Interview von Leslie Mandoki und den Soulmates

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Interview von Leslie Mandoki und den Soulmates
Interview von Leslie Mandoki und den Soulmates
Frage 1: Herr Mandoki, Sie halten wohl nicht viel von der These, dass viele Köche den Brei verderben oder? Ich habe rund 30 Musiker auf Ihrem neuen Album
„Aquarelle“ gezählt...
Antwort: Grundsätzlich ist es in der Tat so, dass viele Köche den Brei verderben könnten. Allerdings handelt es sich bei unseren Alben und Konzerten
ausschließlich um eine Versammlung von Legenden bildenden Bandleadern und ikonenhaften Masterminds, die aufgrund ihrer Empirik genau wissen, dass zu
viel Ego auch Destruktivität hervorbringen kann. Es geht aber um eine musikalische Wertegemeinschaft; es geht nur um gemeinsames Musizieren. Somit ist
klar, dass ein solches Projekt nur unter vorgegebenen künstlerischen Koordinaten funktioniert.
Am liebsten lasse ich aber meine Mitmusiker zu dieser Frage Stellung nehmen:
Ian Anderson: „Leslie is the master-chief in the kitchen, mixing all these exotic spices and mystical musical influences together. He is a great musician and it’s
very rare that you get good musicians and good record producers in the same person. The performance is, what Leslie is looking for, I guess. He is the
mastermind – we just turn up for work.”
Steve Lukather: “Leslie is like the Hungarian Quincy Jones. He has become a friend of mine and I want to work with him – anytime he wants me to play, I’m
there!”
Jack Bruce: “I think Leslie’s great talent is the vision that he has…he actually can hear who’s going to be doing what, how it’s gonna be realised. That’s a great
talent to have. The one who comes to my mind, the greatest person who had that kind of talent was Duke Ellington that I can think of.”
Peter Maffay: “Dieses Projekt ist sehr, sehr gut gecoacht…das ist eine ganz herausragende Eigenschaft von Leslie, dass er viele Menschen zusammenführen
kann, in einem Projekt bindet und daraus etwas Schönes gestaltet.”
Al Di Meola: „Working with Leslie was really a pleasure. To keep the balance was really Leslie’s job. You know, I hardly work with anybody else. It’s his
concept, and I’m landing with what I do in the ground of what he’s doing. So, a lot has to be said about Leslie’s personality, and how he can bring everybody
together; that’s a great testament to his ability to produce. Great producers pull people together, and he has done that.”
Randy Brecker: “The music was very well thought out and not easy to play. We played their arrangements, which were very difficult, but very well written. We
gave some input – told them what we thought about the arrangements but basically, everything was written, and expertly written by the Mandoki group. Also
the other people were very well conceived – all very well thought out by Leslie himself, which is a very big compliment, I think. He is a very excellent musician.”
David Clayton-Thomas: “Well it is a kind of a gathering of people who are all leaders themselves, which means…also it’s very opinionated people, very strong
opinions. It takes a real diplomat, like Leslie to de-balance-everybody – you know – to prevent everybody from one person – you know – because we are all
bandleaders… In my band, what I say that goes. This is the law. And the same with Jack, and the same with Ian, and you know we are very, very strong
opinionated, very strong characters, but Leslie is so good in balancing everybody, he makes everybody feel very much at home.”
Interview von Leslie Mandoki und den Soulmates
Frage 2: Mit diesem Allstar-Projekt setzen Sie auf analoge handgemachte Musik. Damit stemmen Sie sich gegen eine Entwicklung, die Sie doch eh nicht
aufhalten können – so wie es Bob Dylan einst in „The Times they are a-changin“ geschildert hat.
Antwort: Bob Dylan hat Recht und kein Mensch will oder kann die Entwicklungen aufhalten. Unsere tägliche Arbeit, mit der wir unsere Kundschaft bedienen, ist
das Produkt ausgefeiltester und modernster Digitaltechnologie. Bei diesem einen Projekt jedoch pflegen wir die Tugend der handgemachten und analog
aufgenommene Rockmusik. Die Balance von Form und Inhalt wird für sich einerseits idealistisch, andererseits gewissermaßen virtuos definiert. In einer sich
radikal verändernden Welt bleibt eines erhalten, die Klangästhetik handgespielter, analog aufgenommene Musik, die weder trendy, noch cool und keineswegs
formatgerecht ist, aber grundehrlich und authentisch. Alles verändert sich, aber einige Dinge bleiben. So werden heute die Liebeserklärungen eher per SMS
versandt, wo doch einem mit Füller geschriebenen Liebesbrief eine tiefere Bedeutung innewohnt. So ist unsere Musik gemeint.
Frage 3: Sie werfen der Musikindustrie vor, uns jahrelang mit konfektionierten Formaten überschwemmt zu haben. Sind Sie als unabhängiger
Musikunternehmer eigentlich klammheimlich froh über den Zusammenbruch der Branche?
Antwort: Wir haben mit unserem Studio und dem Musikproduktionshaus, sowie dem Verlag, auch von einer konfektionierten, zwangsvisualisierten, sehr
stromlinienförmigen und sozialpornografisch vermarkteten Popmusik profitiert. So wie N’Sync das letzte große internationale Beispiel für gut gemachte,
konstruierte und gleichwohl nichtssagende Popmusik war, haben wir in diesem Genre mit den No Angels unseren Beitrag geliefert.
Die Implosion der Tonträgerindustrie ist tragisch für jeden verloren gegangenen Arbeitsplatz, jedoch mussten wir Musiker schon immer unseren individuellen
Weg auf’s Neue definieren, und auf „Hilfe“ hatten wir nie bauen können.
Die heutige Gegenwarts-Rockmusik als Reaktion auf den Paradigmenwechsel ist ebenso innovativ wie es in den 1970er Jahren das letzte Mal der Fall war und
deshalb wird wieder eine Welle der Autonomie auf uns zustürzen, von den Proberäumen bis zu den kleinen Clubs, was in meinen Augen mit Sicherheit auch
eine positive Entwicklung ist.
Diese Branche wurde auf der einen Seite von einer langen Liste an idealistischen, virtuosen Musikern geschaffen, von Jimi Hendrix bis Eric Clapton, von Deep
Purple bis Jethro Tull. Einhergehend damit ist auf der anderen Seite eine lange Liste von außergewöhnlichen Music-Men, die Labels gegründet haben und
Träume wahr werden ließen. In Deutschland war ein solcher unser aller Monti Lüftner. Somit war es eine von großen Individualisten geprägte Branche, und
basierend auf dem, was ich momentan höre und sehe, bin ich überzeugt, dass sie wieder das Potential schöpfen wird eine solche zu werden.
Frage 4: Apropos Konfektion: Ihre einstige Hitformation Dschingis Khan war auch nicht gerade des Wagemuts letzter Schluss. Sie kamen ja aus der
ungarischen Studentenbewegung und vom Jazz; wie konnten Sie da plötzlich Sachen singen wie: „Moskau, Moskau, Liebe schmeckt wie Kaviar, Mädchen
sind zum Küssen da, ho, ho, ho, ho, ho, ho!“?
Antwort: Die Antwort ist an sich ganz einfach. Ich bin dem Kommunismus, - wo ich als musikalisches Sprachrohr der oppositionellen Studentenbewegung galt -, durch eine abenteuerliche Flucht entkommen, wofür ich auch von den Richtern der Diktatur in Abwesenheit noch mal verurteilt wurde, und suchte nach
der Möglichkeit im „Goldenen“ Westen in Freiheit ohne Zensur und ohne Folter Wurzeln zu schlagen. Somit kam ich Dank einer Empfehlung von Klaus
Dolldinger in Ralph Siegels damaligen Studiokomplex. Die Kummulation von Ereignissen bot mir die Möglichkeit kurze Zeit später schon meine erste
Jazz-Rock Album „Back to myself“ aufzunehmen, und brachte mich mit Freunden zusammen, mit denen ich heute leidenschaftlich gerne immer wieder etwas
Neues versuche, sei es Thomas Gottschalk, Otto Waalkes oder Frank Elstner, aber auch Peter Maffay. Dass ich meinen Weg konsequent zu meinen Wurzeln
und meinen Teenager-Träumen gesucht habe, ist ein künstlerisches Selbstverständnis, eben schon 1980 mit dem Album „Back to myself“.
Interview von Leslie Mandoki und den Soulmates
Frage 5: Mit den Soulmates sind Sie zu Ihren Jazzwurzeln zurückgekehrt und haben Spitzenkönner wie Steve Lukather, Till Brönner oder Bill Evans
zusammengetrommelt. Wie erklären Sie sich Ihre Wertschätzung in Kollegenkreisen, die ja bei der Kritik oft nicht ganz so ausgeprägt war?
Antwort: Was die Kritiker angeht, wurde unsere Arbeit weltweit mit extremst guten Rezensionen versehen. Die schreibende Zunft ist sowieso selbstredend
unsere Seelenverwandte, die viel dazu beigetragen hat, dass wir den Weg zu unserem Publikum finden.
Was die Kollegen über unser Projekt denken, lasse ich sie lieber selber sagen:
Nik Kershaw: „I’ve always dreamed of playing together with all these guys of the jazz scene like Michael Brecker, Anthony Jackson and it’s great that I can do
it on Leslie’s albums. It’s brilliant to be part of a project with all these guys on it.”
Chaka Khan: “We’ve come together in a good way for one beautiful purpose and this is what this project means to me. It is needed more that different guys
from different walks of music come together an fuse. I felt perfectly at home doing this project.”
Al Di Meola: “The wonderful world of Leslie and Laszlo as a writing and production team has been a remarkable story! This story carries itself into the heart of
their musical vision. A musical universe that embodies a cross section of pop and jazz icons. The rare assemblage of fine musicians has been extraordinary on
their projects throughout the years, and more important is the extreme warmth of mutual admiration and friendship that prevails!”
Bobby Kimball: “Anytime this crowd of people gets together for an event I know it’s gonna be a big event, because all of them are absolutely top of their
game…and I know that a little piece of my heart will be there forever. We are melting together as a group now; and each one of them feels a little more like:
“Let’s get the band together and play a concert.”
Frage 6: Sie hängen Ihr Projekt sehr hoch, sprechen von „radikaler Intensität“ und „dem wahren Sinn des Musizieren“. Tut’s nicht auch eine Nummer kleiner?
Schließlich spielen Sie einfach nur guten alten Fusionrock.
Antwort: Musik ist nur dann gut, wenn sie leidenschaftlich, sinnlich, „Message“ schwanger, intelligent ist und ihre eigene, individuelle Form sucht. Ob es zu hoch
gehängt ist? Unsere Aufgabe als Musiker ist es, uns jedes Mal auf ein Neues zu übertreffen und alles dafür zu tun, dass uns dies auch gelingt. Tiefer dürfen wir
diesen Anspruch, der auf dem persönlichen Bedürfnis nach Ausdruck und Kreativität gründet, nicht hängen. Das wäre unanständig unserem Publikum, aber
auch unseren Rezensoren gegenüber.
Frage 7: Wann hatten Sie eigentlich zuletzt eine Frisur, die im Trend war?
Antwort: Ich war noch nie modisch, trendy oder cool. Weder künstlerisch, noch gesellschaftspolitisch und auch nicht, was mein Outfit betrifft.
Frage 8: Ihr Outfit – Lockenmähne, Schnauzer – ist jedenfalls legendär und hat etwas Ikonografisches; Sie stehen damit in einer Reihe mit Charlie Chaplin und
Frank Zappa. Wie oft mussten Sie schon der Versuchung widerstehen, daran etwas grundsätzlich zu ändern? Und was hat Sie letztlich dann doch davon
abgehalten?
Antwort: Auf dieser Prämisse gründend musste ich der Versuchung gar nicht erst widerstehen. Ich habe mich seit meinem Abitur – (bis dahin gab es während
der Diktatur strenge Vorschriften) –, mal abgesehen von den Spuren des radikal intensiven Künstlerlebens –, outfit- und stylingmäßig nicht verändert, die
Haare, der Schnauzer, die 501-Jeans, und Chucks Turnschuhe. Die Welt mag sich verändern, aber einiges bleibt, vor allem unsere Musik.