Orgelrecital Tomasz Adam Nowak Sonntag, 17.04.2011 · 18.00 Uhr

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Orgelrecital Tomasz Adam Nowak Sonntag, 17.04.2011 · 18.00 Uhr
Orgelrecital Tomasz Adam Nowak
Sonntag, 17.04.2011 · 18.00 Uhr
So klingt nur Dortmund.
Tomasz Adam Nowak Orgel
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In unserem Haus hören Sie auf allen Plätzen gleich gut – leider auch Husten, Niesen und Handyklingeln. Ebenfalls aus Rücksicht auf die Künstler bitten wir Sie, von Bild- und Tonaufnahmen
während der Vorstellung abzusehen. Wir danken für Ihr Verständnis!
2,50 E
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Frank Martin (1890 – 1974)
Marcel Dupré (1886 – 1971)
Passacaille (1944)
Aus: »Le Chemin de la Croix« (»Der Kreuzweg«) op. 29 (1931)
›Jesus wird zum Tode verurteilt‹
›Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz‹
›Jesus begegnet seiner Mutter‹
›Jesus wird ans Kreuz geschlagen‹
›Jesus stirbt am Kreuz‹
›Der Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt‹
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Fünf Choralvorspiele aus dem »Orgelbüchlein« BWV 599-644 (1713)
›O Mensch, bewein dein’ Sünde groß‹ BWV 622
›Wir danken dir, Herr Jesu Christ‹ BWV 623
›Da Jesus an dem Kreuze stund‹ BWV 621
›Christus, der uns selig macht‹ BWV 620
›O Lamm Gottes unschuldig‹ BWV 618
Passacaglia c-moll BWV 582 (um 1710)
– Pause ca. 18.45 Uhr –
Tomasz Adam Nowak (geb. 1962)
Ostersinfonie (Improvisation)
›Victime paschali laudes‹
›Lumen Christi‹
›Surrexit Christus hodie‹
›Christ ist erstanden‹
– Ende ca. 20.00 Uhr –
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Programm
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Versteckte Variationen
Frank Martin Passacaille
Er war ein Kind der Romantik, zumindest auf den ersten Blick. Denn Frank Martin, der vielleicht
bedeutendste Schweizer Komponist des 20. Jahrhunderts, war Schüler von Joseph Lauber, und
dessen Lehrer wiederum hieß Joseph Rheinberger – also eine durch und durch romantisch
geprägte Linie. Doch Martin versuchte ein Leben lang, sich von diesem Erbe zu lösen. Nach
spätromantischen Anfängen wandte er sich einer modalen Schreibweise zu, experimentierte mit
Rhythmen und wandte sich vorübergehend auch den Zwölftönern zu.
Martin hat nur zwei Werke für Orgel hinterlassen: eine Sonata da chiesa für Viola d’amore und
Orgel (die er später alternativ für Flöte bearbeitete) sowie – als einziges Solo-Werk – die 1944
komponierte Passacaille, die auf eine Anregung des damaligen Berner Kathedral-Organisten Kurt
Wolfgang Senn zurückgeht. Der Aufbau ist ganz traditionell: Über einem sich ständig wiederholenden Bass heben sich in den anderen Stimmen etliche Veränderungen ab. Im Grunde
genommen ist die Form der Passacaglia relativ starr, doch Martin versuchte diese statische Vorgabe durch verschiedene Mittel aufzulockern: Aufteilung des Themas in mehrere Stimmen, Kanonbildungen, doppelter Kontrapunkt der Oktave und anderes mehr. Auch stehen die (teils kaum
als solche wahrnehmbaren) Variationen nicht einzeln und für sich, sondern fügen sich zu einer
Einheit, wodurch die Passacaglia auffallend sinfonisch wirkt. Markant, dass Martin das Thema so
angelegt hat, dass er mit seinen 17 Tönen zunächst nur elf Tonstufen berührt – die zwölfte wird
erst bei der Wiederkehr des Thema tangiert. Auffallend auch, dass der Mittelteil pedallos gehalten
ist und dass Martin bei seinen fünfstimmigen Akkorden die Oktave ausschließt. Man könnte daher
viele Dissonanzen erwarten, doch hat der Komponist deren harte Wirkung durch eine chromatische
Stimmführung gemildert. Dennoch war Martin mit der Wirkung dieser Dissonanzen nicht glücklich,
weshalb er die Passacaille später für Streichorchester und großes Orchester bearbeitet hat.
Für alle Gelegenheiten
Johann Sebastian Bach Fünf Choralvorspiele aus dem »Orgelbüchlein« BWV 599-644
»Orgel-Büchlein / worinne einem anfahenden Organisten / Anleitung gegeben wird, auff allerhand /
Arth einen Choral durchzuführen« – so lautet der erste Teil des Titels, den »Joanne Sebast: Bach«
seinem ab 1713 entstandenen Werk vorangestellt hat. Es umfasst 164 Lieder, davon 47 Choräle.
Die Anordnung, die darauf schließen lässt, dass Bach praktische Erwägungen von vornherein
berücksichtigt hat, folgt dem damals üblichen Aufbau des Gesangbuches: Advent, Weihnachten,
Jahreswende, Epiphanias, Passion, Ostern, Pfingsten, Gottesdienstordnung, Katechismus, Gottvertrauen, Tod und Ewigkeit. Es sind ausnahmslos Werke des so genannten kleinen Orgelchorals.
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Damit ist gemeint, dass die Liedmelodie in einfachen Notenwerten, ohne zeilentrennende Pausen
oder Zwischenspiele wiedergegeben wird. Bach hat diese Sätze in ihrem Umfang streng reglementiert. Für die überwiegende Mehrheit ist lediglich eine Seite vorgesehen – eine Begrenzung,
die jede choralfantasieartige Ausweitung ausschließt. Dennoch sind die musikalischen Affekte
genau auf das jeweilige Thema, den jeweiligen Charakter des Chorals abgestimmt; Bach entwirft
ein subtiles Geflecht aus Anspielungen und symbolhaften Bezügen, die sich bis in die Begleitfiguren hinein erstrecken. Mit dieser Einheit von instrumentalem Satz und Liedinhalt versucht
Bach, dem spätbarocken Gedanken der Einheit des Kunstwerks zu entsprechen.
Heute gibt es kaum eine Orgel, in deren Nähe sich nicht ein Exemplar dieses »Orgelbüchleins«
findet. Längst zählt diese – in ihrer Art bis heute unerreichte – Sammlung zum Kernrepertoire
eines jeden Orgelunterrichts. Um ihre Entstehung ranken sich einige Legenden, die sich auf
Bachs Einkerkerung wegen einer »zu erzwingenden dimission« (um nach Köthen zu gelangen)
beziehen. Zweifel daran sind durchaus erlaubt, zumal Bach noch in Leipzig an dieser Sammlung
weitergearbeitet hat.
Variationen und Fuge
Johann Sebastian Bach Passacaglia c-moll BWV 582
Eigentlich handelt es sich bei Bachs größter Orgelkomposition – zumindest was ihren Umfang
betrifft – nicht einmal um ein Werk für Orgel, sondern für Pedalcembalo. Erklärt hat man das
lange Zeit damit, dass Bach diese Passacaglia in Köthen geschrieben hat; dort sei er weder
Organist gewesen noch habe er eine Orgel zur Verfügung gehabt. Schaut man sich die BachBiografie allerdings genauer an, so sind doch einige (wenn auch wenige) Orgelwerke aus dieser
Zeit zu verzeichnen. Bach hatte sie offenbar für Auftritte in Hamburg, vielleicht auch in Weißenfels
vorgesehen.
Erstmals überliefert ist die Passacaglia im so genannten Andreas-Bach-Buch, einer der Hauptquellen der frühen Klaviermusik Bachs. Wie ausgereift dieses Werk bereits vor 1710 war, beweist
die Tatsache, dass Bach bei einer späteren Revision kaum etwas verändert hat. Besonders deutlich zeigt sich hier das Erbe Buxtehudes, zumal sich vom Wahl-Lübecker ebenfalls drei Werke,
zwei Ciaconen sowie eine Passacaglia, im Andreas-Bach-Buch befinden. Doch Bach geht einen
Schritt weiter – nicht nur im Format, sondern auch, indem er die 20 Variationen der Passacaglia
in einem »Thema fugatum« münden lässt. Immer wieder strittig ist in der Forschung die Frage, ob
Bach das Thema dem 1688 in Paris veröffentlichten »Livre d’Orgue« von André Raison entnommen und ein wenig gekürzt hat. Ähnlichkeiten sind nicht von der Hand zu weisen, andererseits
jedoch gestaltet Bach den Diskant völlig anders als der Franzose.
Werke
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Diese Passacaglia ist ein kleines formales Wunder; das Prinzip der Reihung und die Gestaltung der Bassfiguren lassen verschiedene Baumodelle erkennen, etwa die Aufteilung in vier
Abschnitte mit je fünf Variationen. Doch Eindeutigkeit ist bei Bach selten, zumal er ein gewiefter
(Zahlen-)Symboliker war und gern mit scheinbar festen Einheiten gespielt hat.
Verrätseltes Spiel
Marcel Dupré »Le Chemin de la Croix« op. 29
»Außer in Frankreich, das ich in allen Richtungen durchreist habe, gab ich zahlreiche Konzerte
in anderen europäischen Ländern: in Deutschland, Österreich, der Schweiz, in Italien, Spanien,
Holland und Belgien; und in Brüssel wurde die Idee zu einem meiner Hauptwerke geboren, zum
›Chemin de la Croix‹.« Soweit Marcel Dupré in seinen »Erinnerungen«. Was aber war in Brüssel
geschehen? Man hatte ein Konzert an der Cavaillé-Coll-Orgel im dortigen Konservatorium veranstaltet, dessen zweiter Teil – nach einem kurzen Bach-Stück – den Kreuzweg des französischen
Dichters Paul Claudel umfasste, gelesen von einer der Lehrerinnen des Konservatoriums. Nach
jeder Station improvisierte Dupré an der Orgel und suchte nach einer musikalischen Entsprechung des soeben Gehörten. »Man hat mich vorher über meine Aufgabe informiert und so konnte
ich mich in großen Linien vorbereiten und Ideen bilden über die musikalischen Stimmungen, die
Registrierungen und die Tonarten zu jeder der vierzehn Stationen. Auch die Themen, oder besser
gesagt, die symbolischen Motive […] legte ich fest. Später, am Nachmittag vor dem Konzert,
überdachte ich meinen Entwurf noch einmal.« Das war »in der Fastenzeit, am 13. Februar 1931«.
Das Publikum reagierte so euphorisch, dass Dupré beschloss, diese Improvisationen schriftlich
auszuarbeiten. Ein Jahr später war sein neuer Zyklus abgeschlossen. Die Uraufführung erfolgte
am 18. März 1932 an der Orgel des Trocadéro-Palastes in Paris.
ebenfalls mit einer markanten Rhythmik versehen sind). Duprés musikalischer Ausdruck ist –
obwohl sich innerhalb der tonalen Grenzen bewegend – auffallend wild und impulsiv, aber trotzdem in einem genau erwogenen Verhältnis zur Musikgeschichte: »Gewisse Intervalle, gewisse
melodische Elemente gehören zu den Bestandteilen der traditionellen Musiklehre«, so der Komponist. »Ich habe untersucht, worin die früheren Meister in der Verwendung bestimmter Formeln
übereinstimmen, wie z. B. dem doppelten Quart-Sprung als Symbol des Kreuzes.«
Das Leidensthema, bestehend aus einer abwärts führenden chromatischen Phrase, hat seinen
Ursprung im Barock. Beim Erlösungsthema hat Dupré auf eine Figur zurückgegriffen, die er in
analoger Form sowohl bei Händel und Bach als auch bei Franck (»Les Béatitudes«) und Wagners
»Parsifal« gefunden hat. »Dies alles«, behauptet Dupré, »sind Themen des traditionellen Symbolismus.« Auch bei diesem Werk handelt es sich also, Bach-ähnlich, um ein verrätseltes Spiel
von Bedeutungen.
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die erste Geige.
Der »Chemin de la Croix«, der dem russischen Komponisten Nikolai Medtner gewidmet
ist, war also von vornherein ein Werk an der Grenze zwischen Improvisation und Komposition.
Doch der relativ lange Zeitraum, der nötig war, um dem Ganzen seine endgültige Notenform zu
geben, zeigt, wie genau Dupré daran gearbeitet hat und wie wenig der Erstentwurf für eine
sofortige schriftliche Fixierung taugte. Neben der Partitur hat Dupré auch kurze beschreibende
Anweisungen zu jedem Satz hinterlassen.
Der gesamte Zyklus basiert auf zwölf regelmäßig wiederkehrenden Themen, die alle einem
bestimmten Punkt innerhalb der Leidensgeschichte zugeordnet sind. Markant an dieser Komposition ist das Prinzip der »rythmes onomatopéiques«, der lautmalenden, nachahmenden Rhythmen. So wird beispielsweise in der ersten Station der Name »Barrabas« auffallend scharf und
pointiert dargestellt (vielleicht eine Anspielung auf Bach, wo die »Barrabam«-Rufe des Volkes
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Werke
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Tomasz Adam Nowak
Tomasz Adam Nowak wurde 1962 in Warschau geboren. Zunächst studierte er an der FrédéricChopin-Musikhochschule seiner Heimatstadt, danach bei Franz Lehrndorfer in München, MarieClaire Alain in Paris und Ewald Kooiman in Amsterdam. Er ist Preisträger zahlreicher internationaler Orgelwettbewerbe. So war er u. a. Sieger beim »Internationalen Improvisationswettbewerb
Haarlem«. Konzerte, Rundfunk- und Tonträgeraufnahmen führen ihn nach Europa und Übersee.
Schwerpunkte seiner künstlerischen Arbeit sind das Orgelwerk Johann Sebastian Bachs, das
er mehrmals komplett aufgeführt und aufgenommen hat, die Werke Max Regers, die Musik der
Orgelbewegung und der Avantgarde sowie die Kunst der Improvisation.
Nowak ist Professor für Künstlerisches Orgelspiel und Improvisation an der Hochschule für
Musik Detmold und Erster Organist der Stadt- und Marktkirche St. Lamberti in Münster. Die
Leitung von Meisterkursen in Europa und den USA, die Tätigkeit als Juror bei internationalen
Wettbewerben und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Sinfonieorchestern im In- und Ausland sowie die Künstlerische Leitung des »Internationalen Orgelfestivals Westfalen-Lippe« runden
sein Wirken ab.
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Biografie
Meisterwerke der Klassik
Rauh und Lieblich
Das Finnish Radio Symphony Orchestra unter Sakari Oramo bildet den Saisonabschluss bei der
Symphonie um Vier. Solistin Patricia Kopatchinskaja macht Beethovens Violinkonzert mit Spontaneität und Improvisationslust zum unerhörten Klangerlebnis.
So 08.05. 2011 · 16.00
Letzte Worte
Franz Schubert hat in seinem letzten Lebensjahr fast alle wichtigen Gattungen mit zentralen
Werken bedacht. Mitsuko Uchida hat sich intensiv mit Schuberts Klavierschaffen auseinandergesetzt und spielt seine drei letzten Klaviersonaten.
Do 12.05. 2011 · 20.00
Aufforderung zum Tanz
Als Originalklangensemble der ersten Stunde hat der Concentus Musicus Wien unter der Leitung
von Nikolaus Harnoncourt der historischen Aufführungspraxis den Weg geebnet. Mit Tanzmusik
von Haydn und Schubert bis Lanner geben diese langjährigen Partner ihr Dortmund-Debüt.
Mi 08.06. 2011 · 20.00
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Texte Christoph Vratz
Fotonachweise
S. 04 © Hans-Georg Kaja · Konzerthaus Dortmund
S. 08 © Hans-Georg Kaja · Konzerthaus Dortmund
S. 12 © Hans-Georg Kaja · Konzerthaus Dortmund
S. 16 © Hans-Georg Kaja · Konzerthaus Dortmund
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