Die Löwen von Jamaika

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Die Löwen von Jamaika
Dreadlocks wie Bob Marley –
manche haben sie schon, andere
wünschen sich sehnsüchtig welche.
Was bei uns gerade cool und trendy ist,
hat auf Jamaica religiöse Wurzeln.
An der Löwenmähne erkennt man die
Rastafaris. Sie lehnen Alkohol, Fleisch
und Nikotin ab und glauben an einen
schwarzen Messias, der sie zurück
nach Afrika bringen wird.
Rastas bevorzugen Biogemüse.
Mit einer Mütze schützen
die Rastas ihre Haarpracht
vor der Sonne.
Einige Worte aus der Rasta- Sprache:
Wayne wickelt Armbänder, sein
Freund strickt Mützen und Taschen.
Die Löwen von Jamaika
Die Gebote der Rastas
Waynes oberstes Ziel: rein bleiben.
elbstgebastelte
ee
Arm- Die Anweisungen dazu stehen im
bänder sind Waynes Alten Testament, aus dem sich
Rastas ihre eigene Bibel zusamSpezialität. Er zieht
menstellen. Wayne und seine
mit einer großen Auswahl durch
Glaubensbrüder (Frauen gelten bei
die Dörfer auf der Suche nach
vielen Rasta-Gemeinden wenig)
Touristen, die sich über die
schwarz-rot-goldenen Sprüche am essen kein Fleisch, weil sie keine
Tiere töten wollen. Außerdem verHandgelenk freuen. Manchmal
zichten sie auf Kaffee, Zigaretten,
nimmt er auch die Mützen und
Salz und Milch. Lebensmittel sollTaschen mit, die sein Freund
gestrickt hat. Basteln und stricken ten aus dem eigenen, biologisch
gedüngten Garten stammen, Roh– davon lebt Wayne, der Rasta.
kost ist besser als Tiefkühlware.
„Wir könnten nie Soldat oder
Wayne zieht neben Gemüse auch
Polizist werden“, erklärt Wayne.
„Wir wollen nicht bestechlich wer- Marihuana, in Jamaika „Ganja“
genannt. Was bei uns verboten ist,
den oder für Babylon arbeiten.“
betrachten die Rastas als Heilmittel
„Babylon“ – das ist die verhasste
und „tree of life“ (Lebensbaum).
weiße Gesellschaft mit ihren
Alkohol ist eigentlich auch verboRegeln und Gesetzen. Weil sie
keine abhängige Arbeit annehmen ten, aber Wayne sieht das nicht so
eng: „In Maßen genossen ist er
wollen, schlagen sich Rastas als
okay. Auch Jesus hat Wasser in
Fischer und Bauern durch, sie
Wein verwandelt, aber eben nicht,
stricken Mützen oder verkaufen
damit sich die Leute betrinken!“
selbstgebundene Besen.
S
8W
Seen? – Verstehst du?
Seen! – Verstanden, alles klar!
Blessings – eine Grußformel
One Love – eine Grußformel
Irie – ein Ausdruck für Harmonie
und Wohlbefinden
Afrikanische Wurzeln
Jesus ist für die meisten Rastas
von geringer Bedeutung. In ihren
Augen war er ein weißer Erlöser für
eine Sklavenhaltergesellschaft. Sie
sind stolz auf ihre afrikanischen
Wurzeln. Also ist auch ihr Messias
schwarz, getreu der Prophezeiung
des schwarzen Politikers und
Nationalhelden Marcus Garvey:
„Blickt auf Afrika, auf die Krönung
eines schwarzen Königs. Er wird
euer Messias sein.“ Wenige Jahre
später, 1930, bestieg Ras Tafari
Makonnen als Kaiser Haile Selassie
den Thron von Äthiopien. In ihm
sahen viele Jamaikaner, frustriert
durch Hunger, Gewalt und Arbeitslosigkeit, den Retter, der sie nach
Afrika zurückbringen würde.
Anfang der 40er Jahre entstanden
in den Ghettos von Kingston die
ersten Rastagemeinden.
Die Gläubigen verehren den
Kaiser als „Jah“, als Gott und Sendbote Gottes zugleich; sie nennen
ihn „König der Könige, Herr der
Fotos: Hans Brunner
Herren, erobernder Löwe von Juda,
auserwählt von Gott“. Auch Bob
Marley, der berühmteste Vertreter
der Rastas auf Jamaika, gestaltete
seine Bühnendeko mit dem Bild
des Herrschers von Äthiopien.
Der Tod des Kaisers 1975 macht
Waynes Erwartungen nicht zunichte: „Haile Selassie ist der letzte in
einer langen Messias-Reihe, von
denen auch Jesus einer war. Er
wird wiederkommen als Richter –
irgendwann.“
Waynes Locken stammen nicht
vom Friseur, er kämmt seine Haare
nicht und wäscht sie niemals mit
Seife oder Shampoo. So verfilzen
sie und drehen sich automatisch in
wilde Locken, weil afrikanisches
Haar rauer ist als europäisches.
„Die Haare nicht zu schneiden ist
ein Gebot in der Bibel, dem muss
ich folgen“, betont er.
Inzwischen verstecken viele Rastas
ihre Strähnen unter bunten Mützen, „Tam“ genannt. Für sie sind
die Haare der Sitz der Bundeslade,
der Sitz Gottes im Menschen, den
Dreadlocks
Der Rasta-Bewegung gehören rund man vor ungläubigen Blicken ver125.000 der insgesamt 2,5 Millionen bergen muss. Wayne nennt noch
Jamaikaner an. Erkennungszeichen einen anderen Grund: „Die Sonne
der Rastas ist die Löwenmähne, so bleicht die Haare aus. Ich will aber,
dass sie so schwarz, so afrikanisch
genannte „Dreadlocks“. Das wilde
bleiben wie möglich.“ Er lacht, als
Aussehen der Rastas versetzte die
er hört, wie viel Mühe Jugendliche
gute Gesellschaft von Kingston in
in Europa aufwenden, um ihre
Panik – auf Englisch „dread“. Im
blonden Strähnen in dreadlocks zu
Gefängnis wurden die „ungepflegverwandeln. „Das ist nicht gut –
ten Zotteln“ abgeschnitten; viele
Text:
nicht natürlich! The more pure you Christina
Schulen nahmen Rasta-Kinder erst
can live – the better!“
gar nicht auf.
Brunner
W
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