Materialverträglichkeit rund um das Isolierglas

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Materialverträglichkeit rund um das Isolierglas
Materialverträglichkeit
rund um das Isolierglas
Isolierglasdichtstoffe,
Verglasungsdichtstoffe,
Klötze
Merkblatt zur
Materialverträglichkeit
Bundesverband Flachglas
Großhandel
Isolierglasherstellung
Veredlung e.V.
Inhalt
1. Einleitung
3
2. Grundlagen
4
2.1 Was sind Wechselwirkungen?
4
2.2 Was sind schädliche Wechselwirkungen?
5
2.3 Grundlagen der Migration
5
2.4 Weichmacher und Weichmacherwanderung
7
3. Schädliche Wechselwirkungen in der Praxis
3.1 Stoßfugenversiegelung bzw. Klotzfixierung
3.2 Profilverschiebung bei organischem
8
8
10
Abstandhalter
3.3 Wahl der Verglasungsklötze
4. Zur Vermeidung von Fehlern in der Praxis
14
4.1 Allgemeines
14
4.2 Fugendimensionierung
15
5. Prüfung der Verträglichkeit
5.1 Prüfung der Verträglichkeit in der Praxis
2
12
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19
6. Schlussfolgerung
22
7. Literatur
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1. Einleitung
Mehrscheiben-Isolierglas wird heute
zunehmend in immer komplexeren Anwendungen eingesetzt. Dadurch bedingt kommen die Randverbund-Dichtstoffe mit
zahlreichen anderen Werkstoffen in
Kontakt, so dass hier unter Umständen
schädliche Wechselwirkungen, die die
Funktion des gesamten Systems (bestehend aus Mehrscheiben-Isolierglas und
Konstruktion) beeinträchtigen, nicht auszuschließen sind. Die nachfolgende
Darstellung erläutert Grundlagen,
Ursachen, Abhilfen und Prüfungsmöglichkeiten solcher Unverträglichkeiten.
Sie macht auch die Verantwortlichkeiten
für Konstruktionen sowie Verpflichtungen
zur Information und die sich daraus ergebenden technischen und rechtlichen
Konsequenzen deutlich.
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2. Grundlagen
Die Verträglichkeit von Stoffen ist hinsichtlich ihres
Begriffes in DIN 52 460, "Fugen- und Glasabdichtungen
– Begriffe" definiert:
"Stoffe sind miteinander verträglich, wenn zwischen
Ihnen keine schädliche Wechselwirkung auftritt."
Diese Definition schließt Wechselwirkungen nicht
grundsätzlich aus, solange sie nicht schädlich sind.
Somit enthält die Definition von "Verträglichkeit" die
Anforderung, wonach "schädliche Wechselwirkungen“
auszuschließen sind.
2.1 Was sind
Wechselwirkungen?
Wechselwirkungen sind alle physikalischen, physikochemischen oder chemischen Vorgänge, die zum
Beispiel beim Kontakt zweier verschiedener Stoffe oder
Stoffgemenge auftreten können und zu Veränderungen
der Struktur, Farbe und Konsistenz usw. führen können.
Die im Zusammenhang des Themas wohl wichtigsten
Wechselwirkungen sind die physiko-chemischen, so
zum Beispiel die Wanderung von Bestandteilen, auch
als Migration bezeichnet.
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2.2 Was sind schädliche
Wechselwirkungen?
Schädliche Wechselwirkungen sind in diesem Zusammenhang alle Wechselwirkungen zwischen Stoffen oder
Stoffgemengen, die Funktionen oder die Haltbarkeit des
jeweiligen Systems, zum Beispiel des in einen Rahmen
eingesetzten Isolierglases nachteilig beeinflussen.
2.3 Grundlagen der Migration
Zur Auslösung von Migrationsvorgängen sind zumindest
zwei verschiedene Stoffe erforderlich, so z. B. ein "Stoff
A" und ein "Stoff B". Von diesen beiden muss zumindest
einer aus mehreren Komponenten aufgebaut sein, z. B.
der "Stoff A". Im "Stoff A" muss zumindest eine der
Komponenten "migrationsfähig" sein. Diese Komponente
muss aufgrund ihrer Molekularstruktur im Gefüge/
Gemenge beweglich sein. Damit erfüllt sie eine notwendige Voraussetzung für das Ablaufen eines Migrationsvorganges. Schließlich muss der "Stoff B" die strukturellen Voraussetzungen für Migrationsvorgänge erfüllen,
d. h. er muss die migrierende Komponente aufnehmen
und/oder transportieren können.
Der typische und wichtigste Fall dieser physiko-chemischen Wechselwirkung ist die sogenannte "Weichmacherwanderung": Der "Stoff A" enthält einen "Weichmacher"
(vgl. 2.4), der durch den Kontakt zum "Stoff B" aus "A"
nach "B" übertritt.
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Die treibende Kraft eines solchen physiko-chemischen
Prozesses ist der unterschiedliche Gehalt des "Stoffes A"
und des "Stoffes B" an dem Weichmacher. Es gibt also
ein Konzentrationsgefälle, auch Konzentrationsgradient
genannt, zwischen den beiden Stoffen, bzw. den beiden
Phasen, so der entsprechende Fachterminus. Gibt es
keinen Konzentrationsgradienten, findet auch keine
Migration statt.
Für die Geschwindigkeit des ablaufenden Migrationsprozesses ist unter anderem die Größe des Gradienten
maßgebend. Ist der Gradient groß, läuft der Vorgang
schnell ab, ist der Gradient klein, läuft er entsprechend
langsam ab.
Eine weiterere Einflussgröße für die Migrationsgeschwindigkeit ist die Temperatur. Eine hohe Temperatur beschleunigt den Vorgang, eine niedrige Temperatur
verzögert denselben.
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2.4 Weichmacher und
Weichmacherwanderung
Vollständigkeitshalber sei eine kurze Erklärung für die
Bezeichnung "Weichmacher" gegeben. Als "Weichmacher" werden solche Substanzen bezeichnet, die
Kunststoffen zugesetzt werden, um deren mechanische
Eigenschaften zu gestalten. Wie ihr Name schon sagt,
können Weichmacher als Lösungsmittel wirken, die
einen Kunststoff aufquellen lassen und in einen gelartigen Zustand überführen.
Die "Weichmacherwanderung" stellt eine schädliche
Wechselwirkung dar, wenn wesentliche Stoffeigenschaften so verändert werden, dass die Funktion des Systems
nachhaltig verändert und beeinträchtigt wird:
• Der einen Weichmacher abgebende Stoff wird
härter, versprödet und schrumpft.
• Der einen Weichmacher aufnehmende Stoff wird
weicher, elastischer und quillt.
Dramatisch sind solche Wechselwirkungen in ihren
Auswirkungen zum Beispiel, wenn der einen Weichmacher aufnehmende Stoff seine Struktur vollständig
einbüßt, also total aufgelöst wird.
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3. Schädliche Wechselwirkungen
in der Praxis
Im Folgenden wird auf einige im Zusammenhang mit der
Verglasung von Isoliergläsern in letzter Zeit vermehrt zu
beobachtende schädliche Wechselwirkungen
eingegangen.
3.1 Stoßfugenversiegelung
bzw. Klotzfixierung
Hier sind im Schadensfall die typischen Folgen einer
schädlichen Weichmacherwanderung zu beobachten.
Abb. 1
Wetterversiegelung in einem Isolierglasstoß
SZR
1. Dichtstufe
2. Dichtstufe
Hinterfüllschaum
Wetterversiegelung
2. Dichtstufe
1. Dichtstufe
SZR
Eine solche Weichmacherwanderung mit der Folge einer
totalen Auflösung einer der betroffenen Komponenten
liegt beim direkten Kontakt des Randverbundes eines
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Mehrscheiben-Isolierglases mit einem weiteren, ungeeigneten Dichtstoff, zum Beispiel einer Wetterversiegelung in einem Isolierglasstoß (Abb. 1) oder auch bei der
Fixierung eines Verglasungsklotzes im Glasfalz mit Hilfe
eines ungeeigneten Dichtstoffes vor. Aus diesem für diesen Zweck ungeeigneten Dichtstoff wandern Bestandteile (Weichmacher, aber auch Öle und/ oder Extender)
durch die zweite Dichtstufe des Isolierglases hindurch.
Sie treten in die erste Dichtstufe des Isolierglases
("Butyl-Dichtung") ein und lösen diese in der Endphase
des Vorganges regelrecht auf. Hier kommt es dann
zunächst zum Aufquellen der Butyl-Dichtung und zum
Ablaufen eines Gemisches aus Butyl-Bestandteilen und
dem migrierenden Stoff oder Stoffgemisch (Abb. 2).
Abb. 2
Auflösen der Butyl-Dichtung durch Migration
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Daraus resultiert letztlich ein Totalschaden des Isolierglases, da durch das Auflösen der Butyl-Dichtung deren
Sperrwirkung gegen die Wasserdampfdiffusion und die
Gasdiffusion zerstört wird. Außerdem verursacht das
Verteilen des Gemisches aus Bestandteilen der ButylDichtung und dem Migrationsstoff auf den Innenoberfächen (Pos. 2 + 3) des Isolierglases eine optische
Beeinträchtigung. Unter diesen Voraussetzungen ist an
eine bestimmungsgemäße Funktion des Isolierglases
nicht mehr zu denken und ein Austausch unvermeidlich.
3.2 Profilverschiebung bei
organischem Abstandhalter
Ein weiterer, typischer Fall eines schädlichen Migrationsvorganges aus einem ungeeigneten Verglasungsdichtstoff im Kontakt zum Isolierglas-Randverbund. Ein
Beispiel ist ein Isolierglas-System mit organischem
Abstandhalter an der Traufkante für eine Dachverglasung (Abb. 3).
Abb. 3
F e h l e r h a ft e Tr a u fp u n k t v e r s i e g e l u n g
Org. Abstandhalter
2. Dichtstufe (Silicon)
Wetterversiegelung
EPDM-Profilauflage
Traufblech
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Durch den Kontakt mit den Isolierglasdichtstoffen treten
aus der Traufpunktversiegelung "migrationsfähige" Stoffe
aus. Diese wiederum werden durch die zweite Dichtstufe
des Isolierglases bis an das organische Abstandhalterprofil herangeführt. Diese Stoffe dringen dann in die
Grenzfläche zwischen Glasoberfläche und Abstandhalterprofil ein und zerstören dort die Haftung des Profils
am Glas. Als Folge von Temperatur- und Luftdruckschwankungen ("Pumpbewegungen") gleitet das Profil
auf einem "Schmierfilm" aus Ölen, Weichmachern
und/oder Extendern in den Scheibenzwischenraum.
Dieses Schadensbild wird wegen seines Aussehens
auch als "Girlanden-Effekt" bezeichnet (Abb. 4).
Abb. 4
“ G i r l a n d e n - E ff e k t ”
Bei der Ausführung von Traufpunktversiegelungen wird,
wie auch in Abb. 3 zu sehen, neben der fehlerhaften
Auswahl des Verglasungsdichtstoffes oft auch noch ein
weiterer, gravierender Fehler gemacht. Hier wurde die
Fugentiefe falsch dimensioniert, das heißt, sie wurde viel
zu tief ausgelegt (siehe unten).
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3.3 Wahl der Verglasungsklötze
Auch durch den Kontakt zwischen den Dichtstoffen im
Randverbund des Isolierglases mit den Verglasungsklötzen können bei ungeeignetem Klotzmaterial schädliche Wechselwirkungen auftreten (Abb. 5).
Abb. 5
We c h s e l w i r k u n g e n z w i s c h e n R a n d v e r b u n d
und Klotz
Das ungeeignete Klotzmaterial nimmt Bestandteile aus
der zweiten Dichtstufe auf, wird klebrig und plastisch
(Abb. 6). Der Klotz verliert seine mechanische Stabilität,
so dass die Funktion der Lastabtragung nicht mehr
systemgerecht möglich ist. Als Folge daraus können sich
zum Beispiel Fensterflügel derart verziehen, dass ein
Öffnen und Schließen erheblich behindert oder gänzlich
unmöglich wird. Im Endstadium des Migrationsprozesses, wenn sich der Klotz in erheblichen Teilen aufgelöst
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hat, können sich Isolierverglasungen im Fensterrahmen
um mehrere Millimeter verschieben, so dass der Randverbund aus dem Falz heraus in den Sichtbereich eintritt.
Abb. 6
K l o t z n a c h s c h ä d l i c h e n We c h s e l w i r k u n g e n
Eine weitere mögliche Folge ist, dass die Isolierglaseinheiten nicht mehr sachgerecht fixiert sind. Die Glasprodukte geraten unter nicht planmäßige Spannungen
mit der Folge unterschiedlichster Schäden am Glas.
Durch den Entzug wichtiger Bestandteile der zweiten
Dichtstufe ist unter Umständen auch die Funktionsfähigkeit des Isolierglas-Randverbundes gefährdet. Es
ist also absolut unerlässlich, die Eignung von Klotzmaterialien entsprechend zu prüfen, um sich gegen derartige folgenschwere Fehlschläge abzusichern. Besondere
Aufmerksamkeit ist zum Beispiel Klotzmaterialien zu
schenken, die Styrolverbindungen enthalten.
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4. Zur Vermeidung von Fehlern
in der Praxis
4.1 Allgemeines
Die Grundforderung bei der Kombination mehrerer
Werkstoffe zu einem "System" ist die so genannte
"Systemprüfung", die die Eignung aller miteinander in
Verbindung gebrachter Komponenten hinsichtlich der
Funktionsfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit nachweist.
Die widerlegbare Eignungsvermutung reicht hier nicht
aus. Für diesen Nachweis der Funktionsfähigkeit des
Systems ist letztlich der "Systemhersteller" verantwortlich. "Systemhersteller" ist derjenige, der die Komponenten zusammen fügt, also zum Beispiel ein Isolierglas in
eine Rahmenkonstruktion einbaut.
Bei der Konstruktion eines "Systems" ist eine möglichst
"einfache" Konstruktion vorteilhaft, da das Risiko eventueller Unverträglichkeiten mit der Anzahl der Komponenten entsprechend ansteigt.
Das Risiko schädlicher Wechselwirkungen läßt sich dort
ausschließen, wo der Kontakt der Stoffe vermieden wird.
So kann zum Beispiel ein entsprechender Luftspalt den
Stofftransport unterbinden. Ist ein solcher Luftspalt konstruktiv nicht möglich, können entsprechende "Migrationssperren", wie etwa Metallfolien oder geeignete
Hinterfüllmaterialen, den Stofftransportweg unterbrechen
und damit die Verträglichkeit sicherstellen. Selbstverständlich ist bei derartigen konstruktiven Maßnahmen
darauf zu achten, dass sie nicht andere nachteilige
Auswirkungen haben.
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Die vielfach geübte Praxis, Verglasungsklötze mit Dichtstoffen zu fixieren, stellt insofern ein Risiko dar, weil derartige Produkte häufig nicht nach dem Kriterium der
Produktverträglichkeit ausgewählt werden. Es stellt sich
auch die Frage, ob die Klotzfixierung nicht anders gelöst
werden kann und so der Einsatz einer kritischen Komponente im System schon entfallen kann.
4.2 Fugendimensionierung
Bei der Ausbildung von Fugen zwischen Isoliergläsern
untereinander oder auch im Wand- und/ oder Eckanschluss sind die notwendigen technischen Anforderungen bezüglich der Fugengestaltung sowie der Dichtstoffeigenschaften zu berücksichtigen.
Die Fugenbreite richtet sich nach den Abmessungen der
gegeneinander verfugten Bauelemente, also etwa denen
von Isolierglas und Rahmen. Die entsprechenden
Regeln der Technik finden sich in der "Technische
Richtlinie des Glaserhandwerks", Nr. 1 (s. Literatur).
Diese Regeln sind auch sinngemäß auf die Fugen zwischen Isoliergläsern bzw. auf Wandanschlüsse entsprechend zu übertragen.
Auch die Fugentiefe richtet sich nach den Abmessungen
der gegeneinander abzudichtenden Bauelemente. Die
Tiefe der Fuge bei einkomponentigen Dichtstoffen darf
einen bestimmten Maximalbetrag nicht übersteigen.
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Hier ist zu bedenken, dass einkomponentige Dichtstoffe
zu ihrer Vernetzung ein ausreichendes Angebot an
Wasser in Form von Luftfeuchte benötigen. Zudem vernetzen diese Dichtstoffe "von außen nach innen". Die
Feuchte muss also auf ihrem Weg in die noch nicht
vernetzten Teile der Fuge eine wachsende Barriere
überwinden. Ist die Fugentiefe zu groß, dauert die
Vernetzung zu lange. Dadurch bedingt können, auch bei
an sich verträglichen Dichtstoffen, unverhältnismäßig
lange unpolymerisierte Bestandteile miteinander in
Kontakt stehen, die dann möglicherweise doch zu
schädlichen Wechselwirkungen führen.
Eine typische Konstruktion, bei der die Fugentiefe für
einen Einkomponenten-Dichtstoff entschieden überschritten wird, ist in Abb. 7 dargestellt. Aufgrund des langen Diffusionsweges für die Feuchtigkeit, die zum
Vernetzen des Produktes erforderlich ist, steht im Punkt
"A", also in der Mitte der Fuge, über sehr lange Zeit nicht
vernetzter Dichtstoff an – und das auch noch sehr nahe
am Randverbund der horizontal gezeichneten Scheibe.
Hier sind Unverträglichkeitsreaktionen geradezu zwangsläufig – selbst mit "eigentlich verträglichen" Dichtstoffen
aufgrund der unzulässig langen Vernetzungszeit.
Außerdem kann es hier auch noch zu Ablösungen aufgrund des vernetzungsbedingten Schrumpfes der Fuge
kommen.
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Abb. 7
F e h l e r h a ft e F u g e n t i e f e b e i 1 K - D i c h ts t o ff
Wetterversiegelung
24 mm
29 mm
A
44 mm
5 mm
Kritischer Punkt A!
Anmerkung: Es kann nicht Aufgabe dieses Merkblattes
sein, konstruktive Lösungen aufzuzeigen, die immer
"funktionieren". Diese Lösungen gibt es einerseits nicht.
Andererseits muss es dem Sachverstand des jeweiligen
Fachmannes überlassen bleiben, für den jeweils individuellen Fall die optimale konstruktive Lösung zu finden.
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5. Prüfung der Verträglichkeit
Es gibt zur Zeit kein genormtes Prüfverfahren zum
Nachweis der Verträglichkeit für alle Anwendungsfälle.
Es muss unter Umständen für jede Werkstoffkombination und jede Konstruktion ein adäquates Prüfverfahren
entwickelt werden. Hierbei zeigen komplex aufgebaute
Systeme die Notwendigkeit, sowohl die Einzelkomponenten untereinander als auch das Gesamtsystem zu
prüfen. Dies wird mit der nachfolgenden Grafik dargelegt:
A
B
C
Wenn sich ein derartiges Drei-Stoff-System, zum Beispiel aus erster Dichtstufe (A) ("Butyl"), der zweiten
Dichtstufe (B) eines Isolierglases sowie einer Wetterversiegelung (C), schon nicht vermeiden lässt, so sind
alle Kombinationen hinsichtlich ihrer Verträglichkeit zu
überprüfen. Hierfür müssen folgende Einzelprüfungen
durchgeführt werden:
A
B
A
C
B
C
A
B
C
Die Prüfung A B kann zum Beispiel entfallen, wenn
beide Isolierglasdichtstoffe vom selben Hersteller
stammen oder die Verträglichkeit entsprechend zugesichert ist. Diese Prüfsystematik macht deutlich,
warum möglichst "einfache" Systeme von Vorteil sind.
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Weiterhin gibt es bei Prüfungen der Verträglichkeit hinsichtlich der Bewertungkriterien keine allgemeinverbindlichen Festlegungen, d. h. inwieweit ein Prüfresultat
dann auch für das Verhalten eines Systems in der
Praxis relevant ist. Gegebenenfalls sind hier auch mehrere Prüfverfahren heranzuziehen. Insofern ist nachvollziehbar, dass die Prüfung der Verträglichkeit ein erhebliches Wissen und eine umfangreiche Erfahrung erfordert, um das Risiko schädlicher Wechselwirkungen zu
minimieren.
5.1 Prüfung der Verträglichkeit
in der Praxis
In der Praxis kommen die verschiedenen Komponenten
eines Systems nur selten vom selben Hersteller. Nur in
diesem Falle kann aber der Hersteller der von ihm gelieferten Komponenten eines Systems eine allgemein verbindliche Aussage zur Verträglichkeit dieser Komponenten machen. Hier hat der Hersteller die Möglichkeit, bei
Änderungen der Zusammensetzung der Produkte das
Verträglichkeitsverhalten erneut zu überprüfen und kann
so sicherstellen, dass die Abnehmer keine Änderungen
im Verträglichkeitsverhalten befürchten müssen.
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Kommen die Komponenten von unterschiedlichen Lieferanten, so können sich Prüfergebnisse ausschließlich
auf die geprüften Produktchargen beziehen und sind
insofern nicht allgemein verbindlich. Das Prüfresultat
kann nicht notwendigerweise auf andere Produktchargen übertragen werden, da eine eventuelle Änderung
der Zusammensetzung nicht zwangsläufig rechtzeitig
bekannt ist und berücksichtigt wird. Insofern kann es
ohne vertragliche Regelungen der beteiligten Hersteller
nie eine Liste mit verträglichen Materialkombinationen
geben.
Eine allgemein verbindliche Aussage zur Verträglichkeit
zwischen Produkten verschiedener Hersteller bedarf
einer entsprechenden bilateralen, vertraglichen Regelung zwischen den jeweiligen Lieferanten und dem
Abnehmer der Produkte. Solange es keine normierten
Anforderungen an Komponenten gibt, bleibt nur dieser
Weg.
Die Verantwortlichkeit für die Verträglichkeit bei der
Kombination verschiedener Werkstoffe liegt grundsätzlich bei demjenigen, der diese Werkstoffe zu einem
"System" kombiniert. Die Lieferanten der "Vorprodukte"
sind dafür nicht verantwortlich. Das schließt natürlich
nicht aus, dass diese ihren Kunden beraten bzw. prüftechnisch unterstützen. Die praktische Umsetzung der
Beratung in eine Konstruktion und die Bewertung von
Prüfergebnissen obliegt jedoch ebenfalls dem Systemhersteller.
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Merkblatt zur Materialverträglichkeit
Es sei hier auch noch einmal daran erinnert, welchen
Einfluss etwa die Dimensionierung von Fugen auf das
Vernetzen von Dichtstoffen und damit auf die Möglichkeit
schädlicher Wechselwirkungen hat. Es ist daher die
Verträglichkeit der beteiligten Komponenten im Sinne
des Ausbleibens schädlicher Wechselwirkungen für den
konkreten Anwendungsfall abzusichern.
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6. Schlussfolgerung
Komplizierte Werkstoff-Kombinationen erfordern sorgfaltiges Planen und Ausführen. Alle Parteien in diesem
Prozess (Lieferanten, "Systemplaner" und "Systemhersteller") müssen sich entsprechend abstimmen. Sofern
nicht alle Produkte vom selben Lieferanten kommen,
sind die zuvor geschilderten Maßnahmen zu treffen.
Aufgrund der Komplexität dieser Systeme erscheint es
sinnvoll, einen Weg zu beschreiten, wie er in anderen
Bereichen der Glaskonstruktionen schon jetzt baurechtlich verbindlich ist, etwa bei Brandschutzverglasungen.
Dort ist es üblich, in der "Systembeschreibung" genau
festzulegen, welche Komponenten eingesetzt werden
dürfen und wie diese anzuwenden sind. Jeder Lieferant
muss sich verpflichten, seine Komponente entsprechend
der "Systemprüfung" und den dortigen Spezifikationen
zu liefern. Änderungen an einer Komponente können
erst dann vorgenommen werden, wenn sichergestellt ist,
dass dadurch die Gültigkeit der "Systemprüfung" nicht in
Frage gestellt ist.
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7. Literatur
1. DIN 52 460, "Fugen- und Glasabdichtungen –
Begriffe", Ausgabe 2002-2, Beuth-Verlag, Berlin
2. H. Brook, "Wechselwirkungen von Dichtstoffen",
"Glas-Fenster-Fassade", (1998), Heft 6, Seite 329 ff
3. Technische Richtlinien des Glaserhandwerks,
Schrift Nr. 1, "Dichtstoffe für Verglasungen und
Anschlussfugen"
4. Technische Richtlinien des Glaserhandwerks,
Schrift Nr. 3, "Klotzung von Verglasungseinheiten"
5. Technische Richtlinien des Glaserhandwerks,
Schrift Nr. 13, "Verglasen mit Dichtprofilen"
6. Technische Richtlinien des Glaserhandwerks,
Schrift Nr. 17, "Verglasen mit Isolierglas"
7. Ift Richtlinie VE-05/01 "Nachweis der Verträglichkeit
von Verglasungsklötzen"
8. R. Oberacker, "Die Verträglichkeit von Dichtstoffen:
Ein neues Problem?", "Glaswelt" (2002), Heft 12,
Seite 28 ff
Dieses Merkblatt wurde erarbeitet vom Arbeitskreis
Verträglichkeit des Arbeitsausschusses Technik/Isolierglas im
Bundesverband Flachglas e. V.
Der Text basiert auf einem Entwurf von Dipl.-Ing. Helmut Brook,
Henkel Teroson GmbH. Eine Überarbeitung und Ergänzung
dieses Textes ist vorgesehen.
Stand: Juni 2004
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6/2004 © Text: Bundesverband Flachglas e. V. · Veröffentlichung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des BF / Gestaltung: m-gmbh.net · Technische Änderungen vorbehalten.
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