Vorinsolvenzliche Sanierung Prof. Dr. iur. Heribert Hirte LL.M.

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Vorinsolvenzliche Sanierung Prof. Dr. iur. Heribert Hirte LL.M.
Thorben Langhinrichs
Tornescher Weg 90
25436 Uetersen
Hamburg, 23. Juni 2010
[email protected]
6. Fachsemester
Matr. Nr. 5950531
Seminararbeit im Unternehmensinsolvenzrecht
Thema: Vorinsolvenzliche Sanierung
Prof. Dr. iur. Heribert Hirte LL.M. (Berkeley)
Sommersemester 2010
Fakultät für Rechtswissenschaft
Universität Hamburg
Gliederung
Literaturverzeichnis........................................................................................................................III Vorinsolvenzliche Sanierung.......................................................................................................1 A. Einleitung ................................................................................................................................................ 1 B. Hauptteil.................................................................................................................................................. 2 I. Schaffung eines Einheitsverfahrens durch die InsO .............................................................................. 2 II. Das Scheitern von Konkurs-­‐ und Vergleichsverfahren....................................................................... 2 III. Sanierungsmöglichkeiten im Rahmen der InsO ................................................................................... 3 1. Sanierungshindernisse................................................................................................................................................... 4 2. Insolvenzplanverfahren, §§ 217 ff. InsO..................................................................................................................... 6 3. Eigenverwaltung, §§ 270 ff. InsO ............................................................................................................................... 7 IV. Außergerichtliches Sanierungsverfahren ............................................................................................... 7 1. Anwendungsbereich........................................................................................................................................................ 8 2. Übereinkunft zwischen Schuldner und Gläubiger.............................................................................................. 8 3. Sanierung im engeren Sinne ........................................................................................................................................ 8 4. Unternehmenssanierungsgesetz ............................................................................................................................... 9 a) Konfliktpotenzial mit der InsO ............................................................................................................................. 9 b) Vorschläge für ein voinsolvenzlichen Sanierungsverfahren.................................................................10 c) Fremdantragsrecht..................................................................................................................................................11 d) Antragspflicht seitens des Schuldners............................................................................................................12 e) Gläubigerschutz bzw. Gläubigerpflichten......................................................................................................12 f) Bestellung eines neutralen Dritten....................................................................................................................13 g) Vorteile eines außergerichtlichen Sanierungsverfahren........................................................................14 h) Nachteile eines außergerichtlichen Sanierungsverfahren.....................................................................15 i) Abwägung der Vor-­‐ und Nachteile.....................................................................................................................15 C. Schluss ....................................................................................................................................................16 II
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IV
Vorinsolvenzliche Sanierung
A. Einleitung
Gerät ein Unternehmen in eine die Existenz gefährdende Krise, so ist der
Schritt in die Insolvenz für viele Deutsche immer noch gleich mit einem
Scheitern und letztendlich mit dem Untergang für das betroffene Unternehmen verbunden. Denn eine Insolvenz geht für viele Deutsche mit persönlichen Versagen und wirtschaftlichen Scheitern einher und der Schritt
in die Insolvenz ist für viele immer noch die allerletzte Option. Grund dafür ist auch, dass Insolvenzverfahren in Deutschland überwiegend immer
noch als Zerschlagungsverfahren ohne nennenswerte Quotenaussicht
wahrgenommen werden. Dementsprechend wird ein Insolvenzantrag erst
möglichst spät gestellt. Dieses hinauszögern hat oftmals bedrohliche Folgen für die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, so dass ein Sanierungskonzept zu diesem Zeitpunkt regelmäßig im Sande verläuft.
Im Zuge der Wirtschaftskrise ist dir Sanierung eines in die Krise geratenden Unternehmens sowohl in als auch außerhalb der Insolvenz jedoch
nicht als Versagen sondern als Chance zu einem „turn around“ zu werten,
da gerade in solchen Krisenzeiten Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, obwohl diese operativ durchaus gesund sind.
Ferner wurde nach der Umstellung der Konkurs- auf die Insolvenzordnung
der Zeitpunkt der Erfüllung des Insolvenztatbestandes, aufgrund der Tatbestandserfüllung durch drohende Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO,
deutlich vorgezogen. Diesbezüglich kann ein Insolvenzverfahren wegen
drohender Zahlungsunfähigkeit schon vor dem Eintritt der materiellen Insolvenz eröffnet werden.
Jedoch ist anzumerken, dass eine Sanierung, sei es innerhalb oder außerhalb der Insolvenz, kein Patentrezept zur Lösung einer Unternehmenskrise
darstellt. Vielmehr ist deshalb ein ganzheitliches Restrukturierungs- und
Sanierungskonzept sowie ein erfolgreiches Umsetzungsmanagement notwendig, um ein Unternehmen langfristig am Markt zu positionieren und
gegen eventuelle weitere Krisen zu rüsten.
Thema dieser Seminararbeit ist die vorinsolvenzliche Sanierung bei Unternehmen. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, dass das deutsche
Recht kein eigenständiges Sanierungsverfahren außerhalb des Insolvenzrechts kennt. Dementsprechend wird innerhalb dieser Auseinandersetzung
näher darauf eingegangen, inwiefern ein vorinsolvenzliches Sanierungs1
verfahren de lege lata möglich erscheint und im Vergleich dazu ein Sanierungsverfahren innerhalb des Insolvenzrechts Möglichkeiten für eine erfolgreiche Sanierung eröffnet.
Darüber hinaus wird die Frage thematisiert, ob die Insolvenzordnung (InsO) ausreichend Handlungsspielräume für eine Unternehmenssanierung
bietet oder ob notwendigerweise die InsO um einige Regelungen zu erweitern ist, bzw. es eines von der InsO unabhängigen Unternehmenssanierungsgesetz bedarf.
B. Hauptteil
Im Folgenden wird zunächst kurz auf die Schaffung eines Einheitsverfahrens durch die Einführung der InsO und das daraus resultierende Scheitern
von Konkurs- und Vergleichverfahren eingegangen. Anschließend werden
die Sanierungsmöglichkeiten sowohl innerhalb als auch außerhalb der Insolvenz näher betrachtet.
I. Schaffung eines Einheitsverfahrens durch die InsO
Mit der Einführung der Insolvenzordnung am 01.01.1999 hat der Gesetzgeber versucht den Dualismus von Konkurs- und Vergleichsverfahren zu
beseitigen und ein Einheitsverfahren zu schaffen.1 Demzufolge sieht die
InsO ein Einheitsverfahren in dem Sinne vor, dass verfahrentechnisch
nicht zwischen Liquidation einerseits und Reorganisation andererseits unterschieden wird. Fraglich ist jedoch, ob das Nebeneinander von einem
vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren und einem Insolvenzverfahren
bzw. einem Sanierungsverfahren im Rahmen der InsO denselben Bedenken ausgesetzt wären, wie das vormalige Nebeneinander und im Konkurrenzverhältnis stehende Konkurs- und Vergleichsverfahren.
II. Das Scheitern von Konkurs- und Vergleichsverfahren
Hinderlich war weniger der Umstand, dass zwei funktional unterschiedliche Verfahren nebeneinander existierten, sondern vielmehr die mangelnde
Transparenz und Flexibilität zwischen beiden Verfahren bei gleichzeitiger
Funktionslosigkeit des schuldnerfreundlicheren Verfahrens, dem Vergleichsverfahren, angesehen.2 Dies war insbesondere dann schädlich, wenn
der Schuldner das Vergleichsverfahren in missbräuchlicher Absicht einlei-
1
Becker, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 51.
2
Westphal, ZGR 2010, 385 (400).
2
tete.3 Dadurch verlor man kostbare Zeit und schmälerte die Masse bei dem
Übergang zum Anschlusskonkurs. Dies war u.a. der Fall, wenn der
Schuldner einen Vergleichsantrag stellte, obwohl die Gläubiger erklärtermaßen nicht dazu bereit waren, einer Sanierung nach Vorstellung ihrers
Schuldners oder deren Gesellschafter zuzustimmen.4
Demzufolge schien das Vergleichverfahren gegenüber dem Konkursverfahren für den Schuldner vorzugswürdig, da bei diesem die Verfügungsbefugnis grundsätzlich bei den Organen verblieb.5
Darüber hinaus kannte das Vergleichsrecht keine besonderen Anfechtungsmöglichkeiten, so dass gläubigerbenachteiligte Vermögensverschiebungen nicht rückgängig gemacht werden konnten.6 Die schwerwiegendsten Fehler waren jedoch, die Verkennung des Verfahrensschwerpunktes
und die Nichtmiteinbeziehung des Schuldners sowie die unmöglich einzuhaltende Fristenstellung.7 Darüber hinaus war für einen Vergleichabschluss eine Mindestquote von 35 % vorausgesetzt.8 All diese Kritikpunkte
waren Grund dafür, dass viele Verfahren erst gar nicht eröffnet wurden.
Eine Reform dieser Regelungen war deshalb dringend notwendig.
III. Sanierungsmöglichkeiten im Rahmen der InsO
Fraglich ist, welche Möglichkeiten der Unternehmenssanierung die InsO
bietet.
Ziel und Zweck eines möglichen Sanierungsverfahrens im Rahmen der
InsO ist gem. § 1 S. 1 InsO die bestmöglichste Gläubigerbefriedigung. Der
Weg dorthin liegt grundsätzlich in der Sanierung und Reorganisation des
in die Krise geratenen Unternehmens.9 Des Weiteren erkennt die InsO
gem. § 1 S. 1 InsO den Erhalt des Unternehmens als gleichrangiges Verfahrensziel an. Dabei kann das sanierte Unternehmen durch den Schuldner
fortgeführt werden oder, was in der Praxis häufiger anzutreffen ist, auf
3
Westphal, ZGR 2010, 385 (400).
4
Westphal, ZGR 2010, S. 385 (400/401).
5
Westphal, ZGR 2010, S. 385 (401).
6
Westphal, ZGR 2010, S. 385 (401).
7
Uhlenbruck, KTS 1981, 513 (515); Westphal, ZGR 2010, S. 385 (401).
8
Westphal, ZGR 2010, 385 (401).
9
Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, § 31, Rn. 356.
3
einen neuen Unternehmensträger übertragen werden (übertragende Sanierung).10
Sanierungsfreundlich erscheint ebenfalls das Insolvenzplanverfahren gem.
§§ 217 ff. InsO und das Instrument der Eigenverwaltung gem. §§ 270 ff.
InsO, welches es der Geschäftsführung ermöglicht, dass Verfahren auch
nach Insolvenzeröffnung weiter zu beeinflussen, indem sie die Verfügungsbefugnis nicht an den Insolvenzverwalter verliert.11 Das Insolvenzplanverfahren ist eine dem Vergleichsverfahren a. F. ähnliche Methode zur
Unternehmenssanierung. Auf beide Verfahrensmöglichkeiten wird im
Kommenden noch näher eingegangen.
Wichtigstes Institut für eine Sanierung im Rahmen der InsO ist jedoch die
übertragende Sanierung.12 Diese kann entweder durch den Verkauf der
betroffenen Vermögensgüter durch den Insolvenzverwalter direkt an den
Erwerber oder in einem Zwischenschritt über die Gründung einer Auffanggesellschaft, deren Anteile dann später an den Erwerber veräußert
werden, erfolgen.13 Anschließend wird der Kaufpreis für das übertragende
Unternehmen an die Gläubiger des bisherigen Unternehmensträgers verteilt und der alte Unternehmensträger liquidiert.14
Ziel der Einführung des neuen Insolvenzrechts sollte die Verhinderung des
typisch deutschen Phänomens des Versagens des Konkursrechts vor massearmer Insolvenz sein.15 Darüber hinaus sollten Unternehmenssanierungen innerhalb des Insolvenzrechts erleichtert werden.16 Trotz dieser Überlegungen und Fortschritte gegenüber dem Konkursrecht a. F. treten bei
Sanierungsversuchen im Rahmen der InsO regelmäßig Hindernisse auf.
1. Sanierungshindernisse
Problematisch bei einer Sanierung im Rahmen der InsO ist jedoch, dass
grundlegende Verfahrensentscheidungen nicht vorhersehbar sind und
demzufolge ein Verfahren nicht zuverlässig planbar ist.17
10
Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, § 31, Rn. 356.
11
Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, § 35 Rn. 399.
12
Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, § 35 Rn. 375.
13
Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, § 35 Rn. 375.
14
Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, § 35 Rn. 375; § 31, Rn. 356.
15
Buchalik, NZI 2000, 294 (294).
16
Uhlenbruck, Das neue Insolvenzrecht, S. 44.
17
Westphal, ZGR 2010, 385 (389).
4
Beispielsweise könnten bei Konzerninsolvenzen Einzelgesellschaften ihren allgemeinen Gerichtsstand bei unterschiedlichen Insolvenzgerichten
haben. Daraus resultierend könnte es zu einer unkoordinierten Einsetzung
verschiedener Insolvenzverwalter kommen.
Ein weiteres Hindernis ist zudem das Stigma einer Insolvenz, dass durch
die Einführung der InsO mit Hilfe des Insolvenzplans und der Eigenverwaltung behoben werden sollte. Bislang ist jedoch immer wieder zu beobachten, dass sich durch die Bekanntmachung eines Insolvenzfalls Lieferanten, Kunden und leistungsstarke Arbeitnehmer von dem Unternehmen
abwenden.18 Eine Sanierung wird in solchen Fällen wieder vor neue Hürden gestellt. Oftmals kündigen daraufhin die Kreditversicherer die den
Lieferanten eingeräumten Kreditlinien, so dass Waren nur noch gegen
Vorkasse geliefert werden.19
Weiterhin ist fraglich, ob die in ein behördliches Ermessen gestellte Entscheidungen positiv ausfallen. Entscheidungen, die einem behördlichen
Ermessen unterliegen sind u.a. der Erlass der Besteuerung von Sanierungsgewinnen und die Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe eines
Übernahmeangebotes nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜG, wenn der Kontrollerwerb gem. § 37 I WpÜG i. V. m. § 9
WpÜG-AngVO im Zusammenhang mit der Sanierung der Zielgesellschaft
erfolgt.20 Ferner ist ebenfalls fraglich, ob bestehende Kreditgeber dem Unternehmen neue Kredite gewähren. Darüber hinaus besteht ständig das
Problem der Haftung wegen Insolvenzverschleppung.
Andererseits haben Gläubiger kein Instrument an der Hand, mit dem sie
Beiträge der Anteilseigner erzwingen können, sofern diese keine Pfandrechte an den Gesellschaftsanteilen bestellt haben.21
Tatsächlich ist die rechtzeitig eingeleitete Sanierung jedoch nicht der Regelfall. Demzufolge werden viele Sanierungen zu spät in Angriff genommen, so dass eine Insolvenzantragspflicht nur durch in großer Hektik abgeschlossene Stillhaltevereinbarungen und Rangrücktrittserklärungen umgangen werden kann.22 Ferner gehen jedoch Geschäftsführer oder
18
Westphal, ZGR 2010, 385 (392).
19
Westphal, ZGR 2010, 385 (392).
20
Westphal, ZGR 2010, 385 (393).
21
Westphal, ZGR 2010, 385 (399).
22
Westphal, ZGR 2010, 385 (399).
5
Vorstände die Gefahr ein, bis zu dem Abschluss der Sanierungsvereinbarung, eine Insolvenzverschleppung gem. § 15a InsO zu begehen.
2. Insolvenzplanverfahren, §§ 217 ff. InsO
Ein Unternehmen kann in der Regel nur durch ein Zusammenwirken aller
von der Insolvenz betroffenen Parteien saniert werden, wobei der Gegenstand des Planverfahrens nicht lediglich auf die Sanierung beschränkt sein
muss.23 Der Insolvenzplan verfolgt den Zweck, den Beteiligten einen
Rechtsrahmen für die einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz im Wege von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen zu
schaffen.24 Entscheidend ist also, dass die Gläubiger dem Schuldner ihre
Forderung für eine Zeit lag stunden und gegebenenfalls auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.25 Darüber hinaus kann von den Arbeitnehmervertretungen verlangt werden, dass sie sich konstruktiv an dem Umstrukturierungsmaßnahmen der Unternehmenssanierung beteiligen.26
Demzufolge soll der Insolvenzplan das entscheidende Institut der Deregulierung des Insolvenzverfahrens sein.27
Ziel des Insolvenzplans ist vor allem die Sanierung und damit einhergehend die Erhaltung des Unternehmens. Voraussetzung dafür ist jedoch
zunächst die Sanierungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.
Der Vorteil des Insolvenzplanverfahren gegenüber dem Vergleichsverfahren a. F. liegt darin, dass Obstruktionsmöglichkeiten einzelner Gläubiger
durch geschickte Gruppenbildung der Gläubiger gem. § 245 InsO ausgeschlossen werden können. Weiterhin bleiben den Gläubigern gem. § 89
InsO Einzelzwangsvollstreckungen verwehrt. Darüber hinaus kann ein
Insolvenzplanverfahren auch mit Hilfe der sogenannten Eigenverwaltung
durchgeführt werden. Weiterhin gelten die noch im Vergleichsverfahren
üblichen Gläubigervorrechte nicht mehr, so dass im Grundsatz eine Gläubigergleichbehandlung im Vordergrund steht.
23
Braun-Braun/Frank, InsO, vor § 217, Rn. 1.
24
Buchalik, NZI 2000, 294, (300).
25
Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, § 31 Rn. 366.
26
Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, § 31 Rn. 366.
27
Hess, InsO, Einl. § 1 Rd. 244.
6
3. Eigenverwaltung, §§ 270 ff. InsO
Der Regelfall bei einer Insolvenz ist, dass der Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen verliert und an seiner Stelle ein Insolvenzverwalter handelt. Bei der Eigenverwaltung unter der Aufsicht eines neutralen Sachwalters kommt es jedoch nicht zum Übergang der Verfügungsbefugnis des Schuldners auf einen staatlich bestellten Verwalter, da die
Kenntnisse und Erfahrungen des Schuldners für die Geschäftsführung des
Unternehmens unentbehrlich sind und auch nicht auf andere Weise genutzt
werden können.28
Grund dafür ist, dass der Schuldner aufgrund seiner detaillierten Kenntnisse über das Unternehmen sachnäherer Akteur ist und somit eine lange Einarbeitungszeit eines Verwalters vermieden werde.
Voraussetzung ist jedoch, dass die Anordnung zur Eigenverwaltung vom
Schuldner gestellt wurde und keine Verzögerung des Verfahrens oder sonstige Nachteile für die Gläubiger zur Folge hat. Darüber hinaus ist die Zustimmung des Gläubigers erforderlich, wenn dieser den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat.
Gegen die Eigenverwaltung spricht, dass das Recht zur Verwertung der
Insolvenzmasse keine Angelegenheit des Schuldners sei sondern originär
den Gläubigern zustünde.29 Ferner könne der Schuldner im Wege der
Gläubigerautonomie nicht sein eigener Gerichtsvollzieher sein.30
Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass die Eigenverwaltung bei richtiger
Anwendung und Instrumentalisierung ein wichtiges Instrument zur Sanierung im Rahmen der InsO darstellen kann.
IV. Außergerichtliches Sanierungsverfahren
Könnte ein außergerichtliches Sanierungsverfahren von der InsO losgelöst
durchgeführt werden oder ist in der InsO mit dem Insolvenzplanverfahren
ein umfangreiches, anerkanntes und in der Praxis handhabbares Instrumentarium zur Unternehmenssanierung verfügbar, welches für Zwecke einer
außergerichtlichen Sanierung genutzt werden könnte.
28
Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, § 35 Rn. 399.
29
Gravenbrucher Kreis, ZIP 1992, 657 (658).
30
Gravenbrucher Kreis, ZIP 1992, 657 (658).
7
1. Anwendungsbereich
Ziel eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens sollte die Verhinderung der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit und somit die Verhinderung der materiellen Insolvenz sein.31 Darüber hinaus sollte es dazu
geeignet sein, das Stigma der Insolvenz zu beseitigen.32 Zeitlich gesehen
besteht bei dem Unternehmen Sanierungsbedarf, die materielle Insolvenz
ist jedoch noch nicht eingetreten. Mangels Insolvenzgrundes scheidet somit eine Sanierung innerhalb eines Insolvenzverfahrens aus. Andernfalls
wäre eine Sanierung nur noch im Rahmen der InsO möglich.
2. Übereinkunft zwischen Schuldner und Gläubiger
Fraglich ist, welche wechselseitigen Motivationen und Interessen auf
Schuldnerseite einerseits und auf Gläubigerseite andererseits aufeinanderprallen, um einen außergerichtlichen Sanierungsverfahren zuzustimmen.33
Vielmehr schafft wohl erst das plastisch dargestellte Insolvenzszenario auf
Gläubigerseite das nötige Vertrauen in die Sanierungsbedürftigkeit und
Sanierungsfähigkeit des in eine Krise geratenden Unternehmens. Darüber
hinaus hat der Gläubiger üblicherweise nicht den nötigen Einblick in die
Lage des Unternehmens, um genau einschätzen zu können, ob der ihm
abgeforderte Verzicht ausreichend und vor allem nötig ist und der Schuldner nicht nur das Interesse verfolgt, sich auf Kosten der Gläubiger zu bereichern.
3. Sanierung im engeren Sinne
Fraglich ist, was man zunächst überhaupt unter einer Sanierung versteht.
Einerseits gibt es das Unternehmen und andererseits den Inhaber bzw. Gesellschafter des Unternehmens, den Unternehmensträger. Nun stellt sich
die Frage wen oder was von beiden soll vorinsolvenzlich saniert werden.
Die Sanierung des Unternehmens ist erreicht, wenn potenzielle Insolvenzursachen beseitigt wurden und die Ertragsfähigkeit wiederhergestellt wurde.34 Wohingegen die Sanierung des Unternehmensträgers erst erreicht ist,
wenn die materielle Insolvenz beseitigt wurde, sodass der Fortführung des
sanierten Unternehmens nichts mehr im Wege steht.35 Im weiteren Verlauf
31
Schmidt, Der Betrieb 2010, 27 (27).
32
Jacoby, Der Betrieb 2010, 29 (29).
33
Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, S. 264f..
34
Bork, ZIP 2010, 397 (399).
35
Bork, ZIP 2010, 397 (399).
8
der Seminararbeit wird im Rahmen der vorinsolvenzlichen Sanierung sowohl von der Sanierung des Unternehmens an sich als auch des Unternehmensträgers ausgegangen.
4. Unternehmenssanierungsgesetz
Wie zuvor erwähnt, kennt das deutsche Recht kein eigenständiges und von
der InsO losgelöstes Sanierungsgesetz. Demzufolge bestehen in Deutschland zwei Möglichkeiten der Sanierung von Unternehmen. Zum einem im
Rahmen der InsO36 und zum anderen autonom durch eine außergerichtliche Einigung des Schuldners mit seinen Gläubigern.
In Anbetracht der Wirtschafts- und Finanzkrise wird deshalb der Ruf nach
einem eigenständigen Unternehmenssanierungsgesetz immer lauter. So
heißt es in dem Aufschwungsstärkungsprogramm der CDU: „Durch die
Wirtschafts- und Finanzkrise befinden sich leider viele Unternehmen in
erheblichen Schwierigkeiten und bedürfen einer Restrukturierung. Um
möglichst vielen Unternehmen eine Insolvenz zu ersparen, schlagen wir
die Einführung eines Unternehmens-Sanierungsgesetzes vor. (...). Damit
sollen mehr Unternehmen davor bewahrt werden, später in Insolvenzgefahr zu geraten.37
a) Konfliktpotenzial mit der InsO
Nicht unbeachtet gelassen werden sollte die Befürchtung, dass die Einführung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens zwangsläufig zu einer
Entwertung der Insolvenzordnung und des Insolvenzplans als Sanierungsinstrument führen könnte. Tatsächlich ist zu erwarten, dass all diese Unternehmen, bei denen die finanzielle Restrukturierung im Vordergrund
steht zunächst ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren einleiten würden, es sei denn, dass bereits die 3-wöchige Insolvenzantragspflicht läuft.
Sollten im Rahmen der Insolvenz jedoch auch operative Maßnahmen ergriffen werden, so ist das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren nicht
mehr der richtige Verfahrenrahmen. In einem solchen Fall, wäre eine Sanierung im Rahmen der Insolvenz aufgrund der Sonderrechte vorzugswürdig.
36
Siehe oben.
37
vgl. www.cduberlin.de/download/?file=aufschwungstaerkungsprogramm.pdf; S. 4.
9
b) Vorschläge für ein voinsolvenzliches Sanierungsverfahren
Das durch die „Akkordstörer“-Rechtsprechung des BGH38 zementierte
„Gefangenen-Dilemma“ bzw. „Trittbrettfahrerproblem“ kann nur dadurch
überwunden werden, dass Eingriffe in Rechtspositionen von Gläubigern
durch entsprechenden Merheitsbescheid zugelassen werden. Müssen die
Gläubiger hingegen derartige Eingriffe dulden und damit im Zweifel wirtschaftliche Einbußen hinnehmen, so entspricht dies eigentlich der wirtschaftlichen Logik, dass dies erst recht für die Anteilseigner zu gelten
hat.39 Allerdings würde die Zulässigkeit derartiger Eingriffe dazu führen,
dass das Verfahren einen Zwangscharakter bekäme und demzufolge nicht
mehr davon auszugehen ist, dass Anteilseigner freiwillig ein solches Sanierungsverfahren, welches ihre Enteignung bewirken kann, einleiten würden.40 Darüber hinaus sind Eingriffe in die Anteilseignerrechte vor der
materiellen Insolvenz im Sinne der §§ 17, 19 InsO nicht nur de lege lata
sondern auch de lege ferenda aus verfassungsrechtlichen Gründen problematisch bzw. je nach Ausgestaltung unzulässig.41 Ein vorinsolvenzliches
Sanierungsverfahren sollte deshalb ohne zwangsweise Eingriffe in die Anteilseignerrechte auskommen und einen freiwilligen Charakter auf Basis
eines Sanierungswillens beibehalten. Sind allerdings Eingriffe in bestehende Rechte von Gläubigern möglich, so sollte es neben einer materiellrechtlichen Rechtfertigung zugleich einer staatlichen Aufsicht bedürfen.42
Um einer weiteren Stigmatisierung vorzubeugen, sollte das Sanierungsverfahren schlank ausgestaltet und zügig durchführbar sein.
Der Zeitpunkt für die Einleitung eines Sanierungsverfahrens ist dann eingetreten, wenn im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ein näher zu definierendes Krisenstadium erreicht und diese auch mit hinreichender Zuverlässigkeit feststellbar ist.43
Als Ansatzpunkt für die Notwendigkeit einer Sanierung könnte der Tatbestand der rechnerischen Überschuldung bei Vorliegen einer positiven Fortbestehungsprognose dienen, welches noch keinen Insolvenzantragsgrund i.
38
BGH v. 12.12.1991 – IX ZR 178/91.
39
Westphal, ZGR 2010, 385 (415).
40
Westphal, ZGR 2010, 385 (415/416).
41
Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541 (545f.)
42
Jaffè/Friedrich, ZIP 2008, 1849 (1857).
43
Westphal, ZGR 2010, 385 (417).
10
S. d. InsO darstellt.44 Trotzdem liegt bei Tatbestandserfüllung schon eine
erhebliche Gefährdung von Gläubigerinteressen vor. Demzufolge stellt der
Begriff der Überschuldung auf Basis von Fortführungswerten einen geeigneten Einleitungszeitpunkt dar, da in diesem Zeitpunkt das Vermögen der
Antragsstellerin zumindest rechnerisch nicht mehr ausreicht, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken. Darüber hinaus kann nur derjenige
Schuldner antragsberechtigt sein, der sein Unternehmen für sanierungsbedürftig und sanierungsfähig hält.
Problematisch ist jedoch, dass der Überschuldungsbegriff gem. § 19 II
InsO zum 01.01.2014 dahingehend geändert werden soll, dass auch bei
rechnerischer Überschuldung auf Basis von Fortführungswerten eine Insolvenzantragspflicht besteht und somit Wertungswidersprüche mit der
zuvor genannten Ansicht entstünden.45
c) Fremdantragsrecht
Erfolgsversprechende Sanierungsvorhaben werden nicht selten von den
Anteilseignern verhindert, u.a. weil sie von der Notwendigkeit einer Sanierung nicht überzeugt sind.
Fraglich ist, ob ein eventuelles Fremdantragsrecht für das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren ein hilfreiches Mittel zur rechtzeitigen Einleitung
eines Sanierungsverfahrens darstellt.
Gegen ein Fremdantragsrecht spricht, dass die Gläubiger in die Rechte der
Anteilseigner eingreifen könnten. Demzufolge wäre ein Fremdantragsrecht
nur erfolgversprechend, wenn auch ein Sanierungswille seitens der Anteilseigner vorliegt.46
Darüber hinaus wäre ein Fremdantragsrecht von einem enorm hohen
Missbrauchspotenzial durch die Gläubiger des Schuldners belastet. Andererseits wäre es für die Anteilseigner reizvoller ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren durchzuführen als anschließend im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eine Unternehmenssanierung anzustreben, da ein Eingriff zu diesem späteren Zeitpunkt intensiver ausfallen würde als bei einem
außergerichtlichen Sanierungsverfahren.47
44
Westphal, ZGR 2010, 385 (418).
45
Westphal, ZGR 2010, 385 (419).
46
Westphal, ZGR 2010, 385 (419).
47
Westphal, ZGR 2010, 385 (419).
11
Schließlich ist jedoch das Unternehmen nicht von den Gläubigern sondern
von dem Schuldner zu sanieren, welcher jedoch nicht zu einer Sanierung
gezwungen werden darf. Denn erst bei Vorliegen der materiellen Insolvenz
liegen ausreichende verfassungsrechtliche Legitimationen vor, welche den
Schuldner zu einer möglichen Sanierung zwingen könnten. Von einem
Fremdantragsrecht ist nach dieser Ansicht abzusehen.
d) Antragspflicht des Schuldners
Fraglich ist jedoch, ob die Gesellschaftsorgane bei Vorliegen des Einleitungsgrundes nicht nur zur Antragsstellung berechtigt sondern auch dazu
verpflichtet sein sollten. Dagegen spricht, dass grundsätzlich vor jedem
eingeleitetem Insolvenzverfahren ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren durchgeführt werden müsste.48 Demzufolge würde das Insolvenzverfahren zu einem reinen Liquidationsverfahren transformiert. Von einer
Antragspflicht ist demnach ebenfalls abzusehen.
e) Gläubigerschutz bzw. Gläubigerpflichten
Da ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren zwangsläufig Eingriffe in
Gläubigerrechte in Form von Zahlungsaufschüben bzw. ein Moratorium
auf Seiten des Schuldners vorsieht, ist es sinnvoll ein Gericht einzuschalten, indem es den Verlauf des Sanierungsverfahrens überwacht. Ziel einer
Überwachung soll der Schutz der Gläubiger vor Missbrauch sein. Des
Weiteren sollte jeder Eingriff in Gläubigerrechte einer Rechtfertigung bedürfen und nicht uneingeschränkt gewährt werden
Problematisch ist jedoch, dass de lege lata Eingriffe in bestehende Rechtspositionen von Gläubigern durch einen außergerichtlichen Vergleich nicht
zulässig sind.49 Demzufolge besteht zwischen den Beteiligten Parteien vor
der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens weder eine Gefahrengemeinschaft, aus der sich Mitwirkungspflichten ergeben noch eine gesellschaftliche oder gesellschaftsähnliche Verbindung.50 Darüber hinaus stellt eine
Einschränkung der Gläubigerrechte auch einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit gem. Art. 14 GG dar. Demzufolge würde eine solche Benachteiligung auch einer Prüfung über Eingriffe in die Grundrechte bedürfen.
48
Westphal, ZGR 2010, 385 (419).
49
BGHZ 116, 319; Westphal, ZGR 2010, 385 (427).
50
BGHZ 116, 319; Westphal, ZGR 2010, 385 (427).
12
Andererseits sollte ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren auch vor
Maßnahmen von Gläubigerseite geschützt sein, die bei Durchführung zu
einer beschleunigten Insolvenz bzw. zu einem Insolvenzantragsgrund führen könnten.51 Demzufolge ist es für ein erfolgreiches Sanierungsverfahren
äußerst ratsam, die an die Insolvenzverfahrenseröffnung geknüpften Gestaltungsrechte der Gläubiger einzuschränken. Sollte jedoch ein Insolvenzgrund vorliegen, so sollten die Gläubiger allerdings berechtigt bleiben einen Insolvenzantrag gem. § 14 InsO gegen die Schuldnerin zu stellen.52
Weiterhin ist zu überlegen, ob ein Moratorium vom Gericht zeitlich befristet werden sollte.53 Nach Ablauf einer Frist liegt es dann beim Gericht,
über eine Verlängerung zu entscheiden. Es sollte jedoch auch im Ermessen
des Gerichts liegen, auf ein Moratorium zu verzichten, wenn dies vom
Antragssteller ausdrücklich erwünscht ist.54 Für eine zeitliche Befristung
spricht, dass ein allgemeiner Zahlungsaufschub vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befürchten lässt, dass Gläubiger dies als Anlass nehmen
könnten, die geschäftliche Beziehung zu unterbrechen oder gar zu beenden. Darüber hinaus sollte die ein Schritt in die Richtung sein, dass Stigma
der Insolvenz zu beheben.
f) Bestellung eines neutralen Dritten
Weiterhin wäre darüber zu entscheiden, ob die Einsetzung einer neutralen
bzw. eines Moderators als sinnvoll erscheint. Sinnvoll erscheint die Einsetzung eines neutralen Dritten vor allem dann, wenn kein schlüssiges Sanierungskonzept besteht und die Einsetzung einer solchen Person sowohl
auf der Schuldnerseite als auch auf der Gläubigerseite gewollt ist.
Gegen die Einsetzung einer sanierungserfahrenen Aufsichtsperson spricht
jedoch, dass das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren den Charakter
eines gerichtlich durchgeführten Insolvenzverfahrens gleichkommen würde. Weiterhin spricht gegen die Einsetzung eines Dritten, dass der freiwillige Charakter des Verfahrens mit den grundlegenden Eingriffen in die
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Organe der Antragsstellerin
nicht miteinander vereinbar sind. Demzufolge sollte auch bei einem vorin-
51
Westphal, ZGR 2010, 385 (421).
52
Westphal, ZGR 2010, 385 (422).
53
Westphal, ZGR 2010, 385 (422).
54
Westphal, ZGR 2010, 385 (422).
13
solvenzlichen Sanierungsverfahren der Grundsatz der Eigenverwaltung
gelten.55
Für die Einsetzung einer neutralen Person spricht jedoch, dass ein solches
vorinsolvenzliches Verfahren zu Eingriffen in Gläubigerrechte führen
kann. Darüber hinaus ist die Verhandlungsgrundlage zwischen Schuldner
und Gläubiger oftmals erfolgversprechender, wenn eine neutrale Person
bei den Verhandlungen teilnimmt, da die Positionen der gegenüberstehenden Parteien regelmäßig festgefahren sind und ein Kompromiss nur noch
sehr schwer zu erreichen ist. In diesem Zusammenhang sollte der Dritte
lediglich als Mittler zwischen Antragssteller, Gläubigern und dem Gericht
auftreten.
Weiterhin könnte diese Person, nach Abschluss eines Sanierungsvergleichs, die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen überwachen.
Darüber hinaus stellt ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren ein freiwilliges schuldnerbetriebenes Verfahren dar, so dass dem Antragssteller
ein eigenes Vorschlagsrecht eingeräumt werden sollte.56 Die notwendige
Neutralität schließt Dritte aus, die schon zuvor Berater des Antragsstellers
in diese Position berufen werden. In so einem Fall kann das Gericht aufgrund des Vorliegens besonderer Gründe die Bestellung eines solchen Beraters auf Vorschlag der Antragsstellerin ablehnen.
g) Vorteile eines außergerichtlichen Sanierungsverfahren
Die Vorteile eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens im Hinblick
auf ein eigenständiges Unternehmenssanierungsgesetz im Vergleich zu
einem gerichtlichen Sanierungsverfahren sind vor allem die mangelnde
Publizität. Demzufolge schreckt eine Insolvenz viele Lieferanten ab, weiterhin den üblichen Geschäftsablauf mit dem insolventen Unternehmen
fortzuführen. Vielmehr werden Leistungen nur noch gegen Vorkasse angeboten.57 Weiterer Vorteil der mangelnden Publizität ist das Halten von
Leistungsträgern im eigenen Betrieb. So liegt es nahe, dass besonders qualifizierte Arbeitnehmer im Falle einer Insolvenz möglichst schnell eine
neue Anstellung suchen.58 Ein weiterer, ganz ausschlaggebender Vorteil ist
55
Westphal, ZGR 2010, 385 (424).
56
Westphal, ZGR 2010, 385 (425).
57
Buchalik, NZI 2000, 294 (295).
58
Buchalik, NZI 2000, 294 (295).
14
die Flexibilität eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens, da die
strengen Vorgaben der InsO nicht greifen.
Weiterhin verursacht ein gerichtliches Insolvenzverfahren Mehrkosten und
veranschlagt eine erheblich längere Verfahrensdauer.59
h) Nachteile eines außergerichtlichen Sanierungsverfahren
Nicht außer Betracht gelassen werden, dürfen jedoch nicht die Nachteile
eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens. Demzufolge werden die
Insolvenzantragsfristen und –pflichten gem. § 15a InsO bei drohender
Zahlungsunfähigkeit nicht abgedungen, so dass eine freie Sanierung oftmals schon an dieser Voraussetzung zum Scheitern verurteilt ist. Weiterhin
können Minderheiten, anders als im Insolvenzplanverfahren, nicht überstimmt werden. Demzufolge ist für die freie Sanierung die Zustimmung
aller Gläubiger notwendig. Dies hätte zur Folge, dass einzelne Gläubiger
versuchen könnten, über eine angedrohte Störung des Vergleichs, Sondervorteile auszuhandeln. Weiterhin besteht während der außergerichtlichen
Sanierung kein Vollstreckungsverbot für die Gläubiger. Mithin steht die
außergerichtliche Sanierung vor dem Problem, innerhalb kürzester Zeit
außerordentliche Kooperationshürden nehmen zu müssen, um erfolgreich
zu sein und die Organe des Unternehmens im Falle eines Scheiterns nicht
in die Strafbarkeit einer Insolvenzverschleppung oder eines Bankrotts hineinzutreiben.
i) Abwägung der Vor- und Nachteile
Ein außergerichtliches Sanierungsverfahren muss geeignet sein, dass nötige Vertrauen zu vermitteln, dass der Sanierungsversuch erforderlich, ernst
gemeint und erfolgversprechend ist.60 Werden erkennbare Nachweise über
die konsequente Vorbereitung, Einleitung und Durchführung des Sanierungsverfahren seitens des Schuldners erbracht und ist erkennbar, dass der
Schuldner dieses Verfahren erfolgreich abzuschleißen versucht, so muss
ein außergerichtliches Sanierungsverfahren gewährleisten, dass „Akkordstörer“ keine Gelegenheit erhalten, die Sanierung des Unternehmens nachhaltig zu gefährden, um sich Sondervorteile gegenüber anderen Gläubigern
auszuhandeln. Weiterhin halte ich eine Einschaltung eines neutralen Ver-
59
Schmidt/Uhlenbruck-Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, S. 143; Bork, ZIP 2010, 397
(397).
60
Hölzle, NZI 2010, 207 (208).
15
mittlers während der Sanierungsverfahrens für äußerst hilfreich. Dieser
neutrale Dritte soll lediglich eine zwischen den Schuldner und den Gläubigern vermittelnde Funktion einnehmen. Vorteil einer solchen unabhängigen Person ist die rein objektive Begutachtung streitiger Sachverhalte und
die Kooperation zwischen zwei Parteien, deren geschäftliche Beziehung
angespannt ist.
Jedoch sollte ein außergerichtliches Sanierungsverfahren kein Insolvenzverfahren ersetzen. Vielmehr sollte ein Sanierungsverfahren nur denjenigen offenstehen, die nicht schon wegen drohender Zahlungsunfähigkeit
gem. § 15a InsO kraft Gesetzes zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet sind. Wahrscheinlich ist jedoch, dass vielen Unternehmen aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit erst ein gravierender Sanierungsbedarf bewusst wird und somit die Sanierungsfähigkeit im Rahmen eines
außergerichtlichen Verfahrens bereits verstrichen ist. In solchen Fällen ist
an eine Kombination zwischen Insolvenzantrag und Durchführung eines
Sanierungsverfahrens zu denken. Um Missbrauch seitens des Schuldners
vorzubeugen, muss verhindert werden, dass der Schuldner den Insolvenzantrag nach eigenem Ermessen wieder zurücknehmen kann, solange die
tatbestandlichen Voraussetzungen gem. § 18 II InsO tatsächlich noch vorliegen. Weiterhin sollte das Insolvenzeröffnungsverfahren während des
Sanierungsverfahren jedoch nicht zum Zuge kommen, um genügend Zeit
für eine erfolgreiche Sanierung zu gewährleisten. Ist das Scheitern der Sanierung abzusehen, so wird automatisch das Insolvenzeröffnungsverfahren
eingeleitet.
C. Schluss
Schließlich ist festzustellen, ob es eines eigenen Gesetzes über die vorinsolvenzliche Sanierung bedarf oder die InsO ausreichend Sanierungsinstrumente zur Verfügung stellt.
Sicherlich stehen mit dem Insolvenzplan und der Eigenverwaltung hilfreiche und auch erfolgversprechende Instrumente für eine Unternehmenssanierung zu Verfügung. Jedoch betreibt der Insolvenzplan seit der Einführung der InsO wohl eher noch ein Schattendasein. Schuld daran ist sicherlich sowohl das Stigma der Insolvenz als auch das allzu umständliche und
langwierige Verfahren.
Zusammenfassend kann man deshalb behaupten, dass eine Vorverlagerung
des Insolvenzplanverfahrens in Form eines Planverfahrens, unter Berück16
sichtigung der zuvor erwähnten Vorschläge, mit Sicherheit ein Schritt in
die richtige Richtung zu einer mehr sanierungsfreundlichen und weniger
insolvenzängstlichen Gesellschaft darstellt.
Darüber hinaus wäre eine Konkurrenz zwischen einem vorinsolvenzlichen
Sanierungsplanverfahren und einem Insolvenzverfahren mit Hilfe eines
Insolvezplans dann nicht gegeben, wenn das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren in funktionaler und zeitlicher Hinsicht klar von dem Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung abgegrenzt wäre.61
61
anders: Uhlenbruck, NZI 2008, 201 (206).
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