Meine Restaurants

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Meine Restaurants
Meine Restaurants
Nicht alle der zehn Lieblings-Kraftorte unseres
Kolumnisten befinden sich in der Schweiz.
Aber alle weisen einen (mehr oder weniger klaren) Schweiz-Bezug auf.
Von Mark van Huisseling
I
&wo,
Interessante Leute: Restaurant «Kaufleuten».
Old school: Garten der «Oberen Flühgasse».
4«.
.4
Wie ein Filmset: «China Tang» in London.
Haus aus Fenstern: Restaurant «Degenried».
Restaurant «Kaufleuten», Zürich
ben am einem Sonntagmittag, wenn, nebenbei,
Über fast nichts lässt sich so gut streiten wie wenig gute Restaurants in der Stadt geöffnet
über ein Lieblingsrestaurant. Vielleicht sonst sind: selbstgemachte Bouillon aus der Silbernoch über den Lieblingsfussballklub. Und wie
es Leute gibt, die immer den Verein mögen, der
gerade an der Tabellenspitze ist, gibt es auch
Fans des jeweils neusten Restaurants. Ich gehöre nicht dazu. Und gehe darum seit zwanzig
Jahren am liebsten ins «Kaufleuten». Weil ich
das Schnitzel, die Avocado mit Rüeblisalat und
Ingwer sowie den Rotwein Haut-Blanville aus
dem Languedoc mag. Und weil ich die Gewissheit habe, dass, falls gerade interessante Leute
aus dem Ausland unterwegs in Zürich sind, sie
im «Kaufleuten» am Nebentisch essen werden.
Pelikanplatz, Zürich, Telefon 044 225 33 33
schale, mit Flädli, danach gemischten Salat und
schliesslich Leberli mit Rösti, im Haus gemacht,
nicht bloss selbstgekauft bzw. die Packung auf-
gerissen. Im Sommer sitzt man draussen, im
Winter an dem Tisch mit Ofenbänkli.
Flühgasse 69, Zürich, Telefon 044 381 11 10
Restaurant «Degenried», Zürich
Man muss sich das vorstellen: Man fährt mit
dem Auto oder dem ÖV zum «Dolder Grand»Hotel, biegt dort ab in den Wald und nach fünf
Minuten kommt man auf eine Lichtung, auf der
sich ein Haus befindet, das fast nur aus Fenstern
besteht. Und bei dem es sich um ein Restaurant
handelt, das die meisten Leute nicht kennen
und das Schweizer Küche anbietet. Und zwar
sieben Tage die Woche. Ich empfehle HackEin Restaurant, wie es dies zwingend in braten. Und, für die, die zu Fuss gekommen
Zürich nicht geben kann. Zu gross, zu glanz- sind, ein Millefeuille. Diese sind, erstens, in
voll, zu weltstädtisch und zu preiswert kein Handarbeit hergestellt und, zweitens, so fein,
Restaurant «China Tang»
(im «Dorchester»-Hotel), London
Witz, obwohl an Londons feinster Adresse ge- dass oft keines mehr erhältlich ist, wenn man es
legen, kostet die feinste Pekingente ausser- bestellt. Darum rate ich, beim Reservierenlassen
halb Chinas, die ich kenne, umgerechnet und des Tischs (am Fenster, bitte) eine Option auf
für zwei Personen zirka wo Franken. Man be- den Bezug einer Cremeschnitte anzumelden.
tritt das im Sousparterre gelegene Lokal (muss Degenriedstrasse 135, Zürich, Telefon 044 381 51 80
so sein
oder gibt es Opiumhöhlen mit
Sonnenlicht?) durch die Bar, in der es aussieht, Restaurant «Hihi», Zürich
wie es wohl 1921 in Schanghai aussah. Und Einfacher lässt sich eine Diskussion kaum anist überrascht, dass man sich in einem reissen und als Sieger daraus hervorgehen, als
Restaurant und nicht auf einem Filmset befin- wenn man sagt, man fände, das beste Essen
det. Welcome to London für connoisseurs. Das Hotel
«Dorchester» und das «China Tang» nebenbei Zürichs gebe es im «Hihi». Wie schön, Goursind wohl auch so gut, weil der General Mana- mets, Gourmands und andere Ess- und Weinkenner dann ausführen zu hören, dass das ja
ger ein Schweizer ist.
wohl nicht sein könne, weil das «Mesa» oder
53 Park Lane, London, Telefon +44 207 629 99 88
«The Restaurant» im «Dolder» einen Haufen
Punkte im «Gault Millau» habe plus Sterne im
Restaurant «Obere Flühgasse», Zürich
Ich bin keiner, der findet, früher sei alles besser «Michelin» ... Stimmt alles. Doch ich mag nicht
gewesen. Ich finde, das meiste ist heute besser. gerne Taube oder Aal, und Lachs muss meinetAusnahme: Restaurants wie die «Obere Flüh- wegen nicht in Schaumform daherkommen.
gasse» gab es früher vermutlich viele. Und Über diese und andere (komische) Tiere müssen
heute gibt es, mit Sicherheit, nur noch wenige wir nicht reden, wenn es um die vegetarischen
solche Betriebe. Am leichtesten lässt die «Flüh- «Hiltl»-Restaurants geht. Worüber wir reden
gasse» sich folglich beschreiben mit dem Be- müssen, ist das unwahrscheinlich einfallsreiche
griff old school. Und am besten lässt sie sich erle- sowie reiche Angebot an Gerichten aus der gan-
zen Welt, die es im «Hiltl» jeden Tag gibt. Zu- Gstaad
dem in den allermeisten Fällen, finde ich, sind Was ist eigentlich eine Bar? Sprachlich besehen
eine Stange und, im übertragenen Sinn, ein
sie besser zubereitet als im Ursprungsland.
Sihlstrasse 28, Zürich, Telefon 044 227 70 00
Lokal, in das man geht, weil man annehmen
darf, dass man dort jemanden kennt (oder
Restaurant/Alphütte «Clavadatsch»,
Suvretta, St. Moritz
In der Gastronomie, sagt man, gebe es keine
Standortnachteile. Nur schlechte Betriebe.
eben gerade nicht) sowie möglicherweise jemanden kennenlernt. Und wo man Alkohol,
zogen auf die Alphütte «Clavadatsch» sonst
wäre ein Restaurant, das man zu Fuss in vierzig Minuten (ab St. Moritz Dorf) erreicht respektive auf Ski oder Snowboards nach einem
kleinen Umweg und dem Überwinden schneearmer Passagen, immer leer. Ist es aber nicht.
Wegen der Aussicht, der Bedienung, der Brat-
die Stange, die Theke, die es in der Halle des
«Palace» gibt, bestellt einen Gin Tonic (zum
Beispiel Tanqueray mit Fever Tree) und findet
heraus, wer da ist, wer kommt, wer geht sowie
was passiert.
wurstschnecke mit Ratatouille und Feigensenf und, und, und. Bevor ich es vergesse:
geöffnet wieder ab 18.Dezember 2014. Wer
nicht so lange warten will, kann die ganze
Restaurant «La Scala», Altstadt, Ibiza
idealerweise in seiner angenehmsten Darreichungsform, konsumiert. Wem das alles
Stimmt wahrscheinlich. Ganz sicher aber, be- zu kompliziert ist, der stellt sich einfach an
Hütte (inklusive Catering) mieten.
Palacestrasse 28, Gstaad, Telefon 033 748 50 00
Es steht vielleicht nicht zuoberst auf der
To-do-Liste vieler Touristen, in einem
Sommerresort bei tagsüber 35 und abends
25 Grad Rindsfilet essen zu gehen. Aber
Suvretta, St. Moritz. Infos über Hotel «Schweizerhof»,
Telefon 081 837 07 07
falls, dann gibt es wohl kein besseres Restau-
interessantesten, überflüssigsten Zeitschriften der Welt gibt. Und auch nicht wegen des
Cafds obwohl es dort die schönsten Mädchen/Kunststudentinnen/Künstlerinnen der
Stadt und also möglicherweise der Welt gibt.
keinen Grund, weshalb man als Schweizer,
wenn man nicht in der Schweiz ist, zu einem
rant dafür als das gutversteckte
unter
Coffee-Shop/Zeitungskiosk im Museum Bäumen und zwischen Häusern gelegene
Palais de Tokyo, Paris
«La Scala» in Dalt Vila, der Altstadt von
Man geht nicht ins Museum wegen des Zei- Ibiza. Der Wirt/Koch heisst Beda und ist
tungskiosks obwohl es dort die schönsten, Schweizer. Natürlich gibt es im Grunde
Schon klar. Aber wenn die Ausstellungen, die
Schweizer essen gehen sollte. Doch in diesem
Fall gibt einen: das Fleisch, das bei Beda auf
den Tisch beziehungsweise Teller kommt. Es
ist möglicherweise das beste der Insel. Und
gezeigt werden, grosser Mist sind in den am besten, wenn auch nicht am schweizeAugen des Betrachters (Thomas-Hirschhorn- rischsten zubereitet zudem.
Ausstellung «Flamme dternelle», ging am Carrer de sa Carossa 7, Ibiza, Telefon +34 971 30 03 83
23. Juni zu Ende) respektive zu klein (Hiroshi-Sugimoto-Ausstellung «Aujourd'hui, le Hügel/Aussichtspunkt hinter dem
monde est mort», bis 7. Sept.), dann ist es gut, Burghölzli, Zürich
ein gutes Cafd mit gutem Kaffee und einem Der erste Tipp, bei dem es sich, von mir aus
gesehen, wirklich um einen Kraftort handelt.
Nicht einfach zu finden, aber auch nicht sehr
13, Avenue du Präsident Wilson, Paris,
schwer (vom Restaurant auf dem BurghölzliTelefon +33 1 81 97 35 88
Gelände hundert Meter nach hinten und dann
Bar in der Halle des «Gstaad Palace»-Hotels, dem ansteigenden Weg in den kleinen Wald
folgen) sonst gäbe es keine Familiengrillstelle
guten Kiosk in nächster Nähe zu haben.
sowie kein Holzhaus, in dem wohl einmal Erfrischungen angeboten wurden. Man nimmt
Platz auf einer Bank, blickt über Riesbach, das
Zürichhorn und, natürlich, auf den Zürichsee.
Wer Gedichte schreiben oder sonst schöpferisch
tätig werden möchte, aber irgendwie nichts
aufs Papier respektive die Reihe bringt, sollte
hingehen und herausfinden, ob ihm der Ort
eine Eingebung verleiht. Falls nicht, wird es
wohl schwierig, das Vorhaben umzusetzen. o
Keine(komischen)
(komischen)Tiere:
Keine
Tiere: «Hiltl»-Restaurant.
i I rl >,Restaurant.
Palace».
Stange: Lobby im «Gstaad Palace»,
«Clavadatsch»-Hütte.
Ohne Standortnachteile: «Clavadatsch»-Hiitte.
Schweizer
das«La
«LaScala»
Scala»auf
aufIbIbiza..
Schwetze Wirt/Koch:
irt/Koch: das
i za.
/
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Zeitungskiosk: Museum
Museum Palais
Palais de
de Tokyo,
Tokyo,Paris.
Paris.
Zeitungskiosk;
Hügel mit Aussicht: im Zürcher Kreis 8.