Von Erfolgen und Enttäuschungen

Transcrição

Von Erfolgen und Enttäuschungen
SPORT | DERBY HAMBURG 2012
DERBY HAMBURG 2012 | SPORT
6
Fotos: Frieler
Fotos: Frieler
7
2
1
HAMBURG/KLEIN FLOTTBEK: 83STES DEUTSCHES SPRING- UND DRESSUR DERBY
Von Erfolgen und Enttäuschungen
Fotos: Frieler(2), Heidecke (1)
Hoffnung und Enttäuschung liegen auf dem Hamburger Derbyplatz meist 3 Meter weit auseinander.
Doch in diesem Jahr war es nicht der legendäre Wall, der den 35 Startern im 83sten Kurs des Klein Flottbeker
Springderbys zu schaffen machte …
4
3
22
I
MECKLENBURGER PFERDE – 06
I
12
5
8
E
s waren vielmehr zumeist unglückliche FehSchwager Philipp Makowei (Gadebusch) kam
Von Jessica Bunjes
ler, die die Hoffnung aufs „Blaue Band“ für
mit Zetor und gleicher Punktzahl auf Rang zwölf.
viele frühzeitig beendeten. Nur zwei TeilHolger Wulschner (Passin), bei dem Kleis, André
nehmer blieben fehlerfrei, der Vorjahres-Zweite und gebürtige Fehmaraner Plath und Makowei trainiert haben, freundete sich mit Wall und Kurs über
Thorben Köhlbrandt (Ibbenbüren), der den Carthago-Sohn C-Trenton Z ge- die Tage nicht so recht an, kam mit vier Hindernisfehlern im Sattel von Holsattelt hatte. Der 32-Jährige lieferte den 147sten Null-Fehlerritt in der Der- steiner Wallach Coeur de Lion aber immerhin noch auf Rang 14 und lanby-Geschichte ab. Der erst 23-jährige Nisse Lüneburg (Hetlingen) folgte dem dete damit einen Platz vor André Plath (Insel Poel) mit Cosmic Blue. Im Speed
Kollegen auf dem Fuße. Mit Holsteiner Wallach Calle Cool, der 2008 mit Mann- Derby setze der 40-jährige Plath auf die Mecklenburger Stute Chantal, eine
schafts-Weltmeister Carsten-Otto Nagel (Wedel) Derby-Zweiter wurde, blieb Chacco-Blue-Tochter: Rang fünf. Vater Chacco-Blue belegte unter Paul Schokder Sund des Holsteiner Verbands-Präsidenten Jan Lüneburg ohne Abwurf. kemöhles Bereiter Andreas Kreuzer (21, Mühlen) in der einzigen deutschen
„Ich gönne es ihm, Calle Cool war einfach genial“, gratulierte Köhlbrandt, der Etappe der Global Champions Tour
im Stechen volles Risiko ritt und einen Fehler kassierte, während Lüneburg Platz zehn.
eine saubere Weste behielt. „Den Erfolg verdanke ich vor allem CarstenLaut Veranstalter Volker Wulff verOtto Nagel, der Calle Cool perfekt ausgebildet hat“, zeigte sich das junge Reit- folgten 74.000 Zuschauer an vier Tatalent Lüneburg bescheiden. Er ist übrigens nicht der jüngste Derby-Sieger gen das Geschehen in Klein Flottbek –
aller Zeiten, das ist Alwin Schockemöhle, der 1957, mit Bachus gewann und „ein neuer Besucherrekord.“
damals 19 Lenze zählte.
Von ursprünglich 35 Startern kamen nur 21 ins Ziel, darunter alle Mecklenburger Reiter. Allen voran Titelverteidiger André Thieme, der mit Nacorde seinen letzten Parcours bestritt (siehe nebenstehenden Bericht). NachBILD 1 – André Thieme und Nacorde:
Das Paar beendete seinen letzten gemeindem dem Paar bereits in den Qualifikationen Fehler unterliefen, klappte auch
samen schweren Parcours im Hamburger
der entscheidende Derby-Kurs nicht reibungslos: Ein von 25.000 ZuSpring-Derby mit einem Fehler und kam
schauern mit lautstarkem Bedauern quittierter Abwurf kostete die Hoffnung
auf Rang vier. Thieme war etwas enttäuscht, das Publikum tröstete mit viel
auf den vierten Derby-Sieg, es blieb Rang fünf. „Schade, ich hätte es Nacorde
Apllaus. BILD 2 – TThomas Kleis und Carassina kamen mit zwölf Strafpunkten ins Ziel und mussten damit frühzeitig ihre Favoriten-Rolle aufgeben. Am
zum Abschied gewünscht“, so Thieme. Mit dem achtjährigen Voigtsdorfs
Ende blieb Rang neun – keine Schande. BILD 3 – Holger Wulschner bot seiQuonschbob hat der 38-Jährige einen möglichen Nachfolger im Stall. Das
nen Mecklenburger Kollegen wieder perfekte Trainingsmöglichkeiten bei
Paar wurde im Speed-Derby mit einer bejubelten Runde Vierter.
sich in Passim an. Mit Couer de Lion und 16 Fehlerpunkten reichte es für
Platz 14. BILD 4 – Susan Heidecke fotografierte für uns diese MecklenburMatthias Granzow (Passin) und seine Mecklenburger Stute Antik v. Azarger-Fan-Gruppe, die begeistert jeden Mecklenburger Ritt bejubelte.
ro-Kolibri verließen den „heiligen Rasen“ des 1230 Meter langen DerbyBILD 5 – Matthias Granzow und Antik sprangen mit nur einem HindernisParcours als zweitbestes Paar aus Mecklenburg-Vorpommern. Mit einem
fehler auf Rang sieben in der Derby-Wertung. BILD 6 – Andreas Kreuzer,
Springfehler kamen sie auf Rang sieben. Thomas Kleis (Gadebusch) hatte
21-jähriges Talent aus dem Stall von Derby-Sportchef Paul Schockemöhle,
pilotierte Mecklenburger Chacco-Blue über die Hindernisse in
das Luxusproblem, sowohl mit der Concerto-Tochter Carassina – mit der
Klein Flottbek. BILD 7 – Philip Makowei und Zetor waren das jüngste Paar
er 2009 bereits das Blaue Band holte – als auch mit Quick Vainqueur in den
aus Mecklenburg, ein guter zwölfter Rang ist ihre Bilanz.
Qualifikationen so gut abzuschneiden, dass er wählen konnte, welchen VierBILD 8 – André Plath und Chantal überzeugten im Speed-Derby und mit
beiner er im Derby einsetzte. Die Wahl fiel auf die Holsteiner Stute, mit der
Cosmic Blue wurde der Profi von der Insel Poel im 83sten Spring-Derby
immerhin 15ter.
ihm leider drei Fehler passierten – Rang neun.
06
I
12 – MECKLENBURGER PFERDE
I
23
SPORT | DERBY HAMBURG 2012
ADIEU NACORDE!
„So einen gibt es nie wieder!“
Ein verpasster Flieger, ein vermurkstes Turnier und ein Funke Hoffnung waren vor zehn Jahren der Auftakt für eine
wunderbare Freundschaft zwischen drei Kerlen: Springreiter André Thieme (37, Plau), Unternehmer FriedrichWilhelm Biemann (57, Bülow) und Wallach Nacorde (17). Das Trio machte Nacorde im „schwersten Parcours der
Welt“ zum erfolgreichsten Derby-Pferd aller Zeiten. Beim 83sten Deutschen Spring- und Dressurderby in
Klein Flottbek wurde Nacorde aus dem großen Sport verabschiedet.
„F
24
I
MECKLENBURGER PFERDE – 06
I
12
Fiete Biemann schläft in den Tagen vor dem Derby vor Aufregung traditionell
wenig. „Aber da kann man irgendwann nichts mehr machen, dann muss das
Derby einfach kommen.“ In diesem Jahr war es ja das letzte Mal... Denn da
ist sich der Pferdemann sicher, dem es „fast egal“ war, „wie die Sache ausgeht“:
„Nacorde kann es noch mal schaffen“, war er sich zuvor sicher. Hauptsache
war für Biemann immer, dass das Pferd „gesund bleibt“, vor allem jetzt, wo
er seinen Ruhestand im Vollbesitz seiner Kräfte genießen soll. Dass nach dem
Derbykurs 2012 endgültig „Schluss ist mit dem großen Sport“, stand für Biemann „so oder so“ fest.
Eine Box hat er seinem Liebling zuhause schon zurechtgemacht. „Der soll
allmählich in die Rente abtrainiert werden, geht vielleicht noch ein paar ländliche Turniere, denn wir können und wollen ihn nicht einfach ganz wegstellen.“
Einen, der Nacordes Platz einnimmt, hat Biemann – noch - nicht. „Ich habe
eine viel versprechende Stute, Chanel, die Andrés Bereiter Danny Schröder
erfolgreich vorstellt. Aber einen wie Nacorde gibt es nie wieder.“
Jessica Bunjes
Ein vierter Derby-Sieg war André Thieme und Nacorde nicht vergönnt,
aber ein fünfter Rang ist auch eine gute Position um „Adieu“ zu sagen.
Foto: Frieler
iete“ Biemann ist bodenständig, aber herzlich. Er gibt nicht gerne Interviews. Über Geld sprechen will der Unternehmer schon gar nicht:
„Natürlich läuft im Sport wenig ohne Geld. Aber mir geht es ums Pferd,
um den sportlichen Erfolg.“ Sein Herz schlägt für die Vierbeiner, „immer
schon“, wie er sagt. Vater Otto Biemann, „ein Pferdeverrückter“, habe ihn
angesteckt „mit dem Virus“.
Eine Anlage mit 30 Boxen hat sich der Hoch- und Tiefbauer im mecklenburgischen Minzow aufgebaut, wohnt „fünf Minuten entfernt.“ Vor 15
Jahren lernte er auf dem Landgestüt Redefin, über den Obersattlermeister
Michael Thieme, dessen damals 17 Jahre alten Sohn André kennen und schätzen: „Wir haben dieselben Werte und Ideen.“ Auf Turniere in die ganze Welt
hat er André begleitet, deswegen vor vier Jahren seine eigenen reiterlichen
Ambitionen an den Nagel gehängt. „Reiten geht nur ganz oder gar nicht“,
Ehrgeiz spiele schließlich auch eine Rolle. Etwa 20 Vierbeiner gehören ihm,
ein bisschen züchtet Biemann auch, Holsteiner und Oldenburger. Vor ein
paar Wochen ist André mit seinen Pferden zu ihm auf die Anlage gezogen.
„Das macht die Zusammenarbeit leichter.“ Dass der niederländische Wallach Nacorde vor zehn Jahren zu ihnen kam, war Zufall: „Mit dem Holländer Paul Hendrix teilte ich ein tolles Pferd, Neander. Das wollte er
für seinen Sohn damals ganz haben und besorgte mir im Gegenzug Nacorde.“ Das Flugzeug nach Holland, um das Pferd anzusehen, hat Biemann verpasst. Daher schickte Hendrix ihm den Wallach per Lkw. „Als
der ausgeladen wurde, dachte ich „oh Gott, was ist das für einer.“ Biemann schmunzelt. Nicht modern war der Braune, sportlich ja, „aber
alles andere als „schick“. Das erste Turnier, in Sukow, war ein Desaster:
„Da funktionierte weder Gas noch Bremse, wir mussten nach Hause
fahren“, erinnert sich Biemann.
Also wurde der spätere Derbyheld ganz langsam aufgebaut. Von Turnier zu Turnier gefahren, von André ständig selbst trainiert. Heute, Jahre später, schwärmt Biemann von dem treuen Gefährten: „Der kämpft,
hat Charakter, ist dabei ein richtiger Kumpel der würde für uns durchs
Feuer gehen.“ Doch schon 2006 zog der Erfolg in den Stall ein: Thieme und Nacorde wurden Zweite im Springderby. 2007 gelingt der Knaller: Das Duo gewinnt das 78ste Deutsche Springderby. „Der schönste
Erfolg meines Lebens“, so Biemann. 2008 folgt die Wiederholung, 2009
Platz drei, 2010 werden sie Siebter. Unzählige weitere Platzierungen
zählen zu den Erfolgen des Duos. Biemann will sein Pferd in dem Jahr
eigentlich aus dem Sport verabschieden. „Aber irgendwie konnten wir
ihm das nicht antun, er wollte noch“, erzählt André Thieme. 2011 gewinnt das Duo das Derby erneut. „Flottbek ist wie sein persönlicher Paddock“, bringt Derby-Chef Volker Wulff das Phänomen auf den Punkt.
Kurz vor dem offiziellen Ende seiner sportlichen Karriere galoppierte
der 17-Jährige in seinen Abschieds-Parcours in Redefin. Er verließ ihn
mit dem Sieg im Championat. „Nacorde ist top-fit und ich hoffe, ich
habe fürs Derby nicht zuviel heraus geritten“, unkte Thieme danach.
„Viel Schritt gehen“ war sein Plan für die Tage bis zum 83sten Springderby. „Kondition hat er und den Derby-Kurs muss er nicht mehr üben.“