Gastkommentar, Die Presse, 1,2 MB
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Gastkommentar, Die Presse, 1,2 MB
26 DEBATTE MITTWOCH, 18. MAI 2016 Wie aus Orientfrage der Nahostkonflikt wurde Gastkommentar. Vor 100 Jahren wurde die Geheimkorrespondenz zwischen Sykes und Picot zur Neuaufteilung des Nahen Ostens geführt. Aber die heutigen Grenzen in der Region folgten vielmehr einem 1923 geschlossenen Abkommen. Befürworter offener Grenzen, dass nun eine neue Ära anbreche: Orient trifft Okzident in Berlin. Am digitalen Dorfbrunnen überboten sich die Träumer von demografischer und kultureller Bereicherung. Doch fand hier nicht die Hochzeit zwischen griechischen Soldaten und persischen Prinzessinnen statt, die Alexander der Große vor über 2300 Jahren in Susa veranstalten ließ. Weniger würde ein neuer Hellenismus aus der Verschmelzung der Kulturen entstehen, sondern vielmehr wachsen Misstrauen und Terrorismus. Man muss sich um Europa mehr Sorgen machen als um den Nahen Osten. VON KARIN KNEISSL M it Sprüchen wie „SykesPicot haben wir abgeschafft!“ präsentierten sich im Sommer 2014 die schwer bewaffneten Vertreter der Kommunikationsabteilung des Kalifats des Islamischen Staats jubelnd in ihren Propagandavideos. Schießend und kreischend rennen sie auf diesen Bildern zwischen Grenzsteinen im syrisch-irakischen Grenzraum umher. Diese Grenzdemarkation errichtete freilich eine britisch-französische Kommission, die nichts mit dem Sykes-Picot-Abkommen zu tun hatte. Die Geheimkorrespondenz, die Georges Picot in Paris und sein britischer Kollege Mark Sykes rund um die Orientfrage geführt haben, um die osmanische Konkursmasse unter sich aufzuteilen, bildet jedoch bis heute einen Mythos östlich und westlich von Suez. Dabei wurde dieser Briefwechsel stets überschätzt, was seine Relevanz für die Grenzziehungen zwischen dem östlichen Mittelmeer und dem Persischen Golf anbelangt. Aufteilung im Namen des Öls Die beiden Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich teilten zwar die Überreste des Osmanischen Reichs nach dem Ersten Weltkrieg untereinander auf, doch die Karte unterschied sich fundamental von jener der Sykes-PicotKorrespondenz. Im Frühjahr 1920 trafen einander die Ölbarone, nicht Diplomaten und Politiker in San Remo an der italienischen Riviera. Wesentliche Referenz für die zukünftigen Grenzen zwischen den britischen und französischen Mandaten sollte die Pipeline Mosul–Haifa bilden. Die Briten hatten die Hand auf Nordmesopotamien und seine bekannten Erdölfelder gelegt. Das im britisch kontrollierten Palästina gelegene Haifa sollte zum wesentlichen Umschlagplatz der mesopotamischen Ölexporte nach Europa werden. Denn eines war den Siegern wie den Verlierern des Ersten Weltkriegs gleichermaßen klar geworden: Erdöl war zum strategischen Rohstoff geworden. Fortan würden im Namen des Öls gleichermaßen Allianzen gebildet und Kriege geführt werden. Der Irak-Krieg von 2003 und in gewissem Umfang der Stellvertreterkrieg in Syrien seit 2011 sowie der finanzielle Aufstieg der Bewegung Daesh, die im Sommer 2014 den grenzüberschreitenden Islamischen Staat zwischen Syrien und Irak proklamiert hat, gründen auf Ölinteressen. Aus der Orientfrage wurde der Nahostkonflikt mit seinen vielen Facetten. Nationale Agenden degenerierten zusehends zu religiösen Konfrontation mit dem jeweiligen Anspruch auf absolute Wahrheit. Die westlichen Interventionen, im Namen von Demokratie und Humanität, führten zu Staatenzerfall und Gewalt. Der Nahe Osten ist uns nun mit der Flüchtlingskrise und der Willkommenskultur, die nicht zwischen Kriegsvertriebenen und Wirtschaftsmigranten zu unterscheiden weiß, verdammt nahegerückt. Während Europa an der Flüchtlingskrise politisch zu zerbrechen scheint, ziehen sich die USA zusehends aus der Region zurück, und asiatische Interessen dringen wirtschaftlich ein. Naher Osten blickt ostwärts Für die westlichen Konsumenten, allen voran die USA, ist das nahöstliche Erdöl immer weniger bedeutsam. Die Pipelines und Tanker drehen vielmehr auf Ost-Süd-Ost. Die PIZZICATO Hofburg-Contest D as war sie also, die Stichwahl. Zwischen dem eher rechtsnationalen Favoriten und dem eher linksnationalen Herausforderer: zwischen Russland und der Ukraine beim Song Contest. Diesen Sonntag könnte es ähnlich laufen. Das Publikumsvoting könnte der eher rechtsnationale Kandidat gewinnen. Wobei die Fachjury stark zum eher linksnationalen Kandidaten tendiert. Beide treten jedenfalls mit dem Lied der Heimat an. Am Wochenende sind die beiden Herren schon einmal aufeinandergekracht. UNO und OSZE haben sich aus dem Spiel genommen – und den beiden allein das Feld überlassen. Mit entsprechenden Folgen. Es war sehr krimmig. Die verbrannte Erde schaufelte man noch den ganzen Montag über aus dem ATV-Studio. Der ORF will daraus lernen: Er hat für den Wahlsonntag schon einmal Christian Wehrschütz in die Hofburg beordert. Es wird auch eigens ein schönes Sakko für ihn ausgesucht. Das kann er dann auch nächstes Jahr beim Song Contest tragen. Es könnte allerdings auch sein, dass Herr Wehrschütz nächstes Jahr gar nicht in Kiew, sondern auf dem Küniglberg sitzt – im Chefbüro. Wenn der eher rechtsnationale Kandidat gewinnt und, wie vom eher linksnationalen befürchtet, die „blaue Republik“ kommt. Aber auch da wird sich ein schönes Sakko finden. (oli) Reaktionen an: [email protected] asiatischen Käufer bestimmen den Verlauf der Routen. Der Mercedes als „Araberauto“ dominiert nicht mehr das Straßenbild, asiatische Fahrzeuge sind populärer. Zudem macht man lieber Geschäfte etwa mit Südkorea als mit einem europäischen Konzern, da die Ostasiaten nicht gleich mit Sanktionen drohen, wenn es zu Verstimmungen kommen sollte. Beim Wiederaufbau in Syrien werden westliche Bewerber den Kürzeren ziehen. Die EU als Gouvernante, die dem Orient erklärt, wo es langgeht, hat ausgedient. Zwar wird der Ruf nach einem Marshallplan für die arabische Welt neuerlich erhoben. Bloß gab es Ähnliches in Form des BarcelonaProzesses schon vor über 20 Jahren. Schlechte Rekrutierung und miserables Monitoring führten alle Brüsseler Pläne vorbei an der Wirklichkeit. Europa hat alle Glaubwürdigkeit verloren. Als die Rolle europäischer Regierungen bei den Folterflügen während des „war on terror“ dank des Schweizer Parlamentariers Dick Marty 2004 bekannt wurde, entgegneten arabische Intellektuelle: „Bitte Europa, komm uns nie mehr mit deinen Menschenrech- ten“. Denn Verdächtige flog man auf Militärbasen aus, ließ sie unter ärztlicher Aufsicht in arabischen Diktaturen foltern. LESERPOST vollends zu blamieren. Um wieder in die Gegenwart zurückzukehren (immerhin ist das Ende des Österreich-Konvents nun schon wieder elf Jahre her): Solange sich am Widerstand der Länder und der Sozialpartner gegen solche umfassenden Reformen nichts ändert, wird es auch keine Dritte Republik geben. Daran wird auch die etwaige Wahl Hofers zum Bundespräsidenten nichts ändern. Leserbriefe bitte an: Die Presse, Hainburger Straße 33, A-1030 Wien oder an [email protected] Österreich-Konvent? Richtig, da war doch was! „Ein blauer Bundespräsident macht noch keine Republik“, „Quergeschrieben“ von Anneliese Rohrer, 14. 5. Sie stellen ganz richtig fest: Es bedarf umfassender Veränderungen. Als ich Ihre Vorschläge gelesen habe, ist es mir so vorgekommen, als hätte ich diese jedoch schon einmal gehört. Richtig, das waren auch die Forderungen, die der Österreich-Konvent aufgestellt hat. Doch was war letztlich dessen Ergebnis? Wie wir alle wissen, ein Privatentwurf einer neuen Verfassung des Vorsitzenden Franz Fiedler, den er in den letzen Minuten eilig vorlegte, um den Konvent (und natürlich ihn selbst) nicht EU verrät ihre Werte Im Frühjahr 2011 waren alle westlichen Regierungen mit dem Wutausbruch der jungen Araber und dem Sturz der Präsidenten überfordert. Bei den Wahlen legten sich die USA und EU mit den neuen islamistischen Machthabern sogleich ins Bett. In Ägypten ging dies schief. In der Türkei verrennt sich die EU unter Verrat an allen ihren Werten in einen Abgrund. Im Herbst 2015 meinten dann manche DIE AUTORIN Karin Kneissl (* 1965 in Wien) studierte Jus und Arabistik in Wien. Sie war 1991/1992 Studentin an der ENA. 1990 bis 1998 im diplomatischen Dienst, danach Lehrtätigkeit. Zahlreiche Publikationen, darunter: „Die Gewaltspirale. Warum Orient und Okzident nicht miteinander können“ (2007), „Mein Naher Osten“ (Braumüller 2014) . [ Privat] Manuel Judt, 2540 Bad Vöslau Ein Stamperl Zirbengeist gegen die Flugangst „Im Laufschritt weiter in Richtung Abgrund“,von Markku Datler, 14. 5. Wie mir, Jahrgang 1944, ein glaubwürdiger Augenzeuge schon vor Jahrzehnten, aber unvergesslich, berichtete, beseitigte Bubi Bradl (erster Skispringer über 100 m) seinen Rest von Flugangst mit einem Stamperl Zirbengeist, nicht Whiskey oder Martini. Heute liefern sich Sportverbände, IOC und Wada ein Katz- und Mausspiel bezüglich einer Vielzahl von „Nah- Europa als hilfloser Beobachter Die Syrer werden ihre Städte wieder aufbauen, wie es in Homs seit Monaten und nun auch in Palmyra geschieht. Mit dauernden Stromausfällen und der Sorge um die Zukunft haben die Menschen zu leben gelernt, ohne zu zerbrechen. Doch Europas Gesellschaften sind weniger belastbar. Weitere schwere Terroranschläge können ebendiese Gesellschaften zum Kippen bringen. Frankreich im Ausnahmezustand zeigt diese Niederlage. Zwar mischten die europäischen Staatskanzleien vor 100 Jahren emsig an der Neuaufteilung der nahöstlichen Welt mit. Doch heute sind die einstigen Kolonialmächte, die stets ihren Sonderweg in der UNO und der EU behauptet haben, nur mehr ohnmächtige Beobachter. Die restlichen EU-26 versuchen auf jeweils bilateralem Weg mit den Folgen der Kriege und der Flucht zurande zu kommen. Statt weiter von der europäischen Lösung zu träumen und wertvolle Zeit zu verlieren, bemühen sich einige europäische Regierungen um Lösungsversuche. Denn die eine, zentral verordnete Patentlösung gibt es nicht. Die Geografie sei die Konstante der Geschichte, stellte der Realpolitiker Bismarck einst fest. Einige Staaten sind näher am Nahen Osten, andere sind weiter weg. Die Balten sorgen sich mehr um Russland, die Italiener mehr um Libyen. Diese Logik bestimmt alles Handeln. Nicht umsonst heißt die Region im Englischen Middle East. Denn für London und Washington ist sie recht weit weg. E-Mails an: [email protected] rungsergänzungsmitteln“, schon verboten oder noch nicht nachweisbar, aber in jedem Fall für die unglaublichen psychophysischen Leistungen unerlässlich. Diese wiederum werden von einem wirtschaftlich nicht unbedeutenden Teil der Bevölkerung verlangt und auch besucht. Panem et circenses, o tempora o mores, einst wie heute! Auch „Die Presse“ wird sicher ausführlich über das Rio-Spektakel berichten, ich aber werde es nicht lesen. Dr. Josef Koch, 2130 Mistelbach Ein „Vorgeschmack“ auf eine FPÖ-Regierung? Zum Wahlkampf um das Bundespräsidentenamt Am 9. Mai um 16.33 Uhr wurde ich telefonisch kontaktiert, um an einer Umfrage zur Bundespräsidentenwahl teilzunehmen. Die Person stellte sich als Mitarbeiter der Statistik Austria vor. Nach einigen Fragen wurden die Fragestellungen immer tendenziöser und suggestiver in Richtung des Prä-