Die Tücken einer Betriebshaftpflichtversicherung
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Die Tücken einer Betriebshaftpflichtversicherung
Die Tücken einer Betriebshaftpflichtversicherung Nicht alles, was mit dem Schischulbetrieb zusammenhängt ist versichert... Schischulleiter sollten die der Betriebshaftpflichtversicherung ihrer Schischule zugrunde liegenden Bedingungen etwas genauer unter die Lupe nehmen. Für den Ersatz sog. „reiner Vermögensschäden“ besteht nach den allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB) nämlich keine Deckung. Man stelle sich folgenden (fiktiven) Fall vor: Der staatlich geprüften Schilehrer S befährt die Talabfahrt des Skigebiets XY mit einer Gruppe von 4 Personen. Es handelt sich um eine blaue Piste, der Schilehrer fährt ein dem Können der Gruppe angepasstes Tempo, die Sicht ist gut, niemand ist überfordert. Plötzlich wird die beste und als letzte fahrende Kursteilnehmerin, Gabi, von einem von hinten kommenden Snowboardfahrer niedergestoßen und dabei am rechten Knie verletzt. S schimpft mit dem Snowboarder und fordert ihn auf, zu warten. Dann kümmert er sich um die Verletzte. Er fragt den Snowboarder nicht nach seinen Personalien. Der Snowboarder wartet kurz und fährt schließlich mit einem „Tschuldigung“ davon. Es stellt sich heraus, dass die Verletzungen von Gabi schwerer sind als dies zunächst den Anschein erweckt hat. Sie muss mehrmals operiert werden und hat sich zahlreichen Therapien zu unterziehen. Sie kann einen bereits gebuchten Urlaub nicht antreten und erleidet als freiberufliche Journalistin erhebliche Einkommenseinbußen. Spätfolgen sind aufgrund der komplizierten Verletzung nicht auszuschließen. Der von ihr erlittene Gesamtschaden ist enorm, doch kann der Schadensverusacher von der Polizei nicht mehr ausgeforscht werden. Also wendet sich Gabi an den Schischulinhaber Max. Max hat als Vertragspartner von Gabi für jedes schuldhafte Fehlverhalten seiner Erfüllungsgehilfen einzustehen, wenn dadurch einem Schikursteilnehmer ein Nachteil entsteht. Max steht jedoch auf dem Standpunkt, dass seinem Schilehrer S nichts vorzuwerfen ist. Er habe ordnungsgemäß unterrichtet und kein sorgfaltswidriges Verhalten gesetzt, welches die Verletzungen von 1 Gabi (mit)verursacht hätte. Er habe seine Gäste weder überfordert noch falsch angeleitet. Die Verletzungen von Gabi seien ausschließlich auf das fahrlässige Verhalten des unbekannten Snowboarders zurückzuführen. Wofür sollte Max also einstehen? Gemäß § 9 Abs 5 und Abs 6 Tiroler Schischulgesetz hat ein Schilehrer bei einem Unfall im Rahmen der Schischule unverzüglich Erste Hilfe zu leisten und erforderlichenfalls für die Herbeiholung ärztlicher Hilfe und für den Abtransport durch den Rettungsdienst zu sorgen. Die Veranlassung der erforderlichen Rettungsmaßnahmen, wozu nach der Rechtsprechung auch die Aufnahme der Personaldaten eines Schädigers zählt, ist außerdem auch eine nebenvertragliche, aus dem Vertragsverhältnis zwischen Schischule und Gast resultierende, Verpflichtung der Schischule und deren Lehrkräfte. Ein Schilehrer hat die Personalien eines Unfallgegners selbstverständlich nur dann aufzunehmen, soweit dies im Einzelfall nötig erscheint, wenn also der Schischüler durch die Kollision verletzt wurde. Die Aufnahme der Personalien muss zudem möglich und dem Schilehrer in der Unfallsituation zumutbar sein. Ist beispielsweise aufgrund der Schwere der Verletzung eine unverzügliche Hilfeleistung erforderlich und entfernt sich der Unfallverursacher sogleich vom Unfallort, so kann dem Schilehrer nicht vorgeworfen werden, er habe den Übeltäter nicht festgehalten bzw. verfolgt. Bleibt jedoch der Unfallverursacher - wie im Fallbeispiel oben - zunächst am Unfallort und erfordert die Verletzung des Gastes keine sofortige Hilfeleistung dann hat der Schilehrer zumindest den Versuch zu unternehmen, dessen Identität festzustellen und falls dieser seine Daten nicht freiwillig bekannt gibt, die Polizei zu verständigen. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Im oben angezeigten Fall handelte S daher sorgfaltswidrig. Aber war sein Verhalten auch schadensverusachend? Die Verletzung von Gabi war ja zum Zeitpunkt, als S sein Fehlverhalten setzte, schon eingetreten. Die Kollision mit dem Snowboarder und die daraus resultierende Knieverletzung waren nicht darauf zurückzuführen, dass S eine zu schwere Piste gewählt oder seine Gruppe überfordert hatte. S trifft keine Schuld an der Kollision, wieso sollte also Max für den durch die Kollision entstandenen Personenschaden einstehen? 2 Gabi kann ihre Ansprüche gegen den Snowboarder nicht geltend machen, weil S, für den Max einstehen muss, es unterlassen hat, dessen Personalien zu erheben. Das Verhalten von S war sohin zwar nicht ursächlich für Gabi’s Knieverletzung, aber ursächlich dafür, dass Gabi keinen Ersatz vom unmittelbaren Schädiger erlangen kann. Diesen Nachteil, nämlich die Vereitelung der Einbringlichmachung einer Forderung gegenüber dem wahren Schädiger, stellt einen so genannten „reinen Vermögensschaden“ von Gabi dar. Für einen solchen Schaden haftet Max aus dem mit Gabi abgeschlossenen Schikurs-Vertrag. Gabi gewinnt daher den Prozess gegen Max, der zum Ersatz ihrer unfallkausalen Schäden und zur Zahlung von Schmerzengeld verpflichtet wird. Max wendet sich nun an seine Betriebshaftpflichtversicherung, doch diese weigert sich, für die Zahlungsverpflichtung von Max gegenüber Gabi einzustehen, mit der Begründung, dass „reine Vermögensschäden“ im Vertrag mit der Schischule nicht gedeckt seien. Max muss nun einen weiteren Prozess gegen seine SchischulBetriebshaftspflichtversicherung führen... Dem zwischen der Schischule und der Versicherung abgeschlossenen Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB) zugrunde. Die AHVB 1986, 1993, 1998 und auch 2006 formulieren den gewährleisteten Versicherungsschutz wie folgt: „Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, Vermögensschadens, Sachschaden der eines auf zurückzuführen Sachschadens oder eines versicherten Personen- oder einen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen.“ Das Leistungsversprechen des Versicherers bezieht sich also nicht auf den gesamten Bereich des Schadensbegriffes wie er in § 1293 ABGB normiert ist, weil Schäden, die weder durch einen (versicherten) Personenschaden noch durch einen (versicherten) 3 Sachschaden entstanden sind (dazu zählen reine Vermögensschäden!) nicht versichert sind. Die Verletzung von Gabi durch den unbekannten Snowboardfahrer ist folglich durch die von Max abgeschlossene Betriebshaftpflichtversicherung, der die AHVB zugrunde liegen, nicht gedeckt, Schadenersatzansprüchen weil die gegenüber Vereitelung dem der unmittelbaren Geltendmachung Schädiger von als reiner Vermögensschäden aufgrund der vereinbarten AHVB eben von der Deckungspflichtung des Versicherers nicht umfasst ist. Die Geschichte ist nicht frei erfunden. Der Oberste Gerichtshof war unlängst mit einem derartigen Fall befasst und hat dazu ergänzend ausgesprochen, ein Versicherungsnehmer könne nicht erwarten, dass „jedes erdenkbare Risiko“ in den Schutzbereich der Versicherung fällt (OGH Urteil vom 29.11.2006 7 Ob 257/06d abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at/ Rubrik Justiz). Schlimmer noch: das Höchstgericht hält die Auffassung, die Äußerung eines Versicherungsvertreters, wonach „mit der Versicherung Lawinenunglücke, Schilehrer, die auf einer eisigen Piste fahren oder einen Schigast verlieren, sohin eigentlich alles, was mit dem Schischulbetrieb zusammenhängt, versichert sei“ könne vom Versicherungsnehmer (Schischulleiter) nicht so verstanden werden, dass auch ein reiner Vermögensschaden versichert sei, für vertretbar. Fazit: Max verliert beide Prozesse. Er ist gegenüber Gabi ersatzpflichtig; der ihm bzw. der Schischule dadurch entstandene Schaden wird von seiner Betriebshaftpflichtversicherung aber nicht gedeckt. Meine Empfehlung: Rücksprache mit dem Versicherungsvertreter und Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf den Ersatz reiner Vermögensschäden durch Abschluss einer schriftlichen Zusatzvereinbarung. Mag. phil. Dr. iur. Astrid Tangl ist Richterin und langjährige TSLV-Referentin Kontakt: [email protected] 4