Festgefahren - von Pfarrerin Doreen Göbel

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Festgefahren - von Pfarrerin Doreen Göbel
Festgefahren
Manchmal ganz wortwörtlich mit dem Auto. Im tiefen Schnee oder im viel zu
nassen Erdboden. Dann brauchen wir Hilfe, um den „Karren“ aus dem Dreck zu
ziehen.
Festgefahren - Oft im übertragenen Sinne. Dann stecken wir mitten in einer
Situation, einem Streit oder einem Problem und wissen weder ein noch aus. Nichts
geht mehr, nicht vor und nicht zurück.
Verletzende Worte sind gesprochen und lassen sich nicht mehr zurücknehmen eine Freundschaft ist zerbrochen. Die schlechte Note in Englisch steht schwarz auf
weiß im Heft und irgendwie hast du den Anschluss im Unterricht verloren. Die
Mutter kann nicht länger alleine wohnen, aber Zuhause ist einfach kein Platz.
Ausgerechnet jetzt gibt das Auto den Geist auf, wo es finanziell doch ohnehin so
knapp jeden Monat ist.
Festgefahrene Situationen rauben uns manche Nacht den Schlaf und lassen uns
auch am Tag nicht zur Ruhe kommen. Der Beter des 121. Psalms drückt dies ganz
wunderbar aus: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen - woher kommt mir
Hilfe?" Ich sehe ihn da erstarrt vor Angst und Sorgen stehen. Den bangen Blick
zum Himmel gerichtet. Das eigene Elend vor den Füßen. Ganz nah geht mir seine
Situation - wie gut kenne ich das.
Und dann- ein Blickwechsel. Auch in die Natur. Ich beobachte einen kleinen Ast,
der sich am Rand eines Bachbettes in den Wurzeln eines Baumes verfangen hat,
die hier tief ins Wasser ragen. ,Festgefahren', denke ich, 'der kommt hier nie mehr
weg'. Von den sachten Wogen des Baches wird der Ast immer wieder leicht hinund hergerüttelt. So, als hätte er sich seinem Schicksal längst ergeben. Aber
plötzlich löst er sich. Das sanfte Rütteln hat ihn millimeterweise aus der Böschung
herausgerüttelt. Das hat seine Zeit gebraucht. Aber jetzt ist er frei. Folgt dem
munteren Bachlauf. Verschwindet aus meinem Blickfeld. Erreicht in meiner
Vorstellung das weite offene Meer.
Woher kommt mir Hilfe? Auch der Psalmbeter hat erlebt, dass nichts so
festgefahren bleibt, wie es erscheint. Er gibt uns Antwort auf diese Frage: „Meine
Hilfe kommt von dem HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat." Darauf
vertraue ich. Daran halte ich fest. In allen festgefahrenen Zeiten.
Es grüßt Sie herzlich auch im Namen von Pfarrer Jung
Ihre Pfarrerin Doreen Göbel
Quelle: Kirchenblättchen Wernswig/Sondheim Sommer 2013