Panzerwaffe und gepanzerte Fahrzeuge – aktuelle
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Panzerwaffe und gepanzerte Fahrzeuge – aktuelle
Sicherheitspolitische Information September 2007 Panzerwaffe und gepanzerte Fahrzeuge – aktuelle Perspektiven und Einsatzformen Analyse, Erkenntnisse und Konsequenzen für die Schweizer Armee Herausgegeben vom Verein Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft (VSWW) Postfach 65, 8024 Zürich (PC-Konto 80-500-4), Credit Suisse Zürich, Konto-Nr. 468809-01 Präsident: Dr. Günter Heuberger Redaktion: Dr. Daniel Heller, Andreas Richner und Andreas Heizmann www.vsww.ch Sicherheitspolitische Information, September 2007 Inhaltsverzeichnis Vorwort 3 Die geopolitische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Schweizer Armee • Zur Entwicklung der Weltlage seit dem Zerfall der Sowjetunion • Zur Entwicklung der Lage in Europa • Auswirkungen auf die Natur der Konflikte und die Kampfführung • Erster Schritt der Anpassung: Armee 95 • Zweiter Umbauschritt: Armee XXI und ES 08/11 4 4 5 6 7 7 Erkenntnisse und Trends zur Einsatzführung 9 und zur künftigen Ausrüstung im Bereich Panzer und gepanzerte Fahrzeuge • Auch Truppen in friedenserhaltenden 9 Operationen brauchen Schutz und Drohpotenzial • Raumsicherungsoperationen ohne 10 mechanisierte Kräfte undenkbar • Überheblicher Einsatz mechanisierter Kräfte 12 im Libanonkrieg • Weiterentwickelte Taktik für gepanzerte 12 Kräfte im urbanen Raum • Absehbare technologische Entwicklungen und 13 Kampfsysteme der Zukunft • Nahe Zukunft: Aktive Schutzsysteme gegen 14 Panzerabwehrgeschosse • Fazit: Die Zeit der Panzerschlachten ist nicht 15 vorbei Konsequenzen für die Schweizer Armee • Umsetzungen in der Schweiz • Ausbildung im Bereich des Kampfes der verbundenen Waffen • Rüstung: Investitionen in Schutz und Mobilität notwendig • Kampfpanzer • Geschützte Begleit- und Transportfahrzeuge 2 16 16 17 17 17 18 Vorwort Vorwort «Die Zeit der Panzerschlachten ist vorbei» – so liess sich ein prominenter Vertreter der Armeespitze im Sommer 2003 zitieren und wird seither von den Medien bei jeder Armeediskussion aufs Neue meis tens zusammenhangslos rezitiert. Diese oberste Absolution für die Ablehnung jeglicher rüstungstech nischer Anstrengung jenseits subsidiärer Assistenz dienste und friedenssichernder Engagements hat be reits (zu) viele Opfer gefordert und verdient, rasch aus der helvetischen sicherheitspolitischen Zitaten sammlung verbannt zu werden. So lehnte das Par lament bspw. die Beschaffung eines Geniepanzers im Rüstungsprogramm 2004 vorerst ab, obwohl diese elementare Kompetenzlücke für glaubwürdige mecha nisierte Einsätze offensichtlich dringlichst ihrer Schlies sung bedurfte. eine geringe Anzahl Genie und Minenräumpanzer, um wenigstens die Ausbildung sicherstellen zu können. Mit dem Kompromiss zum Entwicklungsschritt 08/11 dürften sechs statt wie ursprünglich geplant vier Panzerbataillone in der Armee XXI als durchmischter mechanisierter Aufwuchskern verbleiben. Mit dem Rüstungsprogramm 2008 soll die bisher noch un geschützt transportierte Infanterie ein splittergeschütz tes Fahrzeug erhalten – das Geschützte Mannschafts transportfahrzeug (GMTF). Obwohl die Zeit der Panzerschlachten vorbei ist? Dies ist nur scheinbar ein Widerspruch, wie die vorliegende Analyse zeigt. Experten legen auch im Hinblick auf die Anschaffung des GMTF in dieser Nummer dar, welche Rollen der Panzerwaffe und den gepanzerten Fahrzeugen heute und in künftigen Kon flikten zukommen und was dies für die weitere Ent wicklung der mechanisierten Truppen der Schweizer Armee bedeutet. Auf den meisten Bildern aus einem der zahlrei chen Konflikte irgendwo auf der Welt sind gepanzerte Fahrzeuge auf Rädern oder Raupen im Einsatz zu erkennen. Auf dem modernen Gefechtsfeld wird ein maximaler individueller und kollektiver Schutz für alle Akteure angestrebt. Mit dem Rüstungsprogramm 2006 renoviert die Schweizer Armee ihre verbleibende Kampfpanzerflotte minimal und beschafft doch noch Dr. Günter Heuberger, Präsident 3 Sicherheitspolitische Information, September 2007 Die geopolitische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Schweizer Armee Das Ziel einer jeden Sicherheitspolitik ist der langfristige Schutz der eigenen Bevölkerung. Dies geschieht durch eine permanente Analyse der aktuellen Sicherheitslage, ein Abschätzen der möglichen zukünftigen Entwicklungen und der folgenden Ausrüstung und Ausbildung der Sicherheitskräfte. Restriktionen entstehen durch die (historisch belegbare, oft nicht der Realität entsprechende) Bedrohungswahrnehmung des Volkes und durch politische Restriktionen im Bereiche der verfügbaren Mittel. Im Folgenden sollen die diesbezüglich relevanten grossen Linien nachgezeichnet werden. Zur Entwicklung der Weltlage seit dem Zerfall der Sowjetunion Der Zerfall des bipolaren Systems setzte eine regulierende Wirkung ausser Kraft, in deren Folge es zu einer grossen Zahl von Staatsbildungs- und Zerfallskriegen kam. Die dem Zerfall der Sowjetunion folgende Phase der Détente und Abrüstung («Friedensdividende, Ende der Geschichte usw.») wurde abgelöst durch eine anhaltende Periode des Neuaufbaus von Spannungen um die Wendemarken der Terroranschläge in Amerika 2001 und Europa sowie die westlichen, US-geführten Reaktionen darauf, speziell das Eingreifen der Koalitionsstreitkräfte in Afghanistan und im Irak. In der Weltpolitik weht seither wieder ein rauerer Wind. Ab 2003 hat sich der Gedanke verflüchtigt, die Welt gehe unaufhaltsam einer lichten Zukunft in Freiheit und Demokratie entgegen. Momentan sieht es eher so aus, als nähmen autoritäre Regimes und Trends wieder zu. Der jährliche Überblick von Freedom House konstatierte für das Jahr 2006 im Vergleich zum Vorjahr erstmals wieder eine Rückwärtsbewegung in Richtung staatlichen Totalitarismus: Die Zahl jener Länder, die Rückfälle in autoritäre Praktiken 4 erlebten, überwiegt jene der Staaten, die Schritte in Richtung Freiheit unternahmen. Was sind die relevanten Eckwerte dieser Entwicklung – ein Blick auf die «Ordnungsmächte» zeigt folgendes Bild: Im Irak ist die Weltmacht USA am Rande der Demütigung, ihr Prestige und der Glaube an ihre militärische/politische Durchsetzungskraft hat drastische Einbussen erlitten. Ausserdem ist in der gleichen Zeit die Europäische Union daran gescheitert, sich zu einer global handlungsfähigen Grösse zu entwickeln. China und Indien sind dabei, als Weltmächte aufzutreten; sie sind aber noch nicht so weit, und der Beweis von Handlungsfähigkeit globaler Dimension steht noch aus. Russlands Demokratisierung ist zumindest unter-, eventuell sogar abgebrochen. Der Kreml schreckt nicht davor zurück, seine erstarkte Wirtschaftskraft gegen unbotmässige Nachbarn einzusetzen. Die innerrussischen Konflikte werden mit massiver Polizei- und Militärgewalt unterdrückt. Und im Verhältnis zum Westen hat der Kremlherrscher auch sicherheitspolitisch den Druck massiv erhöht, indem er offen die US-amerikanischen Raketenabwehrpläne sabotiert und dafür auch einen zentralen Pfeiler der europäischen Sicherheitspolitik zu zerstören droht: den Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa (CFE). Dieser 1990 der geschwächten Sowjetunion abgerungene CFE-Vertrag zwang zehntausende sowjetrussischer Panzerfahrzeuge auf die Altmetallhalden oder hinter den Ural. Wo werden sie künftig stationiert sein? Die zunehmenden Zerfallserscheinungen im Nahen und Mittleren Osten – in Palästina, im Libanon, im Irak, in Pakistan und in Afghanistan – und die heraufziehende Konfrontation mit Iran strahlen weit aus. Sie könnten noch virulenter werden, wenn andere autokratische Regime der Region ins Rutschen geraten. Die Machteliten auf der arabischen Halbinsel und Die geopolitische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Schweizer Armee in Nordafrika stehen unter wachsendem innenpolitischem Druck. Weder war die Welt nach dem Verschwinden der Sowjetunion plötzlich unipolar noch die USA ein Imperium oder die alleinige Supermacht. Amerikas Eigenheiten und Schwächen waren nicht nur stets evident und für jedermann sichtbar, sie sind auch historisch mehrfach belegt. Die starke Polarisierung in der Innenpolitik auf Grund des Zweiparteiensystems und die «checks and balances» wirken sich über kurz oder lang immer auf die Aussenpolitik aus. Für dauerhafte Hegemonie, geschweige denn Weltherrschaft, ist so ein Gebilde nicht geschaffen. Die Strategie Präsident Bushs, die im Irak und im ganzen Mittleren Osten eine Demokratisierung hätte bringen sollen, steckt in grossen Schwierigkeiten. Der Mittlere Osten ist für die Sicherheit Amerikas (und Westeuropas) wohl wichtiger, als es Indochina gewesen ist. Ein Davonlaufen wie 1975 wäre darum fatal. Man stelle sich die Auswirkungen eines im Bürgerkrieg zwischen extremistischen Gruppierungen zerfallenen Irak an den Grenzen zur Türkei und Saudi-Arabien auf die Entwicklung der Ölpreise vor. Die Resistenz Washingtons in Wahlkampfzeiten ist aber bereits sichtbar am Bröckeln. Die westliche Öffentlichkeit ist in ihren Stimmungsschwankungen zwar berechenbarer geworden als noch zu Zeiten Koreas oder Vietnams. Kurze, erfolgreiche Interventionen werden bejubelt. Für blutige und zähe, jahrelange Konflikte fehlt aber nach wie vor das Stehvermögen. Und hier liegt die grosse Gefahr: Für Autokraten aller Schattierung, den Russen Putin, aber auch die Herrscher in Teheran, die mit blutigem Terror Rückzugssehnsüchte gezielt fördern, ist das eine Einladung zu machtpolitischen Experimenten. Darauf hat der Westen bisher keine gemeinsame kraftvolle Antwort gefunden, die weitere weltpolitische Entwicklung bleibt deshalb mehr als ungewiss. Zur Entwicklung der Lage in Europa Die europäische Aussenpolitik ist auch heute als weltpolitischer Ordnungsfaktor weitgehend inexistent. Die EU hat es bisher kaum geschafft, ihre Interessen gebündelt gegen aussen zu vertreten. Viele Brandherde der Weltpolitik liegen ausserhalb des europäischen Wirkungsbereichs. Die machtpolitische Bedeutung der EU liegt weiterhin darin, dass sie innereuropäische Konflikte austarieren und sie auf den Weg von Verhandlungen verweisen, gemeinsame Regeln für das Zusammenleben auf dem Kontinent aufstellen und – sofern sie liberal bleibt – den Boden für allgemeinen Wohlstand präparieren kann. Ansonsten sind die sicherheitspolitisch relevanten Gemeinsamkeiten rasch aufgezählt: Energiesicherheit, Klimawandel und Beziehungen zu Russland. Trotz oder wegen des gegenseitig geschaffenen nuklearen Potenzials blieben sich die Antagonisten des Kalten Kriegs bewusst, dass ein in Europa ausgetragener Konflikt nicht zwingend nuklear ausgefochten würde. Entsprechend folgte die konventionelle der nuklearen Rüstung auf höchstem Niveau. Das bedrohliche, zumindest in der Statistik offensichtliche Übergewicht des Warschauer Pakts auf dem Gebiet der mechanisierten Truppen wurde in der letzten Phase des Kalten Kriegs im Westen vor allem durch technologischen Vorsprung zu kompensieren versucht. Die beiden Supermächte und ihre Verbündeten setzten im konventionellen Bereich stark auf die mechanisierte, gepanzerte Kampfführung. Dementsprechend wurde die Rüstung vorangetrieben und der Kampf der verbundenen Waffen perfektioniert. Das Ende des Kalten Krieges hinterliess darum in den NATO- und ehemaligen WAPA-Staaten hochgerüstete Armeen. Die vielen veralteten Panzersysteme mussten zumeist aus Kostengründen abgebaut werden. Sie wurden in den Staaten, die es sich noch 5 Sicherheitspolitische Information, September 2007 leisten konnten, durch neuere Systeme in kleinerer Stückzahl, aber mit grösserer Wirkung und Mobilität ersetzt. Die Vernetzte Operationsführung wird in den führenden westlichen Streitkräften konsequent eingeführt und anhand zunehmender Einsatzerfahrung und fortschreitender technologischer Entwicklung weiter verbessert. Der Trend zu steigenden Ausgaben für global einsatzfähige Streitkräfte lässt sich bei den meisten europäischen Rüstungsbudgets einfach ablesen – die Schweiz hinkt hier deutlich hinterher. Auswirkungen auf die Natur der Konflikte und die Kampfführung Kriegführende Parteien profitierten seit dem Ende des bipolaren Gleichgewichts vielerorts von der hohen Verfügbarkeit von leichten und mittelschweren Waffen aus dem Kalten Krieg und den exportwilligen Nachfolgestaaten des WAPA. Die zunehmende Urbanisierung ermöglicht diesen Gruppierungen, den Kampf in überbautem Gebiet auszutragen, was ihnen gegenüber konventionellen Streitkräften Vorteile bietet. Keller werden zu Bunkern, Dächer zu Flab-Stellungen, Balkone zu Scharfschützennestern – und meistens ohne dass die Bevölkerung das Gebiet verlassen könnte und somit unfreiwillig und im Widerspruch zur Genfer Konvention zum Schutzschild der verschanzten Kämpfer wird. Das ist grundsätzlich nichts Neues. Aber dem aufwendigen und verlustreichen Kampf im überbauten Gelände weichen konventionelle Armeen möglichst aus. Hohe Verluste bei eigenen Verbänden und vor allem hohe Opferzahlen in der Zivilbevölkerung bergen immer die Gefahr der Niederlage an der Propagandafront. Die modernen Gegner haben immer weniger Skrupel, eigene, neutrale oder gegnerische Zivilisten zu entführen, als Schutzschilde einzusetzen und nach Erlöschen dieser Funktion zu ermorden. Es ist mitunter zentraler Bestandteil ihrer Strategie, diese – in ihren Augen – westliche Schwachstelle gnadenlos auszunützen. Der Westen versucht, zivile Opfer zu vermeiden, und tut sich unter dem hiesigen Medien6 druck schwer mit dem Verkraften von Vorkommnissen, wenn Unbeteiligte getroffen werden. Hisbollah tat im Sommer 2006 alles, was verboten ist, doch am öffentlichen Pranger stand in erster Linie Israel, wenn es den inmitten der südlibanesischen Bevölkerung schwer fassbaren Gegner mit konventionellen Mitteln angriff. Dieses mediale Messen mit zweierlei Massstäben schwächt, technische Überlegenheit hin oder her, hauptsächlich die westliche, konventionelle Kampfkraft. Die Bedrohungslage in Europa hat sich verändert. Mittelfristig ist mit einem konventionellen Waffengang gegen die Schweiz aus heutiger Sicht kaum zu rechnen.1 Langfristprognosen zur Lage in Europa sind nicht möglich – was morgen sein wird, hängt von vielen Faktoren ab. Insgesamt ist eine derartige Einschätzung, wenn überhaupt, nur im Lichte historischer Erfahrungen möglich. Und die Historie gemahnt uns zur Vorsicht. Grundsätzlich haben sich Streitkräfte darum auch in der heutigen Situation bereit zu halten, sich gegen jeden möglichen Gegner zu behaupten. Das wahrscheinliche Einsatzspektrum zeigt aber auf, dass reguläre Truppen in den meisten Fällen als Reaktionskräfte gegen ganz unterschiedliche Widersacher eingesetzt werden: Der Kampf gegen gleichwertige und gleichartige Gegner ist nur eine von vielen möglichen Einsatzformen. Auch hinsichtlich der visuellen und medialen Wirkung der eingesetzten Mittel auf Konfliktparteien und Unbeteiligte sind moderne multifunktionale Streitkräfte auf ein breiteres Set von verfügbaren Optionen – vom leicht bewaffneten aber passiv geschützten Geländefahrzeug (z.B. Eagle oder GMTF) bis zum Kampfschützenpanzer – angewiesen. So wirkt ein GMTF in einer Situation, die nicht von aktiven Kämpfen geprägt ist, deeskalierend im Vergleich zu einem bedrohlicheren Piranha oder CV 9030 (Spz 2000). Siehe dazu auch unsere früher veröffentlichte Studie: «Herausforderungen an unsere Sicherheitspolitik im Jahre 2010 – Überlegungen und Postulate zur Rolle der Schweizer Streitkräfte im Rahmen unserer Sicherheitspolitik», VSWW, Juni 2006. 1 Die geopolitische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Schweizer Armee Diese neue Rollenverteilung, bei der der Gegner des klassischen Soldaten in der Lage ist, auf jede mögliche Art und Weise agieren zu können (Demonstrationen, Entführungen von Zivilisten und Soldaten, Sprengstoffanschläge auf Politiker und Sicherheitskräfte, Raubüberfälle, destabilisierende Raketenartillerieangriffe usw.), verlangt viele Fähigkeiten sowohl auf Seiten des Soldaten als auch der Streitkräfte, in denen inkorporiert ist. Heute geschieht eine Intensivierung eines Konfliktes stufenlos und auf mehreren Ebenen parallel. Die Grenzen zwischen Zivilisten und Kombattanten bleibt verschwommen. Der wahrscheinliche moderne Gegner hält sich dabei auch an kein Ordre de Bataille. Er erscheint als Einzelkämpfer, Gruppe oder wütender Mob inklusive Frauen und Kinder und kann sich dank moderner Kommunikation international vernetzen. Mit der Armeereform 95 wurde der Versuch unternommen, der Demografie, sinkender Bereitschaft der Wirtschaft, Soldaten und Kader für lange Dienste freizustellen, sowie den neuen sicherheitspolitischen Begebenheiten gerecht zu werden. Dazu wurde die Armee verkleinert und von einer eher statischen und flächendeckenden Gesamtverteidigungskonzeption weggeführt. Der Kampf sollte vermehrt beweglich und gepanzert geführt werden. Die fünf neuen Panzerbrigaden lösten den Kompromiss der mechanisierten Divisionen in den Feldarmeekorps ab. In diesem Umfeld entstanden sodann die Territorialfüsiliere und -grenadiere der Infanterie und die Rettungstruppen. Parallel dazu nahm – angesichts der vorher allgegenwärtigen Bedrohung durch WAPA-Panzerarmeen – ein gewisser Erklärungsnotstand der mechanisierten und leichten Truppen (MLT) ihren Anfang. Die Schweizer Armee ist seit mehreren Jahren daran, die Entwicklung vom klassischen Krieg zum modernen Bündel an Konflikten durch mehrere Transformationsschritte zu bewältigen. Zweiter Umbauschritt: Armee XXI und ES 08/11 Erster Schritt der Anpassung: Armee 95 Der Zusammenbruch der Sowjetunion stellte die Schweizer Sicherheitspolitik vor das Problem einer Neuorientierung. Europa zeigte sich im Umbruch, und das Ziel eines «Friedens in Freiheit» schien plötzlich auch für viele vorher nicht demokratisch regierte Staaten näher zu kommen. Die machtpolitischen Entspannungen und sich neu abzeichnenden Bedrohungen unterhalb der Kriegsschwelle in Europa ermöglichten ein Umdenken. Im Bestreben, neue Rahmenbedingungen für die Sicherheitspolitik zu schaffen, rückte die innere Sicherheit in den Vordergrund. Die Sicherheitspolitik muss sich auch mit besonders bedrohlich empfundenen neuen existenziellen Gefahren auseinandersetzen. Die Bedrohung der Schweiz durch kriegerische und kriegsähnliche Gewalt erscheint vielen immer unwahrscheinlicher – ob zu Recht, wird sich weisen. Die verkürzte Aussage von KKdt Keckeis anlässlich der Umsetzung der Armee XXI: «Die grosse Zeit der Panzerschlachten ist vorbei» (NZZ 3.1.2003) trug das ihre zur Panzerdebatte bei. Über kein Thema zu Panzern und gepanzerten Fahrzeugen konnte seither mehr berichtet werden, ohne dass das Zitat des CdA repetiert wurde. Für viele armeekritische Politiker und Journalisten ist der Spruch, wenn es um die Reduktion der mechanisierten Truppen geht, zur unbefristet geltenden Wahrheit geworden. Dies ungeachtet aller medialer Berichterstattung über aktuelle Konflikte, worin gepanzerte Fahrzeuge vom schweren Polizeifahrzeug bis zum Kampfpanzer im Strassengewirr von Jenin, Grozny oder Falluja fast ausnahmslos zu den meist beachteten und eingesetzten Akteuren gehören. Die unsägliche Debatte in Politik und Medien anlässlich der Rüstungsprogramme 04/06 (Anschaffung Genie- und Minenräumpanzer) hat damit eine längere Vorgeschichte. Die Anschaffung dieser für mechanisierte Operationen in allen Konfliktformen unerläss7 Sicherheitspolitische Information, September 2007 lichen Unterstützungsmittel sollte bereits mit dem Rüstungsprogramm 04 getätigt werden. Eine unheilige Allianz von SVP, SP und Grünen kippte die gesamte Vorlage. Ohne Geniepanzer und Transportflugzeuge wurde das Rüstungsprogramm erst im darauf folgenden Jahr genehmigt. Im Hinblick auf die Erhaltung der Kernkompetenz Verteidigung im Rahmen des Kampfes der verbundenen Waffen war dieser Entschluss fatal. In der Abstimmung zur Armee XXI im Jahr 2003 zeigte das Schweizer Volk deutlich, dass es zu seiner Armee steht. Dazu gehört auch die klassische Verteidigung in Form des Kampfes der verbundenen Waffen als Kernkompetenz. Mechanisierte Verbände bleiben aber ohne Luftunterstützung und splittergeschützte Genieund Minenräumkapazität potenziell bewegungs- und damit kampfunfähig. Linken Politikern gefällt dieser Gedanke, einige Bürgerliche haben ihn nie zu Ende gedacht. Zumindest bemühte sich das VBS, die Genie- und Minenräumpanzer ins Rüstungsprogramm 06 wieder aufzunehmen. Die Ehrlichkeit gegenüber Stimmbürgern und Armeeangehörigen gebietet, auch künftig dafür zu sorgen, dass der mechanisierte Aufwuchskern der Armee XXI entsprechend ausgerüstet und ausgebildet werden kann. Map of Freedom 2006 Frei Quelle: http://www.freedomhouse.org, 27.7.2007. 8 Teilweise frei Nicht frei Die geopolitische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Schweizer Armee Erkenntnisse und Trends zur Einsatzführung und zur künftigen Ausrüstung im Bereich Panzer und gepanzerte Fahrzeuge Auch Truppen in friedenserhaltenden Operationen brauchen Schutz und Drohpotenzial Die US-Intervention in Mogadischu/Somalia endete 1993 für die USA in einem Desaster. In der Schweiz trug das Ereignis ursächlich zum Scheitern der Blauhelm-Vorlage an der Urne bei. Nachdem die propagandistisch ausgeschlachtete Einzugsparade der leicht bewaffneten Friedenstruppe auf somalische Opposition und dann ernsthafte militärische Gegenwehr stiess, rächte sich das weitgehende Fehlen von gepanzerten Truppentransportern und Kampfpanzern bitter. Die US-geführte humanitäre Truppe erlitt empfindliche Verluste. Die Berichterstattung der Medien und damit der öffentliche Druck führten zu einer Kehrtwende in der US-Interventionspolitik. Der öffentliche Druck wurde so gross, dass sich die USA aus ihrem Engagement in Somalia zurückziehen mussten. Dies führte indirekt dazu, dass sich die USA einerseits im Kosovokrieg (1999) auf einen Luftkrieg beschränkten, andererseits aber auch zu einem vermehrten Einsatz von gepanzerten Fahrzeugen in internationalen friedenserhaltenden Operationen. Dabei zeigte sich immer wieder, dass leicht gepanzerte Fahrzeuge nur bedingt ausreichen. Als Mittel zum Schutz der eigener Einheiten und als «Show of Force» sind auch Kampfpanzer und Kampfschützenpanzer unabdingbar. Man beachte beispielsweise den aktuellen Mittelansatz der französischen Armee im Libanon. Mit dem verstärkten französischen UN-Engagement im Libanon wurden bisher bereits vierzehn Kampfpanzer des Typs Leclerc ins Krisengebiet entsandt, welche unmissverständlich die Ernsthaftigkeit der französisch geführten UN-Truppe im Südlibanon belegen. Aber auch die deutsche Bundeswehr, die politisch bedingt eine eher passive Rolle im verhältnismässig ruhigen nördlichen Teil Afghanistans wahrzunehmen Französische LeclercKampfpanzer für die verstär kte UNFriedenstruppe im Südlibanon im Hafen von Beirut. hat, wird eine gepanzerte Reserve aus Kampfschützenpanzern Marder in die Region um den Einsatzschwerpunkt Mazar-i-Sharif verlegen.2 Angesichts bereits erfolgter Überfälle und Anschläge mit Sprengsätzen gegen das deutsche Kontingent erfolgen die meisten Transporte und Patrouillen in Begleitung oder ausschliesslich in gepanzerten Fahrzeugen unterschiedlicher Art. So kommen gepanzerte Patrouillenfahrzeuge und splitter- und minengeschützte Transportfahrzeuge, aber auch Radpanzer zum Einsatz. In der Botschaft zum Beschluss des Bundesrates (2001) zur Schweizer Beteiligung an der KFOR informierte der Bundesrat, dass das Schweizer Kontingent (SWISSCOY) durch einen Sicherungszug ergänzt wird. Dies wurde möglich, nachdem die Bewaffnung von Schweizer Friedenstruppen die Abstimmungshürde geschafft hatte. Es schien nun selbstverständlich, dass die eigenen Truppen aus eigener Kraft zu schützen waren. Bis anhin waren die deutschen und österreichischen Kontingente für den Schutz der SWISSCOY zuständig gewesen. Konsequenterweise 2 Siehe auch: ASMZ, Dezember 2006, S. 50. 9 Sicherheitspolitische Information, September 2007 wurden dazu Radschützenpanzer Piranha entsandt. Zumindest der Sicherungszug (seit kurzem zwei Züge, resp. aufgrund der Verlagerung der Einsatzaufgaben in Richtung Sicherung eine Infanteriekompanie) kann sich seither splittergeschützt verschieben und auch Konvois als Schutzelement begleiten. Kampfpanzer Leopard der Bundeswehr im Kosovo. Das Vorhandensein von schweren Kampfmitteln mag erstaunen, bei einer erneuten Eskalation ginge es aber darum, die eigenen Interessen und die Handlungsfreiheit zu wahren und den (angepassten) Auftrag weiterhin erfüllen zu können. Bestgeschützes und kampfkräftigstes Einsatzmittel der Swisscoy im Kosovo: Der Piranha. Das deutsche Kontingent der KFOR verfügte bis zum Ende des Jahres 2003 über Kampfpanzer Leopard und als Einsatzreserve heute noch über Kampfschützenpanzer Marder. Diese kamen das letzte Mal während den Unruhen im März 2004 zum Einsatz. Die Überzeugungs- und Durchsetzungsfähigkeit der KFOR liess sich in den ersten Jahren des Einsatzes nur durch mechanisierte Kräfte gewährleisten: «Bei diesem Dorf (Velika Hoca, eine serbische Enklave) hatten die Deutschen bis vor kurzem ei nen Kampfpanzer Leopard stationiert. Denn dort hatten albanische Guerillas von den Berghängen einen Granatwerferüberfall versucht. Der ‹Leo› er kennt aber solche Angriffe mit seinem Wärmebild sehr rasch, und mit der leistungsfähigen Kanone können solche Angreifer auch über sehr grosse Entfernungen bekämpft werden. Nach der ersten LeoGranate hörten die Attacken auf. So viel zum Thema schwere Waffen, wo gerade in der aktuellen Bundesheerdiskussion manche Zeitgenossen mei nen, man könne verzichten auf sie …» Bericht des Verbands österreichischer Blauhelme anlässlich der Balkanreise im Jahr 2004. 10 Raumsicherungsoperationen ohne mechanisierte Kräfte undenkbar Die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse sind ein gegenüber früheren Kriegen stark gesteigertes Merkmal moderner Konflikte. Diese Asymmetrien zwischen zwei sich bekämpfenden Parteien stellen sich als ernst zu nehmende Option für die Planung Raumsicherungsoperationen heraus. Obwohl Asymmetrien grundsätzlich zwischen jedem Gegner bestehen können, scheinen sie insbesondere für moderne Raumsicherungsoperationen typisch: Gemeint ist damit das ganze Spektrum von demonstrierenden Aktivisten über Heckenschützen und paramilitärische oder klassische Guerilla/Infanterie bis zum Einsatz von geächteten chemischen Kampfstoffen. Die Tatsache, dass es sich beim Gegner zumeist um nicht staatlich verfasste Akteure handelt, schränkt die Handlungsfreiheit der militärischen Kräfte massiv ein. Die Rules of Engagement (RoE) sowie internationale Konventionen geben den Angehörigen von Streitkräften vor, wie sie sich zu verhalten haben und welche Situation welchen Mitteleinsatz rechtfertigt. Dagegen haben «asymmetrische Gegner» zur Genüge bewiesen, dass sie sich an keinerlei Einschränkungen bezüglich Konventionen halten. Erkenntnisse und Trends zur Einsatzführung und zur künftigen Ausrüstung im Bereich Panzer und gepanzerte Fahrzeuge Diese neuen, schwierig einschätzbaren, aber doch akuten Bedrohungssituationen bedingen einen bestmöglichen Schutz der im Einsatz stehenden Truppen. Im ersten Libanonkrieg (1982) setzte die israelische Armee bei der Erstürmung von Ortschaften neben der Infanterie hauptsächlich Kampfpanzer ein. Leicht gepanzerte Fahrzeuge, wie der M113, bewährten sich nur bedingt. Diese Erkenntnisse nutzte Israel während nachfolgenden Raumsicherungsoperationen im Gaza-Streifen (Beispiel Jenin 2002). Die Erfahrungen in den beiden Tschetschenien-Feldzügen eingesetzter russischer Kräfte waren ähnlich. Für den Kampf im überbauten Gebiet ungenügend vorbereitete mechanisierte und motorisierte, leicht gepanzerte Kräfte erlitten in Hinterhalten der tschetschenischen Kämpfer und in den Strassenkämpfen in Grozny empfindlich hohe Verluste. Seither bilden vor allem die Konflikte in Palästina/Libanon, die dem zweiten Irak-Feldzug anschliessenden Raumsicherungsoperationen der Koalitionskräfte und das Afghanistan-Engagement der NATO Anschauungsunterricht über Bedrohung, Erfahrung und Anpassung moderner Streitkräfte an die Erfordernisse asymmetrischer Kriegführung. Es kann gerade hinsichtlich von künfitgen Raumsicherungsoperationen in der Schweiz davon ausgegangen werden, dass Unterschiede zwischen Raumsicherungsoperationen einer Besatzungsmacht und solcher im eigenen Land, wo die Akzeptanz der Bevölkerung deutlich höher sein dürften. Trotzdem ist deutlich erkennbar geworden, dass auch low intensity-Konflikte angesichts der gegnerischen Möglichkeiten und Bewaffnung starken (Panzer-)Schutz der eigenen Truppen verlangen. Die im Einsatz stehenden Verbände werden konsequent stärker vernetzt, mechanisiert und gepanzert. Dies muss angesichts des Wahrscheinlichkeitsprofils von Raumsicherungsoperationen auch Konsequenzen für die Schweizer Rüstungspolitik haben. Für eine verantwortungsvolle Konflikt- und Rüstungsplanung gehört auch immer noch die Berücksichtigung des klassischen Kriegsfalls mit militärischen Angriffs- und Verteidigungsoperationen zum Aufgabenspektrum moderner Armeen – wohl mit einer verhältnismässig geringeren Eintretenswahrscheinlichkeit, aber mit dem grössten Gefahrenpotenzial für einen Staat und seine Bevölkerung. Die letzte grosse Auseinandersetzung dieser Art im ersten IrakFeldzug von 1991 machte deutlich, dass quantitatives Gleichgewicht gegen technologisch überlegene Gegner in der offenen Feldschlacht zu fürchterlichen Verlusten führt. Im asymmetrischen Konflikt jedoch, wie er sich im Gefolge des zweiten Irak-Feldzugs von 2003 blutig entwickelt, wird das Gleichgewicht des technologisch unterlegenen Gegners einigermassen erreicht, indem die modern ausgerüsteten und geführten ausländischen Besatzungstruppen von den Aufständischen in bewährter Guerrilla- und Terrortaktik am Ausüben ihrer technologischen Überlegenheit gehindert werden. Die totale Überlegenheit in der Luft, an Unterstützungs- und Aufklärungsmitteln, lässt sich nur beschränkt auf den in Bevölkerung und urbanem Lebensraum aufgehenden Gegner applizieren. Auf die Stufe der Einheit, des Zugs und der einzelnen Gruppen heruntergebrochen wird aber in dieser Kampfform – vor allem im Häuser- und Strassengewirr der Städte – der individuelle Schutz mit ballistischer Körperpanzerung und dem Einsatz von gepanzerten Fahrzeugen gegen Beschuss mit Infanteriewaffen und leichten Panzerabwehrwaffen zum Erfolgs- und Überlebensfaktor. In diesem Umfeld ist wieder die Panzerfaust, die Mine, das Maschinengewehr und die improvisierte Ladung die aktuelle Bedrohung, der Überfall aus dem Hinterhalt, der Anschlag mittels Fernzündung und menschlichen Suizid-Zündern die gegnerische Einsatzform. Damit bleibt die Initiative beim relativ schwach bewaffneten Freischärler, und die militärisch organisierte und ausgerüstete Truppe muss mit verbesserter Aufklärung und ballistischem Schutz danach trachten, das erste Treffen zu überleben, um die überlegene Feuerkraft und Führungsdisziplin im anschliessenden Gefecht zum Tragen bringen zu können. 11 Sicherheitspolitische Information, September 2007 Das Überleben des ersten Treffens und die Erhaltung der eigenen Führungsfähigkeit wird durch den verstärkten Einsatz von mittel- bis schwer gepanzerten Fahrzeugen verbessert. Im anschliessenden Gefecht wird die Feuerüberlegenheit mit bordgestützten Präzisionsmaschinenwaffen bis zu Panzerkanonen entscheidend für die Minimierung eigener Verluste. Die Eliminierung einer in Gebäuden verschanzten, hoch motivierten Truppe nur mit eigenen Infanteriekräften bleibt auch beim Einsatz von bestens ausgebildeten Truppen, wie sie die USA und ihre Verbündeten im Irak einsetzen, ein verlustreiches Unterfangen. Dass Kampfschützenpanzer auch mit hervorragenden Beobachtungs- und Kommunikationsmitteln ausgerüstet sind, macht sie für die abgesessen kämpfenden Infanteristen zu entscheidenden Unterstützungsmitteln. Die grundsätzliche Devise – angesichts der latenten Bedrohung durch improvisierten Sprengladungen, Minen, Hohllandungswaffen und Sprengmunition – lautet: Keine ungeschützten Truppentransporte mehr. Die US-Streitkräfte haben als Sofortmassnahme bei der Industrie tausende von geschützten Mannschaftstransportern MRAP (Mine Resistant Ambush Protected, also gegen Minen resistente und vor Hinterhalten geschützte Fahrzeuge) in Auftrag gegeben. Ähnliche Projekte stehen bei sämtlichen westlichen Armeen an; in der Schweiz wird der GMTF in diese Kategorie fallen. Letztlich bestätigt sich auch im Irak und in Afghanistan die teure Erkenntnis, dass Feldzüge gegen klassisch militärisch organisierte Gegner mit klarer Luft- und Aufklärungsüberlegenheit mit verhältnismässig geringen bis vernachlässigbaren Verlusten entschieden werden können, dass aber die nachhaltige Sicherung des Erfolgs bodengestützt folgen muss. Und hier zeigt sich deutlich, dass die Hauptlast moderner Raumsicherung weiterhin von mechanisierten Landstreitkräften getragen werden muss, bis eine staatliche Ordnungsmacht flächendeckend mit Polizei und paramilitärischen Einheiten diese Sicherungsaufgabe zu übernehmen imstande ist. 12 Überheblicher Einsatz mechanisierter Kräfte im Libanonkrieg Der im Sommer 2006 offen ausgetragene Konflikt zwischen der im Südlibanon verschanzten HisbollahGuerrilla und der modern ausgerüsteten und geführten israelischen Armee scheint nur oberflächlich betrachtet, den entscheidenden Wert mechanisierter Kräfte auch im asymmetrischen Einsatz in Frage zu stellen. Dass die Israelis überraschend empfindliche Verluste an Schützenpanzern und sogar Kampfpanzern erlitten, liegt im Wesentlichen darin begründet, dass der Gegner von der israelischen Führung krass unterschätzt wurde. Weder der Befestigungsgrad der Hisbollah-Stellungen (betoniert, überlappende Feuerräume, unterirdische Verbindungen) noch die Ausrüstung mit auf mittlere Distanzen wirkenden Panzerabwehrlenkwaffen noch der verhältnismässig hohe Ausbildungsstand wurde von den angreifenden Israelis ernst genommen. Moderne Panzerabwehrlenkwaffen mit Einsatzdistanzen von über 1000 m, wie sie dank syrischen und iranischen Lieferungen von der Hisbollah eingesetzt werden konnten, sind nicht annähernd so weit verbreitet wie Kalashnikovs oder die allgegenwärtigen RPG-7-Panzerfäuste. Die israelischen Erfahrungen gegen diese Waffen machten aber deutlich, wie wichtig modernste Schutzpanzerung ist. So sank die Verlustrate an tödlich verletzten Insassen in getroffenen israelischen Panzerfahrzeugen 2006 gegenüber derjenigen im Yom Kippur-Krieg um 50 %, obwohl sich die Durchschlagsleistungen der verwendeten Panzerabwehrwaffen z. T. seither enorm verbesserten.3 So aber blieben die israelischen Verluste der entgegen der Doktrin einzeln oder in isolierten Gefechten eingesetzten Panzerkräfte schmerzlich, aber verkraftbar. 3 Jane’s Defense Weekly, 11. Oktober 2006, S. 26. Erkenntnisse und Trends zur Einsatzführung und zur künftigen Ausrüstung im Bereich Panzer und gepanzerte Fahrzeuge Weiterentwickelte Taktik für gepanzerte Kräfte im urbanen Raum Die bereits angesprochene zunehmende Verlagerung des Gefechtsfelds ins überbaute Gelände erfordert eine Anpassung der Taktik. Bisherige Vorgehensweisen waren zumeist verbunden mit entweder hohen eigenen Verlusten durch infanteristischen Nahkampf oder dann für westliche Standards inakzeptablen hohen zivilen Verlusten durch grobflächigen Einsatz von Artillerie und Luftbombardements gegen erkannte und vermutete Widerstandsnester in bewohnten Städten (vgl. Grozny). Operationen im überbauten und bewohnten Gelände müssen, ohne dass es zu grossen Kollateralschäden kommt, sowohl im Kriegseinsatz als auch während friedenserhaltenden Missionen durchgeführt werden können. Dabei muss auch bei Letzterem stets mit der Möglichkeit einer örtlich beschränkten, aber massiven Intensivierung des Konfliktes gerechnet werden. Diese Problematik wurde im Zusammenhang mit der gescheiterten US-Intervention in Somalia (1993) als «Three Block War» erkannt und thematisiert: Der Kampf in einer Ortschaft bedeutet für die militärische Einheit und somit auch für den einzelnen Soldaten, dass sie mit dem ganzen Spektrum der Konfliktsintensität konfrontiert werden. Das kann sich beispielsweise darin ausdrücken, dass auf engstem Gebiet Begegnungsgefechte, Hausdurchsuchungen und humanitäre Hilfeleistungen gleichzeitig stattfinden. Der technologisch unterlegene Gegner findet im urbanen Umfeld eine bestehende Infrastruktur, durch die er an Kraft und Wirksamkeit gewinnt. Die im Einsatz stehenden konventionellen Verbände sind hingegen vielfachen Einschränkungen unterworfen. Umso wichtiger wird in Zukunft der Einsatz von Task-ForceVerbänden: Kampfpanzer, Kampfschützenpanzer und Infanterie werden bis auf Stufe Zug gemischt und die Einsatzform dem gegen sie einsetzbaren Arsenal an weitverbreiteten Panzerabwehrwaffen Typ RPG, Minen und improvisierten Ladungen angepasst. Während die Kampfpanzer mit ihren Sensoren aus maximaler Di- stanz (mehrere Hundert Meter bis zu Hügelstellungen ausserhalb der eigentlich umkämpften Quartiere) aufklären, das Feuer auf sich ziehen und durch ihren hohen Schutzgrad überleben, erkannte Stellungen bekämpfen und Hindernisse aufbrechen, säubert die Infanterie Haus für Haus. Kampf-, Kampfschützenpanzer oder Radschützenpanzer neuerer Generation sind dabei die Home-Base und die mitgeführte «Präzisionsartillerie» mit Panzerkanone und Maschinenwaffen für die abgesessen kämpfenden Truppen. Hier finden sie Schutz gegen Geschosssplitter und Kleinwaffen, Nachschub, Verbindung und Möglichkeiten, eigene und zivile Verletzte rasch aus der Gefahrenzone zu evakuieren. Absehbare technologische Entwicklungen und Kampfsysteme der Zukunft Werden heutige Entwicklungen von modernen Kampfsystemen beobachtet, so offenbaren sich zwei unterschiedliche Tendenzen, die aber parallel laufen. Zum einen sind dies neu entwickelte leicht- bis mittelschwer gepanzerte, radgestützte und luftverladbare, zum anderen schwer gepanzerte, duellfähige und auf Raupen eingesetzte Panzerfahrzeuge. In der US-Armee4 drückt sich das konkret in einer ausgewählten Modernisierung der schweren, gepanzerten Divisionen aus der Vergangenheit (Legacy Forces) und der Entwicklung einer mittelschweren Übergangsstruktur (Interim Forces) aus. Die übrigen westlichen Armeen sind aufgrund beschränkter Mittel auf Mischformen und längere Übergangsphasen angewiesen. Der Trend von der mechanisierten Territorialverteidigung zu rasch verlegbaren Verbänden mit mittelschwer gepanzerten Kampf-, Artillerie- und Transportfahrzeugen ist aber überall offenkundig. Die Übergangslösung der US Army sind die Stryker Brigade Combat Teams (SBCT). Dabei handelt es sich um komplett zur Vernetzten Operationsführung befähigte Brigaden, benannt nach ihrem Hauptfahr4 Die US-Streikräfte sind der bedeutendste Benchmark bezüglich high-intensity-Konflikte. Defizite bestehen hauptsächlich bei Konfliktvor- und -nachsorge. 13 Sicherheitspolitische Information, September 2007 zeug, dem Stryker. Der Stryker ist bekannterweise eine Entwicklung der Schweizer Firma MOWAG auf Basis des Piranha III. Das Fahrzeug mag sich durch seine ausserordentliche Mobilität im eigentlichen Irakkrieg (Operation Iraqi Freedom) bewährt haben. In den nachfolgenden Raumsicherungsoperationen zeigte sich allerdings, dass das Basisfahrzeug des Stryker keinen genügenden Rundumschutz bieten konnte. Die grösste Gefahr drohte durch ab Schulter eingesetzte RPG 7 (Rocket Propelled Grenade)-Panzerfäuste und improvisierte Sprengladungen jedweder Grösse. Zur Abwehr der Raketengeschosse mit Hohlladungen wurde die Schutzwirkung der Stryker durch zusätzliche Panzerung und einen Metallkäfig, der Hohlladungsgeschosse vor dem Aufschlagen auf die eigentliche Panzerung vorzeitig zum Explodieren bringen soll, deutlich verbessert. Die Gewichtserhöhung von mehreren Tonnen und die grösseren Masse durch das mitgeführte Metallgitter haben indessen eine verminderte Mobilität des Fahrzeuges zur Folge. StrykerGefechtsfahrzeug im Irak mit «Käfig», der Hohlladungsgeschosse vorzeitig zur Explosion brin gen soll. Was auf dem Stryker noch behelfsmässig nachgerüstet wurde, ist in der nächsten Generation von Panzerfahrzeugen weiter verbreitet. Kampfpanzer und Schützenpanzer werden spezifisch für den Einsatz in überbauten Gebieten ausgerüstet. Dazu gehören Waffenstationen, die aus dem Inneren des Gefährts bedient werden können. Videokameras mit Rundumblick minimieren einen der Hauptnachteile von Panzerfahrzeugen seit ihrem erstmaligen Auftre14 ten. Mit Druckwellen abweisender Formgebung und stärkerer Bodenpanzerung wird die Minenbedrohung angegangen. Aktive Suchsysteme werden den präzisen Waffeneinsatz für kurze und entfernte Ziele weiter verkürzen. Beispiele sind eine neue Version des Leopard-Kampfpanzers für den Einsatz im urbanen Umfeld und mehrere israelische Eigenentwicklungen von Schützenpanzern, die bereits in Städten und Dörfern der besetzten Gebiete eingesetzt wurden. Nahe Zukunft: Aktive Schutzsysteme gegen Panzerabwehrgeschosse Um die Verletzlichkeit der Fahrzeuge gegenüber schultergestützten Panzerfäusten und Panzerabwehrlenkwaffen, die sowohl ab Boden wie auch ab Fahrzeug oder Kampfhelikopter eingesetzt werden, zu verkleinern, wird v. a. in den USA und in Israel mit Hochdruck an aktiven Schutzsystemen (Active Protection System, kurz APS) gearbeitet.5 Ein auf dem Fahrzeug installiertes APS soll die vergleichsweise langsam anfliegenden Hohlladungsgeschosse noch vor dem Auftreffen auf das Fahrzeug durch Direktbeschuss neutralisieren. Damit würde die gegenwärtige Hauptgefahr für gepanzerte Fahrzeuge im urbanen Einsatz möglicherweise stark eingedämmt. Die Lösungsansätze verschiedener Rüstungsfirmen unterscheiden sich in der Ausführung. Und was ein APS der ersten Generation noch nicht können wird, ist der Schutz von Fahrzeug und Mannschaft vor Minen und Sprengladungen. Die Entwicklung von APS steht noch in der Anfangsphase, das System hat aber durchaus Potenzial und wird sich durchsetzen. Zum Einsatz kommen soll es in der nächsten Generation von Gefechtsfahrzeugen der US-Armee. Siehe dazu auch den Artikel «Weight Watching», in: Jane’s Defence Weekly, 4. Oktober 2006. 5 Erkenntnisse und Trends zur Einsatzführung und zur künftigen Ausrüstung im Bereich Panzer und gepanzerte Fahrzeuge Die USA arbeiten bereits heute an einem zukünftigen Gefechtssystem (Future Combat System, kurz FCS). Die Hauptmerkmale dieses Systems sind: Fähigkeit auf höchstem Grad zur Vernetzten Operationsführung, eigene diversifizierte Aufklärungsmöglichkeiten (unbemannt zu Land und Luft) sowie hohe Feuerüberlegenheit (direkt und indirekt). Dabei wurde der Panzerung in der bisherigen Planung zugunsten der Mobilität weniger Beachtung geschenkt, und man gab sich mit geringeren Schutzstufen zufrieden. Die Gewichtsgrenze von maximal 18–20 Tonnen sollte die Lufttransportfähigkeit mit Transportflugzeugen und eine hohe Mobilität garantieren. Das Manko der Panzerung hätte durch hochwertige Aufklärung, das APS und die Vernetzte Operationsführung kompensiert werden sollen. Aber auch hier kann davon ausgegangen werden, dass die Entwickler aus den momentanen Einsatzerfahrungen im Irak die Konsequenzen ziehen werden. Es ist zu erwarten, dass die FCS-Fahrzeugfamilie mit einer stärkeren als der ursprünglich geplanten Panzerung produziert werden wird. Bezüglich Lufttransportfähigkeit wird man auf die grössere C-17 Globemaster III heavy cargo aircraft ausweichen. Future Combat System der USArmy – unterschied liche Fahrzeuge basierend auf derselben Fahrzeug familie. Fazit: Die Zeit der Panzerschlachten ist nicht vorbei Die Zeit der Panzerschlachten ist mitnichten vorbei. Richtig ist: Wenig wahrscheinlich bleibt in der aktuellen geostrategischen Lage ein kriegerisches Aufeinandertreffen grosser, modern ausgerüsteter mechanisierter Armeen in Europa. Richtig ist aber auch: Heute werden gepanzerte Fahrzeuge, ihr Schutz, ihre Feuerkraft und ihre Mobilität weiterhin entscheidendes Mittel zur Durchsetzung gegen konventionelle und asymmetrisch operierende Gegner bleiben. Die Minimierung von Verlusten an eigenen Soldaten und das bessere Durchsetzungsprofil rechtfertigen den Aufwand für Beschaffung, Unterhalt und Ausbildung bei weitem. Gepanzerte Fahrzeuge werden das Bild moderner europäischer Armeen somit noch lange und immer mehr beherrschen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die wirksamste Waffe gegen gepanzerte Fahrzeuge ebensolche sind. Nur wer keine eigenen hat, muss sich auf die beschriebenen Panzerabwehrmittel mit gefährlich kurzen Einsatzdistanzen oder eben auf Minen und improvisierte Ladungen verlassen. Die Verschiebung und der Kampf ab gepanzertem Fahrzeug bleibt in Zonen mit echter Gefährdung durch Artillerie, Minenwerfer und Infanteriewaffen die beste Option für die eigene Truppe. Wo immer möglich, ist deshalb die flächendeckende Ausrüstung mit Fahrzeugen, die entsprechend ihrer wahrscheinlichen Einsatzform unterschiedlich stark gepanzert und bewaffnet sind, anzustreben. Die Limiten setzen dabei mehr die finanziellen Mittel als die früher gängige Unterscheidung in Panzer-Gelände und Infanterie-Gelände. Hier sind die Übergänge fliessender geworden – Panzer werden zunehmend überall führend oder unterstützend eingesetzt. 15 Sicherheitspolitische Information, September 2007 Konsequenzen für die Schweizer Armee Umsetzungen in der Schweiz Mit der Truppenübung ZEUS (2006) erprobte die Schweizer Armee erstmals im grösseren Manöver die nötigen Konsequenzen aus den aktuellen Erfahrungen für Raumsicherungsoperationen mit gepanzerten und mechanisierten Einheiten. Für das von der Übungsleitung vorgegebene Bedrohungsszenario wurde ein Einsatzverband zusammengestellt. Die Task Force Brigade (Inf Br verstärkt durch ein Pz Bat und ein Pz Gren Bat) wurde in der präventiven Raumsicherung beübt. Die an sich richtige Stossrichtung vermochten die Schweizermedien nicht richtig zu gewichten und massen sie an bereits überholten Vorstellungen, die noch an der strategischen Wende des Endes des Kalten Krieges orientiert waren. Den Einsatz von Panzerfahrzeugen verschiedener Klassen in «Bewachungs- und Antiterroraufgaben» belächelten viele Kommentatoren als unverhältnismässig, kontraproduktiv und fälschlicherweise als Mittel, der Öffentlichkeit eine angeblich nicht existierende Bedrohung verkaufen zu wollen. Die Hauptargumente, Panzerung der eigenen Truppe, Durchsetzungsfähigkeit («Show of Force») und Möglichkeit, nötigenfalls das stärkste Mittel zum Einsatz bringen zu können, blieben unverstanden. Anlässlich der müssigen Panzerbeschaffungs-Debatten in Medien und Politik ist das wenig erstaunlich. Es muss hier von einer fehlgeschlagenen Kommunikation seitens der Armeeführung ausgegangen werden. Hätte man frühzeitig die Meinungsbildner umfassend informiert, wäre es nie so weit gekommen. Die Schlagzeile unserer Boulevardzeitung zur Übung Zeus lautete dementsprechend unreflektiert: «Beim Zeus! Armee jagt Terroristen durch die Westschweiz» (Blick 9.5.2006). Das Schlagwort Terrorismus ist denkbar ungeeignet, um den Fächer an möglichen Bedro16 Einsatz von Kampfpanzer Leo II anlässlich der Übung Zeus der Inf Br 2 im Mai 06. hungsformen zu beschreiben (ein besseres bietet sich allerdings auch nicht an …). Terrorismus ruft ein durch Medien verbreitetes, stereotypisiertes Bild hervor. So ist es nicht erstaunlich, dass Panzertruppen im Zusammenhang mit Terrorismus als handlungsunfähig deklariert werden: «Es ist deshalb richtig, die Pan zertruppen zu Gunsten der Infanterie zu reduzieren – der Bedrohung durch den Terrorismus kann eher mit leichten Kampftruppen im Sicherungseinsatz begeg net werden als mit schwerem Gerät. Und die Zeiten der Panzerschlachten in Europa sind definitiv vorbei.» (Die Südostschweiz 4.10.2006). Selbst die sonst eher realitätsnahe NZZ betitelte den «abschreckenden Ein satz von Panzern zur Terrorabwehr» als «realitätsfern» (NZZ 4.10.2006). In diesem Gebiet ist eine intensive Aufklärungsarbeit zu leisten, da die hiesigen Medienschaffenden offenbar nicht bereit sind, die realen Kampfeinsätze von Truppen in Raumsicherungsoperationen zum aktuellen Massstab für das Anforderungsprofil der Schweizer Armee zu akzeptieren. Die geplante Beschaffung der Geschützten Mannschaftstransportfahrzeuge GMTF wird hier eine Ausrüstungslücke zwischen ungeschützten und unbewaffneten Duro-Transportern Konsequenzen für die Schweizer Armee und Piranha-Radpanzern schliessen. Diese Einführung bietet die Gelegenheit, der Öffentlichkeit die verschiedenen Einsatzformen und ihre Ausgestaltung verständlich darzulegen. Ausbildung im Bereich des Kampfes der verbundenen Waffen Der Kampf im überbauten Gelände (KIUG) ist kaum mit Reglementen zu fassen. Zu komplex sind Gelände und Aktionen. Allenfalls lassen sich einige Grundtasks in Reglementen festhalten. Viel wichtiger ist das Beüben von Kampfverbänden. Soldaten und Kader müssen sich an den urbanen Kampf gewöhnen und lernen, dass sie auf verschiedensten Ebenen zu denken und zu handeln haben (Three Block War). Gleichfalls sollten grosse Manöver, wenn immer möglich, nicht artrein durchgeführt werden. Infanterie und Panzertruppen müssen gemeinsames und durchmischtes Vorgehen in der Praxis üben. An den Infanterie- und Heerestagen 2005 in Walenstadt demonstrierte eine Infanteriekompanie, verstärkt durch eine Gruppe mechanisierte Aufklärer und Kampfpanzer-Gruppe eindrücklich, wie man sich eine Übung im Rahmen des KIUG vorzustellen hat. Dazu sind aber geeignete Übungsgelände von Nöten. In der Schweiz sind dies die Ortskampfdörfer Äuli in Walenstadt und Nalé in Bure. Durch die teilweise integrierten Simulationssysteme lässt sich auch die Wirkung von schweren Waffen darstellen. Walenstadt und Bure sind bestens geeignet, um Truppen zu beüben. Daneben gibt es einige Anlagen (wie z.B. Isone und LeDay), in denen zumindest gewisse Techniken geübt und gefestigt werden können. Es ist allerdings fraglich, ob diese ausreichen. Das VBS tut gut daran, zu prüfen, wo und wie zumindest ein weiteres Gefechtsausbildungszentrum mit den entsprechenden Übungsanlagen für den Kampf im überbauten Gelände realisiert werden kann. Zertifizierte Verbandsübungen unter Übungsleitung von Berufsmilitärs können dabei Ausbildungslücken schonungslos offenlegen und eine zielorientierte Ausbildung ermöglichen. Infanteriebataillone, die ihre Radschützenpanzer als bessere Lastwagen brauchen und einfachste Gruppentasks WK für WK üben, verfangen sich in der Vorstellung, dass das moderne Einsatzspektrum eine statische Angelegenheit ist. Sie haben aber nicht erkannt, wo heute Ausbildungsschwerpunkte zu setzen sind. Ihnen muss die Möglichkeit geboten werden, moderne, einsatzbezogene Ausbildung betreiben zu können. Rüstung: Investitionen in Schutz und Mobilität notwendig Kampfpanzer Mit der Verabschiedung des Rüstungsprogramms 06 (RP 06) wurde im Hinblick auf die Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit zumindest qualitativ ein richtiger Entscheid getroffen. Die Werterhaltung der Kampfpanzer 87 Leo durch ein zusätzliches Wärmebildgerät für den Einsatz in der Nacht und gegen getarnte gegnerische Positionen für den Kommandanten, die Vorbereitungen für das Führungs- und Informationssystem, die Rückfahrhilfe mittels Heckkamera und der elektrische Turm- und Waffenantrieb sind dringend nötige Investitionen in den Funktionserhalt. Für eine Kampfwertsteigerung ist in naher Zukunft die obere Panzerung zu verbessern, denn Angriffe aus der Vertikalen gegen Panzer sind im Häuser- und Ortskampf eine beliebte und effiziente Taktik. Minenschutz und Verbesserung der oberen Panzerung sowie eine autarke Waffenstation wurden mit der Werterhaltung im RP 06 zurückgestellt. Die Nachrüstung sollte baldmöglichst wieder ins Auge gefasst werden. 17 Sicherheitspolitische Information, September 2007 Bei Marktreife muss auch die Anschaffung eines aktiven Schutzsystems geprüft werden, und zwar für alle mittelschwer- und schwergepanzerten Fahrzeuge. Des Weiteren müssen genügend Kampfpanzer modularartig den Anforderungen von friedensfördernden Einsätzen angepasst werden. Vorbild dabei ist die Weiterentwicklung Leopard 2 PSO (Peace Support Operation): Zusätzliche Schutzelemente an Turm und Fahrgestell, ein Räumschild, zusätzliche Bordwaffen, Beobachtungsmittel und Kamerasystem zur Rundumüberwachung, Schutz der Optiken und ein Aussenanschluss für die Bordverständigungsanlage, zur direkten Kommunikation mit den abgesessenen Einheiten.6 Leopard 2 PSO Die Beschaffung von Genie- und Minenräumpanzern ist folgerichtig. Sie garantieren die Mobilität von Panzer- und schweren Task-Force-Verbänden. Die Stückzahl muss allerdings hinterfragt werden. Dasselbe gilt für die Kampfschützenpanzer 2000 vom Typ CV 90/30. Der Verzicht auf die zweite Tranche mag finanzpolitisch wohl interessant gewesen sein, ist im Hinblick auf die Auftragserfüllung aber fragwürdig. Da auch die Infanterie das Bedürfnis nach einer schweren Komponente ausweist, ist zumindest eine reduzierte Anschaffung zu prüfen. 6 Siehe auch: ASMZ, Dezember 2006, S. 50. 18 Geschützte Begleit und Transportfahrzeuge Es braucht sodann Investitionen in Schutz und Bewegung für alle Truppen. Mit den vorhandenen Radschützenpanzern 93 (Rad Spz 93) kann die Infanterie nur einen Teil ihrer Bedürfnisse nach geschützter Mobilität abdecken. Es ist unverantwortbar, dass das Gros der Truppenverschiebungen mit ungeschützten Fahrzeugen erfolgen muss. Die aktiven Infanterieverbände sind flächendeckend mit splittergeschützten Kampf- und Transportfahrzeugen auszurüsten. Mit den bisher angeschafften Radschützenpanzern (Rad Spz 93) konnte ein Teil der Bedürfnisse der Infanterie abgedeckt werden. Schutz und Mobilität sind in allen Lagen des Bedrohungsspektrums entscheidende Faktoren zur Sicherstellung der Einsatzfähigkeit der eingesetzten Truppen. Ergänzend ist daher ein schnelles, gepanzertes und dennoch wirtschaftliches (sprich finanzierbares) Fahrzeug gefragt. Das – zwecks vertiefender Truppenversuche – aus dem RP07 ins RP08 verlagerte Geschützte Mannschaftstransportfahrzeug (GMTF) erfüllt diese Anforderungen des modernen Einsatzumfeldes. Das GMTF ist als ergänzendes Mittel der Infanterie zu sehen und präjudiziert in keiner Weise das infanteristische Einsatzspektrum. In Zukunft wird sich die Infanterie mit einem tendenziell sich weiter verbreiternden Bedrohungsspektrum und damit immer komplexeren Situationen auseinandersetzen müssen. Dafür bedarf sie der entsprechenden geschützten Transportmöglichkeiten. Die geplante Anschaffung des GMTF ist die logische Konsequenz, um unseren Infanteristen ein Fahrzeug mit ausreichender Schutzwirkung zu bieten. Mittelfristig muss auch der quantitative und qualitative Ausbau der Piranha-Flotte angegangen werden, um neben Mobilität und Schutzwirkung auch bezüglich Feuerkraft der Unterstützungswaffen konkurrenzfähig zu bleiben. Deshalb sind insbesondere der Schutzgrad und die vorgesehene Bewaffnung zu überprüfen und punktuell zu ergänzen/erneuern. Vorbildcharakter hat hier die Stryker-Gefechtsfahrzeugfamilie. Konsequenzen für die Schweizer Armee Geschütztes Mannschaftstransportfahrzeug der DUROFahrzeugfamilie (GMTF). Die Schweizer Armee ist grundsätzlich – was gepanzerte Fahrzeuge betrifft – noch auf passablem Weg. Es gilt, trotz einschränkendem finanziellem Spielraum auf keinen Fall den Anschluss zu verpassen und sich dabei von wenig fundierten, politisch motivierten Ablenkungsmanövern nicht davon abbringen zu lassen. Das bedeutet, dass nach erfolgter flächendeckender Ausrüstung der Infanterie mit splittergeschützten Fahrzeugen die Ausrüstung des mechanisierten Aufwuchskerns mit Gefechtsfahrzeugen der nächsten Generation (inkl. APS-Schutz) rechtzeitig ins Auge gefasst und umgesetzt werden muss. 19 Unsere Ziele Der Verein Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft und seine Mitglieder wollen – bekräftigen, dass die Schweiz auch in Zukunft ein militärisch ausreichend geschützter Raum bleiben soll, – erklären, dass ein wirksamer Schweizer Beitrag an die Stabilisierung primär des europäischen Umfeldes eine glaubwürdige, kalkulierbare und umfassende Schweizer Sicherheitspolitik benötigt, – herausarbeiten, dass die Schweiz nicht nur als Staat, sondern auch als Wirtschaftsstandort, Denk-, Werk- und Finanzplatz sicherheitspolitisch stabil bleiben muss, um weiterhin erfolgreich existieren zu können, – darlegen, dass eine sichere Schweiz angemessene Mittel für ihre Sicherheitspolitik benötigt, – aufzeigen, was für eine effiziente und glaubwürdige Armee im Rahmen des integralen Selbstbehauptungsapparates an Führungscharakter und Kompetenz, an Ausbildung, Ausrüstung und Organisation nötig ist, – sich dafür einsetzen, dass künftige Reformen der Milizarmee und ihrer Einsatzdoktrin diesen Postulaten entsprechen. Unsere Leistungen Der Verein und seine Mitglieder verfolgen diese Ziele seit 1956 durch Informationsarbeit in Form von Studien, Fachbeiträgen, Publizität und Stellungnahmen (vgl. www.vsww.ch), Vorträgen, Interviews und Gesprächsbeiträgen. So hat er wesentlich geholfen, – gegen eine moderne Schweizer Sicherheitspolitik gerichtete Volksinitiativen und Referenden zu bekämpfen sowie – Expertenbeiträge zu einer neuen Sicherheitspolitik und zu einer glaubwürdig ausgebildeten und ausgerüsteten Armee zu leisten. Unsere Zukunftsvision Wir wollen mit unserer Arbeit dazu beitragen, – dass die Schaffung eines breit abgestützten inneren Konsenses im Bereich der militärischen Selbstbehauptung in der Schweiz gelingt und – die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Integration unserer Milizarmee auch in Zukunft intakt bleibt. Unsere Finanzierung Wir finanzieren uns durch Mitgliederbeiträge, Gönnerbeiträge, Spenden sowie Legate. Unsere Publikationen Finden Sie unter: www.vsww.ch Sie erreichen uns unter: Verein Sicherheitspolitik und Wehrwissenschaft, Postfach 65, 8024 Zürich Internet: www.vsww.ch, Telefon: 044-266 67 67 oder Fax: 044-266 67 00 PC-Konto 80-500-4, Credit Suisse Zürich, Konto-Nr. 468809-01 Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!