die trüffel der käse: belper knolle

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die trüffel der käse: belper knolle
KÄSE
ANDERE SPIELEN GOLF,
SQUASH ODER ROULETTE.
ER BRAUCHT DEN WALD.
ES IST SCHONZEIT. ER
WIRD NICHTS SCHIESSEN.
DARAUF KOMMT ES IHM
NICHT AN. ER TAUCHT EINFACH GERNE IN DIE RUHE
DER DÄMMERUNG EIN.
DIE STILLE IST SEIN AUSGLEICH FÜR DAS GEWUSEL
AUF DER HÜTTE.
jeder Vegetarier schwach“, sinniert der Ehemann und bestellt die landestypischen Gerichte. Am Nachbartisch lässt sich ein athletischer Mountainbiker nieder. Morgens ist er
aus Innsbruck losgefahren, jetzt bekommt er
sein Rehgulasch. Auch er, wie viele andere, ist
ein „bekennender Fan“ der Albert-Link-Hütte.“
Als ihm Ute Werner sein Weißbier hinstellt, lächelt er. Verschwitzt, erschöpft und selig.
Viele Gäste wollen das Brot, die Wildsalami, den Wildschinken, das Löwenzahn-, das
Hollergelee und weitere regionale Produkte
kaufen. Straßenverkauf ist völlig untypisch
für eine Hütte, aber auch diese Innovation
mehrte die Mundpropaganda. Im wahrsten
Sinne des Wortes. Für ihn ist der Schlüssel
zu seinem Erfolg die konsequente Direktvermarktung. Uwe Gruber lacht. Er mag es,
wenn Menschen was vom Essen verstehen,
seine Qualität wertschätzen und betrachtet
zufrieden sein Reich. An jedem Tisch sitzen
Gäste. Meist Tagestouristen aus München
und Umgebung. Zu manchen setzt er sich.
Zeit zum Plaudern muss sein. Dann wird er
wieder in der Küche gebraucht. Drinnen im
Gastraum fühlt man sich wie im Heimatfilm.
Jagdtrophäen hängen an den Wänden. Der
Kachelofen steht im Zentrum des Raums.
Uwe Gruber bindet sich wieselflink eine
Schürze um und hilft in der Spülküche aus.
Später erfordert der große Andrang auf den
Kaiserschmarrn neuen Teig und jede Menge Eischnee. Da steht er dann an der Knetmaschine im Keller. Kaum ist das erledigt,
findet man ihn vor einem surrendem Computer wieder. Bestellungen aufgeben. Emails
beantworten. Er wischt sich mit der Hand
übers Gesicht. Viel Arbeit für einen Ruhetag.
Sobald er Zeit hat, wird er das auf der Homepage streichen. Im Büro, das nicht größer ist
als ein begehbarer Schrank andernorts, gibt
es eine Mappe mit Zeitungsartikeln über die
Veränderungen in der Albert-Link-Hütte. Dass
sich ein Ostdeutscher im Herzstück der bayerischen Mia-San-Mia Mentalität in die Landbevölkerung integrierte und sich obendrein
den Respekt der Ureinwohner erwarb, war
dem Focus und der Süddeutschen eine Geschichte wert. Der Ritterschlag für Uwe Gruber kam jedoch nicht von der Presse. Er kam
vom Bauern, von dessen Hof er die Butter
bezog. Ein Jahr lang bestand die Kommuni-
kation von Seiten des Bauern einzig aus einer
wortkargen Begrüßung und einem schlichtem Abschied, aus „griasdi“ und „pfiadi“, während seine Tochter die Geschäfte abwickelte.
Dann, nach einem Jahr klopfte er dem Vogtländer auf die Schulter und lobte mit Stolz in
der Stimme: „Guad, dass du de Hüttn griagt
host und koa andra Depp vom Alpenverein!“
Uwe Gruber schaut auf die Uhr. Zeit
sich zu verabschieden. Andere spielen Golf,
Squash oder Roulette. Er braucht den Wald.
Es ist Schonzeit. Er wird nichts schießen.
Darauf kommt es ihm nicht an. Er taucht
einfach gerne in die Ruhe der Dämmerung
ein. Die Stille ist sein Ausgleich für das Gewusel auf der Hütte. Bei seiner Rückkehr ist
es dunkel. Die Tagestouristen sind wieder in
München und auch seine eigenen Übernachtungsgäste schlafen tief und fest. Er holt sich
Käsespatzen. Bis die Spatzen warm werden,
schaut er durch das offene Fenster über den
Sternenhimmel. Das Gebirge am Spitzingsee mit seinen Tälern lädt selbst nachts zu
einem weiten Blick ein, für Uwe Gruber eine
Aufforderung, „seinen Blick über den Tellerrand zu erheben.“ Er schaut auf den Berg
Spätzle und wickelt die geschmolzenen Käsefäden um seine Gabelzinken. Für ihn ist
der kulinarische Wandel auf der Albert-LinkHütte „ein Experiment, das geglückt ist.“
Nicht nur für ihn. Wer einmal hier war, kommt
immer wieder.
Valepper Straße 8, 83727 Schliersee-Spitzingsee, Tel. 08026/71264. Täglich an 10
Uhr. Außerhalb der Saison Mo Ruhetag.
www.albert-link-huette.de
Salzburger Autobahn bis Weyarn, über
Miesbach nach Schliersee, am Ortsende rechts auf der Spitzingseestraße bis
zum Spitzingseesattel, weiter in den Ort
Spitzingsee. Vor der Kirche das Auto auf
dem gebührenpflichtigen Parkplatz abstellen und zu Fuß die Forststraße an der
Schranke zwischen Kirche und Alte Wurzhütte einbiegen. Der Beschilderung zur
Albert-Link-Hütte folgen. Zehn Gehminuten von der Schranke aus.
DIE TRÜFFEL DER KÄSE:
BELPER KNOLLE
Entdeckt haben wir sie auf dem diesjährigen Tölzer Käsefestival und seither hat uns die
Begeisterung für diese Spezialität nicht mehr losgelassen. Rund acht Euro kosten die
60-70 Gramm schweren Knollen. Doch woher kommen sie und wie werden sie gemacht?
FOODHUNTER war der Belper Knolle auf der Spur.
V O N D I R K VA N G E R O W
D
ie einen hobeln sie hauchdünn über
frische Pasta, die anderen über Carpaccio oder gar frisches Lachstartar.
So kurios vor allem Letzteres klingen mag, es
schmeckt. Ein Schweizer Sternekoch kombiniert die Belper Knolle hingegen am liebsten
mit Ei und echten Trüffeln. Sein Rezept: kleine Form mit Backpapier auslegen, Eischnee
schlagen, zur Hälfte befüllen, Eidotter sanft
ins Schneebett fallen lassen und mit restlichem Eischnee bedecken. 20 Minuten in den
Ofen. Aus der Form nehmen, auf Spinat anrichten, mit Walnusshälften und Spänen von
echter Trüffel und Belper Knolle garnieren.
Fertig. Geht auch über Spiegeleiern.
Doch was macht sie so einzigartig, diese
Knolle? Der Weg zur ihrem Geburtsort führt
über Bern Richtung Thuner See ins beschauliche Belp. Schweizer Bilderbuchlandschaft
und die Heimat eines Familienbetriebs, der
„Chäserei Glauser Belp“. Die hat sich seit
zwei Jahrzehnten der Produktion feiner Käsesorten verschrieben. Ihre inzwischen bei
Gourmets begehrte Belper Knolle, fachlich
schlicht definiert als „Knoblauchfrischkäse
in schwarzem Pfeffermantel“, entdeckten
Peter Glauser und sein Neffe Mike allerdings
zufällig, beim Aufräumen des Käsekellers.
Vor einigen Jahren war das. Im hintersten
Winkel fanden sie vergessene Frischkäseknollen, steinhart geworden. Wie lange sie
dort lagerten, vermochte niemand zu sagen. Neugierig kosteten die Glausers von
ihrem Zufallsprodukt, stellten schnell fest,
dass dieser Käse, der übrigens nicht stinkt,
hauchdünn gehobelt werden muss, um sein
Aroma zu entfalten. Der Geschmack ist einmalig, würzig, kräftig und zugleich fein. Nach
und nach machte die neue Käseentdeckung
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die Runde. Heute reist Mike sogar bis nach
Japan oder in die USA, um seine Knollen an
den Koch zu bringen. Doch wie entsteht der
neue Liebling zahlreicher Gourmetküchen?
Basis ist eine von Hand gerollte Frischkäseknolle – nicht Kugel, darauf legt Peter Glauser
allergrößten Wert, denn Kugeln seien immer
gleichrund, sagt er, und die Belper Knolle hat
nun mal den Reiz des Unvollkommen – aus
dickgelegter Rohmilch. Die kommt von den
Nachbarn, denn die haben die besten Milchkühe der Umgebung. Dem Basisquark, der
nicht zu trocken und nicht zu flüssig sein
darf, wird Himalajasalz und frischer Knoblauch zugegeben. Dann wird von Hand gerollt
und die Knolle in Pfeffer so lange gewälzt,
bis sie eine schöne Hülle erhält. Danach
kommen die Wackelkandidaten in den Keller.
Die weichen Frischkäseknollen lagern dort
mindestens neun Wochen. Während dieser
Zeit entschwindet die Feuchtigkeit und entwickelt sich das Aroma. Belüftung und Temperatur sind entscheidend. – Und liebevolle
Handarbeit, denn Mike Glauser schaut sich
regelmäßig jede Knolle an, dreht und wendet
sie und prüft den optimalen Reifezustand.
Dass Sternköche und Gourmets weltweit
ganz wild auf ihre Käsespezialität sind, ist
für die bodenständigen Schweizer immer
noch überraschend. Auch große Lebensmittelketten haben bereits Interesse bekundet.
„Das kommt für uns nicht in Frage. Die Belper Knolle ist etwas Einmaliges und so wird
sie auch vertrieben“, sind sich Mike Glauser
und sein Partner Jürg Wyss einig. So ist und
bleibt sie etwas Besonderes, diese Knolle.