shockheaded peter - Landesbühne Niedersachsen Nord

Transcrição

shockheaded peter - Landesbühne Niedersachsen Nord
SHOCKHEADED PETER
Junk-Oper von Julian Crouch und Phelim McDermott
Musik von Martyn Jacques
nach Motiven aus „Der Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann
Übersetzung von Andreas Marber
Presseinformation
SHOCKHEADED PETER
Junk-Oper von Julian Crouch und Phelim McDermott
Musik von Martyn Jacques / nach Motiven aus „Der
Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann
Vom Kinderzimmer auf die Bühne
Der Suppenkaspar verhungert, weil er das gute elterliche Mahl verschmäht, Paulinchen – schließlich wollte sie trotz Mahnung das Zündeln nicht lassen – verbrennt zu einem Häuflein Asche. Dem Daumenlutscher werden die Unglücksfinger buchstäblich kurzerhand amputiert und Hans landet zurecht einen Bauchklatscher, hat er doch die Nase zu weit oben getragen und nicht, wie anempfohlen,
den Blick tugend- und standhaft nach vorn gerichtet.
So ergeht es unartigen Kindern, die ihren Eltern nicht Folge leisten wollen.
Zumindest im wohl bekanntesten deutschen Erziehungsratgeber, dem „Struwwelpeter“. Auf dem Titel findet man den inhaltlichen Hinweis „lustige Geschichten und drollige Bilder“. Doch was sich hinter dem bunten Einband versteckt, hat
nicht viel mit kindlicher Heiterkeit zu tun. Die Geschichten im „Struwwelpeter“
sind brutal, bizarr, grausam, grotesk. Heute als Machwerk der Schwarzen Pädagogik verschrien, feierte „Der Struwwelpeter“ doch Jahre lang einen Erfolgszug
durch die guten deutschen Stuben.
Dabei war das, was Dr. Heinrich Hoffmann da zu Papier gebracht hatte, eigentlich
nur für den familieninternen Gebrauch bestimmt. Als der Frankfurter Nervenund Kinderarzt 1844 auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk für seinen
dreijährigen Sohn Carl-Philipp war, fand er in den Buchläden nach eigenen
Angaben nur „lange E
­ rzählungen oder alberne Bildersammlungen, moralische
Geschichten, die mit ermahnenden Vorschriften begannen und schlossen.“ Also
griff er kurz entschlossen selbst zu Stift und Papier: Unter dem Gabentisch
lag am H
­ eiligabend die erste hausgemachte Fassung des „Struwwelpeter“. Und
dabei wäre es vermutlich auch geblieben, hätte nicht ein befreundeter Verleger
das Exemplar zu Gesicht bekommen. Begeistert von Hoffmanns Geschichten
überzeugte er diesen in heiterer Weinlaune zur Veröffentlichung und so erschien
1845 unter dem Pseudonym Reimerich Kinderlieb die erste Auflage. Doch trotz
des ungeahnten Erfolgs – die ersten 3.000 Exemplare waren schnell vergriffen
und so ging es von Auflage zu Auflage – schieden sich am „Struwwelpeter“ schon
damals die Geister. Von ­Begeisterungsstürmen bis zu Empörungsschreien ob des
skandalösen Inhalts – „Der Struwwelpeter“, ein Werk, das polarisiert.
Auf die Kritik, er verderbe mit seinen fürchterlichen Fratzen und s­chaurigen
Geschichten „das ästhetische Empfinden der kindlichen Seele“, entgegnete
Hoffmann, gerade die überzeichneten und gruseligen Vorstellungen seien es, die
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die Kinderseele berührten und faszinierten. Und wenn man sie nur mit hübschen Illusionen oder absoluten Wahr-heiten konfrontieren wolle, seien Grimms
Märchen ebenfalls aus dem Kinderzimmer zu verdammen.
Ob Hoffmanns Buch tatsächlich für Kinder geeignet ist, liegt sicherlich nicht im
Werk allein, sondern auch daran, wie das Lesen begleitet wird. Unkommentiert
und unerklärt können diese Erzählungen bei Kindern sicherlich Angstzustände
und schlimme Träume hervorrufen oder zumindest eine fragwürdige Vorstellung
von „richtig“ und „falsch“ etablieren – wie das beim unbetreuten Schauen eines
Films auch passieren kann.
Ob die Geschichten eher Faszination, Schaudern oder beides auslösen, liegt im
Auge des Betrachters, oder besser gesagt, dahinter: nämlich in unserem Unterbewusstsein. Die Motive des „Struwwelpeter“ spielen mit menschlichen Urängsten,
mit dem Unbekannten, dem Verbotenen, dem Tod. Gleichzeitig führen sie dem
(heutigen) Leser die absurde Konsequenz des Bestehens auf die viel zitierten
deutschen Tugenden vor. Und so hat Hoffmann, ob beabsichtigt oder nicht, ein
Kultbuch geschaffen, das auf grotesk-ironische Weise ein kritisches Bild der gutbürgerlichen Familie zeichnet.
Die beiden Engländer Julian Crouch und Phelim McDermott haben das Bühnenpotenzial der Hoffmannschen Schauergeschichten erkannt, mit flirrenden
Klängen zwischen Rockmusik und Jahrmarktsmelodien der britischen Band
„The Tiger Lillies“ versetzt und die bitterböse Handlung noch weiter auf die
Spitze getrieben. Bei Hoffmann gibt es genau genommen nur zwei Todeskandidaten: den Suppenkasper und das Paulinchen. Die Fassung aus dem Land der
„Black Comedy“ hat mit den unartigen Kindern kein Erbarmen und so heißt es
dann auch im letzten Song: „Seht die Scher’ oh so rot / Alle diese Struwwelkinder
sind jetzt tot.“
Nach der grandiosen Uraufführung 1998 unter der Regie von Phelim McDermott folgte 2000 die Rückübersetzung und mit der ­Erstaufführung am Deutschen
Schauspielhaus Hamburg begann der Triumphzug der kleinen Horrorshow über
die deutschen Bühnen.
Junk-Oper oder die Kunst der schrägen Töne
Junk-Food: Das kennt jeder. Und damit verbinden wir meistens fettes, ungesundes und schnelles Essen. Was aber ist eine Junk-Oper? Das englische Wort „Junk“
kann man mit „Ramsch“, „Plunder“ oder „Gerümpel“ übersetzen, ­allerdings
betrifft das keinesfalls die Q
­ ualität der Musik. Brechts „­Dreigroschenoper“
hat mit den spontan assoziierten Billig-Romanen auch wenig gemein. „Junk“
bedeutet hier vor allem, dass die Zuschauer nicht mit Pomp und großen Arien
zu rechnen haben, sondern mit einer ganz anderen Art von Musiktheater. Und
natürlich ist der Titel auch eine Provokation ganz im Stile ihrer E
­ rfinderin,
der Rockband „The Tiger Lillies“. Die dreiköpfige britische Band ist bekannt
für ihren schrillen Sound, zwischen wabern-der Zirkusmusik, Punk und TomWaits-Blues. Markenzeichen ist der der F
­ alsettgesang von Martyn Jacques,
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sowie die schrillen Kostüme und geschminkten Gesichter der Bandmitglieder.
Gerne stützen sich die Briten bei ihren Projekten auf literarische Vorlagen, wie
z.B. bei „The Matchgirl“ – nach Hans Christian Andersens „Das Mädchen mit
den Schwefelhölzern“.
Die Musik mit ihren eingängigen Viertaktphrasen liefert eine tonale Entsprechung für die Hoffmannschen Verse: Ein geschlossenes System, das trotzdem
offen für situative Einfärbungen ist. Das musikalische Arrangement von Erich
A. Radke verstärkt mit Akkordeon den Volksliedcharme, wird aber durch den
Einsatz verschiedener Spielzeuginstrumente, wie man sie auch in Kinderzimmern finden kann, immer wieder gebrochen und überhöht. Absolut stimmig
und trotzdem schräg: Ohren auf, hier kommt die Junk-Oper!
Annabelle Schäll
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SHOCKHEADED PETER
Junk-Oper von Julian Crouch und Phelim McDermott
Musik von Martyn Jacques / nach Motiven aus „Der
Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann
Besetzung
Marianne Curn
Struwwelpeter, Gretchen,
Paulinchen, Häschen, Suppenkasparerzählerin, Fisch, Chor, Mohr
Sibylle Hellmann
Mutter, Jägersfrau, Suppenkasparerzählerin,
Konrads Mama, Zappelphilipps Mutter, Fisch, Chor
Aom Flury
Gesinde, Friederich, Konrad,
Zappelphilipp, Fisch, Chor, Böser Wilhelm
Holger Spengler
Gesinde, Hund I, Maunz,
Suppenkasparerzähler, Hans Guck-in-die-Luft, Chor, Riese Niklas
Christoph Sommer
Vater, Hasenkind, Schneider,
Suppenkasparerzähler, Zappelphilipps Vater, Böser Kaspar, Chor
Jarno Stiddien
Gesinde, Storch, Doktor, Minz,
Jäger, Hund II, Suppenkaspar, Flieger Robert, Böser Ludwig
Florian Oberlechner Akkordeonist
Regie
Musikalische Leitung
Bühne & Kostüme
Dramaturgie
Regieassistentin
Souffleuse
Inspizient
Regiehospitantin
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Olaf Strieb
Erich A. Radke
Thurid Peine
Annabelle Schäll
Jannika Webs
Petra Birkholz
Gustav Boehm / Panagiotis Psianas
Marie Palm
Vorstellungsdauer ca. 1:20 (keine Pause)
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Regie
Olaf Strieb studierte an der Ruhr-Universität Bochum Germanistik und
Theaterwissenschaft. Seit 2001 arbeitet er als Regisseur u.a. in Dortmund,
Bielefeld, Wuppertal, Heilbronn, Mannheim, Kiel und bei den Gandersheimer
Domfestspielen, wo er als Mitglied der künstlerischen Leitung beschäftigt war.
Für die Landesbühne führte er u.a. bei der deutschsprachigen Erstaufführung
von Es lebe Europa! Regie.
Seit der Spielzeit 2009/10 ist Olaf Strieb Oberspielleiter der Landesbühne und
inszenierte u.a. die Uraufführung Die Nibelungen, Das Käthchen von Heilbronn,
Die Großherzogin von Gerolstein, Der Liebhaber, Woyzeck, Der zerbrochne
Krug, My Fair Lady und zuletzt Romeo und Julia.
Musikalische Leitung
Erich A. Radke ist bereits seit den neunziger Jahren regelmäßig als musikalischer Leiter für die Landesbühne tätig.
U.a. zeichnete er für die musikalische Leitung bei Hello, Dolly!, Die Großherzogin
von Gerolstein und zuletzt My Fair Lady verantwortlich.
Bühne & Kostüme
Thurid Peine, geboren 1978 in Berlin, gewann 2000 unter der Regie von David
Hermann den Zweiten internationalen Wettbewerb für Regie und Bühnenbild.
Anschließend studierte sie Bühnen- und Kostümgestaltung an der Universität
für Musik und darstellende Kunst Graz und schloss 2004 mit Auszeichnung
ab. Seit 2006 ist sie als freischaffende Bühnen- und Kostümbildnerin in der
deutschsprachigen Theaterlandschaft unterwegs.
Mit Shockheaded Peter gibt sie ihr Debüt an der Landesbühne.
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SHOCKHEADED PETER
Junk-Oper von Julian Crouch und Phelim McDermott
Musik von Martyn Jacques / nach Motiven aus „Der
Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann
Termine
Premiere:
Sonntag, 6. Mai 2012 / 20.00 Uhr (ausverkauft)
Wilhelmshaven, Rheinstr. 91
In Wilhelmshaven, Rheinstr. 91:
Fr., 11.05.2012 / 20.00 Uhr
Mi., 16.05.2012 / 20.00 Uhr
Fr., 25.05.2012 / 20.00 Uhr
Mi., 30.05.2012 / 20.00 Uhr
Do., 14.06.2012 / 20.00 Uhr
Wiederaufnahme: Fr., 17.08.2012 / 20.00 Uhr (Sommertheater)
Mi., 29.08.2012 / 20.00 Uhr (Sommertheater)
Im Spielgebiet
Sa., 12.05.2012 / 19.30 Uhr / Theater auf der Werft Papenburg
Stand: 2. Mai 2012 / Änderungen vorbehalten!
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SHOCKHEADED PETER
Junk-Oper von Julian Crouch und Phelim McDermott
Musik von Martyn Jacques / nach Motiven aus „Der
Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann
Fotos
Die Inszenierungsfotos finden Sie ab sofort zum Download im Internet:
www.landesbuehne-nord.de
Reservierung von Pressekarten
Bitte reservieren Sie rechtzeitig Ihre Karten! Schicken Sie einfach eine
E-Mail an [email protected] .
Ansprechpartner
Annabelle Schäll, Dramaturgin
Telefon 04421.9401-18
E-Mail [email protected]
Torben Schumacher, Pressesprecher
Telefon 04421.9401-12
E-Mail [email protected]
Der ursprüngliche Shockheaded Peter wurde von Michael Morris für Cultural Industry, London,
konzipiert und produziert und während der Proben von Julian Bleach, Tony Cairns, Tamzin
Griffin, Jo Pocock und Graeme Gilmour unter der Leitung von Julian Crouch und Phelim
McDermott im Dezember 1997 entwickelt. Die Musik und englischen Liedtexte wurden von
Martyn Jacques und „The Tiger Lillies“ geschrieben. Die Produktion der Landesbühne erfolgt
mit freundlicher Genehmigung von Cultural Industry, Michael Morris (Director) und Christine
Gettins (Associate Producer).
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