CED bei Teenagern - MSD

Transcrição

CED bei Teenagern - MSD
CED bei Teenagern
Von Eltern zu Eltern
CED bei Teenagern
Von Eltern zu Eltern
Die Eltern
Heidi M.
Annika & Udo F.
Mein Name ist Heidi M. Ich war alleinerziehend, als vor vier Jahren mein Sohn Simon
mit 14 Jahren an Colitis ulcerosa erkrankte. Er hat
eine zwei Jahre ältere Schwester. Beruflich war ich zu
dieser Zeit in einer physiotherapeutischen Praxis tätig.
Dadurch verfügte ich über Kontakte zu guten Ärzten,
welche für die physischen und psychischen Probleme
für mich und meine Kinder stets zur Stelle waren und
sind. Aus der heutigen Sicht ist ein gutes Umfeld die
beste Medizin für alle Beteiligten.
Wir sehen uns als „ganz normale“ Familie.
Unsere beiden Kinder (Sohn 19 Jahre, Tochter
18 Jahre) haben beide in 2011 ihr Abitur abgelegt.
Der Vater ist Wirtschaftsprüfer in eigener Kanzlei, die
Mutter Rechtsanwältin in Teilzeit. Bei Dominik wurde
im 7. Lebensjahr Colitis ulcerosa festgestellt. Er steht
seitdem unter dauernder ärztlicher Behandlung in
der Haunerschen Kinderklinik in München. Dank der
sehr guten ärztlichen Betreuung kann unser Sohn
trotz zahlreicher Schübe unterschiedlichster Intensität
ein Leben ohne einschneidende Einschränkungen
führen und insbesondere seinen vielseitigen sportlichen Aktivitäten nachgehen.
Jutta & Dieter B.
Eva & Klaus S.
Wir, das sind Kira (16), Jutta (45) und
Dieter (46), leben im Großraum München.
Bei Kira wurde im Alter von 15 Jahren, nach einem
Sommer mit heftigen Beschwerden, Morbus Crohn
diagnostiziert. Innerhalb von nur drei Monaten nach
der Diagnose erlebten wir das volle Programm von
Ernährungstherapie über mehrere „Beinahe-Darmverschlüsse“ bis hin zur operativen Entfernung der
Stenosen. Kira erhält regelmäßig Medikamente. Sie
ist dadurch in einer stabilen Phase und wir hoffen,
dass diese lange anhält.
Wir sind sozusagen eine kleine Großfamilie
mit der traditionellen Zusammensetzung
Vater, Mutter und drei Kinder. Caroline (19) ist das
„Sandwichkind“ mit der älteren Schwester Johanna
(23) und dem jüngeren Bruder Christian (16). Mein
Mann ist selbstständig und ich bin Lehrerin in Teilzeit.
Als Eltern versuch(t)en wir beide, Erziehungsaufgaben gemeinsam zu lösen, wobei mir durch die Teilzeit
allerdings der größere Teil zufällt. Es gibt Aufgabenbereiche, für die jeder allein zuständig ist. So
erledigt mein Mann z. B. Fahrdienste am Abend und
ich Elternabende in der Schule. Bei anderen Dingen
wechseln wir uns ab. Früher nahmen wir auch ab
und zu die Omas in Anspruch, die aber leider weit
entfernt wohnen.
6
Die Eltern
Margarethe & Edgar M.
Margit & Frank B.
Wir sind seit 22 Jahren verheiratet und haben
zwei Töchter im Alter von 21 und 17 Jahren.
Sowohl ich als auch mein Mann sind berufstätig.
Ich arbeite bei der Deutschen Post als Zustellerin, er
bei BMW als Montagearbeiter. Vor etwa vier Jahren
wurde bei unserer jüngeren Tochter Bianka Morbus
Crohn diagnostiziert.
Wir sind eine recht lustige Familie mit drei
Kindern, unserem Sohn (22 Jahre, Student),
unseren Töchtern (20 Jahre, Studentin, und 16 Jahre,
Gymnasiastin), einem wilden kleinen Hund und einer
äußerst selbstbewussten Katze. Der Morbus Crohn ist
nun schon seit ca. 13 Jahren ein Teil unseres Lebens,
da sowohl unser Sohn als auch unsere jüngste Tochter Lena sehr jung daran erkrankt sind. Mein Mann
ist im Arbeitsleben voll eingespannt, deshalb arbeite
ich nur Teilzeit. Ich habe das Glück, über sehr flexible
Arbeitszeiten zu verfügen, sodass die Betreuung
meiner Kinder meistens kein Problem war. Außerdem steht mir mein Mann immer mit Rat und Tat zur
Seite. Auch unsere Oma war immer da, wenn Not
am Mann war.
Ich freue mich, durch unsere Mitarbeit an dieser
Broschüre anderen Eltern vielleicht einen kleinen Einblick in den Alltag mit der Erkrankung verschaffen zu
können und ihnen ein wenig die Angst zu nehmen.
7
Yvonne & Dirk F.
Petra & Carsten M.
Unsere Familie besteht aus Mama (42), Papa
(47), unserer Tochter (22) und unserem Sohn
(16), auch unser Dackel „Lucky“ gehört dazu. Wir
arbeiten beide ganztags, seit der Erkrankung unseres Sohnes Manuel an Morbus Crohn vor ca. drei
Jahren, auch in Heimarbeit. Unsere Tochter studiert
und ist bereits ausgezogen, unser Sohn besucht die
Realschule. „Lucky“ kümmert sich derweilen um das
Haus und den Garten, was nicht immer positiv ausgeht. In der Betreuung unseres Sohnes setzen wir auf
Teamwork und binden auch die Großeltern ein, die
noch sehr rüstig sind. In den drei Jahren haben wir
gelernt an guten Tagen zu „tanken“ und die schlechten Tage durchzustehen. Eine gute Portion Humor
erlaubt es uns trotz allem, immer noch ein lustiger
Haufen zu sein.
Wir sind Mama (46), Papa (47), Sohn (21),
Tochter Anne (17) und unsere geliebte Katze
Joey. Mein Mann arbeitet den ganzen Tag und ich
seit Januar ganztags in der Selbstständigkeit. Anne
erkrankte mit fünf Jahren an CRMO (Chronisch
rekurrente multifokale Osteomyelitis) und mit neun
Jahren an Colitis ulcerosa. Unser Sohn ist nächstes
Jahr mit seiner Ausbildung fertig, Anne macht nun
nach sechs Jahren Gymnasium ihren Abschluss auf
einer Realschule und wird nächstes Jahr ihr Abitur
vollenden.
In den elf Jahren, die von den Krankheiten meiner
Tochter geprägt waren, haben wir alle Höhen und
Tiefen so gut es geht gemeistert. Es ist ein kleines
Stück Alltag geworden – trotz allem kommt der Optimismus nicht zu kurz.
Die Jugendlichen
Caroline S.
I
ch heiße Caroline, bin 19 Jahre alt und
studiere seit Oktober 2011 im ersten
Semester Jura. Seit der Diagnose sind nun
schon mehr als vier Jahre vergangen und sie
bereitet mir keinerlei Probleme mehr.
Deshalb gehe ich, wie andere auch, gerne mit
Freunden ins Kino, shoppen und am Wochenende feiern.
Simon M.
M
ein Name ist Simon, ich bin 18 Jahre alt
und gehe zurzeit noch zur Schule. Ich
lebe nun schon seit vier Jahren mit meiner
Krankheit, die mir aber eigentlich gar nichts
mehr ausmacht. In meiner Freizeit mache ich
gerne Sport und gehe auch gerne und viel
mit meinen Freunden aus.
Inhalt
Das familiäre Umfeld
12
Nach der Diagnose
12
Integration der Erkrankung in den Alltag
16
Erziehung
21
Umgang mit Geschwistern
25
Hinweise für Reisen, Ausflüge, Besuche
30
Freizeit, Sport und Spiel
32
Schule
38
Information der Lehrer
38
Erkrankungsbedingte Probleme im schulischen Alltag
42
Pubertät
48
Probleme mit pubertätsbedingten Veränderungen
48
Veränderung der Elternrolle
50
Auswirkung der Pubertät auf die Erkrankung
52
Therapietreue
58
Altersbedingte Veränderungen in der Therapietreue
58
Wechsel vom Kinderarzt zum Internisten
62
Probleme beim Arztwechsel
62
12
Das familiäre Umfeld
Nach der Diagnose
Wie ist Ihr Kind mit der Diagnose
umgegangen?
Unsere Tochter Bianka war zuMargarethe &
nächst sehr geschockt von der
Edgar M.
­Diagnose einer unheilbaren
Krankheit, hat viel geweint und war anfangs recht
hoffnungslos, was eine Besserung angeht. Erst
nach einigen Tagen haben wir uns im Internet über
die Krankheit informiert, was uns nicht unbedingt
ermutigt hat. Die Informationen, die wir im Internet fanden, waren hauptsächlich negativ. Von der
damaligen Ärztin haben wir überhaupt keine Rückmeldung bekommen, sie hat uns nicht darüber informiert, welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt,
und welche Hilfen wir in Anspruch nehmen könnten.
Besser wurde es, nachdem wir das Krankenhaus
beziehungsweise den Arzt gewechselt hatten. Dort
hat sich unsere Tochter wohlgefühlt und hatte mehr
Vertrauen zu den betreuenden Ärzten.
Unsere Tochter Caroline hat mit
viel Wut und Verzweiflung reagiert.
­Diese Wut auszuhalten war zugegebenermaßen nicht leicht. Als mir bewusst wurde, dass
die Aggressionen der Krankheit galten, konnte ich sie
Eva &
Klaus S.
leichter aushalten und Hilfestellung geben. Dabei war
für alle Familienmitglieder hilfreich, dass meine Mutter
an derselben Krankheit leidet. Sie hat, seit sie über 30
ist, so gut wie keine Beeinträchtigungen.
Lena war damals erst sechs Jahre
alt. Da ihr sechs Jahre älterer Bruder auch Morbus Crohn hatte, war
es für sie zumindest nicht neu. Krankenhausbesuche,
Medikamente, das Leben mit einer chronischen Erkrankung – das alles gehörte für sie zum Alltag. Neu
war jetzt natürlich, dass es sie auch betraf.
Margit &
Frank B.
Als mein Sohn im Alter von neun Jahren damals
erkrankte, war das für ihn wirklich schlimm. Die
­Diagnosestellung hatte sich extrem lang hingezogen.
Es war ein ständiges Hin und Her mit langen Krankenhausaufenthalten und wenig Informationen. Das
alles hat ihn total verunsichert und er hat unglaubliche Ängste entwickelt. Auch wir wurden damals
nicht richtig über die Erkrankung aufgeklärt und
konnten ihm daher auch nicht die Sicherheit und Zuversicht geben, die er so dringend gebraucht hätte.
13
Glücklicherweise sind wir damals zufällig auf die
Selbsthilfeorganisation DCCV gestoßen. Die hatten
damals schon eine wirklich informative Internetseite,
die uns endlich viele Fragen beantwortet hat. Später
habe ich dann auch an Elterntreffen, die die DCCV
regelmäßig organisiert, teilgenommen. Dort habe ich
festgestellt, wie wichtig es ist, dass man sich untereinander austauscht und dass oft die besten Tipps und
Anregungen aus diesem Kreis kommen.
Bei Entdeckung der Colitis ulcerosa
war Dominik sieben Jahre alt. Die
Krankheit konnte er daher im Detail nicht verstehen, litt aber unter Bauchschmerzen
und Durchfall. Dies hat ihn natürlich belastet, trotz
allem ist er aber gut damit umgegangen.
Annika &
Udo F.
Ernüchterung, da sie sich der Bedeutung der Diagnose und dem Wissen, mit der Krankheit ein Leben lang
umgehen zu müssen, stärker bewusst wurde.
Manuel war zum Zeitpunkt der Diagnose 13 Jahre alt. Er war erleichtert, dass nun endlich die Ursache
seiner Beschwerden gefunden wurde.
Yvonne &
Dirk F.
Meine Tochter Anne war zum Zeitpunkt der Diagnose neun Jahre alt.
Da die Darmerkrankung ihre zweite
chronische Erkrankung war, hat sie die zweite heftige
Diagnose versucht zu ertragen.
Petra &
Carsten M.
Simon war 14 Jahre alt, als er die
Diagnose erhielt und war natürlich
dementsprechend geschockt, eine
chronische Krankheit zu haben. Er war wie gelähmt
und hat geweint. Was diese Krankheit wirklich
bedeutet, hat man eigentlich erst wesentlich später
verstanden.
Heidi M.
Nach langer Beschwerdephase
wurde die Diagnose bei unserer
Tochter Kira im Alter von 15 Jahren
festgestellt. Sie war zuerst erleichtert, endlich eine Diagnose zu haben, die eine Behandlung der Symptome ermöglichte. Später wich diese Erleichterung der
Jutta &
Dieter B.
14
Was hat die Diagnose für dich
bedeutet?
D
ie Diagnose war natürlich am Anfang
nicht leicht zu verkraften, schließlich ist
man mit 15 noch lebensfroh und macht sich
nur Gedanken um Freunde, Schule und Co.
Dass man plötzlich als Einziger eine Krankheit
mit sich herumschleppt ist schwierig, mittlerweile habe ich mich jedoch daran gewöhnt.
Meine Wut hat sich am Anfang eher auf die
Ärzte bezogen, die zu dieser Zeit ständig
gewechselt haben und mit denen ich nicht
besonders gut klarkam. Ich bin auch nicht eingeschränkt in meinen Aktivitäten, deshalb
fühle ich mich nicht anders als andere
Jugendliche.
15
Was hat sich im gesundheitsbewussten
Verhalten Ihres Kindes verändert?
Caroline war schon vor ihrer
Krankheit sehr ernährungsbewusst
und Rauchen war nie ein Thema.
Das Problem war eher, dass sie verunsichert war. Wir
versuchten zu vermitteln, dass sie ein normales Kind
ist und ausprobieren soll, welche Nahrungsmittel ihr
Probleme bereiten und welche gut für sie sind.
Eva &
Klaus S.
Natürlich haben wir nach der
Diagnose versucht, auf „gesunde“
­Ernährung umzustellen. Aber das
ist gar nicht so leicht. Was ist eine gesunde Ernährung bei Morbus Crohn? Je nach Krankheitsaktivität
gelten wieder andere Empfehlungen, und meine
Kinder wollten einfach essen, was ihnen schmeckt.
Das ist also immer ein kleiner Kampf. Allerdings gab
es auch immer Lebensmittel, bei denen sie gleich
gemerkt haben, dass sie ihnen nicht guttun, und die
haben sie dann von sich aus weggelassen.
Margit &
Frank B.
Annika &
Udo F.
Dominik durfte nach ärztlichem
Anraten unverändert Essen und
Trinken, daher hat sich hierbei
nichts geändert. Seine starken sportlichen Aktivitäten (Tennis und Fußball) hat er im selben Umfang
fortgeführt.
Kira ernährte sich bereits vor der
Diagnose vegetarisch und ist Nichtraucherin. Seit der Diagnose wird
bewusst auf faserige und blähende Lebensmittel verzichtet. Die Verträglichkeit anderer Lebensmittel wird
beobachtet und gegebenenfalls werden einzelne Lebensmittel nach mehrfachen Problemen aussortiert.
Jutta &
Dieter B.
Rauchen und andere Suchtmittel
sind kein Thema. Dadurch, dass
Simon medikamentös sehr gut
eingestellt ist, kann er alles essen, worauf er Appetit
hat. Da er auf eine Landwirtschafts- und Ernährungsschule geht, ist seine Einstellung auf „gesunde
Ernährung“ sensibilisiert, was wiederum auch einen
positiven Einfluss auf seine Krankheit hat.
Heidi M.
16
Integration der Erkrankung in den Alltag
Welchen Einfluss hat die Erkrankung
auf Ihren Tagesablauf?
In der Zeit, in der Bianka sich per
Magensonde ernähren musste,
hatte ich viel damit zu tun, die
Nahrung für sie vorzubereiten, heute hat sich die
Krankheit so in unseren Tagesablauf integriert, dass
es schon kaum mehr störend ist.
Margarethe &
Edgar M.
Prinzipiell haben wir alle darauf
geachtet, dass genügend Zeit für
notwendige Maßnahmen war. Vor
allem für den Start des neuen Tages (z. B. Medikamente, Einläufe etc.) war immer viel Zeit eingeplant.
Eva &
Klaus S.
Da die Krankheitsaktivität meiner
Tochter seit der Einnahme ihres
Medikamentes sehr niedrig ist,
hat die Erkrankung auch kaum Einfluss auf unseren
Tagesablauf. Sie nimmt einmal am Tag ihre Medikamente und lebt ansonsten wie alle anderen Kinder
auch. Bei meinen Kindern ist es auch nicht so, dass
sie öfter auf die Toilette müssten als andere Kinder.
Also gibt’s auch da keine Einschränkungen. Während
eines Krankheitsschubes sah es natürlich ganz anders
Margit &
Frank B.
aus. Da ging es ihr dann so schlecht, dass sie einfach
keine Energie hatte. Da dreht sich das ganze Leben
dann nur noch darum, wie man den aktuellen Schub
wieder am schnellsten in den Griff bekommt.
Unser Tagesablauf hat sich im
Prinzip nur durch die regelmäßigen Essenszeiten geändert, die für
uns aber kein Problem darstellten, da meine Frau als
Selbstständige von zu Hause aus arbeiten konnte.
Zudem haben wir auf regelmäßigen und ausreichenden Schlaf geachtet. Beides konnten wir leicht im
Tagesablauf unterbringen und haben hierin keine
Beeinträchtigung gesehen.
Annika &
Udo F.
Unser Alltag ist stark durch die
Krankheit unseres Sohnes geprägt.
Dadurch, dass Manuel in den letzten Jahren noch keine stabile Remission hatte, ändert
sich sein Gesundheitszustand und Wohlbefinden so
schnell – manchmal innerhalb eines Tages von sehr
gut auf sehr schlecht und umgekehrt, sodass wir so
gut wie nichts planen können. So müssen wir täglich
Yvonne &
Dirk F.
17
mit allem rechnen und sehr flexibel darauf reagieren.
Wir sind immer über ein Handy erreichbar, auch bei
der Arbeit und sorgen dafür, dass mindestens ein
Elternteil innerhalb kürzester Zeit bei unserem Sohn
sein kann. Hierbei werden wir auch von den Großeltern unterstützt, die noch sehr fit und vor allem
mobil sind. Wir haben aber mittlerweile alle gelernt
damit umzugehen. Dadurch sind wir noch spontaner
geworden. Besuche, Unternehmungen, Freizeit- und
Feriengestaltung, kurz alles wird bei uns von Anfang
an so eingerichtet, dass es schnell umdisponiert oder
abgesagt werden kann. Auf einige Aktivitäten, wie
z. B. längere Bergwanderungen, Skifahren verzichten
wir bis auf Weiteres komplett.
18
Welche Veränderungen empfinden Sie am schwierigsten?
Wie integrieren Sie diese in Ihren Alltag?
Es ist mit zwei berufstätigen Elternteilen oft nicht einfach, für die
geplanten Krankenhaustermine unserer Tochter frei zu bekommen. Anfangs war es außerdem schwer, immer daran zu denken, dass Bianka
regelmäßig die verschriebenen Tabletten nimmt.
Wir hatten das Glück, mit der Unterstützung unserer
Arbeitskollegen rechnen zu können, sodass diese
meist einen Schichtwechsel befürworteten. Wir
haben die Tabletteneinnahme in unseren Tagesablauf
integriert, indem ich morgens schon alle Tabletten für
den Tag zurechtgelegt und sie gut sichtbar in einem
Medikamenten-Becher auf den Tisch gestellt habe.
Margarethe &
Edgar M.
Am schwierigsten war die anfängliche Aggression, die aber bis
heute deutlich abgenommen hat.
Manchmal hat Caroline aus nichtigem Anlass einen
Wutanfall bekommen, z. B. wenn sie hungrig war
und auf dass Essen warten musste. Ich habe mich
dann darauf eingelassen, sodass die Lage eskaliert ist
und mit Geschrei und Türenknallen geendet hat. Mit
der Zeit wurde mir klar, dass es meine Aufgabe war,
Eva &
Klaus S.
die Lage zu entschärfen. Statt zu sagen: „Du wirst
doch noch zehn Minuten warten können“, habe ich
vorgeschlagen, vielleicht schon eine kleine Vorspeise
zu essen, die im Nu zuzubereiten war (Salat, Toast
etc.) Oder Caroline hat gereizt reagiert, weil ich in ihren Augen eine blöde Frage zur Schule oder zu ihren
Freunden gestellt habe. Anfänglich habe ich darauf
auch geantwortet, weil ich mich ungerecht behandelt gefühlt habe, später habe ich so etwas einfach
ignoriert und das Thema gewechselt. So hat sich die
Situation schneller entspannt.
Am schwierigsten für mich ist es
zu wissen, dass meine Kinder nicht
ohne starke Medikamente, die
das Immunsystem unterdrücken, leben können. Die
ständige Ungewissheit, wie sie diese Medikamente
auf die Dauer vertragen und ob es nicht doch zu
Langzeitschäden durch die Einnahme kommen kann,
macht mir oft sehr zu schaffen. Aber ohne diese Medikamente funktioniert es halt auch nicht. Es tut mir
dann immer sehr gut, wenn ich von älteren Patienten
lese oder erfahre, die trotz der Einnahme solcher
Margit &
Frank B.
19
oder ähnlicher Medikamente keine Schäden davongetragen haben. Und außerdem setze ich große
Hoffnung in die Forschung, dass endlich die Ursache
gefunden wird, die einen akuten Schub auslöst und
dass dann gezielt Medikamente entwickelt werden
können, die vielleicht weniger Nebenwirkungen
haben.
Am meisten haben uns die Phasen
Dominiks Niedergeschlagenheit
belastet sowie Rückschläge nach
Phasen der Besserung. Dann war es am wichtigsten,
Dominik wieder aufzurichten und ihm Zuversicht zu
geben. Dies gelang am besten durch den Hinweis,
dass nach jeder schlechten Phase wieder eine gute
gekommen ist. Am besten hat jedoch jede Ablenkung gewirkt, wie gemeinsames Spielen, Ausflüge
usw. Dabei durfte es auch gelegentlich etwas Besonderes sein, was sich vom normalen Alltag abgehoben
hat.
Annika &
Udo F.
Der für uns immer wieder überraschende Wechsel zwischen sehr
gutem und sehr schlechtem Befinden ist anstrengend. Es gilt daher an guten Tagen zu
„tanken“, um die schlechten Tage zu überstehen.
Wir sind beide in Vollzeit berufstätig. Hier gab es
für uns die größte und wichtigste Umstellung. Wir
haben unsere Arbeitszeiten nun so eingestellt (z. B.
durch Heimarbeit), dass bei Bedarf immer ein Elternteil zu Hause sein kann. Auch wenn wir durch pure
Anwesenheit kein Leiden lindern können, ist es uns
wichtig, präsent zu sein und unseren Sohn mit seinen
Beschwerden nicht alleinzulassen.
Yvonne &
Dirk F.
Je nach aktueller Beschwerdelage, gibt es Phasen mit häufigeren Toilettengängen. Auch eine
frühzeitige Erschöpfung kommt in diesen Zeiten oft
vor. In diesen Phasen müssen Unternehmungen mit
Freunden so gestaltet werden, dass Toilettengänge
unkompliziert möglich sind oder die Unternehmungen abgesagt werden. Die Einnahme der Medikamente zu den vorgeschriebenen Zeiten muss unabJutta &
Dieter B.
20
Welche Veränderungen waren
oder sind für dich am schwierigsten?
D
ie für mich schon immer und heute
immer noch schwierigste Veränderung ist
die viele Zeit, die einen die Krankheit kostet.
Arztbesuche, Blutabnahme, all das braucht
natürlich viel Zeit, Zeit, die ich lieber mit schöneren Dingen verbringen würde.
hängig von den Aktivitäten sichergestellt werden. So
müssen beispielsweise bei Auswärtsübernachtungen
die Medikamente für den entsprechenden Zeitraum
vorbereitet und mitgenommen werden.
Für mich als Mutter ist es schwierig, weil ich äußerst sensibilisiert
jedwedes Leiden sofort analysiere,
z. B. wenn Simon nach schwerer körperlicher Arbeit oder nach Sport über Gelenkschmerzen klagt.
Dadurch, dass er so gut wie gar keine Gedanken
daran verschwendet, vermeide ich es tunlichst, meine
Sorgen zu verbalisieren und dränge diese in den
Hintergrund – was nicht leicht fällt.
Heidi M.
21
Erziehung
Was hat sich nach der Diagnose in Ihrer Erziehung
geändert? Wie hat dies das Verhältnis zu Ihrem
Kind beeinflusst?
Wir haben unserem Kind nach der
Diagnose mehr Freiheiten gelassen,
haben nicht mehr so viel Wert darauf gelegt, was sie isst, sondern waren einfach nur
froh, dass sie überhaupt wieder essen konnte. Das
Verhältnis zu Bianka war danach nicht viel enger als
zuvor, hat sich aber auch nicht verschlechtert.
Margarethe &
Edgar M.
In der ersten Zeit waren wir ständig
in einer Art Habtachtstellung. Wir
haben versucht zu erraten, wie es
Caroline geht, um nicht immer fragen zu müssen
und ihr damit auf die Nerven zu gehen und eventuell Wutanfälle auszulösen. Mit der Zeit sind wir
entspannter geworden und fragen, wenn wir etwas
wissen wollen, direkt, achten aber auf einen geeigneten Zeitpunkt im Tagesablauf. So macht es ihr
weniger Angst und uns nicht zu Überängstlichen und
Besserwissern.
Eva &
Klaus S.
Margit &
Frank B.
In der Erziehung hat sich eigentlich nur geändert, dass ich noch
viel ängstlicher bin, bei allem was
Lena unternimmt, bei Klassenfahrten oder wenn sie
„normal“ krank ist. Deshalb fällt es mir auch ziemlich schwer, meiner pubertierenden Tochter viele
Unternehmungen zu erlauben. Diese übertriebene
Fürsorge ist für sie ziemlich schwer zu ertragen und
ich muss ständig an mir arbeiten, um mich zu beherrschen. Sie möchte einfach nur ein normaler Teenager
sein dürfen. Das ist ihr ganz wichtig und ich denke,
sie hat recht.
Die Sorge um Dominik hat teilweise zu einer Bevorzugung und Verwöhnung geführt. So wurde z. B.
die Mitarbeit im Haushalt nicht in dem Maße erwartet, wie es vielleicht üblich ist. Es wurde vielleicht das
eine oder andere hochwertigere Geschenk gemacht
oder eine Eintrittskarte zu einem Event gekauft,
was man unter „normalen“ Umständen nicht getan
hätte. Wir haben jedoch immer versucht, die ganze
Familie (einschließlich Schwester) daran teilhaben zu
lassen, sodass die Krankheit zwar Anlass war, aber
nicht zur einseitigen Bevorzugung des „Kranken“
führte. Öfter gab es Zweifel, ob ein solches Verhalten
Annika &
Udo F.
22
langfristig richtig ist, und nicht dadurch ein „verwöhnter“ und „unselbstständiger“ Junge herangezogen wird. Wir haben deshalb versucht, die „Ausreißer“ auf schlechte Phasen des Krankheitsverlaufes
zu beschränken. Offenbar scheint es uns gelungen
zu sein, das richtige Maß zu finden, denn Dominik
ist ein eigenständiger junger Mann ohne Allüren, mit
Ehrgeiz und klaren Zielen geworden und unternimmt
viel mit seinem Freundeskreis.
Es hat sich hier nicht viel verändert.
Wir nehmen in Erziehungsfragen
Rücksicht auf die Erkrankung,
allerdings nur dort, wo die Krankheit einschränkend
wirkt. Wir erwarten z. B. keine größeren körperlichen
Aktivitäten oder Unterstützung im Haushalt, weil wir
wissen, dass er das oft nicht leisten kann. Wir erwarten aber nach wie vor einen respektvollen Umgang
in der Familie, Pünktlichkeit, er muss weiterhin sein
Zimmer sauber halten, sich um sein Aquarium kümmern, Verantwortung für das übernehmen, was er tut
usw. Wir legen großen Wert darauf, dass nicht jedes
Fehlverhalten mit der Krankheit entschuldigt wird.
Yvonne &
Dirk F.
Ein chronisch krankes Kind zu
haben, ändert im Bewusstsein alles.
Man ist versucht, in den ersten Monaten nach Bekanntwerden sein Kind zu „übermuttern“. Jegliche Äußerung meines Sohnes über ein
körperliches oder seelisches Unwohlsein wird hinterfragt, und wenn in dieser Richtung nichts geäußert
wird, wird häufig nachgefragt, ob denn auch wirklich alles in Ordnung sei. Und das mag ein Teenager
wiederum nicht und quittiert diese Bemutterung mit
Unmut. Auf der anderen Seite hat uns diese chronische Erkrankung noch näher verbunden, da ich in
schweren Zeiten sein einziger Ansprechpartner war.
Heidi M.
23
Wo hat Ihr Kind Schwierigkeiten, Ihre Einflussnahme
zu akzeptieren? Wie überzeugen Sie es, Ihre Vorschläge
anzunehmen?
Meine Tochter hatte Probleme
damit, zu akzeptieren, dass ich mir
zum Teil mehr Sorgen gemacht
habe als sie, und sie deshalb ungern weggehen ließ.
Wirklich überzeugen kann ich sie nicht, ich spreche
mit ihr über meine Sorgen und entweder sie akzeptiert es und hört auf mich, oder sie setzt ihren Willen
durch, wobei ich ihr in diesem Fall trotzdem genug
Vertrauen entgegenbringe.
Margarethe &
Edgar M.
Immer wenn eine andere Medi­
kation oder ein zusätzlicher Arztbesuch anstand, gab und gibt es
manchmal noch Probleme (z. B. bei der Blutabnahme). Am Anfang versuchten wir, Caroline diktatorisch oder mit Versprechungen (z. B. nach der Klinik
zum Italiener essen gehen) zu überzeugen.
Eva &
Klaus S.
Später haben wir versucht, zusammen eine Lösung
bzw. einen Kompromiss zu finden, wie z. B. einen
günstigeren Arzttermin zu finden oder statt Brausetabletten Hartkapseln einzunehmen.
Manuel befindet sich mitten in der
Pubertät – in fast jedem Bereich.
Bei ihm besteht ein großer Drang
zur Unabhängigkeit, er möchte alle seine Entscheidungen alleine treffen. Jeder Beratungsversuch
unserseits wird sehr kritisch „unter die Lupe“ genommen und leider oft ignoriert. Gerade an guten Tagen,
wenn es ihm gesundheitlich sehr gut geht, wird jeder
Ratschlag in den Wind geschlagen. „Lernen?“ –
„Später!“, „Kein schnelles Essen im Stehen!“ – „Ja,
ja ...“, „Nicht körperlich verausgaben!“ – „Ist ja
gut, macht euch mal keine Sorgen“. Und dann wird
genau das Gegenteil gemacht. Ich glaube, da gibt
es nicht viele Unterschiede zwischen kranken und
gesunden Jugendlichen in der Pubertät.
Yvonne &
Dirk F.
Wir versuchen ihn durch vernünftige Argumente
zu überzeugen. Ein klärendes Gespräch bewirkt bei
unserem Sohn oft eine Einsicht. Wo keine besteht,
setzen wir uns durch, notfalls auch durch eine Strafe.
Die ist allerdings sehr selten nötig. In manchen Bereichen, die uns nicht wichtig genug erscheinen, geben
wir auch nach.
24
Hast du das Gefühl, dass dich
deine Eltern seit der Diagnose
anders behandeln als früher
und wie fühlst du dich damit?
A
lso meine Mum hat schon ihren Beschüt-
Meine Einflussnahme hält sich momentan in Grenzen, weil es Simon
gut geht und ich ihm deswegen
keine Vorschriften machen muss. Ansonsten appelliere ich an seine Vernunft. Dadurch, dass er mittlerweile volljährig ist, klappt das auch ganz gut. Ich sage
ihm immer nur, dass es sich um sein Leben und um
seinen Körper handelt und er deswegen eigenverantwortlich handeln soll.
Heidi M.
zerinstinkt intensiviert. Das war und ist
manchmal meganervig. Mit zunehmendem
Alter ging das jedoch zurück. Mein Vater der
seit elf Jahren getrennt von uns lebt, hat sich
eher weniger gekümmert.
Anne hat Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass ich mich als Mutter
darum sorge, ob sie ihre Medikamente eingenommen hat, ob ihre Stuhlgänge in
Ordnung waren und Ähnliches. Sie ist oft durch mein
ständiges Nachhaken genervt. Erklären kann ich ihr
das nur durch ausführliche Gespräche, in denen ich
ihr immer wieder Mut mache.
Petra &
Carsten M.
25
Umgang mit Geschwistern
Wie haben Sie Ihren anderen Kindern
die Erkrankung erklärt?
Ich musste meinem anderen Kind
kaum etwas über die Krankheit
erklären, weil ich das „Glück“
hatte, dass meine ältere Tochter zu diesem Zeitpunkt
schon 17 Jahre alt war und sich selbst schon darüber
informiert hatte, wie sie damit umgehen könnte.
Margarethe &
Edgar M.
Wir haben versucht, die Krankheit
„Colitis ulcerosa“ ganz sachlich zu
erklären. Hilfreich war, dass sowohl
die beiden Geschwister, als auch mein Mann und ich
Allergiker sind (meine älteste Tochter hat allergisches
Asthma). So haben wir vermittelt, dass Menschen
zwar nicht perfekt sind, aber trotzdem gut mit ihren
Schwächen leben können.
Eva &
Klaus S.
Die anderthalb Jahre jüngere
Schwester hat die Krankheit von
Anfang an mitbekommen. Eine
Erklärung war nicht wirklich erforderlich. Auch im
Verlauf der Jahre kamen eigentlich keine gezielten
Annika &
Udo F.
Fragen der Schwester. Wenn wir Dominik etwas
dazu erklärt haben, war seine Schwester mit dabei.
Nachdem die Krankheit Bestandteil des gesamten
Familienlebens war und von uns allen als Tatsache akzeptiert worden ist, wurde nichts verschwiegen oder
verheimlicht. Man ist immer damit offen umgegangen und hat jeweils versucht, die konkrete Situation
zu meistern, ohne deshalb in Selbstmitleid zu verfallen oder die Situation als schlimm anzusehen. Auch
wenn es manchmal schwer fällt: Das Wichtigste ist,
das Leben so normal wie möglich weiterzuführen.
Meine Erläuterungen machte ich
immer im Kreis der Familie, sodass
alle anwesend waren und von Anfang an in die Problematik mit eingebunden waren.
Heidi M.
26
Wie gehen Ihre anderen Kinder mit der „Sonderrolle“
ihres/r Bruders/Schwester um? Wie verhindern Sie, dass
sich die Geschwister zurückgesetzt fühlen?
Meine ältere Tochter empfindet
die Krankheit ihrer Schwester nicht
als Grund für eine Sonderrolle, sie
akzeptiert die Situation und fühlt sich nicht benachteiligt. Wir versuchen beide Kinder gleich zu behandeln. Meine kranke Tochter ist einige Jahre jünger,
als ihre Schwester, sie bekommt dieselben Rechte
und Pflichten aufgetragen, wie die ältere Tochter in
diesem Alter auch.
Kinder anfallen und sie in Schubphasen auch mehr
Zuwendung brauchen. Ich versuche, zumindest in
den schubfreien Phasen, wieder aufzuholen, was
zwischendurch zu kurz gekommen ist. Bei uns funktioniert das ganz gut und ich habe nicht den Eindruck, dass sich ein Kind zurückgesetzt fühlt. Die drei
verstehen sich ausgesprochen gut und halten zusammen wie Pech und Schwefel.
Wir haben versucht, Caroline keine
Sonderrolle zu geben. Wir machten
die Krankheit, so gut es eben geht,
zu etwas, das zu unserem Leben gehört, wie etwa
die allergischen Reaktionen der anderen Familienmitglieder. Der eine braucht ein Asthmaspray, der andere
Tabletten.
Es gab ein Jahr, in dem die damals elfjährige Schwester meinte,
sie müsse genauso leiden wie ihr
Bruder. Dominik litt damals unter „Kleinwuchs“ und
Untergewicht. Sie hatte daher das Gefühl, nicht mehr
Gewicht haben zu dürfen als ihr Bruder. Sie reduzierte die Essensaufnahme und war sehr dünn. Erst
nachdem uns dieses Verhalten bewusst wurde, konnten wir das Problem durch intensive Gespräche lösen.
Dabei haben wir versucht, ihr klarzumachen, dass
es ihrem Bruder nicht besser oder schlechter geht,
wenn sie viel oder wenig isst. Im Gegenteil, schadet sie dadurch ihre eigene Gesundheit. Wir haben
Margarethe &
Edgar M.
Eva &
Klaus S.
Da bei uns ja zwei von drei Kindern
erkrankt sind, liegt die Sonderrolle
eindeutig bei dem gesunden Kind.
Diesem Kind auch noch gerecht zu werden, ist wirklich nicht leicht, da oft viele Termine für die kranken
Margit &
Frank B.
Annika &
Udo F.
27
sie aber wegen ihres Verhaltens nicht geschimpft,
sondern ihr Verhalten als starke Verbundenheit zu
ihrem Bruder gewertet. Allen sei aber mehr gedient,
wenn sie ihrem Bruder durch aktive Unterstützung
helfe. Nach ungefähr drei Gesprächen (ohne Bruder)
hat sich Gott sei Dank alles wieder eingerenkt. Wir
haben nicht den Eindruck, dass sich unsere Tochter
zurückgesetzt fühlt. Sie ist jetzt 18 und hat dies nie
so geäußert.
Durch den großen Altersunterschied geht unsere Tochter sehr gut
mit der „Sonderrolle“ ihres Bruders um. Sie hat ihm nie das Gefühl gegeben, eine
Last zu sein, auch wenn z. B. der Besuch in einem
Vergnügungspark aufgrund plötzlich eingetretener
Bauchschmerzen abgebrochen werden musste. Ganz
im Gegenteil, sie hat ihn rührend getröstet und ihm
versprochen, dass sie, falls wir keine Zeit finden,
alleine mit ihm noch einmal hinfahren würde. Es gibt
viele ähnliche Beispiele dazu. Der Umgang könnte
besser nicht sein.
Yvonne &
Dirk F.
Dadurch, dass man als Mutter
einfach überreagiert und übersensibel sein chronisch krankes Kind
behandelt, kommt es sicher vor, dass das gesunde
Kind sich ab und an etwas zurückgesetzt fühlen wird.
Von seiner Schwester kamen selten, wenn sie gerade
einen pubertären Schub durchmachte, Eifersüchteleien. Das äußerte sich durch Sätze wie: „Du hast
meinen Bruder lieber als mich, nur weil er krank ist.
Du nimmst ihn immer in Schutz.“ Diese Gefühle,
kann man vermutlich nicht verhindern, auch wenn
man noch so sehr bemüht ist.
Heidi M.
Unser Sohn sieht seine Schwester
nicht in einer „Sonderrolle“, da
ihre Krankheiten zum familiären
Alltag dazugehören. Dazu kommt bestimmt auch,
dass wir viel gemeinsamen spielen, miteinander
­reden und dass Oma, Opa oder Tante sich, in der
Zeit, in der mein Mann und ich im Krankenhaus
­waren, viel mit meinem Sohn beschäftigt haben.
Petra &
Carsten M.
28
Welche Probleme tauchen zwischen
den Geschwistern auf?
Ich habe das Gefühl, dass sich
meine Kinder seit der Erkrankung
besser verstehen und mehr Rücksicht aufeinander nehmen. Das Verhältnis der beiden
hat sich stark gebessert.
Margarethe &
Edgar M.
Ich kann mich an einen Vorfall
erinnern, an dem meine Älteste in
klaren Worten zu Caroline gesagt
hat, dass sie nichts Besonderes ist, da auch andere
Menschen mit Beeinträchtigungen zu kämpfen haben, z. B. sie selbst mit Asthma.
Eva &
Klaus S.
Es gibt keine Probleme, ganz im
Gegenteil, das Verhältnis ist sogar
noch besser geworden. Wir sind
alle zusammengerückt. Wir waren auch schon vor
der Erkrankung unseres Sohnes sehr familienbetont.
Nun ist für alle noch klarer geworden, wie wichtig die
gegenseitige Unterstützung innerhalb der Familie ist
und welche Kraft alle daraus schöpfen können.
Yvonne &
Dirk F.
Das Verhältnis zwischen meinen
Kindern ist ein sehr gutes und
starkes, daher freute sich mein
Sohn jedesmal, wenn er mit ins Krankenhaus konnte.
Es kamen nie große Streitereien auf, sondern eher
große Freude, wieder zusammen zu Hause zu sein.
Petra &
Carsten M.
29
Wie fühlst du dich als „die
Kranke“ in deiner Familie?
I
m Prinzip fühle ich mich nicht anders. Ich
hab ab und zu andere Probleme als z. B.
mein Bruder, wenn ich wiedermal zur Blutabnahme muss oder zum Arzt. Jedoch sehe ich
mich nicht als „die Kranke“, da ich seit Jahren
keine Beschwerden habe und man die
Krankheit nur an den Medikamenten erkennt.
30
Hinweise für Reisen, Ausflüge, Besuche
Wie bereiten Sie eine Reise, einen Ausflug
oder Besuch bei Freunden vor?
Unsere Urlaube sind meist schon
lange im Voraus geplant. Davor suchen wir häufig noch den
Kinderarzt auf, um Vorschläge und Rezepte für die
„Reiseapotheke“ zu erhalten. Für kürzere Aufenthalte zählen wir meist die Medikamente ab, damit wir
nicht die kompletten Packungen mitnehmen müssen.
Margarethe &
Edgar M.
Wir haben alle Medikamente ­
(z. B. Einläufe, Tabletten etc.) stets
in ausreichender Menge mitgenommen, auch wenn es keine Anzeichen für einen
Schub oder eine Verschlechterung der Krankheit
gegeben hat. Wir haben auch darauf geachtet, dass
ein Kühlschrank zur Verfügung stand, in dem wir
kühlungspflichtige Medikamente aufbewahren konnten. Außerdem hatten wir stets die Telefonnummer
des Haunerschen Kinderspitals dabei – für den Notfall. Jetzt handhabt Caroline es selbst auf diese Art.
Als sie mit 16 für ein halbes Jahr nach Amerika auf
die High School ging, hatten wir zuerst auch Bedenken. Es hat aber alles gut geklappt. Caroline nahm
Medikamente für ein halbes Jahr mit nach Amerika
Eva &
Klaus S.
und die behandelnde Ärztin schrieb einen Nachweis
auf Englisch für die Zollkontrollen. Dieses Blatt nimmt
sie heute noch mit bei Auslandsreisen.
Reisen in Länder, in denen bestimmte Lebendimpfungen vorgeschrieben sind (z. B. Gelbfieber
o. Ä.) oder in denen erhöhte Gefahr von schweren
Darminfekten besteht, haben wir bisher immer gemieden, da die Abwehr der Kinder ja geschwächt ist.
Da sind uns das Ansteckungsrisiko und die eventuellen Folgen einfach zu groß, und von den speziellen
Impfungen wird oft abgeraten. Für einen Familienausflug bzw. einen Besuch bei Freunden müssen wir
keine besonderen Vorkehrungen treffen.
Margit &
Frank B.
Unsere Freunde wissen Bescheid,
dass wir selbst zugesagte Treffen im letzten Moment absagen
könnten. Wir planen keine Urlaube mehr und fahren
stattdessen spontan fort, wenn es gerade passt. Es
hat aber eine Weile gedauert, bis das reibungslos
geklappt hat. Hier kommt uns vielleicht zu Gute,
Yvonne &
Dirk F.
31
dass wir grundsätzlich immer schon zum Campen
gefahren sind. Dadurch sind wir so flexibel wie nur
möglich.
Bei Familienausflügen und Freundesbesuchen richten wir uns nach
der aktuellen Beschwerdelage von
Kira. Bisher gab es jedoch dabei keine Probleme.
Bei der Urlaubsplanung verzichten wir eher auf Fernreisen wegen der zu erwartenden Unterschiede in
der Kost (z. B. Gewürze, Zubereitungsart), die bereits
gesunden Menschen oft Probleme bereiten. Eine viel
höhere Flexibilität bietet ja auch eine PKW-Reise, da
wir dann gegebenenfalls kurzfristig die Stammklinik
daheim aufsuchen können.
Jutta &
Dieter B.
32
Freizeit, Sport und Spiel
Welchen Einfluss hat die Erkrankung
auf die Freizeitgestaltung Ihres Kindes?
Während des Sondierens war
Bianka in ihrer Freizeitgestaltung
stark eingeschränkt. Es war ihr
kaum möglich, normalen Freizeitbeschäftigungen wie
Schwimmen, Übernachten bei Freunden, Kino- und
Konzertbesuche nachzugehen. So hatten wir z. B.
einmal Karten für eine Show, und die Sicherheitsleute
am Eingang wollten die Flüssignahrung meiner Tochter konfiszieren ... Mittlerweile geht es ihr wieder
sehr gut und sie genießt ihre Jugend.
Margarethe &
Edgar M.
Viele Freunde hatte Dominik nicht,
da er am liebsten zu Hause war.
Er war immer der Kleinste und
Schmächtigste. Dies kompensierte er – trotz teilweise
schlechter Blutwerte – durch überdurchschnittliche
sportliche Aktivitäten. Seitdem dieses körperliche
Manko beseitigt ist, hat Dominik einen großen Freundeskreis und ist sehr aufgeschlossen.
Annika &
Udo F.
Caroline hat stets alles mitgemacht.
Wir haben sie ermutig, auch ins
Trainingslager zu fahren. Sie hat
viel Sport getrieben und Badminton in der Schulmannschaft gespielt.
Kira ist bei den Maltesern als
Sanitätshelferin (First Responder
Team) engagiert. In Zeiten erhöhter
Beschwerden muss sie ihre Bereitschaftsdienste einschränken. Auch die Nutzung des Fahrrads ist ihr in
dieser Zeit wegen der eingeschränkten körperlichen
Leistungsfähigkeit nicht möglich.
Da sich Lena nicht immer gleich fit
fühlt, kann es sein, dass sie private
Aktivitäten auch mal ausfallen lassen muss. Da sie auch sehr gerne liest, zeichnet und
sich auch so sehr gut beschäftigen kann, ist das aber
kein Problem für sie.
Im Schub war keine Freizeitgestaltung möglich, weil Simon dazu
einfach körperlich viel zu schwach
war. Jetzt in Remission und dank seines guten Freundeskreises hat er Spaß an jeglichem Freizeitsport, ob
Klettern, Skifahren, Radeln oder Bergwandern.
Eva &
Klaus S.
Margit &
Frank B.
Jutta &
Dieter B.
Heidi M.
33
Leider hat die Erkrankung hier einen ganz großen Einfluss. Manuel
ist im Vergleich zu früher (als er
noch gesund war) wesentlich weniger aktiv. Er hat
sich zu einem richtigen „Stubenhocker“ entwickelt.
Es liegt auch sicherlich daran, dass er seit der Diagnose noch keine größere zusammenhängende Remissionsphase hatte.
Yvonne &
Dirk F.
Was sagst du, wenn du etwas
nicht mitmachen kannst?
F
ür mich gab es nie ein Problem, Freunden
von meiner Krankheit zu erzählen. Meine
Freundinnen haben ja gewusst, dass irgend
etwas nicht stimmt, als ich zu Untersuchun-
Durch ihre andere Erkrankung, die
die Wirbelsäule und andere Knochen betrifft, ist Anne sehr stark
eingeschränkt. Sie kann ihrer Lieblingssportart, dem
Tanzen, nicht mehr nachgehen, weil sie an manchen
Tagen ihre Toilettengänge nicht kontrollieren kann
und deshalb öfter zu Hause bleibt, um kein Risiko
einzugehen.
Petra &
Carsten M.
gen musste und als die Diagnose kam, habe
ich ihnen genau das gesagt, was mir der Arzt
auch gesagt hat (chronische Darmerkrankung!). Meine Freundinnen waren weder
Kleinkinder noch unterbelichtet, die haben
das dann verstanden und wenn nicht,
konnten sie es ja googeln. Ich sage natürlich
nicht immer gleich: „Hey, ich habe Colitis
ulcerosa“, aber wenn mich jemand fragt, warum ich z. B. zum Arzt muss, dann erzähle ich
das einfach.
34
Wie erklärt Ihr Kind seinen Freunden gegenüber
erkrankungsbedingte Einschränkungen?
Bianka erklärte ihren Freunden die
Situation, wenn diese sich dafür
interessiert haben, indem sie ihnen
freundlich, aber mit Selbstbewusstsein erläutert hat,
dass sie selbst genauso mit der Krankheit zurechtkommen muss, wie ihre Mitmenschen.
Margarethe &
Edgar M.
Einschränkungen hat es vor allem
zu Beginn der Krankheit gegeben.
Caroline hat immer selbst entschieden, wem sie wie viel sagt. Ihre engen Freundinnen
wussten Bescheid. Aber nicht der gesamte Freundeskreis. Man muss das auch als Eltern respektieren.
Eva &
Klaus S.
Die Freunde von Manuel wissen Bescheid, allerdings vermeiden sie Gespräche über die Krankheit. Unser
Sohn möchte das auch so, er kann dann die Zeit, die
er mit Freunden verbringt, besser genießen. Einige
Freunde haben sich aber auch abgewandt. Unser
Sohn konnte offen mit seinen Freunden reden und
hat ihnen auch erklärt, wie die Krankheit wirkt, und
welche Einschränkungen er dadurch in Kauf nehmen
Yvonne &
Dirk F.
muss. Vor allem, dass er körperlich nicht mehr mit
ihnen mithalten kann.
Annes engste Freunde wissen über
ihre chronische Knochenerkrankung Bescheid. Das ist bei ihrer
Darmerkrankung anders. Ihre Freunde wissen zwar,
dass sie davon betroffen ist, aber dies genauer zu
erklären, vermeidet sie stark.
Petra &
Carsten M.
35
Wie fördern Sie die Freizeitaktivitäten Ihres Kindes?
Wichtig war für Bianka die Unterstützung ihrer Freunde, die sich
um sie gekümmert haben, und sie
immer wieder dazu überreden konnten, etwas zu
unternehmen.
Margarethe &
Edgar M.
Man sollte das Kind ermutigen,
ruhig alles mitzumachen, was es
will. Wenn man Probleme sieht,
sollte man eine Art Notfallplan haben (früher abholen, informieren einer geeigneten Person vor Ort,
Ersatz- bzw. Zusatzmedikamente etc.) Wir haben
festgestellt, dass es besser klappt, je zuversichtlicher
wir selbst sind.
Eva &
Klaus S.
Annika &
Udo F.
Wir unternehmen möglichst viele
Freizeitaktivitäten mit dem Kind
zusammen.
Wir haben hier keinen Einfluss,
wenn es Manuel über längere Zeit
gut ginge, würde er vermutlich
auch mehr unternehmen.
Yvonne &
Dirk F.
Wichtig ist es, zur Teilnahme und
zum Ausprobieren zu ermuntern,
vorhandene Ängste abzubauen
bzw. nicht aufkommen zu lassen. Vorbereitend
achten wir auf eine ausreichende Ruhephase vor
anstrengenden Aktivitäten.
Jutta &
Dieter B.
Damit Anne ab und zu etwas
unternehmen kann, laden wir oft
Freunde ein oder fahren sie mit
ihren Freunden an Orte, die sie mag. Begleitung ist
jedoch notwendig.
Petra &
Carsten M.
36
Empfehlungen
Lassen Sie sich von Kommentaren
zum Thema CED aus dem Internet
nicht irritieren, es ist alles machbar
und man kann gut mit der Krankheit leben. Wenn
Sie das Gefühl haben, Sie kommen mit der Situation
nicht klar, dann beanspruchen Sie die Hilfe, die Ihnen
geboten wird. Die erste wichtige Hilfestellung für
uns war der Kinderarzt, der uns den Übertritt in die
neue Klinik ermöglicht hat, außerdem wurde uns von
der Krankenkasse eine Betreuerin zur Seite gestellt,
die immer für uns erreichbar war. Sie kümmerte sich
um die Versorgung mit der Nahrung, Funktionstüchtigkeit der Pumpe und persönliche Probleme. Ebenso haben wir die Hilfe einer Jugendtherapeutin in
Anspruch genommen, die nicht nur meiner Tochter,
sondern auch mir eine große Hilfe war.
Margarethe &
Edgar M.
Ich würde wirklich allen Eltern
empfehlen, sich unbedingt mit anderen Eltern auszutauschen. Man
kann so viele Tipps bekommen und hat auch nicht
mehr das Gefühl, allein zu sein mit seinen ProbleMargit &
Frank B.
men. Alle haben Ähnliches durchgemacht und haben
Verständnis für Sorgen und Ängste. Mein mittlerweile erwachsener Sohn, der während der Kindheit/
Pubertät nie etwas von einer Selbsthilfegruppe wissen wollte, hat sich jetzt selbst Betroffene in seiner
Altersgruppe gesucht, mit denen er sich regelmäßig
trifft, weil er mit ihnen viel leichter und offener über
seine Probleme sprechen oder auch einfach nur Spaß
haben kann. Kontakte und Elterntreffen vermittelt
auch die DCCV. Und außerdem nie vergessen – jeder
Schub hat einmal ein Ende und es kommt auch immer wieder eine Zeit, in der alles „normal“ läuft.
Stellen Sie die Krankheit nicht in
den Mittelpunkt und schließen Sie
nicht von jedem einzelnen Bauchweh, Durchfall, Magengrummeln sofort auf einen
Schub. Das Kind muss nicht in Watte gepackt werden
und soll nicht durch die Eltern noch stärker eingeschränkt werden, als es durch die Krankheit schon
ist. Trotz Krankheit kann das Kind Vieles leisten, oft
mehr als ihm die Eltern zutrauen.
Jutta &
Dieter B.
37
Seien Sie für Ihr Kind da, genießen
Sie zusammen die guten Tage und
zeigen Sie nie Schwäche. Das gibt
Ihrem Kind die Kraft, die es braucht, um die schlechten Tage zu überstehen.
Yvonne &
Dirk F.
Sprechen Sie mit Ihrem Kind und
den Familienangehörigen ganz
offen über Gefühle, Ängste und
Sorgen. Versuchen Sie, mit dem kranken Kind einen
normalen Umgang zu pflegen, um es nicht ständig in
diese Krankheitsrolle hineinzuzwängen!
Heidi M.
38
Schule
Information der Lehrer
Wie gehen Sie bei der Information
der Lehrer vor?
In den vorangegangenen Jahren
haben wir immer die Klassenleitung
unserer Tochter informiert. Wir
haben ein offenes Gespräch mit dem Lehrer gesucht,
ihn über die Krankheit aufgeklärt und darüber, dass
Bianka nach Terminabsprachen mit dem Krankenhaus
von der Schule freigestellt werden müsste.
Margarethe &
Edgar M.
Als die Krankheit zum ersten Mal
akut auftrat, ging es Caroline sehr
schlecht. Ich habe die Klassenlehrerin informiert, und diese hat es dann an die anderen Lehrer und an den Direktor weitergegeben. Die
Lehrerin gab mir ihre Telefonnummer, und so war
ein unbürokratischer und schneller Informationsfluss
möglich. In Carolines Fall habe ich ausgemacht, dass
sie nach Hause darf, wenn es ihr schlecht geht.
Eva &
Klaus S.
Grundsätzlich haben wir in der
Schule ein ärztliches Attest hinterlegt, das über die Erkrankung
sowie die damit verbundenen möglichen Probleme
meiner Tochter informiert. Dieses Attest liegt im
Margit &
Frank B.
­ lassenbuch, sodass jeder Lehrer, der die Klasse überK
nimmt, gleich informiert sein könnte. Die Praxis hat
leider gezeigt, dass dieses Attest trotzdem von vielen
Lehrern nicht beachtet wurde. Daher bin ich immer
am Elternsprechabend gleich am Schuljahresanfang
zu möglichst vielen Lehrern, vor allem aber zur Klassenleitung, gegangen, und habe über die Krankheit
und eventuell mögliche Krankheitszeiten informiert.
Zum Zeitpunkt der Diagnose haben
wir die Schulleitung und Klassenleitung informiert, da hier viele
Fehltage anfielen und auch weiterhin immer wieder
anfallen. Die anderen Lehrer wurden durch die Lehrerkonferenz informiert, damit diese auch akut notwendige Toilettenbesuche akzeptieren. Nach der Rückkehr
in die Klasse hat Kira ihre Klassenkameraden in Form
eines Referates über die Krankheit aufgeklärt.
Jutta &
Dieter B.
Wir haben eine Broschüre über
CED-Erkrankungen vom DCCV
über den Klassenlehrer an die
anderen Lehrer verteilt. Ferner haben wir die Fragen
Yvonne &
Dirk F.
39
der Lehrer in Sprechstunden beantwortet. Lehrer
und Schüler sollten wissen, dass die Krankheit nicht
ansteckend ist, dass es zu hohen Fehlzeiten kommt,
dass Manuel die Schule manchmal auch während der
Unterrichtszeiten verlassen muss und dass er seine
Krankheit nicht „gewinnbringend“ einsetzt – leider
kam dieser Vorwurf von einer Lehrerin.
Nach der Diagnose haben Simon
und ich das Gespräch mit dem
Klassenvorstand gesucht. Ich habe
ihm unmissverständlich erklärt, dass Simon nicht aus
Jux den Unterricht wegen Toilettengang verlassen
wird. Meine Funktion als Mutter war es, die Privatsphäre meines Sohnes zu schützen, sodass er in
seinem Klassenverbund keinen Schaden nimmt. Die
Unwissenheit der Lehrer über Colitis ulcerosa und
die Dringlichkeit, mit der ich auftrat, haben wohl gewirkt. Man muss den Lehrern deutlich machen, wie
sie sich bei Durchfall fühlen würden, wenn sie nicht
schnell zur Toilette gehen dürften. Das wirkt ...
Heidi M.
Eltern und Schüler sollten zunächst das vertrauliche
Gespräch mit dem Klassenlehrer und eventuell auch
dem Schulleiter suchen. Der Flyer der DCCV e.V.
für Lehrer(innen) über „ Morbus Crohn, Colitis
ulcerosa in der Schule“ ist für den Informationsaus­
tausch über die Krankheit und ihre Probleme sehr
­hilfreich. Wir ermutigen die Kinder und Jugendli­
chen, auch mit ihren Freunden und Mitschülern
über die Erkrankung zu sprechen, denn „Geheim­
halten“ bedeutet langfristig Stress und Ausreden su­
chen. Ich habe es nur sehr selten erlebt, dass Kinder
ihre Krankheit „benutzen“, um sich Vorteile in der
­Schule zu verschaffen.
In der Regel neigen Patienten mit CED eher dazu,
sich selbst zu überfordern, auch wenn es ihnen
schlecht geht. Wenn es Schwierigkeiten mit dem
Verständnis der Lehrer gibt, bitten Sie die betreuen­
den Ärzte um entsprechende Bescheinigungen,
z. B. für Sonderregelungen im Sportunterricht oder
für Toilettengänge während des Unterrichts. Für
schwer betroffene Kinder kann ein ­sogenannter
„Nachteilsausgleich“ für Prüfungen beantragt
­werden.
40
Wie haben die Lehrer reagiert?
Die Lehrer waren sehr verständnis- und rücksichtsvoll und hatten
großen Respekt vor der Art, wie
Bianka mit der Krankheit umging.
Margarethe &
Edgar M.
Wir trafen auf sehr verständnisvolle
Lehrkräfte und haben z. B. ausgemacht, dass Caroline nicht mehr
alle Schulaufgaben nachholen muss, sondern ihr
Jahreszeugnis dann (8. Klasse) mit den vorhandenen
Arbeiten bekommt (mit einem Vermerk über die verringerte Anzahl). Jetzt, nach einem sehr guten Abitur,
hat sie ein Jurastudium begonnen.
Eva &
Klaus S.
Die Lehrer reagieren äußerst unterschiedlich. Einige wenige sind
verständnisvoll und hilfsbereit und
bieten auch an, bei Fehlzeiten Arbeitsmaterial vorzubereiten. Die meisten zeigen zwar Verständnis, sagen
aber, dass es Lenas Aufgabe wäre, den Unterrichtsstoff
nachzuarbeiten. Leider gibt es in den Schulen kein
generelles Konzept im Umgang mit chronisch kranken
Kindern. Da könnte man durchaus noch dran arbeiten.
Margit &
Frank B.
Das Echo der Lehrerschaft war
gemischt. Während der Schulleiter
persönliche Hilfe beim Aufholen
des versäumten Stoffes anbot, waren andere Lehrer
nur schwer von der Notwendigkeit der Rücksichtnahme zu überzeugen. Bei Bedarf ist der persönliche
Kontakt zwischen Eltern und Lehrern notwendig.
Jutta &
Dieter B.
Manche Lehrer kennen Morbus
Crohn schon, andere nicht. Manche verstehen die Auswirkungen
auf den Schulalltag, andere nicht. Ab und an ist
auch ein Gespräch mit dem Schulleiter notwendig.
Gerade bei Lehrern, die sich querstellen – man glaubt
es kaum, aber die gibt es wirklich – war ein klärendes Gespräch mit dem Schulleiter bisher immer gut.
In einem Fall konnte eine Lehrerin gelegentliche
„Spitzen“ auch danach nicht lassen. Manuel stand
darüber und nach dem Schuljahr kam ein anderer
Lehrer, damit war die Sache gegessen.
Yvonne &
Dirk F.
41
Die Lehrer nehmen meine Informationen zwar auf, setzen sie aber in
der Praxis nicht um. Oftmals gibt
es Probleme, wie zum Beispiel, dass Anne nicht auf
die Toilette gelassen wird oder die Fahrt ins Krankenhaus nach München alle acht Wochen belächelt
und bezweifelt wird. Trotz zahlreicher Gespräche mit
den Lehrkräften hat sich an dieser Situation nichts
geändert.
Petra &
Carsten M.
42
Erkrankungsbedingte Probleme im schulischen Alltag
Mit welchen Problemen hat Ihr Kind am meisten
zu kämpfen und wie unterstützen Sie es dabei?
Während des Klinikaufenthalts
hatte Bianka Unterricht in Deutsch,
Französisch und Mathematik,
damit sie nicht zu viel Stoff alleine nachholen musste.
Dennoch war es schwierig für sie, den Anschluss an
den Unterrichtsstoff wieder zu finden. Wir haben immer versucht, ihr zu vermitteln, dass die schulischen
Leistungen nicht das Wichtigste sind.
Margarethe &
Edgar M.
Caroline hat am meisten damit zu
kämpfen, dass sie eben anders als
die anderen ist, d. h. Tabletten nehmen muss usw. Mit dem Alter wuchs aber auch ihre
Einsicht, dass viele Menschen, auch in unserem und
ihrem unmittelbaren Freundeskreis, mit Krankheiten
zu kämpfen haben und sie eben doch nicht alleine
dasteht.
Eva &
Klaus S.
Lena ist etwas häufiger krank. Ich
habe ihr schon oft Nachhilfe angeboten, um den verpassten Stoff
nachzuholen, doch das möchte sie nicht.
Margit &
Frank B.
Nach Fehlzeiten ist immer wieder
der verpasste Stoff aufzuholen,
je nach Fach mit der Hilfe von
Lehrern, Mitschülern oder auch eigenständig. Nach
langen Fehlzeiten (mehrere Wochen) bzw. bei der
Darm-OP haben wir unsere Tochter beim Nachlernen
der Wirtschaftsfächer unterstützt, für Englisch haben
wir Nachhilfe in Anspruch genommen. Bei den regelmäßig auftretenden einzelnen Fehltagen kann sie
den Stoff weitgehend selbst aufholen.
Jutta &
Dieter B.
Manuel fehlt sehr oft in der Schule,
er musste die 8. Klasse zweimal
wiederholen. Auch ein Wechsel
vom Gymnasium auf die Realschule hat hier keine
Besserung gebracht. Wir unterrichten ihn in den
Hauptfächern zusätzlich (soweit wie möglich) daheim.
Yvonne &
Dirk F.
Früher hatte Simon eine Zeit lang
Probleme mit seiner sehr schlanken
Figur. Seine Schulkameraden legten
an Gewicht zu, Simon wurde nur länger, aber nicht
Heidi M.
43
breiter. Ich versuchte, ihm aus dem Bekanntenkreis
oder aus dem öffentlichen Leben, z. B. Promis, zu
nennen, die ebenfalls sehr schlank sind. Und die Vorteile, die ein schlanker Mann hat, habe ich hervorgehoben. Durch seine Körperlänge von 1,80 Meter ist
ihm seine schlanke Statur nicht mehr so wichtig.
Anne hat sehr damit zu kämpfen, dass sie oft dringend auf die
­Toilette gehen muss, aber in der
Schule nicht gelassen wird. Oder, wenn sie morgens
einen akuten Anfall hat, manchmal mit Verzögerung
in der Schule erscheint. Sie versucht alleine damit klar
zu kommen und lässt niemanden an sich ran, wenn
es um dieses Thema geht.
Petra &
Carsten M.
44
Welche Regelungen haben Sie getroffen, um eventuelle
Fehlzeiten im Unterricht auszugleichen?
Sobald wir von einer Klassenarbeit erfuhren, die am selben Tag
stattfinden sollte wie ein geplanter
Krankenhaustermin, haben wir versucht, diesen um
einige Tage zu verschieben. Wenn das nicht möglich
war, sprach unsere Tochter mit der entsprechenden
Lehrkraft, um einen Nachholtermin zu vereinbaren.
Margarethe &
Edgar M.
Je nach Bundesland gibt es die
Möglichkeit, sich hier eine bessere
Betreuung im Rahmen des „Nachteilsausgleichs für chronisch Kranke und Behinderte“ zu erkämpfen. Da meine Tochter aber auch so
erstaunlicherweise immer noch ganz gut zurechtgekommen ist, habe ich diesen Aufwand bis jetzt
gemieden.
Eva &
Klaus S.
Wir versuchen alles nachzuholen.
Manuel hat bisher jede einzelne
Schulaufgabe nachgeschrieben. Es
ist unserem Sohn sehr wichtig, nicht als „Sonderfall“
zu gelten.
Yvonne &
Dirk F.
Ich habe die Lehrer meiner Tochter
über die Erkrankungen informiert
und zugleich auch berichtet, dass
es zu häufigem Fehlen kommen kann. Das Fehlen
wird mit Nacharbeiten ausgeglichen. Verpasste
Klassenarbeiten muss Anne nachschreiben, ohne den
Stoff mit gelernt zu haben.
Petra &
Carsten M.
45
In welchem Maß nimmt Ihr Kind am Sportunterricht teil?
Die einzige Zeit, in der Bianka nur
eingeschränkt am Sportunterricht
teilnahm, war, als sie eine Magensonde hatte. Trotz Beschwerden nahm sie zu dieser
Zeit am Tanzunterricht teil – einfach nur weil es ihr
Spaß machte!
Margarethe &
Edgar M.
Caroline hat schon vor Ausbruch
der Krankheit sehr gerne Sport
­gemacht, sie war in der Schulmannschaft im Badminton sehr erfolgreich, und so
blieb es auch nach Ausbruch der Krankheit.
Eva &
Klaus S.
Lena nimmt generell an allen
Sportarten teil. Manchmal ist sie
­etwas schlapp und durch ihre
Krankheitszeiten auch nicht so durchtrainiert wie andere Kinder. Dies wirkt sich dann halt auf die Noten
aus. Aber grundsätzlich kann sie alles mitmachen.
Margit &
Frank B.
Annika &
Udo F.
Jutta &
Dieter B.
Dominik hat immer an allen Sportarten teilgenommen.
Aufgrund der Darmoperation war
eine Teilnahme am Sportunterricht
aus medizinischen Gründen bisher
nicht möglich.
Teilweise war Manuel vom Sportunterricht freigestellt. Der Sportlehrer nimmt meistens Rücksicht
auf seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Manuel
kann aufgrund seiner Beschwerden keinen aktiven
Sport jeglicher Richtung betreiben.
Yvonne &
Dirk F.
Heidi M.
Simon kann ohne Einschränkungen
am Sport teilnehmen.
46
Wie erklärt Ihr Kind seinen
Mitschülern, dass es manchmal
häufiger zur Toilette muss?
Nach der Rückkehr in die Klasse
hat unsere Tochter in Form eines
Referates ihre Klassenkameraden
über die Krankheit aufgeklärt.
Jutta &
Dieter B.
Dieses Problem hält sich in Grenzen, da unser Sohn diesbezüglich
keinen typischen Morbus Crohn
hat und die Toilette nicht so oft aufsuchen muss. Falls
er trotzdem während des Unterrichts raus musste,
war das bisher kein Problem, weder seitens der Schüler noch der Lehrer.
Yvonne &
Dirk F.
Petra &
Carsten M.
Sie redet überhaupt nicht mit anderen darüber, da ihr das unangenehm ist.
Hast du Probleme mit Lehrern
wegen häufiger Fehlzeiten oder
Toilettengänge und wie gehst du
damit um?
M
eine Mum und ich haben immer meinen
Klassenvorstand über meine Krankheit
infomiert. So ist das mit den Toilettengängen
kein Problem. Fehlzeiten habe ich nur zur
vierteljährlichen Kontrolle einen Tag, auch
darüber ist mein Klassenvorstand informiert.
Ich habe keine Probleme oder Nachteile.
47
Empfehlungen
Wichtig ist es, den Kontakt zu
den Lehrern zu suchen und auch
Ausflüge mit der Klasse nicht zu
verbieten. Sportunterricht sollte gemacht werden,
auch wenn es Beschwerden gibt, zumindest unter
der Voraussetzung, dass Ihr Kind Spaß dabei hat.
Margarethe &
Edgar M.
Wo es nötig ist, offen über die
Probleme reden und zwar mit einer
Lehrkraft, der man vertraut. Ansonsten nicht viel Aufhebens machen, das kann dem
Kind peinlich sein.
Eva &
Klaus S.
Ich möchte allen Eltern raten,
unbedingt das Gespräch mit Schule
und Lehrern zu suchen und genau
darüber zu informieren, wo die krankheitsbedingten
Probleme des Kindes liegen können, und manchmal
durchaus hartnäckig zu bleiben und für das Kind
einzutreten.
Margit &
Frank B.
Wichtig ist ein offener Umgang mit
Lehrern und Mitschülern, nur so
kann Verständnis für die Krankheit
und die daraus resultierenden Bedürfnisse, Einschränkungen und zeitweisen Leistungsunterschiede
geschaffen werden. Ebenso müssen Eltern lernen, die
Leistungsunterschiede zu akzeptieren und dürfen
keine übertriebenen Anforderungen stellen.
Jutta &
Dieter B.
Setzen Sie sich nur mit gerade anstehenden Problemen auseinander;
ansonsten nehmen Sie die Krankheit so an, wie sie kommt. Machen Sie sich also nicht
verrückt mit irgendwelchen Dingen, die auch noch
kommen oder passieren könnten. Jeden Tag annehmen, wie er kommt.
Heidi M.
48
Pubertät
Probleme mit pubertätsbedingten Veränderungen
Was war für Sie besonders schwierig und wie sind
Sie mit diesen Veränderungen umgegangen?
Besonders schwierig war und ist
für uns das „Loslassen“, aber dank
vieler Gespräche und des Verständnisses von Biankas Seite haben wir das in den Griff
bekommen. Oft haben wir über „abends weggehen“
diskutiert, dabei haben wir immer wieder unsere Sorgen über Alkohol und den Freundeskreis zur Sprache
gebracht, was unsere Tochter relativ gut aufgenommen hat. Wir haben Kontakt zu den Freunden unserer Tochter und wissen, mit wem sie unterwegs ist.
Margarethe &
Edgar M.
Teilweise war die Pubertät auch
eine Erleichterung. Wir haben uns
immer mehr zurückhalten können,
was Ratschläge oder auch das Einnehmen von Medikamenten anging, da Caroline sich pubertätsbedingt
gar nichts sagen lassen wollte.
Eva &
Klaus S.
Es fällt mir bei meinen chronisch
kranken Kindern deutlich schwerer
loszulassen und zu akzeptieren,
dass sie eigene Erfahrungen sammeln müssen, als
bei meiner gesunden Tochter. Gott sei Dank ist mein
Margit &
Frank B.
Mann da cooler und schafft es – zumindest meistens – mich zur Vernunft zu bringen. Denn natürlich
wollen kranke Kinder genauso ihre Erfahrungen sammeln wie gesunde. Ich denke, dass das auch ganz
besonders wichtig ist, da sie bei Krankheitsproblemen ja doch immer noch auf die Eltern angewiesen
sind und sich so umso mehr wünschen, selbstständig
zu sein.
Dominiks Pubertät kam verspätet
und musste – auch wegen seines
Kleinwuchses – durch Testosterongaben angeschoben werden. Der pubertätsverbundene Ablösungsprozess setzt erst jetzt ein. Bisher
verläuft er ohne Probleme.
Annika &
Udo F.
Zum Zeitpunkt der Diagnose war
Kira bereits weit in der Pubertät
fortgeschritten, in einer Phase, in
der sie bereits viel Eigenverantwortung zu übernehmen bereit war. Die Krankheit hat den Prozess der
persönlichen Reifung eher positiv beeinflusst und
beschleunigt.
Jutta &
Dieter B.
49
Es ergaben sich pubertätsbedingt
keine außergewöhnlichen Schwierigkeiten. Da Simon mit 15 Jahren
in ein Internat eingeschult wurde und seitdem nur an
Wochenenden und in den Schulferien zu Hause ist,
lernte er früh, eigenverantwortlich sein Schulleben zu
organisieren. Durch diese räumliche Trennung unter
der Woche ist diese „Ablösung“ sanft erfolgt.
Heidi M.
Besonders schwierig war, dass
wir durch die Ablösung keine so
starke Kontrolle mehr über die
Medikamenteneinnahme hatten. Es wurde deutlich,
dass Anne immer weniger mit der Situation, den
vielen Medikamenten, Arztbesuchen und den vielen
Einschränkungen klarkommt und es nervig für sie
wurde. Wir sind oft aufbrausend, weil wir natürlich
keine Gefahr eingehen können, und jedes nicht eingenommene Medikament ein Risiko ist.
Petra &
Carsten M.
Manuel zeigt sich in der Pubertät
hauptsächlich „beratungsresistent“. Unser Verhältnis hat sich
aber dadurch nicht verschlechtert.
Yvonne &
Dirk F.
50
Veränderung der Elternrolle
Wie haben Sie es geschafft, Ihre „Beschützerrolle“
in eine „Begleiterrolle“ zu verwandeln?
Für uns war das Wichtigste das
Vertrauen, das wir unserer Tochter
entgegenbringen können, denn
andernfalls wäre es für uns unmöglich gewesen, die
„Beschützerrolle“ aufzugeben.
Margarethe &
Edgar M.
Meine Beschützerrolle in eine
Begleiterrolle zu verwandeln, habe
ich leider noch immer nicht wirklich
geschafft. Ich arbeite daran und habe wieder mehr
Hobbies für mich entdeckt. Das macht es mir irgendwie leichter, ein wenig Abstand zu bekommen und
nicht ständig um meine Kinder „herumzuglucken“.
Margit &
Frank B.
Yvonne &
Dirk F.
Heidi M.
Gar nicht, wir arbeiten noch daran.
Daran muss ich jeden Tag arbeiten,
was mir überhaupt nicht leicht fällt
– bis heute nicht.
Petra &
Carsten M.
haben.
Indem wir versucht haben, Anne
nach und nach mehr zuzutrauen
und Verantwortung abgegeben
51
Welche Empfehlungen würdest
du Eltern für den Umgang mit
ihren pubertierenden Kindern
­geben?
A
uch wenn es den Eltern sehr schwer fällt,
sollten sie sich gerade in der Pubertät
lieber etwas zurückhalten. Wenn es dem Kid
nicht gut geht, kommt es ganz von allein zu
den Eltern. Ansonsten ist Pubertät wohl
immer ein schwieriges Thema, bei dem Kids
und Eltern mehr oder weniger Schwierigkeiten haben. Meine Mum war immer versucht
uns zur Selbstständigkeit zu erziehen, auch
mit meiner Krankheit. Denn es ist und bleibt
meine Krankheit. Mit der ich leben muss.
52
Auswirkung der Pubertät auf die Erkrankung
Welche pubertätsbedingten Verhaltensänderungen
waren bei Ihrem Kind besonders auffällig?
Von Zeit zu Zeit hatte Bianka
Probleme damit, die Krankheit zu
akzeptieren. Es kamen oft Fragen
auf wie: „Warum ich?“. Ich bin ihr mit viel Verständnis begegnet. Wir haben uns oft vor Augen geführt,
dass es anderen viel schlechter geht als uns, und sie
nicht so gut mit einer Krankheit leben können wie
wir mit CED.
Margarethe &
Edgar M.
Mit zunehmendem Alter sind
meine Kinder später ins Bett gegangen. Da natürlich Schule etc.
trotzdem immer noch gleich früh anfangen, kommt
es zwangsweise zu Schlafmangel. Und natürlich ist
das nicht gut, wenn der Körper damit beschäftigt ist,
zu wachsen, sich zu entwickeln und nebenbei auch
noch gegen eine chronische Erkrankung ankämpfen
muss.
Margit &
Frank B.
Die Bockigkeit, ihre Medikamente
zu nehmen. Tag für Tag hat es ihr
immer mehr „gestunken“, mit der
Krankheit zu leben.
Petra &
Carsten M.
Noch keine besonders ausgeprägten Änderungen. Eine gewisse
Nachlässigkeit stellt sich allerdings
ein. Diese betrifft die Einnahme der Medikamente,
die gesundheitsbewusste Ernährung, die Rücksicht
auf das gedämpfte Immunsystem und die dadurch
erhöhte Empfindlichkeit gegen Keime, Erkältungen
usw.
Yvonne &
Dirk F.
53
Die Pubertät ist eine schwierige Zeit, auch für
gesunde Kinder. Auseinandersetzungen sind in
dieser Zeit normal. Eltern sollten das Streben ihrer
Kinder nach Selbstständigkeit und Autonomie unter­
stützend begleiten. Die berechtigte Sorge von Eltern
chronisch kranker Kinder führt oft dazu, dass sie
sie vor körperlichen oder emotionalen Belastungen
abschirmen (Stichwort: Überbehütung). Das nimmt
dem Kind aber ein Stück weit auch die Chance,
Strategien zum Selbstständigwerden zu entwickeln
und die notwendige Eigenverantwortung, z. B. auch
für eine zuverlässige Medikamenteneinnahme, zu
akzeptieren.
Beginnen Sie möglichst früh, dem Kind schrittweise
Verantwortung und kleine Freiräume zu gewähren
und geben Sie ihm positive Rückmeldung zu seinen
Fähigkeiten. So bildet sich ein gegenseitiges Vertrau­
en, dass es auch Ihnen ermöglicht, Ihr Kind weiter
in die Selbstständigkeit zu entlassen.
54
Bei wem haben Sie in dieser Zeit
Unterstützung gefunden?
Wir fanden Unterstützung bei einer
Jugendtherapeutin in der näheren
Umgebung, bei der sich meine
Tochter gut aufgehoben fühlte.
Margarethe &
Edgar M.
Caroline hat nach Ausbruch der
Krankheit eine Psychotherapie gemacht, in die wir Eltern auch einbezogen waren. Sie war davon nicht begeistert, aber sie
hat es anderthalb Jahre durchgezogen, bis sie nach
Amerika gegangen ist. Danach kam sie selbstbewusst
und voller Lebensfreude zurück. Die Frage nach einer
Fortsetzung der Therapie stellte sich nicht. Ob die
Unterstützung durch die Therapeutin hilfreich war,
kann man nicht einfach beantworten. Geschadet hat
sie sicher nicht.
Eva &
Klaus S.
Annika &
Udo F.
Uns hat die Haunersche Kinderklinik in München sehr geholfen.
Seit der Diagnose wird Manuel
von einem Kinder- und Jugendpsychologen betreut. Das kommt
sehr gut an und ist ihm auch sehr wichtig. Auch wir
werden bei Bedarf eingebunden. Im Gespräch ging
es anfänglich darum, die Erkrankung zu akzeptieren
und zu verarbeiten, dass es vermutlich nie wieder
wird wie bisher. Unser Sohn weist wie die meisten
Kinder und Jugendlichen mit CED eine ausgeprägte
Wachstumsverzögerung auf. Auch hier konnte er mit
dem Jugendpsychologen über seine Sorgen und das
„Anderssein“ sprechen. Diese Themen beschäftigen
ihn auch weiterhin. Auch der durch die Krankheit
bedingte Schulwechsel vom Gymnasium auf die
Realschule ist ein großes Thema. In Gesprächsrunden
mit anderen Kindern erfährt er auch die unterschiedlichen Beweggründe anderer Kinder und Jugendlicher zur Teilnahme an einer psycho-sozialen Therapie. Manuel ist in diesem Kreis der Einzige mit einer
chronischen Erkrankung. Das tut ihm gut. Auch gibt
es sicher Themen, die ein Jugendlicher eher nicht mit
seinen Eltern besprechen möchte – hier hat er die
Möglichkeit eben dies zu tun.
Yvonne &
Dirk F.
55
Petra &
Carsten M.
Die größte Unterstützung kam von
meinen Freunden und der ganzen
Familie.
Wenn größere Probleme in der Pubertät mit Ihrem
Kind auftreten, warten Sie nicht zu lange, sich
professionelle Hilfe zu holen. Es gibt Situationen, in
denen eine „neutrale“ Person außerhalb der ­Familie
Wunder wirken kann. Die Krankheit bringt in
manche Familien eine Dynamik mit Schuldgefühlen
auf beiden Seiten: „Habe ich etwas falsch gemacht,
dass mein Kind jetzt krank ist?“ auf der einen Seite
und „Wegen meiner Krankheit sind meine Eltern
oft traurig, haben zusätzlichen Stress usw.“ auf der
­anderen Seite. Bei den Kindern kommt oft noch
Wut, Trauer oder Depression dazu, besonders wenn
die Krankheit aktiv ist.
Wenden Sie sich an Ihr Behandlungsteam in der
Klinik oder an den (Kinder-)Arzt Ihres Vertrauens.
Dort kennt man Ihr Kind und die Krankheit und
wird Ihnen helfen, eine Jugend- und Elternberatungs­
stelle (sog. „Erziehungsberatungsstelle“) zu finden.
Ziel der Beratung ist es, dass Ihr Kind und Ihre
Beziehung zu ihm langfristig durch die psychische
Belastung der Krankheit keinen Schaden nehmen.
56
Empfehlungen
Margarethe &
Edgar M.
Am wichtigsten ist das Vertrauen
zwischen Eltern und Kind. Lassen
Sie Ihrem Kind Freiräume.
Oft fährt man mit Zurückhaltung
besser. Ein Einschreiten sollte
immer gut überlegt sein und nur in
dringenden Fällen – die es durchaus gibt – erfolgen.
Auch sollte man mit Rückschlägen rechnen. Die volle
Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen ist nicht leicht und muss trainiert werden. Man
sollte aber sein Kind nicht unterschätzen und ihm
etwas zutrauen.
Eva &
Klaus S.
Empfehlen können wir das „Kind“
möglichst bald, gerade wegen der
krankheitsbedingten Bindung an
die Eltern, zur Selbstständigkeit zu führen.
Annika &
Udo F.
Jutta &
Dieter B.
Trotz der Krankheit sollte ein
normaler Umgang mit der Pubertät
stattfinden.
Bleiben Sie äußerlich locker und
begeleiten Sie Ihr Kind durch die
Pubertät mit gezielten „Kurskorrekturen“. Eine Betreuung durch einen Kinder- und Jugendpsychologen ist unerlässlich, allerdings muss das
Kind auch freiwillig und gerne hingehen. Hier bietet
es sich an, so früh wie möglich damit anzufangen.
Yvonne &
Dirk F.
Das Beste ist, viel Zeit miteinander zu verbringen, Gespräche zu
führen und ganz wichtig ist der
Zusammenhalt der Familie.
Petra &
Carsten M.
Ich denke, man sollte sich nicht
zu viele Gedanken machen. Die
Pubertät ist immer eine schwierige
Phase, auch bei gesunden Kindern. Ich versuche oft,
mich daran zu erinnern, wie ich in diesem Alter war
und dass sich der Mensch, Gott sei Dank, doch weiterentwickelt. Klar, bei kranken Kindern macht man
sich noch mehr Gedanken, aber sie brauchen die
gleichen Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Natürlich muss man noch mehr darauf achten, dass es zu
Margit &
Frank B.
57
keinem Drogen- oder Alkoholmissbrauch kommt, da
sich dies ganz ungünstig auf die Erkrankung auswirken kann und dass Rauchen – zumindest bei Morbus
Crohn – absolut nicht geht. Aber da unsere Kinder
wissen, wie es ist, wenn es ihnen schlecht geht, und
sie das auf keinen Fall wollen, ist es vielleicht sogar
leichter, diese Probleme in den Griff zu bekommen
als bei gesunden Kindern.
58
Therapietreue
Altersbedingte Veränderungen in der Therapietreue
Wie viel Verantwortung übernimmt
Ihr Kind für die Behandlung?
Bianka bereitet sich seit ihrem
15ten Lebensjahr täglich ihre
Tabletten selbst vor und nimmt
regelmäßig ihre Kontrolltermine war.
Margarethe &
Edgar M.
Caroline ist mit 16 Jahren nach
Amerika gegangen und musste ab
da die volle und alleinige Verantwortung übernehmen. Da sie unbedingt dahin
wollte, gab sie sich auch Mühe. Nach ihrer Rückkehr
hat sie allerdings wieder einen kleinen Teil der Verantwortung auf uns übertragen, z. B. das rechtzeitige
Bestellen von Medikamenten/Rezepten. Sie hat mit
den Jahren immer mehr Einsicht gezeigt und sich
auch an die regelmäßige Einnahme und die Kontrolltermine in der Klinik gewöhnt. Am Anfang (mit
14 und 15) ging ich mit Caroline zum Arzt hinein.
Mit 16 und 17 saß ich (oder mein Mann) als Unterstützung im Warteraum. Mit 18 wünschte sie sich im
Normalfall unsere Begleitung nicht mehr. Inzwischen
macht sie ihre Termine auch selbstständig aus.
Eva &
Klaus S.
Im Kindes- und Jugendalter haben
wir uns um die ganzen Arzttermine
gekümmert und darauf geachtet,
dass die Medikamente rechtzeitig und vollständig
eingenommen werden. Die volle Eigenverantwortung
für seine Behandlung übernimmt unser Sohn etwa
seit seiner Volljährigkeit.
Annika &
Udo F.
Wir begleiten Kira zu den Klinikterminen. Bei der Absprache von
Therapien liegt die Entscheidung
weitgehend bei ihr, da eine Durchsetzung gegen
ihren Willen wenig Erfolg verspricht. Zum Beispiel
wurde eine Ernährungstherapie (Sondenernährung
mit „Astronautenkost“) begonnen, jedoch hat unsere
Tochter die Fortführung nach zwei Wochen abgelehnt und würde dieser nicht mehr zustimmen.
Jutta &
Dieter B.
59
Simon übernahm von Anfang an
Verantwortung, die ich altersbedingt überwachen musste. Mit 14
Jahren musste ich für ihn die Termine für Arztbesuche,
etc. koordinieren; heute macht er das weitgehend
alleine.
Heidi M.
Mit zunehmendem Alter sollte Ihr Kind Namen und
Menge (Dosis) der verordneten Tabletten benennen
können. Es sollte wissen, welche Medikamente bei
versäumter morgendlicher Einnahme mittags nach
der Schule nachgenommen werden müssen (z. B.
Kortison). Ältere Kinder und Jugendliche werden in
der Regel in den Entscheidungsprozess für oder ge­
gen den Einsatz von Medikamenten einbezogen und
über die wichtigsten Nebenwirkungen aufgeklärt,
besonders wenn ihr Verhalten im Alltag betroffen ist
(z. B. Sonnenschutz bei Azathioprin, Alkoholunver­
träglichkeit bei Metronidazol).
Aber: Erörtern Sie möglichst nicht Ihre Sorgen über
seltene Nebenwirkungen in Gegenwart Ihres Kindes,
besonders dann, wenn es keine Alternative zu dieser
Medikation gibt. Es besteht das Risiko, dass Ihr
Kind aus Angst die Tabletten heimlich wegwirft oder
eine starke Aversion entwickelt und unbewusst die
Medikamente „vergisst zu nehmen“ oder unspezifi­
sche Beschwerden entwickelt. Treffen Sie Abspra­
chen mit Ihrem Kind, wie oft und in welcher Form
Sie es an die Medikamenteneinnahme erinnern
sollen. Dann führt die Nachfrage meist nicht zu
einem Konflikt.
60
Empfehlungen
Eva &
Klaus S.
Viel Geduld und ausprobieren, was
beim eigenen Kind hilft.
Die Kinder bzw. Jugendlichen
sollten frühzeitig in die Entscheidungsfindung über die Therapie
einbezogen werden, denn es geht um ihren Körper.
Egal, welche Therapie gewählt wird, ist eine wirksame Durchsetzung gegen den Willen des Kindes kaum
möglich.
Jutta &
Dieter B.
Das Wichtigste ist es für uns immer
gewesen, einen guten Hausarzt zu
haben, von dem sich mein Sohn
gut betreut fühlt. Das gilt selbstverständlich auch
für die Kinderklinik. Kurz auf den Nenner gebracht,
bedeutet das, dass die zwischenmenschliche Chemie
zwischen Patient und behandelndem Arzt passen
muss. Des Weiteren empfehle ich jedem die Mitgliedschaft im DCCV, weil er hier den besten und aktuellsten Erfahrungstausch geboten bekommt.
Heidi M.
61
62
Wechsel vom Kinderarzt zum Internisten
Probleme beim Arztwechsel
Welche Probleme hatten Sie mit dem Arztwechsel
und wie sind Sie damit umgegangen?
Das erste Problem war schon
einmal die Entscheidung, weiterhin
in einer Klinik-Ambulanz betreut
zu werden oder lieber zu einem niedergelassenen
Gastroenterologen zu wechseln. Über ErwachsenenSelbsthilfegruppen haben wir Adressen von niedergelassenen Gastroenterologen bekommen, da uns
die Betreuung in einer Klinik-Ambulanz, mit ständig
wechselnden Ärzten, für den Wechsel nicht so optimal erschien. Dort wurde mein Sohn sofort wie ein
„Erwachsener“ behandelt, d. h. Mama durfte nur mit
ins Besprechungszimmer, wenn Sohn das ausdrücklich wollte (er wollte). Während des Gesprächs warf
der Arzt nur so mit Fachbegriffen und Fremdwörtern
um sich. Mein Sohn wollte natürlich ganz erwachsen
wirken und hat nicht nachgefragt, und so musste ich
nachher erst einmal „übersetzen“. Nach längerem
Hin und Her zwischen diesem Arzt und mehreren
Klinik-Ambulanzen ist er jetzt endlich in einer KlinikAmbulanz angekommen, in der er sich gut aufgehoben und von einem sehr netten Arzt auch sehr gut
betreut fühlt.
Margit &
Frank B.
Mit dem Arztwechsel hatten wir
keine Probleme. Vermutlich auch
deshalb, weil der Arztwechsel
nicht abrupt verlief, sondern parallel, d. h. intensive
Untersuchungen und Behandlungen in der Klinik und
laufende Betreuung durch den Internisten.
Annika &
Udo F.
Wir hatten bereits vor der Krankheit vom Kinderarzt zum Hausarzt
gewechselt. Für die Behandlung
des Morbus Crohn werden wir in der gastroenterologischen Abteilung einer Kinderklinik betreut. Der
Wechsel in die Erwachsenentherapie steht erst in ca.
einem Jahr bevor. Der Wunsch wäre, dass diese Ärzte
sich genauso viel Zeit nehmen, Fragen zu beantworten und Ängste zu nehmen.
Jutta &
Dieter B.
Solange unser Sohn im Uniklinikum
betreut wird, ist eine wohltuende Konstanz gegeben. Der erste
Wechsel der betreuenden Ärztin war etwas schwierig für ihn, danach hat er sich daran gewöhnt, dass
Yvonne &
Dirk F.
63
die Ärzte wechseln. Solange das Klinikum und die
betreuende Abteilung die gleiche bleibt, gibt es auch
keine Probleme. Was danach kommt und wie sich
das auswirkt, können wir schwer einschätzen. Wir
würden uns einen weichen Übergang wünschen.
Was war für dich besonders
schwierig beim Wechsel vom
Kinderarzt zum Internisten?
Auf was sollten andere Betroffene achten?
D
er Wechsel verlief ziemlich problemlos,
die einzige Schwierigkeit, war einen der
vielen Internisten zu wählen, was aber im
Endeffekt ohne Hindernisse passierte. Das
Wichtigste ist, dass der Betroffene sich einen
Arzt sucht, der ihm sympathisch erscheint,
damit die zukünftigen Arztbesuche leichter
fallen.
64
Was glauben Sie war für Ihr Kind in dieser
Situation besonders schwierig?
Dass wir bei der Arztauswahl keine
Mitsprachemöglichkeit hatten. In
der Ambulanz war etwa zwei Jahre
dieselbe Ärztin zuständig. Danach gab es häufigeren
Wechsel, was für Caroline schon belastend war. Zumal man davor darüber nicht informiert wurde und
so plötzlich ein fremder Arzt oder eine fremde Ärztin
vor einem saß und intime Details abfragte.
Eva &
Klaus S.
Besonders schwierig war für meinen Sohn, sich bei den Ärzten und
im Klinikbetrieb auch mal durchzusetzen und sich Gehör zu verschaffen. Das fängt
schon bei den Terminen und der Organisation, den
Kassenrezepten und den damit verbundenen „Feinheiten“ an und geht bei Therapie-Entscheidungen
weiter.
Margit &
Frank B.
65
Wie binden Sie Ihr Kind in die Auswahl
des Arztes oder in die Therapie ein?
Wir besprechen einfach alle Möglichkeiten und erwägen das Für
und Wider. Letztendlich entscheidet das (bereits erwachsene) Kind.
Margit &
Frank B.
Ich, der Vater, bin ebenfalls
Morbus-Crohn-Patient. Daher wurde mein Internist auch für meinen
Sohn gewählt. Dominik kannte meinen Internisten
eigentlich nicht näher. Da ich aber über die Jahre immer wieder von meinen Arztterminen berichtet und
hervorgehoben habe, wie viel Zeit er sich nimmt und
gründliche Untersuchungen durchführt, war es für
meinen Sohn selbstverständlich, auch dort hinzugehen. Wir hätten aber niemals Druck ausgeübt, da die
„Chemie“ zwischen Arzt und Patient stimmen muss.
Wenn Dominik den Wunsch hat, einen anderen Arzt
zu wählen, kann er das selbstverständlich tun.
Annika &
Udo F.
Yvonne &
Dirk F.
Wenn es soweit ist, dass er das
Uniklinikum verlassen muss, wird er
natürlich maßgeblich beteiligt.
66
Wie haben Sie Ihr Kind auf den Arztwechsel
vorbereitet bzw. es dabei unterstützt?
Meine Tochter befürchtet, dass sie
mit dem neuen Arzt nicht so offen
reden kann, wie mit dem Kinderarzt, und wünscht sich, dass sie von den jetzigen Ärzten bei der Wahl eines Internisten unterstützt wird.
Margarethe &
Edgar M.
Durch die dramatische Zuspitzung
von Carolines Zustand war keine
Vorbereitung möglich. Bei den
späteren Arztwechseln haben wir immer betont, wie
wichtig es ist, in einer guten Klinik mit erfahrenen
Ärzten behandelt zu werden. Außerdem gingen wir
nach wie vor bei „normalen“ Krankheiten zu unserer
Kinderärztin.
Eva &
Klaus S.
Die Vorbereitung auf den Arztwechsel bestand hauptsächlich
darin, meinen Sohn dabei zu unterstützen, dass er langsam lernt, seine Kliniktermine
selbst zu organisieren und öfter auch alleine wahrzunehmen. Therapie-Entscheidungen wurden in dieser
Zeit immer gemeinsam getroffen.
Margit &
Frank B.
67
Sprechen Sie mit dem Behandlungsteam der kinder­
gastroenterologischen Ambulanz. Dort wird man
Sie beraten, ob Ihr Kind bei einem niedergelassenen
Gastroenterologen weiter betreut werden kann oder
wegen der Komplexität der Erkrankung besser in
einer großen CED-Ambulanz mit der Verfügbar­
keit verschiedener Spezialisten (Ernährungsteam,
Chirurgen, Radiologen) aufgehoben ist. In manchen
Kliniken gibt es bereits Transitionssprechstunden
für jugendliche CED-Patienten. Die Kompetenz
auf dem Gebiet CED ist sicher eine unabdingbare
Voraussetzung für die Arztwahl, aber Ihr Kind muss
die Ärztin bzw. den Arzt auch sympathisch finden,
um Vertrauen fassen zu können.
Falls Ihr Kind durch die Ausbildung in eine weiter
entfernte Stadt zieht und man Ihnen keinen Arzt in
der Nähe empfehlen kann, kann Ihr Kind sich über
die DCCV e. V. eine Liste von auf CED spezialisier­
te Gastroenterologen und Klinikambulanzen geben
lassen.
68
Empfehlungen
Bei den vielen Arztwechseln, die
durch die Organisationsstruktur der
Klinik notwendig waren, habe ich
stets versucht, die positiven Seiten des neuen Arztes
bzw. der Ärztin hervorzuheben. (Kann besser Blut
abnehmen, ist freundlich, Experte etc.)
Eva &
Klaus S.
Ich würde allen Eltern empfehlen, ihr gerade erwachsenes Kind
auch weiterhin unterstützend zu
begleiten. Die Auswahl der künftigen Betreuung ist
wirklich schwierig und kann die jungen Erwachsenen
schnell überfordern. Außerdem kann ich nur raten,
sich mehrere Betreuungsmöglichkeiten anzusehen
und sich diejenige auszusuchen, wo sich das Kind am
besten aufgehoben fühlt. Es gab da zumindest bei
uns sehr große Unterschiede. Da die Zusammenarbeit
und das Vertrauen zwischen Arzt und Patient, gerade
bei diesen chronischen Erkrankungen, wirklich wichtig ist, sollte das schon passen. Dann ist es auch aus
Elternsicht viel leichter loszulassen.
Margit &
Frank B.
Zunächst ist es natürlich wichtig,
einen Internisten zu finden, der
sich in CED auskennt. Von unserem
Internisten weiß ich, dass die ärztliche Behandlung
von Kindern ganz anders ist, als von Erwachsenen.
Darum hat sich unser Arzt in verantwortungsvoller
Weise geweigert, Dominik vor Eintritt ins Erwachsenenalter zu behandeln. Man sollte daher dem eigenen Kind vermitteln, dass mit dem Erwachsenwerden
auch eine adäquate Betreuung erfolgen muss. Bei
der Wahl des Arztes sollte dem Jugendlichen freie
Hand gelassen werden. Durch die Krankheit sowieso
psychisch belastet, wäre es kontraproduktiv, wenn
in diesem Bereich unnötigerweise ein Spannungsverhältnis aufgebaut wird. Der Jugendliche sollte die
Möglichkeit haben, mehrere Ärzte „auszuprobieren“.
Annika &
Udo F.
Simon war bei Bekanntwerden der
Krankheit bereits 14 Jahre alt und
nicht mehr in kinderärztlicher Betreuung. Somit ergaben sich keine Probleme. In der
ambulanten Klinik hatte er einmal ein Problem mit
Heidi M.
69
einer behandelnden Ärztin. Da hat er ganz offen zur
Stationsleitung geäußert, dass er von dieser Ärztin
nicht mehr untersucht werden will. Darauf wurde
auch eingegangen, und damit war dieses Problem
erledigt.
Herausgeber
klarigo
Verlag für Patientenkommunikation oHG
Bergstraße 106 a
64319 Pfungstadt
www.klarigo.eu
Idee und Konzeption
klarigo Patricia Martin, Kim Zulauf
Die klarigo Verlag für Patientenkommunikation oHG ist bestrebt vollständige,
aktuelle und inhaltlich zutreffende Informationen in dieser Broschüre zusammenzustellen. Gleichwohl kann keinerlei Gewähr für die Vollständigkeit,
­Aktualität oder inhaltliche Richtigkeit der dargestellten Informationen übernommen werden. Sollten Sie Fragen zu medizinischen oder gesundheitlichen
Aspekten haben, die in der vorliegenden Broschüre thematisiert werden, oder
auf Basis der in der vorliegenden Broschüre enthaltenen Informationen
­medizinisch oder gesundheitlich relevante Entscheidungen treffen wollen,
wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder eine sonstige hierfür qualifizierte
Auskunftsstelle. Sofern über Quellenangaben oder Empfehlungen für weiter­
führende Informationen auf andere Druckwerke, Internetseiten oder sonstige
Informa­tionsquellen verwiesen wird, haftet die klarigo Verlag für Patientenkommunikation oHG in keiner Weise für dortige Darstellungen.
Diese Broschüre oder Auszüge dieser Broschüre ­dürfen nicht ohne schriftliche Einwilligung des ­Verlages in i­rgendeiner Form mit elektronischen
oder mechanischen Mitteln reproduziert, verarbeitet, v­ ervielfältigt oder
verbreitet werden. Alle Rechte v­ orbehalten.
Fotos
Text
Heidi M., Annika & Udo F., Jutta & Dieter
B., Eva & Klaus S., Margarethe & Edgar M.,
Margit & Frank B., Yvonne & Dirk F., Petra
& Carsten M., Caroline S., Simon M.
Titel: ©oleg66_iStock.de, Seite 3: ©oleg66_iStock.de, Seite 4 und 5: ©nekousa_photocase.de, Seite 6 und7: ©Yuri_arcurs _Dreamstime.com, Seite 8 und 9: ©Mr. Nico_photocase.de, Seite 8, 14,
20, 29, 33 und 63: ©AlexAlex_Photocase.de, Seite 9, 24, 46 und 51: ©Helder Almeida_Dreamstime.com, Seite 17: ©Jason Walker_Dreamstime.com, Seite 22: ©Monkey Business Images_
Dreamstime.com, Seite 31: ©Isame_Dreamstime.com, Seite 37: ©Igor Tarasov_fotolia.com, Seite
41: ©Monkey Business Images_Dreamstime.com, Seite 43: ©Anita Patterson Peppers_Dreamstime.
com, Seite 49: ©Papa1266_Dreamstime.com, Seite 57: ©Thomas Lozinski_Dreamstime.com, Seite
61: ©Grigor Atanasov_Dreamstime.com, Seite 64: ©Monkey Business Images_Dreamstime.com,
Seite 69: ©David Davis_fotolia.com
Expertenrat
Prof. Dr. Sibylle Koletzko,
Haunersches Kinderspital, München
© klarigo – Verlag für Patientenkommunikation oHG,
Pfungstadt, 3. Auflage, 12/2015
Wir bedanken uns für die Unterstützung
durch Dipl.-Psych. Jutta Drinda, Haunersches Kinderspital, München
Mit inhaltlich nicht einschränkender Unterstützung
der MSD SHARP & DOHME GMBH.
Wir weisen darauf hin, dass der Inhalt dieses Dokuments die Meinung der
Autoren widerspiegelt, die nicht notwendigerweise mit der von MSD
übereinstimmen muss.
GAST-1031204-0003 12/15
72
MSD SHARP & DOHME GMBH I Lindenplat z 1 I 85540 Haar
www.msd.de

Documentos relacionados