Kontroverse um Capleton-Konzert in der Kaserne

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Kontroverse um Capleton-Konzert in der Kaserne
KulturMagazin / panorama / Basler Zeitung 23.09.08
Vorwurf der Homophobie _
Kontroverse um Capleton-Konzert in der Kaserne Basel
Andreas Schneitter
Die Basler Gay-Szene fordert die Absage des Konzerts des Reggae-Sängers Capleton.
Dieser rief in früheren Texten zum Mord an Schwulen auf.
Am 6. November tritt der jamaikanische Reggae- und Dancehall-Sänger Capleton in der
Kaserne auf. Derselbe veröffentlichte bis vor wenigen Jahren Tracks, die hiessen: "Bun Out
Di Chi Chi" oder "Hang Dem Up". Sogenannte "Battyman Tunes", in denen Gewalt gegen
Homosexuelle (Chi Chi Man oder Battyman im jamaikanischen Patois) gefeiert wurde.
Mit latenter bis offensiver Homophobie in jamaikanischen Reggae-Songs haben Europas
Konzertveranstalter ein Problem. Kommen Sänger wie Capleton, Elephant Man, Bounty
Killer oder Beenie Man nach Europa, laufen homosexuelle Oganisationen Sturm. Mehrere
Konzerte wurden schon abgesagt, ein Sänger - Sizzla - erhielt wegen Volksverhetzung
Einreiseverbot in den Schengen-Raum.
Seither lassen Veranstalter nur noch Sänger auftreten, die den sogenannten "Reggae
Compassionate Act" unterzeichnet haben - ein Dokument verschiedener homosexueller
Organisationen, dessen Unterzeichner sich dem Verzicht auf homophobe Songs
verpflichten. Capleton, der seine früheren Aufrufe zur Schwulenverbrennung "metaphorisch",
als spirituelle Reinigung, verstanden haben will, hat den Act unterzeichnet. Und hält sich,
gemäss Erfahrungen von Konzertveranstaltern, auch daran.
dialog. Dennoch fordert Axel Schubert, Sprecher der homosexuellen Arbeitsgruppe Basel
(Habs), in einem offenen Brief an die Kaserne die Absage des Konzertes. Schubert begrüsst,
dass Capleton seine homophoben Tracks nicht mehr spielt. Aber: "Er hat als Star in Jamaika
mit seinen Texten zum homophoben Klima beigetragen. Nun wäre es angebracht, seinen
Ruhm für die Verurteilung von Homophobie zu nutzen." Weil die Habs trotz ihrer Forderung
nicht an eine Konzertabsage seitens der Kaserne glaubt, überlegt sie sich nun mit einer
Kundgebung aktiv zu sein.
Kaserne-Musikchefin Laurence Desarzens kennt die homophoben Zwischentöne
jamaikanischer Sänger schon aus der Zeit, als sie noch in der Roten Fabrik in Zürich
Konzerte veranstaltete. "Soll man diese Konzerte veranstalten, oder soll man nicht? Es gibt
keine eindeutige Antwort. Ich finde: Ja. Aber nur, wenn man neben dem Konzert auch die
Kontroverse aufgreift." Einen Tag nach dem Konzert wird in der Kaserne eine
Podiumsdiskussion zum Thema "Popculture breaking the rules" stattfinden, an dem
auch Capleton ein Thema sein wird. "Mit der lokalen Gay-Szene bin ich im Gespräch, um
sie am Podium dabei zu haben."
rassismus. Nach dem Konzert von Capleton legt der Basler DJ Lukee Lava seine Platten
auf. Wyniger, seit 15 Jahren als Reggae-DJ aktiv und mehrmals durch Jamaika gereist,
verteidigt die Haltung der Kaserne. "Man muss den Kontext betrachten. Wir gebildeten
Mittelklasse-Europäer verstehen die Umstände in einem Drittweltland wie Jamaika nicht."
Dort grassiere leider Homophobie, das sei richtig, aber deswegen einem jamaikanischen
Musiker die Einreise zu verweigern "grenzt an Rassismus", sagt Wyniger. "Es bringt mehr,
die Sänger einzuladen und ihnen zu demonstrieren, dass Gesellschaften gerade auch mit
der Integration von Homosexuellen lebensfähig sind."
Für Axel Schubert von der Habs sind dies Scheinargumente. "Fakt ist, dass es sich um
Sänger mit homophoben Texten handelt. Damit habe ich ein Problem."
> Capleton. Do, 6. 11. Kaserne Basel. > Podium "Popculture breaking the rules". Fr, 7.
11. Kaserne Basel.