8. Allgemeines Grundstücksrecht

Transcrição

8. Allgemeines Grundstücksrecht
173
8. Allgemeines Grundstücksrecht
8.1.
Übertragung und Rangordnung von Grundstücksrechten
Grundstücksrechte (Eigentum und beschränkt dingliche Rechte) werden sämtlich
rechtsgeschäftlich nach der Regel des § 873 I übertragen. Erfordert die Einigung zur
Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gemäß § 925 I 1 grundsätzlich die
Anwesenheit eines Notars, ist dies für andere Verfügungen nicht gesetzlich gefordert.
Bindungswirkung entfalten gemäß § 873 II aber nur notariell beurkundete Einigungen.
Der Rang von Grundstücksrechten hat theoretisch wie praktisch vornehmlich Bedeutung bei den Grundpfandrechten, welche Kredite sichern. Wenn ein Grundstück einen
Verkehrswert von KDWZHQQHVLQGHU=ZDQJVYHUVWHLJHUXQJ±LQJXWHQ
Zeiten – HUEULQJWZHQQGDV*UXQGVWFNDEHUPLW*UXQGVFKXOGHQà
40.000 belastet ist, dann macht es einen riesigen Unterschied, ob man Inhaber der 5.
oder der 7. Grundschuld ist.
Nach § 44 I ZVG sind in das geringste Gebot die dem Anspruch des betreibenden
Gläubigers vorgehenden Rechte aufzunehmen (zunächst die in § 10 I Nr. 1-3 ZVG
aufgeführten), sodann aber die dinglichen Rechte, die nach § 10 I Nr. 4 ZVG zu befriedigen sind. Für diese ist das materiell-rechtliche Rangverhältnis nach § 11 I ZVG
maßgebend, worüber die Reihenfolge der Grundbucheintragung nach § 879 I 1 entscheidet.
Es gilt: Je schlechter der Rang, desto höher das Risiko des Berechtigten, leer auszugehen. Je höher das Risiko, desto höher gleichfalls die Zinsen für den besicherten
Kredit. Hypotheken-Banken geben zwar die günstigsten Kredite, doch dürfen sie nur
erstrangige Hypotheken nehmen, zudem bis zu einer sehr realistischen Grenze 60 %
des Verkehrswertes.
174
§ 879 I regelt den Rang nach dem Prioritätsprinzip der Eintragung für den Fall, daß
mehrere Rechte in derselben Abteilung eingetragen werden. § 880 I regelt die nachträgliche rechtsgeschäftliche Rangänderung und § 881 I den Rangvorbehalt.
8.2.
Vertiefung
8.2.1.
Rang von Grundstücksrechten
Fall 131:1 (BGHZ 21, 98)
B will auf seinem Grundstück ein Haus errichten. Er nimmt bei der A-Bank ein Darlehen über DXIGDVHUGXUFKGLH%HVWHOOXQJHLQHU+\SRWKHNIUGLH$%DQN
sichert.
Während der Bauzeit sieht sich B genötigt, weiteren Kredit aufzunehmen. Die CBank ist dazu bereit, allerdings nur in Höhe von ZHLO%DOV6LFKHUKHLWQXU
noch eine weitere Hypothek an seinem Grundstück bieten kann.
Welche Überlegungen könnten für die C-Bank entscheidend gewesen sein?
Fall 132:
Der Erlös aus der Zwangsversteigerung eines mit einem Nießbrauch (Abteilung II)
und einer Hypothek (Abteilung III) belasteten Grundstücks reicht nur aus, entweder
den Hypothekengläubiger zu befriedigen oder den Nießbrauch als das nunmehr durch
die Zwangsversteigerung erloschene Recht zur Grundstücksnutzung (vgl. § 1030 I)
durch entsprechenden Wertersatz zu entschädigen, vgl. §§ 92, 91 ZVG.
1
Die folgenden Fälle sind entnommen aus Gerhardt, Immobiliarsachenrecht, Fälle 9, 10.
175
8.2.2.
Rangänderung, Zwangsvollstreckung
Fall 133:2 Rangverwechslung und einverständliche Rangänderung
E verhandelt mit zwei Banken über einen an seinem Hausgrundstück erstrangig zu sichernden Kredit von E]Z %HLYHUVFKLHGHQHQ1RWDUHQEHVWHOOW(
jeder Bank eine Hypothek und bewilligt deren Eintragung im Grundbuch. Es beantragen A die Eintragung einer Hypothek am Grundstück des E von DP
4. 1. 2002, B die Eintragung einer Hypothek über DP 1. 2002.
Durch ein Versehen des Grundbuchbeamten wird zuerst die B und danach A eingetragen.
Bei der Zwangsversteigerung ergibt sich lediglich ein Erlös von :LHYHUWHLOW
sich dieser? Hat die A-Bank Ansprüche gegenüber der B-Bank?
2
Gerhardt, Immobiliarsachenrecht, Fall 11.
176
8.2.3.
Rechtsgeschäftliche Verfügungen im Grundstücksrecht
Eigentum
(incl. §§
875, 877,
880)
sontige
Hypothek
dingliche
Rechte
Grundschuld
Vormerkung
bei akzessorischen Sicherheiten
(−)
(−)
Forderung
(−)
(−)
Einigung
§§ 873, 925
§ 873
§§ 873, 1113
§§ 873, 1191
Bewilligung,
§ 885
Eintragung
(+)
(+)
(+) und Briefübergabe (§
1117)
(+) und Briefübergabe (§§
1192, 1117)
(+)
Einigsein, d.h.
kein Widerruf
(+)
(+)
(+)
(+)
(+)
Berechtigung
(oder § 185)
(+)
(+)
(+)
(+)
(+), § 185
genügt nach
h.M. nicht
oder gutgläubiger Erwerb
§ 892
§ 892
§ 892
§ 892
§§ 892, 893
8.2.4.
Vormerkung (§§ 883 ff.)
8.2.4.1. Einleitendes
Zwischen dem schuldrechtlichen Vertrag, der die Verpflichtung zur Übertragung eines Grundstückrechts (häufig des Eigentums) enthält, und der späteren Rechtsänderung selbst liegt zumeist ein längerer Zeitraum, nicht zuletzt deshalb, weil die Eintragung in das Grundbuch erfolgen muß, die Wochen oder Monate dauern kann.
177
Bis zur Eintragung ist der Eigentümer bzw. Rechtsinhaber aber in der Lage, anderweitig über sein Recht zu verfügen. Der Grundstückseigentümer kann sein Grundstück beliebig oft verkaufen. Wem er endlich Eigentum verschafft, wem gegenüber er
die Verpflichtung vollzieht, hängt von der Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 873,
925 ab.
Bsp. Eigentümer E steht seit längerem in Verkaufsverhandlungen über sein am Rande
der City gelegenes Grundstück mit K 1. Am 1. 2. 2002 schließt er mit ihm einen notariellen Kaufvertrag über DE'D.QRFK(LQ]HOKHLWHQZHJHQGHU)LQDQ
zierung regeln will, wird die Auflassung noch nicht erklärt, sondern soll in einem gesonderten Termin vorgenommen werden. In einer geheimen Sitzung des Stadtrates
erfährt K 2 davon, daß in der Nähe dieses Grundstücks ein attraktiver Freizeitpark gebaut werden soll. Da das Grundstück sich für einen Hotelbetrieb eignet, bietet er dem
E, in der Annahme, dieser habe bereits von der günstigen Gestaltung der Verhältnisse
erfahren, DQ(YHUNDXIWGDUDXIKLQDQ.IU XQGOl‰WDQLKQDXI
Mit Eintragung des K 2 ist dieser unanfechtbar Eigentümer geworden. Gegenüber
dem K 1 ist E die Erfüllung (§ 433 I) subjektiv unmöglich geworden. K 1 hat daher
Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283. Seinen Anspruch auf
Eigentumsverschaffung kann K 1 indes nicht mehr durchsetzen.
Hiergegen hilft die Vormerkung: Sie sichert den obligatorischen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung, in unserem Beispielfall den Anspruch aus dem Kaufvertrag auf
Übereignung des Kaufgegenstandes. Sie ist akzessorisch, d.h. ihr Entstehen und Fortbestehen hängt von der Existenz des zu sichernden Anspruchs ab. Diese Akzessorität
verhilft einem ‚eigentlich‘ nur schuldrechtlichen Anspruch zu dinglicher Wirkung.
Zwar tritt keine Grundbuchsperre ein (keine Verfügungsbeschränkung iSd. §§ 878,
892), dafür wird aber die Verfügung des Schuldners des mit einer Vormerkung gesicherten Anspruchs (z.B. des Nochgrundstückseigentümers) begrenzt unwirksam,
nämlich insoweit, als sie den gesicherten Anspruch (hier auf Eigentumsverschaffung)
vereitelt oder beeinträchtigt (§ 883 II 1). Diese begrenzte Unwirksamkeit gilt nur zugunsten des Anspruchsinhabers, der seine Rechte aus § 888 durchsetzen kann.
178
Bsp. Hätte sich K 1 im obigen Beispiel mit einer Vormerkung gesichert, so würde die
erfolgte Eigentumsumschreibung (ähnlich bei der vormerkungswidrig eingetragenen
Eintragung eines Grundpfandrechts) zugunsten des K 2 keinen Bestand haben. K 1
hätte gegen E, der ihm gegenüber noch als Eigentümer anzusehen ist, einen Anspruch
auf Auflassung gemäß § 433 I 1. Zusätzlich hat er gegen K 2, der eingetragen wurde,
einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung (§ 888 I), die wegen § 19 GBO
(Grundsatz der Voreintragung) vorliegen müßte. Stimmt K 2 nicht zu, so ersetzt das
Urteil nach § 894 ZPO die (nicht abgegebene) Willenserklärung.
Eine Vormerkung kann aufgrund einer Eintragungsbewilligung des Berechtigten erfolgen oder aufgrund einstweiliger Verfügung (§ 935 ZPO). Im Falle der einstweiligen Verfügung ist entgegen §§ 936, 920 II ZPO die Gefährdung des zu sichernden
Anspruchs nicht glaubhaft zu machen (§ 885 I 2). Zum Vollzug der Verfügung kann
das Gericht das Grundbuchamt um die eintragende Vormerkung ersuchen (§§ 885 I
BGB, 941 ZPO, 38 GBO).
8.2.4.2. Fälle
Fall 134:3 Die Vormerkung
K hat von B ein Grundstück gekauft, auf dem er ein Haus errichten will. Offen ist
allerdings noch, ob das Grundstück überhaupt als Bauland ausgewiesen wird: Die
Entscheidung soll in drei Monaten fallen, für den Fall einer anderweitigen Qualifizierung hat sich K ein Rücktrittsrecht vorbehalten. Vor endgültiger Klärung will K nicht
zahlen, B aus diesem Grund die Eigentumsumschreibung nicht eingeleitet wissen.
Wie läßt sich hier eine Sicherung des K erreichen und welche Wirkung hat diese?
3
Die folgenden Fälle sind entnommen aus Gerhardt, Immobiliarsachenrecht, Fälle 26-30.
179
Fall 135:
Wie wäre es, wenn B nach Eintragung der Vormerkung zugunsten des K das Grundstück an S aufgelassen hätte, dieser eingetragen worden wäre und dann an N weiterveräußert hätte?
Fall 136:
Wäre es im Ausgangsfall 134 anders, wenn K und B den Kaufvertrag nicht unter
Rücktrittsvorbehalt geschlossen hätten, sondern aufschiebend bedingt durch die Qualifikation des entsprechenden Grundstückes als Bauland?
Fall 137: Die Übertragung einer Vormerkung
Im Ausgangsfall 134 will K seine Rechtsposition auf W übertragen. Ist W geschützt,
wenn B nun anschließend das Grundstück an S veräußern will?
Fall 138:
Die im Ausgangsfall 134 zwischen K und B getroffene Absprache weist verschiedene
Mängel auf:
a) Der Kaufvertrag war nur beglaubigt, bzw. K und B haben anschließend den Kaufvertrag einverständlich aufgehoben;
b) die Bewilligung B’s war mangels Geschäftsfähigkeit unwirksam. Kann sich W als
Zessionar des Kaufpreisanspruchs auf die Vormerkung berufen?
180
c) B war nur Bucheigentümer; K erfährt dies, als er den Umschreibungsantrag stellen
läßt.
8.2.4.3. Übersicht zur Vormerkung
1. Rechtsnatur: arteigenes akzessorisches Sicherungsmittel; kein dingliches Recht
2. Ersterwerb
2.1. Schuldrechtlicher Anspruch auf dingliche Rechtsänderung, auch für künftige
oder bedingte Ansprüche (§ 883 I 2), aber keine Rückwirkung der Heilung gemäß
§ 313 Satz 2 für Ansprüche aus verdecktem formnichtigen Vertrag
2.2. Bewilligung, § 885
2.3. Eintragung, § 885
2.4. Berechtigung, sonst
2.4.1. § 892 direkt (−), da kein dingliches Recht; aber §§ 892, 893 analog, da
verfügungsähnliche Wirkung (vgl. Medicus Rn 553)
2.4.2. § 878 analog; Vormerkung ist zwar keine Erklärung im Sinne von §§ 873,
875, 877, fällt aber unter den Normzweck des § 878
3. Zweiterwerb gemäß § 401 analog
3.1. wenn Forderung nicht besteht (−), da grundsätzlich kein gutgläubiger Forderungserwerb möglich und Vormerkung akzessorisch ist
3.2. wenn Forderung besteht und nur Vormerkung nicht, ist nach h.M. gutgläubiger
Zweiterwerb analog §§ 892, 893 möglich (zwar gesetzlicher Erwerb, aber aufgrund
Rechtsgeschäft der Abtretung, vgl. Medicus Rn 556, 557)
4. Wirkung (§§ 883 II iVm 888)
4.1. nach h.M. wirkt § 883 II nicht analog bei Vermietung oder Verpachtung (keine Verfügungen → Analogie); Arg.: zwar Beeinträchtigung des vorgemerkten An-
181
spruchs
(Normzweck wäre somit erfüllt), analoge Anwendung würde jedoch
Schutzzweck des § 571 unterlaufen
4.2. analoge Anwendung des § 883 II bei Eintragung eines Widerspruchs des wahren Eigentümers, falls zuvor Vormerkung gutgläubig erworben wurde; Arg.: zwar
keine Verfügung, aber Schutz auch gegen andere Beeinträchtigung (Normzweck,
vgl. Medicus Rn 554)
4.3. Merke: im Verhältnis Dritterwerber - Vormerkungsberechtigter gelten die §§
987 ff. analog; Arg.: Vergleichbarkeit von §§ 888 und 894
8.3.
8.3.1.
Öffentlicher Glaube des Grundbuchs und gutgläubiger Erwerb
Grundsätze und Fälle
Ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten ist für bewegliche Sachen nach § 932
I BGB möglich. Ähnlich dieser Regelung ist auch bei Grundstücksrechten der gute
Glaube an die gesetzliche Vermutung des § 891 durch § 892 I geschützt. Es ist also
z.B. ein Erwerb eines Grundstückrechts vom Nicht-Rechtsinhaber, also auch vom
Nichteigentümer möglich, wenn dieser eingetragen ist und kein Widerspruch im
Grundbuch steht. Wie der Besitz entfaltet also das öffentliche Register Rechtsscheinswirkung. Zwar ist das Grundbuch nur in extrem seltenen Fällen unrichtig,
doch sind die Folgen jeweils außerordentlich schwerwiegend. Unrichtigkeit des
Grundbuchs setzt voraus, daß die materielle Rechtslage mit der formellen (der Eintragung) nicht übereinstimmt.
Da § 892 eine Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung enthält sind folgende
Konstellationen denkbar.
-
Redlicher Erwerb des Eigentums vom Nichteigentümer
-
Redlicher lastenfreier Erwerb des Eigentums vom Eigentümer
Bsp.: Aus Versehen wird eine in Abt. III eingetragene Grundschuld zugunsten einer
Bank gelöscht. Zwar ist nach § 875 I 1 zur Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück die Aufgabeerklärung und Löschung im Grundbuch erforderlich, doch gilt nach
182
§ 892 I 1 der Inhalt des Grundbuchs nicht nur als richtig, sondern auch als vollständig, obwohl die Grundschuld weiter besteht. Ein Erwerber des Grundstücks erwirbt
daher unbelastetes Eigentum.
-
Redlicher lastenfreier Erwerb des Eigentums vom Nichteigentümer
Geschützt wird aber nur der gute Glaube an die Richtigkeit und Vollständigkeit des
Grundbuchs.
Bsp.: Eingetragen ist Anton Müller (sen.). Sein Sohn gleichen Namens veräußert an
den Meyer. Der gute Glaube an die Identität des Veräußerten wird nicht geschützt. Es
lag keine Grundbuchunrichtigkeit vor.
Fall 139:4 Der Erwerb vom Nichtberechtigten, zugleich zum öffentlichen Glauben des
Grundbuchs
F ist gestorben. F’s Sohn R ist als gesetzlicher Erbe des F als Eigentümer des Grundstücks eingetragen worden.
R stirbt drei Jahre später und wird von seiner Tochter A beerbt. Nachdem die Umschreibung im Grundbuch zugunsten der A erfolgt ist, findet sich ein Testament des F,
in dem B als Alleinerbin eingesetzt ist.
Kann die B die Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 erwirken?
Fall 140:
Kann B im Fall 139 die Herausgabe des Grundstücks von den Mietern W verlangen,
denen A das Hausgrundstück langfristig vermietet hat?
4
Die folgenden Fälle sind entnommen aus Gerhardt, Immobiliarsachenrecht, Fälle 20-24
183
Fall 141:
A schaltet im Fall 139 schnell: Sobald sie von F’s Testament erfährt, geht sie mit W
zum Notar und schließt einen Kaufvertrag über das Grundstück. Die Auflassung erfolgt gleichfalls. Der Notar stellt am selben Tag den Umschreibungsantrag. W hat das
Grundbuch nicht eingesehen; eine Woche später erfährt er die wahre Rechtslage.
Kann er trotzdem Eigentum erwerben?
8.3.2.
Nichtberechtigung im Grundstücksrecht (Übersicht)
1. Fehlende Rechtsinhaberschaft ist grundsätzlich unschädlich, wenn Verfügungsbefugnis nach §§ 185 I BGB, 80 I InsO besteht
2. Gutgläubiger Erwerb gemäß § 892 BGB
2.1. Rechtsgeschäftlicher Erwerb im Sinne eines Verkehrsgeschäfts
2.2. unrichtiges Grundbuch, das den Verfügenden als legitimiert ausweist (Achtung: Legitimation des Nichterben iVm § 2366, vgl. Medicus Rn 568, 570)
2.3. kein Widerspruch (Widerspruch schadet nicht, wenn unwirksam, § 883 II
analog) bzw. kein Insolvenzvermerk gemäß § 32 InsO bzw. kein Zwangsversteigerungsvermerk nach § 23 II ZVG
2.4. Guter Glaube: nur positive Kenntnis schadet
Problem: Zeitpunkt → grundsätzlich, bis letzte Erwerbsvoraussetzung vorliegt;
aber: allgemeiner Rechtsgedanke aus § 892 II BGB: guter Glaube muß nur zum
Zeitpunkt der vorletzten Erwerbsvoraussetzung vorliegen, sofern Eintragung =
184
letzte Erwerbsvoraussetzung (Beispiel: nach Antragsstellung für Eintragung der
Hypothek fehlt Darlehensauszahlung)
3. Verfügungsbeschränkungen (Veräußerungsverbote)
3.1. für Verfügungsbeschränkungen vor Antragstellung gilt § 892 (Merke: § 892 I
2 betrifft nur relative Verfügungsbeschränkungen; für absolute gilt § 892 nur bei
ausdrücklicher Anordnung, z.B. in §§ 81 InsO (vgl. Medicus Rn 536, 537)
3.2. für Verfügungsbeschränkungen nach Antragstellung gilt § 878 (Medicus Rn
468, 482)
3.2.1. Normzweck: Erwerber soll nicht Risiko für Verzögerung zwischen Antrag und Eintragung tragen
3.2.2. für Willenserklärungen des Berechtigten ist ausreichend, daß Berechtigung (auch Anwartschaftsrecht) vor Eintritt des Verfügungsverbots vorliegt
(h.M.; also nicht notwendig schon zum Zeitpunkt der Einigung)
8.4.
8.4.1.
Grundbuchberichtigung und Widerspruch
Grundsätze und Fälle
Wegen der Möglichkeit des Gutglaubenserwerbs (§ 892) kann die formelle Unrichtigkeit des Grundbuchs für den wahren Berechtigten katastrophale Folgen haben. Ihm
droht Rechtsverlust. Da für jede Eintragung stets (Ausnahme § 22 GBO) eine formelle Bewilligung des Betroffenen vorliegen muß (§ 19 GBO), kann der tatsächlich
Berechtigte vom formell unrichtig Eingetragenen die Abgabe der entsprechenden Berichtigungsbewilligung verlangen. Wird die Bewilligung nicht freiwillig erteilt, und
wann wäre das schon der Fall, ist gestützt auf § 894 Klage auf Abgabe der Eintragungsbewilligung zu erheben, welche bei Bestehen des Anspruchs nach § 894 ZPO
durch das rechtskräftige Urteil fingiert wird.
Da die Durchsetzung eines Berichtigungsanspruchs lange Zeit in Anspruch nehmen
kann, besteht für den materiell Berechtigten die Möglichkeit, das Grundbuch durch
Eintragung eines Widerspruchs nach § 899 hinsichtlich eines Gutglaubenserwerbes zu
sperren (§ 892). Der Widerspruch richtet sich gegen die Richtigkeit einer bestehenden
185
Eintragung oder, falls ein bestimmtes Recht nicht eingetragen ist, gegen die Richtigkeit des Grundbuchs schlechthin. Der Widerspruch muß erkennen lassen, wer das
unrichtig oder nicht eingetragene Recht für sich in Anspruch nimmt.
Oftmals wird die Eintragung des Widerspruchs aufgrund einstweiliger Verfügung
(§§ 899 II BGB i.V.m. 935 ZPO) erfolgen.
Fall 142:5 Der Widerspruch
G ist als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Als Erwerbsgrund ist vermerkt: Gesetzlicher Alleinerbe nach dem „bisherigen Eigentümer K“. Es findet sich ein Testament, das B als Alleinerben ausweist.
Welche rechtlichen Möglichkeiten hat B? Kann B für seinen Berichtigungsanspruch
eine Vormerkung eintragen lassen?
Fall 143:
Nach Eintragung des Widerspruchs im Fall 142 veräußert G das Grundstück an den
gutgläubigen U.
Fall 144:
Der eingetragene Widerspruch im Fall 142 erweist sich später als unzutreffend; das
Testament war gefälscht.
186
Fall 145:
G und U haben im Fall 143 den Kaufvertrag notariell beurkundet, anschließend stellt
U den Antrag, ihn als Eigentümer einzutragen. Er hat das Grundbuch eingesehen,
dabei jedoch nicht feststellen können, daß die Eintragung des Widerspruchs von B
bereits beantragt, wenn auch noch nicht vollzogen war.
Eigentumserwerb des U?
8.4.2.
Grundbuchberichtigung, § 894 (Übersicht)
1. Anwendbarkeit: § 894 ist lex specialis zu § 1004 (Arg: § 898) und zu § 812 (str;
Arg: § 897)
2. Unrichtiges Grundbuch = Auseinanderfallen von formeller und materieller
Rechtslage
Merke:
2.1. nur dingliche Rechtslage prüfen; schuldrechtliche Ansprüche gegebenenfalls
über § 986 analog (unten 5.1.)
2.2. für § 894 ist absolute Unrichtigkeit erforderlich; bei §§ 888, 883 II genügt relative Unwirksamkeit
3. Aktivlegitimation: Träger des materiellen Rechts
4. Passivlegitimation: Buchberechtigter
5. Einwände: (vgl. Medicus Rn 454)
5
Die folgenden Fälle sind entnommen aus Gerhardt, Immobiliarsachenrecht, Fälle 31-35.
187
5.1. Gemäß § 986 analog, wenn Buchberechtigter schuldrechtlichen Anspruch auf
formelle Rechtslage hat (z.B. aus § 433 I). Merke: Wegen der Ähnlichkeit von §
985 (Anspruch auf Herausgabe des Besitzes) und § 894 (Herausgabe des „Buchbesitzes“) sind §§ 986 und 987 ff. analog anwendbar
5.2. § 273 oder § 1000 iVm §§ 994 ff. analog, wenn Buchbesitzer Verwendungen
getätigt hat
6. Rechtsfolge:
-
Zustimmung zur Grundbuchberichtigung (d.h. Anspruch auf Abgabe der Bewilligung iSv § 19 GBO)
-
Zwangsvollstreckung erfolgt gemäß § 894 ZPO (Fiktion der Willenserklärung)