Mozart Beethoven Schubert

Transcrição

Mozart Beethoven Schubert
DIETRICH VON HILDEBRAND
Mozart
Beetboven
Scbubert
VERLAG
]OSEF
HABBEL REGENSBURG
Mit allen Zweigen der Kunst von
frühester Jugend auf in lebhaf­
ter Berührung, mit den Großen
der Musik aber darüber hinaus
noch in ganz besonderer Wei5e
verbunden ist Dietrich von Hil­
debrand berufen, uns die letzte
Aussage der Musik Mozarts,
Beethovens und Schuberrs zu
verdeutlichen und diese Darstel­
lung zu einem echten, spezifisch
geistigen Porträt des betreffen­
den Genius werden zu lassen.
Hildebrand, sowohl Meister der
phänomenologischen
Analyse
wie musikalischer Kenner
von
hohem Rang begnügt sich nicht
mit einer Deskription musikali­
scher Formen, sondern stell t die
großen menschlichen und meta­
physischen Hintergründe und
Sinngehalte der Werke dieser
Meister heraus. So wird dem Le­
ser seines Buches und Hörer je­
ner Werke deren Tiefengehalt
durch die formalen Details hin­
durch sich leuchtend erschließen.
Das
reichhaltig mit Beispielen
interpretierenden Analysen
angefüllte Werk lebt aus der
und
Ganzheit einer Sicht, von der
man sich gerne führen IJßt.
VERLAG
JOSEF I-IAßJEL
REGENSBURG
•
Jb
DIETRICH VON HILDEBRAND
Mozart
Beetbovel1
Scbubert
VERLAG
JOSEF
HABBEL REGENSBURG
Alle Rechte vorbehalten
© by Josef Habbel, Regensburg
Auslieferung
für die Schweiz: Christiana
für österreich:
Josef Habbel,
Verlag, Zürich
Wien I
Gesamtherstellung: Josef Habbel, Regensburg
Printed in
Germany
50
In
caritste
christi
�i {ectissimis
Bertae et
Gualterio
Braunfels
Mozart
Auf
seinem Sterbebett sagte
dem "Ihr werdet mir
Chopin zu seinen Freun­
zusammen etwas vorspielen, ihr
werdet dabei, an' mich. denken und ich werde euch
zu­
hören." Als sein-Preund Franchomme 'sagte: "Ja, wir
werden deine Sonate
nicht meine
spielt
--
spielen", riefChopin aus: "0 nein,
mir die wahre Musik
-
die
von
Mozart.'t·
Wenn wir
an
die Worte der Liebe und
denken, die über Mozart
.
gesprochen
Goethe bis zuHofmannsthal,
bis
zu
Theodor Haecker,
Braunfels
-
wird
Wenige große
unser
von
ist nicht' alles, was
zu
Sören
--
von
Kierkegaard
Beethoven bis zuWalter
Herz mit tiefer Freude erfüllt.
Genies sind
den wie W. A. Mozart,
von
Bewunderung
wurden
so
verehrt und
geliebt
wor­
Allerdings, so will mir scheinen.
seinem Ruhm gesagt wurde,_von
wahrem Verständnis getragen. Neben herrlichen äuße­
rungen tiefsten. Verstehens ist das Lob manchmal sogar
schmerzlich, weil es in Wahrheit kein Lob ist, sondern
Dinge preist, die Mozart nicht größer machen würden,
wenn er sie besäße, und die. er, Gott sei Dank, nicht, be­
sitzt. Dies
gilt
vor
allem für manche
zeitgenössischen
"Verehrer", die in 'heutigen Modeströmungen befangen
»
9
«:
oder
vom
angekränkelt sind.
gewisse große Künst­
historischen Relativismus
Viele Musikkritiker erwählen sich
ler, die sie zu Heroen ihrer Mode-Ideale machen und in
die sie, mehr oder weniger bewußt, willkürlich Dinge
hineininterpretieren,
mit denen der Künstler gar nichts
hat. So versucht
zu tun
im Zeitalter der "neuen
man
Sachlichkeit", des Neutralismus und des Antipersonalis
mus, in einem Zeitalter, das jedes "Ethos" als "subjek­
...
tiv" und romantisch verachtet
niker"
hoven
zart
stempeln
auszuspielen.
zu
auf Kosten
von
-
Mozart
zu
einem "Iro�
und gegen den "Pathetiker" Beet­
Es gibt mehrere Kritiker, die Mo­
Wagner und
sogar
von
Beethoven
preisen.
sehen, daß die individuelle Verschiedenheit
zwischen den großen künstlerischen Genien, z. B. zwi­
schen Michelangelo und Raffael, Tizian und Giotto,
Statt
zu
Brueghel
und Leonardo
-
oder Bach und
Haydn,
Hän­
del und Schubert, in keiner Weise einen antithetischen,
sondern einen komplementären Charakter trägt
man
Mozart gegen Beethoven
auszuspielen.
tut, kann die Höhe, Breite und Tiefe
nie verstehen! Sehr
richtig
von
-
sucht
Wer dies
Mozarts Geist
sagt Alexander
von
bischeff: "Mozart in allen seinen Meisterwerken
Ouli­
lieben,
heißt soviel als keiner Partei in der Musik angehören.
Es heißt soviel als sich für das Schöne und Gute in jeder
Gattung zu erklären."
Es gibt nur eine wirkliche Antithese auf künstleri»
10
«
schem Gebiet: die
Pseudo-Kunst;
Werken und
von
wahrer Kunst und schlechter
starken, inspirierten, notwendigen
langweiliger Leere; von edler, echter
von
von
Poesie und trivialem Kitsch. Wer die letzte Größe und
Tiefe
von
Beethovens Musik nicht versteht,
Schlagwörtern
thetisch"
an
von
»subjektiv"
und
Beethoven herantritt,
wer
"romantisdt",
wer
mit
"pa­
die unerhörte
Objektivität und Klassizität seiner Symphonien und
Quartette nicht erfaßt, die einzige geheimnisvolle künst­
lerische Tiefe seiner späten Quartette nicht versteht,
wem nicht die atemberaubende innere Notwendigkeit
seiner Neunten Symphonie aufgeht, wer das gültige,
letzte, künstlerische Wort, das sie enthält, nicht ver­
nimmt,
wen
die Sublimität und verklärte sakrale Tiefe
seiner Missa Solemnis nicht bis ins Tiefste erschüttert
-dem bleibt auchdas Geheimnis der Welt Mozarts, die
Seele seiner Kunst verschlossen, der wird ihn notwendig
mißverstehen, selbst wenn er ein noch so großer Kenner
von Mozarts Werk ist. Wir möchten jedem von Mode­
strömungen und vom Zeitgeist verbildeten Musikkriti­
ker wünschen, daß Mozarts Geist in ähnlicher Weise
auf sie wirke wie auf den
großen
Sören
Kierkegaard,
der sagte: "Unsterbliche'r du, dem ich alles verdanke,
dem ich verdanke, daß ich meinen Verstand verloren
habe, daß
meine Seele
aufgewühlt wurde,
meinem innersten Wesen
Leben
daß ich in
erbebte, daß ich nicht durchs
gehen muß als einer, den nichts erschüttern kann;
»
11
«
du, dem ich dafür danke, daß ich nicht sterbe ohne ge­
liebt zuhaben,
"
...
Ich will hier nicht über den Menschen Mozart und
sein Leben
sprechen,
sondern über den Genius Mozarts
in seinen Werken. Viele Musikhistoriker
'erwarten, in
für
dem Leben und in dem Menschen einen Schlüssel
sein Werk
zu
finden. Ich
glaube
ten das Werk als solches auf
im
Gegenteil,
wir soll­
wirken lassen, ohne
uns
anderes
hineinzuprojizieren. Der Geist
des Werkes offenbart uns vielmehr umgekehrt die tief­
ste Schicht in der Person des Künstlers, die er in seinem
irgend
etwas
Leben als Mensch nicht
so
auszustrahlen braucht.
Nicht der Mensch und sein Leben erschließen
Welt und das Wesen seiner
die bei einem
uns
die
Werke,'sondern die Werke,
großen Künstler meist
weit über das hin­
ausgehen, was er als Mensch verwirklichte; sie offen'baren, abgesehen von dem künstlerischen Eigengehalt.
vielmehr das Höchste und Tiefste,
lebte und das
als Mensch
zu
er zum
sein,
müßte Mozart ein
er
was
in dem Künstler
mindesten ersehnte. Aber UIn das
was
sein Werk als
Heiliger
Geistverkörpert,
gewesen sein
�
und das war
nicht.
Wenn wir auf sein
ungeheures
Werk blicken, dessen
Leben, das nach fünf­
unerschöpfliche Fülle
unddreißig Jahren sein Ende fand wie' ein Wunder an­
mutet, entfaltet sich vor uns eine Welt sublim.er Geistig­
keit, unfaßbar schöpferischer Kraft und nie versiegender
-
in einem
-
»
12
«
Poesie.Tn Mozarts .Werk finden wir eine Einheit von
scheinbar Entgegengesetztem, eine coincidentia oppo­
sitorum. Seine Kunst ist wie keine andere
jenseitiger
ken
,von'
all dem,
was
engelhaft
trun­
schon diese Erde berauschend
schön macht. Sein Werk ist erfüllt
ser
von
Sublimität und doch wie keine andere
von
dem Zauber die­
Welt, ist voll des Charmes des Lebens, voll von Hu­
Süßigkeit, die entzückende Poesie des Le­
bensund seiner vielgestaltigen Situationen widerspiegeln,
mor;
die die
wie bei kaum einem anderen Künstler. In seiner Kunst
herrscht ein Übermut intensivster Lebensfreude, eine
unerhörte Natürlichkeit und Unmittelbarkeit, eine
Kühnheit und Freiheit der geistigen Sprache, über der
aber immer ein verklärter. Glanz erstrahlt, ein der Welt
entrückter Duft schwebt. Alles ist
durchzogen von einer
angelisch verklärten Note, alles ist erfüllt mit einer Bot­
schaft des Himmels.
zeigtsich neben einer unerhörten
geistigen Durchformung, Präzision, einer genialen Treff­
eine einzigartige Mühelosigkeit! Es ist ein
sicherheit
besonderes Zeichen des Besitzes einer Tugend, daß das
In Mozarts Werk
-
Gute mühelos getan wird. So mühsam das Erwerben
Tugend ist, ihr Besitz ist durch Mühelosigkeit aus­
gezeichnet. Diese Mühelosigkeit der Tugend begegnet
uns in Mozarts Kunst. Nicht die Mühelosigkeit gewisser
brillanter, aber leichterer Kunstwerke, nicht die des
einer
Spiels, sondern die geschenkhafte Mühelosigkeit, die mit
größterTiefe und präziser Getroffenheit Hand in Hand
geht, die im Worte "gratia" liegt von der höchsten
Bedeutung: "Gnade" bis zur "Grazie" der äußeren Er­
scheinung.
Mozarts Kunst ist darum bei aller Notwendigkeit
doch von einem Geist heiliger Verschwendung durch­
-
zogen, wie ihn
art
die Natur besitzt. Die Wesens­
sonst nur
Mozarts hat Richard
Wort charakterisiert:
Wagner mit dem herrlichen
"Ein Genius vonlicht undliebe".
Lichtvoll ist seine Kunst und
artiger Sänger
der
ist nicht
ein
einzig­
Liebe, sondern seine Musik ist selbst
er
nur
Genius der Liebe
erfüllt, sie ist zu Musik gewor­
Glanz, die Zartheit, die
Süßigkeit wahrer Liebe. Es ist tief charakteristisch, wie
vom
dene Liebe
-
in ihr lebt der
Mozart selbst das Genie beschreibt: Wahres Genie ohne
"
Denn nicht hoher Verstand
Herz ist ein
nicht
Unding.
Imagination, nicht
Genie.
beide
zusammen
allein,
machen das
Liebe, Liebe, Liebe ist die Seele des Genies."
gewisser Hinsicht der universalste aller
großen Musiker, da er auf verschiedensten Gebieten
Werke letzter Größe geschaffen hat. Alle überragend als
Musikdramatiker, hat Mozart in seinen Symphonien, als
Mozart ist in
Kammermusiker und auf dem Gebiet der Kirchenmusik
Werke
von
höchster Schönheit
Zunächst Mozart als
geschaffen.
Opernkomponist: Die
oben
er­
wähnte Universalität offenbart sich hier darin, daß er,
ungleich anderen großen Musikdramatikern, wieGluck,
»
14
«
ganz verschiedene
Grundtypen mög­
licher Verbindung von Musik und Bühne geschaffen hat.
Er hat nicht nur Opern von ausgesprochen unterschied­
licher Individualität komponiert
das gilt auch von
Gluck, wenn wir Orpheus und Iphigenie in Tauris ver­
gleichen; für Wagner, wenn wir an die Verschiedenheit
des Stils in Tristan und Meistersinger .denken; oder
Verdi als Schöpfer des Othello und des Falstaff. Doch in
Wagner, Verdi,
-
Opern Mozarts stehen vier ganz -verschiedene
Grundtypen möglicher Verbindung von Musik und
den
dramatischer
Handlung vor uns.
Den ersten Grundtypus finden wir in der Entführung
aus dem Serail, den zweiten in Figaro und Don Gio­
vanni, den dritten in Cosi fan
tutte, den vierten in der
Zauberflöte.
In der
schien
sten
"
Entführung
"
haben wir den
Oper, der in Beethovens Fidelio
und sublimsten Ausdruck
Das Verhältnis
von
Typus
zu
der deut­
seinem höch­
gelangte.
Bühne und Musik ist hier durch
folgende Elemente charakterisiert: eine dramatische
Handlung mit hohem sittlichem Gehalt, bei der die ein­
zelnen Figuren eine gewisse Allgemeinheit behalten, die
Hauptfiguren von ergreifendem menschlichen Ethos er­
füllt sind, die Nebenfiguren einen liebenswürdigen Hu­
mor aufweisen. Es paßt durchaus zu dem Stil dieses
Operntypus, daß dazwischen gesprochen wird, nicht in
stilisiertem Rezitativ, sondern in freier Rede. Die Musik
»
15
«
gleichsam aus der deutschenRede heraus. Im Un­
terschied zu Gluck eine weitaus beweglichere Handlung,
wächst
nicht entrückt in die Welt der Antike und ihren s.tarken
Stil, erst recht viel weniger
bestimmten Stil
gebunden
an
einen durch die Zeitepoche
als Händels
Opern.
Es ist das früheste derMeisterwerke Mozarts auf der
die
besonderem
persönlichem Ein­
schlag aus der Zeit seiner Verlobung und Heirat. In
ihr lebt ein verheißungsvolles Glück, eine jugendliche
Note voll der Hoffnung. Carl Maria von Weher sagt'
von dieser Oper: "Meinem persönlichen Künstlergefühle
ist diese heitere, in vollster, üppiger Jugendkraft lodern­
de, ·jungfräulich zart empfindende Schöpfung beson­
ders lieb." Auch hier, wie in allen Opern Mozarts, steht
.die Liebe im Vordergrund. In zwei herrlichen Arien
Bühne,
Oper
von
--
-
Belmontes im
Liebe "in
Akt offenbart sich der Genius der
ersten
einzigartiger Weise;
und Höhe dieser Liebe in der
so'
besonders die Reinheit
unsagbaren Süßigkeit der
Musik in der zweiten Arie Belmontes bei den Worten:
"Ist dies ihre Stimme, ist das ihr Seufzen,
bange."
und
wird mir
so
großen Arie Constanzes im zweiten Akt
großen, sublimen, tragischen The­
Anfang des letzten Aktes in dem wunderbaren
vor
ma am
es
In der
allem in dem
Rezitativ, als Belmonte und Constanze sich verloren
glauben,
erschüttert
matische Kraft. Das
zarts
uns
die unerhörte Tiefe und dra­
spezifisch
dramatische Genie Mo­
offenbart sich auch in der entzückenden poetischen
».
16
«
Mozart
Serenade Pedrillos, die
der Arie Osmins im
der Gestaltung, die
tett
so
situationsgestaltend ist, und in
Akt; die
souveräne Freiheit
ins Schwarze
trifft, in dem Quar­
ersten
stets
im zweiten Akt und in den Worten von Constanze
und Blondchen: Wenn Männer verdächtig auf uns sehen,
"
das ist nicht auszustehen". Hier, wie in
allenOpern-un­
Auffassung
abhängig von
der Bühne -, trägt die Oper als Ganzes den Stempel eines
Meisterwerks. Und
tIotzdem übersteigt die Musik noch
dem besonderen Stil und der
an
vielen Stellen den Rahmen des Dramas. Sie schwebt
in himmlischer Höhe über der dramatischen Situation,
die sie dabei doch in meisterhafter Weise
gestaltet.
Typus von Drama, von Auffassung,
der Bühne, von Verbindung des Wortes mit der Musik,
tritt uns in der Hochzeit des Figaro und Don Giovanni
entgegen. Hier haben wir das Shakespearesche Drama
in Musik, die volle Durchgestaltung aller Figuren eben­
so wie der verschiedenen Situationen in ihrer poetischen
Ein ganz anderer
Kraft und Intensität.
Ich weiß keinen anderen Vergleich für
Figaro als eines
der
Lustspiele Shakespeares, z. B. "Wie es euch gefällt".
Man sollte nicht glauben, es seien Beaumarchais und da
Ponte, die dem Figaro sein dramatisches Cachet geben.
Wir brauchen
"Figaro"
Werke
von
zu
nur
Rossinis entzückenden "Barbier" mit
vergleichen, um zu sehen, welche Welt beide
trennt
und wie wir bei Rossini die Rokoko-Welt
Beaumarchais finden
»
-
anmutig, witzig, brillant
17
«
-,
wie aber das
Mozarts in
Lustspiel
seiner
Menschlichkeit, in der Tiefe des Humors,
klassischen
in seiner sub­
limen Poesie
Shakespearesche Züge trägt. Wohlverstan­
den, die Musik gestaltet hier eine analoge Welt wie
Shakespeare
es
im Wort
tut.
völlig verschiedene Konzeption
gegenüber der "Entführung" angedeutet:
Damit ist schon die
der Bühne
das viel höher gespannte dramatische
Ziel, die
Funktion, die der Musik anvertraut ist
ein ganz ande­
rer
Typus
von
-
neue
Drama.
Welche Gestalten, bis ins letzte dramatisch durch­
geformt und lebendig ein Figaro, .eine Susanna, der
Graf und die Gräfin; Bartolo, Basilio, der Gärtner An­
tonio; und die in der Literatur einzig dastehende, be­
zaubernde, so urmozartische Erfindung: Cherubino!
Eine Inkarnation der jugendlichen Phase der Verliebt­
heit, eine einzigartige Gestalt, ohne Pendant in der gan­
zen Literatur. Aber dasselbe gilt für jede Figur. Die
Musik Mozarts hat die Gestalt Figaros ganz zu diesem
überaus anziehenden, nicht nur hochbegabten, jede Si­
tuation meisternden Diener gemacht, sondern auch zu
einem Menschen, der von edlem sittlichem Ethos, von
einer großen, tiefen, treuen Liebe erfüllt ist. Welcher
-
Unterschied
zu
dem
Figaro
Rossinis! Welche Poesie,
welcher Duft in Susanna und der Gräfin! Wieder müs­
sen
wie
anShakespeare erinnern, dessen Frauengestalten,
Viola, Rosalinde, Perdita, Miranda oder Porzia,
wir
»
18
«
eine
gen
so
Anmut
unsagbare
eine Einheit
Adel,
besitzen, einen
von
so
einzigarti­
innerer sittlicher Schönheit
und Zauber des äußeren Wesens, der wir
nirgends
begegnen. Etwas Analoges finden
wir bei Mozart im Figaro; auch ihm gelingt es hier, die­
sen undefinierbaren Zauber und Duft voll lebendiger,
weiblicher Gestalten zu geben, ebenso weit entfernt von
sonst
in der Weltliteratur
allem Naturalismus wie
rung
-
so
wahr,
so
von
klassizistischer Idealisie­
selbstverständlich wie die Anmut
einer herrlichen Landschaft. Der
Shakespesresche
Geist
offenbart sich auch in der Art des Humors, der im Fi­
garo und
recht im Don Giovanni
gegeben ist. Hier
ist es nicht wie bei Osmin in der »Entführung" eine Ge­
stalt, die als solche »eine komische Figur" ist, sondern
ein viel tiefer gehender Humor, wie er zum Beispiel in
erst
Szenen zwischen Corinnus und Probstein in »Wie
euch
gefällt"
lebt
es
der Humor in der Gestalt Basilios in
-
der Szene, in der der Graf Cherubino entdeckt und die
Musik
gleichsam
in Erstaunen rückwärts
scheinen des Gärtners Antonio und
vor
geht;
im Er­
allem im
Quar­
ja selbst", der
»Und er ist mein Vater, er sagt es
klassische Humor; der eine edle Freude des Lebens
tett:
aus­
strahlt.
Figaros
Hochzeit trägt den
spezifischen Stempel
Meisterwerks. Welch unerhörte Einheit des Stils
der
ersten
bis
ration, jede
zur
letzten Note, welch lückenlose
Szene
von
»
höchster
19
«
Vollendung!
des
von
Inspi­
Welch
starke
Kraft,
geschlossene Welt ist
von
das Ganze,
von
leuchtender
Duft und Poesie ! Welche Harmonie von Bühne
gibt kaum ein Bühnenstück, das weniger
problematisch für eine Aufführung ist, das sich ganz im
und Musik. Es
Rahmen dessen,
ner
was
Poesie entfalten
dieBühne
Wir finden im
etwa
der
Musik,
leisten vermag, in sei­
kann, bei dem die Bühne uns mühe­
los in die Welt des Stücks
tenz
zu
Figaro
zu versetzen
eine ganz
vermag 1.
neue
unerhörte Po­
eine dramatische Situation aufzubauen:
die beiden
grandiosen Stellen
im zweiten Akt:
"Herr Graf, darf ich Sie bitten" und "Nun
meine Mienen", oder das
Thema,
wenn
so
lügen
Susanna über­
raschend herauskommt: "Der Page bin ich", oder das
Thema, wenn Antonio sich zurückzieht: "Nun, ich geh',
aber treff' ich dich wieder"
das Schreiten der Musik
-
Orchester, das eine volle dramatische Situation
im
1
ge-
umhin, hierbei auf die unseligen Verirrungen
Regisseure bei Mozart-Aufführungen
heute geraten. Statt dem Zuschauer zu helfen, ganz in die Welt des
Musikdramas aufgenommen zu werden und in dem Schloß und
Park des Grafen Almaviva geistig zu weilen, in die Welt Mozarts
einbezogen zu werden, statt dem schlichten Bemühen mit den Ku­
Ich kann nicht
hinzuweisen,
in die manche
lissen der künstlerischen Illusion
taten -,
zu
glauben
sollen mit
diese
neuen
zu
dienen
Regisseure sich
-
in den
wie
es
frühere Zeiten
Vordergrund drängen
und dabei dummen Ideen, indem sie
statt
des
Interieurs eines Rokoko-Schlosses einen Jugendstil-Raum mit freiem
Himmel darüber
hinstellen,
der einen
jeden
Moment daran erin­
nert, daß wir im Theater
sitzen, eine Regie, die uns gleichsam
das
Werk
nicht
ernst zu nehmen, sondern als eine
soll,
zwingen
bloße
"Vorführung"
im Theater
"
zu
20
betrachten. Gerade bei
«
Figaro,
staltet. Welcher Glanz der
alles durchwebt,
tiefen, echten Freude,
für einFestcharakter in diesem
was
in dem
-
Musik immer wieder
Höhe
hinaufsteigt,
zu
die
un­
aller Geschlossen­
aussprechlichen Werk,
heit, Stärke und atemberaubender Genialität in
Darstellung einer lebendigen Welt voll Zauber
trotz
der
der
die
dieser verklärten überirdischen
uns
den Glanz einer höheren
Welt, die sich darüber wölbt, ahnen läßt.
Derselben
Shakespeareschen Dramatik begegnen wir
größtem Meisterwerk innerhalb seiner
Opern: Don Giovanni. Auch hier die volle Durchgestal­
tung der Figuren die volle Tiefe der dramatischen Ge­
staltung, die reiche, blühende Poesie. Wenn wir den
Figaro mit "Wie es euch gefällt" verglichen haben, so
entspricht Don Giovanni in seinem Format und seiner
dramatischen Gestalt einer Shakespeareschen Tragödie
in Mozarts
-
wo
das Werk eine ideale
Möglichkeit
bietet für eine
poetische,
künstlerische Bühne, ist diese Besserwisserei moderner Regisseure
besonders ärgerlich. Noch schlimmer ist allerdings das ahnungslose
Beschleunigen
zuführen, die
der
Tempi,
die
Tendenz, möglichst viel Staccati ein­
zu übertreiben, allem wahren
Geste in der Musik'
edlen Ethos auszuweichen und
ren.
possenhaft: grobe Effekte
einzufüh­
All dies verrät das radikale Mißverständnis, dasMozarts Kunst
artistisches, seelenloses, brillantes, aber leichtes Licht rücken
will, das ihn mehr an Bernhard Shaw angleichen will, statt seine
in ein
letzte
angelisches Wesen zu erken­
Gegensatz
Mißdeutungen erinnere ich mich mit
Dankbarkeit an die einzigartigen Aufführungen Mozarts unter
Felix Mottl, unter Bruno Walter und, was die musikalische Leitung
betrifft, unter Wilhelm Furtwängler in Salzburg.
nen.
Shakespearesche
Im
zu
Tiefe und sein
diesen
»
21
«
oder einem
Schauspiel,
wie "Der Kaufmann
von
Vene­
letzter
Hier entfaltet Mozart den Atem
großer
abgerundeter,
Figuren
schärfer herausgearbeitet. Leporellos in manchen Zügen
an Sancho Pansa anklingende Menschlichkeit, der süße
dig".
Dramatik
vor uns.
sind noch
Die
Zauber Zerlinas, der dämonische Don Giovanni, Ma­
setto, Donna Elvira und das herrliche noble Paar Don
Ottavio und Donna Anna.
Don Giovanni ist oft mißverstanden
von
solchen, die
begeistert
worden, auch
davon reden. Die Gestalt
Don Giovannis wird als der Held
zart
verherrlichen will; Don
betrachtet, den Mo­
Ottavio hingegen als ein
blasser Schwächling. Wir brauchen uns
nur
in die Musik,
mit der Mozart Don Otta vio charakterisiert, zu vertiefen,
einzigartige Noblesse und sittliche Kraft der Ge­
stalt Don Ottavios zu erfassen. Welch andere Register
zieht Mozart hier als in der Musik, die DonJuan verkör­
um
die
pert! Nicht als ob diese nicht auch unerhört schön und
vollkommen wäre: das Duett "Reich mir die Hand",
die Arie "Treibt der
Champagner",
die herrliche Stelle
Laube, süße Taube", die "Serenade" oder
"Komm
zur
das "Ihr
geht nach jener Seite hin" und vieles, vieles
dere. Mozarts Musik
Reinheit
-
selbst
atmet
wenn er
dabei immer eine unerhörte
den Prototyp der Unreinheit
darstellt. Aber die Verschiedenheit der
jedem,
der Ohren hat
Mozarts
zu
hören,
wer
Register zeigt
liebenswerter ist in
Intention, und nichts berechtigt
»
an­
22
«
zu
der Auf-
fassung, Mozart wolle, daß unsere Sympathien mit Don
Juan seien. Gewiß, Don Juan ist nicht
gegeben,
nur
als Bösewicht
wie ein Pizarro im Fidelio oder ein
J ago im
Othello. Er ist mit vielen außersittlichen Vorzügen ge­
zeichnet
Grandseigneur, unerschrocken, von uner­
schöpflicher Vitalität, hinreißend, ausgestattet mit dem
Glanz unwiderstehlichen Erfolgs. Das gerade zeigt die
dramatische Größe Mozarts die Welt, die er in ihrer
Wirklichkeit und Fülle hinstellt, den breiten Strom des
daß der ruchlose Wüstling, der hochmütige,
Lebens
gewissenlose, so voll verführerischen Charmes sein kann.
Trotzdem ist Don Juan in keiner Weise liebenswert,
-
-
-
weder
an
sich noch in Mozarts Intention
-
sondern Don
Ottavio und Donna Anna.
gewisser Weise, wie der größte
Cervantes Don Quichotte, die ganze
Diese Oper umfaßt in
aller Romane:
Breite, Länge und Tiefe der menschlichen Existenz, des
Universums
-
die Welt der edlen
ganzen sittlichen
großen Liebe
in ihrer
Tiefe, ihrer' Kraft und ihrem Glanz,
verkörpert in Don Ottavio und Donna Anna,
-
und die
Welt verführerischer Vitalität in Don J uan, die
trotz
aller Berauschendheit eine letzte Leere und ein tragi
sches Suchen des Glücks aufweist, wo es nicht zu finden
...
ist. Denken wir
an
den fast leitmotivhaften
les
Stil, der al­
umgibt, was mit Don Ottavio und Donna Anna zu
hat. Angefangen von dem wunderbaren Rezitativ
Donna Annas und der Antwort Ottavios: "Laß, Getun
»
23
«
betrübte"; bis in den verschiede­
nen Arien Donna Annas und Don Ottavios; im Terzett
der drei Masken in dem Thema, wenn Don Ottavio
liebte,
was
dich
so
tief
und Donna Anna im zweiten Akt mit der Dienerschar
erscheinen
-
und
gipfelnd
in dem musikalischen Höhe­
aller Arien: Donna Annas "Ich,
grausam" im­
mer trägt die Musik, beim Auftreten beider, den Stem­
pel einer besonderen Größe, Noblesse, tiefen sittlichen
Adels, wahrer Kraft; immer atmet sie den Hauch gro­
ßer, edler Liebe, auf deren Hintergrund die ganze kava­
punkt
-
lierhafte Grandeur Don Giovannis in all ihrer Vergäng­
lichkeit und Scheinpracht klar hervortritt.
Dahinter wölbt sich noch fundamentaler der
gewal­
tige Gegensatz zwischen dem Komtur der sittlich reli­
giösen Welt und dem erfolgtrunkenen Frevler Don
-
-
Juan.
Kann
man etwas
Grandioseres in der Musik finden
als die Kirchhofszene oder die Szene, in der der Komtur
zu
Don
Juan kommt: der letzte, jenseitige Ernst in der
musikalischen
luft
-
Gestaltung
des Komturs, die
und das frevelhaft Freche des
Ewigkeits­
Wüstlings! Der
christliche Weltraum in seiner ganzen Wahrheit und
Größe steht vor uns und in wunderbarem Kontrast zu
diesem Ernst die urmenschliche Figur Leporellos. Erden­
nah und
liebenswürdig diesseitig, vertritt Leporello in
allen Situationen den Aspekt des schlichten gesunden
Menschenverstands, analog zu dem allerdings sittlich
viel edleren Sancho Pansa oder dem Pförtner in Mac-
»
24
«
beth; sei es am Anfang: "Keine Ruh bei Tag undNacht",
in der herrlichen
Register-Arie
unvergleichlichen
Musik des "Es sind leider
oder
vor
allem in der
nur
seine
Kleider" im zweiten Akt. Durch alle die bunten, rei­
chen, die Fülle des Lebens gebenden Situationen klingt
die
Figur Leporellos wie ein Orgelton mit als Ver­
treter einer U rmenschlichkeit, eines tiefen klassischen
Humors. Und wie wunderbar am Schluß, nachdem Don
J uan zur Hölle gefahren, noch die Szene, die so erden­
nah und beglückend taghell, nach all dem Dämonischen
dem Rahmen des ganzen Werks gerecht wird und da­
durch alles wahrer macht. Doch auch hier, in diesem
Meisterwerk der Meisterwerke, dem innerhalb der
Opernwelt eine analoge Stelle gebührt wie der Neunten
Symphonie Beethovens unter den Symphonien, in dem
jede Note mit letzter Notwendigkeit das Drama und
die dramatische Welt gestaltet,
sei es das "Ihr geht
nach jener Seite hin" oder das "Pst! Pst! Ihr schönen
Masken" steigt die Musik an vielen Stellen noch über
die herrliche, reiche poetische Welt des Dramas Don
Giovanni, das andererseits doch gerade die Musik ge­
staltet, hinaus, in ihrer erlösten Verklärung von der
göttlichen Welt über uns verkündend.
In C osi fan tutte finden wir eine völlig neue; radikal
verschiedene Konzeption der Bühne mit einer möglichen
Verbindung von Musik und Wort. Hier ist es nicht die
Shakespearesche Dramatik wie im Figaro und Don Gio-
-
-
-
»
25
«
vanni, sondern eher die Dramatik eines Goldoni". Keine
Durchgestaltung von Figuren, sondern mehr all­
gemeine Typen Don Alfonso der Zyniker des acht­
zehnten Jahrhunderts, Despina, die intriganteDienerin,
wie ein Scapin bei Meliere die übrigen Gestalten nicht
einmal so weit typisiert, sondern mehr reine Träger der
Handlung.-DieBühne hat hier denCharme derUnter­
haltung, sie bietet sich leicht und abwechslungsreich. Die
Musik hat hier nicht die A ufgahe, volle drama tische Figu­
ren zu gestalten, wie in Figaro und Don Juan, sondern
sie kooperiert einerseits viel mehr mit dem Situations­
haften im Goldonischen Sinne
die häufige Zweistirn­
ein
die
anderes Verhältnis
starke
migkeit,
Stilisierung
volle
-
-
-
-
zwischen Wort und Gesang, eine andere Rolle der
Geste. Dagegen wird hier das schon erwähnte Sich-Er­
heben der Musik über die
Handlung
verklärte Welt noch viel auffallender
in eine sublime
gerade weil die
musikdramatische Konzeption nicht so hochgespannt
ist. Das Quintett "Addio" und das nachfolgende Terzett
"Weht sanfter, ihr Winde" sowie das "Traget sanft" im
zweiten Akt, die große Arie Fiordiligis ,,0 verzeih, Ge­
liebter" und das Quartett am Schluß "In dein Glas und
1
Die
-
Analogie zu Goldoni bezieht sich aber wohlgemerkt nur
Konzeption der Bühne und des Dramas. Goldoni
auf die formale
hat in allen seinen Stücken eine sittlich vornehme Note, die dem
von Cosi fan tutte ganz fehlt. Nicht der Inhalt des Li­
Libretto
brettos wird hier mit Goldoni
verglichen
Dramatik.
»
26
«
-
sondern die formale
In
das meine" sind
von
einer unerhörten sublimen
Schönheit, die in ihrer Welt weit über die Goldoni­
komödie
hinausragt,
ihren Rahmen
zu
ohne dabei in
sprengen. Das
Arie "Der Odem der
aller Arien
von
gilt
irgendeiner
vor
allem
Weise
von
der
die eine der schönsten
Liebe",
Mozart ist. Ich
traute
meinen Augen
Einleitung zur Aufnahme der Glyn­
debourne-Aufführung las, diese "milk-soap"-Arie sei
von Mozart ironisch gemeint.
Abgesehen davon, daß Fernando diese Arie singt, als
er noch an die Treue seiner Braut glaubt, holt hier Mo­
zart doch offenbar weit aus und spricht ein Urwort sei­
ner Seele, er gibt den Genius wahrer, sublimer Liebe,
wie nur er ihn geben kann. Es ist so tief charakteristisch,
nicht,
daß
als ich in der
er,
der
so
vollendete Meisterwerke dramatischer
schafft, der den Genius des Theaters so unerhört
erfüllen kann, eine starke Eigenwelt individueller Art
Art
vor uns
hinstellend
-
doch in souveräner Freiheit
Dinge
die weit über den Rahmen des Werkes hin­
ausspricht,
ausgehen; der Engel
des Lichtes, der in Mozart wohnt,
erhebt seine Stimme im
gegebenen Moment unbe­
hindert, unbekümmert um irgendeinen Stil oder einen
Rahmen. Hierin zeigt sich auch der Geist heiliger Ver­
schwendung, von dem ich eingangs sprach.
So reiht sich Cosi fan
werk
Stil,
an
-
die vorgenannten
in der Rolle der
Bühne,
»
als ein anderes Meister­
tutte
27
-
gänzlich
verschieden im
eine ganz andere
«
mögliche
Verbindung
von
Musik und Wort
-
vollendet in
jeder
Hinsicht, auch lückenlos, getragen von ständiger Inspi­
ration, die Wonne der entzückenden Commedia dell'
Arte, der präzisen Diktion, des ·Witzes; aber zugleich
jenseits dessen, derselbe Genius des Lichtes
und der
Liebe wie in allen anderen Werken.
Bedauerlicherweise wird heute Cosi fan
eine reine Satire
der
gegeben,
Empfindsamkeit". Die
und Dorabella werden
man
ner
sie
"precieuses
zu
tutte
oft wie
wie Goethes
"Triumph
Fiordiligi
übertrieben dargestellt, daß
etwa
so
beiden Mädchen
ridicules" macht. Das ist in kei­
Weise im Sinne der Mozartschen
wiß stark
empfindsam
in
Oper. Sie sind ge­
ihren �ußerungen, ihre Liebe
ist nicht sehr tief, aber sie ist auch kein bloßes Getue.
Die Pointe
Glaubens
liegt gerade darin,
an
raffinierten
ihre Liebe doch
daß sie
so
trotz
ehrlichen
schwach sind und der
Versuchung erliegen.
Sie sind
ahnungslos
gezierte Puppen, die schon vom
als Karikaturen wirken. Die Sänger
und naiv und nicht
ersten
Moment
an
dürfen sich nicht mit dem Publikum über sich selbst
mokieren,
sonst
wird
es
ein Kabarett oder eine Clown­
Angelegenheit und der Goldoni-Stil mit seiner Grazie,
poetischen Charme ist zerstört ganz zu schwei­
gen von der radikalen Unverträglichkeit solcher Dar­
stellungen mit der einzigartigen Musik.
seinem
-
Am lächerlichsten ist es,
Alfonsos
Meinung
zu tun
als ob Mozart Don
teile und dieser Pseudo-Weise des
»
28
«
achtzehnten Jahrhunderts nicht
Figur sei, über die
selbst, wie Despina eine
lachen muß, eine Figur unter
man
anderen, wie Basilioim Figaro, sondern ein "Prologos",
mit dem sich der Autor identifiziert. Es
zu
diesem
in ihrer
Typus
Handlung
von
gehört gerade
Komödie, daß sie in keiner Weise
und in der sogenannten "Moral der
Geschichte" ein Bekenntnis des Autors enthält. Es ge­
hört dazu, daß das Ganze eine Komödie ist, ein amü­
santer
Aspekt
der Welt, nicht ein
Raum, der das Universum in all
umfaßt, wie
sätzen
großer dramatischer
seinen großen Gegen­
im Don Giovanni. Interessant ist
auch für die Verschiedenheit der dramatischen
tion
-
wie hier
Figaro,
innere
vor
an
an
Konzep­
Stelle des tiefen Humors, den wir im
allem aber im Don Giovanni finden
Leporello),
eine leichte Karikatur
(ich
er­
mehr der Witz steht, manchmal
-
wie
Despina als
tar; auch Goldoni
Arzt und No­
gibt ja keine Sancho-Pansa-Komik,
keinen Shakespeareschen klassischen Humor, sondern
eine entzückende, witzig-geistreiche, leicht satirische
Darstellung menschlicher Schwächen.
Und nun die vierte, ganz andere Konzeption der
Verbindung von Drama und Musik in der Zauber­
flöte.
Kein Drama wie im Figaro und Don Giovanni, keine
Shakespearesche Gestaltung der Figuren, aber auch nicht
Typen im Goldonischen Sinne, keine Bühnenwelt, son­
dern ein Märchenspiel, wobei die Figuren mehr Träger
»
29
«
eines bestimmten Ethos sind
-
Sarastro, Königin der
Nacht, Pamina, Tamino, Papageno, Papagena
Text
-
von
Schikaneder mit seinem
ten
Königin
Prinzip das böse
men; seine
-
Funktion ist
heit für eine ganz
wird nicht allzu
vor
allem, daß
dem gu­
aus
ernst
er
die
Der
Wechsel
plötzlichen
der Nacht wird unmerklich
die
etc.
genom­
Gelegen­
Mozarts Genius
Entfaltung
objektiviert hier nicht ein Drama, das in
seiner Eigen-Realität ernst genommen werden will
wie in der Entführung, im Figaro und im Don Juan. Er
gibt nicht ein hochstilisiertes Commedia-dell'arte-Stück
wieCosi fan tutte sondern schafft sich die Möglichkeit,
ungebunden durch Rücksicht auf Bühne und Handlung
Welten von sublimer Schönheit, von verliebter Süßig­
keit, von getragenem sittlichen Ethos und einem ganz
persönlichen Humor sich voll entfalten zu lassen. Das
Libretto ermöglicht eine Freiheit des persönlichen Hu­
neue
von
bietet. Mozart
-
-
mors, ein
zu
Erblühen der Natürlichkeit, die
sonst
finden sind. Der Text ist hier vielmehr die
niemals
Gelegen­
heit, eine solche musikalisch-poetische Welt wie das Ter­
zett
der drei Damen im
hold und weise"
Aktes
zu
am
realisieren,
Anfang,
Schluß des
das "Drei
ersten
Knäblein,
Teils des
oder die wunderbare
Kühle,
ersten
nacht­
haft kristallene Koloratur-Arien der Königin der Nacht,
oder diese urklassische Welt der Verliebtheit in Taminos
herrlicher Arie "Dies Bildnis ist bezaubernd schön", in
dem "Bei Männern, welche Liebe
»
30
«
fühlen", die unerhört
natürlichen Arien Papagenos, die eine Welt des be­
glückenden Unsinnmacheus enthalten, sein "Hm, Hm"
Begegnung mit Monostatos: "Das ist der
Teufel ganz gewiß". Welch souveränes Hinweggehen
über alle Regeln, welch selige, geniale Freiheit in dem
"Das klinget so herrlich" oder in dem "Papa-Papa".
oder seine
Welche Kontraste, welche Gegenüberstellung sublimster
Liebe in dem" Tamino mein"
Papagenos "Ein Mäd­
chen oder Weibchen" oder "Es prangt, den Morgen zu
verkünden" der drei Knaben, und der herrliche Chor
zu
der Priester "Pamina lebt" im
ersten
Akt und ,,0 Isis
und Osiris, welche Wonne" im zweiten Akt. In der
Zauberflöte erreicht die oben erwähnte
ihren
Mühelosigkeit
Mit leichter Hand schüttet Mozart
Höhepunkt.
unaufhörlich, in nie endendem Atem, reines Gold
aus
-letzte Reife einer verklärten Tiefe.
Die Bühne ist hier natürlich viel
"Wonne der Bühne" eines
problematischer. Die
Figaro und
Don
Juan kann
nicht erreicht werden. Aber dieser lockere Stil des Mär­
chenspiels ermöglicht
neue
ganz
und sogar dramatischer Art:
neue
Dinge musikalischer
Dimensionen des ge­
Entfaltung überfließen­
grandiosen symphonischen
sungenen Wortes und eine freie
der Schönheit und eines
Charakters der Musik
wie im
-
Fugato mit dem Chor
der heiden Männer, Dimensionen, die die Zauberflöte
einemHöhepunktsui generis machen. Dennoch stehe
ich nicht an, zu wiederholen: das größte ideale Musik-
zu
,.
31
«
drama Mozarts.das letzte Wort der Oper, ist und bleibt
sein Don Giovanni.
Fülle, diese unerhörte Vielgestaltigkeit,
wir bisher erwähnten, betrifft dabei nur ein
Diese ganze
all das,
was
Gebiet
von
Mozarts musikalischem Schaffen: die
Daneben steht Mozart in seinen
ner
Kammermusik und als
Oper.
in sei­
Symphonien,
Schöpfer sakraler Musik.
Dieser Rahmen verbietet mir, auf diese Gebiete seines
Schaffens im einzelnen
einzugehen.
der Haffner- und
In den letzten Sym­
allem
derPrager, Es-dur,
phonien,
eine Welt von
und
steht
g-mollJupiter-Symphonie
Geistigkeit, genialer Durchformung, Licht und edelster
Schönheit vor uns. Alles ist von innerer Notwendigkeit,
unerhörter Präzision und doch so hold, geschenkhaft
erstehend. Während sonst die großen Musikdramatiker
vor
Gluck, Weber, Wagner, Verdi entweder kaum eine
Symphonie geschrieben haben oder nur solche, die tief
ihren Opern
stehen, ist es überwältigend zu sehen,
daß der größte Musikdramatiker. Mozart, in seinen
Symphonien ein Meister ist, der sich auch ohne seine
unter
Opern schon als ein einzigartiges Genie offenbart.
Dasselbe gilt für seine Kammermusik! Das Wort, das
.
Mozart hier
spricht,
täte Es ist ein
ist
von
letzter Tiefe und Geniali­
Schmerz, nicht alle Zweige der
Kammer­
musik erwähnenzu können und nicht einmal viele ein­
zeln
herausgreifen
zu
dürfen. Ein ganzes Leben würde
nicht hinreichen, sich in jedes
»
32
zu
«
vertiefen und das Wort,
das dort
gesprochen ist, in unsere Seele aufzunehmen.
Ich erwähne nur einen Gipfelpunkt eines der sublim­
sten Dinge, die je aus Menschengeist hervorgegangen
sind das Quintett in g-moll. Eine geheimnisvolle Grö­
ße, eine Notwendigkeit und innere Form, eine atem­
beraubende letzte Geistigkeit erfüllt alle Sätze und er­
greift uns zutiefst. In dem Thema des dritten Satzes,
dem Adagio, steht eine himmlische Verklärung vor uns,
-
-
vor
der alle Worte
verstummen.
Wir leben in einer Zeit, die in Gefahr ist,
heit als süßliche, schwächliche Glätte
die einen Kult des Häßlichen
das
etwas
sieht. Welche Botschaft
die Kammermusik Mozarts
-
jede Schön­
verdächtigen,
treibt, die im Häßlichen
Tiefere, in der Harmonie aber
Langweiliges
zu
welche
Billiges
an unsere
und
Zeit ist
Widerlegung
die­
unsinnigen, ja bösen Feindschaft gegen die Schön­
heit! Denken wir an das ungeheure Gebäude seiner Kla­
vierkonzerte, an die Welt inneren Glücks, Lichts, an
den Strom nie versiegender begnadeter Schönheit, der
dort oder im fünften Geigenkonzert und vor allem im
Adagio des vierten Geigenkonzertes zu finden ist. Wel­
che sieghafte Widerlegung dieser modernen Perversion
in dem Genius Mozarts, der sich in seiner ganzen Süßig­
keit, Tiefe und angelischen Verklärung in seiner Kam­
ser
mermusik entfaltet.
In einer Zeit des Kults der
der der Mensch seine
Originalität atout prix, in
Kreatürlichkeit nicht länger aner»
33
«
glaubt, an die Stelle der gottgege­
Mittel, wahrhaft künstlerische Werte
kennen will, in der
benen
Wege
geben,
zu
sen
uns
-
und
er
Esperanto der Atonalität
ein
die Nasen
am
Rücken wachsen
die Kammermusik Mozarts, die
schöpfliche,
was
wahre
Originalität
setzen zu
zu
ewig junge,
aber über dem Arbeiten meine Sachen
annehmen,
sind und nicht in der Manier
zeigt
-,
uner­
ist.
Mozart selbst schreibt in einem Brief:
die Gestalt od.er Manier
lassen
müs­
»
•••
Wie
überhaupt
nun
eben
daß sie mozartisch
irgendeines
andern: das
wird halt ebenso
zugehen, wie, daß meine Nase eben so
groß und herausgebogen, daß sie mozartisch und nicht
wie bei andern Leuten geworden ist! Denn ich lege es
nicht auf Besonderheit an, wüßte die meine auch nicht
einmal näher
zu
beschreiben;
lich, daß die Leute,
ist
ja wohl bloß
die wirklich ein Aussehen
auch verschieden voneinander
aussehen,
wie
von
natür­
haben,
außen,
weiß ich, daß ich mir das eine
innen.
Wenigstens
wenig als das andere gegeben habe."
Unserer ehrfurchtslosen Zeit zeigt die Kammermusik
so von
so
es
Mozarts den Geist wahrer Ehrfurcht gegen Gott und
alle hohen Werte, das bewußte Ja
zu unserer
Situation
als Kreaturen.
Während
man
heute allzuoft
Probleme für tief hält,
durchklingt
nur
Spannung und
alle Werke Mozarts
und in besonderer Weise seine Kammermusik ein strah­
lendes inneres Glück und Licht.
»
34
«
Obgleich Mozart in vie-
ler Hinsicht ein
tragisches Leben hatte, findet sich kaum
im Werk eines anderen Genius ein solches Bekenntnis
dazu, wie schön im Grunde die Schöpfung ist. Trotz al­
ler Tragik dieser Welt, trotz der Züge, die uns berechti­
gen,
von
Mozart
klingt
dieser Erde als Tal der Tränen
so
bekannt und bewußt
sunt
caeli
füllt
von
et terra
Gottes
gen Schönheit
an
waren
durch sein Werk das Wort der
gloria
tua."
zu
sprechen,
wie
nur
die
einem,
Liturgie: »Pleni
Ja, auch die Erde ist
Glorie; auch sie kündet
von
er­
der ewi­
Gottes, auch die Schöpfung ist überreich
geheimnisvoller
Schönheit.
Ein festlicher Glanz
Er erstrahlt
geht
durch das ganze Werk Mo­
Klarinettenquintett, in den
herrlichen sechs, Haydn gewidmeten Quartetten, seinem
wunder baren Klarinettenkonzert, seinen zwei einzigarti­
gen Klavierquartetten sowie in vielen Divertimenti. In
allen begegnet uns diese tiefe Erkenntnis des Glanzes
der Schöpfung, der Festlichkeit aller großen Dinge, der
natürlichen Mysterien dieser Erde. Mozarts Werk ist
die größte Antithese zu der radikalen Ernüchterung
unserer Zeit, zu der Entpoetisierung der Welt, zu dem
Erblinden für die Realität geistiger Gebilde, zur Welt­
auffassung a la baisse und Reduktion der Wirklichkeit
auf das, was mit Kategorien der Naturwissenschaft er­
zarts.
z.
B. im
faßt werden kann. Die wahre tiefe Demut, die in Mo­
zarts
Werk
gende
Wort
lebt, hat Walter Braunfels herrlich in fol­
zusammengefaßt: "Es
»
35
«
ist die menschliche
Hingabe
gen
von
an
das
Geschehen, wie
Vertrauen, daß alles
es
von
auch komme, getra­
Gott
kommt,
für
was
Dinge ihrer Problematik ent­
kleidet und eine Losgelöstheit erwirkt, die zugleich eine
wahrhaftige Hingabe an die Realität des Augenblicks
Mozart die wirklichen
ist; denn die wahre Gelöstheit entfernt sich nicht
der Wirklichkeit, sie
von
zarts
gibt dieser nur ihr besonderes Licht
oben. Es ist die menschliche Demut, die
Musik
spricht
von
aus
Mo­
und ihr dieses Gleichnishafte
welches sie flachen Hörern vielleicht fast
gibt,
leichtfertig
scheinen läßt, für den aufs Wesentliche Hörenden aber
sie
zu
dem macht,
gerade
was
am
stärksten rührt:
dem leichten Gefäß mit dem tiefsten Inhalt. Nur
zu
wer
in Gott
ruht, kann Trauer und Heiterkeit mit solcher
innerer
Seligkeit überstrahlen,
daß diese
menschlichen Gemütes ähnlich auf
Musik ist getragen
von
uns
Gegenpole
des
wirken. Mozarts
einem inneren
Glück, das alle
Gefühle, freudige und schmerzvolle, in Harmonie
bringt. Humor und tiefer Ernst scheinen in dieser Kunst
und in diesem Leben einander bis zur Himmelspforte
zu begleiten. Es ist die Demut vor den Dingen, die da
sind, die Mozarts Welt
so
erhaben natürlich macht."
Wir würden Mozarts Geist nicht
wenn
wir nicht auch mit
Kirchenmusik
einigen
gerecht werden,
Worten auf seine
würden. Kürzlich ist
von je­
eingehen
mand behauptet worden, Mozarts Musik sei der typische
Vertreter des Freimaurergeistes und zeige keine katho-
»
36
«
lischen
Züge.
Denn katholisch sei
er nur aus
Tradition
seines Vaters willen gewesen, das Freimaurer­
und
um
tum
sei sein
Herzensbekenntnis. Diese Be­
eigentliches
typischer Fall einerseits der
oben erwähnten willkürlichen Interpretation, die einen
Künstler den eigenen Wünschen und Vorurteilen an­
paßt, andrerseits des Irrtums, der Weg zur Erfassung
des Geistes, der in einem Kunstwerk lebt, führe über
die Biographie des Künstlers. Es ist wahr, Mozart war
hauptung
ist wieder ein
Freimaurer; denn damals wurde die Freimaurerei noch
nicht als
unverträglich
mit dem katholischen Glauben
betrachtet. Diese humanitäre Verbrüderung war
Mozart wie auch sein Vater
Mode, daß
Freimaurer
waren.
Katholiken. Doch
Aber beide
abgesehen
der
sehr
Leopold Mozart
waren vor
von
so
allem fromme
Frage, wie katho­
lisch Mozart in seinem Leben als Mensch war, müssen
wir sagen: Wer·beim Anhören Mozartischer Musik den
urkatholischen Charakter dieser Musik nicht spürt, der
vom katholischen Geist oder
versteht entweder nichts
nichts
von
Mozart.
einzige bedeutende Werk Mozarts, in dem man
Beziehung' zur Freimauerei finden könnte, ist die
Das
eine
Zauberflöte. Aber selbst hier könnte dies in der Musik
gewisse Stellen Sarastros Arien, die Priester­
chöre usw. bezogen werden. Wir brauchen nur das ,,0
Isis undOsiris" und "In diesen heiligen Hallen" mit dem
nur
auf
-
-
"Ave verum" oder dem "Incarnatus"
»
37
«
aus
der c-moll-
vergleichen, um zu sehen, welch andere, neue
zieht, wenn es sich um die Welt der
Register
Offenbarung handelt, um zu verstehen, daß der erlöste,
Messe
zu
Mozart
verklärte Charakter, der das ganze Werk Mozarts
durchzieht, aus der Religion seine Nahrung bezieht,
dort seine Wurzel hat und in seiner Kirchenmusik noch
eine
spezifisch
sakrale Note erhält.
Wenn in Bachs Matthäus-Passion
den Arien, Chö­
Evangelisten die Welt des Evangeliums
einzigartiger Weise verkörpert ist, so ist die sakrale
ren
in
-
und dem
-
Musik Mozarts
-
sein "Laudate
Dorninum", sein "Ave
verum", das "Kyrie eleison" und
natus"
aus
vor
allem das "Incar­
der c-moll-Messe und das "Recordare"
dem
aus
Requiem in einzigartiger Weise von dem Geist
dessen erfüllt, der sagt: "Denn ich bin demütig und
-
sanftmütig von Herzen."
scher Hauch; sie
atmet
In ihr weht auch ein Mariani­
den Geist der leuchtenden herz­
schmelzenden Liebe. Sie ist erfüllt
der
von
dem Geheimnis
Erlösung.
Wenn wir in Beethovens Missa Solemnis eine Geistes­
verwandtschaft mit der Kreuzabnahme
angelo,
von
Michel­
Spätwerk in dem Dom von Florenz,
Erschaffung Adams in der Sixtina finden,
die Höhepunkte von Mozarts sakraler Musik in
seinem
oder seiner
so
sind
ihrem Ethos zutiefst mit den zwei Meisterwerken
von
Raffael verwandt: den Kartons "Weide meine Lämmer"
und "Der wunderbare
Fischfang"
»
38
«
im Londoner Vic-
erlöste, sublime
toria- und Albert-Museum. Dieselbe
Note, dieselbe Qualität geheimnisvoller Heiligkeit, der­
selbe urkatholische Atem
.
•
Dieses Wunder:
Wolfgang
Amadeus Mozart, diesen
liebenswertesten, unwiderstehlichsten aller großen
nien darf österreich
den Seinen zählen. Das Land
zu
der Musik katexochen,
dem ein
aus
Haydn,
ein Sdru­
bert, ein Bruckner hervorging, ist auch der
boden
von
Mozarts Geist und Wirken. Die
österreicher
Mutter­
Tatsache,
Augsburg stammte und Mozart
Abstammung nach nicht so ausschließlich
ist wie Haydn, Schubert oder Bruckner,
daß Mozarts Vater
darum seiner
Ge­
aus
ändert nichts daran. Denn
es
ist eine altbekannte Tat­
sache, daß viele der größten und typischsten öster­
reicher
aus
anderen Ländern
stammten
Mozarts Musik ist
Prinz
-
wie
vor
allem
universal wie alle
gewiß
Eugen.
Meisterwerke
der
sie
Kunst,
größten
sprengt jeden
geheimnisvollen Größe,
kulturellen Rahmen in ihrer
zugleich für den, der Ohren hat zu hören,
einzigartige Inkarnation des Genius von öster­
aber sie ist
eine
reich, seiner übernationalen katholischen Prägung, seines
festlichen Glanzes, der
erfüllt,
seines
Salzburg in so besonderer Weise
demütigen und uranmutigen Antlitzes.
»
39
«
Hugo von HofmannsthaI sagt: »Mozart war da, und
hier in diesen Gemarken, wo sich das neue und alte
Europa berühren, an diesem Grenzstrich zwischen rö­
mischem, deutschem und slawischem Wesen, hier war
die Musik entstanden, die deutsche Musik, die euro­
päische Musik, die wahre,· ewige Musik unseres Zeit­
alters, die volle Erfüllung, natürlich wie die Natur, un­
schuldig wie
sie. Aus den Tiefen des menschlichsten der
deutschen Stämme
hervorgestiegen, trat sie vor Europa
hin, schön und faßlich wie eine Antike, aber eine christ­
liche, gereinigte Antike, unschuldiger als die erste. Aus
den Tiefen des Volkes
war
das Tiefste und Reinste
geworden; es waren Töne der Freude, ein hei­
liger, beflügelter, leichter Sinn sprach aus ihnen, kein
Leichtsinn; seliges Gefühl des Lebens; die Abgründe
sind geahnt, aber ohne Grauen, das Dunkel noch durch­
strahlt von innigem Licht."
tönend
Wir wollen Abschied nehmen
Worten
eine
von
Franz
von
Mozart mit den
Schubert, bei dessen
Namen auch
einzigartige Welt von tiefster Poesie und unbegreif­
licher Genialität
vor uns
ersteht. Diese Worte erhalten
in dem Munde Schuberts eine besonders
ergreifende
Note:
»Ein heller, lichter, schöner Tag wird dieser durch
mein ganzes Leben bleiben, Wie
mir noch die Zaubertöne
bleiben
uns
von
von
ferne leise hallen
Mozarts Musik
diese schönen Abdrücke in der
»
40
«
...
So
Seele, welche
keine Zeit, keine Umstände verwischen, und
auf
unser
wohltätig
Dasein wirken. Sie
nissen dieses Lebens eine
zeigen uns in den Finster­
lichte, helle, schöne Ferne,
worauf wir mit Zuversicht hoffen. 0 Mozart, unsterb­
licher Mozart, wie viele,
wohltätige
du in
0
wie unendlich viele solche
Abdrücke eines lichtern bessern Lebens hast
unsere
Seelen geprägt!"
Die meisten
von
mir hier zitierten
über Mozart verdanke ich dem Buch
"Bekenntnis
zu
Aussprüche
von
Willi Reich
Mozart", Luzern (45) bei Stocker.
»
41
«
Beetboven
W.nn irgendwo
im Reich der Kunst wir daran
er­
innert werden, daß Gott ebenso der
Inbegriff der
Schönheit wie der Güte und Wahrheit ist, wenn irgend­
wo uns die letzte, geheimnisvolle Einheit des Reiches
der Schönheit mit dem der Güte und Wahrheit in
Gott
aufleuchtet,
wenn
irgendwo
wir den
letzten, tie­
fen Ernst der Schönheit klar erkennen können und
die
eigentliche
dende und
zu
Mission der Kunst: ihre
Gott führende
Stimme,
so
von
Gott kün­
in den Werken
gewissem Sinn größten aller künstlerischen
Ludwig van Beethovens. Denn ohne ihn über
Mozart, Bach, Shakespeare, Michelangelo stellen zu
wollen, verkörpert er doch in sonst kaum erreichter
Weise, den Genius der Kunst als solcher, der letzten
Gestaltung und Vollendung, der durchgängigen Voll­
kommenheit seiner Werke. Es gibt sicher Künstler, die
persönlich noch in anderem Sinne aus dem Glauben und
der Obernatur lebten, wie Fra Angelico, Michelangelo,
Bruckner, es gibt Künstler, deren Werke inhaltlich viel
ausdrücklicher vom Religiösen handeln und uns rein
thematisch auf Gott und die Offenbarung hinlenken,
wie Dante, Bach und Giotto. Es gibt Künstler, deren
dieses in
Genien:
»
45
«
Werke ein
spezifisch überirdisch gelöstes,
himmlisches
Ethos durchzieht, wie Mozart, Raffael. Aber bei Beet­
hoven ist
es
seine Größe und Letztlichkeit als Künstler
selbst, sein Vordringen bis in die letzten Tiefen dessen,
was
die Kunst
zu
geben vermag,
das
uns
den Hauch des
Allerhöchsten in seinen Werken verspüren läßt, wie in
der Natur selbst. Es ist einmal sehr tief gesagt worden,
daß,
wenn
Bach der herrlichsten Architektur
werden kann,
so
Beethoven
nur
verglichen
der Natur.
In Beethovens Werken
spiegeln sich in einzigartiger
Weise der Kosmos und das objektive Reich der Werte
in ihrer klassischen Rangordnung. Kein anderer Künst­
ler ist
so
haften,
umfassend wie
vom
er
und
so
fern von allem Genre­
Steckenbleiben in einem besonderen Sei­
allen persön­
lichen Liebhabereien und Bizarrerien. Seine Kunst muß
tental des Kosmos,
darum als
von
aller Willkür,
von
und klassisch bezeichnet
spezifisch objektiv
werden.
Wir sollten
endlich klar
machen, daß das Schlag­
wort von Beethoven als dem ersten großen Subjek­
tivisten, der in die bis dahin objektive Musik Bachs
und Mozarts das subjektive Element hineingetragen
habe, auf einem völligen Mißverständnis beruht. Das­
selbe gilt von dem verwandten Schlagwort, Beethoven
sei der erste Romantiker, der Mann des neunzehnten
Jahrhunderts, im Gegensatz zu den Klassikern Haydn
uns
und Mozart; und ebenso ist Beethoven als der Titane
»
46
«
mit der
eine
geballten Faust,
unselige Legende.
Alternativen "subjektiv" und "objektiv" sowie
tisch" und "klassisch" sind
jedoch
ganz
Die
"roman­
vieldeutig.
Der
Terminus romantisch wird dabei in drei verschiedenen
Bedeutungen verwandt, ohne aber diese Bedeutungen
zu scheiden, ja ohne sich des Sprunges von einer Bedeu­
tung
zur
anderen bewußt
Einmal hat der
Begriff
zu
sein.
"
"
romantisch einen rein histo­
rischen Sinn. Er bedeutet die Klassifikation eines Künst­
lers in Bezug auf die Epoche in der
Sinn stellt man Schubert, Weber,
er
wirkte. In diesem
Chopin, Schumann,
Berlioz, Wagner, Brahms als Romantiker, den Klassi­
kern Bach, Händel, Gluck, Mozart, gegenüber, ebenso
wie
man
in der Literatur Keats,
Kleist, Hoelderlin,
Eichendorff, Novalis, E. T. A. Hoffmann als Roman­
tiker, Schiller und Goethe als Klassikern gegenüber
stellt. Diese
Klassifizierung enthält keinerlei qualitative
eigentlichen künstlerischen Gehaltes.
Charakteristik des
Sie ist rein historisch und nicht
ästhetisch; denn
diesem Sinn romantische Künstler
sind
vom
künstlerischen Standpunkt
was
in
gemeinsam haben,
aus
ganz
unwesent­
liche Außerlichkeiten und enthalten noch keinerlei Cha­
rakteristik der künstlerischen Welt der Einzelnen; sie
besagen noch viel weniger als der Stil in der Architektur
ja nur eine Sprache und nicht der
und auch dieser ist
künstlerische Inhalt. Keats und Eichendorff haben eben­
sowenig Verwandtschaft
»
wie
47
Chopin
«
und Wagner.
Der Terminus "romantisch" kann aber auch einen
ganz anderen Sinn
haben,
wenn er
nämlich auf eine
bestimmte Qualität der Kunstwerke hinweist, die ein
Kunstwerk
unabhängig
von
der rein historischen
Klassifikation charakterisiert. Romantisch weist dann
auf eine lockere Form, auf eine reizvoll poetische
tät
gegenüber
Quali­
dem Monumentalen des Klassischen hin.
Es soll dann einen Charakter des
malerischen,
gegen­
über dem architektonischen kennzeichnen. In diesem
Sinn ist die Kunst Eichendorffs
Keats, obgleich historisch
zu
romantisch, während
dieser Periode
gehörend,
durchaus klassisch und nicht romantisch ist. Oder in
diesem Sinn ist Webero's Meisterwerk, der Freischütz,
romantisch, der Barbier von Sevilla spez. unromantisch.
Endlich kann der Terminus romantisch auch ein
gatives
Werturteil beinhalten, ein Arbeiten mit
ne­
billige­
Effekten, eine subjektivistische Note, ein Element
des Sentimentalen im Gegensatz zur wahren objektiven,
großen Kunst. Romantisch ist dann eine Kunst, deren
ren
Form nicht
nur
locker, sondern deren künstlerischer
Gehalt verschwimmend und
qualitativ billiger ist. In
Grieg romantisch oder die
diesem Sinn ist vielleicht
»Träumerei"
oder
tik
Weber,
völlig
von
Gegensatz zu Schubert
negativen Sinn von Roman­
Schumann im
die in diesem
unromantisch sind.
Beethoven einen Romantiker
leicht sehen kann, in
jeder
zu
ist, wie
man
Bedeutungen
von
nennen,
der drei
Beethoven
Romantik
weder
gehört er zeitlich ein­
Jahrhundert, noch paßt auf
irgendeines der qualitativen Charakteri­
unmöglich;
in das neunzehnte
deutig
seine Musik
stika des Terminus »romantisch", die
z.
B. auf Weber
anwendbar sind.
Furtwängler
sagt in seinem Aufsatz über Beethoven:
»Was bei Beethoven
mehr
was
zur
ich das "Gesetz"
keiner
tige.
Auswirkung
sonst
das
vor
allem ins Auge fällt, und
kommt als bei
nennen
anderen,
ist
das,
möchte. Er erstrebt wie
Natürlich-Gesetzmäßige,
das
Endgül­
Daher die außerordentliche Klarheit, die seine Mu­
sik kennzeichnet. Die Art
waltet,
von
Einfachheit, die
in ihr
ist nicht die Einfachheit der Naivität, ist nicht
Primitivität. Und dennoch ist niemals eine Musik ge­
schrieben
worden, die so direkt, so offen, gleichsam
nackt dem Hörer entgegentritt.
Noch viel weniger finden wir in Beethovens Werk
"
Romantisches im Sinn eines künstlerischen Unwertes.
Furtwängler
sagt weiter:
"Diese besondere Art
den Verzicht auf alle
von
Klarheit bedeutet indessen
Mittel
jene
-
die
es
in der Kunst
gibt wie im Leben das Gesagte in vorteilhafte
Beleuchtung zu rücken, es durch die Art der Färbung,
der Pointierung tiefer und größer erscheinen zu lassen,
ebenso
als
es
-
in Wirklichkeit ist."
Auch der Ausdruck
objektiv und subjektiv ist viel­
deutig. Oft identifiziert man objektiv oder sachlich mit
»
49
«
neutral. Es ist dies ein besonderer Irrtum
der in dem Ideal der sogenannten
unserer
neuen
Zeit,
Sachlichkeit
Ausdruck findet. Alles
Affektive, alles
typischen
ist nach
Ekstase
Personale, jedes Ethos, jeder Glanz, jede
dieser Terminologie, subjektiv unsachlich. Im Grund ist
dieses Ideal ein Teil des allgemeinen Antipersonalismus,
seinen
der seinen furchtbarsten Ausdruck in den totalitären
Idolen findet.
Die Identifikation
Neutralität und
Objektivität
verhängnisvoller Irrtum. Objektivität mißt sich
an der inneren Angemessenheit, an der übereinstim­
mung mit dem Logos des Seienden, der adäquaten Ant­
von
ist ein
wort
auf das Reich der Werte. Die Person ist in keiner
Weise als solche
worten
unobjektiv,
der echten
die affektiven Wert-Ant­
Freude, des echten
wahren Liebe, sind der
Schmerzes, der
Inbegriff des objektiven
in dem
wahren Sinn dieses Terminus.
Subjektiv im negativen Sinn sind nur die unangemes­
sene
Antwort, der Irrtum, das Vorurteil, die sentimen­
tale, selbstgenießerischeTrauer, diePseudoliebe. Zu dem
Subjektiven in diesem Sinn bilden gerade die gültigen
personalen Akte, die wahre Liebe, die wahre Trauer,
die wahre Freude, die spezifische Antithese.
Von Subjektivität als Tadel können wir in der Kunst
in verschiedenem Sinne sprechen. Wir können darunter
zunächst die Tatsache verstehen, daß die eigentliche Ob­
jektivierung im Sinne voller Gestaltung fehlt, daß die
»
50
«
übersetzung � die Welt der Kunst nicht voll gelungen
ist, daß jene Projektion, die dem Kunstwerk sein Eigen­
leben verleiht, durch die
es erst zu
einem Gefäß künst­
lerischer Gehalte wird, fehlt. Eine edle Intention, ein ed­
les Ethos mag das Werk erfüllen, aber es fehlt die über­
setzung in die objektive Sprache der Kunst. Eine in die­
Sinn
sem
subjektive
Wer ken Schillers
Kunst
liegt
etwa
typisch
bei vielen
vor.
sehen, daß Beethovens Geist
hierzu den äußersten Gegensatz bildet. Wohl bei kei­
Es ist nicht schwer
nem
zu
Künstler finden wir eine
Erfüllung,
bei keinem ein
so
so
restlose künstlerische
bewußtes Anstreben
spezi­
fisch künstlerischer Welten, bei keinem eine solche ziel­
Realisierung dieser Welten bis ins Letzte. üb
wir an seine Quartette, an seine Klavierkonzerte, an
seine Symphonien denken, ob wir auf den Fidelio oder
bewußte
auf die Missa Solemnis blicken, immer tritt
Reich der Kunst in seiner reinsten
uns
Eigensprache
das
entge­
gen. Nie finden wir eine ethische Absicht des Künstlers
als Surrogat für das Kunstwerk oder auch
setzt
ter
daneben stehend, alles trägt
so
den
nur
unüber­
Stempel
letz­
Vollendung, daß Beethoven in diesem
objektivste aller Künstler bezeichnet wer­
zielbewußter
Sinne als der
den muß.
subjektiven Kunst auch noch in
einem anderen Sinn sprechen, indem man dabei die
Qualität des Ethos meint, das dieselbe erfüllt. Es gibt
Man kann
von
einer
»
51
«
eine Kunst, in der ein
Sich-wichtig-Nehmen waltet, ein
subjektivistisches Schwelgen in seinen Gefühlen, ein ka­
priziöses Sich -seinen Launen überlassen, eine Kunst, die
nicht durch den objektiven Logos diktiert ist, sondern
durch das Sich-ausleben-Wollen des Künstlers. Hier liegt
-
-
ein Ethos vor, das leicht ins Sentimentale
jedenfalls
mündet, das
und Willkür durchsetzt ist.
Selbstgenuß
hingegen ist wie keine andere
ein Niederschlag des objektiven Logos. Das Ethos, das
sie durchsetzt, ist ganz und gar das einer ehrfürchtig er­
griffenen Wertanwort, einer Hingabe an das Reich der
Werte und an Gott. Es ist von allem Selbstgenuß und
allem Sich-wichtig-Nehmen denkbar fern.
Furtwängler sagt: "Beethoven will nie .tief' erschei­
nen
er will überhaupt nicht ,erscheinen', er .ist' nur
darin zeigt sich seine wahre Tiefe, seine echte Unschuld.
Man denke an die Darstellung der Liebe im Fidelio und
von
Die Kunst Beethovens
-
-
"
in dem Liede "An die ferne Geliebte": welch
Die
hingebendes
Objektivität und
Kunst offenbart sich auch
hoven eine
eine ganz
klassisches,
Ethos finden wir da.
sich selbst
Klassizität Beethovenscher
darin, daß die
Form bei Beet­
erreicht hat. Es ist
einzigartige Vollendung
innen her erfüllte, von aller
von
Konvention
freie Form, eine Form, die in
jedem Moment eine neue
gerade darum von einer voll­
Erfindung darstellt, und
kommenen Logik und frei von aller Willkür ist. Auch
in dieser letzten Durchdringung von Form und künst»
52
«
lerischem Ethos prägt sich' aus, in welchem Maß die
Kunst Beethovens ein Niederschlag des objektiven Lo­
gos ist. Von einem Zerreißen oder Durchbrechen der
Form in künstlerischem Sinne kann bei ihm
die Rede sein. Wer das meint,
am
aller­
fälschlich
wenigsten
die Qualität eines bestimmten neutralen Ethos mit dem
Vorhandensein der künstlerischen Form gleich.
Beethoven ist vielleicht der bewußteste Künstler, den
setzt
gegeben, bewußt im Sinne eines zielbewußten Arbei­
tens. Es ist bekannt, wie Beethoven an seinen Werken
arbeitete, wie die Inspiration in den Prozeß bewußten
Arbeitens übergreift, im Gegensatz etwa zu Mozart, bei
dem mehr ein unbewußtes Beschenktwerden vorliegt.
Beethoven arbeitete lange an einem Werk, bis das reali­
siert war, was der Genius ihm eingab. Nichts wäre kurz­
sichtiger, als dieses bewußte Produzieren als einen Ge­
gensatz zu genialer Inspiration anzusehen. Es ist nicht
eine gewöhnliche, zielbewußte Arbeit, die sich von
außen auf die Inspiration richtet und sie "verarbeitet",
ganz im Gegenteil: der Prozeß bewußten Arbeitens ist
selbst ein durch und durch inspirierter.
es
Wenn
man
die
ersten
fertigen Werk vergleicht,
welch ein künstlerischer
Skizzen
so
kann
Aufstieg
zur
Eroica mit dem
man
deutlich sehen,
in dem Prozeß der
Durcharbeitung stattfindet, wie die entscheidenden Ein­
fälle sich erst bei der Herausarbeitung einstellten. Daher
kommt
es,
daß Beethovens Werke durch die letzte Aus-
»
53
«
gestaltung und vollendete Durcharbeitung nichts von
der Unmittelbarkeit, Beschenktheit des ersten Einfalles
verlieren. Ja der grandiose Wurf, der kühn umfassende
Schwung, den manchmal großartige, geniale Skizzen be­
sitzen, finden sich
ganz in Beethovens
Werken, neben
Vollendung und Abwesen­
heit alles nur Skizzenhaften, eine einzigartige Verbin­
dung meist sich ausschließender Vorzüge
Die Tiefe, Freiheit gewisser Skizzen beruht darauf,
daß mit einer kühnen, großen, einfachen Linie viel um­
faßt, tiefes gesagt, hauchhafl: angedeutet wird: Diese
der letzten ausdrücklichen
-
.
.
Tiefe und Freiheit hat Beethoven bei letzter Durch­
jeder Einzelheit bei aller Differenzierung.
Auch das hauchhaft Geheimnisvolle, das gewisse Skiz­
zen besitzen können, das leicht durch jene detaillierte
gestaltung
in
Arbeit zerrinnt, die ein Werk
zur
vollen Wirklichkeit
werden läßt, ist beiBeethoven völlig
gewahrt bei letzter
Realisierung. Man denke nur an die Eroica, an den An­
fang des zweiten Aktes in Fidelio, an den ersten Satz
des Quartetts opus 132.
Darum ist Beethoven, der spezifische Geformte, in
dem, wie Furtwängler so schön sagt das »Gesetz waltet"
wie sonst nirgends, zugleich die äußerste Antithese zu
allem Akademischen, Konventionellen. Ja, noch mehr:
Oft bildet die volle Durchgestaltung. das klar, präzis
Gesagte, das bis
gensatz
zum
letzten
Ausgesprochene, einen Ge­
Mysterium, zum »Unendlichen", nur ahzum
»
54
«
nungsweise Andeutbaren.
Bei Beethoven
sich die zwei Elemente. Wenn wir
an
durchdringen
den
ersten
Satz
Symphonie denken, so ist einerseits alles
in unheimlicher Notwendigkeit ausgesprochen, in letz­
ter Bewußtheit durchgestaltet, und doch gibt es kein
Werk, das uns die unendliche Tiefe hinter dem Gesagten
mehr vermittelt, kein Werk, in dem die klare, scharf
zugespitzte Form uns weniger ein "Gefühl" des End­
lichen gibt. Beide Elemente durchdringen sich hier zu
einem solchen Grad, daß gerade das geheimnisvoll Un­
aussprechliche in unerhörter Eindeutigkeit gegeben
wird, und das voll ausgesprochene die Türe zum Un­
aussprechlichen nicht nur offen läßt, sondern sogar öff­
der Neunten
net.
In Beethovens Werk lebt
den
heiligen Augustinus
etwas von
dem Geist, der
in seinen Confessiones sagen
läßt:
Und
was
sagt das
alles, mein Gott,
mein
Leben, meine heilige Freude,
oder was redet, wer von Dir redet? Und
doch, wehe denen, die von Dir schweigen,
wo
der Beredten Worte
stumm
Derselbe Beethoven, der alles
anderer sagt, der
es so
so
bewußt und
sind.
treffsicher wie kein
notwendig
sagt, hat
doch die unerhörte Diskretion des "Offenlassens" oder,
wie wir auch sagen
können,
»
55
er
«
hat nie die Prätention
des
Erschöpfens;
er
ist allem
Rationalismus, aller dün­
akademischen Klarheit denkbar entgegengesetzt.
In jeder Kunst ist die innere Notwendigkeit eines der
nen
wesentlichen Elemente wahrer Größe. Alle Meister­
werke zeichnen sich dadurch
daß nichts
zufällig ist
überzeugend sind, und
aus,
ihnen, daß sie in jeder Phase
man das Gefühl hat, ja so muß es sein, und nicht anders.
in
In Beethoven erreicht diese
Notwendigkeit einen ein­
zigartigen Höhepunkt. Nichts ist von ungefähr, nichts
könnte anders sein, und diese beglückende und über­
zeugende Notwendigkeit wächst mit der inneren Ent­
wicklung und erreicht in der Neunten ein in der ganzen
Sphäre der Kunst, Musik, Literatur, bildenden Kunst,
unerreichten Gipfel. Diese Notwendigkeit hängt tief
mit der Bewußtheit und Durchgeformtheit zusammen.
In besonderer Weise bewußt
in dem Sinn, daß
er
war
die Welt des
Beethoven weiter
spezifisch
Künstleri­
schen als solche in ihrem letzten Ernst und ihrer letzten
Tiefe anstrebte, daß
er
nicht in der
Beschäftigung
mit
sonstigen inhaltlichen Problemen, noch
weniger mit technischen, gleichsam ohne es zu wissen,
die höchsten künstlerischen Welten realisierte, sondern
ethischen oder
daß
er
bewußt auf das zusteuerte,
was
den letzten Sinn
und die letzte Mission der Kunst ausmacht. Das ist wie­
derum kein
retrospektives, theoretisches Verhältnis, das
eine Art Surrogat für originäre Schöpfung darstellt, wie
etwa bei Lessing oder bei manchen Künstlern der Ro»
56
«
mantik oder des deutschen Idealismus, sondern ein Er­
griffenwerden des ganzen Menschen, auch der bewußten
Sphäre, von dem künstlerischen Genius, eine solche
überfülle der Schöpferkraft, eine solche Inkarnation
der Welt der Kunst in seiner Person, daß sie auch
einem letzten bewußten Erfassen
zu
der Geheimnisse
führte, die das Reich der Schönheit birgt.
Nur der in
diesem Sinn bewußteste Künstler konnte Werke wie die
späten Quartette schreiben. Nur ein solcher konnte in
diese letzten künstlerischen Tiefen
vordringen,
ungeahnten Möglichkeiten letzten Ernstes,
in die
die sich hier
bieten, und die den Geist des Hörers ohne alle inhalt­
lichen Brücken die Nähe des Allerhöchsten fühlen lassen.
In Beethoven tritt in besonderer Weise neben der
Melodie das Thema hervor. Im Späten Beethoven ge­
winnt diese Form musikalischen Einfalls eine immer
.
größere Bedeutung. In eine kurze, gedrungene Linie ist
eine so unerschöpfliche Fülle von Schönheit, künstleri­
schen Gehaltes und poetischer Welt eingefangen, daß
ein solches Thema jedesmal, wenn es erneut ertönt, die­
selbe geheimnisvolle Wirkung hat. Es kann und muß
viel öfter wiederholt werden als die eigentliche Melodie.
Auch hat es eine potenziert geistige, gleichsam des Sin­
nenhaften entkleidete Note gegenüber der Melodie.
Denken wir an das Anfangsthema der Neunten oder
die Themen im Scherzo der Neunten,
in den späten
Quartetten.
»
an
die Themen
Mit dieser nackten
57
«
Spirituali-
tät berühren wir eine besondere
Eigenart des späten
Beethoven. In den späten Quartetten von op. 127 bis
op. 135 finden wir eine geheimnisvolle Geistigkeit, ein
Vordringen zu einer nackten künstle-rischen U rsubstanz,
und zugleich ein innerstes, einsames Wort letzter Ver­
klärung und Sublimität.
Einzigartig ist bei Beethoven die Vielgestalt dessen,
was
einem Thema oder einer Melodie macht.
er aus
Denken wir
etwa an
das
Allegro-Thema im letzten Satz
des op.59, Nr.I, das in seiner heiteren Belebtheit auf das
herrliche tragische Adagio folgt. Am Ende des letzten
Satzes kommt
es
überraschenderweise
langsam, feier­
Ergrif­
lich wieder, in bedeutsamer Entferntheit und
fenheit, wie ein herrliches Licht
Einfall in der Formung
liegt
am
Horizont. Welcher
hier vor! Welche Weiter­
führung eines thematischen Einfalls! Dasselbe zeigt sich
an unzähligen Stellen bei Beethoven; denken wir etwa
an die marschartige Fassung des Themas von "Freude
schöner Götterfunken" im letzten Satz der Neunten.
Bewußt ist endlich das Ethos, das Beethovens Kunst
durchzieht. Die Bewußtheit im Ethos Beethovens
seinen Werken einen Ernst, eine Erhabenheit und
gibt
Tiefe,
die wir
analog nur bei Michelangelo finden. Sie ist eine
Steigerung in der Richtung der ehrfürchtig ergriffenen
Hingabe, wir können sagen: des theozentrischen Grund­
zuges der Welt Beethovens und
scharf
von
al1em
trennt
ihn besonders
retrospektiven Selbstgenuß
»
58
«
der Ro-
mantik im
negativen
seinen Werken nicht
heitsstempel,
Sinn. Diese Bewußtheit nimmt
nur
nicht einen
gewissen Keusch­
der das Naive im guten Sinne auszeichnet,
sondern verbindet eine
einzigartige Geistigkeit, Wach­
heit und
mit Einfachheit und einsamer
Abgeklärtheit
Größe, sie führt zu einer solchen Selbstverständlichkeit
und Schlichtheit, wie sie uns sonst nur in der Gottes
Herrlichkeit direkt kündenden Natur
begegnet.
Furt­
wängler sagt: »Bei aller Gewalt, die diese Musik durch­
webt, ist es wie eine heilige Nüchternheit, die sie in das
Gesetz alles
Sie ist
explosiv, ja
ekstatisch bis zur Grenze menschlicher Erlebnismöglich­
keit und dennoch nicht im geringsten exaltiert. Diese
Bewußtheit gerade ist ein besonderes Merkmal seiner
Objektivität.
Die ehrfürchtige Wertantwortshaltung, die Beet­
hovens Werke durchzieht, die den äußersten Gegenpol
zu allem Willkürlichen, Spielerischen, Artistischen, in
irgend einem weiteren Sinne Frivolen darstellt, schließt
auch von vornherein die titanisch verkrampfte, tragi­
zistische Geste aus, die man Beethoven angedichtet hat.
Die einsame Tragik des Menschen Beethoven, der mit
einem schweren Schicksal zu kämpfen hatte, hat man,
entgegen seiner eigenen Versicherung im Heiligen­
Organischen zwingt.
"
-
städter Testament, nicht
senszug
einem
primären We­
des Menschen Beethoven umgedeutet, sondern
auch in sein Werk
nur zu
hineinprojiziert.
»
59
«
Man hat in dem
Ethos seiner Werke ein rebellisch titanisches Element
finden
wollen, ihn bald als den Titanen gestempelt, der
die alte straffe Form sprengte, bald
schen
Revolutionär,
Auflehnung gegen Gott und die
nung
dem
metaphysi­
prometheische
objektive Wertord­
zu
dessen Geist eine
atmet.
Nichts kann verkehrter sein. Wer aller­
dings zu der Kunst nur dadurch ein Verhältnis gewinnt,
daß er ein gewisses soziales Bild des Künstlers oder gar
die Atmosphäre der Zeit, in der er lebte, dazu assoziiert,
statt das zu erfassen, was die Werke selbst verkünden,
mag solches in Beethovens Kunst
finden wähnen. In
zu
gibt es kein bejahenderes, der Wertewelt kor­
relativentsprechenderes Ethos als das seine, und nur so
Wahrheit
weit enthält
es
einen Protest, als
es
sich gegen alles
konventionell Leere,
Niedrige, Gemeine, Mediokre,
Philiströse richtet. Wenn irgendwo,
Beethoven eine Kunst,
aus
der
uns
so
finden wir bei
die
welt in ihrem klassischen Aufbau
objektive Werte­
entgegenblickt, die
alle echten Güter in intimster Weise versteht und ge­
rade darum ihren letzten Hinweis nach oben zum "Va­
der Lichter" unentwegt festhält.
In Beethovens Kunst tritt uns eine
ter
grandiose Kraft
entgegen, wie sonst nur in Michelangelo. Er ist gigan­
tisch, ohne je massiv, von elementarer, entfesselter
Kraft, ohne die
Form
die unerhörte
Kondensierung,
zu
sprengen;
Gewalt der Neunten, die bis
»
60
«
man
an
zum
denke
nur an
die atemraubende
Bersten
geladene
Freude im Scherzo der Neunten, die
punkt
zugleich ein Höhe­
der straffsten Form ist! Man denke
walt des Finale der Fünften oder des
ersten
an
die Ge­
Satzes der
Eroica. Diese Gewalt ist wohl der
die
Titanen mit der
Ausgangspunkt für
geballten Faust. Man
Legende
glaubt fälschlich grandiose Kraft sei nur im Protest, in
der Auflehnung gegen die gottgewollte Ordnung, im
vom
revolutionären Gestus, in der Disharmonie
zu
finden.
großer Irrtum. Man verkennt, daß die größte
Kraft in der Ordnung liegt, daß sich die göttliche Kraft
im Gesetz der Natur offenbart, daß die Schöpfung, Maß
und Ordnung aufweist und nicht Chaos.
Das ist ein
Beethovens Kraft ist nicht die des Titanen mit der
geballten Faust, noch ist die Tragik in vielen seiner
Werke, z. B. der zweite Satz der Eroica, das Adagio des
Harfenquartetts, die Cavatine, und vieles andere, die
des rebellischen Titanen oder des metaphysischen Pessi­
misten. Es ist die wahre Tragik des" vallis lacrimarum",
hinter der die sieghafte Freude steht, die das letzte Wort
hat. In Beethovens Kunst lebt diese sieghafte Freude in
einzigartiger Weise Schmerz und Freude leuchten hier
-
in ihrem wahren klassischen Verhältnis auf. Beethoven
dringt
bis in die tiefsten
Mysterien des Leidens, aber
er
zieht auch alle Register der Freude und des Glücks wie
von dem Übermut in den Schlußsätzen
kein anderer,
von
opus
18, 5 und 6; oder der strahlenden Freude der
Schlußsätze der Klavier-Konzerte in G-dur und Es-dur,
»
61
«
der
von
platzenden hochgespannten
Freude im Schlußsatz
opus 59, 2, dem strahlenden
epischen
Pastorale, in dem
ersten
Glück in der
und letzten Satz der vierten,
der siebenten und der achten
Symphonie bis zu der sieg­
haften Ekstase der Freude im Schlußsatz der neunten,
und der
1 a,
ergriffenen Seligkeit
man
denke
130. Er ist das
an
im Benedictus der missa.
den Schlußsatz des
Letzte,
was
Beethoven
Quartetts opus
komponierte, als
schwerkranker Mann, im
Angesicht des Todes. Nichts
ergreifender
abgeklärte, strahlende Freudig­
keit dieses Satzes, das letzte Wort, auf die unvergleich­
liche sublime Cavatine folgend.
Welche Fülle von Naturwelten in seinen Sympho­
nien, welche gelöste, befreite Heiterkeit in den Scherzi,
die zu jeder tragizistischen Einstellung den größten
Gegensatz darstellen! Man suche vielmehr in seine Sym­
phonien wirklich einzudringen, und man wird die sieg­
hafte Bejahung und das Sprechen aus der objektiven
Wertordnung, aus einem letztlich harmonischen Kos­
mos heraus deutlich vernehmen. Spiegelt sich nicht
überall, z. B. in der achten Symphonie, das unver­
krampfte, völlige "Mitgehen" mit dem objektiven
Rhythmus der Welt der Werte? Nennt man Beethoven
titanisch, verkrampft und pathetisdi-tragizistisch, so
als die
ist
kann
man
ebenso die Natur in ihrer" schlichten Gran­
diosität, in ihrem demütigen Künden von Gott titanisch
und
pathetisch
nennen.
»
Wo
62
gibt
«
es
eine
unproble-
matischere
Verherrlichung
der Liebe als im
Fidelio, in
einzig herrlichen Figur Leonores? Warum reizt
Beethoven nicht irgendein bizarres Problem, irgendein
Widerspruch, irgendeine ungebändigte, zerstörende Lei­
denschaft, sondern die Darstellung der edelsten ehe­
lichen Liebe und Treue? Wer kann den Gefangenenchor
im Fidelio oder das Ensemble an der Stelle, wo Florestan
von Leonore die Ketten abgenommen werden, hören,
der
ohne dieses
antwort
ehrfürchtig ergriffene
durchtränkte Ethos
zu
von
spüren, ohne
stehen, daß hier der äußerste Gegenpol
schen Disharmonie
Wir sagten in
so
zu
zu ver­
aller titani­
vorliegt?
unserem
anderer Musiker
letzter Wert­
Vortrag über Mozart, daß kein
universal ist wie er, weil
er
auf allen
Gebieten, Oper, Symphonie, Kammermusik, Kirchen­
musik, Größtes geleistet hat. Beethoven aber können
wir in einem ganz anderen Sinn als den universalsten
oder umfassendsten Musiker bezeichnen. Während Mo­
zart
in allen verschiedenen Gebieten der Musik
der unerhörten
seiner
trotz
und Kon­
Register
Vielgestalt
immer
Sinne
derselbe bleibt,
zeption-doch gewissem
geht Beethoven so auf die Eigenart der Sonate, der
Symphonie, des Quartetts, der Geigensonate, der Kla­
vier-Konzerte ein, daß er je nach der spezifischen Form
ganz andere Register zieht. Wir können, trotz aller
in
individuellen Verschiedenheit der einzelnen Sonaten,
Symphonien, Quartette,
»
doch
63
«
von
einem Beethoven
der Sonaten, der
Symphonien, der Quartette sprechen.
jeweilige Form viel ernster als irgendein
anderer Musiker; er erfüllt ihren spezifischen Sinn, ihre
Er nimmt die
besondere
und
Eigenart in so hohem Maße, daß wir bei ihm
bei ihm das Gefühl haben,
nur
es
ist die Sonate
schlechtweg, die Symphonie, das Quartett und so fort.
Mag die g-moll-Symphonie Mozarts ebenso schön sein
wie die vierte oder fünfte Symphonie Beethovens, die
Beethovenschen Symphonien sind die Symphonien
katexochen, die Erfüllung des Wesens der Symphonie,
des Urbildes der Symphonie. Dasselbe gilt für die Kla­
viersonaten, und erst recht für die Quartette.
In besonderer Weise gilt dies für die Missa Solemnis.
Hier tritt
und
vor
uns
eine ganz
neue
Seite Beethovens entgegen
allem hat sie nicht den Charakter einer Messe,
schlechtweg. Die Messen von Mozart
erblühen selbstverständlich in dem religiösen Raum der
Kirche, hier aber liegt eine Intention vor, die Messe als
solche künstlerisch gültig zu fassen und nicht nur eine
Intention, sondern eine volle Erfüllung. Wenn wir an
diese letzte Erfüllung der jeweiligen Musikform den­
sondern der Messe
ken,
so
sehen wir, daß Beethoven in diesem Sinn als der
objektivste
aller Künstler bezeichnet werden muß.
Das Werk Beethovens stellt als Ganzes eine
schöpfliche
Welt der sublimsten Schönheit und Größe
dar. Es ist als ob Beethoven
kalischen
uner­
Möglichkeiten
»
aus
dem Zentrum der musi­
heraus schaffte, in allen Rich64
«
.
Milone
"
umschlnge, Seid
Göterfunk
-
"Freud, schöner
Bethovns:van
Ludwig
Handschrift
tungen das Entscheidende
gültige
Wort
sprechend.
Welche letzte Schönheit, bedeutsame atemraubende
Tiefe offenbart sich in seinen
umfassende Größe in seinen
Quartetten, welche welt­
Symphonien. In den Kla­
vier-Konzerten entwickelt das Klavier all seine
allen konzertanten
Glanz,
ein kühnes
Brillanz,
Jauchzen;
in dem
Violin-Konzert kommt alle Sublimität und schwebende
Verklärtheit der Geige, dieser Seele
menten,
zur
Geltung.
faltung, welche Schätze
unter
den Instru­
Welche Welt musikalischer Ent­
von
Schönheit in seinen Klavier­
Sonaten, welche neue Note in den herrlichen Geigen­
und Cello-Sonaten, Klavier-Trios! Gewiß, die Lieder
bei Beethoven haben noch nicht denselben Rang wie
seine anderen Werke, insofern sie nicht die Erfüllung
der Idee des Liedes, die vollkommenste Verbindung
Gedicht und Musik wie bei Schubert sind. Aber
dem ist die "Ferne
Geliebte",
von
trotz­
das schönste Lied, das
je­
mals geschrieben wurde. Welch einzigartiges Gebilde sind
die schottischen Lieder! Wie ist in dieser Kammermusik
der besondere Zauber dieses
Volksliedartigen getroffen.
Oper wie alle seine
Symphonien die Symphonien, seine Kammermusik aller
Gewiß, der Fidelio ist nicht die
Art, die Kammermusik, die Missa Solemnis die Messe
ist.
Oper wie die dramatische
Durchgestaltung aller Figuren, auch der Nebenfiguren,
die Erfüllung all dessen was die Bühne und das Theater
Viele Dimensionen der
»
65
«
im höchsten Sinne des Wortes
zu
geben haben,
der
Humor, die Komik, die in Mozart ihre höchste Aus­
sind in Fidelio nicht
entfaltet, und
doch ist auch der Fidelio ein letzter Höhepunkt inner­
halb der Oper, er besitzt eine unerhörte, nur ihm eigene
Dramatik, er öffnet Horizonte menschlicher Tiefe, die
Mozart nicht zu geben intendiert. Denken wir nur an
die große Szene der Befreiung im zweiten Akt.
Die ungeheuere Dramatik in dem Trompetensignal,
das als rettendes Licht in die höchste Spannung ein­
dringt, verheißungsvoll, ein Höhepunkt des Geschehens,
wird in unerhörter Weise aufgenommen von der inne­
gestaltung finden,
Dramatik des Duetts: ,,0 namenlose Freude!" Es
ren
ist
etwas
unerhörtes,
was
Beethoven in diesem Duett
gibt. Es ist so genial, daß unbekümmert um die ganze
Handlung, das Kommen des Ministers, das Hinauf­
gehen Pizarros die große Liebe, das Wiedersehen, die
Erfüllung der langen Sehnsucht, ihren absoluten Vor­
rang durchsetzen. In diesem Moment versinkt die Welt,
-
-
alles andere tritt zurück, der Innenraum der Liebe bil­
det einen dramatischen Abschluß. Welch dramatischer
Einfall in diesem
so
"Endgültigkeit"
im
alles
Höhepunkt, diese
Sich-wie der-finden, ein: "Jetzt ist
ganz entrückten
gut".
Und welcher Ausdruck der
fendsten intensivsten
Seligkeit,
der
ergrei­
Liebe, des frommen Dankes an
Gott, eines unerhörten Finale-Elementes! Unhesdireib»
66
«
lieh ist die
endgültige Erfüllung gegeben, wenn hier
verklingen. Das ist einer der Momente wie
auch der Gefangenenchor und das »0 Gott, welch ein
Augenblick", die dem Fidelio eine ganz einzigartige
Ernst- und Tiefenstellung innerhalb der Opern sichern.
Nichts Ahnliches finden wir je bei Mozart, trotz seiner
einzigartigen Genialität als Dramatiker, seiner Shake­
speareschen Durchgestaltung aller Figuren. Aber diese
Gewalt und Größe in der Wiedergabe einer Situation,
die uns zutiefst persönlich ergreift, die von einem letzdiese Töne
ten
menschlichen Ernst erfüllt ist wie im
Fidelio, hat
er
nicht.
Ein
Unterschied
merkwürdiger
Beethoven tritt
uns
von
Mozart und
hier entgegen. Beethoven identifi­
ziert sich
persönlich in ganz anderem Maß mit seinem
Werk als Mozart. Obgleich er objektiv wie kein anderer
ist, und spezifisch objektive Welten gibt, liegt doch in
seinem ganzen Werk und in besonderer Weise in der
Neunten, in der Missa solemnis und im Fidelio ein
kenntnis vor, wie
in Mozarts Werken nicht der Fall
es
ist. Beide haben auch ein anderes Verhältnis
Publikum und
Be­
zur
Kunst,
Für Beethoven ist die
hört Ernstes, ähnlich
Erfolg.
Gottesdienst, etwas uner­
wie für Michelangelo. Es wäre
undenkbar, daß
einer Arie im Fidelio sagte, »die
zum
zum
Kunst viel unmittelbarer ein
er von
wird ein schönes Bravo
den müssen", wie
es
geben,
und oft wiederholt
Mozart sagen konnte.
»
67
«
Alles,
wer­
was
.
Mozart
mento
anrührte, wurde Gold, auch
kann
er
die herrlichsten
in einem Diverti­
Inspirationen bringen,
Perlen, die Beethoven nie in nebensächlichen Werken
verstreuen
würde.
Es ist tief charakteristisch für
Beethoven, daß
er
nicht
verstand, daß Mozart Texte wie »Cosi fan tutte" oder
»Figaro" wählen konnte. Die Shakespearsche Objekti­
vierung der Bühne, dieser Ernst, der ganz aus der Poesie
stammt, in dem der Autor nicht persönlich bekennt, lag
Beethoven nicht. Aber dieses Bekennen gibt dem Fidelio
eine einzig ergreifende Tiefe, und Größe, auch rein
künstlerischer Art. Dieses Bekennen wird fälschlich als
»subjektiv" interpretiert, und macht Beethoven so
erträglich für eine Zeit, die aller Tiefe ausweicht.
Ein eng mit diesem »Bekenntnischarakter"
un­
zusam­
Grundmerkmal
von Beethovens Musik
menhängendes
ist die Bedeutsamkeit, die alle seine Werke atmen. Beet­
hoven musiziert nie einfach; er ist nie ein Gefangener
einer billigeren Logik musikalischer Art; jedes Wort ist
voll gültig, bewußt hingestellt, bedeutsam, eine volle
Erfüllung, ein präziser einmaliger endgültiger Gehalt.
Dies gilt von allen wesentlichen Werken Beethovens
wenn auch in ungleichem Maß. Im allgemeinen steigert
"
"
sich diese Bedeutsamkeit mit der zunehmenden Ent­
wicklung; sie ist im mittleren Beethoven stärker als
jungen. Welch bedeutsames letztlich gültiges Wort
Violin-Konzert, im Rasumofski
»
68
«
im
im
Nr. 1, in den Klavier-
4
Konzerten 4 und 5, in der Leonoren-Ouvertüre, in der
Eroica, in der siebten Symphonie.
Diese Bedeutsamkeit erreicht
Note in den
jedoch
eine ganz
neue
späten Quartetten, und in der Missa solem­
nis. In der Neunten aber erleben wir ein ganz
ist als ob Beethoven
eigen­
zuriefe: "Horchet
artiges
auf, jetzt sage ich alles". Diese Bedeutsamkeit bedeutet
jedoch nicht, daß Beethoven immer "gespannt" wäre.
Keineswegs. Beethoven gibt wie kein anderer objek­
tive Naturwelten in ihrer epischen Entspannung. Kei­
ner gibt die U rpoesie des Pastoralen so wieder wie
Beethoven in der Sonate opus 26, in vielen Symphonien,
nicht nur in der Pastorale, auch z. B. der vierten, dem
-
ersten
es
uns
Satz der siebten und in dem zweiten Satz des
Opus 132,
wo
die Streichinstrumente
flötenhaften Charakter
geradezu
einen
gewinnen.
Kein anderer hat die umfassende
die
geradezu
eine coincidentia
Ausgewogenheit,
oppositorum einschließt,
wie Beethoven.
In seiner Kunst kommen alle Elemente des Kosmos
der Werte
Wort. Es ist niemals
vorwiegend ein
Element, wie das Tragische oder strahlend Freudige, das
Zarte, das Gewaltige, das Dramatische, das Epische, das
Gespannte und Entspannte, das Süße und das Herbe,
zu
sondern alle kommen
Rangordnung, ja
zu
Wort und in ihrer klassischen
in absoluter
unterscheidet sich
Ausgewogenheit. Hierin
Beethoven ganz von Michelangelo
»
69
«
mit dem
er sonst
soviel tiefe Affinität besitzt. In Michel­
angelo wiegen gewisse Grund-Kategorien des Wert­
kosmos vor; wie das Tragische, Grandiose, Gewaltige,
das tief Konzentrierte, Ekstatische; er hat nicht diese
Totalität von Beethoven, der die Sublimität' und das
übermütige,
das Geheimnisvolle und das selbstver­
poetisch Liebliche, das Gewal­
tige, das Tieftragische, und das Freudige in allen Schich­
ten, das Dramatische und das Kontemplative, das Ek­
statische und ganz Entspannte, Hell und Dunkel gleich­
mäßig umfaßt. Wie Furtwängler richtig sagt:
"Es gibt nämlich innerhalb der gesamten europäischen
Entwicklung keine Musik, bei der die verschiedenen
Elemente des Gesangvollen und des rein Strukturellen,
ständlich Klare, und das
bei der das Weidle und das Harte, die
erst
in ihrem
lebendigen, natürlichen Organis­
mus ausmachen, eine so naturgebundene Synthese ein­
gegangen sind; keine Musik, bei der Haut, Fleisch und
um von dem zu
Knochen des lebendigen Körpers
sprechen, was wir selber sind sich so organisch-natür­
Zusammenwirken den
-
-
lich zusammenfinden wie bei ihm."
Qualität besitzt Beethoven in besonderem
Maße, das heroisch Sieghafte. Weder Bach noch Mozart
oder Haydn, Schubert haben dieses Element verkörpert
Aber eine
in ihren Werken wie Beethoven. Auch Händel mit sei­
einzigartigen Festlichkeit und großen Barockgeste
hat nicht das spezifisch Heroische, Sieghafte, das in der
ner
»
70
«
Egmont-Ouvertüre, in der dritten, fünften und neunten
Symphonie
vor unserem
Geiste steht.
Eng damit zusammen hängt auch die "Kühnheit"
Beethovens, eine Kühnheit, wie sie analog sonst in ganz
anderer Weise
nur
bei Wagner sich findet. Weder Bach
noch Mozart,
Haydn, Gluck haben diese
spezifische Kühnheit. Beethoven besitzt eine einzigartige
Freiheit. Trotz der ungeheueren Form, trotz des "Ge­
setzes", trotz der letzten inneren Notwendigkeit und
zwingenden Logik finden wir in seinen Werken eine
noch
Händel,
souveräne
Freiheit. Am Ende des zweiten Satzes des
Violin-Konzerts oder im Adagio des Quartetts opus 127
oder im Adagio der Neunten oder im Benedictus der
SoIemnis, findet sich ein kontemplatives Ver­
weilen, ein freies schwebendes Ausziehen der inneren
Missa
Linie, eine selige erlöste Freiheit. Es ist wie ein völlig
unbehindertes Sich-Entfalten eines
sten,
Sublimen,
in anderer
kostbarsten, tief­
Richtung als das heilige
Schreiten bei Bach in seinem Air, oder in der C-dur­
Orgel-Toccata oder im Adagio des Doppel- VioIin-Kon­
zerts; anders auch als die angelisch verklärte Stimme
Mozarts. Es ist unmöglich, diese besondere kontem­
plative Note Beethovens oder dieses freie Sich-Entfal­
ten
eines letztlich sublimen tiefen Wortes auszudrücken.
Wir können
sein der
nur
darauf hinweisen im vollen Bewußt­
Unzulänglichkeit unseres
Ausdrucks.
Es ist charakteristisch für diesen bewußtesten und
»
71
«
objektivsten Künstler, daß es ihm gelungen ist, alles so
in einem Werk zu gehen wie in der Neunten. Die
Neunte ist nicht ausschließlich ein Werk des
späten
Beethoven wie die Missa Solemnis oder die letzten
Quartette, sondern in ihr ist der
ganze Beethoven
ver­
Möglichkeiten des jungen, mittleren und
späteren Beethoven, allerdings in einer Sublimierung
und Potenzierung, die nur dem späten Beethoven mög­
körpert,
lich
war.
alle
Wir stehen nicht an,
zu
sagen: Die
neunte
Symphonie Beethovens ist das Kunstwerk katexochen.
Hier ist jede Note ein voller genialer Einfall, jedes
Detail in sich gleich gehaltvoll und vielsagend wie voll­
endet in seiner Funktion für das Ganze, hier gewinnt
die Form eine so einzigartige innere Bedeutung, daß wir
geradezu von einer Ekstase der Form sprechen können,
hier waltet jeden Moment eine letzte Intensität und
grenzenlose Fülle, hier wird alles in letzter Weise aus­
gesprochen, ganz bis zur sieghaften Eindringlichkeit
gesagt,
es
bleibt kein Rest, auch nicht der kleinste, der
unerfüllt bliebe, und doch öffnet sich hier
die Unendlichkeitsdimension wie
und der Glanz der
sonst
unserm
Blick
nie in der Kunst,
Ewigkeit offenbart sich nirgends so
in seinem ahnungsvollen Geheimnischarakter.
Die Beethovensche Kunst hat eine einzigartige Mis­
sion in der Menschheit als Weckruf zur Sammlung und
Vertiefung, als unerbittliche Verurteilung aller phili­
strösen Trägheit, aller mediokren Halbheit wie alles
»
72
«
Unernsten und
Frivolen, Ein Prüfstein ist sie für jeden,
der sie verstehend vernimmt, dafür, wie wach sein Geist
ist für die Welt der Werte und für Gott, wie weit in
Haltung gegen Gewohn­
heit, Abstumpfung, träges Sichgehenlassen sieghaft
behauptet. Beethovens Entwicklung ist ein Vorbild für
die Lösung der besonderen Aufgaben der verschiedenen
ihm sich die wertantwortende
Lebensalter. Nicht ein Beherrschtwerden
von
der
vitalen Kurve, ein Nachlassen der Intensität im wach­
senden Alter finden wir da. Nein, in immer sich stei
..
Intensität sehen wir auf die
ehrfürchtige Rein­
heit, die von zarter Erregung durchzitterte Ergriffen­
heit und Wachheit des jungen Beethoven eine einzig­
artige Kraft und Allseitigkeit des mittleren Beethoven
folgen und auf diese die geheimnisvolle Abgeklärtheit,
letztliche vergeistigte Tiefe, innerste Sammlung, die
gender
ausschließliche Zukehr
zum
Höchsten des späten Beet­
hoven. Beethovens Kunst bedeutet eine große Ge­
wissenserforschung für die Menschheit. Wehe der Zeit,
die ihn
flieht, die ihn
zu
verkleinern sucht, die diesen
unerbittlichen, grandiosen Weckruf nicht erträgt! Wehe
der Zeit, der seine Größe und letzte Intensität unbe­
quem und
lästig
Urteil. Im Grunde
Kunst. Eine
spricht sich damit selbst ihr
gilt dies ja von jeder echten großen
ist! Sie
Zeit, die Beethoven nicht erträgt und nicht
versteht, versteht
in Wahrheit
ebensowenig
Mozart. Denn diese bilden keinerlei
»
73
«
Bach und
Gegensatz zu Beet-
mit ihm
hoven, sondern gehören eng
allen dreien verkörpert sich
trotz
zusammen.
In
aller individueller
Verschiedenheit die echte Welt der Kunst in
einzig­
artiger Höhe und Reinheit, daß es unmöglich ist, auch
nur in irgendeinem Punkt sie gegeneinander auszuspie­
len. Ihre Verschiedenheit ist eine solche der Ergänzung.
Und doch ist es kein Zufall, daß der Widerstand gegen
das "Sursum corda" in der echten, höchsten Kunst sich
gerade
vor
so
allem gegen Beethoven richtet. Bach und
Mozart lassen sich noch eher artistisch und formalistisch
mißverstehen. Ihr "Sursum corda" besitzt eine Distanz,
in der
es
den Zuhörer nicht
so
unerbittlich
zur
Entschei­
dung zwingt. Anders bei Beethoven! Sein Weckruf ist
ungeheurer Eindringlichkeit, er läßt sich in kei­
ner Weise mehr umdeuten und veruneigentlichen. Aus
seiner Kunst klingt gleichsam jedem entgegen: "Tua res
agitur", und das hat seinen tiefen Grund. Denn in
Beethovens Kunst verkörpert sich gleichsam die meta­
physische Situation der Menschheit überhaupt. Sein
ganzes Werk ist durchsetzt von der einen großen Sehn­
sucht nach Gott. Nicht individuelle Spezialprobleme
und Schwierigkeiten, nein, die Tragik der Menschheit
auf Erden überhaupt und andererseits das unbeschreib­
liche Glück der Menschheit in ihrer letzten Bestimmung
ist es, wovon seine Kunst spricht. Beethoven ist wahr­
haft ein Sprecher für die Menschheit vor Gott, und das
spezifisch Sprechende in seinen Werken gilt primär Gott
von so
»
74
«
und nicht den Menschen. Aber
.gerade deshalb ist zu­
gleich sein Ernst, seine Letztlichkeit ein unvergleich­
licher Weckruf für jeden Menschen.
Derjenige, dessen ganzes Ethos durchtränkt ist mit
Sehnsucht nach Gott, dessen ganzes Leben eine große
Antwort ist auf das strahlende Reich der
Gott
kündet und
Gott
Werte, das
emporzieht,
Sprache wird auch durchwaltet vom Hauche
Gottes, der spricht auch von Gott zu uns. So ist denn
Beethoven nicht nur ein Sprecher der Menschheit vor
Gott, sondern vor allem und noch viel mehr ein Sprach­
rohr Gottes an die Menschheit. In seiner Kunst spricht
von
uns
zu
uns
dessen
Gott noch viel unmittelbarer
zu
uns, als
es
die Intention
Beethovens bewußt einschließt. Seine Kunst sagt uns
viel mehr von Gott, als er vielleicht selbst von Gott
wußte. In diesem letzten Punkt hält bei diesem bewuß­
testen
Künstler die Bewußtheit mit seiner Größe nicht
Schritt. Seine
große Messe ist so durch und durch katho­
lisch wie kaum eine andere,
Künstlern
mehr
aus
wenn
geschaffen wurden,
auch viele Messen
die
persönlich
von
noch viel
dem übernatürlichen lebten. Denn kein
an­
groß und letztlich als Künstler, daß er dem
Größten, was es gibt zwischen Himmel und Erden, dem
heiligen Meßopfer, diesem Vorgang, in dem das letzte
Schicksal der ganzen Menschheit und jedes Einzelnen
auf der Waage steht, einen so adäquaten künstlerischen
Ausdruck hätte geben können, keiner so umfassend und
derer
war so
»
75.
«.
in diesem Sinne
"katholisch", daß
Menschheit im Ganzen
Geige
neigte
bei
Beginn
er
als
fungieren
erklingt,
des Benedictus
sich der Himmel
herab,
wenn
Standort
metaphysischen
Wahrlich, wenn irgendwo
aufblickte.
müssen wir hier sagen:
so
ist es, als
das "Dona nobis
pacem" ertönt, als ob die Menschheit
soluten
Sprecher für die
könnte. Wenn die
von
aus zu
ihrem ab­
Gott flehend
in der Kunst,
"Es ist Phase des Herrn."
»
76
«
so
scbubert
Josef
Spaun, Schuberts ältester, treuer Freund, er­
aus der Zeit, in der sie beide
im Konvikt waren: "Als mir Schubert eines Tages ein
paar kleine Kompositionen zu Klopstocks Liedern vor­
von
zählt in seinen Memoiren
sang und ich darüber sehr erfreut war, schaute
in die
treuherzig
lich, daß etwas
Antwort:
er
sei
werden, aber
mir
mir werden wird?' Und als ich ihm
jetzt schon recht viel, gab er mir
.Ich glaube auch schon, es könnte etwas
versicherte,
mir
Augen
aus
er
und sagte: ,Glauben Sie wirk­
wer
vermag nach Beethoven
zur
aus
etwas zu
machen!'"
Schuberts Schaffen entfaltet sich in einem außeror­
dentlichen
genden
Augenblick
im Schatten der alles überra­
-
Gestalt Beethovens.
nach Beethoven
starb,
ist
Obgleich Schubert ein Jahr
er
doch der
erste
und
lichste Erbe Beethovens, Das heißt nicht, daß
kein Genie
hatte. Im
war,
das ein
Gegenteil:
völlig
neues
Wort
eigent­
er
selbst
sprechen
derjenige,
zu
ein Erbe Beethovens ist
der in einer Stunde unwiederholbarer Fruchtbarkeit
nach dem Aufbrechen
Möglichkeiten
-
diese
unerhörter,
neuer
-
musikalischer
einzigartige musikalische Situa­
tion in seinem Genius inkarnierte. Es
»
79
«
mutet
darum wie
ein tief bedeutsames
Symbol an,
daß Schubert einer der
jungen Männer war, denen die unerhörte, wenn auch
tragische Ehre zufiel, den König der Musik zu Grabe zu
begleiten.
Ich sagte über Beethoven: es ist, als ob er aus dem
Zentrum der musikalischen Möglichkeiten heraus schaffte, in allen Richtungen das entscheidende gültige Wort
sprechend. Wir müssen uns diese einzigartige Stellung
Beethovens vor Augen halten, um die unerhört an­
regende
ja aufregende Situation zu verstehen, die
durch ihn im Reich der Musik entstand. Beethoven, von
-
dem wir sagten, daß
er
in
gewisser Hinsicht
der
größte
aller Musiker
(und vielleicht sogar aller künstlerischen
Genien auf allen Gebieten) war, ist auch der einfluß­
großen musikalischen Genien gewesen. (Wie
gering ist der Einfluß Bachs und Mozarts im Vergleich
zu Beethoven!) Die großen Gestalten des neunzehnten
Jahrhunderts, wie Berlioz, Wagner, Brahms, Bruckner,
sind alle nur als Erben Beethovens möglich.
Aber Schubert ist der erste und eigentlichste Erbe
Beethovens, der, obgleich musikalisch eine neue Gene­
ration, in seinem Leben neben Beethoven weilte, in der­
reichste der
selben Stadt! Er lauschte sozusagen
schlag
der Musik selbst,
hovens direkt, obwohl
er
an
diesem Puls­
empfing den Geist Beet­
wenig persönlichen Kontakt
er
mit ihm hatte.
Auf diesem
gewaltigen Hintergrund Beethovens und
»
80
«
"
Schubert
der in ihm
verkörperten
dramatischsten Stunde der
Musik müssen wir das Wunder dieser
stalt Schuberts sehen, die ein
aus neues
Wort
zu
so
sprechen
begnadeten Ge­
ganz eigenes und durch­
berufen
war
und die
so
einzigartig liebenswert und so unerhört genial ist.
Schubert hat viele Züge mit Mozart gemein. Wie bei
Mozart,
trotz
der kurzen Lebenszeit, eine Fülle
Kompositionen,
die wie ein Wunder
Mozart eine unerhörte Beschenktheit
anmutet.
von
Wie bei
ein
unerschöpf­
licher Fluß der Einfälle! Wie bei Mozart eine unbegreif­
Schubert komponierte mit siebzehn
liche Frühreife
Jahren "Gretchen am Spinnrad", und mit achtzehn den
Erlkönig ! Und in Schubert wie in Mozart lebt der
-
-
"
"
Genius Osterreichs in besonderer Weise.
Anderseits bilden beide auch
große Kontraste,
so­
wohl in ihrem Leben als in ihrem Werk. Mozart hatte
eine heitere Kindheit. Als Wunderkind wurde
len Ländern
von
gefeiert.
Zu Hause lebte
er
er
in al­
in einem ganz
Musik erfüllten Milieu. Sein Vater förderte sein
Schaffen und erkannte sein Genie. Schubert
hingegen
geringeres Verständnis bei seinem Vater. Sein
Vater verbot dem fünfzehnjährigen das Komponieren
und lange konnte der Vater ihm nicht verzeihen, daß
er die Stelle als Lehrer aufgegeben. Er hatte kein Kla­
vier im Elternhaus, und sein Vater gab ihm kein Geld,
Notenpapier zu kaufen.
Später hingegen war Mozarts Leben ein besonders
fand viel
»
81
«
schweres und einsames. Wenn auch seine Werke alle auf­
geführt wurden, zum Teil mit Erfolg,
Haydn niemand seine einzigartige,
Ohne wirkliche Freunde, starb
er
so
erfaßte außer
sublime Größe.
einsam, und niemand
begleitete seinen Sarg. Er wurde in einem Massengrab
beigesetzt.- Und doch durchzieht sein ganzes Werk eine
einzigartige Freudigkeit immer zeugt Mozarts Musik
-
davon, wie herrlich die Welt in Wahrheit ist, immer ist
sie erfüllt
von
dem
»pleni
sunt
coeli
et terra
gloria
tua."
Schubert
Kreis
hingegen besaß das seltene Glück, von einem
geistig anregender Freunde umgeben zu sein, die
ihn leidenschaftlich liebten und verehrten, die sein Genie
erkannten und die
liebte:
Josef von Spaun, Moritz
von Schwind, Eduard von Bauernfeld, Anselm Hütten­
brenner, Schober um nur die nächsten zu nennen, und
er
-
große Interpret Schubertscher Lieder, Michael VogI.
Gewiß, er hatte nicht viel Glück mit Verlegern, und
seine Werke drangen nicht so an die große öffentlich­
keit, Aber dafür war er umgeben von einer Schar ihn
liebender und verstehender, bedeutender Freunde
und seine Kunst wurde von einem weiten Kreis gebil­
deter Männer und Frauen mit Begeisterung und Ver­
ständnis aufgenommen. Durch alle Jahre seines kurzen
der
-
Lebens ziehen sich die sogenannten Schubertiaden hin
Abende, denen auch Grillparzer und Lenau, Anasta­
-
siusGrün und Feuchtersleben oft beiwohnten. Und doch
»
82
«
zieht durch das ganze Werk von Schubert eine tiefe
Melancholie ein Erfassen der Tragik des Menschen im
-
Tale der Tränen
-
eine
Wenn auch beide
-
Todesahnung.
Mozart und Schubert
-
so
früh
gestorben sind, so ist doch Mozarts Werk vollendet. Man
hat das Gefühl, daß er sein volles Maß gegeben hat. Bei
Schubert hingegen bleibt der Eindruck, daß er noch un­
vollendethinweggenommen wurde und im letzten] ahre
seines Lebens eineHöhe erreicht hat, die noch eine große
Zukunft in sich enthielt. Aber trotz der tragischen
Grundnote finden wir auch in Schubert eine ähnliche
coincidentia
zart.
oppositorum
wie bei Beethoven und Mo­
Auch Schubert vermag die verschiedensten
ster zu
Regi­
ziehen.
Auf der einen Seite die tiefe
terreise", in
Tragik, wie in der" Win­
"Gretchen am Spinnrad", im "Wanderer",
Quartett "Der Tod und das Mädchen"; auf der an­
Freudigkeit, wie in
den Liedern: "An Silvia", "Alinde", im Scherzo des
Oktetts oder im Forellen-Quintett. Dabei ist es inter­
essant, Schuberts Freudigkeit mit der Mozarts undBeet­
hovens zu vergleichen. Es ist nicht die strahlende, ver­
klärte Freudigkeit des "Genius von Licht und Liebe",
noch die Freude Beethovens, die, wie wir früher sahen,
im
deren eine liebliche Heiterkeit und
durch alle Schichten
hindurchgeht
-
von
dem übermut
in den Schlußsätzen op. 18, 5 und 6, bis
heroischen Freude der Neunten.
»
83
«
-
zur
sieghaft
Wenn Schubert freu-
dig ist, hat seine Freude entweder einen frischen, natur­
lyrischen Charakter.
haften oder einen holden, süßen,
Nicht
nur
in dem
Gegensatzpaar
von
Wehmut und
Freudigkeit offenbart sich die coincidentia oppositorum
in Schubert. Auf der einen Seite finden wir in vielen sei­
ner
Lieder und Sonaten
statt
der
und bewußten
strengen,straffenForm
Beethovens einen musi­
Notwendigkeit
statt
Spaziergang, voller überraschungen
der Knappheit Beethovens und Mozarts keine Scheu
vor einer gewissen Länge, ein Fortströmen, wie ein
Eichendorff'sches Gedicht, im Vergleich zu einem Sha­
kespearesonett. Und andrerseits in seiner Kammer­
musik, etwa im Oktett oder im Quintett in C-dur eine
geniale Präzision und meisterhafte Durchformung bis
kalischen
-
ins letzte. Wiederum auf der einen
Thema des
Quintetts C-dur,
Seite,
z.
B. im
im Scherzo des
ersten
Quartetts
161, im B-dur-Trio eine sublime Süßigkeit und de­
mütige Anmut teils freudig, teils wehmütig, aber im­
op.
-
mer von
hat
zu
holder Demut durchsetzt, die
jeden, der Ohren
hören, tief ergreifen muß. Auf der anderen Seite,
Adagio des Quintetts, einzelnen Stellen des
Oktetts, Gruppe aus dem Tartarus, Erlkönig, C-dur­
Symphonie und vielen anderen eine grandiose Kraft,
ein dämonisch-geheimnisvoller Charakter. Dabei ist
z.
B. im
-
Schuberts Süße und holde Anmut, nicht wie bei Mozart
angelisch,
sondern
nicht
daß
aus,
spezifisch menschlich. Dies schließt
sie sich zu großer Sublimität erhebt. Wie»
84
«
derum ist seine Kraft ganz anders als die Beethovens. In
Bach und besonders in Beethoven steckt eine
mentale Kraft. BeiBeethoven ist
Kraft, die ihm natürlich ist und
monu­
eine
michelangeleske
organisch aus dem un­
es
geheuren Massiv seiner Persönlichkeit erwächst. In Mo­
zart spielt dieser Aspekt keine Rolle. In Schubert hin­
gegen finden wir auch das spezifische Element der Kraft
aber es ist eine "gesammelte", eine erarbeitete Kraft,
-
der
zu
er
sich durch seinen künstlerischen Genius erhe­
ben muß und die in keiner Weise selbstverständlich
aus
seiner Person erwächst. Es ist die Kraft dämonischer
Spannung.
Bei Schubert finden wir oft eine volkstümliche Note:
Lieder, wie "Heidenröslein", "der Lindenbaum", "das
Echo" und viele Tänze, Märsche. Eine besondere Genia­
lität zeigt sich darin, daß er sich dabei immer von jeder
Trivialität fern hält was bei Volksliedhaftigkeit stets
-
eine
ses
große Gefahr
ist. Doch derselbe
Schubert, der die­
volkstümliche Register ziehen kann
eines
zu
-
vermag auch
ziehen, das weit von allem Volkstümlichen
ent­
fernt, einer einsamen Welt der Geistigkeit angehört
z. B. in "Suleika" oder in seiner Kammermusik.
Ein
-
prominenter Zug von Schuberts Genius ist neben
der holden Anmut und Grazie das Intime. Weder Bach
noch Beethoven sind
speziell intim, noch zeigt sich diese
Note in Mozarts oder Glucks Werk. Wohl finden wir
bei Beethoven den
Zug letzter Sammlung und
»
85
«
einsamer
Aber das Intime bei Schubert ist
Abgeschiedenheit.
nicht das Resultat
nur
größter Sammlung,
es
erscheint nicht
und nicht einmal besondersin den Momenten gro­
ßer Tiefe. Dieser Charakter des Intimen ist auch in den
Werken
zu
finden,
in denen eine besondere Lieblichkeit
und Grazie vorwalten.
Es ist auch kein
ster
Zufall, daß er der Schöpfer und Mei­
wie das Gedicht
des Liedes wurde, das
seinem
-
Wesen nach eine
speziell
-
intime
Kunstgattung ist.
Aber Schuberts Intimität ist im Unterschied
zu an­
Liederkomponisten, die nach ihm kamen, eine
spezifisch keusche und demütige Intimität.
Die coincidentia oppositorum in Schubert zeigt sich
deren
ferner auch darin, daß
er
manchmal Romantiker, manch­
mal Klassiker ist; daß
er
bald romantisch, bald ganz
un­
romantisch sein kann.
Wir
drei
unterschieden, alswir
Begriffe
von
Romantik
von
Beethoven
wobei der
-
sprachen,
erste
storischer Art ist, der zweite eine bestimmte
beinhaltet, die weder einen
rein hi­
Eigenart
Wert oder Unwert ein­
hingegen auf ein Phänomen
Dekomposition hin hat also den Beige·­
schließt. Der dritte deutet
künstlerischer
-
/
schmack eines Unwerts. Schubert ist
gens atz
zu
Beethoven, Romantiker
zweifellos,
im Ge-
im zweiten Sinne
des Wortes, aber niemals in dem dritten,
negativen
Sinn. Der malerische Zauber anstelle der monumentalen
Architektonik, die weniger straffe Form, das
»
86
«
neue
Ver-
hältnis
zur
Natur und viele andere
in diesem Sinn
-
Züge der Romantik
finden in Schubert einen herrlichen
und echt künstlerischen Ausdruck. Sie
besonderen Wort, das Gott ihm
fernt, ein Einwand
Kunst
zu
sein
-
zu
dem
Weit
ent­
gehören
anvertraut.
gegen die Reinheit und Höhe seiner
bilden sie eine
völlig legitime
Note in­
nerhalb der Welt der Kunst. Romantik in diesem Sinn
der Klassik als ein Negatives
entgegenzustellen, ist eben­
unsinnig, wie die Barock-Architektur als eine künst­
lerische Entartung zu betrachten, die man der Renais­
sance oder Gotik gegenüberstellt.
Doch wir haben noch wenig über Schubert gesagt,
wenn wirseine Kunst als romantisch bezeichnen, selbst
in diesem positiven Sinn. Wir brauchen nur anSchuberts
Zeitgenossen, Carl Maria von Weber zu denken, der
auch ein Romantiker in dem positiven Sinne des Wor­
tes ist, um zu sehen, wie Schubert durchaus nicht immer
und nur Romantiker ist. Weber ist nur Romantiker;
sein Meisterwerk, der Freischütz, ist ganz erfüllt von
Romantik in seinem Duft, seiner Reinheit und Mor­
genfrische. Romantisch sind alle anderen Werke, wie
Euryanthe, Oberon. Wenn Schubert in vielen Liedern
so gibt es ebenso
dieses romantische Register zieht
viele Lieder, wie "An Silvia", "Im Grünen", "Nachti­
gall", "Ganymed", "Hirt auf demFelsen", "Sehnsucht",
"Gruppe aus dem Tartarus" und vor allem "Suleika",
so
-
-
die ganz unromantisch sind.
»
87
«
Durch alle Schichten der Schubertschen Kunst hin­
pheriphereren, leichteren bis in die ge­
heimnisvolleGröße, geht derZug unbeschreiblicher An­
durch,
mut.
von
der
Wir finden sie in Märschen, Tänzen, in den Müller­
liedern, in der "Rosamunde". Sie zeigt sich in den Kla­
viersonaten, im Forellenquintett, im Oktett, B-dur­
C-dur-Quintett. Immer ist es eine holde An­
mut, durchzogen von der unvergleichlichen Schönheit
der Demut und Zartheit. Die Verbindung dieser An­
mut mit der geheimnisvollen Kraft und dämonischen
Tiefe in seinen größten Werken ist vielleicht das "Herz­
Trio und
wort" des Schubertschen Genius.
Wir erwähnten vorher die
Note in Schubert. Er ist nicht
nierung
spezifisch
nur
eine besondere Inkar­
des österreichischen Wesens, in seiner Grazie,
Demut, Wehmut und Holdheit;
er
ist auch in ganz be­
sonderer Weise mit Wien verbunden, das
te.
österreichische
er so
tief lieb­
"Es ist wahr", schrieb Robert Schumann in seinem
Aufsatz über Schuberts
mit seinem
nem
mit
C-dur-Symphonie, "dies Wien
Stephansturm, seinen schönen Frauen, sei­
öffentlichen Gepränge, und wie
unzähligen Bändern umgürtet,
Ebene hinstreckt, die nach und nach
es von
der Donau
sich in die blühende
zu
immer höherem
dies Wien mit all seinen Erinnerun­
Gebirge aufsteigt,
gen an die größten deutschen Meister, muß
der Phanta­
sie des Musikers ein fruchtbares Erdreich sein. Bei der
Symphonie von Schubert,
»
dem
88
«
hellen, blühenden Leben
darin, taucht mir heute die Stadt deutlicher als je wieder
auf, wird es mir wieder recht klar, wie gerade in dieser
Umgebung solche Werke geboren werden können.
Schubert schreibt
Und
seinen Bruder Ferdinand mit ein­
an
undzwanzig Jahren
"
aus
Zelezy: "Ja, geliebtes Wien,
du
"
schließ t das Teuerste, das Liebste in deinen engen Raum.
Schubert war in mancher Hinsicht ein Sohn Wiens.
Er besaß die Wienerische
"joie de vivre", einen gewissen
LiebensWÜrdig­
Leichtsinn, die Grazie im Genießen, die
keit und Heiterkeit. Das kommt
nen
zum
Ausdruck in sei­
Tänzen, Märschen und gewissen Liedern.
Wir müssen
Wiens,
uns
dabei aber den
in dem Schubert
doppelten Aspekt des
lebte, klar machen. Einerseits
Biedermeier-Wien, das Wien der Romantik, voll
Lebenscharme, Heiterkeit und geistiger Anregung. Das
das
Wien
Raymunds
und Nestroys, das Wien Lanners und
Wien, in dem Stifter
Grillparzers, Lenaus, das
studierte, in dem 1823 Webers
Euryanthe aufgeführt
wurde. Andrerseits das Wien, in
des Vaters Strauß
-
das Wien
dem Beethoven lebte
Jahr 1814 der Fidelio
jetzigen
aufgeführt wurde, in dem im
Jahre 1824 die Neunte Symphonie zum erstenmal er­
tönte
das Wien, in dem der ungeheure Weckruf Beet­
-
in dem im
Gestalt
in seiner
-
hovens mit seinem letzten Ernst erscholl.
Schubert
knüpft.
war
tief mit diesen beiden Welten
Er steht einerseits im
der Romantik. Als Schuberts
»
89
Mittelpunkt
ver­
des Wiens
Quartett für Männerstim«
men
aufgeführt wurde,
Karl Maria
von
Weber
sang
war
send. Wie schon erwähnt,
nau
bei diesem Konzert
anwe­
gehörten Grillparzer und Le­
Kreis Schuberts
zum
Nestroy die Baßstimme;
ebenso Anastasius Grün,
-
Feuchtersleben, die Maler Dannhauser und Kuppel­
wieser. Dieser Kreis
sammen
tiaden,
von
sie trafen sich
-
die eben
wo
Freunden lebte wirklich
zu
zu­
den sogenannten Schuber­
komponierten Werke Schuberts mit
höchster Spannung erwartet und mit Begeisterung auf­
genommen wurden. Man kam bei Schober zusammen,
bei dem
man
Kleists Dramen und Heines Gedichte las.
Ausflüge im Zeiserlwagen in
Umgebung Wiens, und wurde in den
Man machte
die
schöne
Villen der
einzig
Familie Bruckmann in Hütteldorf oder in dem schönen
Schlößchen
Atzenbrugg gastlich aufgenommen.
liche Mahlzeiten wurden serviert. Man
bert selbst
tanzte zwar
auf! Und
regelmäßig
nicht, aber
er
tanzte
spielte
-
zum
Köst­
Sdiu­
Tanze
versammelten sich die Freunde
mit Schubert im Gasthaus
zum
im Gasthaus
grünen Anker, in der
Stern, in der Brand­
Grünangergasse,
stett, in Grinzing beim Wein.
Wie viele Lieder komponierte Schubert bei Freunden
zum
oder selbst in Gasthäusern! Anselm Hüttenbrenner
zählt: "Eines Abends lud ich Schubert
aus
zu
er­
mir, da ich
angesehenen Haus etliche Bouteillen roten
Präsent für mehrmaliges Akkompanieren er­
einem
Wein als
hielt. Nachdem wir den edlen Sexarder bis auf den
»
90
«
letzten
Tropfen geleert hatten, setzte er sich an mein
Pult und komponierte das wunderliebliche Lied "Die
Forelle", das ich noch im Original besitze. Als er ziem­
lich damit fertig war, nahm er, schon schläfrig, Tinte
statt Streusand, wodurch mehrere Takte fast unleser­
-
lich wurden."
Als Schubert Schwind
wollte,
der sich aber
konnte und,
ihn
um
von
zu
Spaziergang abholen
einem
seiner Zeichnung nicht
den liederreichen Freund
trennen
festzuhalten,
Komponieren aufforderte, wobei mit selbst
rastriertem Notenpapier und in Ermanglung eines Tex­
tes mit Shakespeares Cymbeline ausgeholfen wurde,
komponierte er "Horch, horch die Lerch' im Ätherblau "!
zum
Um die Höhe und Tiefe
Schuberts Genius
von
verstehen, dürfen wir ihn nicht
nur
im Lichte des
zu
gei­
stig anregenden und beschwingten Kreises von Freun­
den sehen, die ihn umgaben und die Schubertiaden ver­
anstalteten
tik. Das ist
-
nicht
nur
nur
im Lichte des Wiens der Roman­
eine Seite
von
Schuberts Geist, die sich
in manchen Liedern und anderen Werken
seinen
und
eigentlichsten Werken
"Gruppe
aus
dem Tartarus"
in der
-
phonie, der C-dur-Symphonie und
unvergleichlichen Kammermusik
vor
-
vor
uns,
der hoch über diesen Kreis
»
91
spiegelt.
In
in Liedern wie "Suleika"
-
«
h-moll-Sym­
allem in seiner
steht ein Schubert
hinausragt,
der in
eine einsame, sublime Welt
erster
großer
hineinführt,
in der
er
als
Erbe Beethovens dasteht. Es ist der Sdiu­
bert, der von sich selbst gesagt hat: "Mir kommt manch­
mal
vor,
als
gehörte
ich gar nicht in diese Welt". Es ist
der Schubert, der die Luft
jenes
Wien atmet, die
von
Beethovens Wirken erfüllt ist.
Für Schubert war Beethoven das musikalische Ideal. Er
hatte
zwar
auch eine
große Liebe
für Händel und Glucks
Iphigenie in Tauris beeindruckte ihn tief. Zwischen dem
sonst so sanften Schubert und einem Universitätspro­
fessor, der sich im Gasthaus über die Aufführung von
Iphigenie lustig machte, kam es sogar fast zu Tätlich­
keiten. Was Mozart für Schubert bedeutete, geht aus
der schon zitierten �ußerung hervor: ,,0 Mozart, un­
sterblicher Mozart, wie viele,
che
0
wie unendlich viele sol­
wohltätigen Abdrücke eines lichtern, bessern Lehens
Seelen geprägt!"
Aber sein Verhältnis zu Beethoven, in dessen Schat­
hast du in
ten er
unsere
noch ein ganz anderes. Wir erwähnten
�ußerung im Konvikt: "Wer vermag nach
lebte,
schon die
war
Beethoven noch
etwas zu
der Schule eilend,
Aufführung
beim
zu
am
machen." Als
Kärtnertor die
einmal,
aus
Ankündigung
der
des Fidelio las, verkaufte
Antiquar,
um
eine Eintrittskarte
er
er
seine Bücher
zur
Vorstellung
erstehen. Und auf die erworbene Notenhandschrift
von
dem Liede "Ich liebe Dich
merkte der
zwanzigjährige
»
92
so
wie Du
mich",
ver­
Schubert: "Des unsterb«
liehen Beethovens Handschrift erhalten
1817". Auf die leere Seite schrieb
Gedanken
an
Beethoven
er
14.
August
dem
gleich
inspirierte Komposition.
Zu dem Schriftsteller Braun
sagte
am
eine
er
Braunthai aber
von
über Beethoven: »Der kann
können noch nicht alles verstehen und
von
alles,
es
wir aber
wird noch viel
dahinwogen, ehe es zum allgemeinen
gekommen, was dieser Mann geschaffen.
Er ist der erhabenste und üppigste aller Tondichter."
Wie Schubert trotz des geringen persönlichen Kontak­
tes ständig in einem, von der Gegenwart des von ihm
über alles geliebten und verehrten Meisters erfüllten
Raum lebte, geht auch aus folgender Episode hervor.
Wasser die Donau
Verständnis
-
Hüttenbrenner erzählt: Beethoven kam wöchentlich
ein
paarmal in
die
Verlagsbuchhandlung
zwischen elf und zwölf Uhr. Da
war
fast
Steiner & Co.,
jedesmalKom­
und Austausch musikalischer An­
ponistenversammlung
sichten. Schubert begleitete mich öfter dahin. Wir wei­
deten uns an den kernigen, mitunter sarkastischen Be­
merkungen Beethovens.
Es gibt ein Gebiet der Musikliteratur, dessen eigent­
licher Schöpfer Schubert ist: das Lied. Schubert hat in
seinen Liedern einen ganz neuen Typus der Verbindung
von Wort und Musik geschaffen. Er hat dem Lied eine
analoge Stellung im Reich der Musik verschafft, wie sie
das Gedicht im Reich der Literatur besitzt. Bei Bach,
Gluck oder Händel fehlen die Lieder
»
93
«
weitgehend,
bei
Haydn,
Mozart sind sie eine nebensächliche
unvergleichbar
tung
Werken. Man braucht
-
an
Kunstgat­
übrigen
Gewicht mit ihren
nur
die Arien
von
Mozart mit
vergleichen, um die relative An­
spruchslosigkeit der Liedgattung zu konstatieren, die
mehr einem Gelegenheitsgedicht gleicht als einer voll­
gültigen Lyrik. Gewiß, bei Beethoven erheben sich die
Lieder schon zu einer ganz neuen bedeutsamen Eigen­
seinen Liedern
form,
wenn
zu
wir
an
"Kennst du das Land", "Herz mein
Herz", "Adelaide", und
allem
vor
Hinsicht schönste aller Lieder
an
denken,
das in
das
gewisser
je geschrie­
ben: "Die ferne Geliebte". Aber selbst bei Beethoven
bleibt doch das Lied im ganzen eine sekundäre Kunst­
form unvergleichbar an Gewicht mit seinen Sympho­
-
nien, Sonaten, mit seiner Kammermusik und seiner
sakralen Musik. Bei Schubert
eine
vollgültige Kunstgattung.
sich mit dem Gedicht
zu
neues.
wird das Lied
Die Art, wie die Musik
verbindet, wie Ton und Wort sich
einer vollendeten Einheit
ganz
hingegen
durchdringen,
ist
etwas
Seine Lieder sind musikalische Gedichte.
Sie entfalten eine Art
Musik, der sich
nur
Mit Recht betont
von
poetischem
Zauber in der
in dieser Form findet.
Furtwängler,
der Idealfall für Lie­
der sei nicht der, in dem das Gedicht selbst schon voll­
kommen ist. Bei den schönsten Goethe-Gedichten ist,
so
sagt er, die beste
Komposition oft keine Steigerung
fügt wohl etwas neu es dazu
des Endeindrucks. Sie
-
»
94
«
aber das Ganze ist in der
Endwirkung
nicht
notwendig
schöner oder bedeutender als das Gedicht für sich. So
müssen wir auch in den Goetheschen Schubert-Liedern
zwei Typen unterscheiden. Bei Gedichten höchster Voll­
kommenheit wie "Gretchen am Spinnrad" oder
med"
des
-
größer
etwas
"Gany­
kann man nicht sagen, daß der Eindruck des Lie­
ist als bei den Gedichten allein. Aber
es
ist
Neues, Wunderbares, das dadurch zustandekommt,
daß die Musik sich
von
dem Gedicht
läßt
emporheben
und mit ihren
ureigenen Mitteln die Welt des Gedichtes
und das dem Gedicht zugrundeliegendeErlebnis adäquat
zum Ausdruck bringt. Das musikalische Werk ist dar­
um als solches eine große Bereicherung der Kunst, wenn
es auch keine Steigerung des Gedichtes ist. Etwas Ana­
loges liegt in Ver dis Meisterwerk "Othello" vor im
Endeindruck ist die Oper nicht reicher, größer, schöner
als der gesprochene Othello von Shakespeare aber wir
müssen Gott danken, daß wir dieses herrliche gewaltige
Musikdrama von Verdi besitzen, das in erstaunlicher
-
-
Shakespeares Geist erfüllt ist. In Liedern wie
"Gretchen am Spinnrad" und "Ganymed" zeigt sich
das unerhörte Genie Schuberts aber gerade darin, selbst
in der dienenden Haltung dem Gedicht gegenüber so
groß und originell sein zu können.
Anders beim "Erlkönig", bei Marianne von Wille­
mers ganz vom Geiste Goethes inspiriertem Gedicht
"Suleika". Hier überragt das Lied im Endeindruck noch
Weise
von
»
95
«
das Gedicht. Das Gedicht ist
heit,
aber nicht
Steigerung
der
großer Schön­
jener Vollkommenheit, die eine
Endwirkung durch Musik ausschließt.
zwar von
von
Das Schubertsche Lied "Suleika" ist darum noch
gleich größer
als das Gedicht,
wenn es
auch Geist
un­
vom
Geiste des Gedichts ist.
Abgesehen von der Frage
größer ist als die Dichtung
ob das Lied stärker und
für sich, müssen wir in
Schuberts Liedern verschiedene
lich der Rolle
von
Grundtypen
hinsicht­
Musik und Wort unterscheiden.
Wenn die Gedichte eine
starke, potente Eigenwelt be­
sitzen, geht Schubert in seiner Musik derart auf diese
besondere Welt ein, daß das Lied Geist vom Geiste des
Dichters wird. Dies
gilt ebensogut von einem Lied wie
"An Silvia", das in seiner Gesamtwirkung über das Ge­
dicht hinausgeht, wie für den "Ganymed", der als Ge­
dicht noch größer bleibt. "An Silvia" atmet eine aus­
gesprochene Shakespearesche Welt die Universalität
Shakespeares die einzigartige, holde Poesie der "Bei­
den Veroneser". So ist "Ganymed" ganz von Goethe­
-
-
schern Geist durchflutet. Das vielleicht vollkommenste
aller
nur
rer
Schubert-Lieber, Suleikas
ganz den Geist
erster
Gesang, gibt nicht
Goethes, sondern auch in besonde­
Weise die Welt des Westöstlichen Divans.
In diesen Liedern ist
Dichters versetzt,
Mittel. Eine
wenn
man
primär
in die Welt des
auch ganz durch musikalische
einzigartige Genialität prägt sich
»
96
«
in dieser
Franz
Handschrift
Schuberts
Skizze
zu
"Mirjams
Sieg sgesang"
1828
Fähigkeit
ters
aus,
in voller
musikalisch
zu
Originalität
In einem zweiten Typus
lisiert die Musik
tiell vorhanden
rück
den Geist des Dich­
inkarnieren.
erst
war.
Schubert-Liedern aktua­
von
vieles,
was
im Gedicht
nur
poten­
Die Welt des Dichters tritt hier
zu­
gegenüber der Schuberts. Aber die Atmosphäre des
Gedichts hat doch einen starken Einfluß auf das Ganze,
auch mehr den einer
wenn
Genius. Hier
Anregung für Schuberts
gilt insbesondere Furtwänglers Äußerung:
"Bei Schubort schlingt die Musik die Worte mit in ihren
Gruppe bilden Lieder wie "Du bist die
Ruh", mit dem Text von Rückert, das liebliche "Die
linden Lüfte sind erwacht", mit Uhlands Text, vor al­
Strom." Diese
lem aber die beiden wunderbaren Lieder auf Schillersdie
Gedichte: das
diose
einzigartige "Sehnsucht",
"Gruppe
Dichtungen
dem Tartarus". Auch die Lieder auf
aus
von
und die gran­
Mathias Claudius, das herrliche "Tod
und das Mädchen" und "Auf Anselms Grab"
gehören
dahin.
In einem dritten
Typus
von
Liedern erhebt Schubert
ein in sich unbedeutendes Gedicht in eine
von
ihm allein
geformte
Welt. Die
Wort und Musik ist auch hier
werden schön und
Unerschöpflich
poetisch
zu
neue
völlig
neue,
Einheit
von
finden. Ja, die Worte
durch die Musik.
ist die Fülle verschiedener
Register,
die Schubert in seinen Liedern ziehen kann. Bald eine
volkstümliche Einfachheit wie im "Lindenbaum" oder
»
97
«
"Heidenröslein", voll
von
unschuldigem Zauber
und
Poesie, bald eine Note fri­
scher Morgenstimmung des Lebens, wie in manchen
Müllerliedern, bald ein Charakter romantischer Durch­
seelung der Natur, wie im "Erlkönig", bald eine tiefe
Wehmut und Todesahnung, wie im "Wegweiser" und
der "Krähe", bald das Element des Unheimlichen wie
einer selbstverständlichen
"Doppelgänger", bald die gereifte, geistige, sublime
Lyrik, wie in der "Suleika", bald die höchste Goethe­
besonders
sehe Poesie der Natur, wie im "Ganymed"
die Stelle: "Lieblicher Morgenwind ruft drein die Nach­
tigall". Bald die leidenschaftliche Glut die Urtragödie
im
-
-
von
Gretchens Gestalt im Faust in "Gret�en
am
bald eine dürre
tragische Ironie, wie im
"Leiermann", bald eine kontemplative Naturpoesie wie
Spinnrad",
in Schillers "Sehnsucht". Welche
Spanne zwischen "An
Silvia" und "Du bist die Ruh", oder zwischen der
"Forelle" und dem "Wegweiser", zwischen "An die
Musik" und "Die Krähe" jedes so schön und tief poe­
-
tisch! Oder welche Verschiedenheit zwischen der gran­
diosen Welt der
"Gruppe
aus
dem Tartarus" und der
süßen Lieblichkeit des Liedes "Die
Nachtigall"
oder
"Alinde". Hier offenbart sich, wie universal Schubert
ist.
Schubert hatte ein ganz besonderes Verhältnis
Natur. Die Schönheit der
bung Wiens,
war
eine
Natur, besonders der Umge­
Hauptquelle
»
zur
98
«
des Glücks für ihn.
In seinen Liedern finden wir eine ganz
neue
Bezie­
hung der Musik zur Natur. Der Zauber eines Baches ist
in unvergleichlicher Weise im Liede "Ein Bächlein hört
das Wehen des Windes
ich rauschen" wiedergegeben
im "Erlkönig", die Welt des Schnees und Eises im "Lei­
-
ermann". Wir denken hier nicht
dergabe
wir sie schon früh in der Musik
Haydn
eine imitative Wie­
an
der Natur und bestimmter
-
wir denken
elemente und ihren
neue
finden,
-
auch oft bei
die
Atmosphäre der Natur­
spezifisch poetischen Gehalt, den er
an
mit musikalischen Mitteln
ist dies eine
wie
Naturlaute,
Geist stellt. Es
.
vor unseren
Rolle der Naturelemente in der
Musik, die auch in Wagner in einzigartiger Weise
geben
ge­
ist.
Es ist oft
hervorgehoben worden,
daß die
Begleitung
Bedeutung ge­
winnt, als sie vorher im Lied besessen. Dies gehört sogar
wesentlich zu seiner Neuschöpfung des Lieds. Die Be­
gleitung ist nicht nur eine harmlose Ergänzung der
gesungenen Melodie, sondern besitzt ein selbständiges
Verhältnis zum Gedicht. Sie baut aus eigenen Mitteln
die Welt und die spezifische Poesie der Worte auf. Dabei
gewinnt sie eine analoge Bedeutung wie das Orchester
in Schuberts Liedern eine ganz andere
in
Wagners Musikdramen.
Diese Funktion der
Begleitung
ist keine rein
ton­
malerische. Gewiß finden wir in ihr auch eine tonmale­
rische
Wiedergabe
des Baches, des Windes
»
99
c
usw.
Aber
es
völlig verkehrt zu glauben, daß die Beziehung. der
Begleitung zum Inhalt des Gedichts sich darin erschöpft.
Es ist nicht diese nur imitative Widergabe .des Gegen­
stands, von dem das Gedicht spricht. Die bloße Tat­
wäre
sache, daß wir
einen
an
Bach,
an
den. Wind,
das
an
Rauschen der Blätter erinnert werden, würde weder
genügen, eine poetische Welt aufzubauen, noch würde
dies mit musikalischen Mitteln
eine bloße
Anregung
geschehen,
sondern auf
in' der Phantasie des Hörers hin­
auslaufen. Das Große und
Einzigartige in Schuberts
Liedbegleitung ist vielmehr, daß sie mit rein musi­
kalischen Mitteln, über alle Tonmalerei hinaus, die
wirkliche Poesie, die Schönheit der Natur direkt gibt.
und zwar oft weit über das hinaus, was dem Dichter
gelungen ist, z. B. in der "Schönen Müllerin" und der
"Winterreise". Die Musik öffnet vielmehr
sionen
von
Durch sie werden
lyrischen
neue
Dimen­
Schönheit und Poesie der Naturelemente.
Gedicht
uns,
analog
-
wie in dem wahren
tiefere Schichten der Poesie der
.
-
Natur erschlossen. Daß die
Begleitung nicht
malerisch wirkt, sehen wir auch in "Gretchen
rein
ton­
Spinn­
Erfindung,
das Spinnrad erinnert, son­
am
rad". Nicht das ist das Außerordentliche der
daß die
Begleitung
uns an
dern der Kontrast des
in der
Begleitung
zu
dem Drama in der
besondere Poesie dieser
chung,
ihrer
Weiterrollenden
unbarmherzig
Begleitung,
Singstimme,
ihrer Unterbre­
zögernden Wiederaufnahme.
»
100
(
die
Der Strom
Sdiubertscher Lieder
-
sie füllen sechs
unerschöpflich dahinströmt, bietet immer
neue Überraschungen, wenn sich auch natürlich inner­
halb dieses Stromes große Unterschiede in derSchänheit
und Bedeutung finden.
Ebenso wunderbar wie dieUnersdiöpflidikeit dieses
Stromes, wie der Reichtum der Register, die Spanne
zwischen den verschiedenen Welten, mutet uns die
Genialität in der Durchdringung des Gedichts in be­
Bände
der
-
stimmten Lieder an, besonders
großer
wenn
das Gedicht
von
Höhe ist.
Man muß sich die ganze erschütternde Größe der
Dichtung von "Gretchen am Spinnrad" klar machen,
um den einzigartigen Wurf von Schuberts Lied zu wür­
digen. Es sind Urworte der Menschheit, die in "Meine
·Ruh ist hin" ertönen
eine Urtragik menschlichen
Schicksals in überwältigender Einfachheit und Dichtheit
gegeben. Dies Gedicht kann keiner, der empfänglich für
wahrhaft große Dichtung ist, trockenen Auges lesen.
-
einzigartig hat Schubert mit nur siebzehn
Gedicht komponiert! Welcher Einfall in
dies
Jahren
der Begleitung, die das Spinnrad wiedergibt, welcher
dramatischer Aufstieg bis zu dem "Und ach sein Kuß";
und dann die zögernde Wiederaufnahme der Beglei­
tung!
In den zwei Liederzyklen "Die schöne Müllerin" und
"Winterreise" hat Schubert eine ganz neue KunstUnd wie
-
-
»
101
«
geschaffen: ein musikalisches Epos, eine Reihe
selbständiger Lieder, doch fortlaufend eine Geschichte
erzählend, die als Ganzes eine Einheit bilden. Diese
Kunstform bietet ganz neue Möglichkeiten künstleri­
scher Art, die Schubert in einzigartiger Weise ausgestal­
tet und verwirklicht. Ein locker gefügtes Ganzes, das
gattung
-
den einzelnen Liedern ihre volle Freiheit läßt und doch
ein
einheitlicher, fortlaufender Strom, der vor unserem
Geist eine bestimmte
Gesamtatmosphäre ausbreitet.
Der Text der Müllerlieder ist bescheiden; aber im Lie­
derzyklus Schuberts ersteht eine unvergleichliche Welt
poetischen Zaubers vor uns, der auch die Dichtung kost­
bar und liebenswert macht.
Welch
tion,
unerschöpfliche Erfindung, quellende Inspira­
vom
Zauber Schubertschen Geistes erfüllt. Das
ganze Auf und Nieder von Glückserwartung, Hoff­
nung, Liebe, Schmerz, Wehmut spielt sich vor uns ab­
ergreifender Aufruf in dem "Der Mai ist gekom­
welch süßes, herzbewegen­
men, der Winter ist aus"
des Murmeln in dem Wiegenlied des Baches.
welch
-
Wenn sich in der "Schönen Müllerin" die wunder­
bare
lyrische
Anmut Schuberts
entfaltet,
so
ersteht in
der" Winterreise" die andere Seite Schuberts
vor uns:
das Dämonisch-Unheimliche. Dieser zweite Lieder­
ungleich bedeutender. Lieder, wie "Im
Dorfe", "Der Wegweiser", erheben sich nicht nur zu
noch größerer musikalischer Schönheit und Tiefe sonzyklus
ist noch
-
»
102
«
dern das Ganze besitzt eine viel
intensivere, konzen­
triertere Note.
Gewiß, auch hier finden wir volkstüm­
lichere Lieder,
B. "Der Lindenbaum". Aber die Mehr­
zahl ist
von
z.
straffer Durchformung und einer
gedrunge­
Kraft, besonders das letzte, "Der Leiermann". Spaun
berichtet, wie Schubert eines Tages sagte: ",Komme
nen
heute
zu
Schober, ich werde euch einen
licher Lieder
Kranz schauer­
Ich bin
vorsingen.
ihr dazu sagt. Sie haben
begierig zu hören, was
mich mehr angegriffen, als
dieses
je bei anderen Liedern der Fall war.' Er sang uns
nun mit bewegter Stimme die ganze Winterreise durch.
Wir waren durch die düstere Stimmung der Lieder ganz
verblüfft, und Schober sagte, es habe ihm nur das Lied
.Der Lindenbaum' gefallen. Schubert sprach hierauf
nur:
.Mir gefallen diese Lieder mehr als alle, und sie
werden euch auch noch
bald
wir
gefallen.'
Und
er
hatte recht,
dem Eindruck dieser
wehmütigen
begeistert, die Vogl meister haft vortrug. Sie
waren sein eigentlicher Schwanengesang."
Trotz der Gesamtatmosphäre, die diesen Zyklen
eigen ist, gibt es innerhalb derselben große Unterschiede
in der Schönheit, Potenz und Tiefe der einzelnen Lie­
waren
von
Lieder
der.
Die
völlig
Verbindung
Ton und Wort im Lied ist eine
andere als in der
Dramen
zum
von
von
großen
Oper
-
so
verschieden wie
Gedichten sind. Wie das Talent, das einen
Dramatiker macht, noch nicht
»
103
«
notwendig
große Gedichte gebiert, und umgekehrt, so auch in
Bezug auf Lied und Oper. Hölderlin, nach Goethe
Deutschlands größter Lyriker, war kein Dramatiker,
so wenig wie Kleist ein Lyriker In der Oper
sei es im
Fidelio, im Figaro oder Don Juan, sei es in Wagners
Tristan oder Meistersinger
gestaltet die Musik die
Charaktere. Die Personen auf der Bühne, die sich be­
wegen und agieren, singen ja selbst und die Musik wird
zu ihrem Wesensausdruck. Sie gestaltet ferner die ganze
-
-.
-
dramatische Situation, die wir auf der Bühne sehen und
miterleben. All dies fällt
gänzlich
weg beim Lied. Hier
vereint sich die Musik mit der ganz in sich
geschlosse­
poetischen Welt des Gedichts, die sich nicht als
Wirklichkeit präsentiert, wie das Drama, sich nicht vor
uns. abspielt, sondern uns wie durch ein Fenster in eine
Welt für sich blicken läßt. Einerseits ist die Verwebung
von Wort und Ton in der Oper eine noch radikalere,
nen,
andererseits im Lied eine noch intimere und detaillier­
tere.
Es braucht
uns
darum nicht
zu
wundern, wenn der
König des Liedes, trotz vielgestaltiger Versuche keine
Singspiele und Opern geschaffen hat, die sich durch­
setzen konnten. Er komponierte im ganzen achtzehn
Bühnenwerke. Noch auf seinem Sterbebett beschäftigte
ihn der Gedanke an seine Oper "Graf von Gleichen",
zu. der sein Freund Bauernfeld den Text geschrieben
hatte. Aber die Bühnenwerke 'haben sich nicht
durchgesetzt,
sie sind auch
»
an
104
«
Bedeutung
nur
nicht
mit seinen
sonstigen Werken unvergleichbar. Bezeichnend 'genug:
das schönste in seinen Opernsindmeist dieOuvertüren
oder die Zwischenaktmusik
wie beiRosamunde
-
-
also
die Teile absoluter Musik.
Wir können hier-leider nicht auf alle
absoluter Musik in Schuberts Werk
nur
nen
Gattungen
eingehen, sondern
ganz eige­
kurz auf Verschiedenes hinweisen. Einen
Platz in Schuberts Werk nimmt seine Musik für
Klavier ein. Es ist ein weiteres Zeichen seiner Potenz
.
uroriginellen Geistesart. daß er, der Erbe Beet­
hovens,' einen völlig anders gearteten Aspekt des' Kla­
viers gegenüber Beethoven entwickelt, Gewiß, seine
Sonaten können- 'nicht' mit' denen Beethovens, was
Schönheit, Gewalt und Tiefe betrifft, verglichen wer­
den. Aber 'er strebt auch in keiner Weise' Analoges 'an.
Er gibt dem Klavier eine ganz andere, durchaus neue
und
.
7
Funktion, undin diesem Rahmen schafft er Werke
großer
von
Schönheit und besonderem Reiz. Seine Art der
Klaviermusik hat auch einen außerordentlichen Einfluß
auf die Klavierliteratur im neunzehnten
ausgeübt.
Eine geradezu
schafft
er
J ahrhundert
'neue
Gattung der Klaviermusik
aber mit seinen
vierhändigen Stücken. Von all
den vielen Werken
zu
vier Händen erwähne ich
wunderbare, geheimnisvolle'
nur
die
Fantasie in G-dur, die
Einzigartiges in der Klavierliteratur darstellt,
Schubert begann schon im Alter von sechzehn Jahren
etwas
»
J05
«
Symphonien zu schreiben. Während die erstendreiSym­
phonien noch relativ unbedeutend sind, hat er schon
mit neunzehn Jahren die sogenannte Tragische und die
fünfte Symphonie komponiert. Es sind herrliche Werke,
voller schöner Einfälle und mit einer edlen poetischen
Welt. Doch tragen sie noch nicht den vollen Stempel
von Schuberts Eigenart; man hat sie darum scherzhaft
die
Haydn-Mozart-Symphonien von Schubert genannt.
Jahre früher komponierten Liedern Gret­
Spinnrad" und "Erlkönig" prägte sich seine
In den zwei
chen
am
"
volle Individualität schon viel stärker
aus.
Aber auch
hier die
unbegreifliche Frühreife und Beschenktheit
Schuberts, der so jung diese Symphonien schrieb, die
durchaus nicht den Charakter
von
Imitationen oder
Werken zweiter Hand besitzen, sondern voll echter In­
spiration sind Werke, die sich voll durchgesetzt haben.
Oberraschenderweise ist die mit einundzwanzig J ah­
ren geschriebene sechste Symphonie nicht so bedeutend
wie diese. Aber im Jahr 1822 also mit fünfundzwan­
zig Jahren ersteht das geniale, reife, herrliche Werk
die h-moll-Symphonie, die man die Unvollendete
-
-
-
-
genannt hat. Hier steht Schubert in voller Potenz
vor uns.
Das Werk ist durch und durch
von
seinem
einmaligem Genius erfüllt. Welch verhaltene Kraft in
dem Anfangsthema, das dann so eindringlich murmelnd
fortschreitet. Welche Anmut in dem zweiten Thema,
das sich, insbesondere in der Wiederholung, siegreich
»
106
c
ausweitet wie ein Ausblick in eine lichte Welt! Und wie
dicht und
ist der
geheimnisvolle zweite Satz!
Was Schubert als Symphoniker ist und noch hätte
werden können, wäre ihm ein längeres Leben beschie­
also
den gewesen, sagt die mit einunddreißig Jahren
in seinem letzten Lebensjahr
C-dur­
komponierte
das
Schubert in seinem
Dieses
Meisterwerk,
Symphonie.
Adel, in seiner ganzen Kraft und Größe zeigt, wurde
bekanntlich erst zehn Jahre nach seinem Tod von
Schumann im Nachlaß gefunden und nachher in Leipzig
zum erstenmal aufgeführt.
genial
-
-
Auch die sakrale Musik nimmt einen breiten Raum
in Schuberts Schaffen ein. Er hat im ganzen sieben
geschrieben. Aber nur die letzte in Es-dur, in
seinem letzten Lebensjahr geschrieben, steht auf der
Höhe seiner ganz großen und eigentlichsten Werke. Ich
Messen
möchte besonders auf das »Incarnatus est" hinweisen,
sanften, selig hinschreitenden Rhythmus
etwas ganz Neues darstellt gegenüber dem mystisch­
geheimnisvollen Incarnatus der Missa Solemnis und
das in seinem
dem
kontemplativangelischen
Incarnatus der c-moll­
Messe Mozarts. Es ist das schönste Incarnatus der gan­
zen
musikalischen Literatur,
größten
-
wenn
wir
von
den zwei
dem Beethovenschen und Mozartschen
-
ab­
sehen.
Einzig steht in der ganzen sakralen Musikliteratur
auch die Verwebung von Incarnatus und Crucifixus da.
»
107
«
singen drei Stimmen, Tenor, Baß; Alt, abwechselnd
das unvergleichliche Incarnatus.rdann folgt das herrliche
Crucifixus mit der unheilverkündenden Trompete;
darauf ertönt erneut, vom Sopran gesungen, das Incar­
natus, auf das wieder das Crucifixus folgt. Das ist eine
ganz eigenartige Auffassung, die uns gleichsam das
Incarnationsgeheimnis schon im Lichte des Kreuzes­
todes schauen läßt. Ein anderer Höhepunkt in dieser
Messe ist das »Dona riobis pacem" wieder ein wunder­
bares Thema
sakral, ergreifend, eindringlich! Hier
Erst
-
-
offenbart sich das tiefkatholische Element in Schubert.
Aber der
Höhepunkt
in seiner Kammermusik
seines Schaffens ist zweifellos
zu
finden. Schon das mit zwei­
undzwanzig Jahren komponierte Forellenquintett
'von
ist
unwiderstehlichem Zauber erfüllt. Hier tritt das
DämonisCh-Geheimnisvolle, die Kraft der späteren
Kammermusik noch nicht hervor, es ist vielmehr das
Element 'einer unbeschreiblichen Anmut und. holden
Poesie, das Zeugnis davon ablegt, wie Schuberts Genius
sich auf diesem' Gebiet in höchster Potenz und Dichte
zeigt.
Dasselbe
gilt in noch größerem Maße von dem mit
dreiundzwanzig Jahren komponierten Quartettsatz.
Ein außerordentliches Werk!'Und welch musikalische
Kleinode sind die beiden herrlichen Quartette in a-moll
und' d-moll mit den 'Variationen über das Lied "Tod
und das Mädchen" .' Aber noch
»
108
etwas
«
ungleich Größeres
steht in dem Oktett, dem B-dur- Trio, dem Quartett
opus 161 und dem C-dur-Quintett vor uns.
glauben irrtümlich der HöhepunktSchubert­
läge in seinen Liedern. Aber so unver­
gleichlich und neu er als Liederkomponist ist-so sehr er
der eigentliche Schöpfer dieser Gattung ist-wäre es doch
falsch, in ihnen den Gipfel Sdiubertscher Mu.sik zu er­
blicken. So unerschöpflich die Welt poetischen Zaubers
Manche
sehen Schaffens
.
ist, die in seinen Liedern ersteht
-
musikwerken erhebt sich Schubert
in diesen Kammer
zu
einer
vollen Tiefe und Dichte, die ihn noch weit
..
geheimnis
größer und
...
sublimer erscheinen lassen.
Es ist ein besonderes Merkmal seines
Genius, daß
der in besonderer Weise durch das Wort
wurde.ider
.
er,
inspiriert
in seinen Liedern wie kein anderer auf den
einging daß er, der Meister des
Liedes, doch noch zu ungeahnten Höhen aufsteigt, wenn
er seiner musikalischen Inspiration allein folgen kann,
Geist der Gedichte
-
wie in diesen Kammermusikwerken.
Welche Welt dichter,
.ergreifendervtiefer Genialität
und unerhörter Poesie steht
Meisterwerk
von
vor uns
im Oktett! Ein
atemraubender Genialität, eine, Welt
für. sich,' in der die verschiedenen
Aspekte
des Schubert­
sehen Genius sich voll entfalten.
Originalität ·der Einfälle, 'der Reichtum harmo­
nischerWandlungen, die Schubertschen übergänge von
Dur und Moll, eine pastorale Poesie,-wie in Giorgiones
Die
Champetre,
ahnungsvolle Geheimnis,
Concert
-
Das herrliche Thema
atmet
die holde Demut und das
alles kommt hier
am
Beginn des
zu
Wort.
ersten
das bedeutsam Geheimnisvolle. In den
Satzes
folgenden
Themen im weiteren Verlauf dieses Satzes entfaltet sich
die
epische Tiefe,
und eine
aufregende Genialität. Eine
alle Lieder hinausgeht und die
Poesie, die noch über
nicht romantisch, sondern wahrhaft klassisch ist.
Welch
große kontemplative Linie im zweiten Satz,
schönsten, adeligsten Melodien ertönt,
die je geschrieben wurden! Welch durchseelte Musik, die
zugleich so von Naturwelten erfüllt, so keusch, so
in dem eine der
intensiv ist! Und in der Mitte dieses Satzes welche Ver­
dichtung
und Ausdrücklichkeit im zweiten Thema.
Welch berückende
pastorale Poesie im dritten Satz,
welch entzückender Obermut, und im fünften, welch
ergreifende Holdheit, welch urpoetische Bewegtheit,
voller Liebe, Reinheit und Demut; dann im Schlußsatz
wieder das
geheimnisvoll Tragische und Dämonische.
Eine Welt voll hoher Schönheit und innerer Not­
genialer Präzision und unerschöpf­
Wahrlich, wenn Schubert nichts an­
deres als das Oktett geschrieben hätte, wäre er einer der
größten Musiker!
An das Oktett reiht sich das 1826 komponierte
Quartett opus 161, das den Höhepunkt innerhalb der
Quartette bildet. Der erste Satz mit seiner außerordent-
wendigkeit,
von
lichem Reichtum.
»
110
«
liehen Dichte und Genialität ist auch
von
der
geheim­
nisvollen dämonischen Note Schuberts erfüllt. Das
Adagio ist vielleicht der schönste Satz. Es beginnt mit
einem jener Schubertschen Themen, in denen sublime
Anmut und ergreifende Demut enthalten sind. Wie
dieses Thema sich in immer
neuer
harmonischer Wand­
bald hoch in der
Geige ertönt, und be­
sonders am Schlusse immer neu herausgearbeitet und
gewandelt wird, bald in Dur, bald in Moll, ist von un­
vergleichlicher Schönheit.
lung entfaltet,
Aber auch das Trio im Scherzo ist voller Subli­
mität. Seine sanft schreitende
einem
Typus
von
Bewegtheit gehört
zu
Themen, denen wir auch hin und
Symphonien begegnen. Manchmal
wird dieser Typus als »wienerisch" tanzartig empfun­
den. Dies scheint mir aber ein großer Irrtum. Die Be­
wieder in Bruckners
wegung hat vielmehr einen
schwebend
sublimen Cha­
rakter und dieses Scherzo- Thema stellt einen Höhe­
punkt der besonderen Grazie,
und Süßigkeit Schuberts dar.
Und
was
herrliche
eines
soll ich
erste
von
der
ergreifenden Anmut
dem B-dur-Trio sagen! Der
beginnend und dann in
Satz, voller Brio
jener speziellen Schubereschen Themen
heimnisvoller Wehmut mündend. Den
von
ge­
Höhepunkt
stellt das Adagio dar, in dem ein Wort von ergreifender
Schönheit gesprochen wird, eine Welt edler, reiner Ein­
dringlichkeit, ebenso schlicht wie tief, ebenso rein wie
»
111
«
von
kontemplativer Sammlung
süßes .Abschiednehmen
erfüllt. Welch
sanftes,
Schluß dieses Satzes! Aber
am
auch im letzten Satz findet sich
-
nach der frischen,
graziösen Einleitung eine unerhörte Stelle plötzlicher
Sammlung, ein Verweilen in der Tiefe mit einem tra­
gischen Unterton.
Den Gipfelseines ganzen Schaffens stellt vielleicht das
Quintett in Csdur dar, das er unmittelbar vor seinem
-
gleichsam alle die verschie­
denen Züge Schuberts in höchster Vollendung Zu Wort.
Im .ersten .Saez die gesammelte. Kraft und dann im
Hauptthema Anmut und holde Demut. Das Adagio ist
vielleicht das geheimnisvollste, was Schubert geschrie­
ben hat. Im ersten Teil ein heiliges Weben und ahnungs­
Tode' schrieb Hier kommen
..
volles Schweben und darauf der dämonisch dunkle Teil,
von
gedrängter Kraft.
Welch Genialität auch im Scherzo! Eine
raschung
desThema
das
große über­
bietet der letzte Satz: Dort ertönt ein blühen­
von
freudigste
überströmender Lebensfreude, vielleicht
aller Schubertschen Themen -und dann
wieder ein herrliches Thema, in dem
jenes kontempla­
tive Verweilen mit einem
Unterton
tragischen
zu
fin­
den ist.
spezifisch ergreifende Gestalt. Einer­
seits seine gottbegnadete Beschenktheit und anderer­
seits seine einzigartige Bescheidenheit. Oft verweigerte
er 'bei den Schubertiaden seine Lieder zu begleiten und
Schubert ist eine
»
112
«
blätterte
grund.
nur um
Als
oder
man zum
setzte
sich weitab in den Hinter­
erstenmal sein
und das Mädchen" aufführte
bertiade
-
äußerte der
erste
Quartett "Der Tod
in einer solchen Sdiu­
-
Violinspieler
zu
Schubert:
"Brüderl, bleib du lieber bei deinen Liedern, das
packte darauf, ohne ein Wort
nichts." Schubert
ist
zu
sagen, die Noten wieder ein und ließ dieses
einzigartige
liegen. Kurz vor seinem Tode
nachdem er die C-dur-Symphonie, die Es-dur-Messe
und das sublime Quintett in C-dur geschrieben hatte,
meldete er sich im Konservatorium, um bei Simon
Sechter Unterricht in Kontrapunkt und Musiktheorie
Werk in einer Schublade
-
zu
nehmen.
Selbst einer
großen
Schüchternheit
bei ihm. Er saß bei der
begegnen
wir oft
seiner
Oper "Zwil­
lingsbruder" mit seinem Freund im Hintergrund. Die
Oper eigentlich mehr eine Operette hatte großen
Aufführung
-
Erfolg
-
und Schubert wurde stürmisch
Er aber rührte sich nicht
"Kaput-Rock"
von
seiner
hervorgerufen.
Loge, weil
er
seinen
anhatte und sich nicht damit
zeigen
wollte. Als ein Freund ihm anbot, Schuberts "Kaput­
Rock" mit seinem Frack umzutauschen, fand er noch
Ausreden: das ließe sich nicht machen
aufführung
seines
und oft mußte
Kaffeehaus
"Erlkönigs"
man
ihn
herausholen,
aus
damit
komme. Diese Schüchternheit
»
113
war er
usw.
Zur Erst­
nicht erschienen
einem Restaurant oder
er zu
einer Schubertiade
zeigte
«
sich auch bei sei-
Besuch bei Beethoven. Schubert brachte im
nem ersten
Jahr
1822
-
also mit
fünfundzwanzig Jahren
hoven seine Variationen
vier
zu
Beet­
-
Händen, die
ihm
er
gewidmet hatte. Als Beethoven den Wunsch äußerte,
Schubert möge selber die Beantwortung seiner Fragen
niederschreiben,
war
dessen Hand wie
gefesselt.
Beet­
hoven durchlief das
monische
Schubert
Exemplar und stieß auf eine har­
Unrichtigkeit; mit sanften Worten machte er
darauf aufmerksam, aber sogleich beifügend:
dadurch aber
das ist keine Todsünde. Schubert
war
vollends außer
Erst außerhalb des
Hauses raffte
Fassung gekommen.
sich zusammen, aber
er
er
hatte niemals
den Mut, sich dem Meister wieder vorzustellen
-
bis
Jahr 1827, als Beethoven schon schwer krank war.
Hier zeigt sich neben der Schüchternheit auch die tiefe
zum
Ehrfurcht
Die
vor
Beethoven.
Schamhaftigkeit Sdru­
darin, daß er bei Lobsprüchen
große Bescheidenheit
berts äußerte sich auch
und
über seine Musik abwehrend die Hände erhob. Als einst
in einer Gesellschaft viele
wurden, äußerte
wird's mir schon
Andererseits,
er:
Lieder
von
ihm gesungen
"Nun jetzt aber schon genug, jetzt
langweilig."
wenn er
Zeit
einmal
etwas
hörte
was er vor
erstaunt, daß
es von
geschrieben,
ihm sei, und in echter Objektivität sagte er verklärt,
er habe nicht gedacht, daß er so Schönes geschrieben.
längerer
war er
Anselm Hüttenbrenner erzählt: "Lobte ich ein Lied
»
114
«
besonders, so
da fällt einem
dien strömen
Kathi
er
sagte
,ja,
-
sogleich
herzu, daß
Fröhlich,
das ist halt ein gutes Gedicht,
Gescheites ein
etwas
es
-
die Melo­
eine wahre Freude ist'.
"
die Freundin
Grillparzers, sagte von
neidisch und mißmutig. Im Gegenteil,
was hatte er für eine Freude, wenn etwas Schönes in
Musik aufgeführt wurde. Da legte er die Hände inein­
ihm: "Nie
war er
ander und gegen den Mund und saß ganz verzückt da."
Und
Spaun
herzig
sagte
von
ihm: "Er
war
ungemein
und offen, freundlich und dankbar
-
treu­
mitteilend
in der Freude und verschlossen im Kummer." Wie schön
sind die Worte, die
er
selbst ins
Tagebuch
schrieb:
"Leichter Sinn, schweres Herz. Zu leichter Sinn
birgt
meistens ein schweres Herz."
Typisch für Schubert war auch seine geringe Acht­
samkeit für die eigenen Werke. Kamen gute Freunde
zu ihm, so nahmen sie Hefte mit sich und versprachen
sie wiederzubringen, was aber selten geschah. Oft wußte
Schubert nicht, wer dieses oder jenes Lied fortgetragen
habe. Sein Famulus Josef Hüttenbrenner versuchte alles
wieder mühsam
Wie
er
von
zu
sammeln
-
es waren
hundert Lieder.
Gott verschwenderisch beschenkt war,
wie der Strom seiner Einfälle verschwenderisch über­
floß,
so war
auch seine
Haltung
anderen
gegenüber
Bezug auf seine Werke. Und doch lebte bei aller
in
Be­
scheidenheit ein tiefes Bewußtsein seiner künstlerischen
Mission in ihm
-
des Wortes, das Gott ihm
»
115
«
zu
sprechen
anvertraut.
So sagte
er
einst
die
Orchestermusikern,
zu
erklärten, sie seien ebenso Künstler wie
er:
"Ich bin
Schubert, der Großes gemacht hat und noch Größeres
machen wird, denn ich bin nicht bloß ein Ländler­
.
wie's in den dummen
Kompositeur,
Zeitungen steht
und wie's die dummen Menschen nachschwatzen
über die hohe
feingebildete
vor
Geistigkeit
Schuberts berichtet der
Anton Ottenwalt: "Wir saßen bis kurz
Mitternacht und nie habe ich ihn
ernst, tief und wie
von
Poesie,
von
zum
so
gesehen
...
wie
begeistert er von der Kunst sprach,
seiner Jugend und Freunden, von
anderen bedeutenden
Ideals
"
...
Menschen,
vom
Verhältnis des
Leben. Ich mußte immer mehr
erstaunen
über diesen Geist."
Aber nicht
nur
der Mensch Schubert ist eine
ergrei­
fende und liebenswerte Gestalt. Auch seine Kunst hat
eine besonders
ergreifende
und tief liebenswerte Note.
Liszt hat dies in die herrlichen Worte
gefaßt: ,,0 rastlos
quellender, liebevoller Genius, Wohlklang, Frische,
Kraft, Anmut, Leidenschaft, Besänftigung, Tränen und
Flammen erströmen dir
aus
Herzenstiefen und Höhen
und fast ließest du die Größe deiner Meisterschaft
ver­
gessen ob dem Zauber deines Gemüts."
Die
unsagbare, holde Grazie,
die Poesie der Natur
-
die sublime Schönheit der Demut, die in seinen Themen
lebt, die tiefe Tragik, die seine
geheimnisvolle,
Kunst
dämonische Kraft
»
116
«
-
durchzieht,
die
auf dem Hinter-
sanften und bescheidenen Persönlichkeit
grund der
all dies hat
unerhört
etwas
Ergreifendes
-
und Liebens­
wertes.
bewegt und mit liebender Ehrfurcht
solcher gottbegnadeten Besdienktheit, die uns wie
Wir stehen tief
vor
ein Wunder
anmutet.
Wie verstehen wir Schwind, der
Ende seines Lebens sagte,
allen Dingen, die
je
seien
wertvollste
das
habe,
gezeichnet
einige
Notenlinien, die er einst für Schubert in Ermanglung
von Notenpapier zeichnete und die, kaum trocken,
am
von
seine Hand
Schubertsche Melodien festhalten durften.
Schindler erzählt: "Da die Krankhkeit.der Beethoven
viermonatigem Leiden endlich doch erlag, ihm
von Anbeginn derselben die gewohnte Geistestätigkeit
unmöglich machte, so mußte man an eine Zerstreuung
für ihn denken, die seinem Geist und 'seiner Neigung
nach
So kam
auch, daß ich ihm eine Sammlung
von Schubert-Liedern und -Gesängen, ungefähr sechzig
an der Zahl, und darunter viele damals noch im Manu­
entsprach.
skript, vorlegte.
fünf Lieder
von
es
Der
große Meister,
staunte
über die Zahl
glauben,
daß Schubert
Sdiubert kannte,
derselben und wollte gar nicht
der früher nicht
jener Zeit (Februar 1827) bereits über fünfhun­
dert geschrieben hatte. Aber staunte er schon über die
Zahl, so geriet er in höchste Verwunderung, als er ihren
Inhalt kennenlernte. Mehrere Tage hindurch konnte er
sich gar nicht davon trennen und stundenlang verweilte
bis
zu
»
117
«
bei
täglich
er
den Grenzen der
Iphigenias Monolog,
Menschheit, der Allmacht, der Jungen Nonne, der
Viola, den Müllerliedern und anderen mehr noch. Mit
freudiger Begeisterung rief er wiederholt aus: ,Wahr­
.
lich, in dem Schubert wohnt ein göttlicher Funke!'
Kurz, die Achtung, die Beethoven für Schuberts Talent
groß, daß er nun auch seine Opern und
Klaviersachen sehen wollte; allein seine Krankheit nahm
bekam,
war so
bereits in dem Grade zu, daß er diesen Wunsch nicht
mehr befriedigen konnte. Doch sprach er oft von Schu­
bert und
prophezeite,
daß dieser noch viel Aufsehen in
der Welt machen werde."
Anselm Hüttenbrenner berichtet: "Schubert schritt
Trauergefolge, eine brennende Kerze tragend. Nach
beendigter Feier fanden sich die Freunde ,Auf der Mehl­
grube' am ,Neuen Markt' zusammen. ,Auf den, den wir
jetzt begraben haben!', sprach Schubert beim ersten
im
Glas. Und beim zweiten: ,Auf den, der der Nächste sein
wird!'"
Der Nächste
nicht
nur
er war es
war
Franz Schubert selbst. Aber
der Nächste, Beethoven im Tode
auch in dem Sinn, daß
kalische Genie nach Beethoven
ken, wie viel schwerer
und
Gültiges
war,
in der Musik
bedenken, daß
-
es
es
zu
das
er
war.
er war
folgen
größte musi­
zu
-
Wenn wir beden­
nach Beethoven Großes
sagen;
wenn
wir ferner
Schubert in seinem kurzen Leben
einunddreißig Jahre
-
»
nicht vergönnt war,
118
«
semen
Genius sich voll auswirken
Gluck
zu
lassen, wie
und
es
Händel,
dann
gegeben
Haydn,
die geheimnisvolle Tiefe und sublime Höhe vergegen­
wärtigen, die Schubert im Oktett, im B-dur- Trio, im
Qartett 161 und vor allem im Quintett C-dur erreicht
-
stehen wir nicht
war
an zu
-
wenn
wir
uns
sagen; nach den drei unbe­
Königen der Musik Bach, Mozart, Beet­
den unvergleichbaren und unerreichbaren
hoven
kommt vielleicht dem Range nach als Genius Schubert,
denn: "wahrlich in diesem Schubert lebt ein göttlicher
strittenen
-
Funke!"
-
-
Inhalt
Mozart
7
.
Beethoven
Schubert
43
.
77
Bilder
Wolfgang. Amadeus
Bleistiftzeichnung
Anfang
des
Ludwig
van
Zeichnung
von
bei 16
Mozart
Doris Stock 1789
bei 32
Requiems
von
Beethoven
August Kleiber
bei 48
.
1818
Freude, schöner Götterfunken,
Seid
umschlungen,
Millionen
bei 64
.
Aus der Neunten Sinfonie
Franz Schubert
Aquarell
Skizze
von
zu
bei 80
.
Wilhelm Riedl
"Mirjams Siegeszug"
Photos: Schuhert
Alle
übrigen
vom
von
1828
.
bei 96
Bavaria, München
Historischen Bildarchiv
Handke, Bad Berneck
DIETRICH VON HILDEBRAND
Die Menschheit
am
Gesammelte
und
Abhandlungen
Herausgegeben
658
und
eingeleitet
Scheideweg
Vortra'ge
von
Karla Mertens
Seiten, Leinen, 22,50 DM
Die hier
vereinigten Abhandlungen und
Vorträge bilden bei aller Mannigfaltigkeit
der Bereiche, die sie umgreifen, ein Gan­
zes. Sie sind der getreue Spiegel eines uni­
versellen Geistes, dessen Durchdringungs­
kraft, dessen Unbedingtheit im Verfolgen
des Einen Notwendigen die organische Ein­
heit dieses Buches bildet.
"Was die Abhandlungen zusammenfügt,
ist vor allem die Hildcbrand eigene Kraft
der phänomenologischen Methode, die in
ehrfürchtigem Abtasten der Erscheinungen
selbst schließlich zu ihrem Wesenskern hin­
führt. Welcher Reichtum hier für die Er­
fassung der personalen Werte bereitsteht,
ist bekannt." Paul Hadrosse]: in "Känigsteiner Blättern
DIETRICH VON HILDEBRAND
Metaphysik
Untersuchung
397
der Gemeinschaft
über Wesen und lfl'ert der
Gemeinschaft
Seiten, Leinen, 16,80 DM
verständigen Leser wird das Buch
helfen, die Nebel zu zerteilen, welche die
Schlagwörter der "schrecklichen Verein­
Dem
facher" über das Spannungsfeld "Einzel­
mensch und Gemeinschaft" gebreitet haben.
So eignet sich das Buch hervorragend zum
Dienst an der Gegenwart. "Stimmen der z.«:
Was Hildebrand über die Person schreibt
und über die in ihr von Natur eingelasse­
Möglichkeiten zur Gemeinschaft hin,
ist einfach klassisch. Klassisch ist auch der
Aufweis des Gegeneinander und Zueinan­
der der verschiedenen Gemeinschaften.
Leonbard Kiippers
nen
VERLAG
JOSEF
HABBEL
REGENSBURG