Nachträgliche Eintragung eines Geh

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Nachträgliche Eintragung eines Geh
OLG München, Beschluss v. 30.04.2015 – 34 Wx 86/15
Titel:
Nachträgliche Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts nach Bewilligung im Jahr 1969
Normenketten:
BGB § 1018
GBO §§ 13, 19, 53 I S. 1 u. 2
Leitsatz:
1. Nachträgliche Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts im Jahr 2015 aufgrund einer im Jahr 1969
erteilten, wirksam gewordenen und "nicht verbrauchten" Bewilligung. (amtlicher Leitsatz)
Schlagworte:
Grundbuch, Dienstbarkeit
Fundstellen:
ZfIR 2015, 453
NotBZ 2016, 62
RNotZ 2015, 460
LSK 2015, 250975
NJOZ 2015, 1083
Tenor
I.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Traunstein Grundbuchamt - vom 27. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
II.
Die Beteiligten zu 1 und 2 tragen die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Sie haben dem
Beteiligten zu 3 die dort entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
III.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe
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I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind in Gütergemeinschaft als Eigentümer eines Grundstücks (FlSt 109/1) im
Grundbuch eingetragen. Diesem Grundstück bis auf einen schmalen Streifen zur Straße hin vorgelagert ist
das Grundstück FlSt 109 des Beteiligten zu 3. Erschlossen wird das Grundstück der Beteiligten zu 1 und 2
durch eine Zufahrt, die sich auf der an die Hauptstraße angrenzenden und zu ihrem Grund gehörenden
Fläche befindet. Auch der Beteiligte zu 3 benutzt diese Fläche als Zufahrt zu seinem eigenen Anwesen.
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Im Grundbuch des Vorderliegergrundstücks ist ein Geh- und Fahrtrecht für den jeweiligen Eigentümer des
Flurstücks 109 gemäß Bewilligung vom 25.2.1969 eingetragen. Dazu kam es folgendermaßen:
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Mit Überlassungsvertrag vom 25.2.1969 übertrug Simon B., Vater des Beteiligten zu 1, diesem das
Grundstück FlSt 109/1. Die Eigentumsumschreibung fand am 4.6.1969 statt. In Ziff. IX. der Vertragsurkunde
findet sich folgende Regelung:
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Zwischen den beiden Anwesen H-Straße 76 und H-Straße 76 a verläuft auf dem Grundstück Fl. Nr. 109/1
die gemeinsame Zufahrt.
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Der Übernehmer räumt dem jeweiligen Eigentümer des heute von seiner Schwester übernommenen
Grundstücks Fl. Nr. 109 das Recht ein, diese Zufahrt jederzeit und ungehindert zu begehen und zu
befahren um auf die Gemeindestraße zu gelangen.
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Dieses Geh- und Fahrtrecht wird als Grunddienstbarkeit bestellt, die Eintragung im Grundbuch an Fl. Nr.
109/1 wird bewilligt.
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Aufgrund des am selben Tag abgeschlossenen Ehe- und Erbvertrags zwischen den Beteiligten zu 1 und 2
wurden diese ebenfalls am 4.6.1969 in der vorgenannten Form als Eigentümer eingetragen. Trotz
umfassenden Vollzugsantrags unterblieb aber aus ungeklärten Gründen seinerzeit die Eintragung der
Dienstbarkeit.
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Ebenfalls am 25.2.1969 übertrug S. B. das zur H-Straße hin gelegene Grundstück FlSt 109 seiner Tochter
M. G., der Schwester des Beteiligten zu 1, die später ihrerseits das Grundstück dem Beteiligten zu 3, ihrem
Sohn, überließ.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.10.2014 beantragte der Beteiligte zu 3, das bezeichnete Geh- und
Fahrtrecht nunmehr einzutragen.
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In einem Zivilrechtsstreit zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 als Klägern und dem Beteiligten zu
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3 als Beklagten wurde die Klage, es zu unterlassen, das Grundstück FlSt 109/1 zum Zwecke der Zufahrt zu
dem Grundstück FlSt 109 zu nutzen, mit (noch nicht rechtskräftigem) Endurteil vom 6.2.2015 abgewiesen.
Das Amtsgericht ging davon aus, dass bereits mit dem Antrag auf Urkundenvollzug am 19.3.1969 ein
Anwartschaftsrecht an der Dienstbarkeit bestand, der Beklagte dessen Inhaber sei und ein Recht auf
Benutzung des Nachbargrundstücks habe. Das Grundbuchamt hätte schon seinerzeit die Eintragung
vornehmen müssen.
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Das Grundbuchamt trug schließlich am 9.2.2015 das Geh- und Fahrtrecht als Belastung in Abt. II des
Grundbuchs ein.
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Gegen die Eintragung der Dienstbarkeit richtete sich der sogenannte Widerspruch der Beteiligten zu 1 und
2 vom 18.2.2015, mit dem sie die Löschung der Eintragung verfolgen.
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Das Grundbuchamt hat den Rechtsbehelf als Anträge auf Löschung eines Rechts bzw. auf Eintragung eines
Widerspruchs behandelt und ihn mit Beschluss vom 18.2.2015 zurückgewiesen.
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Hiergegen richtet sich die im Wesentlichen folgendermaßen begründete Beschwerde der Beteiligten zu 1
und 2, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 9.3.2015 nicht abgeholfen hat: Der Beteiligte zu 1 und die
Mutter des Beteiligten zu 3 hätten sich jedenfalls nicht auf die Einräumung eines Geh- und Fahrtrechts
geeinigt, auch wenn in beiden Übergabeverträgen von dem Recht die Rede sei. Ein entsprechender Vertrag
zwischen den beiden Geschwistern sei damals nicht abgeschlossen worden. Zudem sei eine etwaige
Einwilligung des Beteiligten zu 1 jederzeit widerruflich. Die damalige Bewilligung könne aktuell nicht mehr
als Eintragungsgrundlage herangezogen werden. Der Beteiligte zu 3 habe auch kein Antragsrecht
besessen. Schließlich bestehe am belasteten Grundstück inzwischen (auch) Eigentum der Beteiligten zu 2,
die einer Eintragung nicht zugestimmt habe. Der Beteiligte zu 3, dem das Vorderliegergrundstück von seiner
Mutter rechtsgeschäftlich übertragen worden sei, könne für sich auch keine Ansprüche aus dem Vertrag von
1969 herleiten.
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Der Beteiligte zu 3 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
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II. Das formgerecht eingelegte Rechtsmittel (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG) ist als
Beschwerde im Hinblick auf § 71 Abs. 2 GBO nur beschränkt mit dem Ziel zulässig, nach § 53 GBO gegen
die Richtigkeit des Grundbuchs einen Widerspruch einzutragen oder eine Löschung der Eintragung wegen
inhaltlicher Unzulässigkeit vorzunehmen. Aber auch insofern ist die Beschwerde unbegründet, weil die
Eintragung des Rechts sich nicht ihrem Inhalt nach als unzulässig erweist und das Grundbuchamt zudem
nicht unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften die Eintragung vorgenommen hat.
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1. Eine Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO) scheidet aus. Nach dieser
Bestimmung zu löschen sind solche Einträge, die ein Recht mit einem Inhalt oder in einer Ausgestaltung
ausweisen, wie es aus Rechtsgründen nicht bestehen kann (BayObLG Rpfleger 1986, 371; Demharter GBO
29. Aufl. § 53 Rn. 42; Hügel/Holzer GBO 2. Aufl. § 53 Rn. 56). Eine derartige Unzulässigkeit ergibt sich hier
weder aus dem Eintragungsvermerk im Grundbuch - dieser weist eine Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) in
Form eines Geh- und Fahrtrechts aus (vgl. Palandt/Bassenge BGB 74. Aufl. § 1018 Rn. 16 mit Beispielen) noch aus der in Bezug genommenen Bewilligung vom 25.2.1969 (§ 874 BGB). Andere Beweismittel dürfen
nicht verwertet werden (Senat vom 27.5.2008, 34 Wx 130/07 = FGPrax 2008, 196; BayObLGZ 1987,
390/393; Demharter a. a. O.). Unerheblich sind in diesem Rahmen etwaige Verfahrensverstöße des
Grundbuchamts beim Eintragungsvorgang, welche unter der weiteren Voraussetzung, dass die Eintragung
materiell unrichtig ist, etwa weil das verlautbarte Recht nicht entstanden ist, nur die Eintragung eines
Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO erlauben (Hügel/Holzer § 53 Rn. 56).
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2. Aber auch die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 71 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 53 Abs. 1 Satz 1
GBO kommt nicht in Frage. Das Grundbuchamt hat nicht unter (objektiver) Verletzung gesetzlicher
Vorschriften (dazu etwa Demharter § 53 Rn. 21 m. w. N.) die Eintragung vorgenommen.
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a) Die Eintragungsvoraussetzungen (§§ 13, 19 GBO) für die Grunddienstbarkeit lagen am 9.2.2015 (noch)
vor. Der Antrag auf Eintragung war zwar nicht schon am 19.3.1969 mit Fertigstellung der Ausfertigung, aber
bereits mit deren Eingang beim Grundbuchamt am 16.4.1969 gestellt (§§ 13, 15 Abs. 2 GBO). Auf die
Wiederholung im Jahr 2014 kommt es nicht an. Die „nicht verbrauchte“ (dazu BayObLG NJW-RR 1997,
1511/1512) Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) des Beteiligten zu 1 als Übernehmer des Anwesens ist für
die Dienstbarkeit in der dem Grundbuchamt am 16.4.1969 vorgelegten notariellen Ausfertigung vom
25.2.1969 enthalten und spätestens zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden (vgl. BayObLG vom 29.7.1993,
2Z BR 62/93, bei juris Rn. 12). Sie ist damit bindend und für die abgebende Person unwiderruflich (BGHZ
48, 351/356; OLG München - 32. Zivilsenat - FGPrax 2007, 106; OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 785;
Demharter § 19 Rn. 112), ohne dass der Zeitablauf von fast 46 Jahren entgegen steht. Als
verfahrensrechtliche Handlung unterliegt sie nicht der materiellrechtlichen Verjährung (BayObLG NJW-RR
1997, 1511/1512). Insoweit war die verfahrensrechtliche Bewilligung des Beteiligten zu 1 auch erforderlich,
weil zugleich mit dem (Geh- und Fahrt-) Recht gerade dieser als neuer Inhaber des betroffenen (Eigentums) Rechts in das Grundbuch eingetragen werden sollte (OLG Düsseldorf FGPrax 2003, 88/89; Demharter §
19 Rn. 44 m. w. N.).
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b) Die Bewilligungsberechtigung muss grundsätzlich noch in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Eintragung
des Rechts stattfindet (Demharter § 19 Rn. 44; siehe auch BayObLGZ 1956, 172/177 f.). Jedoch bedarf es
einer Mitwirkung der für die nachträglich eingetragene Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB)
verwaltungsbefugten Person(en) als im Eintragungszeitpunkt (2015) Buchberechtigte hier schon deshalb
nicht, weil es sich im Verhältnis zum bewilligenden Rechtsvorgänger um einen Fall der
Gesamtrechtsnachfolge handelt (BayObLGZ 1956, 172/178; 1992, 131/137; MüKo/Kanzleiter BGB 6. Aufl. §
1416 Rn. 17 a. E.: „Universalsukzession“). Dann übernimmt aber der Nachfolger die Rechtsstellung des
Vorgängers auch mit allen Belastungen und „Anwartschaften“.
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3. Die vom Grundbuchamt im Anschluss an das Endurteil des Amtsgerichts vom 6.2.2015 angestellten
materiellen Überlegungen spielen letztlich keine Rolle. Ohne dass es einer genaueren Überprüfung an
dieser Stelle noch bedarf, würde hiernach aber auch nicht zumindest glaubhaft sein (Demharter § 53 Rn.
28), dass das Grundbuch durch die erfolgte Eintragung der Grunddienstbarkeit (materiell) unrichtig
geworden ist.
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III. Die Kostenfolge bestimmt sich nach § 84 FamFG. Von der darin aufgestellten Regel abzuweichen
besteht hier kein Anlass. Umfasst werden auch die Auslagen des Beteiligten zu 3. Für den ersten
Rechtszug ergibt sich die Kostenfolge bereits unmittelbar aus dem Gesetz (§ 22 Abs. 1 GNotKG).
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Geschäftswertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren und Bestimmung des Geschäftswerts: § 79 Abs. 1
Satz 1 i. V. m. § 36 Abs. 3 GNotKG.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 GBO liegen
nicht vor.