Question Q216B National Group: Deutschland Title: Ausnahmen

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Question Q216B National Group: Deutschland Title: Ausnahmen
Question Q216B
National Group:
Deutschland
Title:
Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz und die erlaubte
Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke im Hi-Tech
Bereich und im digitalen Bereich
Contributors:
Dr. Kristofer Bott (www.gvw.com),
Dr. Albrecht Conrad (www.hengeler.com),
Björn Joachim, LL.M. IPLM, LL.M. (www.wzr-legal.com),
Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann, LL.M. (www.boehmert.de),
Dr. Marcus Pilla (www.glock-liphart-probst.de)
Dr. Conrad hat die Beantwortung der 3. Frage maßgeblich
vorbereitet, konnte jedoch an der Schlussredaktion des Beitrages
nicht teilnehmen.
Reporter within
Working Committee:
[please insert name]
Date:
6. Mai 2011
1.
Welche Ausnahmen bzw. erlaubten Nutzungen gelten für Dienstleister im
Zusammenhang
mit
nutzergenerierten
Inhalten
(UGC)?
Gibt
es
Einschränkungen betreffend dieser Ausnahmen/Nutzungen, z.B. dann, wenn der
Dienstleister die Mitteilung erhält, dass rechtswidrige Inhalte von InternetNutzern zur Verfügung gestellt werden? Gilt dies auch für UGC-Seiten, die mit
Wahrscheinlichkeit zu Verletzungsverhandlungen verleiten? Welche Arten von
Dienstleistern können von solchen Ausnahmen begünstigt sein: Welche Inhalte
bezeichnet Ihre Rechtsordnung als UGC? Sind Ausnahmen für UGC, z.B. auch
auf UGC-Seiten wie YouTube oder soziale Netzwerkseiten wie Facebook
anwendbar?
UGC ist ein schillernder, bislang rechtlich nicht eindeutig definierter Begriff. Ohne
eine allgemein gültige Definition zu beanspruchen, geht die OECD in Studien von
folgender Definition aus: (1) Publikation, (2) kreative Leistung von gewissem Ausmaß
und
(3)
außerhalb
des
geschäftlichen
Verkehrs
(http://www.oecd.org/dataoecd/57/14/38393115.pdf). Eine solche Definition zielt
insbesondere auf den kreativ-kommunikativen Beitrag ab, den UGC zur Meinungsund Kunstfreiheit im „Web. 2.0“ leistet. Sofern solche UGC-Beiträge eine persönlich
geistige Schöpfung sind, genießen sie in Deutschland Urheberrechtsschutz genauso
wie andere Werke auch (Berberich MMR 2010, 736). Fasst man UGC – wie die
Fragestellung der AIPPI – etwas weiter und meint damit von den Nutzern auf fremden
Seiten generierte Inhalte, reicht das Phänomen UGC bis zur klassischen Piraterie, also
bis zu klaren Rechtsverletzungen, die von Nutzern auf fremden Websites generiert
werden. Von dieser breiteren Definition soll ausgegangen werden, weil sie die große
AIPP60008 / 29.606
-2Bandbreite nutzergenerierter Inhalte vollständig abbildet. Unten unter b) wird im
Detail behandelt, welche Inhalte im deutschen Recht als UGC behandelt werden.
a)
Haftungsprivilegien
Nach deutschem Recht können sich Service Provider im Bereich UGC („UGCProvider“) auf bestimmte Ausnahmen und Haftungsprivilegien berufen
(nachfolgend a)). Dabei ist zu unterscheiden zwischen Ausnahmen für die
Schadenersatzhaftung und für die strafrechtliche Haftung einerseits
(nachfolgend aa)) und für die Unterlassungs- und Beseitigungshaftung
andererseits (nachfolgend bb)).
aa)
Schadenersatzhaftung und strafrechtliche Haftung
Art. 12 bis 15 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der
Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen
Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („E-Commerce-Richtlinie“)
schreiben für den deutschen Gesetzgeber Haftungserleichterungen für
bestimmte Internetprovider vor. Die Umsetzung in Deutschland ist in
den §§ 8 bis 10 TMG erfolgt. UGC-Provider werden in Deutschland als
Hostprovider eingeordnet (Schricker/Loewenheim/Wild, Urheberrecht,
4. Aufl. 2010, § 97 Rn. 103 mwN.; Fromm/Nordemann/Jan Bernd
Nordemann, Urheberrechtsgesetz, 10. Aufl. 2008, § 97 Rn. 160), fallen
also unter Art. 14 E-Commerce-Richtlinie bzw. § 10 TMG. Die sich
daraus ergebende Haftungsprivilegierung erfasst auch Ansprüche
wegen Verletzung von Urheberrechten (inzwischen allgemeine
Auffassung, vgl. nur Schricker/Loewenheim/Wild, aaO., § 97 Rn. 87;
Dreier/Schulze/Dreier, Urheberrechtsgesetz, 3. Aufl. 2008, § 97 Rn. 36
mwN.;
Fromm/Nordemann/Jan
Bernd
Nordemann,
Urheberrechtsgesetz, 10. Aufl. 2008, § 97 Rn. 185, ebenfalls mwN.).
Diese
Haftungsprivilegierung
gilt
jedoch
nur
für
Schadenersatzansprüche und für die strafrechtliche Haftung. Sie gilt
nach der zutreffenden Auffassung des deutschen Bundesgerichtshofs
(BGH) nicht für Unterlassungsansprüche (BGH GRUR 2007, 708, 710
Rz. 19 – Internet-Versteigerung II). Das steht im Einklang mit Art. 14
Abs. 2 E-Commerce-Richtlinie (vgl. auch Erwägungsgrund 45 der
Richtlinie). Auch die Europäische Kommission betont in ihrem Bericht
zur
Umsetzung
der
Enforcement-Richtlinie,
dass
die
Haftungsprivilegien
aus
Art.
12
bis
14
nicht
auf
Unterlassungsansprüche anwendbar seien; Art. 11 Satz 3 Richtlinie
2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April
2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
(„Enforcement-Richtlinie“) sowie Art. 8 Abs. 3 Richtlinie 2001/29/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur
Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der
verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft („InfoRichtlinie“) ordneten vielmehr Unterlassungsansprüche an, ohne dass
es auf eine Haftung („Liability“) des Providers ankomme (Europäische
Kommission, KOM(2010) 779, Nr. 3.3 S. 7).
-3Der UGC-Provider haftet gemäß § 10 TMG für fremde Inhalte nur bei
Kenntnis (zur Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Inhalten,
siehe unten, b) bb)). Die Privilegierung entfällt auch, wenn ihm
Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige
Handlung oder die Information offensichtlich wird, soweit er die
Inhalte dann nicht unverzüglich entfernt. Diese Möglichkeit muss ihm
gegeben werden, bevor die volle Verantwortlichkeit greift (RegE TDG,
BT DS 14/6098, S. 25).
bb)
Haftung auf Unterlassung und Beseitigung
(1)
Störerhaftung
Die Unterlassungshaftung und Beseitigungshaftung von Service
Providern wie z.B. UGC-Providern ist im deutschen Recht,
insbesondere im TMG, nicht geregelt (vgl. oben aa)). Für
Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche greifen danach die
Haftungsprivilegierungen des Art. 14 E-Commerce-Richtlinie bzw. des
§ 10 TMG nicht.
Die damit anwendbaren allgemeinen Grundsätze des deutschen Rechts,
insbesondere des § 1004 BGB analog, enthalten jedoch für fremde
Inhalte (zur Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Inhalten,
siehe unten b) bb)) auch in gewissem Umfang haftungsbeschränkende
Elemente. Bei Vermittlung fremder Inhalte sind UGC-Provider in aller
Regel lediglich Hilfspersonen der Täter der Urheberrechtsverletzung.
Insoweit finden die Grundsätze der „Störerhaftung“ Anwendung. Sie
hat drei Voraussetzungen:
Erstens: Der „Störer“ muss in irgendeiner Weise willentlich und
adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsgutes beitragen.
Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an.
Zweitens: Weiterhin muss der Störer die rechtliche Möglichkeit zur
Verhinderung der Haupttat haben (BGH GRUR 1999, 518, 519 –
Möbelklassiker). Das sollte auf ISPs und sonstige Vermittler im
Regelfall zutreffen. Sie haben regelmäßig die Möglichkeit, die
rechtswidrige Handlung dadurch zu verhindern, dass sie dem Verletzer
ihren Dienst nicht mehr zur Verfügung stellen.
Drittens: Um die Störerhaftung nicht ausufern zu lassen, hat die
Rechtsprechung als haftungseinschränkendes Element eine dritte
Voraussetzung eingeführt. Der Störer muss eine Prüfpflicht verletzt
haben. Die Feststellung einer solchen Prüfpflichtverletzung bedarf
einer
umfassenden
Interessenabwägung
und
wertenden
Risikozuweisung, ob die Einhaltung der Prüfpflicht zumutbar war. Das
setzt in der Regel voraus, dass der Urheberrechtsverstoß für den
mittelbaren Störer erkennbar ist; es muss sich also entweder um eine
ohne weiteres erkennbare Verletzung handeln oder der mittelbare
Störer muss durch den Verletzten über die Verletzung in Kenntnis
gesetzt werden (BGH GRUR 2010, 633 Tz. 19 – Sommer unseres
Lebens; BGH GRUR 1999, 418, 419 – Möbelklassiker; BGH GRUR
-41984, 54, 55 – Kopierläden). Der Störer haftet aber nicht bloß
subsidiär, falls ein Vorgehen gegen den Täter nicht möglich ist (BGH
GRUR 2007, 890, 894 Rz. 40 – Jugendgefährdende Medien bei ebay).
Mit dem derzeit von der deutschen Rechtsprechung angewendeten
Konzept
der
Störerhaftung
sind
UGC-Provider
für
urheberrechtsverletzende Fremdinhalte auf ihrer Plattform im Regelfall
erst nach Kenntniserlangung verantwortlich, weil im Regelfall die
Rechtsverletzung erst dann für den UGC-Provider erkennbar wird
(BGH GRUR 2007, 708, 712 Rz. 45 f. – Internet-Versteigerung II;
OLG Köln GRUR-RR 2008, 35, 37 – Rapidshare). Der Hostprovider
erlangt in der Regel schriftlich durch einen sogenannten Notice-andTake-Down-Letter
des
Rechteinhabers Kenntnis. An die
Kenntniserlangung sind keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen. Die
Information muss jedoch die eigene Aktivlegitimation und die
Verletzungshandlung darlegen; siehe auch unten Ziff. (3) zur
„Klarheit“ dieser Darlegungen.
(2)
Deutsche Störerhaftung EU-rechtskonform?
Die grundsätzliche Möglichkeit der Inanspruchnahme von UGCProvidern auf Unterlassung für fremde urheberrechtsverletzende
Inhalte auf ihren Plattformen ist im Rahmen richtlinienkonformer
Auslegung zwingend. Art. 11 Satz 3 Enforcement-Richtlinie schreibt
verbindlich vor, dass „Mittelspersonen“ in Anspruch genommen
werden können. Auch nach Art. 8 Abs. 3 Info-Richtlinie ist der
nationale Gesetzgeber verpflichtet, Sperransprüche gegen „Vermittler“,
deren Dienste für Urheberrechtsverletzungen benutzt werden,
vorzusehen. Zu „Vermittlern“ gehören unproblematisch Hostprovider
(vgl. Reinbothe GRUR Int. 2001, 733, 743; Spindler GRUR 2002, 105,
119), also auch UGC-Provider. Ob die deutsche Umsetzung in Form
der Störerhaftung insbesondere Art. 8 Abs. 3 Info-Richtlinie genügt,
wird neuerdings teilweise bezweifelt. Der BGH meinte in
Internetversteigerung II zwar zum fast wortgleichen Art. 11 S. 3
Durchsetzungsrichtlinie,
wegen
Erwägungsgrund
23
der
Durchsetzungs-Richtlinie seien die vorstehenden Voraussetzungen, die
mit der Störerhaftung für die Haftung von Mittelspersonen
einhergehen, europarechtskonform, weil dort die Regelung der
„Voraussetzungen und Verfahren“ den Mitgliedsstaaten überlassen
bliebe (BGH GRUR 2007, 708, 711 Rz. 36 – Internetversteigerung II).
Jedoch sagt Erwägungsgrund 59 der Info-Richtlinie ausdrücklich, dass
die Haftung des „Vermittlers“ selbst dann bestehen müsse, wenn die
„Handlungen des Vermittlers nach Art. 5 (Info-Richtlinie) freigestellt
sind“. Insoweit wird bezweifelt, dass die Verletzung von Prüfpflichten,
wie sie der BGH zur Voraussetzung für eine Störerhaftung macht,
richtlinienkonform sind (Jan Bernd Nordemann CR 2010, 653, 654 f.).
Insbesondere die vom Bundesgerichtshof im Regelfall für das
Entstehen der Störerhaftung geforderte „Kenntnis“ läuft parallel mit
den Voraussetzungen für eine Privilegierung nach Art. 5
Urheberrechtsrichtlinie. Auch die Europäische Kommission betont in
ihrem Bericht zur Umsetzung der Enforcement-Richtlinie, dass für die
Unterlassungsansprüche aus Art. 11 S. 3 Enforcement-Richtlinie und
-5Art. 8 Abs. 3 Info-Richtlinie gerade keine „Haftung“ des Vermittlers
erforderlich sei (KOM(2010) 992, Nr. 3.3. S. 7; siehe auch SEC(2010)
1589, S. 16).
(3)
Folge der Störerhaftung: Mehr als „Takedown & Staydown“ bei
„klaren“ Rechtsverletzungen
Folge der Störerhaftung ist bei klaren Urheberrechtsverletzungen
zunächst eine Verpflichtung des UGC-Providers zum „Takedown and
Staydown“ der rechtsverletzenden konkreten fremden Inhalte.
Jedoch besteht im Fall von klaren Rechtsverletzungen zusätzlich eine
Prüfpflicht, weitere genauso offensichtliche Verletzungen für den
gleichen Schutzrechtssachverhalt zu vermeiden (BGH GRUR 2004,
860, 864 – Internet-Versteigerung I). Beispielsweise musste ebay nach
Kenntniserlangung von einem markenrechtswidrigen Angebot von
ROLEX-Uhren nicht nur das konkrete Angebot für die Zukunft
sperren, sondern auch „Vorsorge treffen, dass es bei Angeboten von
ROLEX-Uhren nicht zu weiteren klaren Rechtsverletzungen kommt“
(BGH GRUR 2007, 708, 712 Rz. 47 – Internet-Versteigerung II;
zustimmend: Lehment GRUR 2005, 210, 213; Leible/Sosnitza NJW
2004, 3225; Jan Bernd Nordemann CR 2010, 653, 656 ff.; kritisch
Schricker/Loewenheim/Wild, aaO., § 97 Rn. 94 mwN.). Insoweit kann
eine Prüfpflicht und die damit verbundene Unterlassungshaftung also
auch ohne Kenntnis von der konkreten Verletzung bestehen. Der
britische High Court hat den EuGH in „L’Oréal-ebay“ allerdings
gefragt, ob die BGH-Rechtsprechung gemeinschaftsrechtskonform ist
(Az. EuGH C-324/09).
Wie gesehen kann es nach deutschem Recht für den Umfang der
Prüfpflichten darauf ankommen, ob es sich um „klare“
Rechtsverletzungen handelt. Für die Prüfung, ob eine „klare“
Verletzung vorliegt, ist ein objektiver Maßstab anzulegen (eingehend
Jan Bernd Nordemann CR 2010, 653, 658). Das öffentliche
Zugänglichmachen von 1:1-Kopien urheberrechtlich geschützter Werke
- seien es Filmwerke, Musikwerke, Hörbücher oder Fotographien - ist
danach eine „klare“ Verletzung; sie bilden auch die ganz große
Mehrheit der illegal zugänglich gemachten Werke im Internet. Da es
auf die Klarheit der Verletzung ankommt, kann auch die „Klarheit“ der
Aktivlegitimation eine Rolle spielen. Für eine klare Verletzung von
Fotorechten fordert der BGH, dass der Störer „hinreichende Klarheit
über die Berechtigung“ des Anspruchstellers hat (BGH GRUR 2010,
628 Rz. 39 - Vorschaubilder).
Was „gleichartige“, aber ebenso klar erkennbare Verletzungen im
Urheberrecht sind, ist noch nicht abschließend durch die
Rechtsprechung geklärt. Jedenfalls geht es um „mehr“ im Vergleich
zum bloßen „Takedown & Staydown“ der angezeigten Verletzung
(siehe im Einzelnen dazu Jan Bernd Nordemann CR 2010, 653, 657).
(4)
UGC-Sites, die erhöht verletzungsanfällig sind
-6Wenn die Hostingleistung erhöht verletzungsanfällig ist und der
Hostprovider Kenntnis davon hat, treffen den Hostprovider erhöhte
Prüfpflichten (zu erhöhten Pflichten bei spezifischer Gefahrneigung:
Leistner GRUR-Beilage 2010, 1, 32; Jan Bernd Nordemann CR 2010,
653, 657 ff.). Eine Prüfungspflicht kann sich – sogar ohne Notice-andTakedown-Letter - insbesondere daraus ergeben, dass ein Hostprovider
durch bestimmte Aktivitäten die Verletzungsanfälligkeit seines
Hostingdienstes erhöht: Ein Beispiel wäre, dass der Hostprovider die
rechtsverletzende Nutzung seiner Dienste bewirbt (BGH GRUR 2009,
841, 843 Rz. 21ff. – Cybersky). Das OLG Hamburg erwog in der
Entscheidung Long Island Ice Tea eine Störerhaftung für ein gesamtes
Forum unter der Voraussetzung, dass das Internetforum sich auf
bestimmte (erhöht verletzungsanfällige) Themen bezieht und/oder es
bereits in der Vergangenheit mehrfach zum Hochladen
rechtsverletzender Dateien gekommen ist (OLG Hamburg NJOZ 2009,
2835, 2840 – Long Island Ice Tea; vgl. auch Jan Bernd Nordemann CR
2010, 653, 657).
(5)
Filterverpflichtungen der UGC-Provider
Die deutsche Rechtsprechung hat sich mit den konkreten Werkzeugen
befasst, die den UGC-Providern zur Erfüllung ihrer oben beschriebenen
Prüfpflichten zur Verfügung stehen; teilweise ging es bei der
nachfolgend aufgeführten Rechtsprechung allerdings um andere
Hosting-Provider als UGC-Provider (z.B. Rapidshare). Dennoch
erscheinen diese Entscheidungen auch für die Filterverpflichtungen von
UGC-Providern relevante Aussagen zu enthalten.
-
Das OLG Hamburg hielt dabei Nutzungsbedingungen, die
Urheberrechtsverletzungen untersagen, zwar für sinnvoll, aber nicht
für genügend (OLG Hamburg MMR 2010, 51 – Rapidshare II;
OLG Hamburg ZUM-RD 2008, 527 – Rapidshare I). Die Drohung
auf „YouTube“, im Fall von urheberrechtsverletzungen
Nutzerkonten zu sperren, ist danach zwar sinnvoll, aber allein nicht
ausreichend.
-
Das gleiche galt für Hashwert-Filter (z.B. MD5-Filter); ihre
Effizienz ist nicht groß genug, weil sich mit jeder Änderung der
Datei der Hashwert ändert (OLG Hamburg MMR 2010, 51, zitiert
nach Juris Rn. 82 ff. – Rapidshare II; OLG Hamburg ZUM-RD
2008, 527 – Rapidshare I).
-
Auch das Zurverfügungstellen eines Lösch-Interface für
Rechteinhaber ist für sich genommen nicht ausreichend, weil es die
Verletzung nicht verhindern kann, sondern nur ein reaktives Mittel
ist (OLG Hamburg MMR 2010, 51, zitiert nach Juris Rn. 82 ff. –
Rapidshare II; OLG Hamburg ZUM-RD 2008, 527 – Rapidshare I;
siehe ferner unten zum VeRI-Programm von ebay).
-
Demgegenüber können Keyword-Filter für textbasiertes Filtern
jedenfalls dann effizient sein, wenn die konkrete Verletzung und
weitere gleichartige genauso offensichtliche Verletzungen über
-7diesen Keyword-Filter gefunden werden können. Das ist
insbesondere auf Seiten der Fall, bei denen die Nutzer die Inhalte
textbasiert
suchen
können.
Bei
UGC-Sites
sind
unterscheidungskräftige Suchwörter wie z.B. „Culcha“ für das
Herausfiltern von illegalen Uploads des Titels „Ey DJ“ der Band
„Culcha Candela“ im Regelfall geeignet (LG Berlin, Urteil vom 10.
Juni 2008, Az. 15 O 144/08, S. 11), ein Suchwort wie bloß „DJ“
aber möglicherweise nicht.
(4)
-
Automatische Filtersysteme müssen ggf. händisch nachkontrolliert
werden (BGH GRUR 2007, 708 Rz. 47 – Internet-Versteigerung
II), notfalls unter Erweiterung des Kontrollpersonals (OLG Köln
GRUR-RR 2008, 35, 37 – Rapidshare; strenger OLG Düsseldorf
ZUM 2008, 866, 868 – eDonkey-Server, wonach es für den
Hostprovider unzumutbar sein soll, 300 Treffer auf 17 zu filternde
Einzeltitel händisch nachzurecherchieren; eine manuelle
Nachkontrolle ablehnend auch OLG Düsseldorf ZUM 2010, 600,
603 – Rapidshare m. krit. Anm. Jan Bernd Nordemann ZUM 2010,
604). Unzumutbar wird eine manuelle (Nach-) Kontrolle allerdings,
wenn die Suchergebnisse einer Filtersoftware nur zu 0,5%
rechtsverletzend sind (offen gelassen von BGH GRUR 2011, 152
Rz. 41– Kinderhochstühle im Internet). Rein manuelle
Kontrolltätigkeiten, die nicht auf durch eine Filtersoftware
aufgespürte Verdachtsfälle beschränkt sind, belasten ebay nach der
Rechtsprechung des BGH in unzumutbarer Weise, weil sie das
(legale) Geschäftsmodell gefährdeten. Eine manuelle Bildkontrolle
nach Markenverletzungen könne nicht verlangt werden. Zudem
stünde dem Rechtsinhaber eine eigene manuelle Kontrolle von
Angeboten bei ebay über das VeRI-Programm offen (BGH GRUR
2011, 152 Rz. 43 – Kinderhochstühle im Internet).
-
Zum Ausschluss des „Wiederholungstäter“-Arguments (es liegt
nahe, dass ein Verletzer später nochmals verletzt, siehe auch BGH
GRUR 2007, 850 Rz. 44 – Jugendgefährdende Medien bei ebay),
fordert das OLG Hamburg überdies teilweise die EntAnonymisierung der verletzenden Nutzer, damit dann diese –
verdächtigen – Nutzer speziell gefiltert werden können, um der
Prüfpflicht des Providers nachzukommen. Es ist allerdings bislang
ungeklärt, ob das eine zwingende Registrierung unter Klarnamen
bedingt oder auch andere Maßnahmen wie z.B. Protokollierung der
IP-Adresse ausreichend sein können (OLG Hamburg MMR 2010,
51 zitiert nach Juris, Rn. 91 ff. – Rapidshare II; siehe auch OLG
Hamburg ZUM-RD 2008, 527, 543 – Rapidshare I; dagegen OLG
Düsseldorf ZUM 2010, 600, 603 – Rapidshare).
Nicht klare Urheberrechtsverletzungen
Ein relevanter Teil des UGC besteht aus von den Nutzern selbst
individuell geschaffenen Leistungen. Sie machen einen besonderen
Reiz des Web 2.0 aus und sind insbesondere als Beitrag zur Meinungsund Kunstfreiheit erwünscht. Beispiele sind Fotos, Filme, Blogeinträge,
selbstkomponierte Musik. Bedienen sich solche kreativen Leistungen
-8vorbestehender urheberrechtlich geschützter Leistungen Dritter, sind
teilweise schwierige Abgrenzungsfragen urheberrechtlicher Art zu
beantworten: Liegt eine (rechtswidrige) abhängige Bearbeitung nach §
23 UrhG oder eine (zulässige) freie Benutzung nach § 24 UrhG vor? Ist
die Schranke des Zitatrechts gem. § 51 UrhG eingehalten? Immer wenn
eine urheberrechtlich erlaubte Nutzung ernsthaft in Frage kommt, liegt
keine klare Verletzung mehr vor (Jan Bernd Nordemann CR 2010, 653,
658).
Die deutsche Rechtsprechung hat sich – soweit ersichtlich – noch nicht
intensiver mit der Frage beschäftigt, welche Prüfpflichten bei nicht
klaren Urheberrechtsverletzungen bestehen, von denen der UGCProvider Kenntnis erlangt. Teilweise wird vorgeschlagen, sie ab
Kenntnis von der Urheberrechtsverletztung zumindest auf Takedown &
Staydown zu verpflichten (Jan Bernd Nordemann CR 2010, 653, 656).
b)
Die Definition von UGC-Providern nach deutschem Recht
aa)
Was sind UGC-Provider?
UGC-Provider sind nach deutschem Verständnis Internet Service
Provider, die den Nutzern ihrer Internetservices erlauben, Inhalte
darüber öffentlich zugänglich zu machen. UGC-Provider erlauben also
dem Nutzer, eigene Inhalte auf einer Plattform abzulegen. Damit die
Inhalte für die Öffentlichkeit auffindbar sind, stellt der Hostprovider
regelmäßig eine bestimmte Struktur für das Ablegen der Inhalte,
zumindest aber eine Suchmöglichkeit, zur Verfügung. Beispiele für
solche
„User-Generated-Content“-Sites
sind
Internetauktionsplattformen (z. B. eBay), Plattformen zum Ablegen und
öffentlichen Zugänglichmachen von Videodateien (z.B. YouTube), von
Fotos (Flickr), von Links (alluc.org, g-stream.in), von
Diskussionsforen oder von Inhalten sozialer Netzwerke (z. B.
Facebook). Solche UGC-Sites bieten vielfach die Plattform dazu,
kreativen nutzergenerierte Inhalte einer breiten Öffentlichkeit
zugänglich zu machen und bilden deshalb eine wünschenswerte
Grundlage für die Ausübung der Meinungs- und Kunstfreiheit im Web
2.0 durch Internetnutzer. UGC-Plattformen werden jedoch auch immer
wieder für das öffentliche Zugänglichmachen urheberrechtlich illegaler
Inhalte missbraucht. Einige UGC-Provider sind verletzungsanfälliger
als andere. Die Verletzungsanfälligkeit kann sich insbesondere aus dem
Angebot bestimmter Kategorien wie „aktuelle Kinofilme“ oder
„Serien“ (z.B. www.g-stream.in) oder auch „Hörbücher“ ergeben.
Im Hinblick auf Urheberrechtsverletzungen auf UGC-Sites spielen
auch sog. Sharehoster eine wesentliche Rolle, und zwar als Zulieferer
für teilweise sehr verletzungsanfällige UGC-Sites: Einige Hostprovider
beschränken sich auf das bloße zur Verfügung stellen von
Speicherplatz. Das geschieht teilweise gegen Entgelt zur Ablage
beliebiger Inhalte (z.B. 1&1), andere erlauben die Ablage beliebiger
Inhalte kostenlos (z.B. Sharehoster wie Rapidshare). Kennzeichen
dieser Angebote ist, dass der Hostprovider dem Kunden keine
inhaltliche Struktur, insbesondere keine inhaltliche Kategorisierung, für
-9die Ablage der Inhalte zur Verfügung stellt, damit sie der Öffentlichkeit
unmittelbar zugänglich sind. Dazu bedarf es vielmehr einer weiteren
Aktivität durch den Nutzer. Wer beispielsweise über einen Webhoster
wie 1&1 Speicherplatz für ein eigenes öffentliches Videoportal
anmietet, muss selbst darüber entscheiden, wie er es für die
Öffentlichkeit strukturiert. Kostenlose Sharehoster erlauben im
Regelfall zumindest, dass auf die bei ihnen gespeicherten Inhalte
mittels Link zugegriffen wird; der Nutzer kann also den gespeicherten
Inhalt durch Veröffentlichung des Links öffentlich im Internet
zugänglich machen. Dafür haben sich im Internet zahlreiche Websites
gebildet, die solche Links auf bei Sharehostern gespeicherte Dateien
öffentlich
zugänglichmachen.
Man
nennt
solche
Seiten
„Linksammlungen“ (auch „Leeching Sites“ oder „Nur-Lister“). Dort
wird dann auch eine Kategorisierung und eine Suchmöglichkeit
angeboten (z.B. alluc.org, kino.to). Es handelt sich oft um UGC-Sites,
d.h. die Links werden von Nutzern eingestellt. Einige Linksammlungen
sind im Regelfall erhöht verletzungsanfällig. Beispielsweise finden sich
auf Linksammlungen wie kino.to im Regelfall Links zu Kopien vieler
aktueller Kinofilme, die dann wiederum bei Sharehostern gespeichert
sind. Andere Linksammlungen listen nur kreativen UGC, der
erlaubterweise im Netz steht, verfolgen also wünschenswerte
Geschäftsmodelle, die helfen, den Nutzen kreativen UGCs umfassend
im Netz zugänglich zu machehen.
bb)
UGC-Content: fremde Inhalte Voraussetzung
Allerdings kommt die oben beschriebenen Regeln über die
Störerhaftung mit ihren haftungsbeschränkenden Elementen (siehe a)
für UGC-Provider nur zum Tragen, wenn sie sich diese von Nutzern
eingestellten Inhalte nicht zu eigen machen. Tun sie dies doch, dann
handelt es sich nicht um fremde, sondern um eigene Inhalte des UGCProviders.
Nach der Entscheidung des BGH marions-kochbuch.de liegen eigene
Inhalte eines UGC-Providers vor, wenn sich der UGC-Provider die
betreffenden (rechtsverletzenden) Inhalte zu eigen gemacht hat.
Maßgeblich ist dafür eine objektive Sicht auf der Grundlage einer
Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände (BGH GRUR 2010, 616
Rz. 23 – marions-kochbuch.de), also ob ein verständiger Internetnutzer
den Eindruck gewinnt, es handele sich um eigene Inhalte des UGCProviders.
Das war in folgender Konstellation für rechtswidrig hochgeladene
Fotos der Fall: Ein UGC-Provider bot Kochrezepte an, die durch Foto
illustriert wurden. Die von Privatpersonen hochgeladenen Rezepte
wurden nach den hierfür auf der Internetseite gegebenen Hinweisen
generell erst freigeschaltet, nachdem sie von der Redaktion des UGCProviders sorgfältig gesichtet und auf Richtigkeit und Vollständigkeit
überprüft worden waren; bei den Bildern wurde geprüft, ob sie auf eine
professionelle Anfertigung schließen ließen. Die sodann hochgeladenen
Rezepte wurden in ihrer Druckansicht mit dem Emblem des UGCProviders versehen, nämlich einer Kochmütze mit der Bezeichnung
- 10 „Chefkoch“ und der Internetadresse „chefkoch.de“. Die Kochrezepte
bildeten den „redaktionellen Kerngehalt“ der Internetseite chefkoch.de,
andere Inhalte rund um das Thema Kochen waren lediglich begleitende
Informationen oder Werbung. Schließlich ließ sich der Portalbetreiber
in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen das Recht einräumen,
dass alle von den Privatpersonen zur Verfügung gestellten Daten, also
auch die Fotos, von „Chefkoch“ selbst oder durch Dritte vervielfältigt
und in beliebiger Weise weitergegeben werden dürften. Damit hatte der
verständige Internetnutzer den Eindruck eigener Inhalte des UGCProviders. Es war unerheblich, dass die Inhalte als „fremde Inhalte“
gekennzeichnet werden (BGH GRUR 2010, 616 Rz. 24 ff. – marionskochbuch.de).
Das OLG Hamburg entschied darauf hin, dass die Plattform
„sevenload“, die u.a. das Posten von Musikdateien durch ihre Nutzer
zuließ, sich diese Inhalte nicht zu eigen mache. Sie versehe die
Musikdateien nicht mit einem eigenen Logo; ferner stellten die
Musikdateien nicht den wesentlichen Teil es redaktionellen Angebotes
dar (OLG Hamburg MMR 2011, 49, zitiert nach juris Rn. 37 ff. sevenload). Allerdings hätte es nach Auffassung des OLG Hamburg
möglicherweise für eigene Inhalte gesprochen, wenn nach Aufruf der
Musikdateien Werbung durch den UGC-Provider eingeblendet worden
wäre (OLG Hamburg aaO., zitiert nach juris Rn. 38 – sevenload). Nach
der Entscheidung Gitarrist im Nebel des OLG Hamburg (ZUM 2009,
642, 644) handelt es sich um eigene Inhalte eines Internet-Portals,
wenn das Internet-Portal durch Nutzer Fotos hochladen lässt und dann
gegen Entgelt anderen Nutzern die Möglichkeit gewährt, diese Fotos
auszudrucken.
Zum Videoportal „YouTube“ hat das Landgericht Hamburg die
Auffassung vertreten, „YouTube“ mache sich die von seinen Nutzern
hochgeladenen Videos zu eigen, sie seien also keine fremden Inhalte.
„YouTube“ präsentiere sich nicht als neutrale Videoplattform zum
Einstellen von Inhalten. Durch die ins Auge fallende mehrmalige
Anordnung des Logos "YouTube" auf der Internetseite präsentiere man
sich als Anbieter der Inhalte. Dieser Eindruck werde verstärkt durch die
unter dem Fenster mit dem Nutzernamen angebrachten Verweise auf
weitere Videos. Auch durch den Aufbau ihrer Startseite und die dort
dem Nutzer angebotene Vorsortierung der Videos in die Kategorien
„Derzeit abgespielte Videos“, „Promotete Videos“ und „Angesagte
Videos“ sowie die weitere Unterteilung nach bestimmten
Themenkategorien (Videos, Kanäle, Community mit den
Unterrubriken, Musik, Unterhaltung etc.) stellten sich die Videoinhalte
auf „YouTube“ für den Betrachter der Plattform als eigener
(redaktioneller) Inhalt „YouTubes“ dar. Ein weiteres Indiz für das „Zu
Eigen machen“ fremder Inhalte stelle die Einblendung von
Werbebannern und Videowerbung dar (LG Hamburg MMR 2010, 833,
zitiert nach juris Rn. 153 ff. – YouTube).
cc)
Sind Videoportale wie YouTube und Social Networks wie Facebook
UGC-Provider?
- 11 Grundsätzlich kommen Videoportale und Social Networks als UGCProvider in Betracht. Das gilt zumindest insoweit, als ihr
Geschäftsmodell (auch) darin besteht, dass ihre Nutzer die öffentlich
zugänglichen Inhalte selbst einstellen. Allerdings können sie die
Haftungsprivilegien verlieren, die eigentlich UGC-Providern als
Hostprovider zu Teil werden, wenn sie sich die von den Nutzern
eingestellten Inhalte zu Eigen machen; dazu oben bb).
- 12 -
2.
Welche Ausnahmen bzw. erlaubten Nutzungshandlungen gelten im Hinblick auf
kurzzeitige Verletzungshandlungen? Sind vorübergehende Vervielfältigungen
von elektronischen Werken, die z.B. im Zwischenspeicher (Cache) bzw. im
Arbeitsspeicher des Computers (RAM) enthalten sind, als verletzende
Vervielfältigungen anzusehen?
Grundlage einschlägiger gesetzlicher Regelungen ist – auf europäischer Ebene – die
Info-Richtlinie und des weiteren – in deren Umsetzung auf nationaler, hier: deutscher
Ebene – die Einfügung von § 44a Urheberrechtsgesetz (UrhG), eingeführt durch das
Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom
10.09.2003 (BGBl. I S. 1774) (nachfolgend: „Gesetz zur Informationsgesellschaft“).
Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass „vorübergehend“ nicht die
Vervielfältigungshandlung als solche, sondern die Vervielfältigung als Ergebnis der
Vervielfältigungshandlung ist (vgl. Dreier/Schulze/Dreier, aaO., § 44a UrhG Rn. 4).
Auch wenn weiter letztlich jede Vervielfältigung (insbesondere bei
Speichervorgängen) vergänglich, d.h. nicht von längerer Dauer und somit
„vorübergehend“ ist, soll mit diesem Begriff erkennbar das erfasst werden, was
angesichts der Möglichkeit zu dauerhafter Speicherung bloß „vorübergehend“
erscheint (vgl. Dreier/Schulze/Dreier, aaO., § 44a UrhG Rn. 4). Vor diesem
Hintergrund beschränken sich die nachfolgenden Überlegungen im Wesentlichen auf
Erläuterungen zu Art. 5 Abs. 1 der Info-Richtlinie und insbesondere zu § 44a UrhG,
der einzigen allgemeinen urheberrechtlichen Ausnahmeregelung in Bezug auf
„vorübergehende Vervielfältigungshandlungen“.
a)
Zielsetzung von § 44a UrhG:
Mit der Regelung in § 44a UrhG wurden die Vorgaben in Art. 5 Abs. 1 der
Info-Richtlinie nahezu wortgleich umgesetzt. Die Notwendigkeit einer
diesbezüglichen Harmonisierung der nationalen Rechte ist unmittelbare Folge
des bewusst weit gefassten Vervielfältigungsrechts gemäß § 16 UrhG, das
ausdrücklich auch das Recht zur Herstellung „vorübergehender“
Vervielfältigungsstücke des Werkes einschließt. Diese weite Definition des
Begriffes der Vervielfältigung wiederum geht zurück auf Art. 2 der InfoRichtlinie, deren Zweck es ist, eine jede körperliche Festlegung eines Werkes
zu erfassen, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf
irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen (RegE
BTDrucks IV/270, S. 47).
Ziel von § 44a UrhG ist, kurz gesagt, die Ermöglichung von kurzfristigen
Speicherungen, die insbesondere bei Online-Nutzungen anfallen; zum einen
führt dies zu einer Privilegierung von Internetdienste-Anbietern als
Vermittlern, zum anderen werden bestimmte vorübergehende Nutzungen
(Vervielfältigungen) im Rahmen von im Übrigen rechtmäßigen Nutzungen für
zulässig erklärt. Gemäß dem Erwägungsgrund 33 der Info-Richtlinie wird
damit beabsichtigt, „die effiziente Übertragung in einem Netz zwischen Dritten
durch einen Vermittler oder die rechtmäßige Nutzung eines Werks oder
sonstiger Schutzgegenstände zu ermöglichen“. Im ersten Fall gilt § 44a UrhG
nur für den Vermittler einer Übertragung im Netz (= also im Rahmen einer
bestimmten
wirtschaftlichen,
durch
diese
Schrankenbestimmung
„urheberrechtsfrei gestellten“ Nutzung, vgl. Dreier/Schulze/Dreier, aaO., § 44a
- 13 UrhG Rn. 9), nicht dagegen zugunsten des Absenders des übertragenen Inhalts
bzw. nicht zugunsten des Empfängers; für letzteren findet § 44a UrhG nur
Anwendung, wenn ihm der Urheber oder urheberrechtliche Berechtigte die
jeweilige wirtschaftliche Nutzung gestattet hat bzw. eine Nutzung nicht durch
Gesetze beschränkt ist (Definition der rechtmäßigen Nutzung, vgl.
Erwägungsgrund 33 der Info-Richtlinie).
b)
Der Charakter von § 44a UrhG als Ausnahmeregelung
§ 44a UrhG ist als Ausnahmeregelung, und nicht als Regelung im Sinne einer
inhaltlichen Begrenzung des Vervielfältigungsrechtes ausgestaltet (vgl.
Wandtke/Bullinger/v. Welser, Urheberrecht, 3. Aufl. 2009, § 44a Rn. 1). Auf
diese Ausnahmeregelung findet insbesondere der Drei-Stufen-Test
Anwendung, welcher in § 44a jedoch inhaltlich ausgestaltet ist, also nicht in
Form von (weiteren) Tatbestandsvoraussetzungen.
§ 44a UrhG stellt die einzige zwingende, von allen EU-Mitgliedsstaaten
einzuführende Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht dar.
c)
Technische und wirtschaftliche Bedeutung
§ 44a UrhG kommt als Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers für
sämtliche vorübergehende Vervielfältigungen, gerade im Online-Bereich, in
Betracht: Im Erwägungsgrund 33 der Info-Richtlinie werden beispielhaft
„Handlungen, die das Browsing sowie Handlungen des Caching ermöglichen“,
aufgeführt. Vor diesem Grund leuchtet es ein, in die Bestimmung des Begriffes
das weitere Merkmal „Teil eines technischen Verfahrens“ mit einzubeziehen
und als „vorübergehend“ im Sinne von § 44a UrhG diejenigen
Vervielfältigungen zu definieren, die bei der Übermittlung oder Nutzung eines
Werkes in digitaler Form auf Grund der Konfiguration des
Telekommunikations- und des Computersystems aus rein technischen Gründen
vorgenommen und nach einer nicht ins Gewicht fallenden Zeit automatisch
wieder gelöscht werden (so Dreier/Schulze/Dreier, aaO., § 44a UrhG Rn. 4).
aa)
Begriffe
Unter dem von § 44a UrhG erfassten (rechtmäßigen) Browsing versteht
man das Durchsuchen von Datenbanken und Ähnlichem, bei dem
Informationen für kurze Zeit im Speicher des Rechners festgelegt
werden (vgl. Schricker/Loewenheim/Loewenheim, aaO., § 44a Rn. 12).
Das im vorstehend zitierten Erwägungsgrund 33 der Info-Richtlinie
weiter genannte Caching wird als die zeitlich begrenzte
Zwischenspeicherung bereits aufgerufener Netzinhalte auf dem Server
des Anbieters definiert, die zum Zwecke der Gewährleistung eines
schnelleren Zugriffs der Nutzer auf diese Netzinhalte bei erneutem
Abruf sowie zur Entlastung des Netzes erfolgt (vgl.
Schricker/Loewenheim/Loewenheim, aaO., § 44a Rn. 13, unter Hinweis
auf die AmtlBegr. BTDrucks. 15/38, S. 18).
Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem sog. Client-Caching und dem
Proxy-Caching:
- 14 (1)
Das Client-Caching findet beim Nutzer statt, wobei dies durch einen
Software-Cache oder durch einen Hardware-Cache möglich ist. In
diesen Fällen werden die gespeicherten Daten im Arbeitsspeicher oder
auf der Festplatte abgelegt. Auf Grund dieser automatisch erfolgten
Speicherung kann bei einem erneuten Zugriff vermieden werden, die
Daten erneut wieder über eine – möglicherweise langsame –
Verbindung aus dem Netz zu holen (vgl. Wandtke/Bullinger/v. Welser,
aaO., § 44a Rn 5).
(2)
Beim sog. Proxy-Caching kann der Zwischenspeicher-Vorgang an
verschiedenen Orten stattfinden, u.a. bei den von Providern
verwendeten Servern. Die Zielsetzung ist hier aber letztlich dieselbe
wie beim Client-Caching: Die Belastung des Netzes und damit zugleich
die Wartezeit für den Nutzer soll verringert werden (vgl.
Wandtke/Bullinger/v. Welser, aaO., § 44a Rn 6).
(3)
Das Abspeichern im Arbeitsspeicher eines Computers dient dem
unmittelbaren Zugriff auf Daten; im Arbeitsspeicher eines Computers
gespeicherte Daten werden im weiteren Verlauf der Arbeitssitzung,
beim Abschalten des Gerätes oder durch Zeitablauf automatisch
gelöscht. Solche Speicherungen kommen insbesondere beim Streaming
von Film- oder Musikdateien über das Internet vor. Im Regelfall erfolgt
die Speicherung in einem Zwischenspeicher (Cash) auf dem
Empfangsgerät des Streamingempfängers. Um eine verzögerungsfreie
Wiedergabe des Films durch die jeweilige Player-Software (z.B. FlashPlayer) zu gewährleisten, startet der Film in aller Regel nicht zeitgleich
mit dem Beginn der Datenübertragung, sondern verzögert, da zunächst
die ersten Sekunden des Films vollständig in den Zwischenspeicher
gespeichert werden (sogenanntes Buffering; vgl. Radmann ZUM 2010,
387, 388; Hullen ITRB 2008, 230, 232). Beim Zwischenspeichern ist zu
unterscheiden zwischen Servern, in denen Inhalte auf Dauer gespeichert
werden, und solchen Servern, die lediglich eine vorübergehende
Speicherung ermöglichen, um bei einem erneuten Zugriff
Übertragungszeit zu sparen.
(4)
Das Downloading schließlich stellt regelmäßig eine Speicherung von
Daten auf die Festplatte eines Speichers dar und ermöglicht den
wiederholten Zugriff auf diese Daten, ohne dass ein erneuter InternetAufruf erforderlich wäre.
bb)
Wertungen
Browsing wird einhellig als nach § 44a UrhG zulässig angesehen (vgl.
EuGH, Urteil v. 16.07.2009 – Infopy International A/S/Danske
Dagblades
Forening,
Infopaq/DDF,
GRUR
2009,
1041,
Erwägungsgrund 63).
Caching wird hingegen nicht generell als zulässig angesehen: Es fällt
unter die Ausnahme des § 44a UrhG, wenn es sich in der
vorübergehenden Vervielfältigung erschöpft, vergleichbar denen bei
den Routern sowie bei den Service- und Access-Providern, u.U. auch
das Update- oder Proxy-Caching. Etwas anders gilt hingegen, wenn es
- 15 sich um sog. Content-Caching als nicht nur vorübergehende
Vervielfältigung (vgl. Dreier/Schulze/Dreier, aaO., § 44a UrhG Rn. 4;
anders für Mirror-Server, die Inhalte unverändert und vollständig
wiedergeben (= spiegeln): Wandtke/Bullinger/v. Welser, aaO., § 44a
Rn. 6) oder um den Cache von Suchmaschinen (vgl. OLG Jena GRURRR 2008, 223, 224 – Thumbnails) handelt. Dem OLG Jena (aaO.)
zufolge zeigen Trefferlisten von Suchmaschinen Thumbnails dauerhaft
an und bieten dem Verwerter Einnahmemöglichkeiten, insbesondere
durch Werbung. Diese Vervielfältigungsform ist also weder bloß
vorübergehend, noch erfüllt sie die Voraussetzung, dass die
Vervielfältigung keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben
darf.
Das Downloading ist als nicht nur vorübergehende Vervielfältigung
gleichfalls nicht zulässig.
Entsprechend dem Ansatz der Richtlinie, bei Online-Nutzungen
anfallende kurzfristige Speicherungen zu privilegieren, sind neben den
bereits genannten Vervielfältigungsformen typischerweise zu zählen:
Webseiten; Speicherungen im Speicher einer Grafikkarte, um die
Anzeige auf einem Bildschirm zu ermöglichen sowie Speicherungen
beim sog. Streaming (vgl. Wandtke/Bullinger/v. Welser, aaO., § 44a
Rn. 1, mwN.; zu den weiteren Voraussetzungen gem. § 44a UrhG beim
Streaming siehe jedoch unten).
d)
Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 44a UrhG
§ 44a UrhG nennt zwei zulässige Zwecke für vorübergehende
Vervielfältigungshandlungen, nämlich zum einen die Ermöglichung der
Übertragung eines Werkes oder eines sonstigen Schutzgegenstandes in einem
Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler, zum anderen die Ermöglichung
der rechtmäßigen Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstandes
(durch jeden beliebigen Nutzer).
Während im ersten Fall also ausschließlich Vermittler privilegiert werden, sind
es in der zweiten Variante vorübergehende Vervielfältigungshandlungen
beliebiger Nutzer, eine rechtmäßige Nutzung des Werkes oder des sonstigen
Schutzgegenstands im Übrigen vorausgesetzt.
Hervorzuheben ist, dass die von § 44a UrhG für zulässig erklärte
vorübergehende Vervielfältigungshandlung keinen anderen Zwecken als den in
den Fallgruppen Nr. 1 und Nr. 2 genannten Zwecken dienen darf, also
beispielsweise nicht einer Speicherung zum Zweck der Archivierung (vgl.
Schricker/Loewenheim/Loewenheim, aaO., § 44a Rn. 7).
aa)
Fallgruppen des § 44a UrhG
(1)
Privilegierung des Vermittlers
Die erste Fallgruppe (Privilegierung des Vermittlers) gilt unabhängig
davon, ob die Nutzung, die der Übermittlung dient, rechtmäßig ist (vgl.
Reinbothe GRUR Int. 2001, 733/738). Folgerichtig ist das Proxy-
- 16 Caching
grundsätzlich
als
zulässig
anzusehen
(vgl.
Wandtke/Bullinger/v. Welser, aaO., § 44a Rn. 9), jedenfalls insoweit,
als es durch einen Vermittler zum Zwecke der Übertragung (von Daten
in einem Netz zwischen Dritten) erfolgt. Das Kammergericht Berlin hat
in Übereinstimmung hiermit entschieden, dass § 44a Nr. 1 UrhG wohl
die Speicherung im Arbeitsspeicher des Diensteanbieters, nicht aber
Abspeicherungen in den Arbeitsspeichern der Absender und
Empfänger erfasst (vgl. KG GRUR-RR 2004, 228, 231 –
Ausschnittsdienst).
Voraussetzung für diese Privilegierung des Vermittlers ist zweierlei:
Der Vermittler darf die Informationen nicht verändern; ferner darf der
Vermittler technische Vorkehrungen zur Sammlung von Nutzungsdaten
nicht beeinträchtigen. Beides geht wiederum aus dem Erwägungsgrund
33 der Info-Richtlinie hervor. Die zweite Voraussetzung wird
allerdings kritisiert, da sie im Rahmen der Haftungsbeschränkung
gemäß der korrespondierenden Regelung in § 9 S. 1 Nr. 4
Telemediengesetz (TMG) sinnvoll sein mag, im Rahmen der
Schrankenregelung des § 44a UrhG hingegen nicht sachgerecht sei
(vgl. Wandtke/Bullinger/v. Welser, aaO., § 44a Rn. 10).
(2)
Privilegierung bei (im Übrigen) rechtmäßiger Nutzung
Die Alternative des § 44a Nr. 2 UrhG (vorübergehende
Vervielfältigungshandlungen im Rahmen rechtsmäßiger Nutzungen)
greift ein, wenn die Nutzung vom Rechtsinhaber zugelassen bzw. nicht
durch Gesetze beschränkt wurde (also in diesem Sinne „rechtmäßig“
ist).
Eine
Zulassung
der
Nutzung
im
Sinne
eines
tatbestandsausschließenden Einverständnisses kann bei Werken
angenommen werden, die online in einem Datennetz vom Berechtigten
zur Verfügung gestellt werden. Vorbehaltlich anderer Hinweise des
Berechtigten ist sogar von einem zeitlich uneingeschränkten
Einverständnis
des
Rechtsinhabers
auszugehen
(vgl.
Wandtke/Bullinger/v. Welser, aaO., § 44a Rn. 18). Missachtet der
Nutzer die Nutzungsbedingungen des Anbieters (etwa auf Zahlung
eines Entgelts), indem er z.B. Schutzmechanismen umgeht, scheidet
eine Anwendung von § 44a Nr. 2 UrhG hingegen aus.
bb)
Art der Vervielfältigung
§
44a
UrhG
nimmt
nicht
alle
vorübergehenden
Vervielfältigungshandlungen vom Vervielfältigungsrecht aus, sondern
nur solche, die zusätzlich „flüchtig“ oder „ begleitend“ sind.
(1)
„vorübergehend“
Zur Auslegung des Begriffes „vorübergehend“ kann auf die oben
gemachten einleitenden Ausführungen verwiesen werden.
(2)
„flüchtig“ oder „begleitend“
- 17 Die Vervielfältigung muss nicht nur „vorübergehend“, sondern
zugleich „flüchtig“ oder „begleitend“ sein:
„Flüchtig“ im Sinne des § 44a UrhG sind Vervielfältigungen dann,
wenn sie besonders kurzlebig sind (rasch vergänglich), wie dies etwa
für im Arbeitsspeicher (RAM-Speicher) eines Computers entstehende
Kopien zutrifft, die nach Beendigung der Arbeitssitzung mit dem
Abschalten des Geräts bzw. im Laufe der weiteren Anwendung wieder
automatisch gelöscht werden (vgl. KG Berlin, Urteil vom 30.04.2004,
GRUR-RR 2004, 228, 231 – Ausschnittsdienst, unter Hinweis auf:
Walter, Europäisches Urheberrecht, Info-Richtlinie, Rn 107). In seiner
vorzitierten Entscheidung hat das Kammergericht den eigenständigen
Bedeutungsgehalt des Begriffs des „Flüchtigen“ im Rahmen
vorübergehender
Vervielfältigungen
durch
den
Hinweis
veranschaulicht, dass gerade die Abhängigkeit des Arbeitsspeichers
von der Stromversorgung die Flüchtigkeit der in ihm enthaltenen
Festlegungen zeige (KG Berlin, aaO.).
„Begleitend“ im Sinne der Vorschrift sind Vervielfältigungen, die
lediglich beiläufig im Zuge eines technischen Verfahrens entstehen
(vgl. OLG Dresden NJOZ 2008, 160/163, ebenfalls unter Hinweis auf
Walter, aaO., Rn. 107).
Während flüchtige Vervielfältigungen von noch kürzerer Dauer sind als
bloß vorübergehende Vervielfältigungen, ist bei begleitenden
Vervielfältigungen stets daran zu denken, dass diese nur dann
privilegiert sind, wenn sie zugleich auch bloß „vorübergehend“ im
Sinne der Vorschrift sind (vgl. Schricker/Loewenheim/Loewenheim,
aaO., § 44a Rn. 5).
Die Grenzen zwischen den Merkmalen „flüchtig“ und „begleitend“
sind allerdings fließend, zumal da sich auch die Festlegung von
Werken im Arbeitsspeicher eines Computers als begleitende
Vervielfältigung zur eigentlichen Nutzung des Werkes ansehen lässt
(vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckl/Dreyer, Heidelberger Kommentar zum
Urheberrecht, 2. Aufl. 2008, § 44a Rn 4).
(3)
„als Teil eines technischen Verfahrens“
§ 44a UrhG fordert ausdrücklich, dass die Vervielfältigung „integraler
und wesentlicher Teil eines technischen Verfahrens“ ist. Ausreichend
ist hierfür allerdings, dass die Vervielfältigung während des Verfahrens
anfällt; demgegenüber ist es wohl nicht erforderlich, dass die
Vervielfältigung
technisch
unabdingbar
ist
(vgl.
Schricker/Loewenheim/Loewenheim, aaO., § 44a Rn. 6).
Unstreitig sind Vervielfältigungen im Rahmen des Browsing und des
Caching Teil eines technischen Verfahrens; das OLG Celle hat auch für
das Setzen eines Links das Vorliegen dieser Voraussetzung bejaht
(ZUM-RD 2009, 14).
cc)
Drei-Stufen-Test
- 18 Nach Art. 5 Abs. 5 der Info-Richtlinie gelten außerdem die
nachgenannten Voraussetzungen (des sog. Drei-Stufen-Tests). Danach
darf auch die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht nur in bestimmten
Sonderfällen angewandt werden, in denen des weiteren die normale
Verwertung des Werkes oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht
beeinträchtigt wird und wodurch schließlich auch die berechtigten
Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.
Diese auf Art. 10 Abs. 1 WCT und Art. 16. Abs. 2 WPPT
zurückgehenden Vorgaben sind in § 44a UrhG inhaltlich
berücksichtigt, so dass eine ausdrückliche Anführung dieser
„Schranken-Schranke“ in Form weiterer Tatbestandsmerkmale
entbehrlich war.
dd)
Keine Verfolgung eines wirtschaftlichen Zwecks
Wesentliches Kriterium ist die weitere Voraussetzung, dass die
kurzfristige Vervielfältigung keine wirtschaftlich eigenständige
Bedeutung besitzen darf. Beim Hosting beispielsweise wird eine neue,
eigenständige Nutzungsmöglichkeit eröffnet, mit der Folge, dass § 44a
UrhG den Nutzer nicht schützt. Dies gilt ferner immer dann, wenn die
Vervielfältigung zu Nutzungseffekten führt, die über die vertraglich
eingeräumte oder gesetzlich erlaubte Nutzung hinausgeht, so dass eine
neue, eigenständige Nutzungsmöglichkeit eröffnet wird (Dreier in
Dreier/Schulze,
aaO.,
§
44a
Rn.
8;
Schricker/Loewenheim/Loewenheim, aaO., § 44a Rn. 10 unter Hinweis
auf LG München I MMR 2007, 328/329).
Soweit im Rahmen einer E-Mail-Versendung eine Abspeicherung von
Texten im Hauptspeicher eines PCs (sei es des Absenders oder des
Empfängers) erfolgt, liegt nicht nur eine Vervielfältigung im Sinne von
§ 16 UrhG vor, die dauerhaft (und nicht nur vorübergehend) ist,
sondern scheidet eine Privilegierung nach § 44a Nr. 2 UrhG auch
deshalb aus, weil dadurch die Erstellung einer digitalen Datei
ermöglicht wird, mit der beliebig viele Kunden beliefert werden
können (= eigenständige wirtschaftliche Bedeutung). Die Anwendung
von § 44a Nr. 1 UrhG scheitert bereits daran, dass von dieser
Fallgruppe ausschließlich der Vermittler einer Übertragung (in einem
Netz zwischen Dritten), jedoch nicht Absender und Empfänger erfasst
werden (vgl. KG Berlin GRUR-RR 2004, 228 ff. – Ausschnittsdienst).
Beim Streaming von illegal öffentlich zugänglich gemachten Filmoder Musikdateien scheidet eine Legalisierung der temporären
Vervielfältigung
im
Arbeitsspeicher
(Buffering)
des
Streamingempfängers aus (Radmann ZUM 2010, 387, 391;
Ruttke/Scharringhausen in Fromm/Nordemann, aaO., § 106 UrhG Rn.
11; im Ergebnis genauso OLG Hamburg v. 22.12.2010, Az. 6 U 36/09;
a.A. Fangerow/Schulz GRUR 2010, 677, 680). Die Anwendung des §
44a UrhG scheitert an der eigenen wirtschaftlichen Bedeutung der
Zwischenspeicherung durch den Streamingempfänger. Ohne die
Zwischenspeicherung ist es überhaupt nicht möglich, beispielsweise
Filme verzögerungsfrei anzubieten, so dass eine wirtschaftlich
bedeutende
eigenständige
Nutzungsmöglichkeit
durch
die
- 19 Zwischenspeicherung eröffnet wird. Überdies öffnet das
Zwischenspeichern das Vor- und Zurückspulen und die ständig
bestehende Möglichkeit des Neustarts des Filmes, was auch eine
eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat (Radmann ZUM 2010,
387, 391).
e)
Sachlicher Anwendungsbereich
Es ist umstritten, ob § 44a UrhG ungeachtet Art. 9 der Info-Richtlinie (vgl.
auch Erwägungsgrund 50), wonach andere Rechtsvorschriften von dieser
Richtlinie unberührt bleiben, insbesondere keine Anwendung auf den Schutz
von Computerprogrammen finden sollten, auch auf Computerprogramme,
Datenbankwerke sowie Datenbanken anzuwenden ist. Während für
Computerprogramme (in § 69d UrhG) und für Datenbanken (in § 87c UrhG)
spezielle Ausnahmeregelungen vorgesehen sind, sind für Datenbankwerke
spezielle Schranken des Vervielfältigungsrechts nicht ersichtlich. Mehrheitlich
wird wohl für eine einheitliche Handhabung der Schranke des § 44a UrhG
plädiert, mithin die Anwendung auch auf Computerprogramme und
Datenbanken (und erst recht auf Datenbankwerke) befürwortet (vgl.
Schricker/Loewenheim/Loewenheim, aaO., § 44a Rn. 3).
3.
Gibt es eine Ausnahme für die private Vervielfältigung? Wenn dies der Fall ist,
wie weit reicht die Ausnahme? Sollten urheberrechtliche Abgaben für die private
Nutzung gelten? Wenn dies der Fall ist, welche Nutzungen sollten der Abgabe
unterliegen?
Das deutsche Urheberrecht erlaubt die Vervielfältigung von Werkstücken zum
privaten und sonstigen eigenen Gebrauch (§ 53 UrhG). Die Privatkopie ist also ein
Unterfall des eigenen Gebrauchs. Mit sehr wenigen Ausnahmen beschränkt der eigene
Gebrauch auch das urheberrechtliche Verbreitungsrecht. Die gesetzliche Regelung der
Schranke ist in ihren Einzelheiten sehr kompliziert, da § 53 UrhG eine Vielzahl von
Ausnahmen, Rückausnahmen und Querverweisen enthält. Nach allgemeiner
Auffassung wird die Schranke der Privatkopie ihrerseits durch den sog. Dreistufentest
beschränkt; dies wurde im Rahmen der Frage Q216A vom 31. März 2010 ausführlich
dargestellt (ebenda, Nr. 7).
Die Schranke der Privatkopie gilt nicht nur für Urheberrechte, sondern auch für die
Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler und Veranstalter (§ 83 UrhG), der
Tonträgerhersteller (§ 85 Abs. 4 UrhG), Filmhersteller (§ 94 Abs. 4 UrhG),
Sendeunternehmen (§ 87 Abs. 4 UrhG) und, in etwas abgewandelter Form, der
Datenbankhersteller.
a)
Die Schranke der Privatkopie
Das deutsche Urheberrecht nahm bei der Privatkopie eine Vorreiterrolle ein.
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Kopie „zum persönlichen
Gebrauch“ gesetzlich erlaubt, wenn sie keinen gewerblichen Zwecken diente
(§ 15 Abs. 2 LUG (1901); § 18 Abs. 1 KUG (1907)). Mit Fortschreiten der
Vervielfältigungstechnik entwickelte sich das Bewusstsein, dass die
ursprünglich weit formulierte Schranke zu erheblichen Mindereinnahmen der
Rechteinhaber führen kann. Ausdruck dieses Unbehagens war eine
- 20 Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1955, in der er, entgegen dem Wortlaut
des Gesetzes, Aufnahmen auf Magnettonbändern für unzulässig hielt (BGHZ
17, 266 – Grundig-Reporter). Kern der Argumentation war, dass den Urhebern
für jede Nutzung ihrer Werke ein Entgelt gebühre, unabhängig davon, ob die
Nutzung einen unmittelbaren wirtschaftlichen Ertrag abwerfe
Die Privatkopie ist in § 53 Abs. 1 UrhG geregelt und erlaubt
Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch. Entscheidend ist der Zweck der
Vervielfältigung. Die Vervielfältigung muss der Befriedigung rein persönlicher
Bedürfnisse dienen und darf selbst mittelbar keine Erwerbszwecke verfolgen
(§ 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG). Auf den privaten Gebrauch können sich deshalb
auch nur natürliche Personen berufen. Erlaubt sind auch nur „einzelne“
Vervielfältigungen. Über die genaue Anzahl höchstens zulässiger Kopien –
und darüber, ob eine Obergrenze überhaupt allgemein angegeben werden kann
– besteht keine Einigkeit. Aufgrund einer Entscheidung des BGH hat sich eine
Höchstzahl von 7 als Richtschnur eingebürgert (BGH GRUR 1978, 474, 475 –
Vervielfältigungsstücke).
Wie die Vervielfältigungen angefertigt werden, ist unerheblich. Im Rahmen
der Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des
Urheberrechts
und
der
verwandten
Schutzrechte
in
der
Informationsgesellschaft („Info-Richtlinie“) wurde zwar die Zulässigkeit von
digitalen Privatkopien ausgiebig diskutiert. Der Gesetzgeber entschied sich
jedoch für die Beibehaltung auch digitaler Privatkopien und gestattete
Vervielfältigungen „auf beliebigen Trägern“ (§ 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG).
Einschränkend gilt allerdings, dass für Privatkopien nur noch Vorlagen
verwendet werden dürfen, die selbst nicht offensichtlich rechtswidrig
hergestellt oder öffentlich zugänglich gemacht wurden. Diese Regelungen
sollen es ermöglichen, gegen File-Sharing-Systeme im Internet vorzugehen
(vgl. Dreier/Schulze/Dreier, aaO., § 53 Rn. 11). Beim Streaming von
offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemachten Film- oder
Musikdateien scheidet aus diesem Grund eine legale Privatkopie bei der
zwingenden Vervielfältigung in den Arbeitsspeicher des Streamingempfängers (dazu oben 2.a) cc) (2)) aus. Streaming von offensichtlich
rechtswidrigen Dateien ist deshalb auch eine Urheberrechtsverletzung des
Streamingempfängers
(Radmann
ZUM
2010,
387,
391;
Ruttke/Scharringhausen in Fromm/Nordemann, aaO., § 106 UrhG Rn. 11; im
Ergebnis genauso OLG Hamburg v. 22.12.2010, Az. 6 U 36/09; auch
Fangerow/Schulz GRUR 2010, 677, 680, allerdings mit engem Begriff der
Offensichtlichkeit).
Der Gesetzgeber prüft derzeit, Privatkopien nur noch vom Original zuzulassen
(vgl. der Rechtsausschuss zu dem Gesetzesentwurf des Zweiten Korbes, BT
DS 16/5939, S. 3).
Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Herstellung der Privatkopie
durch Dritte. Sie ist zulässig, soweit dies unentgeltlich geschieht oder es sich
nur um analoge Vervielfältigungen handelt (§ 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG). Der
Grund hierfür lag ursprünglich darin, dass Personen, die sich
Vervielfältigungsgeräte selbst nicht leisten konnten, nicht benachteiligt werden
sollten und das Anfertigen der Kopien praktisch kaum zu überwachen wäre.
- 21 Heute wird im Rahmen einer zur Diskussion stehenden weiteren
Gesetzesnovelle wieder ein grundsätzliches Verbot der Vervielfältigung durch
Dritte diskutiert (vgl. der Rechtsausschuss zu dem Gesetzesentwurf der
Novelle von 2003, BT DS 16/5939, S. 3).
Die Frage, wann eine erlaubte Vervielfältigung und wann eine von der
Schranke nicht gedeckte Herstellung durch einen gewerbsmäßig handelnden
Dritten vorliegt, hat die Rechtsprechung vor allem in Fällen beschäftigt, in
denen die Dritten Vorrichtungen zur Vervielfältigungen zur Verfügung
stellten. Abgegrenzt wurde danach, wer als Hersteller der Kopie anzusehen ist.
So wurde angenommen, dass in der bloßen Bereitstellung eines
Münzautomaten keine unerlaubte Vervielfältigung liegt, wenn die
Vervielfältigung der CD vom Verbraucher gesteuert wird (OLG München
GRUR-RR 2003, 365 – CD-Münzkopierautomaten). Im Fall eines OnlineVideorekorders (IPVR) soll maßgeblich sein, ob der Kunde den
Vervielfältigungsvorgang ausschließlich selbst steuere (BGH GRUR 2009,
845, 847 – Personal Video Recorder).
Ist der Dritte Hersteller, so ist die Vervielfältigung nur dann als Privatkopie
zulässig, wenn sich die Tätigkeit des herstellenden Dritten auf den technischmaschinellen Kopiervorgang beschränkt und sich im Rahmen einer konkreten
Anweisung des Nutzers hält (BGHZ 134, 250 – CB-Infobank I; BGH GRUR
1997, 464 – CB-Infobank II). Diesen Bereich überschreiten Recherchedienste,
die auf der Grundlage eigener Archive arbeiten, gegen Entgelt
Vervielfältigungen anbieten und die Zusammenstellung der Dokumente von
sich aus beeinflussen (BGHZ 134, 250 – CB-Infobank I). Außer bei
reprographischen Kopien ist die Herstellung durch Dritte nur zulässig, wenn
der Dritte durch die Kopien keinen Gewinn erzielt. Einen Sonderfall der Kopie
durch Dritte bildet die Versendung von Kopien durch Bibliotheken auf
Bestellung. Dieser Bereich wurde mittlerweile in § 53a UrhG separat geregelt.
Hierzu verweisen wir auf die ausführliche Darstellung zur Frage Q216A vom
31. März 2010 unter Nr. 4 c, Conrad/Jan Bernd Nordemann GRUR Int. 2010,
953,0963.
Für bestimmte Werkarten gelten Ausnahmen von der Zulässigkeit der
Privatkopie. Unzulässig ist die Privatkopie von Computerprogrammen § 69c
Nr. 1 Satz 1 UrhG). Auch elektronische Datenbanken dürfen nicht zum
privaten Gebrauch vervielfältigt werden (§ 53 Abs. 5 UrhG), analoge
Datenbanken hingegen schon (§ 87c Abs. 1 UrhG). Weitgehend begrenzt ist
die Privatkopie von Musiknoten und von im Wesentlichen vollständigen
Büchern und Zeitschriften: sie ist grundsätzlich nur bei vergriffenen Werken
oder im Wege des hand- oder maschinenschriftlichen Abschreibens zulässig
(§ 53 Abs. 4 UrhG). Öffentlich vorgetragene und aufgeführte Werke dürfen
nicht auf Bild- oder Tonträgern aufgenommen werden und Architekturpläne
und Entwürfe von Kunstwerken dürfen nicht ausgeführt oder nachgebaut
werden (§ 53 Abs. 7 UrhG). Weitere Sonderregelungen gelten schließlich im
Bereich der Reproduktion von Personenbildnissen (§ 60 Abs. 1 S. 1 UrhG) und
zu Gunsten Behinderter (§ 45a Abs. 1 UrhG).
- 22 c)
Vergütungspflicht
Als Ausgleich für die Möglichkeit zur Vervielfältigung zum privaten und
sonstigen eigenen Gebrauchs stehen den Urhebern Vergütungsansprüche zu.
Anspruchsberechtigt sind daneben ausübende Künstler und Veranstalter (§ 83
UrhG), Tonträgerhersteller (§ 85 Abs. 4 UrhG) und Filmhersteller (§ 94 Abs. 4
UrhG), nicht jedoch Sendeunternehmen (vgl. Dreier/Schulze/Dreier, aaO.,
§ 54 Rn. 18). Ob Sendeunternehmen an dem Vergütungsaufkommen aus der
Privatkopie beteiligt werde sollen, ist gegenwärtig Gegenstand einer
Kontroverse, die sowohl vor den Gerichten als auch im Rahmen der
Novellierung des Urheberrechtsgesetzes ausgefochten wird (zuletzt BGH
ZUM-RD 2010, 453).
Anspruchsverpflichtet sind die Hersteller bestimmter Geräte und
Speichermedien (§ 54 UrhG) sowie die Betreiber von Kopiergeräten (§ 54c
UrhG). Importeure und Händler haften neben den Herstellern
gesamtschuldnerisch, können sich aber unter bestimmten Umständen der
Haftung entziehen (§ 54b UrhG). Die Vergütungspflicht für den Betrieb von
Geräten
betrifft
Personen,
die
Geräte
in
Bildungsoder
Forschungseinrichtungen, öffentlichen Bibliotheken oder kommerziellen
Kopiereinrichtungen für Ablichtungen bereithalten (§ 54c UrhG).
Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung und der allgemeinen Wirtschaft
sind nicht erfasst.
Das Vergütungssystem wurde im Rahmen der Urheberrechtsnovelle im Jahre
2008 (sog. ‚Zweiter Korb des Urheberrechts) neu gestaltet. Zuvor war die
Vergütungspflicht auf reprographische Vervielfältigungsgeräte beschränkt, die
zur Vornahme von Vervielfältigungen bestimmt sein mussten. Für diese waren
vom Gesetzgeber feste Vergütungssätze vorgesehen. Dieses System erwies
sich als zu starr. Zum einen kamen in schneller Folge immer neue Gerätetypen
auf den Markt, die der abschließende Katalog des Gesetzgebers nicht erfassen
konnte und die teilweise auch nur in Verbindung mit anderen Geräten zur
Vervielfältigung geeignet waren. Zum anderen wurden die Vergütungssätze
nicht an die Preisentwicklung angepasst.
Nach nunmehr geltendem Recht betrifft die Vergütungspflicht alle Geräte und
Speichermedien, die typischerweise zur Vornahme von Vervielfältigungen
zum eigenen Gebrauch verwendet werden, und sei dies auch nur in
Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör (§ 54 Abs. 1
UrhG). Bei der Höhe der Vergütung sind die nutzungsrelevanten
Eigenschaften (z.B. Druckgeschwindigkeit oder -qualität; Kapazität von
Leermedien etc.) der jeweiligen Geräte und Speichermedien zu
berücksichtigen. Bei Gerätekombinationen (z. B. Scanner, PC und Drucker)
oder Geräten mit mehreren Komponenten ist die Vergütung so zu gestalten,
dass sie insgesamt angemessen ist. Mit dieser Regelung werden die
Grundgedanken aus der Rechtsprechung des BGH aufgegriffen (u.a. BGH,
NJW 2002, 964 – Scanner). Die Interessen der Gerätehersteller werden
insoweit berücksichtigt, als die Vergütung sie nicht unzumutbar
beeinträchtigen darf und in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum
Preisniveau des Gerätes oder Speichermediums stehen muss (§ 54a Abs. 4
UrhG). Im Rahmen der Angemessenheit ist auch die Preisgestaltung der
Hersteller zu berücksichtigen, etwa wenn diese Gewinne vorwiegend bei
- 23 gerätespezifischen Materialien (z. B. Druckertinte) erzielen. Gleichwohl
fordert auch hier das Zumutbarkeitskriterium, der Wettbewerbssituation der
Gerätehersteller Rechnung zu tragen.
Wichtigster Punkt des neuen Regelungssystems ist, dass die Vergütungssätze
nicht mehr vom Gesetzgeber vorgeschrieben, sondern durch die Beteiligten
vertraglich festgelegt werden. Um eine zügige Beilegung der zu erwartenden
Streitigkeiten über die Vergütungshöhe zu ermöglichen, sieht das Gesetz ein
mehrstufiges und zeitlich gestrafftes Verfahren zur Streitbeilegung vor. In
einem ersten Schritt sollen die Verwertungsgesellschaften mit den Verbänden
der betroffenen Hersteller über die angemessene Vergütungshöhe verhandeln.
Scheitern diese Verhandlungen, können die Verwertungsgesellschaften Tarife
aufstellen, sind allerdings verpflichtet, die Nutzung der Geräte und
Speichermedien zunächst durch empirische Untersuchungen zu ermitteln
(§ 13a Abs. 1 S. 2 UrhWG) und die zugrunde liegenden Gutachten oder
Marktforschungsstudien zu veröffentlichen. Diese Tarife werden
ausschließlich zunächst von der auf hurheberrechtliche Fragen spezialisierten
Schiedsstelle beim deutschen Patent- und Markenamt überprüft. Das Verfahren
vor der Schiedsstelle wurde zeitlich gestrafft (§ 14a Abs. 2 S. 1 UrhWG) und –
sofern keine Einigung erzielt werden kann – das OLG München als erste und
letzte Tatsacheninstanz bestimmt (§ 16 Abs. 4 S. 1 UrhWG). Zur raschen
Streitbeilegung wird den Parteien zudem anstelle des Schiedsstellenverfahrens
zusätzlich ein freiwilliges Mediationsverfahren angeboten (§ 17a UrhWG).
Die ersten praktischen Erfahrungen mit dem neuen Verfahren sind gemischt,
weil das Einholen der Gutachten teuer und zeitaufwendig ist und sich eine
Vielzahl von Auslegungsfragen ergeben hat. Änderungen werden daher schon
wieder im Gesetzgebungsverfahren diskutiert.
Noch zu der alten Rechtslage hat sich eine Kontroverse um die
Vergütungspflicht von Druckern und Personalcomputern entwickelt, die noch
immer fortdauert. Im Jahr 2008 urteilte zunächst der BGH, dass unter der alten
Rechtslage weder Drucker noch PCs vergütungspflichtig waren (BGHZ 174,
359 – Drucker und Plotter; BGH GRUR 2009, 53 - PC). Das BVerfG hob die
Entscheidungen des BGH jedoch kürzlich wegen Verstoßes gegen die
Vorlagepflicht zum EuGH wieder auf (BVerfG GRUR 2010, 999). Da der
EuGH seinerseits festgestellt hat, dass der in der Info-Richtlinie geforderte
„gerechte Ausgleich“ der Urheber, der dem Vergütungsanspruch zugrunde
liegt, autonom auszulegen ist, ist nun eine Vorlage an den EuGH zu erwarten
(EuGH GRUR 2011, 50 - Padawan). Darüber hinaus hat das
Bundesverfassungsgericht aber nahe gelegt, dass das alte Vergütungssystem
die verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechte der Urheber verletzen
könne und auch in dieser Hinsicht eine größere Prüfungsdichte angedeutet.
Insgesamt ist daher zu erwarten, dass die Vergütungspflicht weiterhin eine
Quelle gerichtlicher Auseinandersetzung bleiben wird.
Die Vergütungsansprüche für die Privatkopie können nur durch
Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden (§ 63a UrhG). In der
Praxis haben die Verwertungsgesellschaften eine gemeinsame Inkassostelle
gegründet, die die Ansprüche wahrnimmt und Verträge mit den Verbänden
schließt (ZPÜ).
- 24 c)
Technische Schutzmaßnahmen
Durch den Einsatz technischer Kopierschutzvorrichtungen können
Rechteinhaber die gesetzlich erlaubten Vervielfältigungshandlungen praktisch
unterbinden. In Umsetzung von Art. 6 Info-Richtlinie hat der deutsche
Gesetzgeber die Umgehung wirksamer Kopierschutzmaßnahmen neben der
Umgehung anderer wirksamer Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlich
geschützter Werke nach Maßgabe des § 95a UrhG verboten und nach § 108 b
Abs. 1 und 3 UrhG unter Strafe gestellt. Zugrunde liegt die grundsätzliche
Annahme, dass auf Privatkopien kein Anspruch besteht, wenn der
Rechteinhaber die tatsächliche Möglichkeit zur Vervielfältigung einschränkt.
Hiervon gibt es jedoch Ausnahmen, in denen durchsetzbare Ansprüche
geschaffen wurden, die die Möglichkeit zur Vervielfältigung auch bei
Anwendung technischer Schutzmaßahmen sicher stellen sollen (§ 95b UrhG).
Im Bereich der Privatkopie ist dieser Anspruch auf reprographische
Vervielfältigungen beschränkt (§ 95b Nr. 6 a) UrhG). Im Bereich der
Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch bestehen Ansprüche auf
Ermöglichung von Kopien zu wissenschaftlichen Zwecken, von Archivkopien
und von Kopien zu Schul- und Prüfungszwecken. Verhindern
Kopierschutzmaßnahmen Vervielfältigungen, auf die ein durchsetzbarer
Anspruch besteht, ist der Verwender jedoch nicht zur Selbsthilfe befugt. Er
muss sich an den Rechtsinhaber wenden und seinen Anspruch notfalls
gerichtlich durchsetzen.
d)
Einwilligung
Obwohl keine Schranke im eigentlichen Sinne, hat die Rechtsfigur der
rechtfertigenden Einwilligung in jüngster Zeit ähnliche Bedeutung
übernommen. Im ersten Fall ging es um die Verwendung im Internet
veröffentlichter Fotos in Suchmaschinen in Form sog. Vorschaubilder
(thumbnails). Der BGH erlaubte diese Nutzung, obwohl die Rechteinhaberin
dies ausdrücklich untersagt hatte und stützte dies darauf, dass die
Veröffentlichung von Bildern im Internet eine Einwilligung in die Verwendung
als Vorschaubilder durch Suchmaschinen einschließe, wenn die Verwendung
nicht im Programmcode der Internetseite als unerwünscht gekennzeichnet wird
(BGH GRUR 2010, 628 – Vorschaubilder). Auch bei der Prüfung der
Vergütungspflicht von Druckern stellte der BGH fest, dass bei digitalen
Vorlagen im Internet in der Regel davon auszugehen sein, dass der
Rechteinhaber in die Vervielfältigungen durch Drucken eingewilligt habe. Eine
Anwendung der Schranken bedurfte es daher nicht mehr (BGHZ 174, 359, 366
ff. – Drucker und Plotter).
Unklar ist, ob die Annahme einer solchen Einwilligung zum Wegfall des
urheberrechtlichen Vergütungsanspruches führt: Während der BGH annahm,
dass Vergütungsansprüche nicht bestehen, wenn anzunehmen ist, dass der
Rechteinhaber
in
die
Vervielfältigung
einwilligt,
hat
das
Bundesverfassungsgericht
dies
unter
dem
Blickwinkel
der
verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie in Frage gestellt (BVerfG GRUR
2010, 999, 1002).
- 25 4.
Unter welchen Voraussetzungen stellen die von Suchmaschinen zur Verfügung
gestellten Hyperlink- bzw. Suchleistungen Urheberrechtsverletzungen dar? Gibt
es Ausnahmen bzw. erlaubte Nutzungen hinsichtlich dieser Tätigkeit?
Ein Link - "Hyperlink", wenn er sich in einem in der Programmiersprache HTML
programmierten Dokument findet - ist die Verknüpfung eines elektronischen
Dokuments (einer oder mehrerer Datei(en)), mit einem anderen elektronischen
Dokument. Die verlinkten Dokumente können sich auf demselben oder verschiedenen
Rechnern befinden. Von urheberrechtlichem Interesse und Gegenstand der
nachfolgenden Darstellung ist nur der Fall der Verlinkung von Dokumenten, die sich
auf unterschiedlichen, im Internet verbundenen Rechnern befinden. Die Betätigung,
das "Anklicken" des Links lädt die betroffene(n) Datei(en) in den Arbeitsspeicher des
Rechners und führt dazu, dass ihr Inhalt auf dem Bildschirm sichtbar wird.
"Suchmaschinen" - z.B. Google - stellen auf Eingabe von Suchzeichen Links auf
Webseiten zur Verfügung, die den Suchzeichen entsprechende Inhalte aufweisen.
Andere Diensteanbieter stellen selbst Links nach thematischen Kriterien zusammen,
innerhalb derer wiederum gesucht werden kann, oder ermöglichen und erlauben
Dritten eine solche Zusammenstellung. Ihre Dienste lassen sich unter den Oberbegriff
"Instrumente zur Lokalisierung von Informationen/location tool services" (so die
Terminologie der E-Commerce-Richtlinie)) zusammenfassen, "Suchdienste" ist
einfacher und wird deshalb nachfolgend verwendet.
Für die urheberrechtliche Beurteilung der mit Links arbeitenden Suchdienste kommt
es in erster Linie darauf an, ob durch sie Verwertungshandlungen vorgenommen
werden, die dem Urheber vorbehalten sind. Wie weit das nach deutschem Recht der
Fall ist, wird nachstehend dargestellt. Dabei ist eingangs zu erläutern, welche
Verwertungsrechte
betroffen
sind,
nämlich
im
Wesentlichen
das
Vervielfältigungsrecht (a) aa)) und das Recht der "öffentlichen Zugänglichmachung"
(a) bb)). Allerdings kommen auch das Bearbeitungs- und das Senderecht in Betracht
(a) cc) und dd)). Ist die Verwendung eines Links eine rechtswidrige
Verwertungshandlung, stellt sich die Frage, wer, wenn die Verwertung rechtswidrig
geschieht, dafür unter welchen Voraussetzungen worauf haftet (dazu unter b)). Sowohl
der Grundsatz, dass solche Verwertungshandlungen ohne Nutzungsrecht rechtswidrig
sind, als auch das für rechtswidrige Urheberrechtsverletzungen geltende
Haftungsregime sehen bereichspezifische Ausnahmen vor, deren Relevanz für den hier
betroffenen Bereich zuletzt darzustellen ist (unter c).
Ein Netzwerk besteht aus Verknüpfungen. Das World Wide Web verknüpft Technik
und Inhalte, Rechner und Information. Ohne Links gäbe es kein Internet. Die im
Internet verfügbaren Informationen sind durch Links verfügbar und wären ohne Links
nicht verfügbar. Links sind, weil Verknüpftheit ein Maß für Aufmerksamkeit ist und
nach wie vor im Internet vor allem mit Werbung erhebliche Umsätze erzielt werden,
die Währung des Internet (Ott, http://www.linksandlaw.com /technicalback groundwhatarelinksandframes.htm).
Links ermöglichen deshalb nicht nur akzidentiell, sondern zwangsläufig und zentral
auch die Verwertung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet, und sind ebenso
wesentlich für den Umfang von Verwertungshandlungen, weil sie Teil des Mediums
sind, in dem die Verwertung geschieht. Das grundsätzliche Problem einer
angemessenen rechtlichen Regelung der Haftung für Urheberrechtsverletzung besteht
darin, in einer Gemengelage von Technik, Masse/Anonymität und
- 26 Gemeinwohlbelangen individuelle rechtliche Verantwortung zu adressieren. Als
Ausgangspunkt der urheberrechtlichen Beurteilung von Links ist dieser Befund
typisch für den gesamten in diesem Bericht darzustellenden Gegenstand.
a)
Setzen und Betätigen eines Hyperlinks als urheberrechtlich relevante
Verwertungshandlungen
Der Link ermöglicht, wie immer er technisch eingerichtet ist, die
Wahrnehmung des verlinkten Dokuments nicht nur durch den, der die
verlinkte Webseite direkt ansteuert, sondern auch durch den Besucher der
verlinkenden Webseite. So funktioniert das Internet, so steigt - nicht zuletzt
wirtschaftlich - die Attraktivität einer Webseite. Außerhalb des Internet wird
genau diese Möglichkeit – Werkgenuss an verschiedenen Orten – durch
Vervielfältigung und Verbreitung des Werkexemplares bewerkstelligt. Der
Link, sofern er – wie typisch im Internet – jedermann zugänglich ist, erlaubt
auch einen Zugriff auf den Ort, auf den er verweist. Diese Hinweisfunktion
rückt den Link – über die bei seiner Aktivierung vorhandene tatsächliche
physikalische Verknüpfung, die den Datenaustausch, die Übermittlung,
ermöglicht, hinaus – in die Nähe einer öffentlichen Werkwiedergabe. Er ist
noch nicht die Wiedergabe selbst, aber der Abstand zum Werkgenuss, der
Weg, den der den Link Betätigende zurücklegen muss, ist erheblich geringer
als beispielsweise der zwischen der Werbung für ein Konzert, ein Buch, eine
CD, und der Wahrnehmung dieser Werke selbst.
Tatsächlich wird deshalb die Verwendung von Links aus dem Blickwinkel der
Verwertungsrechte in der Literatur im Wesentlichen unter zwei
Gesichtspunkten diskutiert, nämlich im Hinblick auf eine Vervielfältigung (§
16 UrhG) und ein öffentliches Zugänglich-Machen (§ 19a UrhG) des Werkes
resp.
der
sonstigen
urheberrechtlich
geschützten
Leistung
(s.
Dreier/Schulze/Schulze, aaO., § 16 Rn. 14 und § 19a Rn. 6; HK-Dreyer, 2.
Aufl., § 16 Rn. 36, § 19a Rn. 8, Fromm/Nordemann/Dustmann, aaO., § 16 Rn.
30, § 19a Rn. 23; Schricker/Loewenheim/Loewenheim, aaO., § 16 Rn. 24;
Schricker/Loewenheim/v.Ungern-Sternberg, aaO., § 19a Rn. 46;
Wandtke/Bullinger/Bullinger, aaO., § 19a Rn. 29; Wandtke/Bullinger/Heerma,
aaO., § 16 Rn. 21; Büscher/Dittmer/Schiwy-Haberstumpf, Gewerblicher
Rechtsschutz/Urheberrecht/Medienrecht, 2. Aufl., § 16 Rn. 9, § 19a Rn. 12;
Ensthaler/Weidert-Werner, Handbuch Urheberrecht und Internet, 2. Aufl. Kap.
3 B VIII; Härting, Internetrecht, 4. Aufl., Rn. 1017-1019; Volkmann GRUR
2005, 200).
aa)
Vervielfältigung
Vervielfältigung ist die körperliche Festlegung des Werkes (oder der
sonstigen, durch ein verwandtes Schutzrecht geschützten Leistung), die
Herstellung eines Werkstücks oder (synonym) Werkexemplars. Die
urheberrechtlich relevante Vervielfältigung ist die des Werkes, nicht
die des Werkexemplars, auch wenn häufig beides zusammenfällt. Der
Vervielfältigungsbegriff
ist
umfassend
(übereinstimmend
Schricker/Loewenheim/Loewenheim, aaO., § 16 Rn. 5 und
Fromm/Nordemann/Dustmann, aaO., § 16 Rn. 9; ähnlich
Dreier/Schulze/Schulze, aaO., § 16 Rn. 4). Keine Rolle spielt, mit Hilfe
welcher Technik die Vervielfältigung vorgenommen wird, ebenso
- 27 wenig, ob die Vervielfältigung vorübergehend oder dauerhaft ist, § 16
Abs. 1 UrhG. Auch die Vervielfältigung nur eines Werkteiles greift in
das Urheberrecht ein, wenn der betroffene Werkteil selbst
urheberrechtsschutzfähig ist (BGH GRUR 2011, 134, Rz. 54 Perlentaucher; GRUR 2002, 799 – Stadtbahnfahrzeug; GRUR 2008,
403 Rz. 16 - Metall auf Metall). Auch die Vervielfältigung in einem
digitalen Medium, in welchem Hyperlinks eingesetzt werden, kann
deshalb eine Vervielfältigung i.S.d. § 16 UrhG sein.
Für das zuvor beschriebene typische Szenario – eine Webseite enthält
einen Link auf ein urheberrechtlich geschütztes, im Internet ohne
technische Einschränkungen zugängliches Werk - hat der BGH
entschieden, dass das Setzen eines Links auf eine Datei, die ein
urheberrechtlich geschütztes Werk enthält, dasselbe nicht vervielfältigt
(BGH GRUR 2003, 958 - Paperboy; zum - urheberrechtlich
irrelevanten - Link auf eine wettbewerbswidrige Internetwerbung durch
ein Presseunternehmen entschied der BGH, die Verlinkung sei weder
wettbewerbswidrig, noch eine die Störerhaftung begründende
Mitwirkung am Wettbewerbsverstoß eines Dritten, BGH GRUR 2004,
693 - Schöner Wetten). Das entspricht der mittlerweile einhelligen
Auffassung in der Literatur (Dreier/Schulze/Dreier, aaO., § 16 Rn. 14;
Ensthaler/Weidert/Werner,
aaO.,
Kap.
3
X
Rn.
62;
Fromm/Nordemann/Dustmann, aaO., § 16 UrhG Rn. 30; Härting, aaO.,
Kap. E IV. Rn. 1017f.; Hoeren/Sieber-Ernst, Handbuch Multi-MediaRecht Teil 7.1. Rn 62; Schricker/Loewenheim/Loewenheim, aaO., § 16
Rn. 24, Wandtke/Bullinger/Heerma, aaO., § 16 Rn. 15, je mwN.).
Eine andere Beurteilung ergibt sich unter dem Blickwinkel des
Vervielfältigungsrechts auch dann nicht, wenn die Betätigung des
Links dazu führt, dass eine Wiedergabe des Werkes in den Inhalt der
Web-Seite eingebunden wird, auf der der Link gesetzt ist (Framing),
wenn der Link nicht auf die Startseite einer fremden Webseite führt,
sondern auf ein Dokument innerhalb der Webseite (Deep Link; BGH
GRUR 2003, 958, 962 – Paperboy; BGH GRUR 2011, 56 Rz. 24 Session ID), und wenn der Link dazu führt, dass eine Vorrichtung
umgangen wird, durch welche der Rechtsinhaber den Zugriff auf die
Inhalte seiner Webseite durch den unbefugten Zugriff Dritter schützen
will. Der Link selbst ist nur ein Hinweis auf das Werk, ggf. ein
öffentliches Zugänglich-Machen (siehe sogleich), nicht aber schon
dessen erneute körperliche Festlegung. Eine Vervielfältigung liegt erst
und nur dann vor, wenn jemand den schon gesetzten Link betätigt,
sofern das dazu führt, dass das betroffene Werk – regelmäßig ein Text
oder ein Bild – im Arbeitsspeicher als Datei geladen und auf dem
Bildschirm wiedergegeben wird.
bb)
Öffentliche Zugänglichmachung
Das "Öffentlich-Zugänglich-Machen" wird als urheberrechtliche
Verwertungshandlung in § 19a UrhG definiert als ein ZugänglichMachen derart, dass ein Werk
- 28 "drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise
zugänglich [gemacht wird], dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit
von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist."
Die Bestimmung entspricht im wesentlichen Art. 8 WCT, Art. 10, 14
WPPT, Art. 3 Abs. 1 und Âbs. 2 der RiL 2001/29/EG, deren
Umsetzung § 19a UrhG dient. Während diese Vorschriften allerdings
den bei der Betätigung eines Links ausgelösten Übermittlungsvorgang
ausdrücklich erfassen („das ausschließliche Recht [...], die ...
öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen
Zugänglichmachung ... in der Weise, dass sie ... zugänglich sind, zu
erlauben“), beschränkt sich der Wortlaut des § 19a UrhG auf das
Zugänglich-Sein, das reine Bereithalten, anscheinend unter Ausschluss
des Übermittlungsvorgangs (s. Schricker/Loewenheim/v.UngernSternberg, aaO., § 19a Rn. 33, 41; Schulze ZUM 2011, 3), um
dessentwillen die Bereithaltung erfolgt und der für die Wahrnehmung
des Werkes unverzichtbar ist.
Der BGH hat entschieden, dass ein Eingriff in das durch § 19a UrhG
dem Urheber gewährte Recht nicht vorliegt, wenn das Werk, auf
welches der Link verweist, bereits im Sinne des § 19a UrhG
rechtmäßig öffentlich zugänglich ist. Wer in diesem Fall einen Link
setzt, weist darauf hin, macht aber nicht öffentlich zugänglich (BGH
GRUR 2003, 958, 962 - Paperboy; BGH GRUR 2007, 890, Rz. 21 Jugendgefährdende Medien bei Ebay. Nichts anderes gilt bei einem
Deep Link, BGH GRUR 2003, 958, 960 – Paperboy und BGH GRUR
2011, 56 Rz. 24 - Session ID).
Ein öffentliches Zugänglich-Machen liegt allerdings dann vor, wenn
der Link den Zugriff auf ein Werk ermöglicht, das vom Berechtigten
nur mit technischen Einschränkungen öffentlich zugänglich gemacht
wurde (BGH GRUR 2011, 56 - Session ID). Dabei ist nicht notwendig,
dass diese Einschränkungen wirksame technische Maßnahmen zum
Schutz solcher Werke i.S.d. § 95a UrhG sind. Es reicht aus, dass der
Berechtigte das betroffene Werk im Internet nicht oder eben nur
eingeschränkt i.S.d. § 19a UrhG selbst öffentlich zugänglich machen
will (BGH aaO. Rz. 27, 28 – Session-ID).
Zu beachten ist, dass die Veröffentlichung von Links auf
urheberrechtswidrige Inhalte ein rechtsverletzendes öffentliches
Zugänglichmachen gemäß § 19a UrhG ist. Das mag auf den ersten
Blick als zweifelhaft erscheinen, weil der Bundesgerichtshof in seiner
o.g. Paperboy-Entscheidung festgehalten hatte, dass das Setzen eines
Hyperlinks auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte
Website mit einem urheberrechtlich geschützten Werk nicht in das
Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes eingreift.
Allerdings liegt die Betonung auf eine vom Berechtigten öffentlich
zugänglich gemachte Website. Das OLG Hamburg knüpft hier an und
nimmt jedenfalls dann eine Verletzung des öffentlichen
Zugänglichmachungsrechtes durch Verlinkung an, wenn klar ist, dass
der Link zur Verletzung von Urheberrechten geführt hat (OLG
Hamburg ZUM 2009, 642, 647 – Gitarrist im Nebel). Der Fall betraf
- 29 Lichtbilder, die von Nutzern eines Forums urheberrechtswidrig
hochgeladen worden waren; über den Link hatten dann andere Nutzer
des Forums die Fotos gegen Entgelt bestellt.
Im vom OLG Hamburg entschiedenen Fall Rapidshare war ebenfalls zu
fragen, ob eine hinreichende öffentliche Zugänglichmachung des
urheberrechtlich geschützten Werkes vorliegt. Rapidshare ist ein sog.
„Cyberlocker“, der im Internet Nutzern Speicherplatz zur Verfügung
stellt. Rapidshare wird umfassend auch zur Speicherung von
urheberrechtlich geschützten Werken benutzt. Der Dienst Rapidshare
stellt allerdings keinerlei Index oder sonstige Suchfunktionen der
Öffentlichkeit zur Verfügung, die es ermöglichen würden, die bei
Rapidshare abgelegten Inhalte dort zur recherchieren und zu finden.
Vielmehr teilt Rapidshare dem Nutzer, der seine Speicher in Anspruch
nimmt, lediglich einen bestimmten Link mit. Insbesondere Links auf
urheberrechtlich geschützte Werke, die bei Rapidshare gespeichert sind,
werden dann von den Rapidshare-Nutzern auf separaten Websites
veröffentlicht. Diese sind umfassende Sammlungen von Links, die
jeweils auf Cyberlocker wie Rapidshare und andere führen. Das OLG
Hamburg bejahte in einem solchen Fall zutreffend eine öffentliche
Zugänglichmachung durch Rapidshare. Die Inhalte bei Rapidshare
könnten nur durch die Veröffentlichung des Links aufgefunden werden.
In dieser Kombination sei dann aber eine öffentliche
Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG gegeben (OLG Hamburg
ZUM-RD 2008, 527 zit. nach juris, dort Rn. 200 ff.).
Umstritten ist in Deutschland, ob die Verlinkung in Form des Framing
ein
Öffentlich-Zugänglich-Machen
darstellt
(dafür
Dreier/Schulze/Dreier, § 19a Rn. 6; Schulze ZUM 2011, 4 mit Fn. 27
und S.10 a.E.; Büscher/Dittmer/Schiwy-Haberstumpf, aaO., § 19a Rn.
12; Ensthaler/Weidert-Werner, Kap. 3 IX Rz. 65 und LG München
ZUM 2007, 224; dagegen: Härting, aaO. Kap. E V Rz. 1019; Ott ZUM
2004, 357, der allerdings u.U. § 15 Abs. 2 UrhG anwenden will;
Schricker/Loewenheim/v.Ungern-Sternberg, aaO., § 19a Rn. 46; HKDreyer, § 19a Rn. 8).
cc)
Bearbeitung
Die Bearbeitung oder sonstige Umgestaltung eines urheberrechtlich
geschützten Werkes ist als solche keine Verwertungshandlung - sie
kann mit einer Vervielfältigung einhergehen -, aber gleichfalls dem
Urheber bzw. dem sonst Berechtigten vorbehalten (§ 23 UrhG). Je nach
dem, auf welche Art und Weise der Inhalt einer verlinkten Webseite –
Text, Bild, aber u.U. auch der Inhalt einer Datenbank (unter den
Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 UrhG, das Bearbeitungsrecht besteht
nur für das Datenbankwerk) – in die verlinkende Webseite
eingebunden wird, kann eine Umgestaltung des betroffenen Werkes
vorliegen (s. z.B. LG Düsseldorf MMR 1998, 670, S.673 (dort
verneint).
dd)
Sendung
- 30 Das Senderecht ist das Recht, das Werk durch Funk oder ähnliche
Mittel der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, § 20 UrhG. Vom
Recht des Öffentlich-Zugänglich-Machens, § 19a UrhG, unterscheidet
sich das Senderecht dadurch, dass der Zeitpunkt der Wahrnehmung der
öffentlichen
Wiedergabe
nicht
wählbar
ist
(s.
nur
Schricker/Loewenheim/v.Ungern-Sternberg, aaO., § 19a Rz. 58).
Schon nach dem Wortlaut ist allein der Link auf eine als Sendung i.d.S.
einzuordnende Werkwiedergabe noch keine Sendung, gleich, wie er
eingerichtet ist (s. nur Ullrich ZUM 2010, 853, 857f.). Bei
urheberrechtswidrigen Sendungen kann man allerdings im Bereithalten
des Links unter Einbeziehung der Abrufübertragung ein Senden des
Verlinkenden in mittelbarer Täterschaft sehen (s. insbesondere Ullrich,
aaO., Fn. 33).
ee)
Trefferlisten
mit
urheberrechtlich
(insbesondere „Thumbnails“)
geschützten
Werken
Im Urteil Vorschaubilder/Thumbnails (Urt. v. 29.4.2010, I ZR 69/08,
GRUR 2010, 628) hat der BGH die Wiedergabe solcher
Vorschaubilder durch Google als ein öffentliches Zugänglich-Machen
angesehen, ohne sich ausdrücklich dazu äußern zu müssen, ob allein
der gesetzte Link für die Verwirklichung des Tatbestandes ausreicht
(anders die Vorinstanz, OLG Jena GRUR-RR 2008, 223, 224: "Dass
die Thumbnails gleichzeitig einen (... ) zulässigen Link zur
Ursprungsseite der Kl. darstellen, der als solcher urheberrechtlich nicht
zu beanstanden ist (vgl. BGHZ 156, 1 (...) – Paperboy), spielt bei der
Beurteilung der Frage, ob und wie in Urheberrechte der Kl. bei der
Gestaltung des „Linkankers” in Rahmen der Trefferliste eingegriffen
wird, keine Rolle (so auch Ott ZUM 2007, 119, 126). Denn die
Gestaltung des Linkankers in Form eines Thumbnails geht über die rein
technische Verknüpfung von Internetinhalten hinaus.").
Die Entscheidungsgründe des BGH-Urteils sprechen dafür, dass das
nicht der Fall sein soll. Ein Zugänglichmachen i.S.d. § 19a UrhG, heißt
es dort zwar (Rz. 19f.), setze
"nur voraus, dass Dritten der Zugriff auf das sich in der
Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindende geschützte Werk
eröffnet wird)"
Weiter heißt es aber:
"Da die Beklagte die Vorschaubilder auf ihrem Rechner - und damit
unabhängig von der ursprünglichen Quelle - vorhält, erfüllt sie den
Tatbestand des § 19a UrhG durch eine eigene Nutzungshandlung.
Sie stellt nicht lediglich die technischen Mittel zur Verfügung,
sondern übt, indem sie die Vorschaubilder durch ihre "crawler"
aufsucht und auf ihren Rechnern vorhält, die Kontrolle über die
Bereithaltung der Werke aus. Der Umstand, dass erst der einzelne
Internetnutzer durch Eingabe eines entsprechenden Suchworts
bewirkt, dass die von der Beklagten vorgehaltenen Vorschaubilder
- 31 abgerufen werden, berührt die Eigenschaft der Beklagten als
Werknutzer i.S. von § 19a UrhG nicht. Die Nutzungshandlung des §
19a UrhG liegt in dem Zugänglichmachen, das die Beklagte
kontrolliert." (i.O. nicht kursiv)
b)
Verantwortlichkeit
Die
Frage
der
Verantwortlichkeit
stellt
sich
Suchmaschinenbetreiber bei folgenden Konstellationen:
danach
für
-
Wenn die Betätigung des Links eine Vervielfältigung darstellt, liegt die
Frage nahe, ob dann, wenn die Vervielfältigung rechtswidrig ist, die
Suchmaschine - wenn schon nicht als Täter, so doch - als Teilnehmer
einer Urheberrechtsverletzung oder als Störer haftet.
-
Wenn die Suchmaschine einen Link öffentlich zugänglich macht, über
den die verlinkten Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht
werden, stellt sich ebenso die Frage, ob der Suchmaschinenbetreiber
haftet.
-
Entsprechendes gilt, wenn die Betätigung des Links einen unter § 20
UrhG zu subsumierenden Sendevorgang auslöst.
-
Schließlich ist zu untersuchen, inwieweit der Suchdienst haftet, wenn er
urheberrechtlich geschützte Werke in Trefferlisten selbst öffentlich
zugänglich macht.
aa)
Vorgaben des Europäischen Rechts und Umsetzung durch den
deutschen Gesetzgeber
Für die Haftung für Handlungen und Zustände im Internet sind
Vorgaben Europäischer Richtlinien zu berücksichtigen, nämlich der ECommerce-Richtlinie, der Info-Richtlinie und der EnforcementRichtlinie. Sie beziehen sich nicht ausdrücklich auf Hyperlinks und
Anbieter von Suchdiensten (vgl. Art. 21 E-Commerce-Richtlinie, siehe
auch die Schlussanträge des Generalanwalts Madouro zu den
Rechtssachen C 236 bis 238/08 vom 22.9.2009, Rz. 130-134), geben
aber jedenfalls einen Rahmen und Anhaltspunkte für die Bewertung
des
Grundkonfliktes
zwischen
den
Inhabern
von
Immaterialgüterrechten einerseits, den Nutzern und Anbietern von
Informationsdiensten andererseits vor. Zum einen schreibt Art. 15 ECommerce-Richtlinie (in Deutschland umgesetzt durch § 7 TMG) den
Mitgliedsstaaten
vor,
Anbieter
von
Diensten
der
Informationsgesellschaft nicht mit allgemeinen Überwachungspflichten
zu belasten; sie lässt allerdings nach den allgemeinen Gesetzen
bestehende Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung
von Informationen ausdrücklich unberührt. Zum anderen bestimmt Art.
8 Abs. 3 Info-Richtlinie, dass die Rechteinhaber gerichtliche
Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von
einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter
Schutzrechte genutzt werden (ebenso Art. 11 S. 3 Enforcement-
- 32 Richtlinie), weil sie selbst am besten in der Lage seien, diesen
Verstößen ein Ende zu setzen (Erwägungsgrund 59).
Der EuGH hat im Urteil Google and Google France (EuGH GRUR
2010, 445) entschieden, dass der AdWord-Dienst von Google als
Dienst der Informationsgesellschaft i.S.d. E-Commerce-Richtlinie
anzusehen ist und folglich grundsätzlich von den Privilegierungen
profitiert, solange das Verhalten des Diensteanbieters
"rein technischer, automatischer und passiver Art ist und er weder
Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte
Information besitzt." (EuGH, aaO., insb. Rz. 114).
Das Urteil betrifft die entgeltliche "Vergabe" von Adwords, also die
Ergebnisseite, nicht den Suchdienst im Verhältnis zum unentgeltlichen
Nutzer, so dass man über die Konsequenzen des Urteils diskutieren
kann (s. nur Fitzner MMR 2011, 83).
Der deutsche Gesetzgeber hat ein spezielles gesetzliches
Haftungsregime für Links ausdrücklich nicht schaffen wollen (auch im
Hinblick auf Art. 21 der E-Commerce-Richtlinie, s.o. Fn. 48, vgl. BT
DS 14/6098, S. 37: "Daher hat auch die Bundesregierung davon
abgesehen, im Rahmen der Vollharmonisierung der Vorschriften über
die Verantwortlichkeitsbeschränkungen (Artikel 12 bis 15 der
Richtlinie) Regelungen für Hyperlinks mit aufzunehmen. Im Hinblick
auf die Komplexität der damit zusammenhängenden Fragen, die sich
insbesondere
aus
den
unterschiedlichen
Verfahren
und
Handlungsformen (interne willentlich gesetzte oder externe
programmgesteuerte Links wie Suchmaschinen) und den vielfältigen
Fallgestaltungen ergeben, ist zunächst die weitere Entwicklung in
Wissenschaft und Rechtsprechung zu verfolgen und eine generelle
Regelung möglichst auf europäischer Ebene anzustreben. Ohne
spezielle Beschränkungen der zivil- oder strafrechtlichen
Verantwortlichkeit bleibt es für Hyperlinks bei der Haftung nach
allgemeinen Vorschriften."; siehe auch BVerfG ZUM 2009, 552, S.
554 unter Verweis auf Spindler/Schuster-Hoffmann, Recht der
elektronischen Medien, Vorb. §§ 7 ff. TMG Rn. 34 ff. Ob das TMG auf
Suchmaschinendienste
anwendbar
ist,
ist
streitig
(dafür
Sieber/Liesching MMR-Beil. 2007, 1; dagegen Ensthaler/WeidertWeidert/Molle, aaO., Kap. 7 C Rn. 234; Büscher/Dittmer/SchiwyBrockmann, aaO., Rn. 498, Fromm/Nordemann/Jan Bernd Nordemann,
aaO., § 97 Rz. 187; Überblick über den Streitstand bei
Schricker/Loewenheim/Wild, aaO., § 97 Rz. 113). Die deutsche
Rechtsprechung geht davon aus, dass der Anspruch auf Beseitigung
und (bei Wiederholungsgefahr) Unterlassung gegen den Störer auch
dann besteht, wenn dieser im Übrigen, also insbesondere für den
Schadensersatzanspruch und die strafrechtliche Haftung, durch die ECommerce-Richtlinie und die diese umsetzenden Bestimmungen des
TMG privilegiert ist (BGH GRUR 2004, 860 - Internet-Versteigerung;
GRUR 2011, 152 – Kinderhochstühle im Internet, Rz. 26; kritisch
insbesondere Leible/Sosnitza NJW 2007, 3324). Zwar setzt die
Störerhaftung die Verletzung von Prüfpflichten voraus, was dieses
- 33 Konzept, soweit Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft
betroffen sind, potentiell in Konflikt mit der sich im Prinzip gegen
solche Pflichten aussprechenden Richtlinie bringt. Wenn man es so
sieht, dass die Prüfpflichten nur der Einschränkung einer sonst – nach
den allgemeinen Gesetzen – bestehenden, "uferlosen" Erfolgshaftung
dienen und die Richtlinie selbst den Unterlassungs- und
Beseitigungsanspruch nicht betrifft, besteht allerdings kein
grundsätzlicher Widerspruch.
bb)
Täterschaft und Teilnahme
Die Urheberrechtsverletzung ist eine unerlaubte Handlung im Sinne des
§ 823 Abs. 1 BGB. Für sie haften nach § 830 Abs. S. 1, Abs. 2 BGB in
vollem Umfang neben dem, der die Verwertungshandlung selbst
vornimmt, also selbst vervielfältigt (das ist beim Angebot eines
Internet-Videorecorders nicht der Anbieter, sondern der Nutzer, BGH
GRUR 2009, 845 - Internet-Videorecorder). Daran anknüpfend für eine
mittelbar Täterschaft von Linkprovidern bei einschlägigen
Nutzungshandlungen Ullrich ZUM 2010, 853 ff. etc., diejenigen, die
mit ihm gemeinsam handeln (Mittäter) oder als Anstifter oder Gehilfe
teilnehmen (Teilnahme). Teilnehmer kann nur sein, wer bezüglich der
konkreten Haupttat und ihrer Rechtswidrigkeit vorsätzlich, also
mindestens mit dolus eventualis, handelt (BGH GRUR 2004, 860 Internet-Versteigerung I; zuletzt BGH GRUR 2011, 152 –
Kinderhochstühle im Internet, Rz. 31, je mwN.). Aus diesem Grund
kommt eine Haftung der Anbieter von Suchmaschinen für
Verwertungshandlungen, die erst durch die Betätigung des Links
ausgelöst werden, im Regelfall nicht in Betracht, weil sie voraussetzt,
dass der Betreiber Kenntnis von der Verwertungshandlung hat und
deren Rechtswidrigkeit jedenfalls billigend in Kauf nimmt. Das kommt
jedoch z.B. bei Suchmaschinen in Betracht, deren Geschäftsmodell auf
die Verletzung von Urheberrechten ausgerichtet ist. So dürfte die
Suchmaschine thepiratebay.org, die sich auf die Veröffentlichung von
Links auf rechtswidrige BitTorrent-Dateien „spezialisiert“ hat, schon
als vorsätzlicher Teilnehmer haften.
Über dies kommt für Suchmaschinenbetreiber grundsätzlich eine
Haftung als Täter in Betracht, wenn sie in ihren Trefferlisten
urheberrechtlich geschützte Werke vervielfältigen und öffentlich
zugänglich machen, z.B. in Form von „Thumbnails“ in
Bildersuchmaschinen. Eine Nutzung von Thumbnails ist jedoch wegen
rechtfertigender Einwilligung nicht rechtswidrig, wenn das genutzte
Foto rechtmäßig im Internet steht (dazu unten c)). Steht es rechtswidrig
im Internet, will der BGH die Suchmaschine erst haften lassen,
nachdem der Betreiber der Suchmaschine auf eine klare
Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. Die Möglichkeit einer
solchen Haftungsbeschränkung bei der Bereitstellung von
Informationen in Suchmaschinen für den Zugriff durch Dritte folge aus
Art. 14 E-Commerce-Richtlinie, der nach der EuGH-Rechtsprechung
(EuGH GRUR 2010, 445 Rz. 114 – Google und Google France) auch
auf Suchmaschinen anwendbar sei (BGH GRUR 2010, 628 Rz. 39 –
Vorschaubilder).
- 34 bb)
Störerhaftung
Allerdings kann ein Suchmaschinenbetreiber auch dann haften, wenn
eine Täter- oder Teilnehmerhaftung ausscheidet, die Suchmaschine
jedoch über die öffentliche Zugänglichmachung eines Links
Mitverursacher
oder
mittelbarer
Verursacher
einer
Urheberrechtsverletzung ist. Hier ist die Frage nach einer sog.
„Störerhaftung“ der Suchdienste aufgeworfen (grundsätzlich zur
Störerhaftung oben Frage 1 a) bb)).
(1)
Allgemeine Suchdienste („horizontale“ Suchmaschinen)
Anbieter von Suchdiensten, die - wie Google, Yahoo, Bing grundsätzlich keine thematische Beschränkung der Suchgegenstände
vorsehen (sog. horizontale Suchmaschinen), nehmen, indem sie nach
Eingabe von Suchzeichen und Ausführung der Suche durch einen
Nutzer Links auf Suchergebnisse zur Verfügung stellen, selbst keine
Verwertungshandlung hinsichtlich der verlinkten Inhalte vor. Der als
Ergebnis einer Suche ausgeworfene Link auf ein urheberrechtlich
geschütztes Dokument greift für sich genommen nicht in Urheberrechte
ein. Weder stellt der Link an sich eine Vervielfältigung dieses
Dokumentes dar, noch macht er es öffentlich zugänglich (s.o. a)).
Der Anbieter eines Suchdienstes kommt aber ohne weiteres als Störer
in Betracht, wenn die Betätigung des Links einen Eingriff in
Urheberrechte zur Folge hat. Eine Verletzung von Urheberrechten und damit ein relevanter Störungszustand - kann immer dann vorliegen,
wenn die mit der Betätigung des Links einhergehende Verwertung dem
Urheber vorbehalten ist, dieser - oder ein sonstiger Berechtigter - in die
Verwertung nicht eingewilligt hat und die Einwilligung erforderlich ist.
Ein solcher Fall ist - vorbehaltlich eines einschlägigen
Ausnahmetatbestandes, s. nachstehend c) - gegeben, wenn es sich um
einen Link auf ein Dokument handelt, das nur eingeschränkt - und
damit noch nicht öffentlich i.S.d. § 19a UrhG (s.o.) - zugänglich ist,
oder ein solches, das von vorneherein rechtswidrig öffentlich
zugänglich gemacht und/oder zur digitalen Vervielfältigung oder
Sendung angeboten wird.
In solchen Fällen wirkt der Suchdienst adäquat kausal an der
Verletzung des Urheberrechts mit. Die schwierig und nicht einheitlich
zu beantwortende Frage ist dann, ob und unter welchen
Voraussetzungen ihm die Verletzung von Prüfpflichten vorzuwerfen ist
.
Rechtsprechung und Literatur verneinen einhellig die anlasslose
Haftung auch nur auf Beseitigung und Unterlassung, weil den Anbieter
einer Suchmaschine ohne besonderen Anlass Prüfpflichten hinsichtlich
rechtswidriger Inhalte nicht treffen sollen (siehe oben). Streitig ist
jedoch, was technisch möglich und was zumutbar ist.
- 35 Hier gelten die gleichen Grundsätze wie für UGC-Provider (dazu oben
Frage 1 a) bb)). Allerdings müssen diese Grundsätze auf Suchdienste
angewendet werden, was nur teilweise andere Ergebnisse hervorbringt:
(2)
-
Auch für Suchdienste sollte im Grundsatz eine Verpflichtung
bestehen, nach Kenntniserlangung von klaren Rechtsverletzungen
nicht nur diese abzustellen, sondern zusätzlich auch weitere,
genauso offensichtliche Verletzungen für den gleichen
Schutzrechtssachverhalt zu vermeiden. Das kann dasselbe Werk
betreffen, aber auch andere Werke, wenn nach der Lebenserfahrung
wahrscheinlich ist, dass auch andere Werke über veröffentlichte
Links urheberrechtswidrig genutzt werden (siehe auch oben Frage 1
a) bb) (3)). Eine weitere offene Frage ist, inwieweit ein Filtern für
die Suchmaschine technisch möglich und zumutbar ist. Für
horizontale Suchdienste gibt es hier – soweit ersichtlich – noch
keine Gerichtsentscheidungen.
-
Wenn der Suchdienst erhöht verletzungsanfällig ist und er davon
Kenntnis davon hat, treffen ihn erhöhte Prüfpflichten (siehe auch
oben Frage 1 a) bb) (4)). Bei horizontalen Suchdiensten wird das
eher die Ausnahme bleiben, weil eine bloß größere Quantität von
gefundenen Verletzungen noch keine (relativ) erhöhte
Verletzungsanfälligkeit ausmachen kann. Gerade bei vertikalen
(spezialisierten) Suchdiensten kommt jedoch eine erhöhte
Verletzungsanfälligkeit immer wieder vor (dazu unten (2)).
-
Die deutsche Rechtsprechung hat sich bislang noch kaum mit den
konkreten Werkzeugen befasst, die den horizontalen Suchdiensten
zur Erfüllung ihrer oben beschriebenen Prüfpflichten zur
Verfügung stehen (zu den Werkzeugen von UGC-Providern oben
Frage 1 a) bb) (5)).
Spezielle Suchdienste („vertikale“ Suchmaschinen)
Von den allgemeinen Suchdiensten, die wie zuvor beschrieben, Inhalte
im Internet im Prinzip ohne sachliche Einschränkung vorhalten und
zugänglich machen, sind sachlich beschränkte Suchdienste zu
unterscheiden, wobei sich die Beschränkung auf Themen (Fotos,
Musik), auf einen Nutzerkreis (Registrierung) und/oder auf die
technische Zugänglichkeit der Inhalte (eigene/fremde Server) beziehen
kann, die Grenzen sind fließend. Solche Dienste werden auch
„vertikale“ Suchmaschinen genannt. Viele Anbieter, die auf ihren
Webseiten in erster Linie andere Dienste anbieten, bieten auch eine
Suchfunktion für unter der Webseite zugängliche Inhalte an
(www.perlentaucher.de z.B. auch als "Schnellsuche" und
"Büchersuche"), häufig auch in Kombination mit einer
Suchmöglichkeit mittels eines allgemeinen Suchdienstes, Yahoo,
Google etc.
Soweit solche Suchdienste ihren Nutzern - regelmäßig ab einem
gewissen Suchumfang nur entgeltlich - Zugriff auf selbst recherchierte
und auf eigenen Speichermedien vorgehaltene Informationen
- 36 gewähren, die urheberrechtlichen Schutz genießen, haften sie für eine
darin liegende unbefugte Verwertung dieser Werke oder sonstigen
Leistungen ohne weiteres als Täter einer Urheberrechtsverletzung. Die
Privilegierungen des TMG gelten für solche Dienste weder unmittelbar
noch sinngemäß, weil es sich um "eigene Inhalte" handelt, was
allerdings
die
Prüfung
der
in
Betracht
kommenden
Verwertungshandlung
auf
den
urheberrechtlich
definierten
Schutzgegenstand nicht entbehrlich macht. Dass der Zugriff auf diese
Inhalte qua Link - wie sonst - organisiert ist, fällt für die Beurteilung
nicht ins Gewicht. Zur Abgrenzung zwischen eigenen und fremden
Inhalten, siehe oben Frage 1 b) bb).
Scheidet – weil nicht eigene Inhalte betroffen sind - eine
täterschaftliche Haftung aus, kommt häufig auch eine Haftung als
Teilnehmer mangels jedenfalls bedingten Vorsatzes bezüglich der
Haupttat nicht in Betracht (z.B. OLG Köln ZUM-RD 2007, 581 und
GRUR-RR 2008, 35 – Rapidshare). In Betracht kommt aber eine
Störerhaftung.
Hier gelten die gleichen Grundsätze wie für horizontale Suchmaschinen
(oben (1)). Vertikale Suchmaschinen sind oft auch UGC-Provider,
wenn ihre Nutzer die Informationen einstellen. Deshalb kann für
vertikale Suchmaschinen in besonderem Maße auf die für UGCProvider geltenden Grundsätzen zurückgegriffen werden (dazu oben
Frage 1 a) bb)):
-
Für vertikale Suchmaschinen sollte im Grundsatz eine
Verpflichtung bestehen, nach Kenntniserlangung von klaren
Rechtsverletzungen nicht nur diese abzustellen, sondern zusätzlich
auch weitere genauso offensichtliche Verletzungen für den gleichen
Schutzrechtssachverhalt zu vermeiden. Das kann dasselbe Werk
betreffen, aber auch andere Werke, wenn nach der Lebenserfahrung
wahrscheinlich ist, dass auch andere Werke über veröffentlichte
Links urheberrechtswidrig genutzt werden (siehe auch oben Frage 1
a) bb) (3)).
-
Vertikale Suchmaschinen können erhöht verletzungsanfällig sein,
z.B. wenn ihre Spezialisierung Verletzungen sogartig anzieht. Das
gilt insbesondere dann, wenn sie sich auf die öffentliche
Zugänglichmachung von Links spezialisiert haben, die häufig zu
rechtswidrigen Film- oder Musikdateien führen. Beispiele sind hier
thepiratebay.org oder kino.to, deren Geschäftsmodell allerdings
sogar eine vorsätzliche Teilnahme an über die Links begangenen
Urheberrechtsverletzungen nahelegt. Wenn der Suchdienst erhöht
verletzungsanfällig ist und er Kenntnis davon hat, treffen ihn
erhöhte Prüfpflichten (siehe auch oben Frage 1 a) bb) (4)).
-
Die deutsche Rechtsprechung hat sich bislang kaum mit den
konkreten Werkzeugen befasst, die den horizontalen Suchdiensten
zur Erfüllung ihrer oben beschriebenen Prüfpflichten zur
Verfügung stehen (zu den Werkzeugen von UGC-Providern oben
Frage 1 a) bb) (5)). In einem Fall hat das OLG Düsseldorf es
- 37 ablehnt, dem Betreiber eine eDonkey-Servers die Verpflichtung
aufzuerlegen, einen Wortfilter einzusetzen, um Links auf
rechtsverletzende
Musikdateien
zu
filtern.
Es
sei
unverhältnismäßig, nach Einsatz des Wortfilters 300 Treffer bei 17
zu filternden Musiktiteln händisch zu überprüfen (OLG Düsseldorf
ZUM 2008, 866, 869). Das lässt aber die hohe
Verletzungsanfälligkeit gerade eines eDonkey-Servers außer Acht;
wenn sich bei der händischen Überprüfung herausstellt, dass die
Mehrheit der Treffer rechtswidrig ist, wäre ein solcher Filter sogar
sehr
effektiv
(kritisch
zum
OLG
Düsseldorf
auch
Fromm/Nordemann/Jan Bernd Nordemann, aaO., § 97 UrhG Rn.
163).
Kein vertikaler Suchdienst sind die o.g. Sharehoster (auch
cyberlocker) wie z.B. Rapidshare. Sie können allerdings für die
Veröffentlichung von Links auf bei ihnen gespeicherte Dateien haften.
In Betracht kommt hier insbesondere eine Störerhaftung. In Bezug auf
im Wesentlichen identische Sachverhalte vertreten einerseits das OLG
Düsseldorf (OLG Düsseldorf ZUM 2010, 600 m. krit. Anmerkung Jan
Bernd Nordemann ZUM 2010, 604; zuletzt Urteil vom 21.12.2010 - I20 U 59/10), andererseits das OLG Hamburg (OLG Hamburg MMR
2010, 51 und OLG Hamburg MMR 2008, 323, s. zuletzt auch LG
Hamburg, Beschluss vom 14. Januar 2011, Az. 310 O 116/10) und das
OLG Köln (GRUR-RR 2008, 35) unterschiedliche Auffassungen über
Bestand und Umfang einer - bei Nichtbeobachtung die Störerhaftung
auslösenden - Prüfpflicht. Siehe auch oben Frage 1 a) bb) (5).
c)
Ausnahmen zum Urheberrechtsschutz
aa)
Grundsatz
Eine Urheberrechtsverletzung ist nicht widerrechtlich, wenn entweder
der Berechtigte ausdrücklich oder konkludent mit ihr einverstanden ist,
oder wenn eine gesetzliche Schranke die Verwertung auch ohne
solches Einverständnis gestattet. Eine allgemein Beschränkung des
Urheberrechts zugunsten eines fair-use (entsprechend § 117 US
Copyright Law) kennt das deutsche UrhG nicht, sonstige allgemeine
Rechtfertigungsgründe (s. nur Fromm/Nordemann/Jan Bernd
Nordemann, aaO., § 97 Rn. 22 ff.; Schricker/Loewenheim/Wild, aaO.,
§ 97 Rn. 32 ff.) spielen für den vorliegenden Bereich praktisch keine
Rolle.
Der typische Fall des Einverständnisses ist die Einräumung eines
Nutzungsrechts. Das UrhG sieht in §§ 44a bis 63a UrhG
Beschränkungen einzelner Verwertungsrechte vor.
Das Telemediengesetz beschränkt von vorneherein nicht die
Verwertungsrechte des Urhebers oder sonst nach dem UrhG
Berechtigten, sondern allein die strafrechtliche Haftung sowie die
zivilrechtliche Schadensersatzhaftung der Diensteanbieter (s.o.). Soweit
aber eine nicht durch Rechtsgeschäft erlaubte, außerhalb der Schranken
des UrhG liegende Verwertungshandlung sich auf Information bezieht,
- 38 in Bezug auf welche die Akteure nach §§ 8 - 10 TMG privilegiert sind,
sind diese - im Wesentlichen - von der strafrechtlichen und der
Schadensersatzhaftung für fahrlässige Verletzungen des Urheberrechts
freigestellt. Eine auf Rechtsfolgenseite spürbare Bereichsausnahme für
die Mitwirkung an digitalen Urheberrechtsverletzungen im Internet
sind die genannten Bestimmungen also ohne Weiteres.
Anbieter von Suchdiensten sind für Verwertungshandlungen, die im
Rahmen ihrer Inanspruchnahme durch den Nutzer dieser Dienste
geschehen, häufig weder objektiv noch subjektiv verantwortlich zu
machen, weil sie den Verwertungstatbestand nicht eigenhändig
verwirklichen, ihnen jedenfalls aber die - auch für eine
Teilnahmehaftung - erforderliche Kenntnis der konkreten Tatumstände
fehlt (s.o. II. 2. a)). Dass dies so ist, beruht darauf, dass Diensteanbieter
Technik für massenhafte, bis zu einem gewissen Grad anonyme
Nutzung zur Verfügung stellen. Das Abstellen auf Kenntnis in diesem
Kontext ist allerdings, auch wenn es die Diensteanbieter faktisch
privilegieren mag, keine bewusste, auf Verletzungen des Urheberrechts
bezogene Ausnahme.
Eher in diesem Sinne lassen sich aber die geltenden Prinzipien der
Störerhaftung als Bereichsausnahme für das digitale Umfeld begreifen.
Die Störerhaftung ist nach dem Gesetz eine erfolgsbezogene, weder
Verhaltensunrecht noch gar Verschulden voraussetzende Haftung auf
Beseitigung rechtswidriger Beeinträchtigungen des Urheberrechts.
Eingeführt mit Rücksicht auf die Pressefreiheit (BGH GRUR 1999, 418
- Möbelklassiker), hat zunächst die Prüfpflicht als Korrektiv ihre
Bedeutung durch Judikate zur Haftung im Internet erlangt (s. nur
Schricker/Loewenheim/Wild, aaO., § 97 Rn. 74-75c). Als mögliche
Störer (s.o. II. 2. b)) profitieren Suchdiensteanbieter auch von der
Akzessorietät der Störerhaftung (s.o. II. 2. b)): Wer willentlich und
adäquat-kausal an der Verletzung des Urheberrechts mitwirkt, haftet
gleichwohl nicht auf Beseitigung und/oder Unterlassung, wenn die
konkrete Verletzung gerechtfertigt ist.
bb)
Anwendung auf Links und Suchmaschinen
Im Hinblick auf Urheberrechtsverletzungen, die durch Setzen/Betätigen
eines Links sowie durch Anbieter von Suchdiensten geschehen, die
Links auf unterschiedliche Weise zusammenstellen, kommen im
Einzelnen folgende Ausnahmetatbestände in Betracht, einige hat der
BGH im Urteil Vorschaubilder (GRUR 2010, 628) ausdrücklich
aufgegriffen (s. auch den Fall LG Hamburg ZUM 2009, 315 = MMR
2009, 55 m. Anm. Hoeren):
(1)
Einwilligung
(a)
Durch Rechtsgeschäft
Selbstverständlich kann der Berechtigte wie jedem Dritten auch
dem Anbieter eines Suchdienstes das Recht einräumen, das
betroffene Werk oder die sonstige Leistung so zu nutzen, wie es
- 39 im Rahmen des betroffenen Dienstes der Fall ist, also die
Verlinkung auf das eigene, im Internet an sich technisch
zugängliche Werk gestatten. Das geschieht z.B. (soweit
Urheberrechte betroffen sind, was allerdings selten der Fall sein
wird) beim Dienst AdWords von Google und sonstigen Links,
für die der Betroffene - regelmäßig zur Werbung - zahlt. Die
Einräumung des Nutzungsrechts kann konkludent, durch
schlüssiges Verhalten geschehen. Der Fall ist aber an sich keine
Ausnahme vom Verwertungsrecht des Urhebers, sondern die
Regel, wonach dem Verwertungsrecht des Urhebers die
Verpflichtung des Nutzers entspricht, für die Nutzung ein
Nutzungsrecht einzuholen oder die Nutzung zu unterlassen.
(b)
"Schlichte Einwilligung"
Bedeutung als Ausnahme von der Regel hat aber die sog.
schlichte Einwilligung erlangt. Im schon zitierten Urteil
Vorschaubilder hat der BGH grundsätzlich Stellung zur Frage
genommen, wie die Verwertung urheberrechtlich geschützten
Materials durch Suchmaschinen zu bewerten ist, welches im
Internet ohne technische Beschränkungen zugänglich gemacht
wird, ohne dass Dritten ausdrücklich Nutzungsrechte
eingeräumt worden wären. Die "schlichte Einwilligung", so der
BGH, unterscheide sich
"von der Übertragung von Nutzungsrechten und der
schuldrechtlichen Gestattung dadurch, dass sie zwar als
Erlaubnis zur Rechtmäßigkeit der Handlung führ[e], der
Einwilligungsempfänger aber weder ein dingliches Recht
noch einen schuldrechtlichen Anspruch oder ein sonstiges
gegen den Willen des Rechtsinhabers durchsetzbares Recht"
erwerbe (GRUR 2010, 628 Rz. 34 - Vorschaubilder unter
Verweis auf Ohly, "Volenti nun fit iniuria" - Die Einwilligung
im Privatrecht, S. 144). Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder
im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich mache,
müsse
mit
den
nach
den
Umständen
üblichen
Nutzungshandlungen rechnen (GRUR 2010, 628 Vorschaubilder, Rz. 33 ff.; dazu Spindler GRUR 2010, 785 und
Götting LMK 2010, 309481).
(c)
Vorübergehende Vervielfältigung
§ 44a UrhG gestattet unter den oben (Abschnitt 2.)
beschriebenen
Voraussetzungen
die
Vervielfältigung
urheberrechtlich geschützter
Werke. Die öffentliche
Zugänglichmachung ist indes auch nicht i.d.S. "vorübergehend"
gestattet (klarstellend BGH aaO. Fn. 109 Rz. 24). Die
Speicherung der verlinkten Inhalte im Vorfeld der Verlinkung
geschieht nicht allein zu einem technischen Zweck, sondern
eben zur Vorhaltung der für die Suche zur Verfügung gestellten
- 40 Inhalte. Sie ist auch weder flüchtig noch begleitend, sondern auf
eine gewisse Dauer und geht dem Abruf zeitlich voraus.
(d)
§§ 49, 50, 51 UrhG - Berichterstattung und Zitat
(1)
§ 49 UrhG erlaubt u.a. und unter bestimmten Umständen die
Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglich-Machung i.S.d.
§ 19a UrhG - bestimmter, der Information dienender
urheberrechtlich geschützter Inhalte aus Medien in anderen
Medien. Die Bestimmung schränkt das Urheberrecht von
Informationsmedien ("Zeitungen und andere lediglich
Tagesinteressen dienende Informationsblätter") im Interesse der
Informationsfreiheit und nur zugunsten entsprechender
Informationsmedien ein. Suchmaschinen sind an sich kein
solches Informationsmedium, es fehlt an der Korrespondenz des
Medientyps, weshalb sie sich für den Fall, dass der Link auf ein
Suchergebnis als öffentliches Zugänglich-Machen zu werten
wäre (s.o. II 1. c) bb)) oder sonst eine Verwertungshandlung
vorläge, zur Entlastung auf § 49 UrhG nicht berufen könnten.
Ein spezieller Suchdienst, der auf Augenhöhe mit der Presse
digitale Information durch Verlinkung zugänglich macht, kann
dem Wortlaut nach grundsätzlich unter § 49 UrhG fallen. § 49 I
S.1 UrhG gestattet die öffentliche Wiedergabe, ein
elektronischer Pressespiegel ist erlaubt (BGH GRUR 2002, 963
- Elektronischer Pressespiegel). Allerdings geht die wohl h.M.
davon aus, dass jedenfalls kommerzielle digitale Pressespiegel
durch § 49 UrhG nicht gedeckt sind (vgl. nur
Schricker/Loewenheim/Melichar, aaO., § 49 Rn. 43; darauf
verweisend Büscher/Dittmer/Schiwy-Steden, § 49 Rn. 10).
(2)
Eine
identische
Zielrichtung
Erleichterung
der
Berichterstattung
(s.
nur
Fromm/Nordemann/Wilhelm
Nordemann,
aaO.,
§ 50
Rn. 1;
Schricker/Loewenheim/Melichar, aaO., § 50 Rn.. 1 - hat § 50
UrhG:
"Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk
oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen,
Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder
sonstigen
Datenträgern,
die
im
Wesentlichen
Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist [...]
die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche
Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser
Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den
Zweck gebotenen Umfang zulässig."
Weil Betreiber von Suchdiensten Inhalte nicht zu diesem
Zweck, wohl auch nicht mit dem Funk ähnlichen technischen
Mitteln, zugänglich machen, können sie auch auf diese
Privilegierung sich nicht berufen.
- 41 (3)
Nach § 51 UrhG zulässig sind die Vervielfältigung, die
Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines
veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats. Ein solcher
Zitatzweck liegt bei Suchmaschinen nicht vor, weil sie den Link
auf einen fremden Inhalt nicht im Rahmen einer thematischen
Auseinandersetzung, innerhalb derer die verlinkte Stelle als
Beleg oder Nachweis diente, sondern zur Befriedigung des
Informationsinteresses eines Nutzers setzen (s. wiederum BGH
GRUR 2010, 628 Fn. 109 Rz. 25-27 - Vorschaubilder). Ebenso
wenig ist die Tätigkeit eines Sharehosters, indem er Links zur
Verfügung stellt, die auch genutzt werden, um urheberrechtlich
geschützte Inhalte zu vervielfältigen und öffentlich zugänglich
zu machen, durch § 51 UrhG gedeckt.
Demgegenüber ist § 51 UrhG an sich uneingeschränkt
anwendbar, wenn und soweit der Link sich darstellt als
Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe eines Werkes oder urheberrechtsschutzfähigen Teils eines Werkes (siehe
oben) "zum Zweck des Zitats". In Texten ist der Link gerade
das technische Mittel des Zitats, weil er den Beleg oder
Nachweis mit dem Text verknüpft. Ein Suchdienst wird diesen
Zweck hingegen kaum für sich in Anspruch nehmen können,
weil der konkrete thematische Zusammenhang, innerhalb
dessen der verlinkte Inhalt als Zitat gerechtfertigt sein könnte,
nicht vom Suchdienst, sondern vom Nutzer/Sucher hergestellt
wird.
(4)
Unter bestimmten Umständen (siehe oben) ist die
Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Leistungen zum
eigenen, insbesondere zum privaten Gebrauch zulässig. Die
diesen privilegierten Gebrauch regelnden Bestimmungen der §§
53, 53a UrhG sind von vorneherein nicht auf Suchdienste
zugeschnitten. Regelmäßig wird ein Suchdienst jedenfalls
mittelbar Erwerbszwecken dienen, was die Privilegierung
ausschließt. Soweit der durch einen Suchdienst zur Verfügung
gestellte Link als Vervielfältigung durch den Anbieter des
Suchdienstes anzusehen ist, greifen §§ 53, 53a UrhG also nicht.
Soweit der Link sich als öffentliches Zugänglich-Machen des
verlinkten Inhalts darstellt (gleichfalls selten, s.o. II. 1. c) bb)),
greift die allein auf Vervielfältigungen (und die Übermittlung
durch Post oder Fax, § 53a Abs. 1 S. 1 UrhG) bezogene
Privilegierung der §§ 53, 53a UrhG von vorneherein nicht.
Bei Sharehostern (s.o.) kann, soweit als Vervielfältiger der
Nutzer anzusehen ist, eine nach § 53 UrhG zulässige
Privatkopie vorliegen (s. nur die - knappe - Diskussion in den
Urteilen OLG Düsseldorf MMR 2010, 702 und ZUM 2001,
252). Der Link auf sie wäre mangels einer Beeinträchtigung des
Urheberrechts durch die individuelle Kopie weder eine
Teilnahmehandlung noch mit der Störerhaftung angreifbar.
Wird der Link nicht nur dem Hersteller der Vervielfältigung,
sondern einem weiteren (öffentlichen) Kreis für Suchanfragen -
- 42 z.B. für die Suche nach bestimmten Inhalten - zur Verfügung
gestellt, wird man von einer privaten Kopie nicht mehr
ausgehen können, die Privilegierung spielte keine Rolle mehr,
es gälten die oben dargelegten Prinzipien der Störerhaftung.
(5)
Nach § 12 Abs. 2 UrhG ist dem Urheber bis zur
Veröffentlichung seines Werkes das Recht vorbehalten, dessen
Inhalt öffentlich mitzuteilen und zu beschreiben. Aus diesem
Verbot
ließe
sich
im
Umkehrschluss
folgern
(Schricker/Loewenheim/Dietz/Peukert, aaO., § 12 Rn. 29;
Fromm/Nordemann/Dustmann,
§
12
Rn.
21;
Büscher/Dittmer/Schiwy-Haberstumpf, aaO., § 12 UrhG Rn.
13), dass nach Veröffentlichung die öffentliche Mitteilung des
Inhalts zulässig auch dann ist, wenn sie in Verwertungsrechte
des Urhebers eingreift. Hierauf berief sich die Beklagte im
Rechtsstreit um die Zulässigkeit des öffentlichen ZugänglichMachens der Vorschaubilder.
Tatsächlich ließe sich der Link auf ein urheberrechtlich
geschütztes Werk im ersten Zugriff als Mitteilung dessen
Inhaltes auffassen. Zulässig ist aber der Umkehrschluss nach
dem BGH (GRUR 2010, 628 - Vorschaubilder, Rz. 23 noch
restriktiver im Hinblick auf Bearbeitungen GRUR 2011, 134 Perlentaucher) jedenfalls nur insoweit, als er eine den
Werkgenuss nicht ersetzende Mitteilung nach Veröffentlichung
rechtfertigt. Für die Vorschaubilder hat der BGH das verneint,
weil diese selbst - wenn auch verkleinert - wiedergegeben
wurden, so dass man für den Link, der ja die Wiedergabe erst
ermöglicht, aber noch nicht darstellt, die Frage der
Anwendbarkeit des so aus § 12 Abs. 2 UrhG herleitbaren
Rechtsgedankens stellen kann. Der Link für sich ist aber nach
dem Wortsinn weder eine Mitteilung, noch gar eine
Beschreibung, vielmehr allein die technische Verknüpfung mit
dem Werk, weshalb sich aus einer ggf. aus § 12 Abs. 2 UrhG
herzuleitenden
Schranke
nichts
zugunsten
der
urheberrechtsverletzenden Verwendung eines Links ergäbe. Im
Urteil Perlentaucher (BGH GRUR 2001, 134 Rz. 49) heißt es
zuletzt, § 12 Abs. 2 UrhG regele
"einen zusätzlichen Schutz des Urhebers vor der
Veröffentlichung seines Werkes, nicht aber eine
Beschränkung seiner Rechte nach der Veröffentlichung; was
nach der Veröffentlichung zulässig ist, richtet sich nach den
allgemeinen Vorschriften, .."
Damit ist auch einer entsprechenden Anwendung des § 12
Abs. 2 UrhG auf rechtswidrige Verlinkungen durch Suchdienste
die Grundlage entzogen.
- 43 5.
Gibt es weitere Ausnahmen bzw. erlaubte Nutzungen, die Sie als für den digitalen
Bereich besonders relevant ansehen (die nicht schon zuvor bei Q216A untersucht
worden sind)?
Nein.
II. Vorschläge für die Harmonisierung
Die Gruppen werden um weitere Vorschläge für die Einführung harmonisierter
Regelungen gebeten. Die Gruppen werden insbesondere gebeten, die nachstehenden
Fragen ohne Berücksichtigung ihrer nationalen Rechtsordnungen zu beantworten:
6.
Sind nach Ihrer Meinung die Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz für (i)
Nutzer generierte Inhalte, (ii) vorübergehende Vervielfältigungen, (iii) private
Vervielfältigungen (unter Berücksichtigung etwaiger urheberrechtlicher
Abgaben) und (iv) Hyperlinks in Ihrem Land/Region zur Aufrechterhaltung des
Gleichgewichts zwischen den Interessen der Öffentlichkeit in ihrer Gesamtheit
und den Interessen der Urheberrechtsinhaber im High-Tech-Bereich und
digitalen Bereich angemessen?
(i)
Nutzer generierte Inhalte (user generated content)
Ein nicht unerheblicher Teil des Teil des „user-generated-content“ im Internet
ist
klar
urheberrechtsverletzend.
Gerade
für
solche
klaren
Urheberrechtsverletzungen ist ein effektiver Rechtsschutz praktisch geboten
und rechtlich vorgeschrieben (Art. 41 TRIPS; Art. 3 Abs. 2 EnforcementRichtlinie; Art. 8 Abs. 1 Info-Richtlinie). Einen effektiven Rechtsschutz gibt es
für Rechteinhaber bislang aber nicht durchgehend für Rechtsverletzungen über
UGC-Sites. Ein effektiver Urheberrechtsschutz liegt insoweit auch im
öffentlichen Interesse, das klare Urheberrechtsverletzungen massenhaften
Ausmaßes nicht tolerieren darf.
Im Hinblick auf UGC-Provider erscheint zunächst der Umfang des
Unterlassungsanspruches gegen sie harmonisierungsbedürftig. Bei UGCProvidern geht der deutsche BGH in Fällen offensichtlicher
Rechtsverletzungen davon aus, dass der Vermittler nicht nur die Pflicht hat,
diese zukünftig zu verhindern („take down and stay down“). Vielmehr muss er
auch genauso offensichtliche Rechtsverletzungen der gleichen Art verhindern,
für die eine Verletzung naheliegt, also zu befürchten ist (z.B. BGH GRUR
2008, 702 Rz. 51 – Internet-Versteigerung III mwN.). Das erscheint uns als
sinnvoller Schritt zu einer effektiven Rechtsdurchsetzung im Internet. Bei
besonderer Anfälligkeit für Verletzungen sollten UGC-Provider noch
umfassender in die Verantwortung genommen werden. Beispielsweise wegen
verletzungsanfälliger Kategorien auf UGC-Sites sollten insoweit die UGCProvider zur Kontrolle der gesamten Kategorie verpflichtet werden können.
Im Urheberrecht kann einer effektiven Rechtsdurchsetzung insbesondere
entgegenstehen, dass die Unterlassungspflicht sich nur auf ein bestimmtes
Werk bezieht, das im Verbotsantrag genannt wird. Das kann in Deutschland
- 44 dazu führen, dass Kläger ihre Rechtsinhaberschaft für tausende von Werken im
Prozess darlegen und ggf. beweisen müssen, wenn der Vermittler gleichartige
Rechtsverletzungen massenhaft anzieht (vgl. nur LG Hamburg ZUM 2009,
863 – Rapidshare: dort waren im Streit 4815 Musikwerke, für die die GEMA
jeweils ihre Rechtsinhaberschaft vortragen musste). Insbesondere sollte hier
klargestellt werden, dass nationale Rechte auch nicht auf spezifische Werke
bezogene
Unterlassungsgebote
vorsehen
müssen,
sofern
eine
Verletzungsgefahr über das spezifische Werk hinaus besteht.
Im Hinblick auf UGC-Provider erscheint weiter als sinnvoll, dass – anders als
nach deutschem Recht - nach Kenntniserlangung nicht nur für die
Wiederholung derselben Verletzung (z.B. Upload derselben illegalen
Filmdatei)
ein
Unterlassungsanspruch,
sondern
auch
ein
Schadenersatzanspruch gegen den UGC-Provider entstehen kann. Für bloß
gleichartige, aber ebenso klar erkennbare Verletzungen des Urheberrechts
bestehen nach der deutschen Rechtsprechung – wie gesagt - nur Prüfpflichten,
bei deren Verletzung nur Unterlassungsansprüche gegen den Hostprovider
ausgelöst werden können. Das führt dazu, dass UGC-Provider nicht nachhaltig
genug motiviert werden, auch Vorkehrungen gegen bloß gleichartige, aber
ebenso klar erkennbare Verletzungen zu ergreifen. Einige UGC-Provider
haben es zu ihrer Geschäftspolitik gemacht, nur die konkret im Notice-andTake-Down-Letter benannte Filmdatei von seinen Servern zu löschen. Wenn
dasselbe Werk in Form einer anderen Datei ebenfalls klar illegal auf der UGCSite genutzt wird, besteht für den UGC-Provider keine Schadenersatzhaftung,
sondern bloß ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung. Die damit
verbundenen Sanktionen (z.B. Ordnungsgelder durch das Gericht) bleiben
naturgemäß hinter den Sanktionen zurück, die der Hostprovider befürchten
müsste, wenn er nicht nur für den Verstoß gegen die
Unterlassungsverpflichtung, sondern auch auf Schadenersatz haften müsste.
Der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen erscheint ferner als
unangemessen, wenn der UGC-Provider besonders verletzungsanfällig agiert,
z.B. ein UGC-Linkprovider für das Posten von Links eine Kategorie „aktuelle
Spielfilme“ einrichtet. Das lädt dazu ein, dort Links auf urheberrechtswidrige
Spielfilme öffentlich zugänglich zu machen. In solchen Fällen müssen jedoch
neben Unterlassungsansprüchen auch Schadensersatzansprüche geltend
gemacht werden können. Deshalb sollte eine Verletzung der Prüfpflichten im
Hinblick auf gleichartige, aber ebenso klar erkennbare Rechtsverletzungen
auch zu Schadenersatzansprüchen führen.
(ii)
Vorübergehende Vervielfältigungen
Es ist nicht zu verkennen, dass die Handhabung der Schrankenregelung
des § 44a UrhG im Einzelfall Schwierigkeiten bereitet, weil die
Vielzahl der sich z.T. überschneidenden Merkmale Probleme bereitet
und die Grenzen nicht leicht zu ziehen sind. Gerade die
Differenzierungen bei den verschiedenen Formen des Caching sind
nicht stets in der gewünschten Form vorhersehbar. Abhilfe wird wohl
erst eine Fallgruppenbildung bringen, die sich allerdings erst
entwickeln muss.
Weiter ist der Kritik von v. Welsers ist zuzustimmen, dass nicht
ersichtlich ist, weshalb – in Anlehnung an die Auslegung von § 9 TMG
- 45 – auch im Rahmen des § 44a UrhG gefordert werden soll, dass
technische Vorkehrungen zur Sammlung von Nutzungsdaten nicht
beeinträchtigt werden dürfen. Im Zusammenhang mit der Schranke des
§ 44a UrhG entbehrt eine solche Forderung der sachlichen
Rechtfertigung.
(iii)
Privatkopie
(unter
Berücksichtigung
urheberrechtlicher Abgaben)
etwaiger
Der Ansatz der Bestimmungen über die Privatkopie besteht
darin, einerseits die Vervielfältigungen durch Private
zuzulassen, andererseits eine Vergütungspflicht zu begründen.
Dieser Ansatz erscheint weiterhin sachgerecht. Grundsätzlich
gilt dies auch für digitale Medien, bei denen die Rechteinhaber
in der Regel die Möglichkeit haben, durch Anwendung von
Kopierschutzmaßnahmen in das klassische urheberrechtliche
System der Einwilligung zurück zu optieren.
In praktischer Hinsicht erweist es sich allerdings als
problematisch, dass die Fragen der Vergütungspflicht extrem
streitträchtig sind. Noch unter dem alten Recht führte die
Einführung praktisch jeden neuen Geräts zu langen
Gerichtsverfahren, die in aller Regel erst durch Urteile des BGH
beendet werden konnten. Nach dem neuen Recht sind manche
dieser Fragen auf die Verhandlungen der beteiligten Verbände
und Verwertungsgesellschaften verlagert. Angesichts der
komplexen Themen und des vom Gesetz vorgegebenen
aufwendigen Verfahrens sind diese Verhandlungen ebenso
komplex und lassen erneut jahrelange gerichtliche
Auseinandersetzungen
erwarten.
Dies
würde
weiter
verkompliziert, wenn der EuGH die europarechtliche
Kontrolldichte erhöht.
Gleichzeitig ist zu beobachten, dass den Verteilungsfragen unter
den Rechteinhabern sehr viel weniger Aufmerksamkeit
zukommt, obwohl diese genauso wichtig sind, um das Prinzip
eines angemessenen Ausgleichs für die Rechteinhaber zu
verwirklichen. Das Ziel müsste sein, dass der extrem diffizilen
Ausdifferenzierung der Fragen auf der Einnahmeseite ebenso
differenzierte Regeln auf der Verteilungsseite gegenüber stehen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob die
Entwicklung nicht einen Schritt zu weit gegangen ist, indem sie
versucht, sämtliche Fragen im Verhandlungswege zu klären.
Klarere Kriterien dafür, wie bestimmte Vorgänge zu bewerten
sind, könnten dazu führen, dass die Verwertungsgesellschaften,
die die Vergütung einziehen, diese schneller bekommen und
dann transparenter aufgrund der gleichen Kriterien an die
Berechtigten ausschütten können.
- 46 (iv)
Hyperlinks
Die Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz für Hyperlinks
ergeben sich nicht so sehr aus speziell auf Links abzielenden
gesetzlichen Bestimmungen oder Rechtsprechungsregeln,
vielmehr aus der Anwendung von Gesetzen und Regeln, die in
erster Linie einem anderen, weiteren Kontext gelten.
Bedarf an einer konkreten gesetzlichen Regelung von Links
besteht nicht. Aus urheberrechtlicher Sicht sind Links eine notwendige und an sich sinnvolle, aber rechtlich unspezifische Technik, während im Vordergrund die verlinkten Inhalte
stehen, soweit sie urheberrechtlichen Schutz genießen. Die Art
und Weise des Einsatzes von Links variiert so erheblich, dass
eine speziell auf Links bezogene sinnvolle Regelung nicht
möglich wäre. Das gilt im Grundsatz auch insoweit, als Links
von "Suchdiensten" eingesetzt werden, weil der Begriff ein
entsprechend weites Spektrum abdeckt. Die Aufgabe, einen
gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Öffentlichkeit
und denen der Inhaber von Urheberrechten - wobei ein
Gegensatz in dieser Form so gar nicht besteht - zu schaffen,
sollte in erster Linie nicht auf die Technik des Verlinkens
bezogen werden, sondern auf die Institute der Haftung für die
Mitwirkung an der rechtswidrigen Verwertung urheberrechtlich
geschützter Inhalte, z.B. auf die Formulierung spezifischer,
vorhersehbarer Verkehrspflichten bezüglich der Inhalte, deren
Beachtung von den Providern verlangt und den Rechteinhabern
eingefordert werden kann.
Hier müssen Suchmaschinen ihren Teil zur Verhinderung von
Urheberrechtsverletzungen im Internet beitragen. Horizontale
Suchdienste – wie z.B. Google – müssen bei klaren
Rechtsverletzungen auch Vorsorge treiben, dass nicht
vergleichbare Verletzungen, die genauso wahrscheinlich sind,
vorkommen. In eine verschärfte Haftung müssen vertikale
Suchmaschinen
genommen
werden,
die
erhöht
verletzungsanfällig sind.
7.
Passen diese Ausnahmen und erlaubten Nutzungen zur Technologie und sind sie
verständlich und realistisch? Tragen sie zur Durchsetzbarkeit des Urheberrechts
in der Praxis bei?
In der Literatur wird verschiedentlich bemängelt, dass auf der einen Seite die
Verwertungsrechte so ausgestaltet sind, dass sie neue Nutzungsformen automatisch
umfassen, während auf der anderen Seite die Schranken teilweise an technische
Besonderheiten anknüpfen und den technischen Wandel nicht nachvollziehen.
Unabhängig von der damit verbundenen grundsätzlichen Diskussion ist zu
beobachten, dass Schrankenregelungen, die bestimmte technische Nutzungen
vorsehen (wie etwa der Versand als grafische Datei beim Kopienversanddienst), sich
- 47 aufgrund der schnellen technischen Entwicklung häufig als nicht praxistauglich
erweisen. Dies ist hinzunehmen, soweit die Schrankenregelungen Mindeststandards
bilden, auf deren Basis sich schnell marktgängige Lizenzmodelle entwickeln.
Geschieht dies nicht, führen Schrankenregelungen mit technisch stark eingeschränkten
oder überholten Anknüpfungen langfristig zu einem komplizierten Nebeneinander von
Schrankenregelung und Lizenzierungspraxis, auch mit der Folge unklarer und
ineffizienter Verteilungsregeln bezüglich der als Ausgleich geschaffenen
Vergütungsansprüche. Daher wird empfohlen, die Schranken möglichst
technologieunabhängig sowie technologieneutral zu definieren. Soweit dies zu
Gefahren für die Rechteinhaber führt, kann dem durch eine häufigere Überprüfung der
gesetzlichen Vorschriften begegnet werden.
Durchsetzungsschwierigkeiten ergeben sich dagegen überwiegend daraus, dass es für
Rechteinhaber wegen ihrer großen Quantität teilweise praktisch unmöglich oder
zumindest wenig sinnvoll ist, selbst Rechtsverletzer aufzufinden und zu verfolgen.
Deshalb müssen die Vermittler, insbesondere die Hostingprovider in die Pflicht
genommen werden, soweit es ihnen möglich ist, klare Rechtsverletzungen auf
technischem Wege abzustellen. Insoweit müssen sie einem Missbrauch ihrer Dienste
für Urheberrechtsverletzungen entgegen wirken. Jedoch darf auch nicht
unberücksichtigt
bleiben,
dass
das
Internet
neben
massenhaften
Urheberrechtsverletzungen in größerem Ausmaß rechtmäßige und unter
verschiedensten Gesichtspunkten erwünschte Nutzungsformen beinhaltet. Eine
Regelung muss also die Rechtsverfolgungsinteressen der verletzten Rechteinhaber mit
den konkurrierenden Interessen zum gerechten Ausgleich bringen, insbesondere im
Hinblick auf den Datenschutz und die Informations- und Meinungsfreiheit. Überdies
ist auch zu gewährleisten, dass die mit der Aufspürung und Verfolgung von
Rechtsverletzungen verbundenen Kosten gerecht auf Verletzer, Rechteinhaber, aber
auch auf Provider (einschließlich des Aufwands der Provider zur Vermeidung
künftiger Rechtsverletzungen – beispielsweise Filtersysteme) zu verteilen sind.
8.
Welche weiteren Ausnahmen möchten Sie ggf. für diese Bereiche vorsehen?
Keine Angabe.
9.
Sind Sie im Hinblick auf die internationalen Eigenschaften der High-Tech- und
digitalen Bereiche der Auffassung, dass eine erschöpfende Aufstellung der
Ausnahmen und erlaubten Nutzungen durch internationale Abkommen im
Interesse der internationalen Harmonisierung des Urheberrechtsschutzes
vorgesehen werden sollten? Sind Sie sogar der Auffassung, dass es eine
vorgegebene Aufstellung geben soll? Was würden Sie ggf. in diese Aufstellung
aufnehmen?
Die deutsche Landesgruppe ist der Ansicht, dass es in internationalen Abkommen eine
Kombination aus einer erschöpfenden Aufstellung der Ausnahmen und erlaubten Nutzungen
mit einer Generalklausel für neu entstehende Sachverhalte – allerdings möglichst
technologieneutral, siehe Frage 7 - geben soll.
Dieser Ansicht liegt die Erwägung zu Grunde, dass der Entstehung einer Schieflage des
Interessensausgleichs im Urheberrecht entgegen zu wirken ist. Die urheberrechtlichen
Verwertungsrechte sind beispielsweise im Rahmen der Info-Richtlinie (vgl. dort Art. 2 Abs. 2
und Art. 4 Abs. 1) so gestaltet, dass sie neuen Sachverhalten gegenüber offen und auf diese
- 48 im Wege einer dynamischen Interpretation anwendbar sind. Daher würde eine erschöpfende
Aufzählung von (starren) Ausnahmen und erlaubten Nutzungen nicht die notwendige
Flexibilität aufweisen, um künftige Entwicklungen offen und angemessen aufgreifen zu
können. Dementsprechend wird in Ergänzung zu einer erschöpfenden Aufstellung eine
Generalklausel vorgeschlagen. Somit würde eine relative Rechtssicherheit bei gleichzeitiger
Offenheit für (technologische) Entwicklungen erreicht.
Dabei wird nicht verkannt, dass die Abstimmung einer erschöpfenden Aufstellung auf
internationaler Ebene vor dem unterschiedlichen kulturellen Hintergrund viel Aufwand und
damit Zeit erfordern wird. Doch bietet die Festlegung einer erschöpfenden Aufstellung auch
die mit jeder Harmonisierung einhergehenden Vorteile einer einheitlichen Handhabung
identischer
Sachverhalte,
was
insbesondere
im
Umfeld
der
modernen
Informationsgesellschaft notwendig und begrüßenswert erscheint. Dem gegenüber würde mit
einer reinen Generalklausel die Chance vertan, (international) Rechtssicherheit in Bezug auf
die jetzt bekannten Sachverhalte zu schaffen. Zur Stärkung der Rechtssicherheit sollte die
reine Aufstellung der Ausnahmen und erlaubten Nutzungen durch Ausführungen ergänzt
werden, unter welchen Bedingungen eine Berufung auf diese möglich ist und wie jene geltend
gemacht werden können.
In Anbetracht des Umstandes, dass eine Änderung/Ergänzung einer einmal abgestimmten
erschöpfenden Aufstellung langwierig und schwierig sein wird, umgekehrt aber eine flexible
Regelung notwendig ist, um auf neue technische Entwicklungen ohne zeitlichen Verlust
eingehen zu können, wird eine eingeschränkte Generalklausel vorgeschlagen. Diese soll
ausschließlich auf neue Sachverhalte Anwendung finden, welche bei Abstimmung der
erschöpfenden Aufstellung keine Berücksichtigung finden konnten.
Eine derartige Generalklausel sollte sich an der „fair use“-Ausnahme des US-amerikanischen
Rechts orientieren und müsste in ihrem Regelungsgehalt dem „Drei-Stufen-Test“ des Art. 9
der RBÜ Rechnung tragen.
Aus Sicht der deutschen Landesgruppe sollte eine erschöpfende Aufstellung der Ausnahmen
und erlaubten Nutzungen jedenfalls Regelungen zu folgenden Themenbereichen enthalten:
Zitatrecht
freie Benutzung durch Veränderung des Werkes
Vervielfältigung von Werkstücken (zum privaten und sonstigen eigenen
Gebrauch)
vorübergehende,
technisch
Infrastrukturbetreiber
bedingte
Vervielfältigungen
durch
Digitalisierung und Format-Shifting
Intranet-Nutzungen und Sammlungen für Zwecke von Unterrichtung, Forschung
und Kirche
Nutzung durch Bibliotheken, insbesondere
o Archivierung
o Elektronische Leseplätze
o Kopienversand
- 49 Verwaiste Werke
Nutzung durch Behinderte
Berichterstattung über Tagesereignisse
Öffentliche Wiedergaben ohne Erwerbszweck und ohne Eintrittsgeld
Werke in öffentlichen Straßen.
Zusammenfassung
Verletzt User Generated Content („UGC“) Urheberrecht, bestehen im deutschen Recht – auf
der Grundlage des einschlägigen EU-Rechts – Haftungserleichterungen für UGC-Provider.
UGC-Provider werden im deutschen Recht als Hostprovider eingeordnet. Beispiele sind
YouTube, Facebook, aber auch spezialisierte Linking-Sites wie alluc.org. Nach
Kenntniserlangung werden UGC-Providern insbesondere Filterverpflichtungen für fremde
rechtsverletzende Inhalte auferlegt; diese Filterverpflichtungen gehen über die Verhinderung
der konkreten Rechtsverletzung (takedown and staydown) hinaus. UGC-Provider müssen
gleichartige, genauso offensichtliche Rechtsverletzungen zusätzlich verhindern. Je stärker die
Gefahrneigung des Geschäftsmodells ist, desto weiter gehen die erforderlichen Maßnahmen;
sie können insbesondere Wortfilter, Überwachung früherer rechtsverletzender User oder zur
Verfügung stellen eines Interfaces für den Rechtsverletzer zur Beseitigung von Verletzungen
umfassen. Macht sich der UGC-Provider die fremden Inhalte zu Eigen, haftet er wie ein
Verletzer. Es erscheint als wünschenswert, dass UGC-Provider bei Pflichtverletzungen nach
Kenntniserlangung nicht nur – wie derzeit – auf Unterlassung, sondern auch auf
Schadenersatz haften.
Vorübergehende Vervielfältigungen sind auf der Grundlage der EU-Info-Richtlinie vom
Urheberechtsschutz ausgenommen. Wichtigste Beispiele sind Browsing und Caching durch
Internetprovider; Streaming ist dem gegenüber nach der zutreffenden Auffassung auf
Endnutzerseite nicht privilegiert.
Das deutsche Urhberrecht kennt seit 1966 eine Schranke für private Vervielfältigungen. Die
Kopie darf auch mittelbar keinen Erwerbszweck verfolgen und nicht aus offensichtlich
rechtswidrigen Vorlagen oder Quellen resultieren. Nach der aktuellen Rechtslage beschränkt
sich die Privatkopie nicht nur auf Kopien vom Original. Die Privatkopie umfasst ferner auch
Kopien für Verwandte und Freunde. Der Urheber erhält eine Vergütung, die über die
Leermedien erhoben und über Verwertungsgesellschaften administriert wird.
Für Suchmaschinen gelten die oben genannten Grundsätze für die Haftung von UGCProvidern, d.h. sie haften ab Kenntniserlangung für Links zu rechtsverletzenden Inhalten. Die
Haftung kann über die bloße Entfernung hinausgehen. Insbesondere verletzungsanfällige
Suchmaschinen treffen gesteigerte Filterverpflichtungen. Links auf legale Inhalte sind
urheberrechtlich im Regelfall irrelevant. Bildersuchmaschinen, die legal öffentlich zugänglich
gemachte Bilder beinhalten, können sich auf eine Einwilligung des Rechteinhabers berufen,
wenn er dem Zugriff der Suchmaschine nicht technisch entgegengetreten ist.
Bei einer Neuregelung des Schrankensystems auf internationaler Ebene wird ein Mischsystem
aus abschließender Aufzählung und Generalklausel vorgeschlagen: Alle bei Abschluss des
- 50 Abkommens bekannten Sachverhalte könnten abschließend geregelt werden; für noch
unbekannte Sachverhalte stünde eine Generalklausel zur Verfügung, die sich am 3-StufenTest der RBÜ orientiert.
Summary
If user-generated content (“UGC”) infringes copyright, limitations of liability – on the basis
of the relevant EU law – exist for UGC providers under German law. UGC providers are classified as host providers under German law. Examples of these are YouTube, Facebook, but
also specialised linking sites such as alluc.org. After obtaining knowledge of infringements of
copyright, filtering obligations are, in particular, imposed on UGC providers for external contents which infringe copyright; these filter obligations go beyond the prevention of the specific infringement of rights (takedown and staydown). UGC providers must, in addition, prevent
similar infringements of rights which are just as obvious. The greater the business model attracts legally risky content, the further the necessary measures go; they may include, in particular, word filters, monitoring of previous users who have infringed rights or the provision
of an interface for those parties infringing rights in order to remedy infringements. If the UGC
provider adopts the external content, it shall be liable in the same way as an infringer. It
seems desirable that, in the event of failures to comply with their duties, UGC providers, after
learning thereof, are not only liable to cease and desist – as currently – but also for damages.
Temporary copies are excluded, on the basis of the EU-Info Directive, from copyright protection. The most important examples are browsing and caching by Internet providers; according
to the prevailing opinion, streaming, by way of contrast, is not privileged on the end user side.
German copyright law introduced a limitation allowing private copying in 1966. The copy
must not be profit-making, even indirectly, and must not result from obviously unlawful templates or sources. According to the current legal situation private copying is not only limited
to copies of the original. Private copying also includes copies for relatives and friends. The
author receives a fee that is levied via the blank media and administered via collecting societies.
The aforementioned principles for the liability of UGC providers apply to search engines, i.e.
they are liable, from the time they obtain knowledge thereof, for links to contents infringing
rights. Duties may go beyond merely removing the contents. In particular, increased filter
obligations are required for search engines which are prone to infringements. Links to legal
content are generally of no consequence under copyright law. Image search engines, which
include images which have been made publicly accessible, legally, may invoke consent from
the copyright holder, if the latter has not technically challenged the search engine's access.
In the event of a revision of the system of exceptions and limitations of copyright law at international level, a mixed system of a exhaustive enumeration and a general clause is proposed: all of the scenarios known on the conclusion of the agreement could be exhaustively
regulated; a general clause guided by the three-step test of the Revised Berne Convention
would be available for as yet unknown scenarios.
- 51 Résumé
Lorsque les contenus générés par les utilisateurs (« UGC ») sont en infraction avec le droit
d’auteur, la législation allemande prévoit, sur la base du droit européen, un régime de responsabilité assoupli pour les sites de diffusion concernés, en leur conférant le statut d’hébergeur.
Parmi les plateformes UGC, on citera YouTube, Facebook, mais aussi des sites spécialisés
dans les échanges de liens, comme alluc.org. Sitôt qu’elles ont connaissance de contenus illicites fournis par des tiers, les plateformes UGC sont tenues de prendre des mesures de filtrage, notamment; ces obligations vont au-delà de la mise en œuvre de moyens propres à empêcher la violation du droit constatée (suppression du contenu incriminé et blocage de sa remise en ligne). Les opérateurs des plateformes doivent également empêcher les infractions de
même type ayant un caractère tout aussi manifeste. Plus le modèle économique du site est
porteur de risques de violations du droit, plus les mesures à prendre sont contraignantes ; elles
peuvent inclure un filtrage par mots-clés, la surveillance des utilisateurs ayant déjà été en infraction ou la mise à la disposition du contrevenant d’une interface permettant de mettre fin
aux situations illicites. La plateforme qui fait siens les contenus mis en ligne par des tiers engage sa responsabilité au même titre qu’une personne en infraction. Il apparaît souhaitable
que les sites UGC manquant à leurs obligations après avoir eu connaissance d’une violation
du droit ne soient pas seulement responsables s’ils omettent d’y mettre fin, mais le soient aussi sur le plan civil.
Sur la base de la directive européenne sur le droit d’auteur dans la société de l’information, la
reproduction provisoire est exclue de la protection au titre du droit d’auteur. Les principaux
exemples en sont la navigation par onglets et l’antémémorisation par le fournisseur d’accès à
Internet ; la diffusion en continu, par contre, ne bénéficie pas, à juste titre, de privilège côté
utilisateur final.
Le droit d’auteur allemand prévoit depuis 1966 une limitation aux reproductions à usage privé. La copie ne doit pas viser de but lucratif, même indirectement, ni être la reproduction de
documents ou de sources en contravention manifeste avec la loi. Dans l’état actuel du droit, la
copie à usage privé ne se limite pas aux copies faites à partir d’un original, mais comprend
aussi celles effectuées pour la famille et les amis. L'auteur perçoit une rémunération prélevée
sur les supports vierges et distribuée par les sociétés de gestion des droits d’auteur.
Les moteurs de recherche sont soumis aux principes exposés ci-dessus régissant la responsabilité des plateformes UGC, c’est-à-dire qu’ils sont responsables dès lors qu’ils ont connaissance de l’existence de liens conduisant à des contenus illicites. Leur responsabilité peut aller
au-delà de la simple suppression des contenus litigieux. Les moteurs de recherche les plus
exposés aux risques d’infraction sont soumis à des obligations de filtrage renforcées. Généralement, les liens vers les contenus légaux ne sont pas pertinents du point de vue du droit
d’auteur. Les moteurs de recherche d’images mises à la disposition du public dans des conditions respectant la légalité peuvent se prévaloir du consentement des ayants droit dès lors que
ceux-ci n’ont pas pris de mesures techniques visant à en interdire l’accès.
Pour le cas d’une révision internationale du système des limitations, on propose un dispositif
mixte comprenant une énumération limitative et une clause générale. Toutes les situations
connues au moment de la conclusion de l’accord pourraient faire l’objet d’un règlement définitif; pour celles qui ne le seraient pas encore, il y aurait une clause générale s’appuyant sur le
test en trois étapes de la Convention de Berne.

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