lokalen Politik voraus. Es ist auch manchmal ein etwas längerer Atem erforderlich. Die Stiftung hat die genannten Einrichtungen mit über vier Millionen Euro gefördert. Die Gesamtinvestitionen betrugen rund 25 Millionen Euro. Die gezielte strukturelle Förderung hat sich für den Standort – nicht nur in kultureller Hinsicht – gelohnt; die Stiftung hat hierzu die wesentlichen Eckwerte recherchiert: die Besuchszahlen der Einrichtungen stiegen von 137.000 in fünf Jahren auf 216.000 im Jahr 2006. Die Übernachtungszahlen sind in den letzten zehn Jahren um ca. 10 bis 20 Prozent auf knapp 100.000 gestiegen. Neben den Eintrittsgeldern von ca. 700.000 Euro p. a. geben die Besucher nochmals ca. fünf Millionen Euro in der Gastronomie oder im Handel in Emden aus. Die durch Kontinuität geprägte Zusammenarbeit zwischen einer Kommune und der Stiftung hat sich in einer deutlichen kulturellen Aufwertung Emdens manifestiert. Die Stiftung Niedersachsen war hierbei nicht nur Mittelgeber, sondern stand auch als Berater und Multiplikator zur Seite. Es sind aber nicht nur die großen Projekte und Förderungen, die das kultu- relle Leben Niedersachsens ausmachen. Gerade die Vielzahl an kleinteiligen Projekten in der Fläche prägt die kulturelle Vielfalt und das kulturelle Image unseres Landes. Diese Vorhaben sind wichtig für die Menschen vor Ort. Die Stiftung ermöglicht mit der Förderung der kleineren Projekte neue, innovative Vorhaben; es ließen sich etliche Beispiele aufzählen. Mit Musikland Niedersachsen sei abschließend ein Vorhaben vorgestellt, das nicht nur von übergeordnetem Landesinteresse ist, sondern auch für die Musikschaffenden vor Ort einen hohen Nutzen hat. Musikland Niedersachsen ist ein Gemeinschaftsvorhaben des Landes Niedersachsen, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und der Stiftung Niedersachsen. Organisatorisch ist dieses Projekt bei der Stiftung Niedersachsen angesiedelt. Ziele von Musikland Niedersachsen sind im Wesentlichen • die bessere Vernetzung der Akteure des musikalischen Sektors in Niedersachsen, • die Verbesserung und Stärkung der Musikvermittlung und • die Schaffung einer Marke „Musikland Niedersachsen“ zur besseren nationalen und internationalen Wahr nehmung der niedersächsischen Angebote. Seit Mai 2008 ist die Geschäftsstelle vom Musikland Niedersachsen aktiv. Das flächendeckende Angebot an Kunst und Kultur in Niedersachsen ist eine besondere Herausforderung für alle Kulturförderer. Die Stiftung Niedersachsen leistet ihren Beitrag, um es zu pflegen und weiterzuentwickeln; sie wird weiterhin ein zuverlässiger Partner sein – auch für die Kommunen in unserem Land. Kultur zu ermöglichen, sie zu fördern, wird dabei stets eine Kunst bleiben. Weitere Informationen unter: Stiftung Niedersachsen: www.stnds.de Internationaler Violin-Wettbewerb Hannover: www.violin-wettbewerb.de Musikland Niedersachsen: www.musikland-niedersachsen.de Zum Programm »COMMUNAUTEN« der Stiftung Niedersachsen ist ein Handbuch erschienen, das die einzelnen Projekte beispielhaft vorstellt. Es ist zu beziehen über [email protected]. NST-N 10/2009 SCHULE, KULTUR UND SPORT Schüler, digitale Medien, große Politik n-21: Schulen in Niedersachsen online e.V. von Harald Einecke, Geschäftsführer n-21: Schulen in Niedersachsen Online e.V. Für die Schüler der n-21-Online-Redaktion ist die Berichterstattung live von der 16. Städteversammlung in Bad Pyrmont am 21./22. Oktober 2009 ein großes und interessantes Erlebnis. Seit fünf Jahren können Schülergruppen als Online-Redakteure live aus dem Niedersächsischen Landtag, von großen Sportereignissen oder von Stadt- und Schulfesten berichten. „Das Projekt von n-21: Schulen in Niedersachsen online e. V. baut nicht nur eine Brücke zwischen jungen Menschen, Politik und Gesellschaft, sondern nutzt auch digitale Medien wie Notebook und Podcast, um Berichte und Interviews direkt ins Internet zu stellen“, erklärt der Geschäftsführer des Vereins n-21, Harald Einecke. Damit die Nachwuchsjournalisten auch gut vorbereitet sind, bekommen sie im Vorfeld eine Checkliste, die ihnen dabei hilft, ihre Interviews, Berichte und Recherchen wie ein Profi anzugehen. Nur wer hartnäckig seine Themen bearbeitet, wird auch hinterher ein zufriedenstellendes Ergebnis abliefern können. Natürlich muss auch die technische Umsetzung, also die multimediale Aufbereitung der Inhalte für den Webauftritt, gelernt werden. So sind Fachbegriffe wie Hypertext und Screendesign schon bald keine Fremdworte mehr. Die Wahl der Textfarbe, das Abspeichern von Fotos, die Festlegung der Spaltenbreite, das Einbinden von Logos – all das bereitet den Schülern nach einer kurzen Eingewöhnungsphase schon bald keine Probleme mehr. Die Jugendlichen sollen lernen, dass Computer nicht nur zum Chatten oder Spielen da sind, sondern auch als Werkzeug für anspruchsvolle Tätigkeiten. Sie werden mit dem Medium Internet vertraut gemacht und erfahren gleichzeitig, wie es ist, verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen. Funkvernetzte Notebooks, Internetzugang, Digitalkameras, Mikrofone und NST-N 10/2009 Aufnahmegeräte werden den Schülern gestellt, natürlich kann aber auch jeder sein eigenes Equipment zur Hand nehmen. Wichtig ist, dass die Teilnehmer durch Kreativität und Begeisterung für Impulse sorgen, nicht nur nach außen, sondern auch für sich persönlich. „Wir möchten den Spürsinn für Recherche wecken und die Lust am Lernen fördern: Interviews mit dem Ministerpräsidenten Christian Wulff MdL, der Landtagsvizepräsidentin Astrid Vockert MdL, dem Präsidenten des Niedersächsischen Städtetages Ulrich Mägde und die Veröffentlichung dieser Beiträge im Internet tragen dazu bei, Medienkompetenz, soziale und sprachliche Kompetenzen zu erweitern“, macht Einecke deutlich. „Ich bin überzeugt, dass das für die Mitglieder der Online- oder Schulinternetradio- Redaktionen die beste Form der politischen Bildung ist“, ergänzt der Geschäftsführer des Vereins n-21. Ziele der n-21 Partnerschaft von Wirtschaft, Politik und kommunalen Spitzenverbänden sind die Verbesserung der IT-Ausstattung der Schulen, die Bereitstellung von Unterrichtskonzepten und die Förderung der Lehrerfortbildung. Medienkonzepte der Schulen sollen diese einzelnen Aufgabenstellungen in ein Konzept zur Förderung der IT- und Medienkompetenz zusammenfassen. Niedersachsen ist nicht erst nach Bereitstellung von über 40 Millionen Euro für das Mobile Lernen aus dem Konjunkturpaket II bundesweit Spitzenreiter bei der Integration der digitalen Medien im Unterricht durch Laptopklassen. Der Name „mobiles lernen-21: Notebooks für Niedersachsen“ ist Programm. Aufbauend auf dieses Ausstattungsprogramm gibt es seit 2003 Fördermittel des Landes für Systembetreuung der IT-Ausstattung für Schulen. Das Gesamtvolumen von zehn Millionen Euro jährlich wird zu 50 Prozent vom Land Niedersachsen als Träger der inneren Schulangelegenheiten und zu 50 Prozent von den Schulträgern als Träger der äußeren Schulangelegenheiten zur Verfügung gestellt. Warum digitales Lernen? Digitales Lernen ist ein zentrales Element des Lernens im 21. Jahrhundert. 207 SCHULE, KULTUR UND SPORT Schüler wachsen bereits jetzt ganz selbstverständlich in einer Netzwelt auf; in den Schulen hat diese Netzwelt aber noch nicht überall Einzug gehalten. Dabei ist in der Arbeitswelt von heute digitales Arbeiten die neue vierte Kulturtechnik, die verbunden mit einer hohen Selbstständigkeit der Mitarbeiter und der fortlaufenden Arbeit in Teams selbstverständlich in allen Berufen verlangt wird. Die neue Arbeitswelt ist auf Menschen angewiesen, die selbst denken, kreativ sind, Probleme lösen und eigene Vorstellungen haben. Der Maschinenarbeiter, der Anwei sungen nur noch durchführt, ist nicht mehr gefragt. Und in der Schule? Hier gilt es eine neue Lehr- und Lernkultur zu schaffen. Digitales Lernen meint daher nicht den Ersatz des bisherigen lehrergestützten Frontalunter richts durch Frontalunterricht mit Power point und Laptop oder die Nutzung von Lernplattformen als Dateiablage. Digitales Lernen meint stattdessen ein Lernen, das nicht mehr an bestimmte Lernzeiten und den Ort Schule gebunden ist, stattdessen durch Nutzung des Webs jederzeit und von jedem Ort aus stattfindet. Zeitgleich geht es um neue Unterrichtsformen mit hoher Eigenaktivität der Lernenden, einen hohen Grad an Teamarbeit mit zugleich zeitgemäßen Arbeitsmitteln. Teamarbeit mit Notebook, Kommunikation mit Mitschülern und Lehrern auf Lernplattformen oder Dokumentationen der Lernergebnisse, individuelle auf den unterschiedlichen Leistungsstand ausgerichtete Übungen im Unterricht an der Schule oder außerhalb haben das Potenzial, eine am Schüler und seinen individuellen Fortschritten orientierte Schule des 21. Jahrhunderts zu schaffen. Zur Finanzierung setzen n-21 und die Niedersächsische Landesregierung u. a. auf das Prinzip des Bildungssponsorings. Mit Unterstützung von Unternehmen, Verbänden, Banken und Sparkassen werden viele der genannten Projekte in den Schulen Niedersachsens zeitnah realisiert. Es entstehen über das Sponsoring hinaus zwischen Schulen, Eltern und Sponsoren echte Partnerschaften, von denen alle Seiten profitieren. Alle Beteiligten sind sich bewusst, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, die Qualität der Schulausbildung durch Einsatz digitaler Medien zu optimieren, um den Herausforderungen der Wissensgesellschaft gewachsen zu sein. Auch die starke Zunahme bei der Vernetzung von Schulen mit ihren Außenstellen oder mit anderen Schulen und Schulträgern zeigt in die richtige Richtung zur Optimierung der Kommunikationswege. Ziel ist es, auch alle Kindergärten in Niedersachsen in diese Kommunikationsstruktur einzubinden. PERSONALIEN Karin Jabs-Kiesler, Bürgermeisterin Lothar Koch, MdL, Träger des Bundesder Stadt Osnabrück konnte am 1. Okverdienstkreuzes, Ehrenbürgermeister tober 2009 ihr 70. Lebensjahr vollender Stadt Duderstadt, vollendete am 27. den. September 2009 sein 70. Lebensjahr. Bereits seit mehr als 36 Jahren ist er in Der Geschäftsführer des Sparkassenherausragender Weise als Ratsmitglied verband Niedersachsen Günter Disund zugleich als stv. Bürgermeister und telrath wurde am 5. Oktober 2009 Ortsbürgermeister in der Kommunal 60 Jahre alt. politik tätig. Seit 1994 gehört Lothar Koch dem Niedersächsischen Landtag Der Bundestagsabgeordnete Georg an und ist amtierender Alterspräsident Schirmbeck MdB aus dem Landkreis AZ-45X45 :. 25.01.2008 10:32 Uhr des Landesparlaments. Osnabrück konnte am 6. Oktober 2009 seinen 60. Geburtstag feiern. tschland.de www.plan-deu 208 Öffne deine Augen für meine Welt. Werde Pate! Am 20. Oktober 2009 konnte die Landtagsabgeordnete Karin Stief-Kreihe MdL aus der Stadt Meppen ihren 60. Geburtstag feiern. Sein 50. Lebensjahr vollendet am 22. Oktober 2009 der Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages Dr. Hubert Meyer. Die Stadt Wunstorf ehrte in der Ratssitzung vom 23. September 2009 den Ratsherrn Johannes Grobelny für seine 25jährige ehrenamtliche Tätigkeit. Bürgermeister Rolf-Axel Eberhardt überreichte im Namen des Verbandes die Ehrenurkunden des Niedersächsischen Städtetages. Jürgen Badur, Bürgermeister der Stadt Buxtehude wird am 15. November 2009 sein 60. Lebensjahr vollenden. Der Europaabgeordnete Sven Giegold MdEP aus Dörverden wird am 17. November 2009 seinen 40. Geburtstag feiern können. Sein 60. Lebensjahr vollendet am 21. November 2009 der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Hermann Kues MdB. Der Bürgermeister der Stadt Twistringen Karl Meyer wird am 23. November 2009 60 Jahre alt. Ebenfalls 60 Jahre alt wird am 28. November 2009 der Erste Stadtrat der Stadt Göttingen Hans-Peter Suermann. NST-N 10/2009 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT „Integration in den Städten, Gemeinden und Samtgemeinden“ – diese Überschrift steht für eine Artikelserie aus der kommunalen Praxis. In loser Folge stellen Mitgliedskommunen des Städtetages konkrete Maßnahmen vor, mit denen sie sich um die Förderung der Integration vor Ort bemühen. Die Geschäftsstelle freut sich über Aufsätze aus der Mitgliedschaft. Der erste solche Aufsatz wurde uns von der Mitgliedsgemeinde Stuhr zur Verfügung gestellt. Fördergruppen in den kommunalen Kindertagesstätten der Gemeinde Stuhr Ein erfolgreiches Konzept zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund von Heide Berwing und Detlev Gellert Die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund kann nicht früh genug beginnen. Diese Aussage dürfte wohl unbestritten sein. Aber mit welchen Mitteln, Methoden und Ressourcen dieses Unterfangen erfolgreich gestaltet werden kann, darüber gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen. Der frühzeitige Erwerb der deutschen Sprache ist sicher ein wesentlicher Bereich, der in der frühen Bildung von Kindern mit Migrationshintergrund eine wichtige Rolle spielt. Kinder lernen aber Sprache nicht nur in der Sprechsituation, sondern vor allem im Handeln, im Erkunden und Entdecken, im Spiel mit anderen Kindern und am Sprachvorbild der Erwachsenen. Erfolgreiche Sprachförderung, und über die Sprachförderung erfolgreiche Integration, darf also nicht nur isolierte Sprechsituationen umfas- sen, in denen Sprache gelehrt wird, sondern muss im Alltag des Kindes ganzheitlich langfristig implementiert sein. Nur so kann die fremde Sprache für das Kind an Bedeutung gewinnen und zum geschätzten Kontakt- und Kommunikationsmittel werden. Nur so wird es über einen langen Zeitraum Motive entwickeln, die über die Aneignung der Sprache auch zu einer sozialen Integration führen. Einrichtung von Fördergruppen in der Gemeinde Stuhr Bereits im Kindergartenjahr 1998/99 wurden in der Gemeinde Stuhr in der kommunalen Kindertagesstätte Brinkum / Meyerstraße Fördergruppen eingerichtet. Zu diesem Zeitpunkt war in der Kindertagesstätte ein Anteil von 30 Prozent Kindern mit Migrationshinter- grund vorhanden. Im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 3 (KiTaG) stellte die Gemeinde Stuhr als Träger der Kindertagesstätte fest, dass in diesen Gruppen ein besonderer Förderbedarf durch eine vermehrte Anzahl von Kindern ausländischer Herkunft und Kindern aus besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen vorhanden war. Das Besondere der Fördergruppen ist – neben einem spezifischen Betreu ungsschlüssel und zusätzlichem Personal – die Ausrichtung ihrer Arbeit auf die ganze Lebenssituation der Kinder und ihrer Eltern und eine Förderung in der gesamten Kindergartenzeit des Kindes, und nicht nur mit begrenzter Stundenanzahl im letzten Kindergartenjahr. Das Konzept der Fördergruppen wurde von der Kindergartenleitung Brinkum Meyerstraße und der Fachberatung der kommunalen Kindergärten der Gemeinde Stuhr entwickelt. Im Laufe der Zeit wurde es von Kindergartenleitung und Förderkräften fortgeschrieben. Vor der Einrichtung der Fördergruppen musste ein großer Teil der Förderkinder im Einzugsbereich der Kindertagesstätte Brinkum / Meyerstraße nach Beendigung der Kindergartenzeit wegen mangelnder Schulreife den Schulkindergarten besuchen. Für einige dieser Kinder stellte selbst der Schulkindergarten eine zu hohe Anforderung dar. Zusätzlich kam es zu starken Spannungen zwischen den Eltern. Wegen der vielen ausländischen Kinder hatten die deutschen Eltern die Befürchtung, dass ihre Kinder nicht mehr gut betreut und gefördert werden. Diese Situation war der Integration der Kinder mit Migrationshintergrund äußerst abträglich und machte eine schnelle und nachhaltige Lösung erforderlich. NST-N 10/2009 209 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT Zur Lebenssituation der Förder kinder und ihrer Familien Der größte Teil der Förderkinder kommt aus Familien mit Migrationshinter grund. Herkunftsländer sind Syrien, Albanien, Libanon, Kosovo, Polen, Türkei und Russland. In diesen Familien wird in der Regel die Muttersprache gesprochen. Kontakte gibt es oft nur zu Familien desselben Herkunftslandes, selten zu deutschen Familien oder dem deutsch sprechenden Umfeld. Daher haben die Kinder oft bis zur Einschulung nur im Kindergarten die Möglichkeit, deutsch zu lernen. Etwa 20 Prozent der Förderkinder kommen aus besonders benachteiligten Familien deutscher Herkunft. Interkultureller Ansatz Die Fördergruppen haben angesichts der vielfältigen sprachlichen und kul- Kinder- und jugendfreundliche Stadt: Visionen und Anstrengungen Kinder- und Jugendfreundlichkeit sind Standortfaktoren für junge Familien und Fachkräfte. Daher verankern viele Gemeinden und Städte im Wettbewerb um Unternehmen und kluge Köpfe Themen einer kinder- und jugendfreundlichen Stadtentwicklung in Leitbildern und lokalen Projekten. Es geht unter anderem um Dienstleistungen und Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien, um die Gestaltung des Lebensraums Stadt und Gemeinde sowie um Fragen der Mobilität. Verwaltungen stehen vor der Aufgabe, die Beschlüsse im Zusammenwirken der unterschiedlichen Interessen der Fachressorts umzusetzen. Das Deutsche Institut für Urbanistik führt am 26. und 27. November 2009 in Berlin ein Seminar durch, in dem Erfahrungen mit Instrumenten, Verfahren und den Umsetzungsstrukturen kinder- und jugendfreundlicher Maßnahmen und Strategien sowie die Qualitäten kinder- und jugendfreundlicher Stadtgestaltung diskutiert werden. Dabei wird auch der Zusammenhang von Beteiligungs- und Bildungsangeboten erörtert, als eine Möglichkeit Kindern und Jugendlichen das Rüstzeug zu vermitteln, mit dessen Hilfe sie aktiv an Planungsprozessen mitwirken können. Im Mittelpunkt des Seminars steht der Erfahrungsaustausch zu folgenden Fragen: • Welche Wege und Instrumente zur Umsetzung kinder- und jugendfreund licher Planung gibt es? • Wie können Aspekte kinder- und jugendfreundlicher Planung im alltäg lichen Verwaltungshandeln und in Planungsprozessen verankert werden? • Welchen Beitrag kann kinder- und jugendfreundliche Stadtplanung zur Lösung von sozialen Problemen (wie Kinderarmut) leisten? • Welche Beteiligungsstrategien gibt es, um Jugendliche stärker als bisher zu erreichen? • Was ist kinder- und jugendfreundliche Stadtgestaltung? • Warum sind baukulturelle Bildungsangebote und Mobilitätserziehung für Kinder und Jugendliche sinnvoll? Die Veranstaltung richtet sich an Dezernentinnen und Dezernenten, Führungs- und Fachpersonal aus Stadtentwicklungs-, Stadt- und Verkehrsplanungs-, Sozial-, Jugend- und Umweltämtern sowie an Ratsmitglieder. Weitere Informationen, detailliertes Seminarprogramm/Kontakt, Kosten und Anmeldung: 210 http://www.difu.de/seminare/difu-seminare-anzeige.php?id=1925 turellen Hintergründe der betreuten Kinder eine anspruchsvolle Integrations aufgabe. Ziel der pädagogischen Arbeit ist es, ein gemeinsames Leben und Lernen von deutschen Kindern und Kindern anderer Nationalitäten zu ermöglichen. Die Kinder sollen befähigt werden, sich im Alltag zu orientieren, sich mit der sozialen Realität auseinander zu setzen und die gesellschaftlichen Angebote gleichberechtigt wahrzunehmen. Wir wollen das Miteinander aller Kinder fördern, indem wir die Gemeinsamkeiten betonen und zum Aus gangspunkt unseres pädagogischen Handelns machen. Gleichzeitig sollen aber auch die jeweiligen kulturellen Eigenständigkeiten erkannt und akzeptiert werden. Um Kinder zu befähigen, ihre gegenwärtigen und zukünftigen Lebens situationen bewältigen zu können, ist es notwendig, an den aktuellen Lebenssituationen und Alltagserfahrungen, den Bedürfnissen und Interessen der Kinder anzusetzen. Dies versuchen wir z. B. bei der Projektplanung, Materialauswahl und der Raumgestaltung zu berücksichtigen. Sprachförderung in den Fördergruppen Bei der Unterstützung des Spracherwerbs und der Sprachförderung ist es uns wichtig, dass die Kinder in ihrer Herkunftssprache respektiert und bestätigt werden. Mit der Erstsprache werden dem Kind Werte, Normen und Regeln vermittelt, die Ausdruck seines kulturellen Hintergrundes sind. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass eine gut ausgebildete Erstsprache eine wichtige Grundlage zum Erwerb der Zweitsprache Deutsch ist. Rahmenbedingungen der Fördergruppen Die Fördergruppen werden als Halbtagsgruppen im Vor- oder Nachmittag geführt. In diesen Gruppen können zwischen 20 und 22 Kinder aufgenommen werden, davon höchstens fünf Kinder mit Förderbedarf. Die Kinder werden von zwei sozialpädagogischen Fachkräften betreut, denen jeweils wöchentlich zusätzlich 0,5 Stunden für Teambesprechungen zur Verfügung stehen. Ergänzend zum Gruppenpersonal arbeiten zwei heilpädagogische Fachkräfte mit je 31,5 Wochenstunden in den Fördergruppen. Jede Förderkraft betreut drei Gruppen und steht NST-N 10/2009 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT daher jeder Gruppe wöchentlich mit 10,5 Stunden zur Verfügung. Die Einrichtung der Fördergruppen wurde lange Zeit von dritter Seite nicht gefördert. Die zusätzlich erforderlichen Mittel wurden von der Gemeinde Stuhr bereitgestellt. Erst im Rahmen des Sprachförderprogramms des Landes Niedersachsen wird ein Teil der zusätzlichen Personalkosten gefördert. Die Reduzierung der Platzzahl in den Gruppen erfolgt nach wie vor freiwillig. Sprachförderung im Kindertagesstätten-Alltag Durch die Reduzierung der Gruppenstärke und den zusätzlichen Einsatz einer heilpädagogischen Fachkraft ist es möglich, individueller auf die Bedürfnisse der Förderkinder einzugehen. Um die Kinder beim Erwerb der Zweitsprache zu unterstützen, werden alltägliche und wiederkehrende Situationen für einen Dialog genutzt. Das Anziehen vor dem Spiel auf dem Außengelände, Essenssituationen, Dialoge beim Spielen oder bei Angeboten bieten den Kindern die Möglichkeit, sich am sprachlichen Vorbild der Erzieherin zu orientieren und damit erste Fähigkeiten im Deutschen zu erwerben. Der Alltag in der Gruppe wird so „sprachfreundlich“ und so „sprechanregend“ wie möglich gestaltet. Da Kinder Sprache über die Orientierung an Sprachvorbildern und in Handlungszusammenhängen erwerben, ist es wichtig, den Zusammenhang von Handeln und Sprechen, von Erfahrung und Begriff immer wieder zu berücksichtigen und zu betonen. Sprachförderung durch die heilpädagogische Fachkraft Aufgabe der heilpädagogischen Fachkraft ist die kontinuierliche individuelle Förderung der Migrantenkinder und der Kinder aus besonders benachteiligten Familien. Dabei gilt es, die Kinder positiv in ihren Möglichkeiten zu unterstützen und Störungen frühzeitig durch ein gezieltes Förderangebot zu begegnen bzw. ihnen vorzubeugen. Die Angebote aus den Bereichen Sprache, Motorik, Wahrnehmung, Kognition und Konzentrationsfähigkeit werden so aufbereitet, dass die Kinder nicht einseitig, sondern ganzheitlich gefördert werden. Durch gezielte Beobachtungen stellt die Förderkraft fest, welche Sprachkompetenzen beim Kind vorhanden sind und auf welche Ressourcen zur NST-N 10/2009 Sprachförderung in der Familie zurückgegriffen werden kann. Zur Feststellung der Sprachkompetenzen von Migrantenkindern setzen die Förderkräfte den Beobachtungsbogen „sismik“ (Sprachverhalten und Interesse bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen) ein. Diese differenzierten Beobachtungen bilden die Grundlage für die Planung einer strukturierten und systematischen Sprachförderung. Die Förderangebote werden dann an dem Lernbedarf des jeweiligen Kindes (z. B. Wortschatzerweiterung, Sprachverständnis, grammatisches Wissen) ausgerichtet. Die Förderung findet in Kleingruppen oder in der Gesamtgruppe statt. Die Zusammensetzung der Kleingruppen richtet sich nach dem jeweiligen Förderangebot. Sie können multikulturell zusammengesetzt sein, können aber auch nur aus Kindern einer Herkunftssprache bestehen. Zusammenarbeit mit den Eltern Ein wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit mit den Kindern ist die Zusammenarbeit mit den Eltern. Kenntnisse über die Situation der Familie, über Erziehungsvorstellungen und Erziehungsstile sind die Voraussetzung für eine Arbeit, die sich an den Lebenssituationen und Bedürfnissen der Kinder orientieren will und Erziehung als eine gemeinsame Aufgabe von Kinder tagesstätte und Familie versteht. Die Eltern sollen darin unterstützt werden, sich an der Arbeit in der Einrichtung zu beteiligen. Voraussetzung für eine Mitwirkung ist, dass Eltern sich anerkannt und akzeptiert fühlen. In der Arbeit in der Kindertagesstätte ist allerdings vielfach zu beobachten, dass sich die drei Gruppen zugewanderte Familien, deutsche sozial benachteiligte Familien und sonstige deutsche Eltern ohne offensichtliche Probleme voneinander abgrenzen. Da sich negative Einstellungen und Vorurteile von Eltern auch auf die Arbeit mit den Kindern und deren Beziehungen untereinander auswirken, stellt sich in der Förderarbeit im besonderen Maße die Aufgabe, bestehende Barrieren zwischen den Eltern abzubauen. Die Gruppenkräfte und die jeweilige Förderkraft planen Elternaktivitäten gemeinsam (z. B. Elternabende, Gruppenfeste). Dabei gilt es, die inhaltliche und organisatorische Gestaltung auf die vielschichtige Elternschaft abzu stimmen (z. B. einfache, klare Darstellung, Einsatz von Bildmaterial, Kontaktaufnahme ermöglichen, bei bestimmten Themen für Übersetzung sorgen). Aufgabe der Förderkraft ist außerdem eine kontinuierliche Begleitung der Eltern mit Migrationshintergrund und der sozial benachteiligten Eltern: Vom Aufnahmegespräch bei Kindergarteneintritt, über regelmäßige Elterngespräche, eventuelle Kriseninterventionsgespräche und Hausbesuche bis zum Abschlussgespräch kurz vor der Einschulung. Bei der Aufnahme von Kindern machen wir gute Erfahrungen mit dem Einsatz des Aufnahmebogens aus der Arbeitsmappe „Wir verstehen uns gut“ (Elke Schlösser/Ökotopia Verlag). Mit Hilfe des Aufnahmebogens können Missverständnisse, die aus Unkenntnis über individuelle Ausgangspositionen erwachsen, eingegrenzt werden. Für Eltern mit Migrationshintergrund und Eltern mit geringem Bildungsniveau werden schriftliche Informationen gesondert aufbereitet. Wir setzen aber verstärkt auf die mündliche Kommunikation, da einige Fördereltern nicht lesen und schreiben können. Zusammenarbeit mit anderen Institutionen Fast alle Familien aus besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen benötigen zusätzlich zu unserem Beratungs- und Unterstützungsangebot spezifische Hilfen. Durch eine intensive Zusammenarbeit mit zahlreichen Einrichtungen (Frühförderung, Kinderzentrum, Sozialdienst, Familienhelfern, Kinderärzten, ortsansässigen Therapeuten) ist es möglich, spezifische Hilfen zunächst zu initiieren und dann eine regelmäßige Nutzung des Hilfs- oder Therapieangebotes sicherzustellen. Zusammenarbeit mit der Grundschule Für die Fördergruppenarbeit ist ein Austausch zwischen Kindertagesstätte und Grundschule besonders wichtig. Die Förderkräfte begleiten und unterstützen die Förderkinder und ihre Eltern von der Schulanmeldung bis zur Einschulung. Wurden die Kinder zwei oder drei Jahre in unseren Fördergruppen betreut, ergeben Kindergartenuntersuchung und Sprachstandsfeststellung in der Regel, dass keine vorschulische Sprachförderung durch die Schule notwendig ist. Seit Einführung dieser Maßnahme wurde aber trotzdem jedes Jahr 211 JUGEND, SOZIALES UND GESUNDHEIT eine Gruppe von fünf bis sechs Kindern gebildet. Hierfür werden Migrantenkinder ausgewählt, die erst kurze Zeit den Kindergarten besuchen, oder Kinder die aufgrund fehlender Anregung und Unterstützung durch die Eltern noch zusätzlich gefördert werden sollen. Die Förderung dieser Kinder findet in enger Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätte und Grundschule in den für die Kinder vertrauten Räumen der Kindertagesstätte statt. Schlussbemerkung Durch die praktische Umsetzung des beschriebenen Fördergruppenkonzeptes können die wesentlichen Ziele, die 1998 mit der Einrichtung von Fördergruppen verfolgt wurden, erreicht werden. Innerhalb der vielschichtigen Elternschaft der Kindertagesstätte Brinkum / Meyerstraße hat sich ein gedeihliches Miteinander entwickelt. Vorbehalte und eventuell auftretende Span nungen können frühzeitig erkannt und durch eine intensive Elternarbeit weitestgehend ausgeräumt werden. Der Einsatz der Förderkräfte und die Reduzierung der Gruppenstärke ermöglichen eine gute Förderung sowohl der Kinder mit Migrationshintergrund, als auch aller Kinder deutscher Herkunft. Mit dieser frühen intensiven Förderung kognitiver, sozialer und sprachlicher Fähigkeiten können bereits in unserer Kindertagesstätte die Weichen für den Integrationsprozess gestellt werden. Sie sind eine wichtige, nicht zu unterschätzende Voraussetzung für die Zugänge zu Bildung, Ausbildung und Arbeit. Das Konzept der Fördergruppen wurde dem Bedarf angepasst auf weitere Kindertagesstätten der Gemeinde Stuhr übertragen. Auch hier erweist es sich durch seine langfristige, ganzheitliche Ausrichtung als Erfolgsmodell. Zu den Autoren: Heide Berwing ist Erzieherin und Heilpädagogin, sie arbeitet seit 1993 in der Leitung der Kindertagesstätte StuhrBrinkum / Meyerstraße. Detlev Gellert ist Dipl. Sozialpädagoge. Von 1987 bis 2002 arbeitete er als Fachberater für Kindertagesstätten und Integrationsgruppen in der Gemeinde Stuhr. Seit 2002 ist er in der Verwaltung tätig, seit 2004 als Fachbereichsleiter für Bildung, Kultur und Freizeit. Kontaktadressen: Gemeinde Stuhr Blockener Straße 6, 28816 Stuhr E-Z. B.: [email protected] Kindertagesstätte Brinkum-Meyerstraße Meyerstraße 2 und 4, 28816 Stuhr E-Z. B.: Kiga.Brinkum.Meyerstr@ stuhr.de SCHRIFTTUM Jungen und Mädchen: wie sie lernen Welche Unterschiede im Lernstil Sie kennen müssen Mit Lernmodul Lernen und Schreiben von Vera F. Birkenbihl 4. Auflage, 144 Seiten, Paperback, 9,95 Euro, ISBN 978-3-8029-4689-9, WALHALLA Fachverlag, Regensburg, 2009 www.walhalla.de Die Zahl der Sonderschüler steigt stetig, und immer mehr Jungen gelten als die neuen Sorgenkinder des Bildungssystems. Als eine der Ursachen identifiziert die Autorin in diesem Buch die Tatsache, dass unsere Schulen eklatante gehirnspezifischen Geschlechtsunterschiede bisher im Unterricht nicht berücksichtigen. Die Leiterin des Instituts für gehirn-gerechtes Arbeiten bietet Eltern und Pädagogen konkrete Hilfestellung, um dieser Entwicklung intelligent entgegenzusteuern. Das Buch liefert praxisorientierte Anregungen, um Lernen leichter, spielerischer und gehirn-gerechter zu gestalten. Ein Praxis-Modul unterstützt lese- und schreibs chwache Kinder mit zehn Techniken beim Erlernen dieser wesentlichen Kompetenzen. 212 Anhand der neuesten Erkenntnisse der Forschung belegt die Autorin ihre Thesen. Zahlreiche Beispiele veranschaulichen, warum geschlechtertypische Merkmale in der Ausbildung von Kindern nicht berücksichtigt, sondern sogar in den Vordergrund gerückt werden sollten. Die Reihenfolge der Lernfenster verläuft bei Jungen und Mädchen zeitversetzt. Bilden Jungen zum Beispiel erst ihre Grobund dann ihre Feinmotorik aus und verspüren einen viel größeren Bewegungsdrang, läuft diese Entwicklung bei Mädchen genau anders herum ab. Einzelne Fertigkeiten entwickeln Kinder zum Teil mit einem Altersunterschied, der sich über eine Spanne von fünf Jahren erstreckt. In der herkömmlichen Einteilung in Klassenstufen finden solche Differenzen keine Beachtung. Vera F. Birkenbihl plädiert in „Jungen und Mädchen: wie sie lernen“ eindrucksvoll dafür, „UNTERSCHIEDE zu AKZEPTIEREN und systematisch zu Stärken unserer Kinder auszubauen“. Bräth/Eickmann/Galas Niedersächsisches Schulgesetz Kommentar 2009, 48 Euro LinkLuchterhand, Köln ISBN 978-3-472-07528-8 Der Schulgesetzkommentar für Niedersachsen ist in seiner 6. Auflage erschienen. Durch Novellierungen des Niedersächsischen Schulgesetzes ist eine Überarbeitung des Kommentars notwendig geworden. Der Kommentar behandelt die häufig im Schulalltag auftretenden Fragen und bietet Lösungsvorschläge. Ergänzt werden die Kommentierungen durch ausführliche Hinweise auf die ergangenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie auf die veröffentlichte Literatur. Die angegebene Literatur ist auf den Stand von Juni 2009 gebracht worden. Das gilt auch für die zitierten Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Kommentiert werden in der Neuauflage die sich aus den Schulgesetznovellen 2008 und 2009 ergebenden Änderungen: • Neuordnung der beruflichen Grundbildung, • Verschiebung des Einschulungsstichtages, • Verpflichtung der Hauptschulen, berufsbildende Inhalte anzubieten, • Profilierung der Realschulen und • endgültige Abschaffung der Vollen Halbtagsschulen. Ausführlich kommentiert werden in der Neuauflage auch die neuen für die Schulträger wichtigen Vorschriften, die die Arbeit der Gesamtschulen betreffen. Das reicht von der Aufhebung des Verbots, neue Gesamtschulen zu errichten, bis zu der im Sommer 2009 vom Landtag für Integrierte Gesamtschulen und für nach Schuljahrgängen gegliederte Kooperative Gesamtschulen beschlossenen Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur. Der Kommentar geht auch detailliert auf die Errichtungsbedingungen für Gesamtschulen ein. Es werden die neuen Bestimmungen der beruflichen Grundbildung kommentiert. Dabei sind berücksichtigt die gerade zur Umsetzung der Gesetzesänderungen erlassene Verordnung über Berufsbildende Schulen und die dazu gehörigen, neu gefassten, Ergänzenden Bestimmungen. Die Autoren sind Kenner des Niedersächsischen Schulrechts und haben sich durch zahlreiche Publikationen ausgewiesen. Peter Bräth, Ministerialrat, ist Leiter des Referates „Schulrecht, Eltern- und Schülervertretung, Schulträger, Ganztagsschulen, Landesschulbeirat“ im Niedersächsischen Kultusministerium. Er ist zuständig für die Schulgesetzgebung und ist daneben Herausgeber der Zeitschrift „SchulVerwaltung Niedersachsen“. Manfred Eickmann, Ministerialrat, ist Leiter des Referates „Grundsätzliche und übergreifende Angelegenheiten des berufsbildenden Schulwesens“ im Niedersächsischen Kultusministerium. Dr. Dieter Galas, Ministerialdirigent a.D., war bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst Leiter der Abteilung „Schulformübergreifende Angelegenheiten, Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, Kirchen“ im Niedersächsischen Kultusministerium. NST-N 10/2009 Postvertriebsstück 43935 Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt. NST Nachrichten Niedersächsischer Städtetag Postfach 1207 30928 Burgwedel Stimmt die rechts angegebene Adresse noch? Teilen Sie uns bitte Änderungen sofort mit. Vergessen Sie bitte nicht, bei Ihrer Änderungsanzeige die alte Anschrift mit anzugeben.