Andacht zu Hebräer 10,35-36.(37

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Andacht zu Hebräer 10,35-36.(37
Andacht zu Hebräer 10,35-36.(37-38).39
Grundlage: Pfarrer Stefan Engelhardt 07.09.2008
– überarbeitet von Henning Könemann 13.11.2014
35 Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine
große Belohnung hat.
36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes
tut und das Verheißene empfangt.
39 Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und
verdammt werden, sondern von denen, die glauben und die
Seele erretten.
Im Gefängnis schreibt Dietrich Bonhoeffer vor bald 70
Jahren das Gedicht „Wer bin ich?“. Ein eindrückliches
Zeugnis eines Christen, der – weil er Christus treu blieb und
konsequent im Glauben gelebt hat – in die Fänge des
Hitlerstaates geriet. In seiner Gefangenschaft in GestapoHaft begegnet er uns aber nicht nur glaubensstark, sondern
auch erschöpft und wie ausgebrannt. Unter anderem schreibt
er: „... bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig,
sehnsüchtig, krank ... dürstend nach guten Worten, nach
menschlicher Nähe ... müde und leer zum Beten, zum
Denken, zum Schaffen ...“ Er leidet an der zermürbenden
Situation im Gefängnis. Ist es da noch weit bis zu dem Punkt,
an dem man sein Vertrauen wegwirft?
Da muss man nicht im Gefängnis sein, um manchmal
Ähnliches zu empfinden. Müde und leer zum Beten und zum
Glauben, so fühlen sich auch manche, die einmal stark
waren. Wir sind im CVJM-Friedennetz, im CVJM Woloshin
und evtl. in der Kirche engagiert. Sind oder waren von
Herzen dabei und haben uns auch begeistern können für den
Glauben und soziales Engagement. Aber jetzt sind wir
vielleicht müde und leer, unser Vertrauen zu Gott, zur
Zukunft ist wie weggeblasen?
Die aktuellen Konflikte dieser Welt in Syrien, der Ukraine
oder die Angst vor der Ebola- Epedemie lassen uns auch
nicht unberührt – was heißt da „Werft euer Vertrauen nicht
weg…“?
Müde sein, müde werden, das ist etwas ganz Normales.
Jeden Abend werden wir müde, legen unsere Arbeit aus den
Händen, um im Schlaf wieder Kraft für einen neuen Tag zu
sammeln und uns voll Vertrauen in die Hände Gottes zu
legen. Aber es gibt neben der schöpfungsgemäßen
Müdigkeit auch eine tiefe Lebens- und Glaubensmüdigkeit,
die uns dahin führt, unser Vertrauen auf Gott und die
Zukunft wegzuwerfen. Mit einer solch tiefen
Glaubensmüdigkeit setzt sich der Hebräerbrief auseinander.
Bei den Christen, an die der Hebräerbrief gerichtet ist, sind
viele müde geworden. „Müde, verzagt, entkräftet, wankend“,
das sind Worte, die im Hebräerbrief ein paar Mal begegnen.
Am Anfang war die Begeisterung, die Leidenschaft für die
Sache und Jesus Christus ganz groß. Da haben wir durchgehalten, tapfer und geduldig.
Aber jetzt – einige Jahre später? Was ist vom Feuer (des
Glaubens) geblieben? Was ist noch übrig von der
Leidenschaft des Betens und Vertrauens? Ist die Freude der
Anfangszeit, die Aufbruchsstimmung noch zu spüren?
Was macht Menschen müde im Glauben? Weshalb werden
sie „müde und leer zum Beten und Denken und Schaffen“?
Die zentrale Erwartung der frühen Christen war: Jesus
Christus kommt wieder. Ganz bald wird das Reich Gottes
vollendet. Dann bricht eine neue Weltzeit an, Friede wird
sein und Gerechtigkeit. Aber manche Hoffnungen haben
sich nicht erfüllt. Und die Wiederkunft Jesus – von den jung
bekehrten Christen jener Zeit in allernächster Zukunft
erwartet – ließ auf sich warten.
Jeder einzelne von uns kann in solch eine Krise kommen.
Enttäuschung über unerhörte Gebete, das Zerbrechen
zentraler Erwartungen an das eigene Leben, ein
frustrierender Lebenslauf. Müdigkeit, weil so vieles andere
nach unserer Aufmerksamkeit ruft und der Glaube dann so
vor sich hindämmert.
Und so kann sich auch über den CVJM eine
Glaubensmüdigkeit legen. Dass man Gott als fern erlebt,
dass man den Eindruck hat, mühsam den Betrieb
aufrechterhalten zu müssen. Das ist vielleicht das
Schlimmste, was dem CVJM passieren kann: Nicht
Geldknappheit und auch nicht der Druck von Außen,
sondern der Eindruck, dass wir, die haupt- und
ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mühsam
einen abwesenden Gott vertreten müssten. Der Eindruck:
Wenn wir nichts tun, um den Laden einigermaßen am
Laufen zu halten, dann ist es aus mit dem Christentum, mit
der Zukunft des CVJM Friedensnetzes.
Wer auf diese Weise „müde und leer zum Beten und zum
Schaffen“ ist, braucht keine „Kopf-hoch“-Parolen. Sie – Er
will ernst genommen werden mit ihren, mit seinen Zweifeln
und der drohenden Zukunftslosigkeit. Wir wollen hören und
verstehen, weshalb der Glaube doch lohnt. Und lohnen kann
er doch nur, wenn er uns trägt und nicht wir ihn tragen
müssen. Und so kommt der Hebräerbrief mit den
Enttäuschten und Erschöpften ins Gespräch mit tröstenden,
kraftvollen Worten: „Werft euer Vertrauen nicht fort! Werft
die Freude am Glauben nicht fort! Denn es wartet doch
reicher Lohn auf euch!“
Welcher Lohn soll das sein? Im Hebräerbrief ist in erster
Linie die Zukunft bei Gott im Blick, das ewige Leben, die
himmlische Heimat. Und dass wir das nicht gering achten.
Damit ist nicht die von Karl Marx zitierte „Vertröstung aufs
Jenseits“ gemeint.
Der Hebräerbrief will uns helfen, Christus wieder so in den
Blick zu bekommen, seine Leben schaffende Kraft schon
heute zu erfahren. So, dass wir uns mit allem, auch mit der
Müdigkeit, voll Vertrauen in die Hände Gottes legen können.
Darum zum Schluss das Bild eines Kindes, das auf einer
langen Autofahrt eingeschlafen ist. Am Ende der Fahrt
nimmt es die Mutter, der Vater in die Arme und trägt es
sanft in sein Bett. Dort wacht es am nächsten Morgen auf, zu
Hause, es weiß gar nicht wie…
Darum: Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große
Belohnung hat. Er bringt uns ans Ziel. Und wir dürfen
immer wieder aufwachen und aufstehen mit neuem Mut,
denn die Güte des Herrn hat kein Ende, sondern sie ist alle
Morgen neu, und seine Treue ist groß (Klagelieder 3).
Amen.

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