Betriebs-Berater für Medien Telekommunikation Multimedia 11

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Betriebs-Berater für Medien Telekommunikation Multimedia 11
Kommunikation
&Recht
Betriebs-Berater für
Medien Telekommunikation Multimedia
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Editorial: Dostojewski und das Internet
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Domainrecht – eine Bilanz der Rechtsprechung
aus den Jahren 2011/2012 · Fabian Reinholz
Aktuelle Entwicklungen des Titelschutzrechts · Dr. Verena Hoene
Download von Video- und Audiostreams zum privaten Gebrauch –
eine „rechtliche Grauzone“? · Philipp C. Redlich
Die Durchsetzung datenschutzrechtlicher Mindestanforderungen
bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken
Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann
Preistransparenz im Online-Handel · Dr. Edgar Rose
Die Zahlung für Onlinespielfeatures per 0900er Nummer
Johannes Zimmermann
Länderreport USA · Clemens Kochinke
BVerfG: Rundfunkgebühren für internetfähige PCs
verfassungsgemäß
BGH: Muster-Widerrufsbelehrung aus BGB-InfoV war wirksam
mit Kommentar von Dr. Felix Buchmann
BGH: „Starsat“ nicht nur werbliche Qualitätsangabe
ohne Unterscheidungskraft
BGH: Keine Verwechslungsgefahr zwischen „pjur“ und „pure“
Beihefter 3/2012
Urheberrecht und Verfassung
Prof. Dr. Rolf Schwartmann
15. Jahrgang
November 2012
Seiten 705 – 776
Deutscher Fachverlag GmbH · Frankfurt am Main
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entschieden hatte, dass das Werktitelrecht nicht bei dem
„Erfinder“ des Begriffes – dem Klger des Hamburger
Verfahrens –, sondern eben bei dem „Inverkehrbringer“
des Spieles lag.
V. Titelverwechslungen
Im Berichtszeitraum gab es auch zwei interessante Entscheidungen zu vermeintlichen Titelverletzungen. Das
OLG Jena musste ber die Verwechslungsfhigkeit der
Titel „Hallo Eichsfeld“ und „Die Hallos Thringen“, jeweils in unterschiedlichen grafischen Ausgestaltungen entscheiden. Zu Recht war das OLG der Auffassung, dass
trotz durchschnittlicher gerade noch ausreichender Kennzeichnungskraft und einer Werkidentitt die einander gegenberstehenden Titel zu unterschiedlich waren, um eine
Verwechslungsgefahr bejahen zu kçnnen. Die einzige
bereinstimmung aufgrund des Wortbestandteils „Hallo“
sei nicht prgend, sondern sogar von eher untergeordneter
Bedeutung des Klagetitels. Man kçnne vorliegend auch
nicht von einem Serientitel, also einer mittelbaren Verwechslungsgefahr ausgehen. Zum einen fehle es an der
erforderlichen Bekanntheit. Zum anderen gehe der Verkehr trotz der hnlichkeit der Titel nicht von einer wirtschaftlichen Verbindung aus.
Das OLG Jena folgte damit – ohne diese Entscheidung zu
zitieren – dem BGH, der aus gleichen Grnden schon
einmal die hnlichkeit der Titel Tagesschau und Tagesthemen einerseits bzw. Tagesbild und ProSieben-Tagesbild andererseits als nicht verwechslungsfhig angesehen
hat.24
Dass im brigen nicht jeder Begriff auch einem Werktitelschutz und damit einem Unterlassungsanspruch nach
§ 15 Abs. 2 MarkenG zugnglich ist, wurde im Berichtszeitraum noch einmal durch das LG Hamburg bekrftigt.25
Redlich, Download von Video- und Audiostreams
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Das LG hielt fest, dass die Bezeichnung „Fliesen24“ und
„Fliesen24.com“ lediglich als Hinweis auf den Geschftsbetrieb, also firmenmßig verstanden werden. Zwar kçnne
als „sonstiges vergleichbares Werk“ auch ein Internetlexikon in Betracht kommen. Die Benutzung eines Zeichens,
das fr einen Geschftsbetrieb sowie als Kennzeichnung
fr einzelne Produkte stehe, genge aber nicht zur Begrndung eines Werktitelrechts, zumal fr das Internetlexikon
zustzlich der Rubrikentitel „Fliesenlexikon“ verwendet
werde.
VI. Ausblick
Die „sonstigen vergleichbaren“ Werkformen werden sicherlich auch in den nchsten Jahren fr Diskussionsstoff
sorgen. Das praktische Bedrfnis ist unbestreitbar: Gerade
eher beschreibende Begriffe werden hufig von einer Eintragung als Marke ausgeschlossen. Das eine Messe, Veranstaltung oder Preisverleihung veranstaltende Unternehmen fhrt nicht selten eine von dieser Bezeichnung abweichende Firma. Die „gngigen“ Schutzrechte scheiden daher nicht selten aus. Damit stellt sich die naheliegende
Frage nach einem Werktitelrecht.
In diesem Zusammenhang werden sich zunehmend auch
Fragen nach Entstehen und Erlçschen des Werktitelrechts
stellen; die Entscheidung des OLG Stuttgart „BalthasarNeumann-Preis“ zeigt jedenfalls schon jetzt, dass man in
jedem Fall bei gemeinsamen, vielleicht einmal titelschutzfhigen Veranstaltungen auch an ein „Ausstiegs-Szenario“
denken sollte.
24 BGH, 1. 3. 2001 – I ZR 211/98, GRUR 2001, 1050, 1053; s. auch zur
fehlenden Eignung eines nicht unterscheidungskrftigen Titelbestandteils, als Serientitel wahrgenommen zu werden: BGH, 2. 12. 2009 –
I ZR 44/07, K&R 2010, 492 = WRP 2010, 893, 895 – OFFROAD.
25 LG Hamburg, 25. 10. 2011 – 312 O 118/11, zit. nach juris.
RA Philipp C. Redlich, Berlin*
Download von Video- und Audiostreams zum privaten
Gebrauch – eine „rechtliche Grauzone“?
Streaming-Dienste im Internet haben sich zu einem weiteren Verbreitungsmedium fr Musik, Filme und Videoclips
neben Hçrfunk und Fernsehen fest etabliert. Wer einen
Musiktitel besonders mag und auch „offline“ ohne Internetverbindung auf seinem mp3-Player unterwegs genießen
mçchte, bedient sich hufig sogenannter Stream-Downloader, statt kostenpflichtige Downloadangebote zu nutzen.
Mit wachsender Verbreitung solcher Download-Dienste
stellt sich zunehmend die Frage, ob nach den Nutzern von
Peer-to-Peer-Tauschbçrsen jetzt den Stream-Downloadern
eine neue „Abmahnwelle“ bevorsteht.
I. Verbreitung und Funktion von StreamDownloadern
Wer frher Aufnahmen von Radio- und Fernsehsendungen
mittels Kassetten- oder Videorekordern herstellte, um sich
eine private Musik- oder Videosammlung einzurichten,
greift zunehmend auf sog. Stream-Ripper, Rekorder-Software oder Konvertierungsdienste, kurz Stream-Downloader, zurck. Sie ermçglichen den kostenlosen Download
von Video- und Audiodateien, die im Internet auf Portalen
wie z. B. YouTube,1 MyVideo, 2 den Mediatheken der
Fernsehsender3 oder ber Streaming-Dienste wie Spotify4
abrufbar sind. Mittels solcher Stream-Downloader lassen
sich die gestreamten Filme, TV-Serien, Musik, Videoclips
oder auch nur deren Tonspur in ein gewnschtes Dateifor-
*
1
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Mehr ber den Autor erfahren Sie auf S. VIII.
www.youtube.com.
http://www.myvideo.de.
Z. B. ARD, http://www.ardmediathek.de/; ZDF, www.zdf.de/ZDFmedia
thek.
4 www.spotify.de.
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Redlich, Download von Video- und Audiostreams
mat umwandeln und auf der Festplatte des Nutzers dauerhaft speichern. Stream-Downloader werden in nahezu unberschaubarer Zahl und in unterschiedlichen technischen
Verfahren kostenlos im Internet angeboten.5 Aus Sicht der
Nutzer stellen solche Stream-Downloader eine praktische
Ergnzung zu den internetbasierten Streaming-Plattformen und Diensten dar, die hufig keine eigenstndige
Downloadfunktion zur dauerhaften Speicherung der abrufbaren Inhalte anbieten. Die Inhalte kçnnen meist nur in
einem On-Demand-Streaming-Verfahren abgerufen werden. Fr eine lckenlose Wiedergabe der Videos erfolgt
eine Zwischenpufferung, d. h. eine temporre Speicherung
der gestreamten Daten auf dem Arbeitsspeicher des Nutzers (Cache). Mittels einer speziellen Software (sog. Plugins) werden die Daten in dem Browserfenster des Nutzers
sichtbar gemacht. Die Wiedergabe der gestreamten Inhalte
erfolgt bereits whrend der Datenbertragung. Nach dem
Schließen der Website werden Datenstze meist wieder
automatisch aus dem Cache des Nutzers gelçscht. StreamDownloader machen sich diese Wiedergabetechnik zu
nutze, indem sie statt einer temporren Speicherung der
gestreamten Daten eine dauerhafte Speicherung auf der
Festplatte des Nutzers initiieren.
II. Kritik der Musikwirtschaft und der Plattformbetreiber
Fr die Musikwirtschaft haben sich Streaming-Plattformen
wie YouTube oder MyVideo als ein beliebtes Werbemedium fest etabliert. Viele Musik-Labels verfgen ber
eigene Channels auf diesen Plattformen, um die Musikvideos ihrer Knstler werbewirksam im Internet zu verbreiten.6 Es liegt auf der Hand, dass die Musikwirtschaft
seit lngerem die gleichzeitig wachsende Verbreitung von
Stream-Downloadern und die „massenhafte Kostenlosversorgung“7 mit Musik scharf kritisiert, die mit kostenpflichtigen Downloadangeboten zunehmend konkurrieren. Laut
einer krzlich verçffentlichten Studie zur digitalen Content-Nutzung des Bundesverband Musikindustrie e. V.
(BVMI) haben 2011 allein in Deutschland etwa 8 Millionen Nutzer mittels solcher Angebote Musik von Streaming-Diensten mitgeschnitten oder heruntergeladen. Nach
Ansicht des BVMI hat sich das Stream-Ripping als zustzliche Nutzungsform in einer „rechtlichen Grauzone“
fest etabliert.8 Seit geraumer Zeit wird erwartet, dass die
Musikindustrie sich im Wege neuer „Abmahnwellen“ nach
den Peer-to-Peer-Tauschbçrsen rasch auch gegen das Herunterladen gestreamter Musik richten wird.9
Doch auch Plattformbetreiber wie YouTube beanstanden
zunehmend das Angebot von Stream-Downloadern. Ob
dies auf Druck der Musikindustrie oder aus Sorge um
sinkende Zugriffszahlen und verringerte Werbeeinahmen
geschieht, ist nicht bekannt. So verschickte YouTube LLC
laut Pressemitteilungen krzlich Abmahnschreiben an die
Anbieter von Stream-Downloadern mit der Aufforderung,
ihren Dienst bzw. das Softwareangebot einzustellen.10
YouTube beanstandet in diesen Abmahnschreiben, dass
Stream-Downloader eine vertragswidrige Nutzung der
Plattform ermçglichen.11 In den YouTube-Nutzungsbedingungen wird ein Download der abrufbaren Inhalte ausdrcklich untersagt.12
Fr die Nutzer von Stream-Downloadern stellt sich daher
stets die Rechtsfrage, ob die Herstellung von Musik- oder
Videodownloads urheberrechtlich und vertragsrechtlich
zulssig ist. Drohen im Falle der Identifizierung den Nut-
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zern von Stream-Downloadern die Geltendmachung von
Unterlassungs- und Schadensersatzansprchen sowie von
Abmahngebhren seitens der Rechteinhaber und/oder der
Plattformbetreiber, wie dies aus unzhligen und allgemein
bekannten Fllen der Nutzung von Peer-to-Peer-Tauschbçrsen bekannt ist?
III. Herstellung digitaler Privatkopien
mittels Stream-Downloadern
Wer eine dauerhafte Speicherung eines gestreamten, urheberrechtlich geschtzten Werkes i. S. d. § 2 UrhG auf einem digitalen Datentrger vornimmt, stellt – unabhngig
von dem verwendeten Dateiformat oder Datentrger – eine
Vervielfltigung i. S. d. § 16 UrhG her.13 Wer ein Werk der
Musik oder ein Filmwerk dauerhaft herunterldt, bedarf
daher im Grundsatz auch der Erlaubnis der betroffenen
Rechteinhaber. § 44 a UrhG legitimiert nur das unvermeidbare und temporre Laden der gestreamten Daten in den
Arbeitsspeicher zum Zwecke der Wiedergabe, nicht jedoch den dauerhaften Download.14 Allerdings drfte es
sich bei den mittels Stream-Downloadern heruntergeladenen Videos und Musiktiteln regelmßig um Privatkopien
handeln, die von der in § 53 Abs. 1 UrhG verankerten
Privatkopienfreiheit privilegiert sind. § 53 Abs. 1 UrhG
erlaubt dem Nutzer, Vervielfltigungen von geschtzten
Werken zum privaten Gebrauch auch ohne Zustimmung
der Rechteinhaber anzufertigen. Auf das Privatkopienprivileg kann sich jede natrliche Person sttzen, die ein
Vervielfltigungsstck weder mittelbar noch unmittelbar
zu Erwerbszwecken anfertigt.15 Die Privatkopienfreiheit
findet ihre Grenzen, wenn Vervielfltigungen von offensichtlich rechtswidrig hergestellten oder verçffentlichten
Vorlagen hergestellt werden. Dem Kopierenden darf weder bekannt noch infolge grober Fahrlssigkeit unbekannt
sein, dass die Vorlage rechtswidrig ist.16 Erst wenn dem
Durchschnittsnutzer die Rechtswidrigkeit der genutzten
Vorlage quasi „auf die Stirn geschrieben“ steht, endet die
Privatkopienfreiheit. Aus der bloßen Verfgbarkeit von
Filmen und Musik kann der Nutzer nicht alleine auf die
Rechtswidrigkeit der Vorlage schließen.17 Insbesondere
auf Hosting-Plattformen wie YouTube, auf denen keine
eigenen Inhalte des Plattformbetreibers sondern ausschließlich nutzergenerierte Inhalte abrufbar sind, werden
legale und illegale Videos nebeneinander verbreitet. Fr
den Nutzer ist praktisch nicht erkennbar und berprfbar,
ob ein Video illegal hochgeladen wurde oder rechtmßig
mit Einwilligung der Rechteinhaber eingestellt wurde.
5 Z. B. aTube Catcher, www.atube-catcher.softonic.de; VDownloader, www.
vdownloader.com.; Spotydl., http://www.spotydl.com/; ClipGrab, www.
clipgrab.de.; RealPlayer, http://de.real.com/.
6 Z. B. Warner Music Group, www.youtube.com/user/warnermusicgroup;
Sony Music, www.myvideo.de/channel/sony-music.
7 Dr. Florian Drcke, Geschftsfhrer des BVMI, Studie zur Digitalen
Content-Nutzung 2012: Fact Sheet Musik; abrufbar unter http://www.mu
sikindustrie.de/studien/.
8 Pressemitteilung zur DCN-Studie 2012 vom 22. 8. 2012, abrufbar unter
http://www.musikindustrie.de/studien/.
9 Hrting/Thiess, WRP 2012, 1068, 1069; Vianello, CR 2010, 728, 734.
10 YouTube geht gegen MP3-Konvertierungsdienst vor, Heise-News vom
20. 6. 2012.
11 http://torrentfreak.com/google-threatens-to-sue-huge-youtube-mp3-conv
ersion-site-120619/.
12 Ziffer 6.1. K YouTube-Nutzungsbedingungen.
13 Heerma, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl. 2009, § 16 Rn. 13 f.
14 Vianello, CR 2010, 728, 732.
15 Lft, in: Wandtke/Bullinger (Fn. 13), § 53 Rn. 21.
16 Hrting, Internetrecht, 4. Aufl. 2010, Rn. 1036.
17 Hrting/Thiess, WRP 2012, 1068, 1069; Vianello, CR 2010, 728, 731.
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IV. Einsatz von serverbasierten StreamDownload-Angeboten
Neben den zahlreichen Softwareangeboten zur Herstellung
von Stream-Downloads finden sich auch zahlreiche serverbasierte Downloaddienste im Internet.18 Der Download
erfolgt in diesem Fall nicht mittels einer auf dem Computer
des Nutzers installierten Downloadsoftware unmittelbar
auf dessen Festplatte. Der Download wird bei serverbasierten Diensten ber eine Website initiiert, auf der der
Nutzer regelmßig die URL des gesuchten Videos eingibt.
Die gestreamte Videodatei wird sodann zunchst temporr
auf den Servern des Anbieters als Audiodatei zwischengespeichert und kann mittels eines individuellen Downloadlinks, der dem Nutzer mitgeteilt wird, auf dessen Festplatte gespeichert werden. Gemß § 53 Abs. 1 S. 2 UrhG
muss die Herstellung von Privatkopien jedoch nicht zwingend durch den Befugten selbst erfolgen. Vielmehr kann
sich der Nutzer zur Herstellung einer Kopie auch des
Dienstes eines Dritten bedienen. Die Mçglichkeit der Herstellung von digitalen Privatkopien durch Dritte wurde
auch im Rahmen der letzten Urheberrechtsreform aufrecht
erhalten. Vorraussetzung ist, dass die digitale Vervielfltigung unentgeltlich erfolgt.19 Hersteller einer Vervielfltigung ist allein derjenige, der die kçrperliche Festlegung
technisch bewerkstelligt. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob
der Nutzer sich technischer Hilfsmittel bedient, selbst
wenn diese von Dritten zur Verfgung gestellt werden.20
Solange die Nutzer lediglich auf kostenlose, internetbasierte Konvertierungsdienste von Drittanbietern zurckgreifen und diese Diensteanbieter lediglich als „Werkzeug“ der Kopierenden ttig werden, findet das Privatkopienprivileg ohne Einschrnkung Anwendung. Der Einsatz
von serverbasierten Downloaddiensten ist daher urheberrechtlich nicht anders zu beurteilen, als der Einsatz von
softwarebasierten Stream-Downloadern.
V. Ausnahmen, digitale Privatkopien
herzustellen
Der deutsche Gesetzgeber hat im Rahmen der Umsetzung
der Informationsrichtlinie (RL 2001/29/EG des Europischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und
der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, dort Art. 5 Abs. 2 lit. b)) von der Mçglichkeit bewusst nicht Gebrauch gemacht, digitale Privatkopien vom
Anwendungsbereich des § 53 Abs. 1 UrhG auszunehmen.
Weder die Musikwirtschaft noch die Verbnde der Filmwirtschaft konnten sich im Gesetzgebungsverfahren zum
„Zweiten Korb“ mit ihren Vorschlgen durchsetzen, Privatkopien fr den Musikbereich ausschließlich in analoger
Form zu gestatten bzw. die digitale Privatkopie fr ein
Zeitfenster von einem Jahr nach Beginn der Kinoauswertung auszuschließen.21 (Nur) in zwei Fllen soll nach
Absicht des Gesetzgebers die Privatkopienfreiheit – auch
außerhalb des Zugriffs auf offensichtlich rechtswidrige
Vorlagen – hinter den kommerziellen Interessen der Rechteinhaber zurcktreten:
(1) Die betroffenen Werke werden den Nutzern aufgrund
einer vertraglichen Vereinbarung zugnglich gemacht. In
diesem Fall handelt es sich bei den Vervielfltigungen, die
unter diesen vertraglichen Bedingungen stattfinden, nicht
um private Vervielfltigungen i. S. d. § 53 Abs. 1, sondern
um Nutzungshandlungen, die vom Rechteinhaber lizenziert worden sind.22
Redlich, Download von Video- und Audiostreams
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(2) Die Rechteinhaber oder Plattformbetreiber setzen
wirksame technische Schutzmaßnahmen i. S. d. § 95 b
Abs. 2 a) UrhG ein, um den Download von gestreamten
Inhalten zu unterbinden. Der Gesetzgeber hat bewusst
davon abgesehen, die digitale Privatkopie der analogen
gleichzustellen und beim Einsatz technischer Schutzmaßnahmen durchzusetzen, vgl. § 95 b Abs. 1 Nr. 6 UrhG.23
1. Lizenzvertraglicher Ausschluss der Speicherung
In den „Nutzungsbedingungen“ von Streaming-Angeboten
wird zwar zum Teil ein Download der Video- und Musikinhalte, die ber die Plattform verbreitet werden, untersagt.24 Dennoch drfte das Privatkopienprivileg aus § 53
Abs. 1 UrhG, digitale Kopien der gestreamten Inhalte ohne
Einwilligung der Rechteinhaber herstellen zu drften, regelmßig uneingeschrnkt Anwendung finden, insbesondere wenn der Plattformbetreiber nicht auch der Rechteinhaber an den verbreiteten Inhalten ist.
Ein einseitig erklrtes „Downloadverbot“ in Gestalt eines
Disclaimers gengt im Umkehrschluss der Gesetzesbegrndung zum „Zweiten Korb“ nicht, das Privatkopienprivileg rechtswirksam auszuhebeln. Zwar mag der ausdrckliche Wille des Plattformbetreibers bzw. des Rechteinhabers, der ber eine solche Plattform seine Inhalte verbreitet, fr den Nutzer durchaus erkennbar sein, dass ein
Download der gestreamten Inhalte von der Plattform „unerwnscht“ ist. Videoplattformen wie YouTube oder MyVideo verzichten jedoch auf eine Registrierung ihrer Nutzer. Die Betreiber von werbefinanzierten Angeboten haben
ein gesteigertes Interesse, einem mçglichst breiten Publikum ihr Angebot zur Verfgung zu stellen und grçßtmçgliche Zugriffszahlen zu erreichen. Eine obligatorische Registrierung drfte die Zugriffszahlen maßgeblich verringern und eine Verbreitung ber Social-Networks wie Facebook ber Posting- oder Share-Funktion maßgeblich beeintrchtigen.
Eine Nutzung des Videoangebots (und nicht zuletzt der
Download mittels Stream-Downloadern) wird den Nutzern
daher anonym und bewusst ohne eine ausdrckliche Besttigung der Nutzungsbedingungen, sowie der ggf. enthaltenen Downloadverbote, ermçglicht. Auf die bloße
Nutzung einer Videoplattform bzw. den Aufruf von
Videos lsst sich ein Lizenzvertrag nicht sttzen, der eine
Downloadbeschrnkung zu Lasten des Privatnutzers regelt. Vorrausetzung wren zwei bereinstimmende, jeweils von einem Rechtsfolgewillen getragene Willenserklrung des Nutzers und des Plattformbetreibers.25 Die
bloße Abrufbarkeit von Nutzungsbedingungen, in denen
ein Downloadverbot niedergelegt ist, stellt bereits keinen
rechtsverbindlichen Vertragsantrag i. S. d. § 145 BGB des
Plattformbetreibers gegenber jedermann dar, der das Por18 Z. B. YouTube mp3, http://www.youtube-mp3.org/de.
19 BT-Drs. 16/1828, 19.
20 BGH, 22. 4. 2009 – I ZR 175/07, K&R 2009, 573 ff. – Online Videorekorder, Rn. 16; BGH, 25. 2. 1999 – I ZR 118/96, K&R 1999, 413 ff. –
Kopierversanddienst, BGH, 16. 1. 1997 – I ZR 9/95, NJW 1997, 1363 –
CB-Infobank I, Rn. 52 f.; BGH, 16. 1. 1997 – I ZR 38/96, NJW 1997,
1368 – CB-Infobank I, Rn. 25; Lft, in: Wandtke/Bullinger (Fn. 13), § 53
Rn. 18 f.
21 Gesetzesbegrndung zum Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Regelung
des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 15. 6. 2006, BTDrs. 16/1828, S. 18 ff.
22 BT-Drs. 16/1828, S. 20.
23 BT-Drs. 16/1828, S. 21, kritisch hierzu Wandtke/Ohst, in: Wandtke/Bullinger (Fn. 13), § 95 b UrhG, Rn. 26.
24 Vgl. z. B.: Ziffer 6.1. K YouTube-Nutzungsbedingungen.
25 Ellenberger, in: Palandt, Brgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl. 2012, Einf. v.
§ 116 Rn. 4; Einf. v. § 145 Rn. 1.
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Redlich, Download von Video- und Audiostreams
tal besucht oder darauf befindliche Videos abruft.26 Der
Wille, sich rechtlich zu binden, muss objektiv erkennbar
sein. Dies drfte bei rein unentgeltlichen Online-Angeboten, die (bewusst) jedermann zugnglich sind, ohne dass
der Betreiber die Nutzer individuell identifiziert und registriert, nicht der Fall sein. Anbieter von Webseiten mit
Online-Angeboten bekunden ihren Rechtsbindungswillen
blicherweise dadurch, dass sie den Kunden vor Nutzung
ihres Angebots einen Registrierungsvorgang vorschalten.
Der bloße Aufruf bzw. die Nutzung einer Videoplattform
stellt schließlich auch keine rechtsgeschftliche Annahme
eines Nutzungs- bzw. Lizenzvertrages i. S. d. § 147 BGB
dar. Ein Rechtsbindungswille des Nutzers lsst sich weder
dem bloßen Besuch der Plattform noch dem Abruf der
darauf befindlichen Videos entnehmen. Zwar drfte den
durchschnittlichen Internetnutzern regelmßig bekannt
sein, dass kommerzielle Diensteanbieter regelmßig Nutzungsbedingungen definieren, die die Rechte und Pflichten
der Nutzer regeln. Aus Sicht des Nutzers stellt die bloße
Inanspruchnahme eines Internetangebots dennoch keine
rechtsgeschftlich relevante Handlung dar. Insoweit unterscheidet sich die Nutzung der Plattform www.youtube.
com auch nicht von dem Anhçren bzw. Ansehen frei
empfangbarer Rundfunk- und Fernsehprogramme, das erkennbar auch nicht auf Begrnden eines Vertragsverhltnisses zwischen Hçrern bzw. Zuschauern und dem Sender
gerichtet ist.27
Der Nutzer eines frei zugnglichen Internetportals wie
YouTube oder MyVideo tritt mit dem Anbieter durch
den bloßen Aufruf der Seite und das Betrachten dort angebotener Videos daher in keine Vertragsbeziehung, auf
die sich ein rechtsgeschftliches Downloadverbot sttzen
lsst.28 Solange der Zugang und die Nutzung eines Videooder Musikangebots im Internet nicht auf Grundlage eines
Lizenzvertrages erfolgt, mssen Anbieter und nicht zuletzt
die Rechteinhaber, ungeliebte Downloads hinnehmen, es
sei denn, der Anbieter bedient sich wirksamer technischer
Schutzmaßnahmen i. S. d. § 95 a Abs. 2 UrhG, um den
Download zu verhindern.
2. Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen
(§ 95 a UrhG)
§ 95 a Abs. 1 UrhG untersagt die Umgehung „wirksamer
technischer Schutzmaßnahmen“, die den Zugang oder die
Nutzung (z. B. Download) von geschtzten Inhalten verhindern sollen. Aktivlegitimiert sind die verletzten Rechteinhaber, die sich der technischen Schutzmaßnahme bedienen.29 In der Regel drften technische Schutzmaßnahmen
jedoch von den Plattformbetreibern selbst eingerichtet
werden. Ob auch die Betreiber der Schutzmaßnahme neben den Rechteinhabern aktivlegitimiert sind, die eine
Schutzmaßnahme veranlassen, ist bislang nicht geklrt.30
Im Falle einer Umgehung einer Schutzmaßnahme drohen
Unterlassungs-, Beseitigungs- und ggf. Schadensersatzansprche gegen Verwender.31
Das Urheberrecht schtzt jedoch allein solche technischen
Maßnahmen, die im normalen Betrieb auch dazu bestimmt
sind, Vervielfltigungen von geschtzten Werken, die vom
Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder
einzuschrnken. Technische Maßnahmen sind nur dann
„wirksam“, wenn eine Speicherung durch einen Schutzmechanismus wie Verschlsselung o. . unter Kontrolle
gehalten wird, § 95 a Abs. 2 UrhG. Ein einhundertprozentiger Schutz ist zur Erfllung dieser Voraussetzungen nicht
erforderlich. Eine Umgehung wrde andernfalls die Wirk-
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samkeit widerlegen und § 95 a UrhG praktisch leerlaufen.32 Bei der Frage nach der Wirksamkeit einer technischen Schutzmaßnahme kommt es ferner auf die Fhigkeiten des durchschnittlichen Benutzers an und somit darauf, ob die Schutzmaßnahme fr den durchschnittlichen
Benutzer ein betrchtliches Hindernis darstellt.33 Die
Schutzmaßnahme darf also nicht derart leicht berwunden
werden kçnnen, dass sie keinen effektiven Downloadschutz bietet.34
Die dauerhafte Aufzeichnung eines Streams widerspricht
zunchst seiner technischen Eigenart. Diese liegt darin,
dass die gestreamten Daten zum Zwecke der Wiedergabe
so verpackt werden, dass nur eine temporre (und keine
dauerhafte) Datenspeicherung erfolgt.35 Auch die bertragung von terrestrischen Signalen, z. B. Fernseh- oder
Hçrfunk, erfolgt bestimmungsgemß allein zum Empfang
und zur Wiedergabe der „ausgestrahlten“ TV- und Radiosendungen und nicht zur dauerhaften Speicherung. Eine
dauerhafte Aufzeichnung von TV-/Radiosendungen mittels Kassetten-, Video- oder DVD-Rekordern stellt – auch
nach Umstellung auf DVB-T (Digital Video Broadcasting – Terrestria) – keine Umgehung einer wirksamen
Schutzmaßnahme dar, solange keine Verschlsselungsoder Zugangskontrollsysteme umgangen werden.36 Nichts
anderes sollte daher fr die Speicherung von gestreamten
Inhalten gelten, solange keine zustzlichen Verschlsselungstechniken der Plattformbetreiber eingesetzt und von
dem eingesetzten Stream-Downloader umgangen werden.
Die beim Streaming bersandten Datenpakete kçnnen jedoch schließlich ohne besondere Programmierkenntnisse
leicht von jedem Nutzer aus dem Cache oder dem temporren Ordner auf einen beliebigen Ort auf der Festplatte
kopiert werden und dann durch die nderung der Dateiendung mit jedem Media Player abgespielt werden.37 Dass
Inhalte technisch ausschließlich als Stream abrufbar gehalten werden, ohne dass gleichzeitig ber eine Downloadfunktion auf der Plattform auch die dauerhafte Speicherung ermçglich wird, stellt daher fr sich genommen
noch keinen wirksamen Schutzmechanismus i. S. d. § 95 a
Abs. 2 UrhG dar.38
Der Einsatz von entsprechenden Stream-Downloadern
stellt daher auch solange keine rechtsverletzende Umgehungshandlung i. S. d. § 95 a Abs. 1 UrhG dar, wie keine
zustzlichen Schutzmechanismen umgangen werden, die
der Plattformbetreiber zur effektiven Verhinderung eines
Downloads einsetzt. Die Vielzahl der derzeit verfgbaren
Angebote und das Ausbleiben einer Abmahnwelle gegen
Nutzer und Anbieter von Stream-Downloadern spricht
dafr, dass Plattformbetreiber derzeit regelmßig keine
26 Spindler, in: Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl. 2004,
Teil IV Rn. 31 f.
27 Cichon, Internetvertrge, 2. Aufl. 2005, § 6 Rn. 693.
28 Cichon in: Spindler (Fn. 26), Teil XII Rn. 38 f.; sowohl auch BGH, 22. 6.
2011 – I ZR 159/10, K&R 2011, 641 ff. – Automobilbçrse, Rn. 64.
29 OLG Mnchen, 28. 7. 2005 – 29 U 2887/05; K&R 2005, 768 – Heise
online, zitiert nach juris, Rn. 40.
30 Wandtke/Ohst, in: Wandtke/Bullinger (Fn. 13), § 95 a UrhG, Rn. 92.
31 Wandtke/Ohst, in: Wandtke/Bullinger (Fn. 13), § 95 a UrhG, Rn. 88, 92.
32 Wandtke/Ohst, in: Wandtke/Bullinger (Fn. 13), § 95 a UrhG, Rn. 50.
33 Wandtke/Ohst, in: Wandtke/Bullinger (Fn. 13), § 95 a UrhG, Rn. 50; Gçtting, in: Schricker /Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. 2010, § 95 a
Rn. 22.
34 Wandtke/Ohst, in: Wandtke/Bullinger (Fn. 13), § 95 a Rn. 47.
35 Vianello, CR 728, 732.
36 Vgl. BGH, 22. 4. 2009 – I ZR 175/07, K&R 2009, 573 ff. – Online-Videorekorder; LG Mnchen, 22. 11. 2010 – 21 O 19689/10 – Digitalreceiver
mit Onlineverschlsselungsmçglichkeit.
37 Hrting/Thiess, WRP 2012, 1068, 1069; Radmann, ZUM 2010, 387, 388.
38 Zustimmend Vianello, CR 2010, 728, 734.
K &R
11/2012
Spiecker gen. Dçhmann, Durchsetzung datenschutzrechtlicher Mindestanforderungen
wirksamen technischen Schutzmaßnahmen i. S. d. § 95 a
Abs. 2 UrhG einsetzen, um ungewollte Downloads zu verhindern. Sollten Plattformbetreiber wie YouTube dazu
bergehen, Downloads durch den Einsatz von Verschlsselungstechniken zu unterbinden, wre ggf. unter Hinzuziehung sachverstndiger Begutachtung im Einzelfall zu
prfen, ob die Voraussetzungen eines effektiven Hindernisses des § 95 a Abs. 2 UrhG erfllt sind und der Nutzer
gegen § 95 a Abs. 1 UrhG verstçßt, wenn er sich solcher
Stream-Downloader bedient. Die bisherige Rechtsprechung zu § 95 a UrhG betraf Software zur Umgehung
von Kopierschutz von DVDs39 und CDs40 oder Umgehungstechnik zum kostenlosen Empfang verschlsselter
Pay-TV-Sender.41 Es drfte wohl nur eine Frage der Zeit
sein, bis sich die ersten Gerichtsentscheidungen mit der
urheberrechtlichen Zulssigkeit der Umgehung von Verschlsselungstechniken befassen, die die Anbieter von
Streaming-Plattformen einsetzen.
VI. Fazit
Verzichten Plattformbetreiber wie YouTube weiterhin auf
die Vorschaltung eines Registrierungsvorgangs, den Abschluss eines Lizenzvertrages ber die Plattformnutzung
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und nicht zuletzt die AGB-rechtlich wirksame Einbeziehung von Nutzungsbedingen, verhlt sich der Nutzer bei
Herstellung digitaler Privatkopien im Verhltnis zum Anbieter auch nicht vertragswidrig. Auf ein einseitig erklrtes
„Downloadverbot“ des Anbieters lsst sich der Vorwurf,
gegen die „Nutzungsbedingungen“ der Plattform zu verstoßen, jedenfalls nicht sttzen.
Gegenber den Rechteinhabern kann sich der Nutzer von
Stream-Downloadern auf das in § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG
verankerte Privatkopienprivileg berufen, solange der Gesetzgeber die Privatkopienfreiheit fr digitale Vervielfltigungen nicht beschrnkt. Urheberrechtlich kritisch wird
der Einsatz von Stream-Downloadern erst, sollten wirksame technische Schutzmaßnahmen der Plattform, wie
Verschlsselungstechniken umgangen werden, die den
Download von gestreamten Inhalten unterbinden sollen.
39 BGH, 14. 10. 2010 – I ZR 191/08 – AnyDVD, K&R 2011, 325 ff.; LG
Mnchen I, 13. 6. 2007 – 21 S 2042/06, ZUM-RD 2008, 262 ff.
40 BGH, 17. 7. 2008 – I ZR 219/05 – Clone-CD, K&R 2008, 686 ff.
41 OLG Hamburg, 24. 6. 2009 – 5 U 165/08, MMR 2009, 851 ff.; LG
Mnchen I, 22. 11. 2010 – 21 O 19689/10; LG Mnchen I, 28. 5. 2009 –
7 O 17548/08, ZUM-RD 2010, 238 ff.
Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Dçhmann, LL.M. (Georgetown Univ.), Karlsruhe*
Die Durchsetzung datenschutzrechtlicher
Mindestanforderungen bei Facebook und anderen
sozialen Netzwerken
berlegungen zu Vollzugsdefiziten im Datenschutzrecht
Soziale Netzwerke wirken als Katalysatoren fr die
Schwierigkeiten des Datenschutzrechts mit den modernen
Entwicklungen der Informationstechnologien und darauf
basierender Dienste. Ein zentrales Problem ist dabei vor
allem die Durchsetzbarkeit der rechtlich vorgegebenen
Mindestanforderungen. Diese werden sich auch durch
anstehende Vernderungen im Rahmen einer Reform des
europischen Datenschutzrechts, speziell der Datenschutz-Grundverordnung, nur geringfgig ndern. Der
Beitrag spiegelt einige dieser Schwierigkeiten und zeigt
Lçsungsmçglichkeiten auf – verlangt dabei aber auch eine
Loslçsung vom Postulat der Technikneutralitt, um den
Unterschieden einer online- und offline-Datenverarbeitung gerecht werden zu kçnnen.
I. Einfhrung
Die Bedeutung sozialer Netzwerke wird allgegenwrtig
thematisiert. Soziale Netzwerke sind gekennzeichnet dadurch, dass eine interaktive Webanwendung eine Gemeinschaft von Menschen oder Gruppierungen im Internet
technisch und institutionell verbindet.1 Sie geben eine
Plattform fr Kommunikation.2 Bekannte soziale Netzwerke sind etwa StudiVZ, Xing, Facebook, Myspace,
LinkedIn und Twitter; aber auch andere kommunikative
Formen des Internets fallen darunter wie Blogs oder auch
interaktive Open Source Projekte wie Wikipedia. Damit ist
der Kreis deutlich grçßer als in der çffentlichen Diskussion, die sich vor allem auf Plattformen wie Facebook konzentriert, wahrgenommen wird.
Waren soziale Netzwerke, allen voran Facebook, bisher
vor allem Privaten vorbehalten, so lsst sich zunehmend
beobachten, dass auch Unternehmen die sozialen Netzwerke aktiv fr sich entdeckt haben.3 Immer mehr professionelle Nutzer treten nunmehr in einen direkten Kontakt, indem sie bekannte soziale Netzwerke nutzen und
* Der Beitrag geht auf einen Vortrag auf dem 12. @kit-Kongress – 2. Forum
„Kommunikation & Recht“ zurck. Mehr ber die Autorin erfahren Sie
auf S. VIII.
1 Vgl. Spiecker gen. Dçhmann, AnwBl. 2011, 256.
2 Vgl. Redeker, in: Hoeren/Sieber, Multimedia-Recht, 12. Erg. 2012, Teil
12 Rn. 415.
3 Fr die von vorne herein auf professionelle Kontakte ausgerichteten Netzwerke wie LinkedIn oder Xing galt das ohnehin; allerdings waren auch
dort Unternehmensprsentationen eher unterreprsentiert.

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