brennpunkt 3/2013

Transcrição

brennpunkt 3/2013
brennpunkt
3/2013 4,00 Euro
29. Jahrgang
Magazin für Fotografie
Juli bis September 2013
Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene
Portfolio Nadine Dinter
FÜR ORIGINALE
„Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen
Büttenpapieren und modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal
zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere
mit edler Haptik und bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen
oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke
mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de
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P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T .
Impressum:
brennpunkt
Magazin für Fotografie
Erscheint vierteljährlich,
erhältlich in Fotogalerien,
Geschäften, Buchhandlungen
und über Abonnement.
Jahresabo 13,50 Euro
Einzelpreis 4,00 Euro
Konten:
Postbank Berlin
Konto-Nr. 3751 06-104
BLZ 100 100 10
Redaktionsschluss:
jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat
Herausgeber:
edition buehrer
c/o Dietmar Bührer
Odenwaldstraße 26
12161 Berlin
Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27
e-Mail: [email protected]
Internet: www.edition-dibue.de
Copyright bei Edition
Druck:
schöne drucksachen
Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin
Redaktion:
Dietmar Bührer V.i.S.d.P.
Michael Gebur
Klaus Rabien
Manfred Kriegelstein
Udo Rzadkowski
Hinweis:
Für unverlangt eingesandte
Manuskripte und Fotografien
wird keine Haftung übernommen.
Andy Warhol & Weegee, o.J. © Weegee/
Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2013
Galerien
 Ute Behrend »Conifer Club / Second Glance« ...................................................
 CAMERA WORK rocks ......................................................................................
 Lutz Matschke »Schaufenster Berlin« .................................................................
 AnnA J. Franken »Versunken« .............................................................................
 Janos Frecot »Die Jahre mit der Kamera« ...........................................................
 Arnd Weider »Foucault´sche Interieurs« .............................................................
 Marek Požniak »Berlin-London-New York« .......................................................
 Christian Reister »BERLIN TRILOGIE« ................................................................
 125 Jahre NATIONAL GEOGRAPHIC ................................................................
 Kristin Maria Hachenberg »WASSER - SPIEGEL« .................................................
 Lutz Müller-Bohlen »Faces of Rock« ...................................................................
 Frank Machalowski / Thomas Graichen »laut & leise« .........................................
 Schidlowski, Sperling, Sundheim, Tschirner, Warmuth ........................................
 Efraim Habermann »Berlin und auch Wilmersdorf« .............................................
 Shooting Kitty – neun Fotografen, ein Model ......................................................
 Ingo Porschien »Someone’s going to win the Lottery. Just not you.« ..................
 Calin Kruse »Raunen« ........................................................................................
 Klassenausstellung »9Blickwinkel« ......................................................................
 Harakiri / alles wird gut ......................................................................................
 Dietmar Bührer »Grauzone Knast« .....................................................................
 Bastienne Schmidt »Rituale« ...............................................................................
 Sameer Makarius »Buenos Aires in the Sixties« ...................................................
 The Flood Wall II – Projektion und Ausstellung um das Fotobuch .......................
 Karin Idelson & Anke Schüttler »Privado« / »Book of Life« ..................................
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Galeriebesprechungen
 Mixed Pixels (Klaus Rabien) ...............................................................................
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Ausstellungen in Berlin ............................................................................................
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Ausstellungen
 Justine Wodtke »Jenseits der Schärfe« .................................................................
 Ursula Kelm »weit draußen und tief drinnen« ......................................................
 Weege »The Famous« ........................................................................................
 Ono Ludwig »Ikonen und Helden Werkschau« ..................................................
 about – 16 fotografische Positionen.....................................................................
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Portfolio
 Nadine Dinter .....................................................................................................
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Fotoszene
 UPON PAPER .....................................................................................................
 Pepper & Winfried Bullinger ...............................................................................
 Efraim Haberman »zum 80.« ...............................................................................
 brennpunkt AWARD 2013 ..................................................................................
 Michael Gebur, Ulrich Meyer »Leben am Mekong« ............................................
 Dietrich Oltmanns »Arche bauen ...« ..................................................................
 Edition Carpentier ...............................................................................................
 Kann man einem Bild trauen? (Manfred Kriegelstein) ..........................................
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Buchbesprechungen
 Harald Hauswald »Ferner Osten« ......................................................................
 Der große Fotokurs ............................................................................................
 Fotografie als Meditation ...................................................................................
 Naturfotografie – die große Fotoschule ...............................................................
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Vorschau 4-2013 .....................................................................................................
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Galerien
Ute Behrend
»Conifer Club /
Second Glance«
Ute Behrend arbeitet mit Bildpaaren,
die sich wie in ihren in der Alfred Ehrhardt Stiftung gezeigten Serien »Second
Glance« und »Conifer Club« zu Bilderzählungen zusammenfügen. Ihre
Zusammenstellungen schaffen Assoziationsräume, die über das Einzelbild
hinaus weisen. Dabei berücksichtigt
die Künstlerin, dass das visuelle Assoziationsvermögen dem Sprachsystem
voraus geht. Anders als die Sprache
oder die Schrift greift die Fotografie als
sehr direktes Mitteilungsmedium offensiv in die Vorstellungswelt ein. Die poetische Kraft ihrer Bilder beruht darauf,
dass sie Gefühle von Berührtsein oder
Unbehagen auslösen, die sich nicht
erklären lassen. Für Ute Behrend sind
»Intuition und die Suche nach Klarheit«
die wichtigsten Parameter ihres künstlerischen Schaffens.
Ute Behrend, 2011,
47,7 x 60 cm, Fine Art Print, © Ute Behrend, (Original in Farbe)
In der eigens für die Alfred Ehrhardt Stiftung konzipierten Serie »Conifer Club«
untersucht die Künstlerin ein gesellschaftliches Phänomen und seine Institutionalisierung: dass Koniferen als
Platzhalter und Projektionsflächen für Ute Behrend, 2011, 47,7 x 60 cm, Fine Art
private oder öffentliche Inszenierun- Print, © Ute Behrend,
gen ihrer Freiheit beraubt und »verschö- (Original in Farbe)
nert« werden. Die gestutzten Bäume
und Hecken bezeugen auch »das vor- misstrauisch beäugt, zur Rede gestellt,
programmierte Scheitern der rührenden ihre Autonummer wurde notiert, sie
Bemühung, dem eigenen Dasein viel- wurde beschimpft und zu guter Letzt
leicht doch so etwas wie Größe zu ver- - Ironie der Sache - hat man sie auch
leihen« (Ute Behrend). Koniferen sind fotografiert. »Bleibt die Frage nach
oft in bestimmten Dörfern und Stadt- der Pflanze: Mögen unsere schönen
vierteln anzutreffen, wo sie von einem Brüder und Schwestern dies, was man
erkennbaren Willen zur Gestaltung mit ihnen tut? Schwer zu sagen, aber
zeugen. Die Sehnsucht des Hausbesit- eines ist sicher, sie wehren sich gegen
zers nach einer leicht zu reinigenden die Form. Sie sind nur an Licht interesAußenanlage führt manchmal zu Tris- siert und dahin geht ihr tägliches Stretesse. Koniferen erscheinen als idea- ben. Zur wahren Größe eben«.
les Mittel, dem abzuhelfen. Außerdem Ute Behrend
bieten sie Sichtschutz, garantieren Privatheit und kommen dem Bedürfnis
nach Sicherheit entgegen. Für die Foto- Eröffnung:
grafin war es daher nicht immer einfach, Freitag, 5. Juli 2013 um 19 Uhr
diese Serie zu fotografieren. Sie wurde in Anwesenheit der Künstlerin
Ute Behrend, 2012,
47,7 x 60 cm, Fine Art Print, © Ute Behrend,
(Original in Farbe)
6. Juli bis 22. September 2013
Alfred Ehrhardt Stiftung
Auguststraße 75
10117 Berlin-Mitte
Di – So
11 – 18 Uhr
Do
11 – 21 Uhr
www.alfred-ehrhardt-stiftung.de
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Galerien
CAMERA WORK
rocks
Die eigenkuratierte Ausstellung zeigt
mit über 100 Photoarbeiten der bekanntesten Künstler der Welt eine Auswahl
an herausragenden Porträts der einflussreichsten Musiker der vergangenen Jahrzehnte.
Zwischen Selbstverwirklichung und
Selbstinszenierung Bedeutsame Porträtphotographien können ein Leben
erzählen, das Persönlichkeitsbild und
die Reputation in der Öffentlichkeit
prägen, ein Image kreieren oder manifestieren und sich letztlich im kollektiven Bewusstsein verankern. Ein visuelles Bild korreliert mit dem Denkbild
des Rezipienten und vervollständigt den
Blick auf und die Meinung über die Persönlichkeit. Die Darstellung eines Musikers in der Photographie ist differenziert zu betrachten: Paparazzi-Aufnahmen, Dokumentar- oder On- Stage-Photographien besitzen sowohl einen individuellen ästhetischen als auch inhaltlichen Charakter und dienen jeweils
anderen Verwendungszwecken. Alleinig der Photokunst bleibt es aber vorbehalten, eine Symbiose zwischen
dem Photographen und dem Porträtierten entstehen zu lassen und das Bestreben beider nach künstlerischer Selbstverwirklichung umzusetzen. Nur dieses
gemeinsame »Spiel« der Protagonisten
lässt künstlerische Arbeiten entstehen,
die sich durch eine herausragende Bildsprache, eine besondere Ausdruckskraft
und Wirkung sowie einen teilweise inszenierenden, narrativen und stets faszinierenden Inhalt auszeichnen – und
»CAMERA WORK rocks« gibt Einblick in
diese Sphäre. Photographen wie Richard
Avedon, Anton Corbijn, Annie Leibovitz,
Gered Mankowitz oder Albert Watson
haben viele der berühmtesten Musiker und Bands aus der Geschichte des
Rock und Pop zu Symbolen eines Lifestyles geformt und mit ihnen gemeinsam
einen bedeutenden Teil zur Prägung der
Photokunst beigetragen.
Queens, Bad Boys und Chamäleons Dementsprechend nicht als Chronik der Musikgeschichte, sondern als
exklusive Auswahl herausragender Porträts der Photokunst aus über fünf Jahr6
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© Ellen von Unwerth, Rihanna, 2009
zehnten zeigt »CAMERA WORK rocks« Künstlers Ralph Mecke. Auch Meister
insgesamt über 100 Arbeiten mit mehr der Selbstinszenierung und Enfant Terals 30 Musikern und Bands, photogra- ribles wie die Rolling Stones – photographiert von über 20 der berühmtesten phiert von Sante D’Orazio, Peter LindPhotokünstler. Unter den ausgestellten bergh oder Terry O’Neill – und Iggy Pop
Arbeiten befinden sich u.a. die legen- sind Teil der Ausstellung, die auch zahldäre Beatles-Serie von Richard Avedon, reiche weltbekannte Photographien von
berühmte Porträts von Johnny Cash oder David Bowie präsentiert. Brian Duffys
Tom Waits von Anton Corbijn, eines großformatiges Porträt von Bowie, welder bekanntesten Jimi-Hendrix-Port- ches 1973 für sein Album »Aladdin
räts aller Zeiten von Gered Mankowitz Sane« gemacht wurde oder Albert Watoder eine moderne Photomontage im sons surreal anmutendes Bild des SänPanoramaformat von Kanye West des gers offenbaren die Wandelbarkeit und
Galerien
© Anton Corbijn, Patti Shmith
© Olaf Heine, Snoop Dog, Los Angeles, 2004
Kander, Astrid Kirchherr, Steven Klein,
Robert Lebeck, Annie Leibovitz, Peter
Lindbergh, Gered Mankowitz, Elaine
Mayes, Ralph Mecke, Romney Müller© Herb Ritts, Elton John, WITH TOP HAT, Los Angeles, 1989
Westernhagen, Eugenio Recuenco,
Terry O’Neill, Bettina Rheims, Herb
das verinnerlichte Kunstverständnis des pittoresker Ganzkörperakt der Sängerin Ritts, Paolo Roversi, Jerry Schatzberg,
»Chamäleon des Pop«. Zwischen fan- Rihanna von Russell James reihen sich Martin Schoeller, Ellen von Unwerth,
tasievoller Eigendarstellung und selbst in bedächtige, melancholische und fein- Albert Watson, u.a.
kreierter Kunstfigur bewegen sich nicht fühlige Darstellungen ein. Der Rapper
nur die Porträts von David Bowie. Auch Snoop Dogg in kriegerischer Pose, phoLady Gaga oder Boy George entfalten tographiert von Olaf Heine, oder eine
vollends ihr Dasein als extravagante Darstellung von Sting mit der bekannt
Schöpfungen in den Werken Ellen sinnlichen Bildästhetik von Paolo bis 17. August 2013
von Unwerth oder Michel Comte und Roversi offenbaren ruhige Stimmunerhalten ihre gerahmte Würdigung bei gen und zeigen eine weitere Facette Galerie Camera Work
»CAMERA WORK rocks«.
der emotionalisierten Inszenierung von Kantstraße 149
Dabei ist es nicht immer der exzent- Musikern in der Photokunst.
10623 Berlin-Charlottenburg
rische Wahnsinn und stereotypisierte
»Sex, Drugs and Rock’n’Roll«-Lebens- Künstler in der Ausstellung
Di – Sa 11– 18 Uhr
stil, der von Musikern nach außen Richard Avedon, Harry Benson, Michel
getragen werden muss. Ein provoka- Comte, Anton Corbijn, Michelangelo Homepage:
tives Madonna-Porträt von Herb Ritts, Di Battista, Sante D’Orazio, Brian www.camerawork.de
ein laszives Gruppenporträt der Pussy- Duffy, Bob Gruen, Olaf Heine, Domi- Facebook:
cat Dolls von Martin Schoeller oder ein nique Issermann, Russell James, Nadav www.facebook.com/cameraworkberlin
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Galerien
Lutz Matschke
»Schaufenster Berlin«
Was ist wirklich? Was spiegelt wen?
Angezogene Puppen hinter Glas. Lutz
Matschke fotografierte in Berlin die
Resultate einer Textilindustrie, der
Modebranche, inszeniert in Schaufenstern. Das Zur-Schau-Gestellte sucht
stetig unseren Blick. Wir stehen an der
Seite des Fotografen und blicken von
Außen. Wir behaupteten, wir wären
achtlos an den Schaufenstern vorüber
gegangen und ahnen doch, dass das nur
die halben Wahrheit ist.
Diese Fenster sind Teil einer Stadtkultur. Sie üben ihren Einfluss aus, haben
Showcharakter, sind gegebenenfalls
Event. Hier wird nicht aufgeklärt; hier
wird geprägt. Das Geschäft ist dabei
längst gemacht.
Was wird dabei wem versprochen oder
gehen wir mit dieser Frage bereits allem
auf den Leim? Nicht zu übersehen: Individualisierungsverpflichtung als Chimäre eines Konsumversprechens. Die
Folie: ein temporäres Ideal. Subjektivität, die ihre Zeit hat und auf der Haut
getragen wird. Massenkonsum als Lieferant der Selbstinszenierung. Werbung
als Verheißung, dass dies auf diesem
Wege möglich sei (als schlössen sich
Masse, Konsum und Subjekt nicht aus).
Und schließlich: nicht selber sehen aber
gesehen werden. Fassaden scheinbarer
Bewegung. Moralischer Verschleiß.
So viel Haut – und dennoch entsteht
keine Erotik, nichts Amouröses. Es sind
Oberflächen und diese werden zu
Markte getragen; sie sind glatt, steril,
aseptisch. Hinter den Scheiben Atmosphären von lauwarm bis kalt.
Die Fantasie der Hersteller trifft auf die
Fantasie der Werbegestalter, die nicht
zwangsläufig eine freiwillige sein muss.
Es wird nicht denunziert. Die Abhängigkeiten sind zu klar. Meinung ist nicht
gefragt. Spannend wäre es allerdings.
Alle funktionieren – und das sieht man
- bis zum nächsten Mal.
Die Fotografien deuten an, dass diese
Räume ein Gegenüber haben; es muss
irgendwo eine Gesellschaft geben. Bestenfalls ist sie es, die diesen Stillstand
aufhebt und die dem Schein ein Ende
macht.
Uwe Warnke, Mai 2013
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© Lutz Matschke, »CHANEL Berlin«, June 2011, LM 0128, (Original in Farbe)
bis 18. Juli 2013
unterwegs
Antiquariat & Galerie
Torstraße 93
10119 Berlin-Mitte
© Lutz Matschke, »STOFFHAUS Berlin«,
Friedrichshain, March 2011, LM 0126,
(Original in Farbe)
Di – Fr
Sa
15 – 19 Uhr
12 – 15 Uhr
Galerien
AnnA J. Franken
»Versunken«
AnnA J. Franken begann während ihres
Stipendiums vom Fonds voor Podiumkunsten für Tangogesang in Buenos Aires
(2011-2012) die Arbeit ihrer Musikerkollegen fotografisch zu dokumentieren.
Ihr Fokus lag hierbei auf dem Einfangen der faszinierenden Atmosphäre von
Konzerten: geprägt von den schummrig
bis grellen Lichtverhältnissen der Theater, Bars, Spelunken und Wohnzimmer
der Tangueros, dem Lebensgefühl der
Menschen die den Tango erleben und
dieses durch individuelle Mimiken und
Gesten ausdrücken.
© AnnA J. Franken
© AnnA J. Franken, (Original in Farbe)
© AnnA J. Franken
Gesichter waren und sind der Schwerpunkt ihres fotografischen Tuns. Die
Sängerin sucht das Gespräch mit der
Person die sie portraitiert, sei es der
Violaspieler im Café bei Probenpausen, die Journalistikstudentin inmitten
ihrer viel zu kleinen Einzimmerwohung
oder das Liebespaar das den Moment
ihrer ersten Begegnung Revue passieren
lässt. Es entstehen intieme Momentaufnahmen von Menschen die Geschichten aus ihrem Leben erzählen.
bis 6. September 2013
Caritas Galerie Berlin
Residenzstraße 90
13409 Berlin-Wedding
© AnnA J. Franken, (Original in Farbe)
Mo – Do 8 – 17 Uhr
Fr
8 – 15 Uhr
und nach Vereinbarung
Telefon 030 666 331 044
www.caritas-spenden-berlin.de
www.facebook.com/caritas.
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Galerien
Janos Frecot
»Die Jahre mit der
Kamera«
Manche Wunden des Krieges in Berlin
waren bereits geheilt, als Janos Frecot
zwischen 1964 und 1966 mit seiner
Kamera durch die Stadt flanierte, ganz
im Geiste Franz Hessels. Er interessierte
sich für die steinernen Brachen, für die
Denkmäler auf der leeren Bühne, die der
Bombenkrieg und die Trümmerbeseitigung geschaffen hatten. In dieser Zeit
entwickelte Frecot einen genauen und
sachlichen Blick für die Berliner Architektur und stadtplanerische Details. So
entstand in kürzester Zeit ein autonomes, konzeptionelles Werk einer provisorischen Stadtlandschaft fast ohne
Menschen. Dabei konzentrierte er sich
auf einen Teil Berlins rund um die südliche Friedrichstadt sowie auf Hausfassaden und Brandwände, die er mit
all ihren Zeitspuren und großflächigen
Schattenwürfen in unvergleichlichen
Grauwertabstufungen wiedergab. Eine
genaue Lokalisierung der Aufnahmestandpunkte ist für den heutigen Bildbetrachter schwer, mitunter unmöglich,
zumal alle Bilder der Serie pauschal
den schlichten Titel »Berlin 1965/66«
tragen.
Janos Frecot wurde im Nachkriegsberlin
geprägt, nicht nur visuell. Dem jungen
Mann, geboren 1937 in Freidorf, einem
Stadtteil des westrumänischen Timisoara, und aufgewachsen in Erkner bei
Berlin, wurde die Handhabung einer
Kamera von seinem Vater vermittelt.
Doch bis zu den ersten relevanten Aufnahmen war es noch ein weiter Weg.
1957, kurz nach dem Abitur, kaufte er
sich eine gebrauchte Balgenkamera und
richtete sich bald danach eine eigene
Dunkelkammer ein. Doch erst die Aufnahmen des Bildhauersymposiums
im österreichischen St. Margarethen
von 1964 bewertet er selbst als erste
inhaltlich und künstlerisch akzeptierte
Sequenz im eigenen Werk. Sie stehen
formal den etwa gleichzeitig entstandenen Stadtaufnahmen in Berlin nahe. Eine
Auswahl von 20 Berlin-Motiven publizierte er bereits 1965 unter dem schlich10
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© Janos Frecot, Berlin 1965/66
ten Titel »Mauern« in kleiner Auflage im
Berliner Madgalinski Verlag.
Janos Frecot war in den wenigen Jahren
als Fotograf nicht am schnellen, politischen Tagesgeschehen interessiert, sondern an den langsamen, schleichenden
Veränderungen im Gefüge der Stadt. So
fokussierte er seinen Blick auf die häufig
ruinöse Gründerzeitarchitektur, gleichsam auf das Skelett der kriegsversehrten Stadt. Wir entdecken nur marginale
Hinweise auf das sich langsam normalisierende Leben in dieser aufgeräumten
Trümmerwelt, etwa auf den Zirkus Sarrasani, eine Tankstelle oder das winzige
Schild eines Fotoateliers, das als einziges inmitten von Kriegsruinen zahlende
Kunden anlocken sollte. Mauern und
die Lücken zwischen den Ruinen mit
all ihren Zeitspuren blieben bei Frecot
in den meisten Fällen Hauptmotive: So
wird auch die Leere zum Motiv, vielleicht zum Symbol für die Hoffnung
auf den visionären Architekturentwurf.
Frecot nimmt mit seiner Fotografie keine
Wertung vor, sondern zeigt schlicht den
Ist-Zustand – und legt mit seinen Bildern
der stummen, steinernen Zeugen den
Finger in die noch offene Wunde der
schwierigen, lange währenden Kriegsbewältigung.
Viele der Aufnahmen zeigen fleckige
Oberflächen der Brandwände, die auch
Zeitzeichen und Zeitschichten sind, wei-
Galerien
© Janos Frecot, Berlin 1965/66
© Janos Frecot, Berlin 1965/66
terhin Risse, an manchen Stellen abgeplatzter Putz, wodurch das Ziegelmauerwerk sichtbar wird, oder verwitterte
Werbeschriften, mit denen für Waschmittel, Leihhäuser und Beerdigungsinstitute geworben wird. An manche
Hauswände haben Kinder mit Kreide
ein Fußballtor aufgezeichnet; die freie
Fläche zwischen den Häusern wird zu
einem Rückzugsort kindlichen Spiels,
es kommt zu einer Rückeroberung und
Umwidmung städtischen Raumes.
Stets ist es ein Spiel mit Oberflächen, mit
hermetischen und blickdichten Wänden
und architektonischen Außenhäuten,
die keinen Blick auf das Dahinterliegende zulässt. Manche urbane Freifläche verwandelt sich trotz ihrer Weite in
eine klaustrophobische Enge.
Verblüffend bleibt, dass die Berliner
Mauer, die für nahezu alle damals nach
West-Berlin reisenden Fotografen zu
einem wichtigen Bildmotiv wurde, bei
Frecot überhaupt keine Rolle spielte,
ebenso wenig die Architektur der Grenzanlagen mit Stacheldraht und Wachtürmen. Dabei war Frecot immer wieder
auch in der Nähe der Mauer unterwegs;
er unterschied nicht zwischen Hauptwegen und Nebenwegen auf seinen Streifzügen über die Insel West-Berlin. Ihm
ging es nicht um eine lückenlose und
beispielhafte Charakterisierung seines
Hauptaufnahmeortes, vielmehr um eine
teilweise kaum zu lokalisierende, aber
typische Architektur der Stadt. Auf diese
Weise verschob er traditionelle Charakteristika der Stadtfotografie.
Seine fotografische Position bleibt ungewöhnlich und solitär. Die legendäre
Aufnahme des einflussreichen Grenzgängers Arno Fischer, der »Riss in der
Mauer« eines Wohnhauses in BerlinWedding von 1953, steht am Anfang
dieses grundsätzlichen wie sinnbildhaften Mauer-Themas – und wird 1965 von
Frecot mit ähnlicher Radikalität einer
Detailansicht unbewusst paraphrasiert.
Das was wir auf seinen Bildern nicht
sehen (können), ist die Begeisterung für
das Werk einiger Kollegen, stattdessen
äußerte er seine Zuneigung in Gesprächen mit Studenten oder in Form von
Essays: Die Freude etwa mit Blick auf
manche Aufnahmen von Herbert Tobias,
mit denen dieser eine zugleich freudige
und melancholische Stimmung einfing,
die wohl nur derjenige verstehen und
erspüren konnte, der damals in ähnlichen Verhältnissen in Berlin lebte und
auf diese Stadt schaute. Wer Frecot
bei seinen Vorträgen oder Seminaren
erlebte, kam in den Genuss eines tiefen
Verständnisses und einer grundlegenden Kenntnis um das Medium Fotografie – jenseits kunsthistorischer oder bildwissenschaftlicher Terminologie.
Nach den Stationen Werkbund-Archiv
und Akademie der Künste folgte 1978
eine Position, die indirekt auch die
Beschäftigung mit der eigenen Fotografie weiterführte, die er zwölf Jahre zuvor
aufgegeben hatte: Für die Berlinische
Galerie, das Landesmuseum für Bildende Kunst, baute er unter den Direktoren Eberhard Roters und Jörn Merkert
eine fotografische Sammlung auf, die
nicht nur in Berlin ihresgleichen suchte
und die er bis zur Pensionierung im Jahr
2002 leitete. Die immer weiter wachsende Sammlung wurde in zahlreichen
thematischen oder monografischen
Ausstellungen im Martin-Gropius-Bau,
dem früheren Kunstgewerbemuseum,
gezeigt – und zwar zu einem Zeitpunkt,
als es für die Fotografie in Berlin kaum
andere Ausstellungsorte gab.
So entstand ein bedeutendes Lebenswerk, aktiv und vermittelnd, von dem
ein wichtiges Kapitel, eine in nur drei
Jahren entstandene subjektive Zeitgeschichte Berlins in Bildern, nun endlich wiederzuentdecken ist.
Matthias Harder
Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch im Nicolai-Verlag:
Janos Frecot
Die Jahre mit der Kamera
Fotografien aus Berlin 1964–1966
ca. 120 Seiten, ca. 75 Abbildungen im
Duotone, ca. Euro 39,95
25. August bis 29. September 2013
Kommunale Galerie
Hohenzollerndamm 176
10713 Berlin-Wilmersdorf
Di – Fr
Mi
So
10 – 17 Uhr
10 – 19 Uhr
11 – 17 Uhr
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Galerien
Arnd Weider
»Foucault’sche
Interieurs«
Die Räume, die Arnd Weider in Berlin
und anderswo in Szene setzt, haben es
(im wahrsten Sinne des Wortes) in sich:
Denn sie tragen etwas in sich oder auf
den sie begrenzenden Wänden, etwas
Auratisches, Metaphysisches. Weider
ist mit seiner Architekturphotographie
auf der Suche nach dem Foucault’schen
Begriff der Heterotypien. Dies sind, so
der französische Philosoph Michel Foucault, wirksame Orte, in die die Gesellschaft hineingezeichnet ist – es seien tatsächlich realisierte Utopien.
Und Weider wird auf dieser Suche immer
wieder fündig. Der Flughafen Tempelhof entspricht beispielsweise diesem
Schema. Ausgestattet mit dem »Tempelhof-Schöneberger Fotostipendium«
fotografierte er dort vor zwei Jahren
ausgiebig – und nennt die Bildserie
»Das Provisorium«. Vieles in der Berliner Architektur (aber nicht nur hier)
gleicht einem Provisorium. »Zwischennutzung« ist nicht nur zu einem geläufigen, ja inflationären Begriff geworden, faktisch ist sie eine aus der Not
geborene Tugend. Und Flughäfen sind
genuin transitorische Orte, Schleusen
zwischen den kaum fassbaren Zeitstufen Nicht-Mehr und Noch-Nicht.
Der Tempelhofer Flughafen hat bekanntlich eine wechselvolle Geschichte: Er
war nach seiner Eröffnung 1923 einer
der ersten großen Flughäfen in Europa,
steht aber auch für die verbrecherische
Ideologie der Nationalsozialisten sowie
später, zu Zeiten der so genannten Luftbrücke, für die Hoffnung einer ganzen
Stadt. In mehreren Bauabschnitten,
zuletzt während des NS-Regimes, entstand eines der größten Gebäude der
Welt. Der zivile Luftverkehr lief dort (auf
recht niedrigem Niveau) immer weiter
und wurde erst vor fünf Jahren eingestellt. Inzwischen gastiert dort in einigen
Gebäudeteilen mal eine Modemesse,
mal eine Kunstmesse. Es gibt viele Vorschläge für eine zukünftige Nutzung
12
brennpunkt 3/2013
© Arnd Weider, Flughafen Tempelhof, Eingangsbereich, aus der Serie: Das Provisorium,
Berlin 2011, (O.i.F. )
(oder Zwischennutzung), vielleicht wird
auch das Alliiertenmuseum dort eines
Tages untergebracht.
Arnd Weider sucht in den Gebäuden
und Räumen des ehemaligen Flughafens nach Zeitspuren, die die unterschiedlichen politischen Systeme, die
unterschiedlichen Gebäudefunktionen
und die vielen Menschen dort hinterlassen haben. Im Idealfall existiert im
finalen Bild nicht nur das Provisorische
oder Zeitspezifische sondern auch ein
Nebeneinander der Zeiten.
Zeitspuren und Zeitschichten existieren fast überall, in Kirchen und Bürgerhäusern, in Sportstadien oder Arbeitsämtern. Doch Arnd Weider spürt mit
seinem Werk besondere Orte auf, in
denen eine besondere atmosphärische
Stimmung herrscht, die er kongenial ins
Bild übersetzt. Möglicherweise würden
wir diese Stimmung, die wir in der Aufnahme spüren können, im realen Raum
nicht empfinden. In diesem Fall wäre
Weiders photographischer Blick mehr
als eine Übersetzung, vielmehr eine
Stilisierung oder Inszenierung.
Galerien
Mal besticht in seinen Aufnahmen die
kühle Funktionalität in Axel Schultes
Krematorium, mal die klinische Reinheit im Krankenhaus Moabit – Räume
mit zartem Lichteinfall oder überstrahlten Fenstern. Dann wiederum begegnet uns das noch heute erhaltene propagandistische Menschenbild in Form
eines Flachreliefs im Berliner Olympiapark und schließlich immer wieder auch
pure, schlichte Räume, nach mehreren
Renovierungsschritten zeitlos, ohne
Verortung. Der leere, schmucklose
Raum ist dann nurmehr bloße Hülle.
sis-Bildserie thematisiert er Wahrnehmung, eine Verbindung sinnlichen und
kognitiven Erfassens. Vor seiner Photographieausbildung unter anderem an
der Ostkreuzschule studierte er unter
anderem Philosophie – und inzwischen
verbindet er konsequent und intelligent
diese unterschiedlichen Interessensgebiete.
Dem eigentlichen photographischen
Werk vorgeschaltet ist die Suche nach
einem geeigneten Ort sowie die Recherche und Analyse dieses Ortes als Untersuchungsgegenstand. Die jüngste Bildserie entstand in Prora unter dem Titel
»Schichtungen« – noch ein Relikt aus
der NS-Zeit mit ihrer damaligen architektonischen Großmannssucht. Heute
gleicht dieses völlig überdimensionierte
Ferienlager an der Ostsee, dessen Bau
zu Kriegsbeginn gestoppt und dennoch
später unterschiedlich genutzt wurde,
einer Märchenlandschaft, wie Weider
es nennt. Es sind Häuser, die langsam
zerfallen, eingebettet in einen geradezu
mystischen Wald. So entsteht in seinen
Aufnahmen eine unentwirrbare Melange
aus Vergangenheit und Gegenwart, aus
Wirklichkeit und Illusion, kurzum: die
Verdichtung deutscher Geschichte und
der unterschiedlichen Ideologien der
vergangenen acht Jahrzehnte.
Der Flughafen Tempelhof wird von
Weider hingegen in überraschenden,
unterschiedlichen Blickwinkeln porträtiert: Dem Photo der Glasfassade im
Eingangsbereich sieht man keineswegs
die enorme Größe der dahinter liegen- © Arnd Weider, Flughafenhotel, aus der Serie:
den repräsentativen Halle an und in den Das Provisorium, Berlin 2011, (O.i.F.)
technischen Räumen des Flugzeugbaus
entdeckt man an den Wänden zahlrei- Der Photograph arbeitet in Serien, und
che Schleifspuren oder Staubablagerun- er arbeitet mit seinen Mittel- und Großgen. Dieses flächige Bild besteht eigent- formatkameras formal und inhaltlich auf
lich nur aus der rückliegenden Wand, sehr hohem Niveau. Es sind auch sozieinem Stück Boden und Decke; eine ologische Studien, kritische Bestandsraumkonstituierende Ecke existiert hier aufnahmen, die wie jede Photogranicht. Die Funktionalität des Stahlträ- phie zugegebenermaßen subjektiv bleigers, jenseits seiner statischen Bedeu- ben. Weider untersucht unsere Lebenstung, erschließt sich uns nicht mehr, und räume inklusive ihrer Effizienzkriterien,
das angeschnittene Verkehrsschild am dies wird besonders deutlich in der
rechten Bildrand lässt den Ort weder Sequenz mit dem Titel »Aisthesis«, enteindeutig als Außen- oder Innenraum standen über einen Zeitraum von sechs Arnd Weider ist natürlich nicht der erste
erscheinen. Weider zwingt uns grund- Jahren, zwischen 2005 und 2011. Er Photograph, der sich selbst, ohne Aufsätzlich zum genauen Hinschauen und zeigt dort Außenräume und Naturele- trag, solche gesellschaftlich relevanten
Nachdenken.
mente, etwa blickdichte Hausfassaden Themen setzt, aber er formuliert es mit
und einzeln stehende Bäume. Auch hier seiner Kamera autonom, ungewöhnlich
Die völlige Aufhebung früherer Funktio- fehlt der Mensch, der die Architektur und überzeugend.
nen fällt schließlich auch beim Bild des gebaut und die Natur domestiziert hat:
Matthias Harder
ehemaligen Flughafenhotels ins Auge: Es sind Abwesenheitsnotizen, gemeinWeider wählt ein einfaches Zimmer und hin Stellvertreter.
blickt dort in eine Raumecke mit halb- Mitunter überrascht, ja verstört die radizugezogenem Fenster. So entsteht auch kale Leere und Stille der menschenleehier unweigerlich ein Dualismus zwi- ren Räume. Photographieren ist für ihn
schen Innen und Außen, selbst wenn ein kontemplativer Moment, ein Verdie freiliegende Fensterhälfte hell über- schmelzen äußerer und innerer Wahrstrahlt und insofern blind bleibt. Die frü- nehmung; insofern spiegeln seine Aufheren Nutzer des Hotelzimmers sind nahmen auch eine innere Weltsicht
kaum mehr zu imaginieren. Alle diese wieder – und entsprechen vielleicht
Orte sind aufgegeben, verblasst, verges- einer Art Selbstportrait.
bis 26. Juli 2013
sen und haben höchstens in einer radikalen Umnutzung eine Zukunft. Durch Mit bewusst gewählten Kameraperspek- Rathaus Tempelhof
das Bild wird der Ort dem Vergessen tiven und im Wechselspiel zwischen Tempelhofer Damm 165
entrissen, jedoch nur exemplarisch und Dokumentation und Inszenierung kre- 12099 Berlin-Tempelhof
nur für einen kurzen Moment.
iert Weider diese Räume erst für unsere
Rezeption. Insbesondere mit der Aisthe- Mo – Fr
9 – 18 Uhr
brennpunkt 3/2013
13
Galerien
Marek Požniak
»Berlin – London –
New York«
Photographien
von 1985 bis 2010
Lichtstrahlen fallen durch ein Loch in
einen dunklen Kasten und erzeugen
auf der gegenüber liegenden Fläche ein
Abbild der Außenwelt. Das Prinzip der
»Camera obscura« war lange bekannt,
bevor es den Pionieren der Photographie gelang, diese Zeichnungen des
Lichts auf Bildträgern zu fixieren. Joseph
Nicéphore Niépce hielt 1826 den Blick
aus seinem Arbeitszimmer in Le Gras
auf die umliegenden Gebäude und
die Landschaft fest. Das früheste erhaltene Papiernegativ aus dem Jahre 1835
von Sir William Henry Fox Talbot zeigt
ein Erkerfenster in Lacock Abbey, und
Louis Jacques Mandé Daguerre gelang
schließlich 1838 eine detailreiche Photographie vom Boulevard du Temple
in Paris. Aufgrund der langen Belichtungszeit werden die bewegten Fußgänger und Pferdekutschen in Daguerres Aufnahme unsichtbar, nur zwei Personen sind dank ihrer ruhigen Körperhaltung sichtbar geblieben: ein Schuhputzer und sein Kunde. Marek Požniaks
Photographien erinnern an diese Magie
der Anfänge. Wo Dauerhaftigkeit und
flüchtiger Moment zusammenkommen,
Formen sich hier verdichten und dort © Marek Požniak, Berlin-Schöneberg
im Licht vergehen, entstehen Kompositionen von faszinierender Schönheit. Berlin, London, New York: Tausendfach
Požniak verführt uns zum Sehen. Er sind uns die Ansichten dieser Metropozeigt was wir zu kennen glauben, Men- len vertraut, in denen das Leben verschen mit Rucksäcken und Sonnenbril- meintlich nie stillsteht. Požniak durchlen, die flanieren, zur Arbeit gehen, tele- wandert sie mit dem Blick eines guten
fonieren oder in den Straßencafés sitzen. Freundes, der ihre maskierten und
Zugleich erscheinen die Protagonisten unmaskierten Gesichter kennt – und
seiner Bilder herausgelöst aus dem Fluss beide Seiten liebt. Er folgt den alltäglider Zeit; der Musikant auf der Brücke, chen Wegen der Menschen, den belebdie Wartenden an den Bahnsteigen ten Straßen, dem Verlauf der Stadtbahebenso wie die Skulptur im Park, das nen, Brücken und Tunnels, den gläabgestellte Fahrrad, die Zuckerdose auf sernen Gewölben der Bahnhofshallen
dem Tisch – Spuren menschlicher Prä- und Shopping Malls. Leise Melanchosenz, die in Požniaks Aufnahmen wie lie schwingt mit, wenn er unscheinin unserem Gedächtnis Abdrücke hin- bare und doch eigenwillige Orte aufterlassen.
spürt, den verlassenen Vergnügungs14
brennpunkt 3/2013
park, den versteckten Winkel zwischen
Graffiti und Ziegelmauern. Der Photograph nimmt sich Zeit, um die Motive
in seinem Inneren sichtbar werden zu
lassen, bevor er die Kamera einsetzt.
Dem Aspekt des Offensichtlichen, des
schnellen Zugriffs setzt er ein Moment
der Verzögerung entgegen, den subtilen Einsatz der künstlerischen Mittel,
der auch den kleinen und beiläufigen
Dingen Bedeutung zugesteht. Unter
dem Deckmantel des Vertrauten führen
Marek Požniaks Bilder ein zauberisches
Eigenleben.
Galerien
© Marek Požniak, The Museum of Modern Art, New York
Er arbeitet mit Unschärfen und Spiegelungen, mit den Wirkungen des Lichts,
das Strukturen schafft und Räume öffnet,
das einerseits präzisiert und beleuchtet, andererseits verbirgt und verwischt.
Mit Bedacht wählt er Standort und Ausrichtung seiner Kamera, bestimmt die
Komposition durch räumliche Tiefenwirkung, perspektivische Linienführung oder angeschnittene Gegenstände.
Andere Motive sind in verschiedenen
Bildebenen gestaffelt, geometrisch flächenhaft gestaltet oder ziehen an uns
vorüber, während wir aus dem Fenster
eines fahrenden Zuges schauen.
Die Wirklichkeit ist auch eine Frage
der persönlichen Wahrnehmung, und
Požniaks Photographien machen dies
deutlich. Wenn die im Schaufenster eines Ladens ausgestellten Schuhe
scheinbar zu laufen beginnen, wenn
die Stammkneipe zu einem geheimnisvollen Ort wird, dann spiegelt sich in
diesen Bildern das Staunen über eine
Welt, die es neu zu entdecken gilt, eine
Welt voller Codes, an denen wir uns orientieren, ohne uns dessen bewusst zu
sein. Požniak macht diese Regeln sichtbar, indem er sie bricht. In ungewohnter Untersicht richtet er im New Yorker
Museum of Modern Art sein KameraAuge auf Andy Warhols weltberühmte
Pop Art Sequenz der Campbell-Suppendosen. Schon der Verlust der bekannten
plakativen Farbigkeit bewirkt Erstaunliches, unsere Seh-Erwartungen werden
© Marek Požniak, Berlin-Kurfürstendamm
© Marek Požniak, Flatiron Building
© Marek Požniak, London
ebenso außer Kraft gesetzt wie die von Zur Ausstellung erscheint ein
Warhol intendierte Gleichförmigkeit. Katalog:
Die einfache photographische Technik, die Ungleichmäßigkeit des Lichts Marek Požniak
und die Schatten der vorübergehen- »Berlin - London - New York«
den Museumsbesucher verleihen dem Photographien von 1985 - 2010
Kunstwerk, dem wir bereits einen festen Hrsg. Johanna Breede
Platz zugewiesen haben, ein neues PHOTOKUNST
Dasein in der Zeit.
mit Textbeiträgen von Enno Kaufhold
Požniak nutzt abstrahierende und ver- und Susanne Schmid
einfachende wie verfremdende und Berlin 2013
irritierende Elemente, um sowohl die
Realität, als auch deren Transformation
ins Bild zu setzen. All dies geschieht
in unmittelbarer Nähe zum Betrachter,
alles steht zu ihm in Beziehung, denn bis 11. August 2013
letztlich ist es unsere Vorstellungskraft,
die hier auf besondere Weise aktiviert Johanna Breede
wird. Indem er auf photographische PHOTOKUNST
Urformen zurückgreift, berührt Marek Fasanenstraße 69
Požniak verborgene Erinnerungsbilder, 10719 Berlin-Charlottenburg
angedeutete Erzählungen, die zur individuellen Fortsetzung freigegeben sind. Di – Fr
11 – 18 Uhr
Susanne Schmid Sa
11 – 16 Uhr
brennpunkt 3/2013
15
Galerien
Christian Reister
»BERLIN TRILOGIE«
Berlin kann ganz still sein. Auch wenn
alle so tun, als befinde sich die Stadt
in einem ewigen Bedeutungsrausch aus
Kreativität, Party und Umsturz, finden
sich doch immer genug Nischen, in
denen eigentlich gar nichts wichtiges
passiert. In diesen Ecken stöbert Christian
Reister die ganz normalen Menschen
auf: Alte und Junge, Tagträumer und
Nachtschwärmer, graue Mäuschen und
affektierte Selbstdarsteller. Sie bewegen
sich am Rande des Geschehens, tun oft
nichts und verfangen sich doch immer
wieder in Situationen von wunderbar
abseitiger Skurrilität. So werden sie
auf Reisters Fotos festgehalten, die
unter ihrer oft humorvollen Oberfläche
immer auch ein wenig Melancholie
in sich tragen und einen besonderen,
subjektiven Blick auf das Leben im
heutigen Berlin werfen.
Die Ausstellung »Berlin Trilogie« in
der traditionsreichen Photogalerie im
Café Aroma vereint Fotografien der
Arbeiten ALEX (Berlin, Alexanderplatz
2008-2010), NACHT (seit 2001, work
in progress) und Straßenfotografie aus
den letzten acht Jahren.
© Christian Reister, Berlin 2010, (Original in Farbe)
analoge Gegenbewegung drei Dinge
in mein Leben geschlichen: die Lust an
langen Spaziergängen, vor allem auch
nachts, häufiger eine Reise in irgendeine
Stadt und die Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel. Alles drei passt
ja wunderbar zusammen. Mit der Zeit
habe ich begonnen, mich ernsthafter
mit Fotografie zu beschäftigen. Aus der
spaßigen Freizeitbeschäftigung wurde
Passion und da ich diese schon immer
hauptsächlich auf der Straße betrieben habe, haben mich dann auch bald
die Meister dieses Genres am meisten
beeindruckt: Frank, Winogrand, Klein,
Erwitt... all diese New Yorker Fotografen. Aber auch Martin Parr war für mich
damals eine ganz große Entdeckung.
lichen Leben einen gewisse Urkraft der
Fotografie liegt, die mir so unendlich
mehr gibt und über unsere Gesellschaft
verrät, als die aufwändigsten Inszenierungen. Einfach weil nichts planbar ist
und ich am Ende des Tages – wenn es gut
läuft – ein Bild mit nach Hause nehme,
das mir die Welt ein bisschen anders
zeigt, als ich sie bisher gesehen habe.
Pepper: Du hast in London und New
York Einheimische fotografiert, aber
eher im klassischen Portraitbereich, in
Berlin hast Du Dich intensiv mit dem
Das Interview ist in seiner ursprüngliTreiben der Menschen auf dem Alexanchen und ungekürzten Fassung im Mai
derplatz beschäftigt. Sind es bestimmte
2013 auf http://blog.pepperproject.de
Städte und dort bestimmte Orte, die
erschienen.
Dich vor allem anziehen, oder hast Du
Deine Kamera grundsätzlich bei Dir
Bis ich mich selbst an Menschen ran- und benutzt sie auch tagtäglich; ist es
getraut habe, hat es einige Zeit gedau- also eher ein Zufall, dass durch Deine
Christian Reister im Gespräch mit ert und letztlich habe ich mir das auch aktuellen Publikationen und AusstelPepper.
alles nicht überlegt sondern habe in lungen der Eindruck einer sehr gezielerster Linie immer einfach gemacht. ten Location-Suche entsteht?
Irgendwann wurde der Begriff »Street
Pepper: Du hast Dich in Deiner Arbeit Photography« dann wieder populär und Christian Reister: Nun, es ist schon so,
als Fotograf vor allem auf die Street ich dachte, super, da kannste dich ein- dass ich die Kamera immer dabei habe
Photography konzentriert. Wie hat sich reihen, da haste nen Label, das passt und laufend am »einsammeln« bin. Eine
das entwickelt?
schon irgendwie, Erklärung ende. Auch gezielte Locationsuche gibt es daher
wenn ich mich im Detail wenig für die eher nicht. Die Projekte entstehen da,
Christian Reister: Ich kam zur Fotogra- Definition oder Abgrenzung zu ande- wo ich eben bin. Meistens ist das Berlin.
fie in einer Zeit in der ich sehr stark in ren Genres interessiere und ich vieles, New York und London sind Städte, die
meinen Brotjob als Webdesigner einge- was unter »Street Photography« läuft, mir von mehreren Aufenthalten und
bunden war. Ende der Neunziger war gähnend langweilig finde, glaube ich wahrscheinlich auch von der Mentaliich Ende zwanzig und saß quasi Tag und doch, dass in den ungestellten, spon- tät her recht vertraut sind. Die GrundNacht am Computer. Da haben sich als tan erfassten Momenten aus dem öffent- lagen für die angesprochenen Arbeiten
16
brennpunkt 3/2013
Galerien
Christian Reister: Beides.
Pepper: Gibt es Situationen, Motive, in
bzw. bei denen Du eine Technik bevorzugst? Was sind die jeweiligen Vorteile der einen Technik gegenüber der
anderen, wenn man Street Photography betreibt?
© Christian Reister, Berlin 2012
sind alle mehr oder weniger spontan auf ob Oktoberfest oder Weihnachtsmarkt
der Straße entstanden. Wobei die Stra- macht kaum Unterschied... Kurz: das ist
ßenportraitserien jeweils in drei Tagen dort alles irgendwie so uncharmant mit
fertig waren, ALEX hat mich dann zwei all seiner Antiästhetik, dass es bei mir
Jahre beschäftigt.
ein gewisses »jetzt erst recht« hervorruft. Wer sind die Menschen da? Was
Pepper: Was hat Dich am Alexander- machen die da? Und siehe da – ich habe
platz gereizt?
mich dann auch immer mal wieder
dabei ertappt, wie ich dort fröhlich zur
Christian Reister: Seit ich 1997 nach Bulette mein Bier getrunken habe und
Berlin gekommen bin, bin ich meist durchaus auch mal zu dem ein oder
mehrmals die Woche am Alex, meist anderen Schlager mitgesummt habe,
einfach nur um von der einen Bahn der dort über die Betonplatten weht. Na
in die andere umzusteigen, kurz eine also, geht doch.
Erledigung zu machen oder sonst wie
durchzuhuschen. So wie es alle ande- Pepper: Mir gefällt Dein Buch mit den
ren in aller Regel auch machen. Bemer- Alex-Fotos ziemlich gut. Mit was für
kenswert an diesem Platz ist ja, dass er einer Kamera hast Du hier gearbeitet?
allgemein als ziemlich hässlich und
unwirtlich wahrgenommen wird. Städ- Christian Reister: Mit einer recht unspektebauliche Maßnahmen haben zumeist takulären Kompaktknipse. Neu für mich
zur Folge, dass er danach noch unschö- war damals die 24 mm Brennweite und
ner, grauer und grauseliger daherkommt die Bildproportion 16:9. Beides benutze
als vorher. Das sind so Phänomene, die ich sonst nicht und hat der Arbeit einen
mich staunen lassen. Wie kann das besonderen Stempel aufgedrückt.
denn eigentlich sein, dass in der Mitte
von Berlin-Mitte, die gerne für das tren- Pepper: Was benutzt Du denn sonst?
digste und yuppihafteste gehalten wird, Also, was für Kameras.
was die Haupststadt zu bieten hat, der
größte und bekannteste Platz derart une- Christian Reister: Kommt aufs Projekt
legant daherkommt? Mit allerhand Festi- an. Meist Kameras, die in die Jackentavitäten wird immer mal wieder versucht, sche passen. 35 mm, nichts ungewöhnein wenig Gemütlichkeit auf den Platz liches.
zu zaubern. Dann werden die immergleichen Buden notdürftig dem jeweili- Pepper: Analog, digital, oder beides?
gen Anlass entsprechend umdekoriert –
Christian Reister: Farbarbeiten digital,
die neue Serie NACHT allerdings war
von vornherein als schwarz/weiss und
grobkörnig angedacht, da arbeite ich
dann lieber mit Film als Digitalbilder
umzuwandeln. Obwohl das natürlich
auch ein völlig legitimes Mittel ist, ich
bin da kein Dogmatiker. An der Arbeit
mit Film schätze ich u. a. auch, dass
man das Ergebnis nicht immer gleich
sieht und ich lasse die Filme gerne lange
liegen, bevor sie entwickelt werden.
Das entschleunigt die Arbeitsweise und
trennt die Bilder besser vom persönlich
Erlebten zum Zeitpunkt der Aufnahme.
Pepper: Was heißt, lange liegen lassen?
Gleich mehrere Monate oder einfach
nur ein paar Tage?
Christian Reister: Ruhig ein paar
Monate.
Pepper: Wieso denkst Du, dass der
noch vorhandene Eindruck des gerade
erst Erlebten Dich in einer objektiven
Beurteilung der gemachten Aufnahmen
beeinflussen könnte? Als Seherfahrener Mensch kannst Du doch die Spreu
vom Weizen trennen.
Christian Reister: Naja, kühne Behauptung. Ich kenne keinen Fotografen, der
bei der Beurteilung der eigenen Arbeit
nicht seine Schwierigkeiten hat, das Bild
von der erlebten Realität zu trennen. Das
ganze Drumrum, die Geräusche, die
Gerüche, die Atmosphäre eines Ortes,
die eigene Verfassung etc. schwingen ja
aus der Erinnerung mit, wenn ich mein
eigenes Bild betrachte. Das Bild selbst
klingt und riecht aber nicht. Hat noch
nicht mal eine dritte Dimension. Das ist
einfach nur ein flaches Oberflächenabbild, bei dem es ja auf ganz andere Kriterien ankommt als im »richtigen« Leben.
Um das klarer sehen zu können, hilft
es mir, die Bilder zeitlich getrennt vom
Geschehen zu betrachten. Das habe ich
brennpunkt 3/2013
17
Galerien
ja aber nicht erfunden, Henry Wessel
z.b. ist ein bekannter Vertreter dieser
Methode.
Pepper: In dem bisher Gesagten
beziehst Du Dich ausschließlich auf
Amerikaner, die in der Street Photography aktiv waren oder es im hohen Alter
eventuell noch sind. William Klein allerdings lebt und arbeitet in Paris. Was
aber ist mit deutschen Fotografen? Da
gibt es niemanden, der Dich interessiert? Hier gab und gibt es doch auch
Straßenfotografen - klingt merkwürdig auf Deutsch, ich weiß - die einiges
geleistet haben. Ist es, weil die deutschen Fotografen eher mit einem dokumentarischen Ansatz an die Sache ran
gegangen sind, und nicht mit diesem
experimentellen Ansatz, wie er bei- © Christian Reister, Berlin-Mitte, 2011
spielsweise von Winogrand und Klein
gepflegt wurde?
Bereich Street Photography, um wieder
auf unser eigentliches Thema zurückChristian Reister: Ja – das mit dem zukommen? Gibt es hier andere Inte»eher dokumentarischen Ansatz« trifft ressen seitens der Kritik, der Galerien,
es sicherlich. Trotzdem gibt es natür- der Medien etc. Was für Erfahrungen
lich auch hier viel zu entdecken. Fried- hast Du hier?
rich Seidenstücker mag ich für seinen
liebevollen Humor, Harald Hauswand Christian Reister: Sicher - die Fotografie
schätze ich wegen seiner authentischen und vor allem die Straßenfotografie hat
Geradlinigkeit und Gundula Schulzes in Amerika seit je her einen ganz andefrühe Arbeiten – Berlin in einer Hunde- ren Stellenwert. Die gehört da einfach
nacht – sind großartig. Letztere würde zur Kultur und war ja auch schon viel
man gemeinhin aber nicht als Straßenfo- früher eine anerkannte Kunstform.
tografin bezeichnen. Vielleicht sind die Ich beklage das aber nicht. Es gibt in
Deutschen einfach auf anderen Berei- Deutschland, besonders in Berlin, genug
chen erfolgreicher. Becher, Gursky etc. Raum, das auszuleben, sowohl was das
- das ist ja eine völlig andere Welt. Und Fotografieren angeht als auch die Aussehr deutsch.
stellungsmöglichkeiten. Im ersten Halbjahr 2013 habe/hatte ich Ausstellungen
Pepper: Meinst Du, die Deutschen sind in Kneipen, Off-Galerien, einem Hotel,
eher für die Verwaltung und geordnete einem italienischen Restaurant und – in
Archivierung von Motiven gut? Die Wien – in einen »Schauraum für Mode
Bechers mit ihren Wassertürmen, Can- und Fotografie«. Das sind alles keine
dida Höfer, die die Pariser Oper oder subventionierten Kunstadressen und
Bibliotheken dokumentiert, usw.?
das ist doch großartig! In gewisser Weise
hängen die Bilder dort wo sie herkomChristian Reister: Deine Formulierung men. Ich würde mich nicht gegen eine
ist lustig. Da grinse ich mir eins und Ausstellung in einem Museum wehren,
lasse das gerne so stehen.
aber notwendig ist das nicht. Neue
Wege der Zurschaustellung der eigePepper: Wenn die deutsche Fotogra- nen Arbeit bietet das Internet und es ist
fie in Deinen Augen ihre ganz spezi- immer einfacher, selbst Künstlerbücher
ellen Eigenarten hat, wie sieht es dann zu produzieren und auch ein Publikum
mit der Rezeption von Fotografie in dafür zu finden.
Deutschland aus. Ist diese nach Deinen
Erfahrungen auch anders als beispiels- Pepper: Wie benutzt Du das Internet
weise in den USA, also vor allem im um Deine Arbeit zu verbreiten?
18
brennpunkt 3/2013
Christian Reister: Ich habe eine Website mit den wichtigsten Arbeiten darauf
(reister-images.de) und betreibe ich
einen Blog (blog61.com), auf dem ich
hin und wieder Fotos poste, ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudere
und auf Fotografen, Veröffentlichungen oder Ausstellunge hinweise, die
ich gerade bemerkenswert finde. Nach
langer Verweigerungshaltung nutze ich
mittlerweile auch Facebook.
Und: Ich vertreibe meine Bücher über
meine Website. Ohne Verlag, ohne
Dealer, alles direkt vom Erzeuger. Dafür
gibt es ein weltweit überschaubares
aber sehr interessiertes Publikum.
bis 6. Oktober 2013
Café Aroma Photogalerie
Hochkirchstraße 8
10829 Berlin-Schöneberg
Mo – Fr 18 – 24 Uhr
Sa + So
14 – 24 Uhr
und nach Vereinbarung
Galerien
125 Jahre NATIONAL
GEOGRAPHIC
Der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus
und National Geographic Deutschland
präsentieren im Berliner Willy-BrandtHaus eine Auswahl der faszinierendsten Fotografien aus der 125-jährigen
Geschichte des legendären Magazins
mit dem gelben Rahmen: 55 außergewöhnliche Bilder, die Expeditionen und
Reportagen des Magazins der National
Geographic Society von der Gründung
im Jahr 1888 bis heute widerspiegeln.
© Dieter Schonlau, Wurzel eines Urwaldbaums, Borneo, 2011, Original in Farbe
© Steve McCurry, Afghanisches Mädchen in
einem pakistanischen Flüchtlingslager, 1984,
Original in Farbe
© George Steinmetz, Karawane in der Wüste, Niger, 1999, Original in Farbe
Zu sehen ist unter anderem das wohl National Geographic Deutschland ist
bekannteste National Geographic - das Magazin der National Geographic
Titelmotiv: das berührende Porträt Society, einer der größten gemeinnützieines afghanischen Flüchtlingsmäd- gen Wissenschaftsorganisationen weltchens, fotografiert von Steve McCurry. weit. Die US-amerikanische GesellNational Geographic-Fotograf Carsten schaft, die 2013 ihr 125-jähriges BestePeter entführt die Betrachter in bizarre hen feiert, hat seit ihrer Gründung mehr
mexikanische Kristallhöhlen, mit Emory als 10.000 Forschungsprojekte geförKristof geht es zum Wrack der Titanic. dert. Unter dem Motto »Inspiring people
Außerdem umfasst die Jubiläumsaus- to care about the planet« berichtet das
stellung Bilder von Jodi Cobb, David Magazin mit dem gelben Rahmen funDoubilet, Annie Griffiths, Paul Nicklen, diert, authentisch und unterhaltsam
Joanna Pinneo, Norbert Rosing, Chris über Naturwissenschaften und AstronoJohns und vielen weiteren Fotografen.
mie, Geschichte und Archäologie, ferne
Länder, Klimawandel und Nachhaltig-
keit. Das Magazin erscheint seit 1999
auch in Deutschland.
Eröffnung:
11. Juli 2013, um 19:30 Uhr
12. Juli bis 14. August 2013
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus
Willy-Brandt-Haus
Stresemannstraße 28
10963 Berlin-Kreuzberg
Di – So
12 – 18 Uhr
brennpunkt 3/2013
19
Galerien
Kristin Maria
Hachenberg
»WASSER - SPIEGEL«
Fotografische Impressionen aus Berlin,
Potsdam, Mali, Taiwan und Venedig
Durch wechselnde Lichtintensität, Wind
oder Fließbewegung wird die Wasseroberfläche zur Projektionsebene für ungewöhnliche Bildschöpfungen.
Neue flüchtige sich ständig verändernde
Reflexionen entstehen, die durch ihre
grafische Wirkung oder die unerwartete
Farbigkeit faszinieren.
Sie existieren jedoch nur für einen
kurzen Moment und schaffen einmalige verfremdete Abbilder der Realität.
© Kristin Maria Hachenberg, »Aufstrebend«, Taschkent 2012, Original in Farbe)
© Kristin Maria Hachenberg, »Sich auflösend V«,
Venedig 2011, Original in Farbe)
Geboren und aufgewachsen in Berlin.
Architekturstudium TU Berlin, Freiberufliche Tätigkeit im Bereich Städtebau / Architektur in Berlin, Essen, Hannover und Stuttgart, Fotografie, Freihandzeichnen sowie Verfassen von
Prosa als berufsbegleitende künstlerische Tätigkeiten,seit 1990 Vertiefung
der künstlerischen Fotografie, Mitglied im Stuttgarter Künstlerbund e.V.,
im Württembergischen Kunstverein,
im Deutschen Verband für Fotografie
(DVF) und der Gesellschaft für Fotografie (GfF).
20
brennpunkt 3/2013
Lebt in Berlin und Stuttgart, seit 2007
zahlreiche Fotografieausstellungen
(Einzel- und Gruppenausstellungen in
Berlin, Plochingen, Solingen, Stuttgart,
Tübingen, Zürich)
bis 31. August 2013
Galerie Altes Rathaus Steglitz
Schlossstraße 37
2. OG
10165 Berlin-Steglitz
Mo – Fr
© Kristin Maria Hachenberg, »Nur ein Moment I«,
Berlin 2008, Original in Farbe)
8 – 18 Uhr
www.fotokunst-kristinhachenberg.de
Galerien
Lutz Müller-Bohlen
» Faces of Rock«
Lutz Müller-Bohlen genannt Gramm,
geboren am 21.1.1962 in Flensburg
mit dänisch/polnisch/deutschen Wurzeln lebt seit 10 Jahren in Berlin, Prenzlauer Berg.
Das Abseitige, Ungewöhnliche, aus
dem Strom des alltäglichen Herausstechende ist es, was sowohl den Künstler
als auch den sozial engagierten Menschen Müller-Bohlen interessiert, reizt,
herausfordert.
Schnell und handwerklich sicher arbeitet der gelernte Fotograf. Hier wirken
sich auch 20 jährige leitende Tätigkeiten im psychiatrischen Bereich (»wir
heilen eigentlich durch Liebe«) und als
langjähriger sozialmedizinischer Sachverständiger unmittelbar aus: der intensive Umgang mit Menschen, die Beobachtung von Gefühlen, Gesten, Betonungen, Nuancen und seine unverrückbare Überzeugung, dass jedem Menschen eine einzigartige Schönheit zu
eigen ist..
© Lutz Müller-Bohlen, Les Holroyd - Barclay James Harvest, (O. i. F.)
Die Fähigkeit zum würdevollen Raumlassen, trotz intensivster Nähe, ist das
unverwechselbare Markenzeichen
seiner Portraits: alle Details der Gesichtslandschaften – Hautporen, Falten, Tränensäcke – sind messerscharf gezeichnet und überdeutlich zu erkennen. Und
fügen sich doch zu einem ausdrucksstar- © Lutz Müller-Bohlen, Nigel Kennedy, (Original in Farbe)
ken menschlichen Antlitz von Schönheit zusammen. Und so ergänzen sich deutige Positionierung gegen Ausgren- Vernissage
in idealer Weise die menschlichen, die zung, Unterdrückung und Ausbeutung 5. September 2013, 19 Uhr
künstlerischen, sowie die handwerk- des Individuums. Große Anerkennung
lichen Qualitäten Müller-Bohlens Er finden seine Arbeiten zum Thema Antifindet das Besondere und hat die Fähig- faschismus und seine seit inzwischen
keit, den Betrachter in seine Sicht auf 7 Jahren laufende fotografische DokuMenschen einzufangen.
mentation von Konzenterationslagern
Kai Müller
6. September bis 4. Oktober 2013
Lutz Müller-Bohlen erstellt seine
Künstler-Portraits und Bühnenfotos für
Fotogalerie Friedrichshain
online-portale, Radio- und FernsehsenHelsingforser Platz 1
der, sowie die Deutsche Presseagentur,
10243 Berlin-Friedrichshain
die seine Arbeiten weltweit vermarktet.
Der zweite Schwerpunkt seiner künstDi, Mi, Fr, Sa
14 – 18 Uhr
lerischen Tätigkeit ist die klare, einDo
10 – 18 Uhr
brennpunkt 3/2013
21
Galerien
Frank Machalowski
Thomas Graichen
»laut & leise – zwei
Sichten auf Berlin«
Die Stadt schläft nicht. Sie schweigt
nicht. Sie gibt sich stets lärmend, lebhaft
und ruhelos. Sie wird beherrscht von der
Geräuschkulisse des urbanen Lebens,
von Stimmen, Schritten und Motoren.
Doch gibt es in der Stadt auch verschwiegene Winkel, versteckte Oasen
der Stille, Orte, die sich dem hektischen
Treiben entziehen, Orte, an denen die
Stadt schlummert und ruht.
© Thomas Graichen
© Frank Machalowski
© Frank Machalowski
© Thomas Graichen
Diesen Blickwinkeln folgend präsentieren Frank Machalowski und Thomas
Graichen unter dem Titel »Laut & Leise«
ihre zwei Sichten auf Berlin.
Die Fotografien Frank Machalowskis
konzentrieren sich auf das laute Berlin,
auf Orte und Plätze mit regem Geschehen. Nicht selten sind seine Motive über
die Stadtgrenzen hinaus bekannt und als
touristische Attraktionen das Ziel zahlloser Besucher. Die Menschen werden
in seinen Bildern jedoch zu bloßen
Schatten. Sie überlagern und vervielfachen sich zu einem stetigen Strom, zu
einer fließenden Spur in der Zeit. Was
bleibt sind die Bauwerke. Sie bilden die
Konstanten. Die Gebäude, Gebilde und
Skulpturen sind aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen, ebenso wie die
unterschiedlichen Besucher sie betrachten, deren Blicken Frank Machalowski
fotografisch folgt. Die Multiplikation
und Intensivierung der Positionen und
Blickfelder scheint die Bauwerke zu verzerren und auf ihren Kern zu reduzieren. Sie vibrieren regelrecht unter dem
Versuch, die Zeit selbst in den Bildern
einzufangen.
dieser stillen abgelegenen Orte wurde
von Menschenhand geformt, bearbeitet,
betoniert, bebaut, beschnitten, umzäunt,
beschriftet, begrenzt, in sein Regelwerk
gezwungen und schließlich sich selbst
und der Zeit überlassen. Das vermeintliche Schweigen des Raumes und der
Objekte birgt somit seine ganz eigenen
Geheimnisse. Es wirft unausgesprochene Fragen auf – nach den menschlichen Abdrücken, nach ihren Spuren
vielleicht und nach den Geschichten,
die diese Orte erzählen wollen. Diese
Fragen, Geheimnisse und Geschichten
sind die Fährten, denen Thomas Graichens Bilder folgen und den Betrachter mitnehmen auf eine Reise zur stillen Seite der Stadt.
© Thomas Graichen
10. August bis 1. September 2013
Die Fotografien Thomas Graichens hingegen beleuchten die leisen Seiten der
Stadt. Es sind versteckte und unbekannte
Orte, manchmal nicht weit vom pulsierenden Leben der Stadt entfernt, manchmal nur über lange und labyrinthi- Vernissage:
sche Spaziergänge zu erreichen. Jeder 9. August 2013, 19 Uhr
22
brennpunkt 3/2013
aff Galerie
Kochhannstraße 14
10249 Berlin-Friedrichshain
Sa + So
14 – 17 Uhr
www.aff-galerie.de
Galerien
Arno Schidlowski
Kim Sperling
Jens Sundheim
Kathrin Tschirner
Marco Warmuth
Masterklasse Ute Mahler und Vincent
Kohlbecher
© Jens Sundheim, (Original in Farbe)
Im September 2013 zeigt die aff-Galerie Arbeiten der ersten Masterklasse von
Ute Mahler und Vincent Kohlbecher an
der HAW Hamburg. Die Ausstellung
vereint die unterschiedlichen Positionen von fünf Fotografen, alle mit differenzierter Herangehensweise und Bildsprache aber dem Drang und Bestreben, selbst frühere Arbeiten in Frage zu
stellen und dem kuratorischen Blick der
Ostkreuz-Fotografin Ute Mahler und der
Erfahrung des früheren STERN- Fotografen Vincent Kohlbecher auszusetzen.
Die Ergebnisse dieser mehr als zweijährigen Zusammenarbeit spiegeln die
Vielfalt, Standpunkte und Sichtweisen
der Teilnehmer wider. So reicht das
Spektrum der ausgestellten Themen von
naturphilosophischer Tierfotografie über
die Entwicklung städtischer Räume bis
hin zu fantastischen Modewelten.
© Jens Sundheim (Original in Farbe)
© Kathrin Tschirner, (Original in Farbe)
© Arno Schidlowski, (Original in Farbe)
© Kathrin Tschirner (Original in Farbe)
Vernissage:
14. September 2013, 19 Uhr
© Marco Warmuth (Original in Farbe)
© Marco Warmuth (Original in Farbe)
15. September bis 6. Oktober 2013
Dieses spannende Zusammenspiel führt kuratierte Ausstellung ein eindrucksvoldem Betrachter sowohl die Möglichkei- les Beispiel selbstbewusster und krea- aff Galerie
ten moderner Ablichtung als auch tra- tiver deutscher Nachwuchsfotografie Kochhannstraße 14
10249 Berlin-Friedrichshain
ditionell analogen Ausdrucks vor Augen, dar.
lässt ihm Raum für Interpretationen und
Sa + So
14 – 17 Uhr
überrascht mit neuen künstlerischen
www.aff-galerie.de
Ansätzen. So stellt die von Ute Mahler
brennpunkt 3/2013
23
Galerien
Efraim Habermann
jamin, Rilke, Stefan George, Heinrich
Mann, Walter Leistikow oder Max Pechstein; der Anteil der jüdischen Bewohner war bis 1933 relativ hoch.
«Berlin und auch
Wilmersdorf«
In dem Film »Hitchcock« von 2012,
in dem es um die Entstehung des Psychothrillers »Psycho« geht, sagt Alfred
Hitchcock alias Sir Anthony Hopkins über sich selbst: »Ich bin nur der
Mann in der Ecke mit der Kamera, der
zusieht«.
Der Mann, den ich Ihnen heute vorstellen will, ist kein Regisseur, sondern
ein Fotograf, der seit fast einem halben
Jahrhundert mit der Fotokamera zusieht:
einem Berlin, wie es keiner kennt, Venedig, wenn die Gondeln Trauer tragen,
oder Jerusalem, wenn die Sonne ihre
gleißenden Strahlen auf die HolocaustGedenkstätte Yad Vashem wirft. Am 19.
Juni 1933 in Berlin geboren, floh Efraim
Habermann wegen seiner jüdischen
Abstammung 1939 mit seinen Eltern
über Triest nach Palästina und lebte
dann in Jerusalem. 1957 kehrte er an
die Spree zurück, seit ca. 1970 wohnt
er im Ortsteil Wilmersdorf, der zu seiner
zweiten Heimat wurde. Zunächst war
er bei Berliner Senatsbehörden als graphisch-technischer Zeichner tätig und
fand dann den Weg zur Fotografie, für
die er sich schon immer interessiert hat:
Ende der sechziger Jahre war er einer der
Ersten im Westen der Spree-Metropole,
der Kunstfotografien an Tageszeitungen
verkaufte. Seine Arbeiten erschienen in
Tageszeitungen, Fachzeitschriften und
Büchern, einige befinden sich in privatem wie öffentlichem Besitz. Auch Ausstellungen haben sein Schaffen gewürdigt, so 1975 im Jüdischen Gemeindehaus an der Fasanenstraße, 1976 in Paris
im Maison de la France, 1983 in der
Berliner Neuen Nationalgalerie oder
2011/2012 hier in der Kommunalen
Galerie.
© Efraim Habermann, » Fahrrad vor der Neuen
Nationalgalerie«, Berlin
(Anm. der Redaktion: Mit diesem Fahrrad
unternahm der Fotograf seine Fototouren durch
Berlin)
um den Bezirk zu fotografieren. Doch
heraus kamen keine touristenfreundlichen oder dokumentarisch exakten
Fotos von markanten Orten und Architekturen, keine um Glamour und Effekt
bemühten Bilder von einer Stadt, die
mit etwa zwei Millionen Einwohnern
bis 1989 eine Insel für politische Utopisten, Wehrdienstverweigerer, Glücksritter, gesellschaftliche Losers und Outsiders inmitten eines feindlich gesonnen
Landes war, das aber die gleiche Sprache sprach. Den Fall der Mauer hielt
damals noch kaum einer für möglich.
Habermann fotografierte 1982 Wilmersdorf als eine Art von überzeitlichem
Berlin, das er, der gebürtige Berliner
und Heimkehrer, aus einer ihm eigentümlichen Distanz beobachtete: einer
Distanz, die weder verurteilt noch glorifiziert, sondern Vorgefundenes nochmals neu entdeckt. Es ist ein Berlin, das
aber auch nur hier, in Berlin, stattfinden kann. So gibt es auf seinen Bildern
die berlintypischen maroden Mauern,
auf denen er in einer leeren Kartusche
neben den Graffitis ironisch seine Signatur setzt, oder die er zur Sehdiagonalen einer Aufnahme macht, die in einem
der damals für Wilmersdorf noch charakteristischen Hinterhöfe mit Kleingewerbe mündet – heute sind sie weitgehend wegsaniert. Es gibt bei Habermann die prunkvollen Architekturen des
Viertels wie den neobarocken Palast der
Universität der Künste, dessen einstiger
Glanz mittels der Kamera durch LichtSchatten-Wirkungen zum Mythos wird.
Oder es gibt die verwunschenen Winkel,
wie die unter Schnee begrabene Figur
des Hasen für die Hasensprungbrücke zwischen Diana- und Königssee
in Grunewald, oder den noch nicht
von Hunden und ihren Herren irritierten Grunewaldsee, den Habermann in
einem traumvollen Schwarz-Weiß versinken ließ. Stets treten seine Fotografien
leise auf, auch, wenn der Mensch, meist
als Einzelperson, innerhalb der Historie
der Stadt ins Blickfeld gerät: die junge
Frau, die auf den nackten Bänken eines
Gartenlokals, womöglich ein Vorgänger
des heutigen Parkcafés am Fehrbelliner
Platz, die Sonnenstrahlen genießt, stört
nicht die Idylle, die Licht und Schatten
auf das Holz zaubern.
Habermann suchte nicht nach Motiven,
er fand sie - auf den Straßen von Wilmersdorf, das damals knapp 140.000
Einwohner hatte und 2001 mit den Ortsteilen Halensee, Schmargendorf und
Grunewald zum Bezirk CharlottenburgWilmersdorf fusionierte. Ursprünglich eine Ansiedlung von Bauern und
Fischern durch die Markgrafen von Bran- Eine Habermannsche Spezialität sind
denburg, entwickelte sich das Dorf Ende die Brechungen des Motivs in Fensdes 19. Jahrhunderts im wirtschaftlichen tern und Verglasungen, war doch sein
Boom der Gründerzeit zum Wohnort erstes wichtiges Foto 1968 die Spiegeund zur Sommerfrische für betuchte lung der Matthäuskirche in den ScheiDie knapp 50 Fotografien, die Sie Berliner und Stadtflüchtlinge und erhielt ben der Neuen Nationalgalerie Berlin.
heute erleben, waren bis jetzt noch 1906 das Stadtrecht. 1920 nach Groß- Vor dem Museum stand sein Fahrrad,
nicht öffentlich zu sehen. Sie entstan- Berlin eingemeindet, lebten in Wilmers- mit dem er seine Streifzüge durch die
den 1982, als das Kunstamt Wilmers- dorf auch viele Intellektuelle und Künst- Stadt unternahm.
dorf Efraim Habermann los schickte, ler wie Harry Graf Kessler, Walter Ben24
brennpunkt 3/2013
Galerien
auslage im Dämmerlicht reduziert, aber
immer noch David genug, verweist nur
durch die hingekritzelte Telefonnummer auf eine Adresse, über die vielleicht
Auskunft zu erlangen ist über den Herrn
im Adamskostüm.
© Efraim Habermann
© Efraim Habermann
Kaum lassen sich Vorbilder aus der Fotografiegeschichte ausmachen. Eher entdeckt Efraim Habermann Analogien zu
bereits bekannten Motiven: so erinnert
die im spitzen Winkel aufgenomme
Ansicht des Gebäudes an der U-Bahnstation Spichernstraße, in den 1970ern
errichtet, damals Sitz der Wohnungsbaukreditanstalt, heute der Investitionsbank Berlin, an New York, nämlich an
das Flat Iron Building. Wie Sie sehen,
kann, wenn wir mit Efraim Habermanns
Augen denken, Manhatten auch an der
Spree liegen. Lassen wir außer Acht, dass
heute der Tiergarten bei den Skycrapers
des Potsdamer Platzes auch Ähnlichkeit
zum Central Park in Manhattan aufweist,
aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet, nur mit dem historischen Unterschied, dass der Tiergarten älter ist als
der New Yorker Rasen.
Fazit: der Mann mit der Kamera, der
zusieht und am liebsten sich selbst
fotografieren würde, hat keine Vorbilder, nur eines vielleicht, wie er zugibt:
Paul Cézanne, für ihn der »Verdi der
Malerei«. Begonnen hat Habermann
seine fotografische Karriere mit einer
Kodak Retina Reflex, seit 1978 benützt
er bevorzugt die Leica Spiegelreflexkamera, doch ist das Modell für ihn nicht
so wichtig: »es ist ja auch egal, ob ein
Schriftsteller mit der Feder oder der
Schreibmaschine schreibt«, sagt er. Zu
seinen Motiven zählen neben seinen
Lieblingsstädten Venedig und Berlin
auch Frauen, die, um seinen Ansprüchen an die Frau als Frau zu genügen,
alle Efraim Habermann heißen müssten. Feind der Raffinessen und Rapiditäten der heutigen digitalisierten Bilderwelt, fotografiert Habermann ausschließlich in Schwarz-Weiß und entwickelte bis vor Kurzem seine Aufnahmen noch selbst, jetzt überlässt er es
einem Fachlabor. Dafür hat er seit einigen Jahren begonnen zu malen - kleinformatige Aquarelle, die mit den konstruktivistisch-suprematistischen Bildwirklichkeiten eines Piet Mondrian
oder Kasimir Malewitsch ein ironischbuntes Spiel treiben. Sie sind derzeit in
der Galerie Carlos Hulsch zu sehen.
Habermann ist einer jener Stadtflaneure
der Wirklichkeit, die schon im Aussterben begriffen sind. Korrekt gekleidet mit
Anzug und Krawatte, das Kavalierstuch
von passender Farbe in der Brusttasche
und die Hornbrille als Markenzeichen,
tritt der avancierte Tee- und Kaffeetrinkerr gegen eine gewisse Unkultur von
Heute an, die sich dem City-Cycling
und dem Coffee-to-Go verschrieben hat
und nicht daran denkt, für den Abend
noch einmal das T-Shirt oder Hemd zu
wechseln. Auch plädiert der passionierter Raucher für separierte SmokingAreas in seinen Stammlokalen, in denen
der Fotograf, der ursprünglich einmal
Maler oder Opernsänger werden wollte,
auch gerne Verdi-Arien singt - oft zum
Ergötzen der Gäste. Hoch versiert in der
jüdischen Geschichte, ist Efraim Habermann auch zu Gesprächen über die
Frauenquote, die Ähnlichkeit zwischen
Jazz und Renaissance-Musik, den Preisboom auf dem Kunstmarkt oder Fußball bereit und wettert als bekennender
Cineast über das Fernsehprogramm, das
er gerne eintauscht gegen DVDs aus der
Traumfabrik Hollywood.
Sein nächstes Ziel? Die in Berlin lebende
Literaturnobelpreisträgerin Hertha
Müller im close-up. Zum 80. Geburtstag: nochmals: alles Gute! - Und Ihnen
viel Vergnügen mit einem Wilmersdorf,
wie es keiner kennt.
Dr. Angelika Leitzke, Berlin, Juli 2013
Fotografie ist für Habermann nicht reine
Ablichtung des Gesehenen, sondern
wird zur Frage nach Realität und Abbild,
letztendlich nach dem, was hinter den
Dingen steckt, die für uns scheinbar
die Wirklichkeit bedeuten. Seine Aufnahmen entschleunigen eine immer
schneller werdenden Welt, gefrieren
sie ein zum Moment eines Stilllebens,
das - auch im Sinne der alten »Vanitas«
- an die Vergänglichkeit allen irdischen
Seins erinnert. So spontan die Aufnahmen wirken, so sind sie doch entstanden durch bewusstes Kalkül hinsichtlich
Komposition, Ausschnitt und Lichtwir- siehe auch Seite 64 / 65
kung, die im Prozess der Filmentwick- Galerie Carlos Hulsch
lung nochmals gefiltert wurden. Indirekt 80 Jahre Erfraim Habermann
lehrt Habermann den Betrachter dabei
ein neues Sehen, gerne auch ironisch:
was schon allzu bekannt erscheint, wird
durch seine Linse verfremdet, um so 7. Juli bis 29. September 2013
auch die Historie des Ortes nochmals
unter die Lupe zu nehmen und - bloß Kommunale Galerie
zustellen. Oft muss man genau hinse- Hohenzollerndamm 176
hen, um das Motiv zu dechiffrieren – 10713 Berlin-Wilmersdorf
was manchmal spannend wird: Michelangelos muskelstrotzender »David«, Di – Fr
10 – 17 Uhr
zwar zur Statuette einer Schaufenster- Mi
10 – 19 Uhr
brennpunkt 3/2013
25
Galerien
Shooting Kitty –
neun Fotografen, ein
Model
Der Sommer ist immer gut für Experimente. So hält es auch die Carpentier
Galerie in Berlin, die im August neun
Fotografen und Fotografinnen bzw.
Künstler eingeladen hat, gemeinsam
eine Ausstellung zu bestreiten mit Fotos,
die sie von dem Berliner Model Kitty
Wild gemacht haben.
Es ist ja kein neues Phänomen, dass sich
mehrere Kreative unabhängig voneinander dazu entscheiden, mit ein und
demselben Model zusammenzuarbeiten. Man denke da nur an Kiki aus Paris,
die vor allem in den 1920er und 1930er
Jahren viele Künstlerfreundschaften
pflegte, einigen Künstlern Muse und
Geliebte war und sich unter anderem
von Man Ray, Berenice Abbott, André
Kertesz und Jean Cocteau fotografieren
ließ. In heutiger Zeit könnte man Kate
Moss als Beispiel anführen, die freilich
berufsbedingt vor vielen Kameralinsen
stand, aber einigen Fotografen wohl
ebenfalls Muse war.
Kitty Wild ist nun kein Weltstar wie die
Moss und auch noch nicht Kunstgeschichte wie Kiki, aber sie lebt in Berlin,
das nach wie vor Kreativhauptstadt
Deutschlands ist und in dem Menschen,
die künstlerisch arbeiten, die experimentieren und sich ausleben wollen
ein fruchtbares Gelände finden. Unter
anderem als Burlesquetänzerin tätig ist
Kitty in den vergangenen Jahren zahlreichen Fotografen und Künstlern begegnet, von denen einige darum baten, sie
fotografieren zu dürfen. So wurde sie
auch Model und hat inzwischen etliche Fotoshootings absolviert. Eine Auswahl der Fotografen, die in den vergangenen zwei Jahren mit ihre gearbeitet haben, stellt die Carpentier Galerie
jetzt aus und präsentiert so ein Spektrum von Bildern das von Glamour über
Portrait und Akt bis hin zu frei inszenierten Themen reicht. Insgesamt neun
Fotografen und Fotografinnen sind so in
dieser aufregenden Sommerausstellung
zu sehen. In alphabetischer Reihenfolge
26
brennpunkt 3/2013
© Jan Sobottka, (Original in Farbe)
© Philipp Hille, (Original in Farbe)
sind dies: Julija Goyd, Philipp Hille, Fay sche Portraits spezialisierte Neuling in
Nolan, pepper, Wolfgang Petrick, Rio der Szene pepper, der bevorzugt einSchmidt, Jan Sobottka, Benita Sucho- fache analoge und digitale Kameras
drev und Ivan Toskanelli.
für seine Arbeit verwendet. Der Maler,
Zwei von ihnen hatten gerade erst Einzel- Zeichner und Bildhauer Wolfgang
ausstellungen in der Carpentier Galerie Petrick ist der wohl ungewöhnlichste
gehabt; so Jan Sobottka, der vor allem Teilnehmer dieser Ausstellung, denn
als Chronist der Berliner Kunstszene seine Aufnahmen von Kitty und andebekannt geworden ist und seit nunmehr ren Models dienten ihm zunächst ledigacht Jahren auf seiner Homepage caton- lich als Material für seine Arbeit. Seit
bed.de Aufnahmen von Künstlern, Aus- einiger Zeit werden diese wild inszestellungen und anderen Veranstaltun- nierten Fotografien allerdings auch als
gen publiziert, als auch der auf eroti- eigenständige Werke in Ausstellungen
Galerien
© Pepper, (Original in Farbe)
Suchodrev, die in letzter Zeit vor allem
mit ihrer Bildserie Woman in Heat, Portraits und Akte von Frauen über 40, in
Ausstellungen und Medien präsent war,
sowie die ehemalige Finanzmanagerin
und jetzt erfolgreiche Fotografin und
Filmemacherin Julija Goyd runden mit
ihren Studio- beziehungsweise Außenaufnahmen von Kitty diese Ausstellung
in perfekter Weise ab.
Es macht Spaß zu sehen, wie
unterschiedlich neun Menschen ein und
dasselbe Model sehen und ins Bild
setzen. Shooting Kitty ist ein Must-See
für jeden Fotoenthusiasten im August.
© Wolfgang Petrick, (Original in Farbe)
Schau und stehen kurz vor der Beendigung ihrer Ausbildung zum Fotografen
am Berliner Lette Verein. Beide haben
bereits mit eindrücklichen Werkzyklen berechtigte Aufmerksamkeit auf
sich gelenkt und entwickelten zusammen mit Kitty Wild extra für die Ausstellung extra neue Portraitideen. Philipp
Hille aus Dresden hingegen ist bereits
seit langer Zeit mit Kitty Wild befreun© Julija Goyd, (Original in Farbe)
det und begleitet diese Freundschaft seit
jeher auch mit der Kamera.
und Publikationen gewürdigt und neu- Der in Toyko lebende Werbe- und
erdings von dem Kurator und Sammler Modefotograf Ivan Toskanelli, der
Rik Reinking promoted.
bereits mehrfach mit Kitty zusammenFay Nolan und Rio Schmidt gehö- gearbeitet hat, deckt den Glamourberen zu den jüngeren Teilnehmern der reich in dieser Ausstellung ab. Benita
Vernissage:
9. August 2013, ab 19 Uhr
traditionelles Sommerfest
10. August bis 31. August 2013
Carpentier Galerie
Meinekestraße 13
10719 Berlin-Wilmersdorf
Do – Fr
14 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung
www.carpentier-galerie.de
brennpunkt 3/2013
27
Galerien
Ingo Porschien
»Someone’s going to
win the Lottery.
Just not you.«
Die Fenster sehen aus wie Türen, wie
die Austritte aus Waben, und der Platz
davor mit den ansteigenden Treppen und
den wie Schneckenmuster eingerollten
Enden der Handläufe an den Geländern
wirkt wie leer gefegt. Zwei altertümliche Laternen ragen auf, zwei fünfstöckige Häuser stehen im rechten Winkel
vor der großen, nach oben auslaufenden Fassade und gleichen zwei seitlich
aufgestellten Schuhkartons. »City Hall«
heißt das Bild, eine Schwarz-WeißFotografie als Barytabzug im Format 50
x 60 cm, die aus der Serie »New York
City 1999« stammt. Die Aufnahme ist
menschenleer, doch das Plakat, das
die Wand einer der beiden Hauskästen
bespannt, spricht alle an: »Someone‘s
going to win the Lottery. Just not you.«
Seitdem er während eines mehrmonatigen Aufenthalts in New York City dieses
Motiv entdeckte, zieht es sich wie ein
Motto durch das fotografische Werk des
Schriftstellers und Fotografen Ingo Porschien, so dass auch die Ausstellung in
der Galerie Carpentier konsequenterweise diesen und keinen anderen Titel
trägt, obschon neben der beschriebenen
Aufnahme keine weiteren Bilder aus der
New Yorker Serie gezeigt werden. Der
Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf
neueren Aufnahmen aus Berlin, wo der
Autor seit drei Jahren überwiegend lebt,
ergänzt um eine kleine Auswahl aus
dem Südwesten der USA.
Ingo Porschien arbeitet analog und
schwarz-weiß. Bei seinen Arbeiten handelt es sich um klassische streetphotography, dem Dokumentarischen verpflichtet, auch wenn er nach dem Besonderen sucht, das die Fotografie aus der Bilderflut und dem Zeitfluss heraushebt. Im
Motiv, im Ausschnitt und in der Perspektive fokussiert sich das Uferlose. ‚Epiphanie‘ habe Joyce eine solche Verdichtung des Alltäglichen genannt, meint der
Autor, und so treffen sich Literatur und
Fotografie dann doch, die er ansonsten
28
brennpunkt 3/2013
© Ingo Porschien, »City Hall«, New York City, 1999
© Ingo Porschien, »Die Tram«, Berlin, 2012
scharf voneinander getrennt betrachtet Zur Ausstellung erscheint ein Katalog als
wissen möchte. Teilweise ist der foto- Band Nr. 9 in der ‚Edition Carpentier‘.
grafische Blick ironisch, teilweise fragend, doch immer deckt er etwas auf.
Der Lebensraum bestimmt die Suche
der Abgebildeten und oft scheinen sie Eröffnung:
etwas zu erwarten oder etwas verloren Freitag, 6. September 2013, 19 Uhr
zu haben.
Während der Ausstellung wird Ingo Porschien an zwei Tagen aus seinem jüngs- 7. September bis 12. Oktober 2013
ten Roman »Judith« lesen. Dies erklärt
die kleine Auswahl an Bildern aus USA Carpentier Galerie
Südwest. Die Auszüge, die Porschien Meinekestraße 13
für diese Lesungen ausgewählt hat, sind 10719 Berlin-Wilmersdorf
dort angesiedelt.
Die Lesungen finden statt am:
Do – Fr
14 – 18 Uhr
15. und 29. Septrember 2013 jeweils und nach Vereinbarung
ab 16 Uhr.
www.carpentier-galerie.de
Galerien
Calin Kruse
»Raunen«
Calin Kruse ist in der Fotografie- und
Kunstszene der vergangenen Jahre vor
allem durch sein bemerkenswertes
Magazin »dienacht« in Erscheinung
getreten. Mit außerordentlichem verlegerischen Mut hat er darüber hinaus in
dem gleichnamigen Verlag zahlreiche
weitere Publikationen, vor allem mit
zeitgenössischer Fotografie herausgegeben. Kleine anspruchsvolle Auflagen,
bei denen er oft auch das Layout und
den kuratorischen Prozess verantwortete. Das Gespür für das Medium Fotografie findet gewiss auch in den eigenen
fotografischen Arbeiten Impulse, mit
denen Kruse zunehmend die Öffentlichkeit findet.
Wir zeigen in unserer Galerie unter dem
Titel »Raunen« Fotografien von Calin
Kruse, die wie die Ränder eines Tagebuches von Begegnungen mit jungen
Frauen erzählen. Es sind Frauen, die sich
dem Fotografen auf teils intime Weise
in Porträts und Aktportraits offenbaren,
an Orten, die in ihrer vermeintlichen
Unwirtlichkeit einen weiteren Kontext
von Vertrautheit und Hingabe erzeugen.
Kruse fotografiert oft aus kurzer Distanz,
als trüge er die Kamera fortwährend am
Kopf. Die abgebildeten Frauen spielen
mit der Nähe in subtilen Provokationen.
Ein Geschmack von ewiger Jugend und
Abschied klebt an den Sujets. Doch alles
ist unaufgeregt. Kruse, ein ernster Flaneur, bleibt durch die passiv wirkende
Kommunikation mit den Models sichtbar ohne etwas zu inszenieren. Es ist
eine Bildsprache, die ein wenig an die
Arbeiten von Nobuyoshi Araki erinnert: intime Nähe auf der einen Seite,
fortwährende innere Distanz auf der
anderen. Die ausgestellten Fotografien
könnten durchaus als Solitäre stehen.
Sie sind gleichwohl durch die Aura der
analogen Farbigkeit und durch die Wiederkehr der Sujets atmosphärisch miteinander verwoben.
© Calin Kruse
19. Juli bis 5. September 2013
Galerie »Alles Mögliche«
Odenwaldstraße 21
12161 Berlin-Friedenau
Vernissage:
19. Juli 2013, ab 19 Uhr
täglich außer Mittwoch und Donnerstag und nach Vereinbarung:
0173 342 80 83
www.alles-moegliche.de
www.cargocollective.com/calin
brennpunkt 3/2013
29
Galerien
Klassenausstellung
»9Blickwinkel«
Abschlussarbeiten der
imagofotoklasse 32, unter der Leitung
von Oliver S.Scholten
Diese Jahresabschlussausstellung der
nun bereits sage und schreibe zweiunddreissigsten Fotografieklasse insgesamt,
der nunmehr zehnten unter meiner Leitung bei imago Fotokunst, zeigt wieder
einmal, wie breit gefächert das Medium
Fotografie sich darstellen kann. Natürlich ist dabei noch lange nicht Alles ausgereizt.Wichtig dabei ist mir jedoch zu
vermitteln, dass anspruchsvolle Fotografie eben nicht das schnelle Handeln
und das abgleichen mit vorgefertigten
allgemeinen Bildvorstellungen ist, angelehnt an lediglich immer perfektioniertere Technik.
Manchmal sogar das Gegenteil. Aktuell scheint sich häufiger eine Sehnsucht
nach der einfachen Handlung jenseits
von immer weiterentwickelteren Photoshopmutationen zu formulieren.
Die Technik ist nie mehr als Mittel zum
Zweck und das Medium eben nur das
Medium, um einen Inhalt oder einer
ästhetische Position zu vertreten. Niemals Selbstzweck. Das unterscheidet das aussagekräftige Bild von reiner
Dekoration oder vom Klischee.
Inwieweit die Teilnehmer sich dem
annähern konnten, soll dem geneigten
Betrachter wie immer zur Diskussion
verführen. Was oft unterschätzt wird,
auch beim Betrachten von Fotografie,
ist ein Faktor, der durch nichts zu ersetzen ist, weder durch Informationsüberlastung, noch durch beschleunigende
Technik: Zeit.
Denn sich Zeit nehmen beim Fotografieren ebenso, wie beim Betrachten heißt,
sich mit den Dingen auseinanderzusetzen. Und das ist immer auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Manchmal gelingt dies.
Oliver S. Scholten
© Myrja Thal, (Original in Farbe)
© Thorsten Behrend
© Nadja Siegl, (Original in Farbe)
30
brennpunkt 3/2013
© Maren Glockner, (Original in Farbe)
Galerien
© Anna Schatt
© Detlef Eckardt, (Original in Farbe)
© Anke Wilde
© Anke Wilde, (Original in Farbe)
© Nicolas Balcazar
17. August bis 14. September 2013
imago fotokunst
Linienstraße 145
10115 Berlin-Mitte
© Aline Vater
Vernissage:
16. August 2013, ab 19 Uhr
Di – Fr
Sa
12 – 19 Uhr
14 – 18 Uhr
brennpunkt 3/2013
31
Galerien
Harakiri / alles wird
gut.
Aktueller Anlass zum Titel ist die
Vertreibung aus dem erst vor zwei
Jahren im Wedding mit großem
Aufwand ausgebauten Werkatelier
von position.fotografie. Nun schlägt
Ausbauwahn und Gentrifizierung auch
hier zu und zeigt das neu geschminkte,
doch unschöne Gesicht dieser Stadt,
die Künstlern nur noch wenig Platz zu
beständiger Arbeit lässt, entgegen aller
offizieller Verbalisierungen. Temporär
scheint das neue Zauberwort leerer
Versprechen zu sein.
© O.S.Scholten, »Harakiri«, (Original in Farbe)
© O.S.Scholten, »O Credit«, (Original in Farbe)
Dementgegen steht die Prasxis Stolze &
Schönberg mit Ihrem Anliegen, der Kunst
über längere Zeit einen präsentablen
anderen Ort zu bieten und zeigt mit
Harakiri/Alles wird gut in einer eigens
für diesen Ort zusammengestellten
vorläufigen Dauerausstellung einen
streiflichtartigen Überblick über das
vielfältige fotografische Schaffen
O.S.Scholtens der letzten zehn Jahre.
Kritik an inneren und äusseren
Zuständen ist bei O.S.Scholten wie
immer Programm.
Humor inclusive.
Lee Revos
32
brennpunkt 3/2013
© O.S.Scholten, »EGO Blumen an mich selbst (bye, bye)«, (Original in Farbe)
Vernissage:
13. Juni 2013, 19 Uhr
14. Juni 2013 bis 30. Juni 2014
Praxis Schönberg & Stolze
im Forum Köpenick
Bahnhofstraße 33
12555 Berlin-Köpenick
Mo – Fr 7 – 20 Uhr
Sa
9 – 16 Uhr
Galerien
Dietmar Bührer
»Grauzone Knast«
Ein Fotograf – ein Ort in Berlin! So lautet das Konzept des Berliner Salons für
Fotokunst. Hier werden Arbeiten von
Fotografen gezeigt, die weit über konventionelle Dokumentarfotografie hinausgehen, sonder den Betrachtern vielmehr subjektive Perspektiven aufzeigen
und neue Blickwinkel eröffnen.
© Dietmar Bührer
© Dietmar Bührer
Dietmar Bührer arbeitete als Werkmeister
in der Druckerei/Setzerei der JVA BerlinTegel. Mit diesen Bildern beschreibt er
auf eindringliche, intensive Weise den
Ort: Gefängnis.
Die Schwarzweißfotos des Autors sind
von einer kühlen Schönheit, die lange
nachwirkt. Sie zeigen Gefängnisflure, gänge, -treppen, Zellentüren, Mauern
mit Schriftzeichen versehene Wände,
Fassaden des Gefängnisses, Ausblicke
aus Fenstern, hin und wieder einen Baum.
Und Menschen in ihrer nichtalltäglichen
Umgebung. Nüchtern, schnörkellos sind
die Fotos, die die Stille einer Justizanstalt
vermitteln.
Alle Bilder entstanden zwischen 19901992 in der Justizanstalt Berlin-Tegel
Dr. Elvira Schönow
Vernissage: 6. September 2013
19 Uhr
© Dietmar Bührer
11. September bis 24. Oktober 2013
Berliner Salon für Fotokunst
Kulturhaus Schöneberg
Kyffhäuserstraße 23
10781 Berlin-Schöneberg
© Dietmar Bührer
Mi
14 – 19 Uhr
Do
12 – 17 Uhr
und nach Vereinbarung
Telefon 0179 591 351 6
brennpunkt 3/2013
33
Galerien
Bastienne Schmidt
»Rituale«
1961 geboren in München als Tochter
eines Archäologen.
1969-79 lebt mit ihrer Familie in Athen,
Griechenland, besucht dort die Schule
1980 Studium der Ethnologie an der
Ludwig Maximilian Universität, München; Arbeit an der psychiatrischen
Abteilung eines Krankenhauses.
© Bastienne Schmidt, Florida, 1993
© Bastienne Schmidt, Cleveland, Ohio
© Bastienne Schmidt, Guatemala, 1991
© Bastienne Schmidt, New York City, 1987
1983 Studium der Malerei und der Fotografie an der Accademia di Belle Arti in
Perugia, Italien.
1987 Bachelor of Fine Arts Degree;
Umzug nach New York City, arbeitet
am International Center of Photography
und für den Fotografen Ralph Gibson.
1989-95 Reisen nach Guatemala,
Mexiko, Kolumbien, Bolivien, Peru,
Brasilien, Kuba, beginnt ihre Arbeit am
Buchprojekt »Vivir la Muerte« (Stemmle
Verlag, Zürich), regelmäßige Beiträge 2004 ihr drittes Buch – »Schattenfür Magazine, z.B. Frankfurter Allge- Heimat / Shadow Home« Jovis Verlag,
meine Zeitung, New York Times, The Berlin erhält div. Preise, u.a.: den DeutNew Yorker, New York Magazine.
schen Fotobuch Preis, div. Ausstellun1992-97 USA-Reisen; Arbeit an ihrem gen. Int. Fotoforum Frankfurt, DeutProjekt: »American Dreams«.
sches Haus, New York und University
1998 Grant der George Soros Founda- of Austin, Texas.
tion für »American Dreams«, Stemmle
Verlag, Zürich.
34
brennpunkt 3/2013
© Bastienne Schmidt, Bogota, Kolumbien, 1991
Galerien
© Bastienne Schmidt, Bogota, Kolumbien, 1991
2011 Das Buch »Home Stills« erscheint Bastienne Schmidts fotografische Arbeiim Jovis Verlag, Berlin.
ten wurden in über 60 Ausstellungen
Ihr neuestes Buch- und Ausstellungs- präsentiert, wie z.B. 2010 im Houston bis 10. August 2013
projekt trägt den Titel »Topography of Center of Photography und 2012 im
Quiet« (Die Topography der Stille). Es Manege Museum in St. Petersburg.
Galerie argus fotokunst
ist ein vielschichtiges Projekt mit Mit- Ihre Fotografien sind in zahlreichen Marienstraße 26
teln der Fotografie und Malerei.
internationalen Sammlungen vertreten 10117 Berlin-Mitte
Bastienne Schmidt lebt und arbeitet in
Bridgehampton, New York.
Mi – Sa
14 – 18 Uhr
brennpunkt 3/2013
35
Galerien
Sameer Makarius
»Buenos Aires in the
Sixties«
Bildender Künstler und einer der bekanntesten Fotografen Argentiniens, wurde
1924 als Sohn eines ägyptischen Vaters
und einer deutschen Mutter in Kairo
geboren. Seine Kindheit und Jugend
verbrachte er in Ägypten, Deutschland
(Berlin) und Ungarn. Dort studierte er
Malerei und Bildhauerei.
Als abstrakter Maler der geometrischkonstruktivistischen Schule engagierte
er sich in der Budapester Kunstszene
und stellte als Gründungsmitglied der
ungarischen Gruppe konkreter Kunst
1944 seine Bilder in der ersten Ausstellung nicht-figurativer Kunst in Budapest
aus.
Er lebte in der Schweiz und in Paris. Als
Dreißigjähriger wanderte er 1953 nach
Buenos Aires aus und wurde dort Teil der
abstrakt-avantgardistischen Kunstbewegung der fünfziger Jahre. 1956 gründete
er die Gruppe AFNA Artistas No Figurativas Argentinos und die Gruppe der
zeitgenössischen Fotografen (Grupo de
fotógrafos contemporáneos).
Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag seit
Beginn der 50er Jahre auf dem Gebiet
der Fotografie. In zahlreichen Artikeln
und Essays beleuchtete er die vielfältigen Aspekte der Fotografie und recherchierte ihre Geschichte. Sein herausragendes Werk »La fotografia en la Argentina, 1840 - 81« gilt als Pionier-Arbeit.
Besonders bekannt sind seine Fotobücher über Buenos Aires, die Stadt
und ihre Menschen: Buenos Aires y
su gente, 1960, und Buenos Aires mi
ciudad, 1961.
Seine Fotografien - insbesondere seine
herausragenden Portraits und seriellen
Arbeiten über Buenos Aires - wurden
in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, in
Buenos Aires, Zürich, New York, Budapest, Madrid u.a. (Academia Nacional
de Bellas Artes, Mueseo Arte Moderno,
Museo de Bellas Artes, Museo de Arte
Decorativo, Kunsthaus Zürich, Foto
Forum, New York)
Sameer Makarius starb 2009 in Buenos
Aires.
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brennpunkt 3/2013
© Sameer Makarius
© Sameer Makarius
© Sameer Makarius
© Sameer Makarius
Vernissage
6. September 2013, 19 – 21 Uhr
© Sameer Makarius
7. September bis 26. Oktober 2013
Galerie argus fotokunst
Marienstraße 26
10117 Berlin-Mitte
Mi – Sa
14 – 18 Uhr
Galerien
The Flood Wall II
Projektion und
Ausstellung um das
Fotobuch
Die im letzten Jahr bei exp12 – Raum für
Fotografie - erfolgreich gestartete SlideShow-Reihe »The Flood Wall« wurde
auch in diesem Jahr mit einer Projektion
am 21. Juni fortgesetzt, verbunden mit
einer Ausstellung. Neben den Bildern
liegt der Schwerpunkt diesmal auf der
Präsentation von Künstlerbüchern und
anderen Veröffentlichungen der zahlreichen internationalen Gäste und der
exp12-Fotografen.
© Anais Boudot
© Anni Leppälä, (Original in Farbe)
Nüchtern und ungewöhnlich sind die
Orte und Themen auf den ersten Blick,
mit denen sich die Künstler auseinandergesetzt haben: bei Grégoire Eloy ist
es ein Labor für Astrophysik; bei Marina
Gadonneix und Sarah Pickering sind es
Übungsräume der Feuerwehr, bei Alexandre Maubert ein ehemaliges Gefangenenlager. Dorothee Baumann widmet
sich der Gehirnforschung, Alexander
Gehring nimmt sich ein Fotolabor vor
und Hélène Schmitz einen Ort, wo
Schmetterlinge gezüchtet werden. Mit
ihrer minimalistischen Herangehensweise gelingt es diesen Fotografen pure
Abbildungen der Wirklichkeit in Poesie
zu verwandeln.
Um die persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Identität als Frau
geht es sowohl bei Anni Leppalä und
ihren märchenhaft farbigen Bildern
als auch bei Virginie Otth, die mit Bildern ein Tagebuch zusammenstellt. Die
Schwarzweiß-Serie »Exuvies« von Anais
Boudot ist eine Metapher auf den Prozess der Häutung. Cristina Nunez vereint Selbstporträts aus verschiedenen
Phasen ihres Lebens. Bei Zhe Chen sind
die Spuren auf der Haut, seien es Pickel
oder Wunden, ein Spiegel der Seele.
Die Beziehung des Menschen zu seiner
Umgebung bildet einen weiteren Themenkomplex. Isabelle Pateer befasst
sich metaphorisch mit den Konsequenzen industrieller Expansion am Beispiel
junger Menschen. Sasha Rudensky zeigt
© André Cepeda
© Pierre Liebaert, (O. i. F.)
eine ernüchternde Reportage aus dem
heutigen Russland. Pierre Libaert erzählt
von der engen Beziehung eines Sohnes
zu seinen Eltern in einem Landhaus.
Martina Hoogland Iwanow besticht
durch ihre dunklen poetischen Aufnahmen. Bei André Cepeda findet sich
Nacktheit neben grauen Detailansichten von Objekten und urbanen Orten.
Die Auswahl erfolgte unter der Prämisse,
neue Arbeiten von anerkannten Künstlern neben Newcomern unterschiedlicher kultureller Herkunft und mit unterschiedlichen fotografischen Herangehensweisen zu präsentieren. So ist auch
der eher dokumentarische Ansatz vertreten wie bei den Bergen von Richard
Petit, der Kirche von Anne Guillin und
den Orten von Anna Leader. Mit der
Ästhetik der Farbe befassen sich Dominique Dubois und Arno Schidlowski.
Emil Salto erschafft abstrakte und geometrische Bilder. Nelli Palömaki zeigt in
ihrem kürzlich bei Hatje Cantz erschienenen Buch »Breathing the same air«
stille Schwarzweiß-Porträts.
Zu sehen sind auch neue Arbeiten der
Mitglieder des exp12-Kollektivs, nämlich von Isabel Kiesewetter, Dagmar
Kolatschny, Claire Laude, Anna Meschiari, George Papacharalambus, Ulrike
Schmitz und Nicole Woischwill.
bis 28. Juli 2013
exp 12 / exposure twelve
Greifswalder Straße 217
10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Sa
16 – 20 Uhr
So
14 – 18 Uhr
www.exp12.com
brennpunkt 3/2013
37
Galerien
Karin Idelson &
Anke Schüttler
»Privado« / »Book of
Life«
»Book of Life« und »Privado« sind die im
Dialog entstandenen Arbeiten von Anke
Schüttler in Berlin und Karin Idelson in
Buenos Aires. Im Laufe des Jahres 2011
haben die Künstlerinnen gemeinsam
und durch die räumliche Distanz doch
jede für sich ihr Projekt entwickelt. Sie
haben dabei Bilder und Ideen ausgetauscht und jeweils in Bezugnahme auf
ihre Heimatstädte erarbeitet. Die Fotografien sind speziell für dieses gemeinsame Ausstellungsprojekt entstanden
und wurden erstmals im Dezember
2011 in der Galerie La Ira de Dios in
Buenos Aires gezeigt.
Die argentinische Fotografin und Videokünstlerin Karin Idelson erkundete in
Buenos Aires die intime Seite des öffentlichen und urbanen Raumes der Cybercafés. Erklärende Panoramaansichten
bewusst vermeidend tauchte sie in die © Karin Idelson, (Original in Farbe)
Details ein, folgte dem schummrigen
Licht der Bildschirme, beschäftigte sich
mit der Farbe der Wände und dem Blickfeld der Webcam. Ihre abstrahierenden,
atmosphärisch dichten Bilder erzählen
vom privaten Erleben im öffentlichen
Raum und von dem, was von flüchtigen
Begegnungen übrig bleibt. Die Berliner
Fotografin Anke Schüttler ließ sich auf
der Suche nach ihrer eigenen Erzählung
über Berlin mit dem Ausgangspunkt der
Kartografie von visuellen Codes leiten.
Sie beschäftigte sich mit einer Sprache
bestehend aus Buchstaben, Ziffern und
Symbolen. Mit der Kamera die eigene
Stadt kartierend trug sie die einzelnen © Anke Schüttler, (Original in Farbe)
Seiten zu einem ungewöhnlichen Lexikon zusammen, das dem Unverständlichen eine Stimme gibt.
In der Ausstellung »Privado« / »Book of Vernissage:
Life« verbinden sich diese persönlichen 10. August 2013, 19 Uhr
Bereiche.
Beide Künstlerinnen haben sich dabei
bewusst für die analoge Technik entschieden, gewissermaßen um den Akt
des Fotografierens zu zelebrieren und
der Flüchtigkeit der digitalen Welt ent- www.ankeschuettler.com
gegenzuwirken.
www.karinidelson.com
38
brennpunkt 3/2013
© Anke Schüttler, (Original in Farbe)
11. August bis 7. September 2013
exp 12 / exposure twelve
Greifswalder Straße 217
10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Sa
16 – 20 Uhr
So
14 – 18 Uhr
www.exp12.com
Galeriebericht
Mixed Pixels
Gemeinhin vergeht in Berlin kaum ein
Quartal ohne die Präsentation eines
bedeutenden fotografischen Lebenswerks. Diesmal waren Gruppenevents
angesagt, jeweils unter einem Motto,
und auch die Solisten widmeten sich
begrenzten Themen. Im Vergleich mit
Mauerzeiten genießen wir jetzt eine
schillernde Vielfalt, einmal durch das
deutsch-deutsche Zusammenwachsen, zum anderen durch den globalen Austausch. Die »zerstörte Vielfalt«
durch die Nazis nach 1933 ist gerade
Gegenstand des Themenjahres 2013.
Mir scheint, dass wir auf gutem Wege
sind sie wieder herzustellen. Die inflationäre Verbreitung der digitalen Fotografie trägt sicher dazu bei, allerdings oft
auf einem Niveau, das vielen Galeristen
und Kuratoren Sorge macht. So Norbert
Bunge von der galerie argus fotokunst:
»Die jungen Leute wissen ja gar nicht
mehr, was ein gutes Foto ist«.
Einer, der es wusste und dieses Wissen
als Lehrer und Mentor mit großer Achtsamkeit weitergab, war Arno Fischer.
Sein legendäres Urteil »Siehste, jeht
doch« war Anerkennung und Ansporn
für seine Schüler, die in ihm auch einen
großen Menschen verehrten. Er starb am
13. 9. 20011. Sein Name taucht immer
wieder auf in den Lebensläufen aus Ost
und West. Der eigene führte ihn in den
Fünfzigern aus Westberlin in die DDR.
Er wurde der vielleicht bedeutendste
Fotograf der DDR. Thomas Honickel
sagt im Katalog zur Kölner Ausstellung
von 2004 »Utopie und Wirklichkeit«:
»Für Fotografen war die DDR ein verstecktes Paradies, wäre alles so reich
und vielfältig gewesen wie ihre fotografische Kultur, wäre sie nicht untergegangen«.
Zweiunddreißig Meisterschüler seines
letzten Jahrgangs an der Ostkreuzschule haben sich zusammen getan,
und Fischers langjähriger Kurator Matthias Flügge hat ihre Ausstellung und den
schönen Katalog betreut. Flügge schreibt
darin: »Wenn nun der letzte Jahrgang
seiner Meisterschüler eine gemeinsame
Ausstellung eröffnet, so ist das zuerst
eine Hommage an Arno Fischer. Es ist
zugleich aber auch ein Nachweis dafür,
wie viele originäre Begabungen sich
um ihn versammelt haben, die mittlerweile selbst unser Bildgedächtnis und
die Diskurse um die Fotografie bereichern«. Für diese Begabungen ist der
Respekt für das Medium Fotografie mit
seiner 174-jährigen Geschichte und
seiner künstlerischen und gesellschaftlichen Relevanz selbstverständlich. Das
unterscheidet sie wohltuend von der
verbreiteten Verflachung und Beliebigkeit, die wir tagtäglich ertragen müssen,
von der digitalen »Verwurstung« ganz
zu schweigen. Arno Fischer hatte dafür
einen schlichten Ausdruck: »Ich sticke
nicht«. Pauschal abgelehnt hat er die
digitale Fotografie keineswegs, hat sie
auch gelehrt.
© Birgit Krause
© Eva Brunner
Bei dem hohen fotografischen Niveau
der Ausstellung will ich nur einige
Autoren nennen, deren Botschaft mich
besonders berührt hat. Es sind die, die
mir vom Menschen erzählen, seinen
Spuren, Erinnerungen und Sehnsüchten.
So der Schweizer Mischa Christen mit
der mutigen Geschichte vom Alleinsein,
Eva Brunner mit Erinnerungsräumen, in
denen wir unsere eigene Story in und
hinter den Bildern finden können, Uta
Protzmann mit einem zarten Gespinst
von Nostalgie, Birgit Krause, deren
»unbewusste Wirklichkeiten« in ihrem
Heute nach der Jugend suchen, und sehr
viel konkreter Eric Schütt, der in unseren Landen die letzten »Frauen in Tracht«
© Janine Fritsch
besucht hat mit Tonband und Kamera.
Anna Thiele beobachtet die Menschen
in den übermächtigen Architekturen des
Regierungsviertels. In unserem Portfolio
im Heft 4 – 2012 haben wir ihre Farbbilder mit dem Titel »Verdichtung/Verortung« in schwarzweiß vorgestellt. Im
Mai gehörte Anna Thiele zu den achtundzwanzig Siegern des »Architekturbild 2013« in Frankfurt/Main.
Auch Joern Dudek ist durch Arno
Fischers Schule gegangen und zeigte
im AXEL- Hotel seine großen SW-Prints
vom Neuen Berlin, edel auf Baryt.
brennpunkt 3/2013
39
Galeriebericht
An einem märchenhaften Lehrgangsthema haben sich fünf Frauen
und ein Mann an der Neuen Schule für
Fotografie versucht: »Rotkäppchen«. In
den »grimmigen« Hausmärchen steckt
ja viel Zündstoff, Gewalt, Angst, der
Kampf von Gut und Böse. Die Eleven
lüpften das rote Käppchen in ihren Beiträgen nur zaghaft. Meike Sieverking
und Janine Fritsch fanden am ehesten
den Zugang.
Um bei den Schulen zu bleiben: imago
fotokunst (www.imago-fotokunst.de)
hat sich seit vielen Jahren bestens eingeführt, mit Dozenten wie Ulla Kelm,,
Torsten Andreas Hoffmann, Enno Kaufhold und vielen anderen. Dass sie keine
Schlagzeilen macht, hat, so scheint mir,
einen sympathischen Grund: Den Leitern Manuela Schäwe und Mathias
Richter ist die Fotografie eine Herzensangelegenheit. Der wirtschaftliche Erfolg zählt erst in zweiter Linie.
Im Mai hingen im alten Kellergewölbe
der Galerie die musikalischen Straßenszenen von Matthias Klages (Jahrgang
59), analog fotografiert und aufs Feinste
handvergrößert.
© Matthias Klages
Auch Oliver S. Scholten lehrt noch klassische Labortechnik und unterhält ein
Werkatelier (www.position-fotografie.
de). Er ist sehr vielseitig und hat Marotten, die einem Künstler wohl anstehen.
Eine davon ist eine ganz gegenständli40
brennpunkt 3/2013
che Versuchsanordnung, kürzlich in der
Gruppenausstellung EGO in der Fotogalerie am Friedrichshain zu bewundern. Da verkabelt er leibhaftig seinen
Schädel mit einer monströsen Plattenkamera. Das ist Philosophie zum Anfassen,
ebenso anschaulich wie humorvoll. Mit
von der lustigen Partie: Katja Schrader,
deren schrille Selbstdarstellungen auf
ihre Tätigkeit am Theater und im Journalismus verweisen. Fotografisch ist das
alles eine Augenweide.
Noch ein paar Perlen säumten meinen
Weg durch die Galerien, so die Porträts aus der Berliner Kunstszene von Jan
Sobottka bei Manfred Carpentier. Mehr
im letzten »brennpunkt« und unter
www.catonbed.de. Nicht weit davon,
in der Fasanenstraße, Johanna Breedes
»Frauen«, eine wunderbare Auswahl der
bekanntesten Fotografen aus den letzten
50 Jahren. Herbert Lists schöne Studie
von Anna Magnani zierte unsere letzte
Ausgabe.
Bei Pavlov’s Dog waren die Wände vollgehängt mit 50 x Berlin von 50 Fotokünstlern, allzu viel Vielfalt auf engstem Raum. Das Auge kommt nicht zur
Ruhe.
Klar gegliedert hat Christian Reister seine Berlin-Trilogie für das Café
Aroma.
Ein bunter Fries mit quicklebendigen
Streiflichtern vom Alex führt wie ein
Film um den ersten Raum, im zweiten
sind es gerahmte Stadtlandschaften, alle
mit einem gewissen Pfiff, und im dritten frönt Reister seinem schwarzweißen Faible für das Berliner Nachtleben,
das er uns schon im Kabinett des Hotels
Bogotá näher gebracht hat. Hier waren
im Saal die nicht eben aufregenden
Werke von Bernadette Ypso und Charlotte K zu sehen, die mit ihrer Anonymität kokettieren, obwohl Joachim Rissmanns Photoplatz bisher von der Aura
der großen Namen gelebt hat. Leider
wurde ihm zum 30. März 2014 gekündigt, und die wechselvolle Kulturgeschichte des Hauses seit Yva und ihrem
Schüler Helmut Newton wird damit
wohl in Vergessenheit geraten. Da wird
auch das Engagement von Harald Martenstein im Tagesspiegel nicht helfen.
Rissmann kann es kaum trösten, dass
demnächst c/o Berlin im alten Amerikahaus am Zoo die City West aufwerten wird.
Da ist er wieder, der lange Schatten der
Berliner Mauer. Die Galerie Camera
Work versucht ein Spagat. Ihre glamourösen Stars amerikanischer Prägung vor
und hinter der Kamera sind in der Kantstraße genau richtig, immer spektakulär und selten unter 10.000.- zu haben.
Bei Michel Comtes Meisterstücken
steigert sich das für die splitternackte
Carla Bruni von 1993 auf 36.000.- Euro.
Besser gefällt mir das Konterfei von Geraldine Chaplin, die in Clownspose ihren
Papa Charlie herrlich treffend karikiert
und ihm dabei so verblüffend ähnlich
© Michael Comte
sieht, dass man an einen fröhlichen
Spuk aus dem Jenseits denkt. Bewegend
ein intimes Porträt der Louise Bourgois
aus New York 1996, deren kluge klare
Augen in einem Meer von Falten das
ganze Jahrhundert spiegeln.
In der Dependance Ost, CWC in der
Auguststraße, triumphiert mit Jean Baptiste Huynh die reine Form. Fast alle
Motive sind exakt mittig ausgerichtet
im Quadrat, die betenden Hände, ein
Messer, eine Lotusknospe, eine Kerzenflamme, exotische Porträts. Cool. Nein,
das ist eiskalte Ästhetik. Man muss das
mögen. Muss man?
Die Alfred Ehrhardt Stiftung, schräg
gegenüber von CWC, hat es auch mit der
Ästhetik, aber im Geiste ihres Namenspatrons mit der biologischen. Hier fragt
Frank Darius mit der Serie »Low« verwegen: »Was ist Natur wirklich?«
und reduziert sie auf haarfeine schwarze
Linien auf großer weißer Fläche.
Galeriebericht
© Frank Darius
© Lutz Dille
Der Philosoph Andreas Weber sieht
darin ihre poetische Dimension. Auf die
verstanden sich die Romantiker besser.
Bei Darius denkt man eher aktuell, an
ihr Verschwinden.
Am selben Ort als starker Kontrast die
bunten Wasserlandschaften »nach der
Natur« von Hanns Zischler, aus der
Rigby-pin-hole 4 x 5 inch, einer Lochkamera also, mit Blende 164. Dieses
Eichenholzmöbel liefert recht malerische Bilder, mit dem typischen Lichtabfall zu den Rändern. Ein Loch kann man
nicht korrigieren, das Ergebnis aber
mit einem lyrischen Titel verklären wie
»Rauchquast über Schreberland«. Zischler ist als preisgekrönter Publizist und
Schauspieler bekannt. Wir verdanken
ihm den brillant boshaften Text »Berlin
ist zu groß für Berlin« über das Werden
der Hauptstadt aus Sumpf und Sand (bei
Galiani).
Der Pole Marek Pozniak hat immerhin
eine einfache Linse in seiner Black Box
von 1887. Schon kurios, was die digitale Perfektion an Gegenstrom erzeugt.
Bei ihm steht ein künstlerisches Konzept
dahinter, das den Ablauf von Zeit auf
mehreren Ebenen sichtbar und begreifbar macht. Enno Kaufhold und Susanne
Schmid haben das im Katalog klug analysiert. Schmids Text ist auch in unserem letzten Heft abgedruckt, zu einigen Bildern. Die bei Johanna Breede bis
24. August ausgestellten Originale sind
zum Teil Unikate, weil die zugehörigen
Negative vernichtet wurden. Ein echter
Kunst-Griff zur Wertsteigerung, neben
der aufwendigen Lith-Entwicklung und
Tonung der speziellen Papiere. Dabei
arbeitet Pozniak im »richtigen Leben«
durchaus digital.
Die Liebe zur analogen Technik ist
auch für Norbert Bunge Programm.
Für seine Galerie argus fotokunst hat
er lauter Kostbarkeiten zur »Faszination Paris« zusammengetragen. Mit
dabei Sibylle Bergemann, René Burri,
Bunge selbst, Paul Almasy und George
Friedmann, der uns zuvor daselbst mit
seinen »Novelas Argentinas« amüsiert
hat. Mit »Paris« feiert Bunge seine hundertste Ausstellung seit 1996. Ein Foto
muss für den erfahrenen Dokumentarfilmer eine Geschichte erzählen, und
zwar möglichst als Handvergrößerung
auf Barytpapier.
Besonders liegt ihm die ostdeutsche
Fotografie am Herzen, auch die Wiederentdeckung fast vergessener Autoren
des 20. Jahrhunderts.
Einer, der sich seine Landschaften selbst
erfindet, ist Thomas Wrede. Die großen
Tableaus in der Galerie Wagner + Partner nennt er »Katastrophe und Idylle«,
nicht zu verwechseln mit »Idylle und
Desaster« des unsäglichen Bogomir
Ecker im letzten Monat der Fotografie.
Wrede versetzt schon länger typische
Merkmale unserer modernen Zivilisation in urtümliche Gegenden für seine
»Real Landscapes«, mit verblüffender Wirkung. Diesmal stellt er die Verwüstungen von Fukushima und New
Orleans modellhaft nach und lässt die
Bauruinen an der Costa im Meer versinken. Die Preisliste weist für so ein grandioses »Lambdaprint Diasec« in 140 x
200 cm 12.600.- Euro aus, bei einer Auflage von 5 Stück.
Mit Arnd Weider kehren wir zur relativen Wahrheit in der Fotografie zurück. Er
gibt uns eher mit der Wahl seiner Räume
Rätsel auf. Am Rathaus Tempelhof sind
seine »Heterotopien« noch bis 27. Juli
zu sehen. Weider meint damit – in Anlehnung an den Philosophen Michel Foucault – »andere« Orte, die in besonderer
Weise für Situationen stehen, die wir im
Alltag verdrängen oder nicht auf unsere
Person beziehen. Er findet sie in Kliniken, Anstalten, Gefängnissen und im
Krematorium, Lokalitäten, deren Betreten an bestimmte Rituale gebunden ist,
und schöpft nach eigener Aussage aus
»erlebtem Umgang mit Krankheit und
Tod«. Groß-und Mittelformat unterstützen mit ihrem Detailreichtum die eindringliche Aufforderung des Autors, die
innere Abwehr zu überwinden und sich
seinem Thema zu öffnen. 2010 war er
Preisträger am Haus am Kleistpark und
erhielt ein Arbeitsstipendium. Sein Rüstzeug holte er sich bei Arno Fischer an
der fas und an der Ostkreuzschule.
Die engagierteste Arbeit des Quartals
fand ich in der kleinen aff-Galerie in
Friedrichshain: Helena Schätzles »9645
Kilometer Erinnerung«. Für die junge
Autorin (Jahrgang 83) waren es vier
Jahre anstrengender Reisen und intensiver Beschäftigung mit der selbstgestellten Aufgabe, der Suche nach den Spuren
des schrecklichen 2. Weltkriegs in Osteuropa, in den Fußtapfen des Großvaters, der als deutscher Soldat in neun
Ländern gekämpft hat. Fast erdrückt
wurde sie von Hunger, Leid und Tod in
den Erinnerungen der Menschen, die sie
aufsuchte.
Ihre sensiblen Porträts erzählen davon,
aber auch von Momenten großer Vertrautheit und Dankbarkeit für die Anteilnahme. Die Landschaftsbilder von
heute, karg, winterlich, manchmal noch
mit den Wunden des Krieges,
verstärken die mahnende Wirkung
dieser ergreifenden Reportage.
Zum Schluss aber zwei heitere Tipps für
den Rest des Sommers:
Bis 20. Juli bei Petra Rietz am Koppenplatz die reizvollen »Kleider aus Licht«,
die Heinrich Heidersberger in den 40-er
Jahren auf bloße Körper zauberte (siehe
brennpunkt 2/13), und die vielen meist
malerisch oder neckisch inszenierten
Nackedeis beiderlei Geschlechts von
der vorletzten Jahrhundertwende, unter
dem dummen Titel »Die nackte Wahrheit und anderes«, bis 25. August im
alten Kaisersaal des Museums für Fotografie, über Helmut Newtons auch nicht
gerade prüder Bilderwelt.
Klaus Rabien
brennpunkt 3/2013
41
Fotoszene
UPON PAPER
magazine #03
LOVERS
Als definiertes »objet de désir« ist das
UPON PAPER magazine prädestiniert
dafür, diese Leidenschaft in seiner dritten Ausgabe wörtlich zu nehmen und
das Thema Lovers bildmächtig umzusetzen. So zeigt UPON PAPER #03 ein
herausragendes Line-up an internationalen Kontributoren wie James Franco,
Jeff Burton, Larry Clark, James Gallagher, René Groebli, Rosa Loy und
Hans Peter Adamski. Viele der gezeigten Arbeiten sind speziell für UPON
PAPER #03 entstanden. Sie erzählen
von den unterschiedlichsten Formen
menschlicher Zuneigung, emotionaler
Bindung und Zweisamkeit. Auch das
Lieben und geliebt werden, die Amour
Fou, Selbstliebe (bis hin zum Narzissmus), First Love, die Liebe zur Kunst und
zur Architektur sowie die Abwesenheit
und das Enden von Liebe sind Themen,
die die neueste Ausgabe des UPON
PAPER magazine behandelt und damit
berührt, erinnert und mitfühlt.
Es geht um Ver- und Geliebte wie z.B.
in Groeblis Serie Das Auge der Liebe,
welche er in den 1950er Jahren während der Hochzeitsreise mit seiner Frau
inszenierte oder Kate Bellms Zyklus
Lover, der ihren Freund Edgar Lopez
auf den verschiedensten Stationen
einer gemeinsamen Weltreise zeigt. Des
Weiteren öffnete der Berliner Künstler
Hans Peter Adamski sein Archiv erotischer Papierarbeiten, die von historischen asiatischen Zeichnungen inspiriert wurden, und teilt diese intimen
Einblicke mit dem Leser. Und auch mit
den Malereipositionen Rosa Loy und
James Franco überzeugt die neue Ausgabe des Magazins: Während Loy mit
ihren Werken an die pure Weiblichkeit,
Fürsorge und Poesie appelliert, zelebriert das Multitalent Franco die eigene
Persönlichkeit mit selbstreflektorischen
und oftmals selbstironischen Zitaten.
Neben etablierten Künstlerpositionen
sind auch junge Talente wie die erst 19jährige New Yorker Fotografie-Studentin
Jordan Tiberio und die Wahlberlinerin
Kandis Williams wichtiger Bestandteil
42
brennpunkt 3/2013
die bereits im Heft vertretenen Künstler hinaus präsentiert LOVERS weitere
Kreative und ihre Positionen zu diesem
Thema. Bis zum 27. Juli werden Arbeiten von Hans Peter Adamski, Kate Bellm
& Edgar Lopez, Larry Clark, James
Franco, James Gallagher, Bill Henson,
Claire Kurylwoski, Matt Lambert, Philip
Loersch, Jordan Tiberio, Camille Vivier,
Gavin Watson und Kandis Williams
gezeigt.
René Groebli, Untitled, 1953, © René Groebli,
courtesy PINTER & MILCH, Galerie für
Fotografie
des Portfolios von UPON PAPER #03.
»Once upon a Trip«: UPON PAPER präsentiert erstmalig eine Kollektion von 8
Fotografien und Malereien des künstlerischen Zusammenwirkens von Maler und
Filmemacher Julian Schnabel und May
Andersen, Model und Fotografin. Speziell für die dritte Ausgabe von UPON
PAPER magazine haben sie jeweils 4
ihrer Arbeiten, die auf einem gemeinsamen Ausflug nach Ocracoke in North
Carolina, USA, entstanden sind, zusammengestellt und editiert - als ein Manifest der Liebe für: »LOVERS«!
Upon Paper steht im Allgemeinen für
das Zelebrieren von Farbe, Form und
Text. In der dritten Ausgabe des Upon
Paper magazines gewährt die sogenannte Dunkelkammer Einblick in die
dunklen Seiten des Themas Liebe: abgesetzt auf schwarzem Hintergrund stehen
erotische Zeichnungen von Francisco
de Goya Seite an Seite mit der Fotografie eines zärtlichen Moments zwischen
John Lennon und Yoko Ono, während
eine klassische Aktfotografie von Frank
Eugene durch die Szenerie eines Sexkinos kontrastiert wird. Die Dunkelkammer befindet sich, einem Kleinod
gleichend, in der Mitte/im Inneren des
Heftes und hebt sich nicht nur durch ihr
spezielles, besonders haptisches Papier
vom restlichen Heft ab.
DAS UPON PAPER PROJECT
UPON PAPER besteht aus drei sich
ergänzenden Bereichen: Das großformatige UPON PAPER magazine (490
x 690 mm) ist zweisprachig Deutsch/
Englisch und widmet sich in jeder Ausgabe einem Leitthema. Das international mehrfach ausgezeichnete Design
und die aufwändige Produktion machen
das Magazin von Chefredakteur Holger
Homann, Creative Director Helder Suffenplan und Editorial Director Paul Hetherington zu einem Sammler-Objekt mit
starker physischer Präsenz. Der UPON
PAPER space in Berlin-Mitte inszeniert
Ausstellungen im Raum und die thematisch korrelierende Websitewww.uponpaper.com begleitet die Ausstellungen
und Magazine im Netz.
UPON PAPER ist eine Initiative von
Hahnemühle FineArt. Ausgangspunkt
ist die Leidenschaft für Papier als ein
die Zeiten überdauerndes Medium,
um Ideen, Träume und Visionen fest zu
halten und Diskussionen anzustoßen:
Die 1584 gegründete Hahnemühle
FineArt ist ein weltweit führender Anbieter hochwertiger Papiere für Künstler,
Fotografen und das grafische Gewerbe,
sowohl für traditionelle Kunsttechniken
wie Aquarell oder Zeichnung (Traditional FineArt) als auch für digitale Verarbeitung von Fotografie (Digital FineArt). Hahnemühle hat über die Jahrhunderte eine ausgeprägte Firmenkultur von
Qualität und Innovation entwickelt und
bedient aus der kleinen Stadt Dassel in
Niedersachsen heraus mit seinen 150
Mitarbeitern Künstler und Kreative auf
fünf Kontinenten.
bis 27. Juli 2013
GRUPPENAUSSTELLUNG LOVERS
UPON PAPER space
Die Ausstellung begreift sich als Über- Max-Beer-Straße 25
führung des Leitthemas LOVERS in 10119 Berlin-Mitte
den dreidimensionalen Raum. Über Di – Fr 12– 18 Uhr, Sa 12–16 Uhr
Ausstellungen
Museum für Fotografie Podbielski
Contemporary
27. Sept. 2013 bis 5. Januar 2014
Wagner + Partner
14. September bis 9. November 2013
Thomas Jorion
bis 27. Juli 2013
Natascha Stellmach
»I dont´t have a Gun«
Koppenplatz 5
10115 Berlin-Mitte
Di–Sa
12–18 Uhr
Strausberger Platz 8
10243 Berlin-Friedrichshain
Di–Sa
13–18 Uhr
Instituto Cervantes
CWC Gallery
bis 6. September 2013
Leopoldo Pomés
Carlos Sauro
»Porträts«
bis 24. August 2013
»Selection«
Nick Brandt, Jean-Baptiste Huynh, Helmut Newton, Herb Ritts, Yoram Roth,
Linienstraße 139/140
10115 Berlin-Mitte
Di–So
14–19 Uhr
Rosenstraße 18-19
10178 Berlin-Mitte
Mo–Do
9–13 Uhr, 14–18 Uhr
Fr
9–13 Uhr
Camera Work CWC Gallery
Auguststraße 11-13
10117 Berlin-Mitte
Di–Sa
11–19 Uhr
Haus am Kleistpark
KICKEN Berlin
Swedish Photography
bis 11. August 2013
Torsten Warmuth
»Die Rückeroberung der Freiheit«
bis 31. August 2013
Martin Kippenberger
bis 20. Juli 2013
DIFFERENT DISTANCES
Denise Grünstein, Julia Hetta, Martina
Hoogland Ivanov, Julia Peirone, Elizabeth Toll
Brasiliens Moderne 1945-1961
Thomaz Farkas, Hans Gunter Fleig,
Marcel Gautherot, Jose Medeiros
Jebensstraße 2
10623 Berlin-Charlottenburg
Di–So
10–18 Uhr
Do
10–22 Uhr
ifa-Galerie
27. September bis 22. Dezember 2013
Kulturtranfers #7:
The Space between us
Fotografie Afrika
Grunewaldstraße 6-7
10823 Berlin-Schöneberg
Di–So
10–19 Uhr
Berlinische Galerie
bis 30. September 2013
Tobias Zielony
»Fotografien 2008–2012«
Alte Jakobstraße 124-129
10969 Berlin-Kreuzberg
Mi–Mo
10–18 Uhr
Galerie Jette Rudolph
25. Oktober bis 30. November 2013
Samuel Henne
Strausberger Platz 4
10243 Berlin-Friedrichshain
Di–Sa
12–18 Uhr
Linienstraße 161a
10115 Berlin-Mitte
Di–Sa
14–18 Uhr
Deutsches
Historisches Museum
13. Dezember 2013 bis 4. Mai 2014
Farbe für die Republik
Fotoreportagen aus dem Alltagsleben
der DDR
Ausstellungshalle I. M. Pei
Hinter dem Zeughaus
Unter den Linden 2
10117 Berlin-Mitte
täglich
10–18 Uhr
7. September bis 19. Oktober 2013
Inka Lindergard & Niclas Holmström
»Becoming Wilderneso«
Karl-Marx-Allee 62
10243 Berlin-Friedrichshain
Mi–Sa
12–18 Uhr
Helmut Newton
Stiftung
bis 19. Oktober 2013
Helmut Newton
»World without Men / Archives de
Nuit«
François-Marie Banier
»Porträts«
Jebensstraße 2
10623 Berlin-Charlottenburg
Di–So
10–18 Uhr
Do
10–20 Uhr
brennpunkt 3/2013
43
Ausstellungen
Justine Wodtke
»Jenseits der Schärfe«
Fotografische Impressionen
Irritation wird das Erste sein, das
Sie empfinden. Aber dann gewöhnt
sich das Auge an das Gebotene, die
Befremdlichkeit verschwindet und Sie
beginnen, das Gesehene zu interpretieren, mit Ihrer Phantasie zu füllen, zu
gestalten und schließlich in das Bild
einzutauchen, Ihren Gefühlen Raum
zu geben und die gegenständliche
Welt für einen Augenblick zu verlassen, vielleicht sogar zu träumen.
© Justine Wodtke, (Original in Farbe)
Und genau das ist die Intention der
Fotografin Justine Wodtke: Abbildungs-, Betrachtungs- und Wahrnehmungsgewohnheiten infrage zu stellen. »Fotografieren bedeutet für mich
seit meiner Kindheit, die Welt so abzubilden wie ich sie wahrnehme, empfinde und erlebe«.
In den fotografischen Impressionen
»Jenseits der Schärfe« werden Formen
vereinfacht, teilweise aufgebrochen,
aufgelöst, Farbnuancen verschwinden
zugunsten intensiverer Farbgebung
einzelner Objekte. Hierdurch entstehen Überzeichnungen bzw. Hervorhebungen wichtiger Bildelemente
und somit auch gleichzeitig Reduzierungen auf Wesentliches. Unwesentliches wird vernachlässigt bzw. gar
nicht mehr abgebildet.
Die vermeintlich objektive Betrachtungsweise wird zugunsten einer
bewußt subjektiven und somit emotionaleren Wahrnehmung ersetzt, da
das fotografierte Objekt erst seitens
der Betrachtenden anhand der reduzierten und somit verfälschten Bildinformationen wieder entstehen muß.
Dieser Prozeß ist eine aktive Interaktion zwischen dem Interpreten und der
Fotografie.
Diese intensive Auseinandersetzung
mit minimalistischen, teils uneindeutigen Bildelementen, die erst durch die
Phantasie und Kreativität der betrachtenden Person zu einem ganz eige44
brennpunkt 3/2013
© Justine Wodtke, (Original in Farbe)
© Justine Wodtke, (Original in Farbe)
Justine Wodtke
»Zwar schon im Ruhestand, aber alles
andere als ruhig. Immer noch hibbelig,
immer noch neugierig auf das Leben
und die Welt«.
Fotografin
aus Leidenschaft, Autodida© Justine Wodtke, (Original in Farbe)
ktin, Absolventin der Fotoklasse 23 von
nen, privaten Bild zusammengefügt Ursula Kelm bei imago-fotokunst Berlin.
werden - ist nichts anderes wie das, Unternehmensberaterin, IT-Systementwas wir tagtäglich aufgrund minima- wicklerin
listischer Informationen machen: Wir
schaffen uns jeweils unsere eigene Vernissage:
Realität, unseren ureigenen Blick auf 2. Juli 2013, 17 Uhr
die Welt.
Faszinierend bei dieser Form der
Rezeption ist, daß bei jedem erneuten 2. Juli bis 31. Juli 2013
Betrachten des Dargestellten immer
wieder neue Bilder entstehen können Rathaus Würzburg
und sich somit auch ein wesentlich Rückermainstraße 2
intensiverer Kontakt zum Bild auf- 97070 Würzburg
baut.
täglich von Montag bis Freitag
www.justine-wodtke.com
[email protected]
Ausstellungen
Ursula Kelm
»weit draußen und tief
drinnen«
Bilder der Nacht
Dunkelheit oder Mangel an (natürlichem) Licht hat Künstler stets fasziniert.
Die Nacht ist ein Zustand, aber gewissermaßen auch eine Haltung, sie ist
Mythos und Sehnsucht, Einschränkung
und Option, Stille und Rausch. Sie ist
dort - weit draußen - und hier - tief drinnen, u.a. aus »Apollo Theatre«, Harlem
2013.
© Ursula Kelm, Original in Farbe
© Ursula Kelm, Original in Farbe
© Ursula Kelm, Original in Farbe
Teilnehmer:
Claire Hooper, London (Video), Esther
Horn, Berlin (site specific painting),
Gabriele Horndasch, Düsseldorf
(Video), Ursula Kelm, Berlin (Fotografie), Johannes Kersting, Nürnberg (Fotografie), Mathias Otto, Nürnberg (Malerei), Gerhard Rießbeck, Bad Windsheim (Malerei), Yukara Shimizu, München (Fotografie)
© Ursula Kelm, Original in Farbe
15. September bis 27. Oktober 2013
kunst galerie fürth
Königsplatz 1
90762 Fürth
Es erscheint ein Katalog von Ursula
Kelm.
© Ursula Kelm, Original in Farbe
Mi – Sa
So
13 – 18 Uhr
11 – 17 Uhr
brennpunkt 3/2013
45
Ausstellungen
Weegee
»The Famous«
Fotografie
Arthur Fellig (1899-1968), der sich selbstbewusst Weegee – The Famous nannte,
gehört zu den ungewöhnlichen Positionen der amerikanischen Fotografie der
1930er, 40er und 50er Jahre. Er wurde
berühmt durch seine nächtlichen Fotos
zu Brandkatastrophen, Unfällen und
Morden sowie seinen Beobachtungen
von Obdachlosen und Outlaws. Eine
harte Lichtführung mit erschreckender
Unmittelbarkeit und drastischem Realismus zeichnet die Bilder aus. »The
Critic« (1943) zählt zu den meist publizierten Fotografien und stellt in überzeichneter Weise eines seiner zentralen Themen - die Klassenunterschiede
zwischen der New Yorker High Society
und der Arbeiterbevölkerung dar. Ironischerweise wird das Bild im Zweiten
Weltkrieg auch von den Nazis zu Propagandazwecken genutzt.
Zehn Jahre arbeitet Weegee in den Manhattan Headquarters und macht nach
eigenen Angaben über 5.000 Fotografien von den Randgruppen der Gesellschaft. Diese Arbeit lässt ihn zu einem
der berühmtesten Bildchronisten dieser
- noch schwarz-weißen - brutalen Epoche
werden. 1945 erscheint sein erstes Buch
Naked City, das ihm auch internationalen Ruhm einbringt und das zwei Jahre
später in Hollywood verfilmt wird.
Straßenhändler, o.J. © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2013
In über 100 Fotografien stellt die
Ausstellung diesen für viele nachfolgende
Den Namen Weegee verdankt er laut Fotografen sowie Regisseure und Filmer
eigener Aussage dem Gerücht, er habe vorbildhaften und prägenden Realisten
telepathische Fähigkeiten. Denn ausge- vor. Die Oberhausener Schau vereint
stattet mit dem Polizeifunk ist er meist neben den Bildern zu Tatorten und
der erste am Unfallort und so sind seine Tätern auch solche zu Celebrities und
Fotos schon in der Zeitung, da ist die Stars wie Jackie Kennedy oder Salvador
Nachricht ansonsten noch niemandem Dali.
bekannt. So gab man ihm den Spitznamen nach einer damals sehr populären spiritistischen Alphabettafel, dem Die Ausstellung entsteht in Koope»Ouija«-Board. Er selbst überlegte ration mit dem Institut für Kulturaushierzu die »englische« Schreibweise tausch Tübingen. Sie wird gefördert
Weegee und bemerkte selbstbewusst: durch die Peter und Irene Ludwig Stif»Ein besserer Name oder ein besserer tung, die Stadtsparkasse Oberhausen
Photograph ist mir nie begegnet«.
und WDR3.
46
brennpunkt 3/2013
Ostersonntag in Harlem, 1940
© Weegee / Institut für Kulturaustausch,
Tübingen 2013
Ausstellungen
Santana in G-Strings, 1950 © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2013
Charles Sodokoff und Arthur Webber, 1942
© Weegee / Institut für Kulturaustausch,
Tübingen 2013
bis 8. September 2013
Ludwiggalerie - Schloss Oberhausen
Konrad-Adenauer-Allee 46
46042 Oberhaus
Kritik, 1943 © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2013
Di – So
11 – 18 Uhr
brennpunkt 3/2013
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Ausstellungen
Ono Ludwig
»Ikonen und
Helden Werkschau
15 Jahre analoge
Portraitfotografie«
Die Lebensfreude steckt an, die Situationen sind energetisch aufgeladen. Der
Selbstdarstellung folgt der Fotograf mit
dem Objektiv und erhöht sie mit den
Mitteln der Fotografie auf sehr subtile
Weise. Im realistischen Ausdruck erinnern die Fotografien an einen Meister
des italienischen Frühbarocks: Caravaggio hätte seine helle Freude daran
gehabt.
Franz Werner, Berlin 2010
»The Divinity«
»Heroes«
Bei der analogen Fotoserie »Divinity« Angesichts der inflationären Suche in
frönt der Berliner Kunstfotograf Ono den Massenmedien nach Superlativen,
Ludwig dem Terrain der inszenierten egal ob Stars und Sternchen, Nannys
Fotografie und antichambriert damit alle und Dschungelkönige und der einheranderen Serien aus den letzten Jahren. gehenden Armada von allzu selbstsiInteressanter Weise handelt es sich bei cheren und peinlichen Dilletanten, die
den Modellen ausnahmslos um Freun- die Warholsche Halbwertszeit von fünf © Ono Ludwig, Joe, (Original in Farbe)
dinnen und Freunde oder Bekannte aus Minuten meist über Gebühr überschreidem persönlichen Umfeld des Künstlers. ten, ist es eine reine Wohltat, wenn der
Es geht ihm dabei weniger um die Men- Berliner Fotograf Ono Ludwig einen
schen, die aufgrund ihres Bekanntheits- ganz anderen Weg geht. Er widersetzt
grades bereits in irgendeiner Form pro- sich den Gesetzen des durchschaubaminent sind, genau die interessieren ihn ren Marktes, indem der Marktwert eines
hier weniger. Vielmehr versetzt er wie Fotografen mit der Anzahl der Celebzufällig die Personen in eine Euphorie rity-Portraits und der Veröffentlichunund bringt sie dazu aus sich heraus- gen steigt.
zugehen, ohne grotesk und albern zu
wirken. Die Authentizität der Abgebil- Seine Helden und Heldinnen sind von
deten bleibt erhalten – gerade wegen einem ganz anderen Kaliber, vielleicht
ihres Ausdrucks, der sich speist aus einer nicht konsumierbar für die Masse, aber
inneren Spannung oder Zerrissenheit dafür mit umso größerer sozialer Komoder einem unbequemen Lebensent- petenz. Alle haben eine Geschichte zu
wurf entspringt.
erzählen, hinter allen stecken persön- © Ono Ludwig, Nadja, (Original in Farbe)
liche Geschichten, alle hat er – auch
um eine Objektivität zu erhalten – mit »Attitude«
dem gleichen handwerklichen Können
inszeniert, ohne die subjektive Wirkung Ich definiere, das Portrait über die Einder Portraits abzuschwächen.
bettung des Individuums in bestimmte
Kontexte: räumliche und zeitliche, hisGlamour, Protz und aufgemotzte torische oder politische, mediale oder
Gefühlsduselei sucht man bei seinen wirtschaftliche. Das Portrait ist ein Spieanalogen Bildern vergebens und wer gel: von individuellen Wünschen bist zu
sich darauf einlassen kann, für deren gesellschaftlichen Visionen zeigt es uns,
oder dessen Augen werden diese stillen was wir waren, wer wir sind und wie
fast impressionistischen Bildwerke eine wir werden können. Ich habe bewußt
Wohltat in ihrer Poesie und Ernsthaftig- diese Männner in Dreiviertelprofil fotokeit sein. Vielleicht sogar den reizüber- grafiert.
fluteten Blick schärfen für noch weitere
Heldinnen und Helden – es gibt sie tat- Immigranten, politisch Verfolgte, anders
sächlich! Da muss man oft nicht lange Denkende, jegliche Gesellschaftssuchen.
schichten. Das Leben hat mehrere
Franz Werner, Berlin 2008
Abschnitte, wir verwandeln uns immer
wieder aufs Neue. Haltung zum Leben,
© Ono Ludwig, Chloé, (Original in Farbe)
Haltung zur Freiheit, Haltung in Rand48
brennpunkt 3/2013
Ausstellungen
Der Mensch und sein Streben nach
Ewigkeit. Wie das Streben nach Ewigkeit sich in den Religionen und in der
Kunst ausdrückt wird in meiner Kunst
visuell angedeuetet. Eine Annäherung
in analogen schwarz/weiß Fotografien
sollen meine Heiligen Ikonen visuell
neu Interpretiert werden. Durch meine
eigene Bildprache werden meine Heiligen in den Mittelpunkt gehoben.
© Ono Ludwig, Claudia
gruppen. Wie sieht die nächste Generation aus die sich zur Politik und der
Gesellschaft stellt.
Gibt es eine Freiheit zu denken, sagen
und zutun was man will? Kann man dies
schon an der Kleidung erkennen oder an
den Gesichtszügen junger Männer? Was
sagen Portraits von jungen Männern
aus? Mit der Kamera kommentiere ich
und fordere heraus, Männlichkeit als
eine Form der Identität. Die kulturelle
Sehnsüchte und Gegebenheiten
spiegeln: Fragen nach Identität, nach
Lebensweisen oder - Möglichkeiten
oder nach dem Wunsch einer besseren
Welt.
One Ludwig, Berlin 2008
»Ikonen im leeren Raum«
Thema meiner analogen fotografischen Arbeit ist die Auseinandersetzung mit den Menschen als »Ikonen im
leeren Raum«. Ikonen sollen inspirieren. Ikonen sind anbetungswürdig. Zu
Ikonen schaut man hoch. Mein kreatives
Input entwickelte sich aus der Portraitierung. Die Pose, als Stellung des Körpers
zum Raum und zum Gegenüber, ist ein
elementares Instrument der Selbstdarstellung. Unter diesem Titel verstehe ich
die Reduzierung auf das Wesentliche.
Ich verfolge die unterschiedlichsten Ausprägungen dieser universalen
Figuen und spüre diese in allen Weltkulturen und Epochen nach. Meine Protagonisten, gehören allesamt zu diesen
Grenzgängern, leben in einer besonderen Sphäre und bringen Menschliches
mit Übermenschlichem in Verbindung.
Während die absolute Notwendigkeit
des Andersseins für das Funktionieren
© Ono Ludwig, Der blinde Indianer
menschlichen Lebens in der alltäglichen Betrachtung häufig aus dem Blicksind keine prominenten Persönlichkei- feld gerät, rücken meine Fotografien die
ten, und sie haben auch im Leben nicht Randfiguren ins Licht und unterstreicht
immer den Status des Besonderen. Es die vitale Bedeutung ihrer Aufgabe.
sind Menschen, die ich auf der Straße
Ono Ludwig, Berlin 2011
treffe und die mich magisch anziehen.
Hinter der sichtbaren Fassade steckt
mehr als nur ein fremdes unbekanntes
Individuum. Die Pose, so egozentrisch
sie auch manchmal erscheinen mag, ist
dabei immer angewiesen auf den Blick, Vernissage:
von mir als Fotograf oder dem Betrachter. Sonntag, 7. Juli 2013, 16 Uhr
Die Pose kann sowohl Schutzschild als
auch Offenbarung von Wunsch, Traum
und Wirklichkeit sein. Ohne die Spiegelung im Auge des Anderen und die
damit einhergehende gesteigerte narzisstische Selbstwahrnehmung, bleibt Die Friedrich-Hundt-Gesellschaft e.V.
die Pose bedeutungslos für das Modell. präsentiert in einer Einzelausstellung,
Ono Ludwig, Berlin 2005 angelegt als Werkschau der vergangenen 15 Jahre, Portraits verschiedener
Serien.
»Die Auserwählten«
Der Darstellung von Heiligen/Helden in
der Kunst und im Kultbild gehe ich mit
meiner analogen Kamera nach. Über
die ursprünglichen Namenspatronen
oder deren Geschichten und Legenden
weiß man oft wenig. Auch die DarstelMeine Protagonisten sind das Wich- lung vieler dieser Heiligen in der Kunst
tigste. Ich erzeuge eine fokussierte Kon- bleiben oft rätselhaft für den Betrachzentration auf sie selbst als Personen. ter.
Sie haben einerseits eine stark ästhetische Komponente und sind andererseits Normalen Sterblichen bleibt die Gedaneine persönliche Kommunikationsform. ken- und Gefühlswelt seliger und heiDie Protagonisten sind keine Stars, sie liger Menschen mitunter verschlossen.
bis 8. September 2013
Stadtmuseum Münster
Salzstraße 28
48143 Münster (Westfalen)
Di – Fr
Sa + So
10 –18 Uhr
11 – 18 Uhr
Website:
http://www.ono-ludwig.de
brennpunkt 3/2013
49
Ausstellungen
about - 16 fotografische
Positionen
Am 31. Oktober 2010 starb der Fotograf und Hochschullehrer Prof. Heinrich Riebesehl. Auf der Trauerfeier
begegneten sich viele seiner Studentinnen und Studenten. Manche sahen
sich zum ersten Mal, andere erinnerten
sich gemeinsamer Projekte; alle teilen
die Freude daran, Heinrich Riebesehl
als Vorbild und unbestechlichen Begleiter der eigenen Entwicklung erlebt zu
haben. Ein Lehrer, der seinen künstlerischen Prozess offen zeigte- seine
Position war klar und eindeutig, aber nie
dogmatisch. Qualität konnte ihn immer
begeistern.
© Godehard Erichlandwehr, (O.i.F.)
© Gunnar Bernskötter, (O.i.F.)
© Aenne Langhorst, (Original in Farbe)
© Dido Baxevanidis, (Original in Farbe)
© Kurt Schapper
© Matthias Koch, (Original in Farbe)
Mit großem Respekt vor diesem Menschen und seinem Werk zeigen 16 Riebesehl- Schülerinnen und -Schüler eine
Übersicht, einen farbenreichen Großakkord fotografischer Sichtweisen.
16 Fotokünstlerinnen und -künstler
bezeugen mit eigenwilliger Fotografie
die Qualität der 24 jährigen Lehrtätigkeit eines der großen deutschen Fotografen unserer Zeit und präsentieren
einen Ausschnitt aus ihrem Schaffen:
Die städtische Galerie KUBUS zeigt
Fotoarbeiten von Aenne Langhorst,
Antonia Jacobsen, Anja Teske, Christoph
Bartolosch, Dido Baxevanidis, Godehard Erichlandwehr, Gunnar Bernskötter, Kai Wetzel, Kurt Schapper, Kwanho
Yuh, Ludger Paffrath, Michael Plümer,
Matthias Koch, Mathias Philipp, Petra
Kaltenmorgen und Raimund Zakowski.
© Kai Wetzel, (Original in Farbe)
50
brennpunkt 3/2013
Ausstellungen
© Michael Plümer, (Original in Farbe)
© Anja Teske, (Original in Farbe)
© Ludger Paffrath, (Original in Farbe)
© Raimund Zakowski, (Original in Farbe)
© Christoph Bartolosch, (Original in Farbe)
© Kwanho Yuh
© Petra Kaltenmorgen, (Original in Farbe)
7. September bis 6. Oktober 2013
Galerie KUBUS
Theodor-Lessing-Platz 2
30001 Hannover
© Antonia Jacobsen, (Original in Farbe)
Vernissage:
7. September 2013, 11 Uhr
Di – Fr
Sa, So, feiertags
11 – 18 Uhr
11 – 16 Uhr
brennpunkt 3/2013
51
Portfolio Nadine Dinter
Nadine Dinter
Ihre erste Kamera bekam die in Berlin
lebende Fotografin Nadine Dinter
(*1975) von ihrem Großvater geschenkt.
Inspiriert durch Isolde Ohlbaum, folgen
Reisen durch Europas Metropolen. Es
sind insbesondere die Skulpturen der
dortigen Friedhöfe, die ihr fotografisches Interesse wecken.
Mit der Zeit entwickelt Nadine Dinter
eine ganz spezielle Art, den in Wahrheit unbeweglichen Statuen eine
verstörende, teilweise erschreckende
Lebendigkeit zu verleihen. Spuren der
Zeit wie verwitterte Stellen oder Rost
wirken dabei auf den Betrachter wie
Tränen oder Verletzungen, während die
aufgenommenen Körper durch ungewöhnliche Perspektiven und Bildkompositionen aus dem Stein herauszutreten scheinen. Beinahe schwebend und
ohne Bindung zur Umgebung erlangen
sie ein Eigenleben.
»Pere Lachaise«, Paris, 2012,
© nadine dinter - photography
»Douglas Gordon«, Schottischer Multi-Media Künstler, Berlin, 2008, © nadine dinter - photography
Parallel zur Skulptur-Fotografie
spezialisierte sich Nadine Dinter auf
das Portraitieren von internationalen
Künstlern, wie beispielsweise Douglas
Gordon, Damián Ortega und Mathilde
ter Heijne. Eine Verbindung beider
fotografischer Genres, Skulptur- und
Portraitfotografie, gelang ihr 2012
während der Zusammenarbeit mit
dem bekannten amerikanischen Modell
Benjamin Godfre. Die entstandenen
Aufnahmen sind eine Hommage und
zugleich Neuinterpretation von Warhols
»Torso Series« aus den 1970er- Jahren.
52
brennpunkt 3/2013
Weitere Informationen unter:
www.nadine-dinter.de
Portfolio Nadine Dinter
»Ives Maes«, Belgischer Konzeptkünstler, Berlin, 2008, © nadine dinter - photography
brennpunkt 3/2013
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Portfolio Nadine Dinter
»Benjamin Godfre«, Amerikanisches Modell und Performance Artist, Berlin, 2012, © nadine dinter - photography
»Audubon Park«, New Orleans, 2002, © nadine dinter - photography
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brennpunkt 3/2013
Portfolio Nadine Dinter
»Marco Nizzoli«, Italienischer Illustrator und Comiczeichner, Berlin, 2012, © nadine dinter - photography
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Portfolio Nadine Dinter
Stoned Immaculate
»I‘ll tell you this...
No eternal reward will forgive us now
For wasting the dawn.
Back in those days everything was simpler and more confused
One summer night, going to the pier
I ran into two young girls
The blonde one was called Freedom
The dark one, Enterprise
We talked and they told me this story
Now listen to this...
I’ll tell you about Texas radio and the big beat
Soft driven, slow and mad
Like some new language
Reaching your head with the cold, sudden fury of a divine
messenger
Let me tell you about heartache and the loss of god
Wandering, wandering in hopeless night
Out here in the perimeter there are no stars
Out here we IS stoned
Immaculate.«
the doors
Homage to Warhol´s »torso series«, featuring Benjamin
Godfre, Berlin, 2012, © nadine dinter - photography
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brennpunkt 3/2013
Portfolio Nadine Dinter
»Alte Nationalgalerie«, Berlin, 2005,
© nadine dinter - photography
»Pere Lachaise«, Paris, 2012,
© nadine dinter - photography
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57
Buchbesprechung Harald Hauswald
Harald Hauswald
»Ferner Osten«
Die letzten Jahre der
DDR
Fotografien 1986-1990
Herausgegeben von Mathias Bertram
Mit einem Vorwort von
Christoph Dieckmann
176 Seiten mit 155 Farbfotografien
24 x 27 cm, Festeinband,
Schutzumschlag, Fadenheftung
ISBN 978-3-942473-50-7
29,90 Euro (D), 30,90 Euro (A), 39,90 sFr
Lehmstedt Verlag, Hainstraße 1
Barthels Hof, 04109 Leipzig
Fon: 0341-4927366
Mail: [email protected]
© Harald Hauswald, Kastanienallee,
Berlin-Prenzlauer Berg (Original in Farbe)
Buchcover, Friedrichstraße, Berlin-Mitte
Hauswalds Bilder hüten unsere Welt
von gestern. Das freie, ungelogene Erinnern sei unsere eigene Kunst.«
(Aus dem Vorwort von Christoph Dieckmann)
© Harald Hauswald, Die Sängerin und Bassistin
Tatjana Besson der Punkband »Die Firma« bei
einem Auftritt auf dem Gelände »Am Zirkus«,
Berlin-Mitte (Original in Farbe)
»Es gilt hinzusehen, wenn man das erste
Erstaunen über die bunte Welt des Sozialismus, die wir als Grau in Grau abgeWie nahezu alle ostdeutschen Fotorea- speichert hatten, hinter sich hat«.
des auch an der Farbigkeit der Fotos
listen verdankt auch Harald Hauswald (Andreas Platthaus, Frankfurter Allge- liegen, dass die versunkene Welt dieses
seinen Ruf ungeschönten und eindring- meine Zeitung, 30. März 2013)
Gemeinwesens hier überaus lebendig
lichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Um
wirkt«.
so mehr erstaunt, daß er – bedingt durch »Jetzt kann das Land noch einmal in (Irmtraut Gutschke, Neues Deutschland,
seine »illegale« Arbeit für westliche Farbe begutachtet werden. Farbecht. 14. März 2013)
Medien – schon in den letzten Jahren Ein Glücksfall. Die Fotos sind eine Wieder DDR mehrere tausend Farbaufnah- derentdeckung. Die Wiederentdeckung »Hauswald, der landauf, landab fahmen machte. Wie die von Mathias Bert- auch einer Zeit, die anders tickte - auch rende Reporter, ein Jack Kerouac der
ram ausgewählten Fotografien erkennen wenn sie schon längst aus den Fugen Ost-Fotografie. Motto: »On the Road«.
lassen, erweist er sich dabei nicht nur war. Manche Fotos wirken wie Gemälde, Er zeigt, was ihm auffällt: Poesie und
einmal mehr als genauer, oft sarkasti- durchkomponiert wie ein echter Lieber- Gegen-Politik. Unverstellte Wirklichkeischer Chronist des Alltags, sondern auch mann, ein Spiel mit Nuancen, wie es ten. Im Nachhinein malerisch schön«.
als ein bislang kaum wahrgenomme- heute gar nicht mehr möglich wäre, weil (Christian Eger, Mitteldeutsche Zeitung,
ner Meister der Farbkomposition. Die schrille Werbung auch noch in den letz- 9. März 2013)
stimmungsvollen Bilder vergegenwärti- ten Winkel vordringt«.
gen die »Welt von gestern« stärker und (Ralf Julke, Leipziger Internetzeitung,
Der Fotograf und Autor:
intensiver als die vertrauten Aufnahmen 1. März 2013)
Harald Hauswald (geboren 1954) kam
in Schwarz und Weiß, lassen sie aber
nach der Ausbildung zum Fotografen
gerade dadurch auch fremder und ferner »Eindrucksvolle Bilder in einer Qualität, 1977 nach Berlin. Er arbeitete in verdenn je erscheinen.
als sei es erst gestern gewesen. Fotos, die schiedenen Jobs und ab 1983 als Fotoden Betrachter auf eine spannende Zeit- graf für die evangelische Stephanus-Stif»Wo Anspruch und Wirklichkeit des SED- reise mitnehmen«.
tung. Seine Aufnahmen vom DDR-Alltag
Staats bildkräftig zusammenstießen, fing (SuperIllu, 21. März 2013)
entstanden alle im Eigenauftrag bzw. ab
Hauswald diese Kollisionen ein, mit sar1986 auch für westliche Medien.
kastischer Sensibilität. Er blickte in die »Der Titel des Bildbandes ist gut gewählt. 1989 gehörte er zu den Gründern der
Risse und Klüfte der Gesellschaft. Oft Denn dieses Land DDR ist inzwischen Agentur Ostkreuz.
zeigte er Schattengeschöpfe des Lebens, tatsächlich fern, besetzt mit den ver- 1997 erhielt er das Bundesverdienstdoch er schoß die Menschen nicht ab. schiedensten Erinnerungen und Erzäh- kreuz.
Seinen Spott reservierte er für die Narr- lungen, die Menschen mitunter weniheit und den Pomp der Macht. Harald ger verbinden als trennen. Es mag in www.harald-hauswald.de
58
brennpunkt 3/2013
Buchbesprechung
© Harald Hauswald, Pferdemarkt in Havelberg, Brandenburg, (Original in Farbe)
© Harald Hauswald, Pferdemarkt in Havelberg, Brandenburg, (Original in Farbe)
brennpunkt 3/2013
59
Buchbesprechung Harald Hauswald
© Harald Hauswald, Warteschlangen von beiden Seiten vor der Fleischerei Dufft in der Oderberger Straße, Berlin-Prenzlauer Berg (O.i.F.)
© Harald Hauswald, Landstraße in Brandenburg, (Original in Farbe)
60
brennpunkt 3/2013
Buchbesprechung
© Harald Hauswald, Im Oderbruch (Original in Farbe)
© Harald Hauswald, Im Oderbruch (Original in Farbe)
brennpunkt 3/2013
61
Fotoszene
» Afrikanische Portraits«.
Ein Gespräch mit dem
Fotografen Winfried
Bullinger über seine
Arbeit.
Spuren kulturelle Verknüpfungen offen Pepper: Wie offen sind die Menschen
legt. Das ist in der Tat ein ethnologischer in den Regionen, die du bereist deinem
Aspekt. Das Bild einer Nuer Frau aus Ansinnen gegenüber sie zu portraitiedem Süden beispielsweise verrät die ren?
Verbindung zum arabischen Nordsudan, aus dem ihr Kleid stammt. Zugleich Winfried Bullinger: Fast immer besteht
müssen die Bilder eine abstrakte Qua- die Bereitschaft, meiner Einladung zu
lität aufweisen – sie müssen losgelöst einer Portraitsitzung zu folgen. Der Aufvon ihrem Kontext als Werk “funktio- nahmeprozess mit der Großformatkanieren”.
mera hat etwas rituelles, wofür die Portraitierten empfindlich sind. Sie behalten
Pepper: Hattest du bei den portraitier- die Kontrolle über ihr Selbstbild. Schwieten Personen durch Vorgespräche auch rig war es für mich, in Ruanda und OstZugang zu deren privatem Schicksal, so kongo Portraitaufnahmen zu machen.
Pepper: Zum Jahreswechsel warst Du dass die Fotos nicht nur geografische Die Menschen dort waren gegenüber
zum wiederholten Mal in Äthiopien um und historische Korrelationen aufzei- Portrait-Fotografie skeptisch.
dort beheimatete Volksgruppen auf- gen, sondern ganz explizit auch Auszusuchen und die Menschen und ihr druck individueller Lebensumstände Pepper: Ach, warum das? Angst vor
Leben fotografisch zu dokumentieren. sind ?
Okkultismus?
Was interessiert Dich an Äthiopien?
Winfried Bullinger: Die Skepsis hängt
Winfried Bullinger: Äthiopien beherdort mit dem Völkermord in Ruanda
bergt völlig unterschiedliche Kulturim Jahr 1994 und den nachfolgenden
räume. Mich interessieren dabei für
Konflikten zusammen. Die Bevölkerung
meine Arbeit gerade die Grenzgebiete.
scheut jede Form der Registrierung. Ich
Das Wüstenvolk der Afar im Nordosten
habe das respektiert.
an der Grenze zu Eritrea oder die Völker
im Westen an der Grenze zu Sudan und
Pepper: Kannst du mir erzählen, wie
Südsudan. Die Menschen leben dort in
dein Interesse daran in Afrika zu fotoautonomen Gesellschaften, die sich
grafieren entstanden ist? Du hast Ende
jetzt teils im Umbruch befinden. Sieben
der 1980er Jahre in Kapstadt studiert.
Aufenthalte dort und im Sudan haben
Ist das der Beginn deiner Leidenschaft
es mir ermöglicht, meine Portraits zu
für diesen Kontinent?
konzentrieren und eine Entwicklung zu
verfolgen.
Winfried Bullinger: Das Interesse reicht
lange zurück. Mich hat zunächst die
Pepper: Welche Entwicklung hast Du
Radikalität afrikanischer Skulpturen
beobachten können?
berührt. Hinzu kamen Filme und Foto»Nuer«, 2011
grafien, die ich in den achtziger Jahren
Winfried Bullinger: Das Interesse verlagesehen habe. 1987 habe ich dann ein
gert sich hin zu einem Kernbereich, auf Winfried Bullinger: Es bleibt das Bild Jahr lang Kunst an der UCT in Kapstadt
den sich die photographische Arbeit selbst, das über den Lebensweg der studiert. In der Malereiklasse waren
dann konzentriert. Nach den vielen Auf- portraitierten Person etwas aussagt. Ich Schwarze und Weiße zusammen. Die
enthalten lenkt mich wenig ab. Ich kon- konzentriere mich auf das Bild. Mein Apartheid in Südafrika ging ihrem Ende
zentriere mich auf die Person – ich por- Gegenüber gibt mir für die Begegnung zu. Es war eine Zeit des Umbruchs und
traitiere sie wie ich dich portraitieren ein bestimmtes Maß an Zeit. Die Auf- die Reisen in die Nachbarländer Südafwürde. Alles »exotische« geht verloren. nahme mit der Großformatkamera unter rikas haben damals meinen Plan wachDie Bildfolgen werden so stringent.
Feldbedingen braucht meine ganze Auf- sen lassen, künftig an einer Aggregamerksamkeit. Manchmal folgt dem Por- tion von Bildnissen zu arbeiten. Ich
Pepper: Damit unterscheidest du dich trait ein Gespräch, übersetzt durch den fühle mich mit dem afrikanischen Konauch wohltuend von Fotografen die lokalen Guide, manchmal zieht die tinent und den Menschen dort verbuneben nur wegen der Exotik afrikanische Person beschäftigt weiter. Immer recher- den – ich denke, das ist eine wichtige
Volksgruppen aufsuchen. Deine Arbeit chiere ich für ein anstehendes Projekt Voraussetzung für meine bildnerische
hat, so wie du sie machst, eine ethnolo- die Lebensbedingungen und politi- Arbeit.
gische Komponente. Das gefällt mir.
schen Zusammenhänge. Vor Ort ergeben sich Gespräche meist zwischen- Pepper: Was veranlasst dich in digitaWinfried Bullinger: Im Mittelpunkt durch. Ich fertige aber über die portrai- len Zeiten analog und in schwarz/weiß
steht ein reichhaltiges Portrait, das über tierte Person keinen Text an.
zu arbeiten?
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brennpunkt 3/2013
Fotoszene
film benutzt. Allerdings verwende ich in dem ich bei den endgültigen, analoden letzten Jahren vorwiegend Schwarz/ gen Prints zusammenarbeite, herstellt.
Weiß-Planfilm. Die Filmwahl folgt dem Alles muss stimmen. Bei einem analobildnerischen Plan. Es gibt aber keiner- gen Print dieser Größe lässt sich nichts
lei dogmatische Festlegung.
verbergen – schummeln ist ausgeschlossen. Vom Projekt bis zum ersten großen
Pepper: Welche Kamera bzw. welche Print vergehen ein bis zwei Jahre.
Kameras benutzt du?
Pepper: Du legst dich auf eine ja recht
Winfried Bullinger: Ich benutze eine große Printgröße fest. Die Wirkung ist
Linhof Technika Master 2000, zwei Has- bei dem beinahe lebensgroßen Format
selblads (503 und 501), eine Leica MP natürlich phantastisch. Aber der Kunund eine Nikon F3, letztere seit 1989.
denkreis für deine Arbeit ist dadurch
auch begrenzt. Deine Fotografien in
Pepper: Für die Portraits über die wir unterschiedlichen Größen herzusteleingangs sprachen nimmst du die len widerstrebt dir aus künstlerischen
Linhof, oder?
Gesichtspunkten?
»Nomade mit Gewehr«, 2009
Winfried Bullinger: Ja, die Portraitserie
Winfried Bullinger: Am Ende der Kette entsteht mit der Linhof-Kamera.
steht der analog vom 4 mal 5 inch Negativ gefertigte Print mit der Größe 180 Pepper: Hast du Unterstützung von
cm mal 145 cm auf Barytpapier, dessen Assistenten, wenn du deine Reisen
Qualität ich liebe. Ich halte die Entschei- unternimmst?
dung, die Bildnisse schwarz/weiß aufzunehmen, nicht für anachronistisch. Winfried Bullinger: Die Fotoprojekte
Es ist eine Form, die Bilder zu gestalten. führe ich wie eine kleine FilmprodukIch benutze bei meiner Produktion übri- tion durch. Es gibt stets einen Guide,
gens stets moderne Technik.
der die Expedition leitet und Englisch
spricht. Es gibt dann immer einen lokaPepper: Fotografen wie Sebastiao Sal- len Guide, der sich mit den Personen,
gado oder James Nachtwey bevorzu- die ich portraitieren möchte, verständigen ebenfalls den analogen Schwarz/ gen kann. Es gibt einen Koch und teilWeiß-Film. Zumindest Salgado bedau- weise einen oder mehrere Begleiter, die
ert allerdings, dass sich das analoge für die Sicherheit sorgen. Hilfe brauFilmmaterial verändert, schlechter che ich für das Licht: ich benutze einen
wird. Ich meine mich zu erinnern, dass großen weißen Reflektor, um Schatten
er den geringeren Silberanteil genannt milde aufzuhellen. Ich vermeide Blitzhat, wodurch er nicht mehr die von ihm licht, das die Figur herauslöst.
gewünschten Grauabstufungen erzielt.
Was für Erfahrungen hast du mit dem Pepper: Wie viele gültige Fotos hast du
von dir verwendeten Filmmaterial?
von deiner letzten Reise mitgebracht,
also Fotos, von denen du Prints machen
Winfried Bullinger: Ich benutze Fuji wirst?
Acros 100 Film, der bisher in unveränderter Form hergestellt wird. Der 4 mal Winfried Bullinger: Die Zahl ist noch
5 inch Film ist aber in Europa nicht zu offen. Der Projektaufenthalt endete
haben. Ich decke mich deshalb in New am 9. Januar, so dass sich die Auswahl
York damit ein. Klassische Schwarz/ immer noch weiter verdichtet. Rund 15
Weiß-Filme wie der Kodak TriX sind Portraits sind jetzt in der näheren Ausaber am verschwinden.
wahl. Die Planfilmnegative werden für
die Auswahl und Archivierung digitaPepper: Könntest du dir vorstellen in lisiert und anschließend auf etwa A4Farbe zu fotografieren?
Größe gedruckt. Weiter projiziere ich
die Bilder mit einem Beamer in der späWinfried Bullinger: Ja, andere Bildfol- teren Originalgröße. Der letzte Schritt
gen nehme ich in Farbe auf. In den neun- sind dann Probestreifen quer durch das
ziger Jahren habe ich überwiegend Farb- gesamte Bild, die Jochen Rohner, mit
Winfried Bullinger: Die Größe der Bilder
ist wichtig und Teil des Konzepts. Der
Betrachter kann das Portrait als Ganzes
nahezu lebensgroß erfassen. Es gibt aber
auch die Nahsicht: Strukturen, Materialien, Narben von Wunden oder Skarifaktionen – das sind erhabene Narbentätowierungen die durch Ritzen und
anschließendes, bewusstes Verschmutzen der Wunden entstehen – werden
sichtbar und lassen sich erfahren.
Pepper: Du verwendest Metallrahmen,
damit die Wirkung der Bilder sich bestmöglich entfaltet.
Winfried Bullinger: Ja, der Rahmen ist für
die Portraitbilder festgelegt. Ich benutze
einen an den Ecken geschweißten Aluminiumrahmen. Das Bild als dreidimensionales Objekt wird auch durch den
Rahmen geprägt.
Pepper: Du hast deine Arbeiten zuletzt
in einer Einzelausstellung in der Schweiz
gezeigt. Wo werden sie als nächstes zu
sehen sein?
Winfried Bullinger: Von mir waren
gerade drei Portraitbilder in einer von
Christoph Tannert im Berliner Künstlerhaus Bethanien kuratierten Gruppenausstellung zu sehen. Und dann wird
es in diesem Jahr eine Ausstellung in der
Galerie von Sassa Trülzsch geben.
© Pepper
Weitere Informationen:
www.winfried-bullinger.com
http://blog.pepperproject.de/?p=190
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Fotoszene
Efraim Habermann
»zum 80.«
Schwarzweiß-Fotografien & Aquarelle
Nicht immer hat eine Galerie das Glück,
einen Künstler doppelt auszustellen: als
Maler und als Fotografen.
Charles Baudelaire war vor gut 150
Jahren der Ansicht, dass die Fotografie zu Unrecht als Kunst eingeschätzt
wird. Für den französischen Kritikerpapst bedrohte sie die Malerei, zumal
ein technisches Gerät wie die Kamera
die Fantasie verhindere. Fanatsie war
für ihn aber die Voraussetzung für echte
Kunst.
Hier sehen Sie heute Abend anhand
von knapp 25 Fotografien und mehreren Aquarellserien von Efraim Habermann, dass Malerei und Fotografie einander nicht ausschließen, vielmehr
Baudelaires These aushebeln, dass die
Fotografie die Zuflucht der verkrachten
bzw. schlechten Maler sei. Immerhin
darf Efraim Habermann in seinem 80.
Lebensjahr auf eine fotografische Karriere von fast einem halben Jahrhundert
zurückblicken, auch wenn er ursprünglich lieber Maler oder Sänger geworden
wäre. Seine Biografie hatte aber anderes mit ihm vor.
Am 19. Juni 1933 in Berlin geboren,
floh er wegen seiner jüdischen Abstammung 1939 mit seinen Eltern über Triest
nach Palästina und lebte dann in Jerusalem. 1957 kehrte er an die Spree
zurück; in West-Berlin war er zunächst
bei Senatsbehörden als graphisch-technischer Zeichner tätig und fand dann
den Weg zur Fotografie, für die er sich
schon immer interessiert hat: Ende der
sechziger Jahre war er einer der Ersten
in West-Berlin, der Kunstfotografien an
Tageszeitungen verkaufte. Seine Arbeiten erschienen in Tageszeitungen, Fachzeitschriften und Büchern, einige befinden sich in privatem wie öffentlichem
Besitz. Auch Ausstellungen haben sein
Schaffen gewürdigt, so 1975 im Jüdischen Gemeindehaus an der Fasanenstraße in Berlin, 1976 in Paris im Maison
de la France oder 1983 in der Berliner
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brennpunkt 3/2013
© Efraim Habermann
Neuen Nationalgalerie, in den letzten lingssentenzen Bescheid: »Der Vorzug
Jahren in den Galerien Raab, Carpen- des Fotografen ist es, von einem Negatier und Carlos Hulsch. Ab Juli sind seine tiv ein positives Bild zu machen«.
Fotografien von Berlin-Wilmersdorf in
der Kommunalen Galerie am Fehrbel- In Venedig schuf Habermann »positive
liner Platz zu sehen.
Bilder« von der Stadt mit den tausend
Gesichtern: von den Kanälen und den
Carlos Hulsch zeigt Ihnen heute in den alten Hausfassaden, deren Rustika und
Jahren von ca. 1980 bis 2006 entstan- Baudekor wie den Maskarons (Fratzendene Aufnahmen von Berlin, Venedig masken) über den Tür- und Fensterböund last not but least vom weiblichen gen er durch die Wahl seines Standortes,
Geschlecht: es wurde für Habermann durch Licht-Schatten-Wirkung und eine
bevorzugt als »Frau im Bild« zum Modell entsprechende eigenhändige Bildbearvor Werken aus Berliner Museen. Aufge- beitung zu einem fast gespenstischen
nommen mit einer Leica Spiegelreflex- Eigenleben verhalf. Er zeichnete mit
kamera und auf Aqua-Papier abgezogen, der Kamera die Fluten unter Venedigs
gibt es von jedem Foto eine Auflage von Brücken nach und ließ Gondeln hinter
maximal drei Stück.
dem Anlegesteg im Wasser verschwinden. Abbröckelndes Mauerwerk wurde
In Venedig portätierte sich der Lebens- ihm zur Tiara für den Surrealisten-Papst
und Überlebenskünstler Efraim Haber- Salvador Dali, der auf einem Ausstelmann selbst vor der historischen Archi- lungsplakat posiert. Man beachte: der
tekturkulisse; ebenfalls in den 1980ern Schwung des Dali-Schnurrbartes und
kreierte er in seiner Berliner Wohnung des Stockknaufes treten in kompositoan der Fasanenstraße ein Selbstporträt rische Beziehung zur Rundung der steiin Gary Cooper-Pose, indem er ein Foto nernen Krone.
von sich ausschnitt, es in ein Glas auf
dem Fensterbrett mit Blick auf die Ber- Neben Venedig wurde Berlin für Haberliner Baumlandschaft stellte und dieses mann Lieblingsschauplatz: doch auch
Szenario ablichtete. Die Ironie ist nicht hier ist es ein Berlin, das nicht jeder kennt:
zu verkennen, die auch in anderen der Blick über den Rand der Großen
seiner Arbeiten ihre Früchte trug. Sie Granitschale auf das Alte Museum am
potenziert sich gewissermaßen, weiß Lustgarten macht aus dem Schinkel-Bau
man um eine von Habermanns Lieb- mit seiner antikisierenden Säulenfront
Fotoszene
Variante eines Konstruktivismus in der
Art von Piet Mondrian bzw. der niederländischen Künstlergruppe De Stijl oder
von einigen Bauhaus-Künstlern. Hier
sei noch anzumerken, dass Mondrian
selbst ein Verehrer von Cézanne war.
© Efraim Habermann
ein Rätsel, das der Erklärung hinsichtlich seines Standortes bedarf. Das bronzene Reiterstandbild für König Friedrich
Wilhelm IV. von Preußen auf der Freitreppe der Alten Nationalgalerie Berlin
erhält, betrachtet zwischen den Säulen
der Kolonnaden am Rande des Museums, ein geradezu martialisches Aussehen. Die Kunst des Sehens, d. h. Vorhandenes neu und anders zu betrachten,
ist, wie Habermann auch beteuert, eben
nicht erlernbar, sie ist das Charakteristikum des Fotografen, der zwar nur das
aufnimmt, was er leibhaftig sehen kann,
aber durch das Gesehene zu Neuem
inspiriert wird wie der Maler durch
eine schöne Frau, einen Blumenstrauß
oder eine besondere Lichtstimmung zu
einem Gemälde.
Fast schon Ikone ist bei den Berliner
Fotos und für Habermann-Fans die
1968 entstandene Aufnahme des eigenen Fahrrades vor der Glasfront der
Neuen Nationalgalerie am Kulturforum,
in deren Scheiben sich die Silhouette
der St. Matthäuskirche spiegelt.
Aber auch stilllebenhafte Arrangements
im urbanen Milieu gehören zum Berliner Themenkreis: eine Rose im Glas
auf einem Vorsprung, dessen steinerne
Struktur unter Habermanns fotografischem Auge zum Leben erwacht. Ein
Obststillleben auf einem Steinplateau gerät zum Bild à la Cézanne, für
Habermann als »Verdi der Malerei« ein
großes Vorbild. Eine Postkarte von Vermeers berühmtem Gemälde »Mädchen
mit dem Perlenohrring« (1666, Mauritshuis in Den Haag) wird vor die leere
Kartusche einer Mauerfront gesetzt, die
plötzlich die Funktion eines Bildrahmens erhält. In Habermanns open-airMuseum wird Kleines, Unbedeutendes
© Efraim Habermann
groß und bedeutsam, Bekanntes, Vertrautes erscheint in neuem Gewand.
Zugleich erzeugt Efraim Habermann
mit den technischen Mitteln der Bildentwicklung eine Ton-Malerei, die den
ästhetischen Effekt der reinen Erscheinung der Dinge akzentuiert, wenn
nicht gar zum Thema macht. So wirken
seine Motive materiell und immateriell
zugleich, versöhnen ihre Vergänglichkeit mit ihrer gegenwärtigen Präsenz.
Schließlich wurde es auch eine weitere Spezialität von Efraim Habermann,
Frauen vor Gemälden abzulichten,
wobei neue Sinnzusammenhänge entstehen können. Das junge Mädchen mit
dem verführerischen Rückendekolleté
scheint 2002 den Sprung in Gustave
Courbets »Welle« (1870) aus der Alten
Nationalgalerie Berlin zu wagen, die
wie eine Urgewalt auf den Betrachter
zurollt. Die Frau und nicht der Mann
als Voyeur betrachtet 1979 in der Neuen
Nationalgalerie Berlin-West kritisch das
edle Hinterteil des nackten »Orangenpflückers« - eine lebensgroße Ölstudie,
die der Deutschrömer Hans von Marées
1876 für die berühmten Fresken in der
Bibliothek der »Zoologischen Station«
von Neapel malte. Warum Habermann
den Kopf des jungen Adonis aussparte,
bleibt der individuellen Interpretation
des Betrachters überlassen.
Von der Fotografie, deren Aufnahmen
er in seinem selbst eingerichteten Labor
in seiner Berliner Wohnung bis vor
Kurzem selbst entwickelte, kam Habermann in den letzten Jahren zur Malerei:
wie kleine Meditationen wirken seine
postkartengroßen Aquarelle, in denen
er, einzeln oder als Serie, geometrische bunte Konstruktionen auf weißes
Papier applizierte: eine spielerische
Efraim Habermann kombinierte Kreise
und Halbkreise, Quadrate, Recht- und
Vierecke, Rhomben, Balken und Punkte
zu kleinen delikaten Kompositionen, in
denen die Primärfarben Rot, Gelb und
Blau eine tragende Rolle spielen. Dabei
beließ er es je nach Einfall und Laune
bei einer rein flächigen Konstruktion
oder weitete diese aus zu Anordnungen, die durchaus eine plastische Wirkung zeigen bzw. eine gewisse Gegenständlichkeit suggerieren können. Diese
Aquarelle halten sorgsam und auf witzige Weise alles in der Schwebe, sie
laden den Betrachter unaufgeregt dazu
ein, mitzupielen im bunten Baukasten
der konstruktivistischen Malerei. Fotografie kann hier auch nicht, um nochmals zu Baudelaire zurückzukehren,
die Malerei bedrohen, hat sie doch eher
auf Habermanns Schwarz-Weiß-Aquarelle vielleicht retour gewirkt. Und auch
die stille Poetik von Habermanns »positiven Bilder«, seiner Fotografien, findet
sich in diesen Miniaturen, die zu nichts
lautstark aufrufen und dem Beschauer
keine intellektuelle Dechiffrierungsarbeit aufbürden. Sie wollen einfach da
sein und betrachtet werden.
Zum achtzigsten Geburtstag: nochmals Happy Birthday! Und Ihnen, liebe
Freunde der Galerie Carlos Hulsch, viel
Freude bei Efraim Habermanns Kunst!
Dr. Angelika Leitzke, Rede zur Ausstellung »Efraim Habermann zum 80.
Geburtstag«, Galerie Carlos Hulsch,
Berlin, Juni 2013
bis 16. August 2013
Galerie Carlos Hulsch
KUDAMM-KARREE
Eingang: Lietzenburger Straße 80
10719 Berlin-Charlottenburg
Di – Fr
15 – 19 Uhr
und nach Vereinbarung
brennpunkt 3/2013
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Fotoszene
brennpunkt
AWARD 2013
Anlässlich des jährlichen browse fotofestival findet der brennpunkt AWARD
statt.
Der brennpunkt, renomiertes Fotomagazin seit 29 Jahren, verlieh Auszeichnungen für die beste per Mal eingesandte
Schwarz-Weiß-Serie. Der Preis ist ein
Portfolioabdruck im Magazin brennpunkt 2013/2014. Ziel des AWARDS
ist es, dass der Fotograf eine Serie mit
zehn thematisch zusammenhängenden Fotos einreicht. Alle Bilder müssen
akzeptabel sein, mit nur wenigen guten
Bildern erreicht der Autor sein Klassenziel nicht. Es zählt die Gesamtleistung
jedes Fotografen.
Auch in diesem Jahr erreichten uns aus
aller Welt sehr interessante Portfolios.
Leider auch Einsendungen, die den Teilnahmebedingungen nicht entsprachen.
Sei es Einsendungen von nur fünf Bildern oder weniger und gemischt mit
Farbbildern.
Die brennpunkt Jury suchte aus den
zahlreichen Einsendungen acht Portfolios aus. Wir haben auf eine Platzierung
verzichtet, alle kommenden Veröffentlichungen sind gleichgestellt.
© Nils Stelte, »breathing deeply«
© Annette Lofy, »citykids«
© Christian Werner, »Charoal Children«
© Klaus Lundi, »blanco y negro«
© Manfred Carpentier, »cuban-coffee«
© Yan Boechat, »Taken in Angola«
Herzlichen
Glückwunsch
und vielen Dank
© Birgit Bergmann, »Maybachufermarkt«
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brennpunkt 3/2013
© Charlotte Thömmes, »Memory & Imagination«
Fotoszene
Michael Gebur
Ulrich Meyer
»Leben am Mekong«
Am 8. September wird im Rahmen
des Mekong-Ländertages in der AlbertEinstein Volkshochschule TempelhofSchöneberg auch eine Fotoausstellung
eröffnet. Die beiden asienerfahrenen
Fotografen Michael Gebur und Ulrich
Meyer zeigen dokumentaristische Fotos,
die Einblicke in das Leben der Menschen am Mekong außerhalb der touristischen Höhepunkte geben. Zu sehen
sind Fotos aus den Ländern Vietnam,
Kambodscha, Laos, Thailand, Myanmar und China, die auf verschiedenen
Reisen der Fotografen entstanden.
© Michael Gebur, (Original in Farbe)
© Michael Gebur, (Original in Farbe)
© Ulrich Meyer, (Original in Farbe)
© Michael Gebur, (Original in Farbe)
© Ulrich Meyer, (Original in Farbe)
bis 25. Oktober 2013
Albert Einstein Volkshochschule
Barbarossaplatz 5
10718 Berlin-Schöneberg
Mo – Fr
8 – 21 Uhr
(in den Ferien 9 bis 16 Uhr)
Sa + So
10 – 14 Uhr
Edition Carpentier
Dietrich Oltmanns
»Arche bauen – Lauben & Gärten in
Leipzig 1990«
mit einem Text von Katrin Arrieta
ISBN 978-3-925935-69-5 (2013)
132 Seiten, 17 x 21 cm,
127 Farb-Abbildungen, Fadenheftung,
Klappenbroschur
Euro 24,90
»In Leipzig hat das Schrebergartenwesen
als Teil der europäischen Kleingartenbewegung seinen Anfang genommen.
Die ältesten und sonderbarsten Blüten
dieser Bewegung werden bis heute fortwährend mit stillem Stolz gehegt. Es
lohnt sich, nach ihnen zu suchen – nicht
zuletzt, um sich den Quellen jener Lust
zu nähern, die die Menschen in solch
ein labyrinthisches Diesseits und Jenseits von Zäunen, Umfriedungen, Mäuerchen und Bretterwänden zieht, wo
ein winziger Mikrokosmos neben dem
Anläßlich des 80sten Geburtstags von
Efraim Habermann erscheint in der
Edition Carpentier das Heft Nr. 8
Buchcover
Efraim Habermann
»Venedig«
24 Fotografien
Hrsg. von Manfred Carpentier
und Franziska Rutishauser
Berlin : Das Foto, 2013
(Edition Carpentier : 8)
ISBN 978-3-944637-08-2
anderen sich in einer Unzahl ähnlicher
zu verlieren droht«. (Katrin Arrieta)
Dietrich Oltmanns hat die Fotografien
1990 aufgenommen. Heute sieht er in
ihnen seine persönliche Erfassung des
damaligen Zustands, dessen faszinie- Efraim Habermann
rende Ausstrahlung sich durch den Ein- »Berliner Stilleben«
fluss der westlichen Konsumgesellschaft Hrsg. von Manfred Carpentier
Leipzig : Lehmstedt, 2011
schnell zu verändern begann.
ISBN 978-3-942473-13-2
brennpunkt 3/2013
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Fotoszene
Kann man einem Bild
trauen?
Na ja, kommt darauf an, was Sie erwarten liebe Leser.
Wenn es zum Beispiel um Authentizität geht, würde ich die Erwartung nicht
zu hoch schrauben.
Das Gewinnerfoto von Paul Hansen
beim World Press Photo Award 2013
hat mich sehr beeindruckt. Es ist einfach perfekt - zu perfekt?
Das Bild besitzt ein Traumlicht, eigentlich zu schön um wahr zu sein...
In seiner Ausgabe 19 vom 6. Mai 2013
hat sich auch »DER SPIEGEL« dieses
Themas angenommen und äußert seine
Bedenken über den Grad der Nachbearbeitung bei diesem Siegerbild. Süffisant weisen die Autoren des Artikels
darauf hin, dass Hansen nicht wie versprochen, die Original RAW Datei zum
Vergleich vorweisen konnte - angeblich
vergessen...
Vergleichsweise eine Enthüllung dagegen ist der Slogan an der Eingangstür:
»You press the button. We do the rest better«. Sie erinnern sich jetzt sicherlich
auch an die alte KODAK-Werbung.
Wenn man den Recherchen des SPIEGEL-Artikels glauben darf, so werden
die Dienste von Herrn Palmisano von
der internationalen Journalistenbranche
gerne und häufig in Anspruch genommen...
Ich will das jetzt gar nicht werten. Die
Geschichte der technischen Entwicklung zeigt aber, daß das was möglich
ist, auch gemacht wird.
Da sind moralische oder ethische
Bedenken allenfalls Anfangshürden die werden in der Regel aber schnell
überwunden!
Wenn wir mal ehrlich sind, Photographie war doch noch nie authentisch. Es
wurde beim Entwickeln und Belichten
in der Dunkelkammer gemogelt und
manipuliert was das Zeug hielt. Ich
erinnere mich noch selbst an abenteuerliche Konstruktionen aus Draht und
zu tun, sie sind photographische Kunstwerke - im eigentlichen Wortsinn.
Man sieht die Welt eben nicht in
schwarz/weiß - es sei denn, man hat
einen massiven Augenfehler!
Schon immer hat das Gehirn des
Betrachters die Wirklichkeit in Bildern
interpoliert, es fiel nur niemandem auf.
Es muss ja nicht nur die Schwarz/WeißReduktion der analogen Zeit oder das
»Post-Processing« (irgendwie gefällt mir
das Wort) der heutigen Zeit sein, was
die Authentizität der Photographie in
Frage stellt, nein alleine der künstlerische Anspruch des Photographen führt
doch schon zu einer Interpretation der
Realität!
Setzen Sie drei gute Photographen auf
das gleiche Objekt an - Sie werden drei
verschiedene Bilder bekommen. Und
das ist auch selbstverständlich, weil
jeder Photograph seine eigene Handschrift hat.
»Photographie ist Subjektivierung der
Umwelt«. Und da wir alle unterschiedliche Individuen sind, werden unsere
»Schwäne«: Trauen Sie diesem Bild? Na ja, zumindest Ihr erster Gedanke ist falsch - keiner der Schwäne ist reinkopiert. Aber ansonsten...
Interessant ist im weiteren Verlauf des
Beitrages der Hinweis auf Herrn Palmisano, ein Meister des so genannten »PostProcessing« - so wird in journalistischen
Fachkreisen die digitale Bearbeitung der
Bilder etwas kryptisch umschrieben.
Das Geschäft von jenem Herrn Palmisano residiert in Rom und trägt den
unauffälligen Namen »10b Photography« - was mehr über die Hausnummer des Firmensitzes, als über deren
Tätigkeit aussagt.
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brennpunkt 3/2013
Pappe, die zum Zwecke der Manipulation in dem Lichtstrahl des Vergrößerungsgerätes bewegt wurden.
Bei einer Diskussion über dieses Thema,
bedauerte neulich ein Kunsthistoriker
mir gegenüber den Verlust von »Wahrheit« in der Photographie und verwies
auf die gute alte analoge Photographie
zu Zeiten Ansel Adams.
Na also, nun ausgerechnet der!
Ansel Adams, zugegebenermaßen hervorragende Landschaftsbilder haben ja
mit der Wirklichkeit nun absolut nichts
Umgebung auch unterschiedlich interpretieren und zu unterschiedlichen Bildern des gleichen Motives kommen.
Wollen Sie wissen, welche Photographie noch am authentischten ist?
Die ganz banale Urlaubs-und Familienknipserei, Blitz an, raufhalten und
anschließend printen beim Supermarkt
- führt garantiert zum »Aha« des Wiedererkennungseffektes!
Manfred Kriegelstein
Buchbesprechung
Naturfotografie - Die große
Der große Fotokurs
Besser fotografieren lernen
Fotoschule
Jacqueline Esen
Naturmotive gekonnt in Szene setzen
Fotografie als Meditation
Eine Reise zur Quelle der Kreativität
Verlag: Galileo Design
ISBN: 978-3-8362-2030-9
439 S. Komplett in Farbe,
2. Aktualisierte Auflage
19,90 Euro
Nun mal wieder etwas für Anfänger sorry, politisch korrekt: Einsteiger!
Frau Esen ist freiberufliche Fotografin
und Autorin diverser Werke zu Fotografie und Fototechnik. Schon aus der Tatsache, dass dieses Werk jetzt schon für die
zweite Auflage aktualisiert wurde kann
man ablesen, dass ein großer Bedarf an
dieser kompakten Wissensvermittlung
vorhanden ist. Mir ist auch schon bei
diversen Fototreffen in der Amateurszene aufgefallen, dass es in den letzten
Monaten viele gibt, die Ihr Interesse an
der Fotografie entdeckt haben. Für diese
Zielgruppe ist das Buch eine absolute
Empfehlung.
Ohne viel Schnickschnack kommt die
Autorin auf den Punkt und vermittelt
alles was man als Grundlage zur Fototechnik, Bildgestaltung und digitaler
Bearbeitung wissen sollte.
Übrigens auch sehr informativ und dennoch kurzweilig stellt sich die Internetpräsentation der Autorin dar. Werfen Sie
mal einen Blick darauf:
www.fotonanny.de
Hans-Peter Schaub
Torsten Andreas Hoffmann
Verlag: dpunkt.verlag
ISBN: 978-3-86490-031-0
260 Seiten, komplett in Farbe,
Festeinband
36,90 Euro
Warum fotografieren wir eigentlich?
Na klar, um zu guten Bildern zu kommen
- so werden jedenfalls die meisten antworten. Aber ist nicht der Akt des Fotografierens an sich schon ein sinnliches
Erlebnis?
Oder umgekehrt, hat nicht jeder schon
einmal bemerkt, dass Fotos nicht gelingen, wenn man »nicht gut drauf ist«?
In diesem Zusammenhang hat mich das
Buch »Fotografie als Meditation« von
Torsten Andreas Hoffman fasziniert.
Der Autor zeigt uns den engen Zusammenhang zwischen japanischer ZenPhilosophie und der künstlerischen
Fotografie. Er weist an Hand von vielen
Bildbeispielen nach, wie wichtig der
Seelenzustand des Fotografen für das
Gelingen seiner Bilder ist.
Der geneigte Leser dieses Magazins
wird mich sicherlich nicht verdächtigen besonders esoterisch zu sein, dennoch hat mich diese andere Sichtweise
von Herrn Hoffman doch sehr beeindruckt - insbesondere durch seine philosphischen Bildanalysen.
Manfred Kriegelstein
Manfred Kriegelstein
Verlag: Galileo Design
ISBN: 978-3-8362-1936-5
397 S. Komplett in Farbe,
2. Aktualisierte Auflage
39,90 Euro
Wir kommen nicht daran vorbei, dass
Landschafts-und Naturbilder sicherlich
einen großen, wenn nicht sogar den
größten Teil der deutschen Fotoszene
beherrschen. Das liegt sicherlich zum
einen Teil daran, dass insbesondere für
Anfänger das Ablichten von Personen
noch eine gewisse Hemmschwelle darstellt. Ich denke aber, dass die innere
Naturverbundenheit vieler Menschen
der Hauptgrund für diese große fotografische Affinität ist. Wie auch immer,
das aktualisierte Werk von Schaub hilft
allen Naturfotografen zu besseren Bildern zu kommen.
Von Makroaufnahmen über Landschaftsund Tierfotografie wird alles gut erklärt
und mit diversen tollen Bildbeispielen
untermauert.
Mir ist besonders sympathisch, dass
der Autor in seinen Lektionen nicht auf
perfekte aber langweilige BiologiebuchIllustrationen zielt, sondern sich auch
umfassend der kreativen Umsetzung
dieses Themas widmet.
Für Naturfotografen eine absolute Empfehlung!
Manfred Kriegelstein
brennpunkt 3/2013
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Vorschau 4/2013
brennpunkt 4-2013
erscheint am
4. Oktober 2013
Leserfotos
Browse Fotofestival
2013
Foto-Marathon Berlin
2013
© Thomas Lingens, »Rudolf Holtappel«, 2013
© Thomas Lingens, »Thomas Hoepker«, 2013
Portfolio
Beide Fotografinnen leben und arbeiten in Berlin. Mit unterschiedlicher
Sichtweise gehen sie an die Fotografie
heran.
Diese beiden Portfolios sind das Ergebnis © Birgit Bergmann
© Charlotte Thömmes
des brennpunkt AWARDS 2013, anlässlich des »browse Fotofestival Berlin«.
Birgit Bergmann
Charlotte Thömmes
In den nächsten brennpunkt Ausgaben »Maybachufermarkt«
»Memory & Imagination«
werden wir weitere Portfolios der
Gewinner veröffentlichen.
Was bedeutet die Fotografie für mich?
In meiner Serie »Memory & Imagination«
Fotografieren ähnelt in meinen Augen zeige ich fragmentarische Momente,
einem Gespräch. Statt zuzuhören, beo- Bruchteile von Sekunden, die sich vor
bachte ich. Statt zu reden, fotografiere meinem Auge ausdehnten. Traumartige
ich.
Sequenzen, in denen ich die Flüchtigkeit des Lebens festzuhalte.
Gute Fotografie entsteht nur im Dialog Fotografie ist Abbild der Vergangenheit,
zwischen Fotograf und Fotomotiv. Die gelebte Zeit, dennoch versuche ich in
Kunst dabei ist es zu beobachten und meinen Bildern nicht mein subjektizuzuhören – im richtigen Moment zu ves Konstrukt der Realität einzufangen,
reden … und im richtigen Moment zu sondern möchte den Betrachter anreschweigen und zu fotografieren.
gen, seine Wahrnehmung zu hinterfragen. Absichtlich jeder Verortung entrissen, gebe ich dem Rezipienten die Möglichkeit eigenen Assoziationen hervorzurufen.
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Vorschau 4/2013
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Galerien
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