Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) – nur Feuerwehr der

Transcrição

Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) – nur Feuerwehr der
Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD)
– nur Feuerwehr der Jugendhilfe?
Werkstattberichte – ein Streifzug durch die rheinische Realität
Liest man das „Profil für einen kommunalen Sozialdienst“ vom Deutschen
Verein (2001) oder die Tagungsdokumentation der AGJ „Aktuelle Anforderungen an einen Allgemeinen sozialen
Dienst“ (2003) fühle ich mich geradezu in meine Schulzeit in Köln versetzt, wo zum Höhepunkt des Baus der
„Unterpflasterbahn“ riesige Erdlöcher
mit informativen Schildern das Straßenbild ausmachten mit dem Hinweis
„Hier baut der Oberstadtdirektor der
Stadt Köln die U-Bahn“.
Die U-Bahn ist, wenn nun auch nicht
so wie ursprünglich geplant, aber
immerhin, weitestgehend fertig.
Verlässt man das Bild und blickt
wieder auf den ASD, erscheinen mir
die Baustellen wieder allgegenwärtig.
Das ist in Köln nicht anders als in weiten Teilen unserer Republik. Überall
wird, nicht zuletzt auch wegen des
enormen Kostendrucks auf die Kommunen, über einen „modernen ASD“
nachgedacht. Kein ASD ist dementsprechend verschont geblieben,
überall wird heftig umgebaut.
Nun sei es drum, man kann sich
auch auf das Ergebnis freuen und wie
heißt es immer so schön, wenn die
nächste Baumaßnahme ins Haus steht.
„Es muss zuerst einmal schlechter werden, bevor alles besser wird“.
Anlass genug, eine Ausgabe des Jugendhilfereports dem ASD zu widmen.
Dies soll nicht in Form des großen Entwurfs geschehen, wo sich zum Schluss
die Frage stellt, wer diesen denn in
die Realität umsetzen soll. Dieser große Entwurf hat darüber hinaus den
Nachteil, dass er die Gegebenheiten
in den Kommunen außer Acht lässt und
die Aussage fördert, das dies doch bitte nicht für die Rübenlandschaft um
Rommerskirchen wie für den Großstadtdschungel von Essen Geltung haben soll.
Vielmehr bieten wir einen Streifzug
durch das Rheinland in Form von
„Werkstattberichten“ an, der gleichzeitig ein Blick auf die bunte Palette
der Wirklichkeit in den ASD`s wirft.
4
Diese zeigen gleichzeitig das große
Potential, den ASD zu einem dienstleistungsorientierten und bürgernahen
Angebot zu organisieren. Um wieder
im Bild zu bleiben: Irgendwann sind
in den Rathäusern oder Stadtteilbüros
die Baustellen verschwunden und der
ASD ist das, was man sich in den beiden oben genannten Publikationen
erträumt.
Der Bürger erreicht seinen ASD
wohnortnah oder in ein oder zwei Stationen mit der Unterpflasterbahn, die
mittlerweile allerdings auch wieder an
ihre Grenzen geraten ist und so modern nicht mehr dasteht, wie sie einmal
zu ihrer Eröffnung gefeiert wurde…
Bilder sind doch immer wieder verlockend. Das Titelbild dieser Ausgabe
des Jugendhilfereports ist da keine
Ausnahme. Der ASD als Feuerwehr,
stets wachsam und zum Einsatz bereit
aber auch immer dann erst zur Stelle,
wo es schon brennt und es gilt, noch
mehr Schaden abzuwenden. Ehrlich
gesagt ein überholtes Bild. Aber so
ist es dann auch, von lieb gewonnenen Bildern oder von jahrelangen Zuschreibungen nimmt man nur sehr
mühsam Abschied. So sollte man uns
nachsehen, dieses traditionelle Bild
gewählt zu haben, entspricht es doch
in vielen Fällen noch der heutigen Realität.
So setzt die Feuerwehr heute auf ein
ausgewogenes Konzept zwischen
Brandverhütung mit der entsprechenden Aufklärung bzw. gesetzlichen Vorgaben (z.B. im Bausektor) und modernstem Gerät zur Brandbekämpfung,
wenn es denn nun doch passiert ist.
Und gilt dies nicht gleichzeitig für
den ASD? Im Spannungsfeld zwischen
Dienstleistung und staatlichem Wächteramt, mit dem Kostendruck in Hinblick auf die Erbringung und Bewilligung sozialer Dienstleistungen und der
Notwendigkeit konzeptioneller und
struktureller Weiterentwicklung von
kooperativen Strukturen sowie einer
qualifizierten Hilfeplanung, liegt eine
Aufgabe von nicht geringer Dimensi-
on vor. Diese Schlagworte sind allbekannt genau so wie die Begriffe der
„Neuen Steuerung“, des „Sozialraumbezugs“, der „Budgetierung“, die Notwendigkeit „qualifizierter sozialpädagogischer Diagnose“ wie auch der
„strategischen Ziele“. Aber wie sieht
dies denn in der Praxis aus?
Um dieser Frage nachzukommen
stellen wir im Folgenden vier „Werkstattberichte“ vor um ASD’s zu präsentieren, die sich auf den Weg
gemacht haben. Dies sind keine Königswege, sondern sehr individuell
austarierte Konzepte, die wiederum
„passgenau“ dort ansetzen, wo sich in
den Kommunen Möglichkeiten der Veränderung anbieten. Dass immer Menschen dahinter stehen, die dies auch
wollen und können ist selbstredend.
Wir beabsichtigen, diese Werkstattberichte in den nächsten Ausgaben
des Jugendhilfereports fortzusetzen,
um so die Möglichkeiten dieser Fachschrift zu nutzen, Erfahrungen weiterzugeben und so für andere nutzbar
zu machen.
Dies wollen wir auf dem Hintergrund der festen Überzeugung tun,
dass sich der ASD in Hinblick auf seine
fachliche wie auch finanzielle Steuerungsaufgabe zunehmend profilieren
muss und es dazu in naher Zukunft
vermehrter Bemühungen bedarf, um
die Rolle der aktiven und zentralen
Steuerungsfunktion aufrecht zu erhalten.
So wünsche ich Ihnen viel Spaß beim
Lesen der vier Werkstattberichte. In
Hinblick auf die Ausgestaltung kooperativer Strukturen wie auf die Qualifizierung der Hilfeplanung sollten sie
insbesondere Acht geben. Dabei wird
in allen Berichten eine Idee deutlich,
wie ein „moderner“ ASD gestaltet sein
kann, um die zukünftig immer wichtiger werdenden zentralen Steuerungsfunktionen zu erfüllen.
Klaus Nörtershäuser,
Landesjugendamt Rheinland,
[email protected]
4/03
Konsolidierung und Senkung der Heimkosten
Ein Projekt der Abteilung Jugend & Familie des Kreises Euskirchen
Im Jahre 2001 wurde aufgrund der
Kostenentwicklung in der Heimerziehung seitens der Abteilung Jugend und
Familie ein Projekt zur Steuerung der
stationären Hilfen gem. § 34 KJHG entwickelt. Die Analyse der Fallentwicklung des Jahres 2000 hatte u.a. ergeben, dass es neben der hohen Gesamtzahl eine hohe Anzahl von kurzzeitigen
Unterbringungen im Heim sowie eine
hohe Anzahl von Inobhutnahmen im
Heim gegeben hatte, die zu einer Hilfe gem. § 34 KJHG (Heimerziehung)
geführt hatten. Daneben wurde mit
Sorge der relativ starke Anteil von Volljährigen (Hilfe gem. § 41 KJHG) im
vollstationären Bereich beobachtet.
Neben den bereits laufenden oder
abgeschlossenen Entwicklungsprozessen wie Leitbilderstellung, Teamarbeit,
Erarbeitung von Ablaufstandards,
Schaffung von aussagekräftigen Controllingstrukturen in der Zusammenarbeit von ASD, wirtschaftlicher Jugendhilfe und Jugendhilfeplanung,
hatte das Projekt folgende zentrale
Zielrichtungen:
– Die Passung der stationären Hilfe
(Unterbringungsform, Auswahl der
Einrichtung, Hilfeplanung) bei Beginn eines Heimfalles sollte genau
geprüft werden. Dazu wurde verabredet, dass der/die Teamkoordinator/in bei folgenden Arbeitsschritten verbindlich mitwirken soll:
– Psycho-soziale Diagnose
– Auswahl der geeigneten Einrichtung und
– Aufstellung des Hilfeplanes
– Der Verlauf einiger Fallgruppen stationärer Jugendhilfe soll verbindlich
zwischen Teamkoordinator/in und
dem/der Mitarbeiter/in des ASD
abgestimmt werden. Dies betraf
folgende Fallgruppen:
– Heimfälle von Kindern unter
10 Jahren
– Heimfälle von Kindern und
Jugendlichen, die länger als
3 Jahre im Heim sind
– Heimfälle von jungen Volljährigen
– Heimfälle, die über 130 €
am Tag kosten (über 150 € Einbeziehung des Abteilungsleiters)
4/03
– Die Beurteilung einer Kindeswohlgefährdung, aus der eine Inobhutnahme resultieren kann, ist verbindlich
im „4-Augen-Prinzip“ vorzunehmen,
wenn möglich zusammen mit dem/
der Teamkoordinator/in. Jede Inobhutnahme ist mit dem/der Teamkoordinator/in abzustimmen.
lediglich zu einer Verlagerung der
Kosten führen.
– Die Teamkoordinatoren/in erhalten
neben der Freistellung für ASD-Leitungsaufgaben eine zusätzliche Freistellung für die Dauer von 2 Jahren,
diese werden durch zusätzliche 1,5
Stellen kompensiert.
Das Projekt wurde zum 01.01.2002
mit einer Planungsphase von 3 Monaten begonnen. Ab 01.04.2002 begann
die konzeptionell verabredete Projektarbeit. Dabei wurden folgende Rahmenbedingungen und Indikatoren verabredet:
– Das Rechnungsergebnis 2001 der
stationären Hilfen für Minderjährige und Volljährige soll konsolidiert
bzw. gesenkt werden, dies sowohl
im Gesamtergebnis als auch im Ergebnis der Belegtage in Relation zum
Anteil der Bevölkerung (Hilfen für
Minderjährige: Altersgruppe 0-18
Jahre, Hilfen für Volljährige: Altersgruppe 18-21 Jahre).
– Andere, ergänzende Hilfearten wie
z.B. Vollzeitpflege oder ambulante
Hilfen werden zwar steigende
Kosten verursachen, dieser Anstieg soll aber nicht zu einer
Steigerung des Gesamtbudgets
der erzieherischen Hilfen gegenüber 2001 und somit
Nachdem nun das Rechnungsergebnis sowie die Analyse der Hilfen zur
Erziehung vorliegen, ergibt sich folgendes Bild in Bezug auf die Auswertung des Projektes zur Konsolidierung
bzw. Senkung der Heimkosten: (siehe
Tabelle 1)
Die vom Jugendamt eingekauften
Hilfetage im Bereich der Hilfen nach
§ 34 (Heim und Betreutes Wohnen zusammen) sind um 11 % gesunken,
dem steht ein minimaler Rückgang der
Einwohner von 0-18 Jahren von
1,59 % gegenüber. In der Binnen-Differenzierung zwischen Hilfen im Heim
und im Betreuten Wohnen ist ein Anstieg im Bereich des Betreuten Wohnens für Minderjährige zu bemerken,
der auf eine vermehrte Vermittlung in
Betreute Wohnformen als Alternative zur Heimerziehung hindeutet.
Feuerwehr: Brandverhütung
und Brandbekämpfung
5
Hilfen gem. § 34 KJHG
(Heimerziehung, Sonstige Betreute Wohnform Minderjähriger)
2001
2002
Änderung Total Änderung in %
60790
54058
-6732
-11,07
Bevölkerung < 18 Jahre 39942
39307
-635
-1,59
Belegtage
Jahresergebnis Heim
7.158.409,68 € 6.317.749,81 € -840.659,87 € -11,74
Jahresergebnis Betr.
Wohnen
290.723,27 €
Kosten insgesamt
7.449.132,95 € 6.640.378,48 € -808.754,47 € -10,86
Kosten pro Belegtag
122,54 €
122,84 €
0,30
0,24
Kosten pro
Jugendeinwohner
186,50 €
168,94 €
-17,56
-9,42
Belegtage pro
Jugendeinwohner
1,52
1,38
-0,15
-9,64
322.628,67 €
31.905,40 €
10,97
(Tabelle 1)
Hilfen gem. § 41 KJHG (Heimerziehung)
2001
2002
Änderung Total Änderung in %
Belegtage
5768
3449
-2319
-40,20
Bevölkerung
18 bis 21 Jahre
6464
6368
-96
-1,49
Ergebnis Jahresrechung
674.980,77 € 414.883,51 € -260.097,26 € -38,53
Heim
Kosten pro Belegtag
117,02 €
120,29 €
3,27
2,79
Kosten
pro Einwohner 18-21
104,42 €
65,15 €
-39,27
-37,61
Belegtage
pro Einwohner 18-21
0,89
0,54
-0,35
-39,30
(Tabelle 2)
Durch die Reduzierung der Gesamtausgaben um 10,86 % (-808.754,47
€) erklärt sich somit auch die Reduzierung der Kosten pro Jugendeinwohner.
Zur positiven Entwicklung in diesem
Bereich hat auch beigetragen, dass die
vorrangige Verpflichtung anderer Leistungsträger (insbesondere überörtli-
cher Sozialhilfeträger und Versorgungsamt) verstärkt in Anspruch genommen
wurde.
Die minimale Steigerung der Kosten pro Belegtag um 0,24 % ist durch
die allgemeine Preissteigerung in den
Pflegesätzen zu erklären und hat im
Gesamtbild eine geringe Relevanz (siehe Tabelle 2).
Hilfen gem. § 41 KJHG (Betreutes Wohnen)
2001
2002
Änderung Total Änderung in %
Belegtage
7180
8242
1062
14,79
Bevölkerung
18 bis 21 Jahre
6464
6368
-96
-1,49
Jahresergebnis
Betr. Wohnen
546.254,70 € 433.436,01 € -112.818,69 € -20,65
Kosten pro Belegtag
76,08 €
52,59 €
-23,49
-30,88
Kosten
pro Einwohner 18-21 84,51 €
68,06 €
-16,44
-19,46
Belegtage
pro Einwohner 18-21 1,11
1,29
0,18
16,52
(Tabelle 3)
6
In diesem Teilbereich der Jugendhilfe (Volljährige im Heim) ist der
stärkste Rückgang der Belegtage um
40 % zu verzeichnen. Der Rückgang
der Einwohnerzahl ist mit 1,45 % minimal. Auch hier reduzieren sich die
Gesamtausgaben um 38,5 Prozent
(-260.097,26 €), sodass der Rückgang
der Kosten und Belegtage pro Einwohner der Gruppe 18-21 Jahre erklärbar
ist. Die Steigerung der Kosten pro Belegtag um 2,79 % ist wohl größtenteils durch die Preissteigerung erklärbar, deutet aber andererseits auch
darauf hin, dass die trotz intensiver
Prüfung im Heim verbleibenden jungen Volljährigen in tendenziell intensiveren Gruppenstrukturen untergebracht sein müssen (siehe Tabelle 3).
Die Auswertung der Hilfen für junge Volljährige im Betreuten Wohnen
zeigt zunächst einen Anstieg der
Belegtage um 14,79 %, die mit dem
starken Rückgang der Belegtage von
jungen Volljährigen im Heim korrespondiert und zugleich eine Steigerung
der Belegtage pro Einwohner zwischen
18 Jahren und 21 Jahren verursacht
(16,22 %). Interessant und bemerkenswert ist jedoch, dass trotzdem im Gesamtergebnis ein Rückgang der Kosten um 20,65 % (-112.818,69 €) und
daraus folgend auch der Belegtagkosten sowie der Kosten pro Einwohner
zwischen 18 und 21 Jahren zu verzeichnen ist.
Aus fachlicher Sicht ist hier deutlich zu erkennen, dass verstärkt auf
eine differenzierte Hilfegewährung
(Steuerung durch Festlegung von Betreuungsumfang / Fachleistungsstunden) hingewirkt wurde (siehe Tabelle 4).
Der Anstieg der Kosten in den Bereichen „Flexible Erziehungshilfe“ um
55,74 % (+408.153,61 €) sowie der
Vollzeitpflege (Minderjährige 18,14 %
[+ 207.411,88 €], Volljährige 6,62 %
[+7.976,06 €]) ist deutlich. Dabei sei
darauf hingewiesen, dass sich sowohl
der verstärkte personelle und strukturelle Ausbau im Bereich Vollzeitpflege
(Koordination, Hilfen für Pflegeeltern
auf Fachleistungsbasis, gezielte Schulung von Pflegeeltern) als auch der
massive Ausbau und Umstrukturierung
der ambulanten Erziehungshilfen (Flexibilisierung, Umstellung auf Fachleistungsstundenbasis, Hilfen durch intensive Ambulanzen) mit den Rückgängen
4/03
Entwicklung anderer Hilfearten
Flexible
Erziehungshilfen 2001
2002
Änderung Total Änderung in %
Ergebnis
Jahresrechnung 732.245,97 €
1.140.399,58 €
408.153,61 € 55,74
Ergebnis
Jahresrechnung 1.143.222,85 € 1.350.634,73 €
207.411,88 € 18,14
Vollzeitpflege
Minderjähriger
Vollzeitpflege
Volljähriger
Ergebnis
Jahresrechnung 120.442,60 €
128.418,66 €
7.976,06 €
6,62
Gesamtsumme* 10.666.279,84 € 10.108.150,97 € -558.128,87 € -5,23
* (Heimerziehung, Betreutes Wohnen, Vollzeitpflege, Flexible Erziehungshilfe)
in den stationären Erziehungshilfen gegenseitig bedingen.
Das Projekt war erfolgreich
Der Hilfeansatz im Familiensystem, den
die flexiblen Hilfen bieten, ist mit der
Hoffnung verbunden, die Fremderziehung in Form von Heimerziehung nicht
als grundsätzlichen Lösungsweg zu tradieren.
Die Gesamtbilanz von einem Rückgang
um 5,23 % (-558.128,87 €) in den erzieherischen Hilfen stellt den Erfolg des
Projektes deutlich dar. Auf der Grundlage bereits erfolgreich umgesetzter
Organisationsentwicklung und Veränderungen und Ausbau vorhandener
Angebote (Vollzeitpflege, Flexible Erziehungshilfen) konnte es durch den
gezielten Einsatz von personeller Ressource bei Arbeitsschritten von zentraler Bedeutung gelingen, Jugendhilfeleistungen verstärkt so zu steuern, dass
eine qualitativ hochwertige Hilfe für
die Leistungsberechtigten erhalten
bleibt, obwohl die Gesamtaufwendungen gesenkt werden konnten.
Durch die hohe Bereitschaft der
Mitarbeiter/innen des ASD, an der
Projektarbeit konstruktiv mitzuwirken,
sind die gezeigten Erfolge möglich
gewesen. Dies, obwohl die Veränderung der Teamkonzeption vermehrt zu
organisatorisch und inhaltlich schwieriger Zusammenarbeit zwischen den
einzelnen Mitarbeiter/innen und dem/
der Teamkoordinator/in zwang. Dabei
hat es sich bewährt, gemeinsam „Vor
Ort“ zusammen zu arbeiten.
Die Begleitung durch den/die Teamkoordinator/in bei Konflikten der ASD-
4/03
(Tabelle 4)
Mitarbeiter/ innen mit Mitarbeiter/innen
von Einrichtungen sowie bei Kriseninterventionen wurde gerne angenommen.
Neben den Daten, die das Finanzcontrolling bietet, gibt es noch andere Hinweise auf den Erfolg des Projektes:
– Die Anzahl der Unterbringungen von
einer Dauer von unter 1 Jahr entwickelte sich von 43,46 % im Jahre 2001
auf 36,57 % im Jahre 2002
– Der Anteil der Kinder unter 10 Jahre in
der Heimerziehung entwickelte sich
von 24 am Stichtag 31.12.2001 auf 18
am Stichtag 31.12.2002
– Die Belegtage durch Inobhutnahme im
Hermann-Josef-Haus, Kall-Urft, sanken
von 876 im Jahre 2001 auf 674 im Zeitraum 12/01 bis 12/02, obwohl im gleichen Zeitraum die Fallzahl von 37 auf
57 anstieg. Es ist davon auszugehen,
dass somit die Anzahl der Inobhutnah-
men im Heim weniger zu steuern
ist als deren Verweildauer (Durchschnitt 2001=23,7 Tage/Fall,
Durchschnitt 12/01-12/02=11,82
Tage/Fall). Die Anzahl der Inobhutnahmen insgesamt (also auch
in einer Pflegefamilie) stieg von
53 in 2001 auf 86 in 2002
– Der Rückgang im Bereich der
Heimerziehung ist entgegen dem
Bundes- und Landestrend
Aufgrund der Erfolge des Projektes ist die zeitliche Befristung aufgehoben und der verstärkte Einsatz
der Teamkoordinatoren/innen an
den Schlüsselprozessen im ASD in
die Stellenbeschreibung aufgenommen worden.
Aus fachlicher Sicht ist nicht damit zu rechnen, dass ähnliche Entwicklungen wie in den hier gezeigten Dimensionen in den Folgejahren
zu verzeichnen sind.
Perspektivisch wird neben dem
Augenmerk auf eine Konsolidierung
im Bereich der stationären Hilfen die
Verlagerung von Jugendhilfekosten
vom stationären in den ambulanten
Bereich einer Aufgabenkritik unterworfen. Dementsprechende differenzierte Controllingstrukturen, die
aufgrund der – auch gewünschten
– Flexibilität nicht einfach zu schaffen sind, werden aufgebaut (u.a. in
einem Projekt mit der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung,
Köln).
Rudi Dick, Leiter der Abt. Jugend &
Familie des Kreises Euskirchen,
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7
Der Kommunale Sozialdienst in
der Kreisstadt Mettmann
Im Jahre 1995 machten sich Fachkräfte des Jugendamtes und des Sozialamtes der Stadt Mettmann auf den Weg,
aus den bislang getrennten sozialen
Diensten nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) und dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) einen Kommunalen Sozialen Dienst zu entwickeln.
Eine erste inhaltliche Orientierung boten die Prämissen des KJHG und des
8. Jugendberichtes:
– Lebensweltorientierung
– Hilfen aus einer Hand
– Vernetzung
– Hilfe zur Selbsthilfe
– Bürgernähe
Die Veranlassung, diese Zielsetzungen der Jugendhilfe mit den Aufgaben der Sozialhilfe zusammenzuführen,
gründete in der Tatsache, dass die o.g.
Prämissen ebenso in den Leitlinien der
Sozialhilfe verankert sind.
Die zu entwickelnde ganzheitliche
Bezirkssozialarbeit wurde und wird
verstanden als eine sich auf Einzelne
und deren Lebensumfeld beziehende
soziale Arbeit, der die Annahme einer
dialektischen Beziehung bei dem Zustande kommen individueller Problemlagen zugrunde liegt. Haltungen und
Verhaltensstrategien werden im Wesentlichen gesehen als Antwort- und
Ausdrucksformen auf soziale Lebensbedingungen.
Wohin geht die Fahrt des ASD?
8
Der Kommunale Sozialdienst (KSD)
in Mettmann ist heute als Träger der
Hilfen nach den §§ 16 ff. und §§ 27 ff.
KJHG und den persönlichen Hilfen
nach BSHG (in teamorientierter Kooperation mit dem Fallmanagement
und der sichernden Hilfe nach BSHG)
gemeinsam mit den materiellen Hilfen
BSHG/KJHG integrierter Bestandteil
einer Abteilung „Sozialagentur“ im
Fachbereich Jugend und Soziales“.
Charakteristisch für den heutigen
Kommunalen Sozialen Dienst sind:
Lebensweltbezug und
Systemorientierung:
Die Bezirkssozialarbeit im Kommunalen Sozialdienst nimmt aufgrund der
Querschnittsaufgaben innerhalb der
Verwaltung eine Sonderstellung ein.
Soziale Arbeit setzt an den Lebenszusammenhängen der Menschen an.
Dieser systemische Ansatz ist als Handlungsmodell sozialer Arbeit (in Fall und
Feld) besonders gut geeignet. Ganzheitliche Hilfe heißt hier Koordinierung
und Kooperation im Rahmen von umfassender Hilfeplanung, Hilfeleistung
und Prozesssteuerung. Der /die Bezirkssozialarbeiter/in ist ManagerIn sowohl in der Fallarbeit als auch immer
stärker in der Feldarbeit. Lebensweltorientierung beeinhaltet zielgruppenübergreifende Ansätze, Ressourcen der
Lebenswelt vernetzen und nutzen. Die
Ressourcenorientierung -- bezogen auf
Individuen, Systeme und Strukturen -muss die Defizitorientierung ersetzen.
Ausgehend von der Frage: „Was
will der Bürger und was kann er selbst
dazu beitragen?“, müssen sich die
Fachkräfte in den Lebenswelten auskennen (Stichwort: „Aufsuchende Arbeit“), um diese für die Menschen
nutzbar zu machen. Hierbei ist es von
Bedeutung, nicht unreflektiert davon
auszugehen, was man selbst meint,
was der Mensch braucht. Vielmehr ist
wichtig, was der Mensch selbst will
und kann. Soweit Nachteile und Gefährdungen für Betroffene oder Schutzbefohlene entstehen oder zu erwarten
sind, kann dies auch ein „sich einmischen“ (Garantenstellung) beinhalten.
Zusammenfassend bedeutet dies
eine Klarstellung der Tatsache, dass
sich die wichtigen Lebenszusammenhänge nicht in der Verwaltung abspielen oder darstellen, sondern dass eine
qualifizierte Bezirkssozialarbeit mit den
Instrumenten Beratung im Rahmen
von Hausbesuchen („Auswärtsspiel !!“),
Kriseninterventionen u.v.m. besondere Merkmale der aufsuchenden Arbeit
darstellen.
Dienstleistungsorientierung und
Planungsbeteiligung
Fachkräfte in der Bezirksozialarbeit
sind Erbringer sozialer Dienstleistungen. Gesetze, Verordnungen usw. setzen Standards für die sozialen Dienstleistungen und sind danach zu
bewerten und einzusetzen, welche Ressourcen sie zur Verfügung stellen und
welche Korridore für Qualitätskriterien sie eröffnen.
Die Kenntnisse über soziale Strukturen und Lebensräume erschließen
den Fachkräften des KSD Möglichkeiten, bei einer umfassenden Planung der
Angebotstrukturen mitzuwirken.
Teamarbeit
Teamarbeit wird eingesetzt als entscheidungsqualifizierendes und ergebnisorientiertes Instrumentarium. Als
grundlegendes und in der Verwaltung
instiutionalisiertes Arbeitsprinzip im
Rahmen des Kommunalen Sozialdienst
stellt die Teamarbeit ein Merkmal der
Prozess- und Ergebnisqualität dar.
In der Aufgabenerledigung ist sie
eine Methode zur Qualifizierung von
Entscheidung und wird inzwischen von
4/03
allen Fachkräften als gemeinsame
Qualitätsentwicklung verstanden und
gehandhabt.
Integrierte Fach- und
Ressourcenverantwortung
Die institutionalisierte Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung erhöht die Entscheidungskompetenz, aber auch die Möglichkeiten zu mehr Zielgenauigkeit und
Wirtschaftlichkeit. Gleichzeitig wird
das Kostenbewußtsein der Fachkräfte
gefördert.
Ausblick in die Zukunft
Die bisherigen Entwicklungen in Mettmann stellen wesentliche Schritte auf
dem Weg von einer nach Aufgaben
und Gesetzesgrundlagen organisierten
Sozialverwaltung als „Fachverwaltung“
hin zu einer an den Lebenszusammenhängen orientierten ganzheitlichen
„Sachverwaltung“ dar. Die Zusammenlegung mit den materiellen Sozialhilfen nach den Prinzipien der Teamarbeit stellen hier einen weiteren
wesentlich Schritt dar. In nächster Zukunft sind auf diesem konzeptionellen
und organisatorischen Fundament die
Leistungen für die Bürger weiter zu
optimieren und die Organisationskultur zu entwickeln.
Im Aufgabenfeld der Jugendhilfe im
Rahmen der AG 78 „Hilfe zur Erziehung“ gemeinsam mit den freien Trägern wird eine Abkehr von der Fallfinanzierung und die Entwicklung eines
budgetorientierten Modells für Mett-
mann angestrebt. Die Realisierung dieses Vorhabens wird im Feld der Jugendhilfe die Rolle des Kommunalen Sozialdienstes noch einmal nachhaltig
beeinflussen.
Die aktuelle Diskussion über die sog.
Hartz IV Reform und die Reform der
Sozialhilfe (SGB II und XII) haben
ebenfalls massive Auswirkung auf die
Rolle/Funktion Kommunaler Sozialer
Dienste.
Bedenklich erscheint mir, dass in
den vorliegenden Gesetzesentwürfen
alle sozialen Dienstleistungen nur noch
auf die Erreichung bzw. Verbesserung
von Erwerbsfähigkeit ausgerichtet
sind. Diese Zielrichtung und die beabsichtigten Kürzungen der Landesregierung NRW im Haushalt 2004/05,
werden die Landschaft der sozialen
Einrichtungen und Dienste erheblich
verändern. Dies hat nicht nur Auswirkung auf die Sozialhilfe, da viele der
bestehende Strukturen auch für die
Jugendhilfe relevant sind. Das in weiten Teilen abgesenkte Leistungsniveau
und der bekannte Zusammenhang
zwischen materieller Ausstattung und
Erscheinungsformen psycho-sozialer
Notlagen lässt befürchten, dass der
Kommunale Soziale Dienst mit steigenden Anforderungen konfrontiert wird.
Aufgrund der derzeitigen, sich ständig verändernden Informationslagen,
den politischen Mehrheitsverhältnissen
(Bundestag/Bundesrat) sowie der desolaten Lage der kommunalen Finanzen, ist hier schwer eine Prognose für
2004 und darüber hinaus zu erstellen.
Ziel für einen Kommunalen Sozialdienst
muss es im Interessen einer wohnortsnahen Versorgung aber sein, kommunale Strukturen und Systeme zu erhalten.
Wie immer die Organisation im Einzelnen zukünftig auch aussehen mag,
die Wahrnehmung der Aufgaben einer (beschriebenen) Bezirkssozialarbeit
muss fachlich unterstützt werden,
Handlungskompetenzen müssen auch
zukünftig organisatorisch abgesichert
sein. Bezirkssozialarbeit muss als ganzheitliches Handlungskonzept verstanden und professionell abgesichert werden.
Die besondere gesellschaftliche Verantwortung der bezirklichen sozialen
Arbeit im Kommunalen Sozialdienst in
Bezug auf:
– Garantenpflicht
– Steuerung von Leistungsgewährung
durch Recht und Geld
– seine spezielle Funktion zur Erhaltung des sozialen Friedens
– die Mitwirkung an einem abgestimmten, kommunalen sozialpolitischen Konzept
– die enge Verknüpfung mit weiteren
kommunalen Leistungs- und Planungsbereichen
erfordert auch zukünftig die Anbindung des Kommunalen Sozialdienstes
an den öffentlichen Träger.
Jürgen Termath,
Leiter der Sozialagentur, Fachbereich 5
„Jugend und Soziales“ in Mettmann,
[email protected]
ASD: Eine Momentaufnahme der aktuellen
Situation im Jugendamt Stolberg
Entwicklung von zukunftsorientierten Ideen, Perspektiven und Utopien
Stolberg ist eine mittelgroße Stadt mit
ca. 60.000 Einwohnern im Kreis Aachen.
Es besteht ein eigenes Jugendamt
mit den entsprechenden Abteilungen
sowie Fachdiensten.
Das Stadtgebiet Stolberg ist bezogen auf den Allgemeinen Sozialen
Dienst in 6 Bezirke aufgeteilt. Zum ASD
gibt es zusätzlich folgende Sonderdienste: Jugendgerichtshilfe, Pflegekinderdienst und Jugendberufshilfe. Die
Sozialarbeiter/innen des ASD sind in4/03
nerhalb des Rathauses untergebracht.
Jede/r Mitarbeiter/in hat ein eigenes
Büro. Die Sonderdienste befinden sich
außerhalb der Stadtverwaltung in
Außenstellen zentral in der Stadtmitte. Die Jugendberufshilfe unterhält
eine eigenständige Beratungsstelle. Es
bestehen folgende Planstellen: ASD 6,
Jugendgerichtshilfe 2, Jugendberufshilfe 2, Pflegekinderdienst 1.
Der Mitarbeiterkreis besteht aus 4
weiblichen und 7 männlichen Kollegen/
innen, die als Sozialarbeiter, Sozialpä-
dagoge oder Diplompädagoge ausgebildet sind. Einige Kollegen/innen haben Zusatzqualifikationen in systemischer Familienberatung, sozialer
Gruppenarbeit, Gesprächsführung
oder gestalttherapeutischer Beratung.
Zur Zeit absolvieren 2 Praktikanten ihr
Anerkennungsjahr im Bereich des ASD.
1. Der ASD in Stolberg
Die Mitarbeiter/innen des ASD üben
ihre Tätigkeit eigenverantwortlich aus.
Die komplexen und vielfältigen Auf-
9
gaben setzten eine breite, organisatorisch abgesicherte Handlungs- und
Entscheidungskompetenz voraus und
erfordern ein hohes Maß an Engagement und fachlicher Qualifikation.
Durch eine fachliche Qualifikation
ist es möglich, Methoden der sozialen
Arbeit umzusetzen. Bei der Unterstützung des Klientels finden diese Methoden in Form von Einzelfallhilfe, Familienfallhilfe, soz. Gruppenarbeit und
Gesprächsführung Anwendung.
Neben den pädagogischen Kenntnissen sind Verwaltungs- und Rechtskenntnisse ebenfalls erforderlich, somit beansprucht die alltägliche Arbeit
einen interdisziplinären Arbeitsansatz.
Die Komplexität der ASD-Arbeit
wird weiter deutlich in der Darstellung
der unterschiedlichen Rollenfunktionen eines Sozialarbeiters in Bezug auf
sein Klientel und dessen Wünschen. So
werden z.B. Rollen als Vater, Mutter,
Psychologe, Therapeut, Handwerker,
Gesprächspartner etc. erwartet.
Arbeit im Team und Teamberatung
ist ein wichtiger und notwendiger Bestandteil der ASD-Arbeit in Stolberg.
Seit ca. 6 Jahren bestehen regelmäßige Dienstbesprechungen unter Beteiligung der Fachdienste, seit ca. 2 Jahren finden diese im wöchentlichen
Rhythmus statt. Unsere Teamberatung
ist u.a. eine fallorientierte Hilfe für
den/die einzelne/n Kollege/in in Bezug
auf Entscheidungsfindungen.
Die ASD-Tätigkeit in Stolberg gestaltet sich bürgernah und bürgerorientiert. Es bestehen tägliche Öffnungszeiten sowie die Möglichkeit von
zusätzlichen Terminabsprachen. Täglich können Kollegen/innen in den Außendienst. Somit ist die Beratung, Betreuung und Versorgung des Klientels
zu jeder Zeit ebenfalls vor Ort möglich.
Bürgerfreundlichkeit spiegelt sich
auch in der Wartezone und der Einrichtung einer Kinderspielecke wieder.
Die Wartezone wurde durch ein Kunstobjekt kreativ umgestaltet und somit
angenehmer hergerichtet. Eventuelle
Wartezeiten können durch ausgelegte Zeitschriften überbrückt werden.
Unser ansprechendes, neu eingerichtetes Besprechungszimmer im Jugendamt schafft eine angenehme Arbeitsatmosphäre für das Klientel und
die ASD Mitarbeiter.
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2. Es gibt Leitideen
Der ASD ist interessiert Aufklärungsund Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.
Dies geschieht auf 2 Ebenen. Zum Einen werden Betroffene über die Möglichkeiten des Hilfeangebotes lt. SGB
VIII informiert und beraten. Zum Anderen wird themen- und institutionsübergreifend die Zusammenarbeit mit
anderen Fachdiensten (z.B. SPZ, Früherkennungszentren, Beratungsstellen
etc.), Trägern der freien Wohlfahrtsverbände und Schulen praktiziert. Ein
weiterer wichtiger Bestandteil der kommunalen sozialen Arbeit ist die Entwicklung und Planung verschiedener Projekte (so z.B. Projekt Kindeswohl
Stolberg). Dies ist ein Arbeitskreis, der
mit Unterstützung und Beratung
durch Mitarbeiter des LVR Standards
der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Lernbehinderten-Schule sowie der Schule für Erziehungshilfe entwickelt. Gerade die Zusammenarbeit
zwischen den Systemen Jugendhilfe
und Schule als auch Kindertagesstätten wird mit großem Engagement auf
regionaler Ebene betrieben.
ASD-intern besteht die Möglichkeit
der Reflexion und des Erfahrungsaustausches der alltäglichen Arbeit im
kollegialen Kontext. Gemeinsame Fallbesprechungen bezüglich der Entscheidungsfindung bei HZE-Maßnahmen, hierzu Planung, Strukturierung
und Durchführung sind fester Bestandteil der gegenseitigen Unterstützung.
Motto: You never work alone.
3. Wie könnte ein ASD-Team
effektiver arbeiten?
Zukunftsperspektiven und
Utopien
Im November 2002 fand mit den pädagogischen Mitarbeitern des ASD
und der Sonderdienste eine Fachtagung mit dem Thema „Das Jugendamt
2006“ statt. Wie schon aus dem Titel
der Veranstaltung deutlich wird, waren Utopien und konkrete Zukunftsphantasien ausdrücklich erwünscht.
Das Jugendamt 2006 gestaltet seine Arbeit deshalb effektiver, weil jeder Mitarbeiter/in einen hohen Grad
der Autonomie, der Selbstbestimmung, der Eigenverantwortlichkeit
und der Kompetenz besitzt, selbständig entscheiden zu können. Diese Selbständigkeit hat zur Folge, dass Hilfe-
angebote schneller umgesetzt werden
können. Dadurch entsteht ein Zeitgewinn, der zur Verbesserung der sozialen Arbeit eingesetzt werden kann, so
z. B. in eine intensivere Beratung und
Betreuung von Familien oder in eine
ausführlichere Scheidungs- und Trennungsberatung. Darüber hinaus könnte die Palette der Hilfsangebote erweitert werden. Ein eigenes Budget für
das ASD-Team sichert die Finanzierung
der Maßnahmen.
Die hohe Kompetenz und Gleichwertigkeit der Mitarbeiter/innen führt
zu einem Abbau von Konkurrenz und
dadurch zu einer besseren Zusammenarbeit. Ängste und Aggressionen bestimmen nicht mehr den Arbeitsalltag.
Dies hat zur Folge, dass wertfrei im
Team gemeinsam Maßnahmen jeglicher Art entwickelt und geplant werden können.
Die gute Zusammenarbeit und das
gegenseitige Vertrauen ermöglicht
einen problemlosen Austausch von
langwierigen und kräftezehrenden
„Fällen“. Somit ermöglichen neue
Sichtweisen und Distanz neue Lösungsansätze. Aus Überlastung wird Entlastung und es entsteht ein umfangreicher Stressabbau.
Es besteht die Möglichkeit der regelmäßigen Fort- und Weiterbildung.
Zusatzausbildungen zur Unterstützung
der alltäglichen Arbeit sind durch
den Arbeitgeber ausgesprochen erwünscht. Die berufsbegleitende Supervision ist selbstverständlich und findet
wöchentlich statt. Somit ist auch bei
schwierigen Arbeitsereignissen eine
zeitnahe fachliche Begleitung möglich.
Eine Akzeptanz der sozialen Arbeit
des ASD durch die Verwaltung bzw.
den Kämmerer ist gewährleistet. Endlich ist das Jugendamt neben der Kämmerei eine gleichwertige Abteilung der
Kommunalverwaltung.
Eine Erhöhung der Fallzahlen führt
bedenkenlos zur sofortigen Neueinstellung eines/r Sozialarbeiters/in Sozialpädagogen/in.
Doch auch in der Bezahlung spiegelt sich ein anderes Verständnis der
kommunalen sozialen Arbeit. Die Planstellen im ASD sind mit BAT 4 a bzw.
A 11 bewertet.
Roland Herzig, Dieter Genreith,
Jugendamt Stolberg, Rathausstr. 11,
52222 Stolberg
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Der Allgemeine Soziale Dienst in Köln
Ein Werkstattbericht
Die folgende jugendamtsinterne Betrachtung ist ein Ausriss aus der gegenwärtigen Diskussion um Aufgabe
und Ausstattung des ASD in Köln.
Der Stand der Dinge I:
Die Ausschnitte
Einem außenstehenden Beobachter,
der auf verschiedenen Ebenen einen
Einblick über den ASD in Köln gewinnen wollte, könnten sich folgende Ausschnitte präsentieren:
In 2002 wurden die jugendamtsinternen Fortbildungsveranstaltungen im
Bereich Arbeitsorganisation, Methodenausbildung und Arbeitsverfahren
in der Sozialarbeit von über 200 Mitarbeiter/innen besucht. Die überwiegende Eigenbewertung zeigte, dass
sich für die Teilnehmer/innen die Veranstaltung gelohnt hat und einen Gewinn für die praktische Arbeit bedeutet.
Am 10.07.2003 treffen sich auf Einladung des Jugendamtsleiters über 100
Mitarbeiter/innen des ASD sowie die
entsprechenden Führungskräfte aus
den Bezirksjugendämtern um Verabredungen zu treffen, wie das gemeinsam verfasste Leitbild mit Leben gefüllt werden kann.
Der Mitarbeiter aus dem ASD Innenstadt führt ein turnusmäßiges Hilfeplanfortschreibungsgespräch, in
dem mit dem Familienmitglied und
der Fachkraft aus der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) der weitere Unterstützungsbedarf für die Familie besprochen wird. Dem SPFH-Einsatz
war ein Einsatz des Teams vom „Familienaktivierungsmanagement“ vorausgegangen, der eine drohende Fremdunterbringung der beiden Kinder von
Frau S. verhindern konnte.
„Na also, geht doch…!“, denkt sich
der imaginäre Beobachter.
Geht es wirklich, mit weniger Ressourcen steigende Problemlagen besser zu bearbeiten? Um diese Frage etwas näher betrachten zu können,
einige weitere Ausführungen:
Der Stand der Dinge II:
Der Rahmen
Der Allgemeine Soziale Dienst im Amt
für Kinder, Jugend und Familie der
4/03
Stadt Köln umfasst zurzeit 163 Stellen. Zusätzlich zum bestehenden Einstellungsstop in der gesamten Stadtverwaltung wurde in 2003 eine
Wiederbesetzungssperre verfügt . Im
ASD der Stadt Köln hat dies zur Konsequenz geführt, dass neben einer
durchschnittlichen chronischen Überalterung freie Stellen zurzeit nicht besetzt werden können.
Ein durch das städtische Organisationsamt durchgeführter Organisationsentwicklungsprozess führte zu dem
Ergebnis, dass dem städtischen ASD
zurzeit ca. 100 Stellen fehlen, um alle
gesetzlichen Aufgaben zufriedenstellend zu erledigen. In Anbetracht der
Haushaltssituation ist es jedoch dem
Jugendhilfedezernat nicht möglich,
auch nur eine einzige Stelle im ASD
zuzusetzen.
Die Konsequenz sind Überlastungsanzeigen auf der einen Seite sowie
überproportional steigende Fallzahlen
im Bereich der flexiblen Hilfe nach § 27
KJHG. Diese Hilfen sind mit Arbeitsaufträgen an den Leistungserbringer
verbunden, die als originäre Aufgabe
des ASD betrachtet werden können.
Der Stand der Dinge III:
Die Kosten
Die unverändert ansteigenden Kosten
im Bereich der Hilfen zur Erziehung
aufgrund steigender Fallkosten sowie
steigender Fallzahlen setzen den ASD
und mit ihm die anderen verantwortlichen Bereiche des Jugendamtes unter Druck.
Auch wenn beispielsweise Ergebnisse des Rahmenvertrages zu den Leistungsentgelten für den ASD nicht steuerbare Auswirkungen auf die Fallkosten
haben, gibt es andere Bereiche, wo
der/die ASD-Mitarbeiter/in Einfluss auf
die Kostenentwicklung nehmen kann.
Um hierzu eine Handlungsbasis zu
schaffen, entwickelt das Jugendamt
zurzeit eine Datenbank, die technikunterstützt eine Klientverwaltung, eine
Kostenerfassung sowie eine Angebotsverwaltung zulässt.
Großer Wert wird auf eine Datenlage gelegt, die auswertbare Aussagen
zu Wirkung und somit Erfolg bzw.
Misserfolg einer Hilfe zulässt. Bezirksspezifische sowie angebotsspezifische
Auswertungen mit diesem Focus werden Grundlage für eine einzelfallüber-
ASD unter Druck: Steigende Fallzahlen und Fallkosten
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greifende Steuerung sein. Da zurzeit
nur der Klienteingabeteil in der Anwendung ist, wird das Thema im ASD
insofern skeptisch beäugt, da es für
die einzelnen Mitarbeiter/in neben
zusätzlichem Erfassungsaufwand bisher
keinen Nutzen gebracht hat.
Die aktuelle Auswertung eines Modellprojektes zur sozialraumbezogenen
Zusammenarbeit zwischen ASD und
Angebotsträgern ergab für den Sozialraum einen stagnierenden Kostenrahmen im Feld der Hilfen zur Erziehung
- im Gegensatz zum gesamtstädtischen
Trend. Zurzeit wird politisch beraten,
diesen Arbeitsansatz auch in anderen
geeigneten Stadtgebieten von Köln
durchzuführen.
Die Diskussion wird gerade in diesen Stadtgebieten interessiert verfolgt,
hat doch die Initiierung des Modellprojektes für Aufbruchstimmung und
für fachliche Weiterentwicklung der
Zusammenarbeit zwischen den ASDFachkräften sowie den beteiligten Mitarbeiter/innen auf Trägerseite geführt.
Der Stand der Dinge IV:
Die Qualität
Parallel zum bereits erwähnten Organisationsentwicklungsprozess im ASD
sind unter Beteiligung aller relevanten
Hierarchieebenen Grundsatzthemen
des ASD bearbeitet worden, die zusammen als Rahmen für eine Strukturqualität des ASD betrachtet werden.
Hierzu zählt unter anderem:
– eine Ausarbeitung von durch den
ASD vorzunehmenden Handlungsschritten für alle relevanten Paragraphen des Ehegesetzes, BGB, SGB VIII
sowie BSHG;
– ein „Eckpunktepapier“ mit Aussagen zu den internen Standards bei
den Arbeitsbedingungen, der Mitarbeiterführung, Kultur und Ausgestaltung der Fallarbeiten;
– eine Leitbildbeschreibung des ASD,
die die Haltung und das Selbstverständnis des ASD beschreibt.
Im Fortbildungsprogramm des Jugendamtes der Stadt Köln findet seit
mehreren Jahren ein Konzentrationsprozess statt, der die flächendeckende Methodenfortbildung der Mitarbeiter/innen im ASD zum Ziel hat. Erweitert um die Erkenntnisse und Notwendigkeiten aus dem gemeinsam mit
dem Landesjugendamt sowie der Uni-
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versität Koblenz durchgeführten Modellprojekt „Was tun mit den schwierigen Kindern“ können Fortbildungsbausteine zu den Themen „Kollegiale
Fallberatung“ „Fallverständnis“ und
„Diagnoseverfahren“ in Anspruch genommen werden, deren erfolgreicher
Durchlauf zertifiziert wird.
Die Bewertung
Die ausgewogene Balance aus der Gewährleistungsträgerschaft für die Erfüllung des Rechtsanspruches auf eine
bedarfsgerechte Hilfe bei gleichzeitiger Leistungserbringung im Vorfeld
einer Verpflichtung von externen Leistungserbringern, die den ASD der
Stadt Köln lange Jahre geprägt hat,
ist aus dem Gleichgewicht geraten.
Gezwungen, den Gewährleistungspart
in allen Fällen abzudecken, muss immer
früher und immer häufiger eine externe Leistung eingekauft werden. Im Jugendamt Köln wird angenommen,
dass diese Verschiebung ein wesentlicher Erklärungsbaustein für den Kostenanstieg im Bereich der ambulanten
Hilfen zur Erziehung darstellt.
Ein Argument für den Erhalt des
Gleichgewichtes ist die These, dass nur
das Know-How in den eigenen Reihen
die Kompetenz erhält, um in Hilfeplangesprächen eine fundierte Selbsteinschätzung über Trägeraussagen bezüglich der Entwicklung eines Einzelfalles
und das weitere Vorgehen vornehmen
zu können.
Hierzu eine Erkenntnis aus einem
anderen Bereich: Eine Befragung von
360 Unternehmen im Maschinen- und
Fahrzeugbau durch die FrauenhoferGesellschaft brachte das Ergebnis, dass
Firmen, die aus Kostengründen Ingenieure entließen, ein Nachlassen von
Innovationsprozessen verzeichneten.
Damit verbundene Kosteneinsparungsziele konnten oft nicht erzielt werden,
vielmehr mussten Dienstleistungen
zugekauft werden.
Im Hinblick auf die aktuellen Ankündigungen auf Landesebene zu den
Kürzungsabsichten im Landesjugendplan sowie den strukurellen Finanzdefiziten auf kommunaler Ebene, ist für
die nächsten Jahre ein fortschreitender Prozess des Abbaus sozialer und
pädagogischer Dienste leicht prognostizierbar. Dies stellt den ASD als letztem Glied in der Kette stärker denn je
in den Focus der politischen und fachlichen Betrachtung.
Dementsprechend sind Grundbedingungen, Standarddefinitionen und
Konzeptbeschreibungen im und für
den ASD notwendig, die die Darstellung eines reflektierten und optimalen Handelns des ASD gegenüber Dritten ermöglichen. Das Jugendamt der
Stadt betrachtet sich mit dem ASD
hierbei auf einem gutem Weg.
Auf die Eingangsfrage bezogen,
gibt es insofern in der Tat ein verbessertes Potential zur Begegnung steigender Problemlagen – allerdings
kommt es durch die unzureichende
Personalausstattung nicht zum Zug.
Klüs Völlmecke, Abteilungsleiter
Pädagogische und Soziale Dienste im
Amt für Kinder, Jugend und Familie in
Köln, [email protected]
Qualifizierung durch Fortbildung
Foto: Jugendherberge Köln-Deutz, Seminartrakt
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